zwei große Umwälzungen beschäftigen uns im Europe.Table. Heute geht es um eine der strittigsten Fragen des Green Deals: Kann Kernkraft Teil der Lösung sein? Den Streit um grüne Investitionen hat sich meine Kollegin Charlotte Wirth genauer angeschaut. Sie beschreibt, warum EU-Forscher von einer Bundesbehörde massive Kritik ernten.
Und: Akuter Chipmangel beschäftigt derzeit viele – aber wie sieht es mit den Chips von morgen aus? Till Hoppe analysiert den vielleicht wichtigsten Chip-Deal des Jahrzehnts: Der UK-Chipdesigner Arm steht zum Verkauf – und Nvidia aus den USA will kaufen. Will, kann, muss die EU hier eingreifen?
Die Welt schaut aber vorerst auf Afghanistan. Und die Frage drängt: Wo war Europa? Dänemark hatte als erstes EU-Land eine Militärmaschine vor Ort. Deutschland, Frankreich, Spanien, alle schickten ihre Evakuierungsmissionen erst spät und einzeln auf die Reise. Die EU als solches? Ihre außenpolitische Schwäche war unübersehbar. Um die Flüchtlingspolitik sorgte sich Vize Margaritis Schinas – während das Instagramprofil Ursula von der Leyens Pferdeglück zeigte. Selbst ein außerordentliches Treffen der EU-Außenminister zur Situation wird erst heute stattfinden – um 16 Uhr, als Videokonferenz. Keine gute Werbung für die Gemeinschaft.
“World Nuclear News”, das Sprachrohr der Atomindustrie, jubelte im März: “Atomenergie darf in die EU-Taxonomie aufgenommen werden.” Zuvor hatte die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) einen Bericht veröffentlicht, wonach Kernenergie die “Do No Significant Harm”-Kriterien (DNSH) der Taxonomie für nachhaltige Investitionen erfülle.
Was technisch klingt, hat große Tragweite: Die Taxonomie legt fest, ob Investments als klimafreundlich abgeschrieben werden dürfen. Sie stellt damit die Weichen, mit welchen Mitteln die EU klimaneutral werden will.
Für die Atomindustrie steht viel auf dem Spiel. Die Betreibergesellschaften befinden sich schon lange in finanziellen Schwierigkeiten. Der Bau neuer Reaktoren verzögert sich. Die Kosten steigen. Zwei Drittel der europäischen Atomkraftwerke haben mit über 30 Jahren das Ende ihrer Laufzeit erreicht. Es wächst die Zahl der Reaktoren wie Doel (BE) oder Cattenom (FR), die nur noch dank Laufzeitverlängerungen am Netz sind.
Von der Aufnahme in die Taxonomie verspricht sich die Industrie wertvolle Finanzspritzen. Bereits seit Jahren versucht sie Zugang zu Mitteln zu finden, die bisher für erneuerbare Energien reserviert waren. Mit der Taxonomie wäre der Weg frei. Eine Entscheidung der Kommission wird im Herbst erwartet.
Dass Atomstrom zur Linderung der Klimakrise beitragen kann, hat bereits die Sachverständigengruppe für nachhaltige Finanzen der Kommission festgestellt. Doch um den DNSH-Kriterien zu entsprechen, müssen Wirtschaftsaktivitäten nicht nur einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von sechs Umweltzielen leisten, sie dürfen den anderen zudem nicht schaden. Diese sind:
Für die Wissenschaftler des JRC erfüllt die Kernenergie diese Kriterien: “Unsere Analyse konnte keinen wissenschaftlichen Nachweis erbringen, dass Kernenergie der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit mehr schadet als andere Energieproduktionstechnologien, die bereits Teil der Taxonomie sind.” Und weiter: “Alle potenziell schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit der gesamten Lebenszyklusphase der Kernenergie sind vermeidbar.”
Kernenergie sei sicher, sofern die Betreiber alle geltenden Regeln rund um den Bau und die Instandhaltung der Reaktoren sowie die Entsorgung radioaktiver Abfälle einhielten. Das Risiko nuklearer Abfälle und Umweltschäden sei äußerst gering. Sprich: Kernenergie dürfe alsbald als nachhaltig eingestuft werden.
Aber der Bericht stößt auf Widerstand. Unwissenschaftliches Arbeiten, ein Mangel an Unabhängigkeit und fragwürdige Schlussfolgerungen: Die Vorwürfe der Kritiker haben es in sich. “Ich werde nicht untätig zusehen, wenn manche in der Taxonomie-Debatte einen Etikettenschwindel mit der Atomkraft versuchen”, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze zu Europe.Table. Und warnt: “Der Schaden wäre immens – für die Glaubwürdigkeit der Taxonomie und damit für alle, die Kapital für wirklich nachhaltige Investments benötigen.”
Der Luxemburger Energieminister Claude Turmes (Grüne) kritisiert ebenfalls deutlich: “Die Kommission wollte mit dem Bericht die Debatte entpolitisieren, hat aber das Gegenteil erreicht: Der Bericht ist nicht transparent und fehlerhaft. Nicht einmal die Autoren werden erwähnt.”
Schulze und Turmes haben sich gemeinsam mit ihren Kollegen aus Österreich, Dänemark und Spanien per Schreiben an die EU-Kommission gewandt. Darin werfen sie der JRC unsauberes Arbeiten vor. Die Gruppe habe beispielsweise die Risiken atomarer Unfälle ausgeklammert und die Suche nach Endlagern als gelöstes Problem dargestellt. Eine Antwort der Kommission steht noch aus.
Das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) geht in seiner Kritik noch weiter. In einer Stellungnahme bemängelt es, der JRC-Bericht enthalte “unbegründete Verallgemeinerungen”, stütze sich auf eine “unausgewogene Datenlage” und ziehe fachlich “nicht nachvollziehbare” Schlussfolgerungen. Dass das JRC schreibt, die EU-Klimaziele könnten mithilfe des Ausbaus der Kernenergie erreicht werden, kann das Bundesamt nicht nachvollziehen: Diese Darstellung sei “aus fachlicher Sicht fragwürdig”, deute gar “auf eine nicht ausreichende Unabhängigkeit hin”.
Gleiches bemerkt der Experte für Reaktorsicherheit, Manfred Mertins (TH Brandenburg). Die Forschungsgruppe habe klare Sachverhalte falsch dargelegt, um die Kernenergie als kostengünstig und umweltfreundlich darzustellen. Keineswegs könne Kernenergie die DNSH-Prinzipien erfüllen, sagt Mertins.
Hat sich das JRC von Lobbyisten beeinflussen lassen? Ja, findet Claude Turmes: “DG Energy und Euratom sind größtenteils Verfechter der Kernenergie.” Hinzu komme, dass mit Thierry Breton einer der verantwortlichen Kommissare aus Frankreich komme: “Da ist Kernenergie Staatsdoktrin.”
Tatsächlich geht die Schaffung des JRC auf den Euratom-Vertrag zurück – jenen Vertrag also, der historisch für den Ausbau der Kernenergie steht. NGOs wie Greenpeace kritisieren regelmäßig die engen Beziehungen zwischen führenden JRC-Köpfen und der Atomlobby. Die Kommission weist die Kritik auf Nachfrage zurück: Als Generaldirektorat der Kommission gälten für das JRC dieselben Transparenzregeln wie für die EU-Kommission als Ganzes.
Bei der Kritik am JRC-Bericht gehe es um wissenschaftliche Fakten, kontert die europäische Atomlobby-Organisation Foratom. “Regierungen haben das Recht, kritisch zu sein. Doch die JRC-Mitarbeiter sind unabhängige Wissenschaftler. Die Integrität des Berichtes zu kritisieren, bedeutet, die Integrität des Forschungsgremiums zu hinterfragen”, sagt Foratom–Sprecherin Jessica Johnson. Sie verweist auf zwei Peer-Reviews, die die Schlussfolgerungen des JRC bestätigten.
Es handelt sich zum einen um Einschätzungen der Artikel-31-Gruppe für Strahlenschutz und Abfallentsorgung, die wie das JRC dem Euratom-Vertrag anhängt. Zum anderen um das SCHEER-Komitee, welches die Kommission in Fragen der Gesundheits- und Umweltrisiken berät. Beide Gremien unterstützen tatsächlich in groben Zügen den JRC-Bericht, gleichwohl die Scheer-Gruppe deutlich kritischer ist. Sie bemängelt etwa, das JRC habe weniger untersucht, ob die Kernenergie dem DNSH-Prinzip entspreche – sondern vielmehr verglichen, wie sie gegenüber anderen Technologien abschneide.
Der wohl wichtigste Hightech-Deal des Jahres geht in die heiße Phase. Mit dem Ende der Brüsseler Sommerpause in zwei Wochen dürfte Nvidia die Übernahme des britischen Chipdesigners Arm bei der EU-Kommission zur wettbewerbsrechtlichen Prüfung anmelden. Zuvor könnte sich noch die britische Regierung äußern: Digitalminister Oliver Dowden wertet derzeit einen Bericht der Marktaufsicht CMA aus, der auch Folgen für die nationale Sicherheit des Vereinigten Königreichs beleuchtet.
Viele Beobachter bezweifeln, dass London, Brüssel oder auch Peking die Übernahme einfach durchwinken werden. In Deutschland hat die Übernahme zwar nur wenig öffentliche und politische Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Arm ist nur wenigen ein Begriff, das Unternehmen hat hierzulande auch nur eine kleine Software-Tochter in der Nähe Münchens. Zudem scheint der Verkauf eines britischen Unternehmens durch den japanischen Eigner Softbank an den US-Konzern Nvidia die Interessen Deutschlands und der EU kaum zu berühren.
Doch der Eindruck täuscht:
Besonders in Europa und China werden sich die Behörden den Fall daher sehr genau anschauen. Nvidia versucht, die Bedenken zu zerstreuen und verspricht, “am offenen Lizenzmodell festzuhalten”. Sämtliche technischen Weiterentwicklungen würden den Arm-Lizenznehmern zur Verfügung gestellt, versicherte Huang.
Doch der CEO wird viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass er den technischen Vorsprung von Arm-Entwicklungen nicht erst für seine eigenen Produkte nutzt. “Das wäre eigentlich naheliegend für ein Unternehmen, das auf dem Gebiet originäre Geschäftsinteressen verfolgt”, sagt Kleinhans. Auch europäische Chiphersteller beobachten den Deal daher mit Argusaugen – Firmen wie Infineon und NXP hängen von Arm-IP ab.
Auch für die wichtige Autoindustrie hätte der Deal Konsequenzen. Viele der Halbleiter in den Fahrzeugen basieren auf Arm-Designs. Zugleich hat der KI-Chip-Spezialist Nvidia strategische Partnerschaften mit Herstellern wie Daimler zum autonomen Fahren vereinbart. Da die Amerikaner überdies stark im Cloud-Computing sind, wäre eine mächtige, vielleicht übermächtige Position in diesem zukunftsträchtigen Markt möglich.
Bislang haben die beiden Unternehmen den Deal nicht offiziell bei der EU-Kommission zur Prüfung angemeldet, wie eine Sprecherin der Behörde bestätigt. Dass sich die Pre-Notification-Phase so lange hinzieht, deutet darauf hin, dass die EU-Wettbewerbshüter bereits im Vorfeld ungewöhnlich viele Fragen übermittelt haben. Dadurch rutschte die Notifizierung zugleich zeitlich deutlich nach hinten – eine Anmeldung direkt vor der Sommerpause hätten die Kommissionsbeamten angesichts knapper Bearbeitungsfristen als unfreundlichen Akt gewertet.
Experten halten es auch für unwahrscheinlich, dass die Kommission bereits in der ersten Prüfphase freigeben werde. Dafür seien klar zugeschnittene Zugeständnisse wie Verkäufe von Firmenteilen nötig, die in diesem Falle schwer zu erkennen seien, sagt ein Kartellrechtler, der sich nicht namentlich zitieren lassen will.
Sollte die Behörde eine vertiefte Prüfung einleiten, würde die Entscheidung wohl ins kommende Frühjahr rutschen. Und damit nah an die Zielmarke März 2022, die sich Nvidia und Verkäufer Softbank für das Closing des Deals gesetzt hatten. Allerdings haben beide Seiten etwas Puffer eingebaut: Erst wenn die Genehmigungen im September 2022 noch ausstehen, dürfen beide Parteien andere Optionen verfolgen.
Diese Frist könnte wiederum die chinesische Wettbewerbsaufsicht ausreizen. Angesichts der politischen Implikationen könne es sein, dass die Behörde gar keine Prüfverfahren einleite, sondern es einfach aussitze, sagt der Branchenanalyst Roger Entner von Recon Analytics.
Derzeit gibt es keinen Grund für Peking, sich für die Übernahme offen zu zeigen. Der neue US-Präsident Joe Biden hat die Handelspolitik seines Vorgängers nicht zurückgenommen, sondern sogar noch weitergetrieben. Der Handelskrieg könnte sich noch lange hinziehen und in immer härtere Runden gehen.
Sämtliche chinesischen Akteure haben den Deal von Anfang an abgelehnt. “Die Regulatoren sollten ‘Nein’ zur Übernahme von Arm durch Nvidia sagen”, titelte die Staatszeitung “Global Times” im vergangenen Jahr. Das Staatsorgan zog dabei gleich eine Verbindung zum US-Vorgehen gegen die Video-App Tiktok aus China. Dieses zeige, wie aggressiv die USA ihre Technik-Vorherrschaft verteidigten. Warum sollte Peking sich da willfährig zeigen?
Doch Peking und Brüssel könnten vor einem gemeinsamen Problem stehen: Softbank will Arm versilbern. Und derzeit ist vollkommen offen, ob ein anderer Käufer angenehmer als Nvidia sein würde. Mit Finn Mayer-Kuckuk
Deutschlands Kohlekraftwerke müssen sich auf schärfere Emissionsgrenzwerte einstellen. Doch die Neufassung der sogenannten Verordnung über Großfeuerungsanlagen sei bei Weitem nicht ambitioniert genug, kritisieren mehrere Umweltverbände. Die Bundesregierung bleibe hier deutlich unter ihren Möglichkeiten. Das gefährde die Umwelt ebenso wie den Gesundheitsschutz der Bevölkerung.
Die jüngst in Kraft getretene Verordnung dient der Umsetzung von EU-Vorgaben aus der Industrieemissionsrichtlinie (BREF), die 2017 verabschiedet wurden und seither für Streit sorgen. Die Bundesregierung hatte die Vorgaben im Rat abgelehnt und die Kohleindustrie wehrte sich gegen strengere Grenzwerte für die Emissionen von Feinstaub, Stickoxiden, Schwefel und Quecksilber. Mit dem heutigen Tag endet jedoch die Umsetzungsfrist, womit eine Neufassung der Grenzwerte unumgänglich wurde.
Die EU-Regeln geben aufgrund der europaweit unterschiedlichen Standards lediglich Emissionsbandbreiten für die Kohlekraftwerke vor. Deutschland orientiere sich hierbei aber “grundsätzlich an den schwächsten Grenzwerten” und bleibe somit weit unter den Möglichkeiten, kritisiert etwa die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Auch wenn der Kohleausstieg immer näher rücke, seien einige Anlagen noch etliche Jahre am Netz und bis zu ihrer Stilllegung eine wesentliche Umwelt- und Gesundheitsbelastung.
Das Umweltministerium verweist auf Nachfrage auf eine Pressemitteilung. Darin heißt es, dass “jede Anlage nicht weniger als das leisten soll, was technisch möglich und ökonomisch sinnvoll ist”. til
Emmanuel Macron hat sich hohe Ziele gesteckt, dementsprechend lang ist O’s To-do-Liste: Der im Juli 2020 ernannte Staatssekretär soll das 5G-Netz in Frankreich ausbauen und die digitale Souveränität möglich machen.
Ob Suchmaschine, Cloud oder Social Media – die großen Anbieter seien stets US-amerikanisch, wenn nicht chinesisch, sagt Cédric O. “Wenn wir unabhängig sein wollen, brauchen wir europäische Lösungen.”
Frankreichs Digital-Staatssekretär hat sich viel vorgenommen. Genauer gesagt: sein Präsident. Emmanuel Macron beklagt schon seit Amtsantritt die mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit heimischer Digitalunternehmen. Er will nicht länger zusehen, wie ausländische Tech-Firmen den europäischen Markt beherrschen. Was er stattdessen will: mindestens zehn europäische Digitalkonzerne mit Marktbewertungen von mehr als 100 Milliarden Euro bis 2030. Und: Das 5G-Netz soll bis 2025 in ganz Frankreich stehen.
Cédric O soll dafür die Bedingungen schaffen. O, Jahrgang 1982, wuchs als Sohn einer Französin und eines Koreaners in L’Arbresle nahe Lyon auf. In der Politik hat er als Berater von Dominique Strauss-Kahn, Pierre Moscovici und François Hollande bereits viel Erfahrung gesammelt. Sein Abstecher in die Privatwirtschaft als Manager eines Luft- und Raumfahrtunternehmens war hingegen eher kurz.
Seit seiner Ernennung hat er sich aber einen Namen als dynamischer Reformer gemacht: Die schnelle Entwicklung der Corona-App beschleunigte die Rückkehr zum gesellschaftlichen Leben, in vielen französischen Städten kann man bereits seit Ende 2020 vom 5G-Netz profitieren. Durch die High-Speed-Übertragung sollen auch bald selbstfahrende Autos und andere KI-Projekte Wirklichkeit werden. Ein Sektor, in dem sich Frankreich gerne als europäischer “Leader” positionieren würde.
Um den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards abzuschließen und die ersehnten französischen Firmen von Weltrang hochzuziehen, hat der junge Staatssekretär sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Für eine solche Herkulesaufgabe ein recht dürftiges Budget.
O will mit den vorhandenen Mitteln lokales Fachpersonal ausbilden und mit attraktiven Bedingungen im Land halten. Vor allem aber will er in die erfolgreichsten Start-ups und in bereits etablierte Tech-Unternehmen investieren, zum Beispiel den Mitfahrvermittler BlaBlaCar und den Ärztedienst Doctolib.
Der Gedanke dahinter: Die Besten sollen noch besser werden. Es gehe nicht darum, massenhaft neue Labels auf den Markt zu werfen. “Frankreich bietet ein günstiges Umfeld für die Entwicklung innovativer Unternehmen”, sagt O. “Unsere Herausforderung besteht nun darin, diese Dynamik zu verstärken, um es an die Spitze zu schaffen.” Giorgia Grimaldi
+Ricicli +Viaggi (mehr Recycling, mehr Reisen) heißt das Projekt, mit dem der römische Nahverkehr eine kreative Antwort auf das Problem des Plastikmülls in der Stadt gefunden hat. Das Prinzip: Nahverkehr-Tickets lassen sich mit Plastikflaschen bezahlen. Pro eingeworfener Flasche gibt es 5 Cent, die beim Kauf eines Tickets gutgeschrieben werden. Das Projekt lief erfolgreich – musste zur Pandemiebekämpfung aber pausieren.
Menschen mit prall gefüllten Tüten voller Pfandgut: Bilder, die wir in Deutschland seit Jürgen Trittin kennen. In einigen EU-Ländern gibt es schon seit Jahren den Flaschenpfand, in Schweden sogar seit den 1980er-Jahren. Immer mehr Länder ziehen nach. Ein EU-einheitliches System gibt es bislang jedoch nicht.
Das will die Bürgerinitiative Return the Plastics ändern. Sie hat die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag für ein EU-weites Pfandsystem für Kunststoff-Flaschen einzuführen. Die erste große Hürde haben die Initiatoren jetzt genommen: Return the Plastics ist offiziell als Europäische Bürgerinitiative registriert und kann Unterschriften für das Anliegen sammeln. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Staaten zusammenbekommt, muss die Kommission reagieren.
Vielleicht fangen sie mit ihrer Unterschriftenaktion nach dem Jahreswechsel in deutschen Supermärkten an, denn dann wird die Pfandpflicht auf deutlich mehr Produkte ausgeweitet. Am besten an einem Samstagmittag, nachdem einer von zwei Pfandautomaten ausgefallen ist. Sarah Schaefer
zwei große Umwälzungen beschäftigen uns im Europe.Table. Heute geht es um eine der strittigsten Fragen des Green Deals: Kann Kernkraft Teil der Lösung sein? Den Streit um grüne Investitionen hat sich meine Kollegin Charlotte Wirth genauer angeschaut. Sie beschreibt, warum EU-Forscher von einer Bundesbehörde massive Kritik ernten.
Und: Akuter Chipmangel beschäftigt derzeit viele – aber wie sieht es mit den Chips von morgen aus? Till Hoppe analysiert den vielleicht wichtigsten Chip-Deal des Jahrzehnts: Der UK-Chipdesigner Arm steht zum Verkauf – und Nvidia aus den USA will kaufen. Will, kann, muss die EU hier eingreifen?
Die Welt schaut aber vorerst auf Afghanistan. Und die Frage drängt: Wo war Europa? Dänemark hatte als erstes EU-Land eine Militärmaschine vor Ort. Deutschland, Frankreich, Spanien, alle schickten ihre Evakuierungsmissionen erst spät und einzeln auf die Reise. Die EU als solches? Ihre außenpolitische Schwäche war unübersehbar. Um die Flüchtlingspolitik sorgte sich Vize Margaritis Schinas – während das Instagramprofil Ursula von der Leyens Pferdeglück zeigte. Selbst ein außerordentliches Treffen der EU-Außenminister zur Situation wird erst heute stattfinden – um 16 Uhr, als Videokonferenz. Keine gute Werbung für die Gemeinschaft.
“World Nuclear News”, das Sprachrohr der Atomindustrie, jubelte im März: “Atomenergie darf in die EU-Taxonomie aufgenommen werden.” Zuvor hatte die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) einen Bericht veröffentlicht, wonach Kernenergie die “Do No Significant Harm”-Kriterien (DNSH) der Taxonomie für nachhaltige Investitionen erfülle.
Was technisch klingt, hat große Tragweite: Die Taxonomie legt fest, ob Investments als klimafreundlich abgeschrieben werden dürfen. Sie stellt damit die Weichen, mit welchen Mitteln die EU klimaneutral werden will.
Für die Atomindustrie steht viel auf dem Spiel. Die Betreibergesellschaften befinden sich schon lange in finanziellen Schwierigkeiten. Der Bau neuer Reaktoren verzögert sich. Die Kosten steigen. Zwei Drittel der europäischen Atomkraftwerke haben mit über 30 Jahren das Ende ihrer Laufzeit erreicht. Es wächst die Zahl der Reaktoren wie Doel (BE) oder Cattenom (FR), die nur noch dank Laufzeitverlängerungen am Netz sind.
Von der Aufnahme in die Taxonomie verspricht sich die Industrie wertvolle Finanzspritzen. Bereits seit Jahren versucht sie Zugang zu Mitteln zu finden, die bisher für erneuerbare Energien reserviert waren. Mit der Taxonomie wäre der Weg frei. Eine Entscheidung der Kommission wird im Herbst erwartet.
Dass Atomstrom zur Linderung der Klimakrise beitragen kann, hat bereits die Sachverständigengruppe für nachhaltige Finanzen der Kommission festgestellt. Doch um den DNSH-Kriterien zu entsprechen, müssen Wirtschaftsaktivitäten nicht nur einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von sechs Umweltzielen leisten, sie dürfen den anderen zudem nicht schaden. Diese sind:
Für die Wissenschaftler des JRC erfüllt die Kernenergie diese Kriterien: “Unsere Analyse konnte keinen wissenschaftlichen Nachweis erbringen, dass Kernenergie der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit mehr schadet als andere Energieproduktionstechnologien, die bereits Teil der Taxonomie sind.” Und weiter: “Alle potenziell schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit der gesamten Lebenszyklusphase der Kernenergie sind vermeidbar.”
Kernenergie sei sicher, sofern die Betreiber alle geltenden Regeln rund um den Bau und die Instandhaltung der Reaktoren sowie die Entsorgung radioaktiver Abfälle einhielten. Das Risiko nuklearer Abfälle und Umweltschäden sei äußerst gering. Sprich: Kernenergie dürfe alsbald als nachhaltig eingestuft werden.
Aber der Bericht stößt auf Widerstand. Unwissenschaftliches Arbeiten, ein Mangel an Unabhängigkeit und fragwürdige Schlussfolgerungen: Die Vorwürfe der Kritiker haben es in sich. “Ich werde nicht untätig zusehen, wenn manche in der Taxonomie-Debatte einen Etikettenschwindel mit der Atomkraft versuchen”, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze zu Europe.Table. Und warnt: “Der Schaden wäre immens – für die Glaubwürdigkeit der Taxonomie und damit für alle, die Kapital für wirklich nachhaltige Investments benötigen.”
Der Luxemburger Energieminister Claude Turmes (Grüne) kritisiert ebenfalls deutlich: “Die Kommission wollte mit dem Bericht die Debatte entpolitisieren, hat aber das Gegenteil erreicht: Der Bericht ist nicht transparent und fehlerhaft. Nicht einmal die Autoren werden erwähnt.”
Schulze und Turmes haben sich gemeinsam mit ihren Kollegen aus Österreich, Dänemark und Spanien per Schreiben an die EU-Kommission gewandt. Darin werfen sie der JRC unsauberes Arbeiten vor. Die Gruppe habe beispielsweise die Risiken atomarer Unfälle ausgeklammert und die Suche nach Endlagern als gelöstes Problem dargestellt. Eine Antwort der Kommission steht noch aus.
Das Bundesamt für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE) geht in seiner Kritik noch weiter. In einer Stellungnahme bemängelt es, der JRC-Bericht enthalte “unbegründete Verallgemeinerungen”, stütze sich auf eine “unausgewogene Datenlage” und ziehe fachlich “nicht nachvollziehbare” Schlussfolgerungen. Dass das JRC schreibt, die EU-Klimaziele könnten mithilfe des Ausbaus der Kernenergie erreicht werden, kann das Bundesamt nicht nachvollziehen: Diese Darstellung sei “aus fachlicher Sicht fragwürdig”, deute gar “auf eine nicht ausreichende Unabhängigkeit hin”.
Gleiches bemerkt der Experte für Reaktorsicherheit, Manfred Mertins (TH Brandenburg). Die Forschungsgruppe habe klare Sachverhalte falsch dargelegt, um die Kernenergie als kostengünstig und umweltfreundlich darzustellen. Keineswegs könne Kernenergie die DNSH-Prinzipien erfüllen, sagt Mertins.
Hat sich das JRC von Lobbyisten beeinflussen lassen? Ja, findet Claude Turmes: “DG Energy und Euratom sind größtenteils Verfechter der Kernenergie.” Hinzu komme, dass mit Thierry Breton einer der verantwortlichen Kommissare aus Frankreich komme: “Da ist Kernenergie Staatsdoktrin.”
Tatsächlich geht die Schaffung des JRC auf den Euratom-Vertrag zurück – jenen Vertrag also, der historisch für den Ausbau der Kernenergie steht. NGOs wie Greenpeace kritisieren regelmäßig die engen Beziehungen zwischen führenden JRC-Köpfen und der Atomlobby. Die Kommission weist die Kritik auf Nachfrage zurück: Als Generaldirektorat der Kommission gälten für das JRC dieselben Transparenzregeln wie für die EU-Kommission als Ganzes.
Bei der Kritik am JRC-Bericht gehe es um wissenschaftliche Fakten, kontert die europäische Atomlobby-Organisation Foratom. “Regierungen haben das Recht, kritisch zu sein. Doch die JRC-Mitarbeiter sind unabhängige Wissenschaftler. Die Integrität des Berichtes zu kritisieren, bedeutet, die Integrität des Forschungsgremiums zu hinterfragen”, sagt Foratom–Sprecherin Jessica Johnson. Sie verweist auf zwei Peer-Reviews, die die Schlussfolgerungen des JRC bestätigten.
Es handelt sich zum einen um Einschätzungen der Artikel-31-Gruppe für Strahlenschutz und Abfallentsorgung, die wie das JRC dem Euratom-Vertrag anhängt. Zum anderen um das SCHEER-Komitee, welches die Kommission in Fragen der Gesundheits- und Umweltrisiken berät. Beide Gremien unterstützen tatsächlich in groben Zügen den JRC-Bericht, gleichwohl die Scheer-Gruppe deutlich kritischer ist. Sie bemängelt etwa, das JRC habe weniger untersucht, ob die Kernenergie dem DNSH-Prinzip entspreche – sondern vielmehr verglichen, wie sie gegenüber anderen Technologien abschneide.
Der wohl wichtigste Hightech-Deal des Jahres geht in die heiße Phase. Mit dem Ende der Brüsseler Sommerpause in zwei Wochen dürfte Nvidia die Übernahme des britischen Chipdesigners Arm bei der EU-Kommission zur wettbewerbsrechtlichen Prüfung anmelden. Zuvor könnte sich noch die britische Regierung äußern: Digitalminister Oliver Dowden wertet derzeit einen Bericht der Marktaufsicht CMA aus, der auch Folgen für die nationale Sicherheit des Vereinigten Königreichs beleuchtet.
Viele Beobachter bezweifeln, dass London, Brüssel oder auch Peking die Übernahme einfach durchwinken werden. In Deutschland hat die Übernahme zwar nur wenig öffentliche und politische Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Arm ist nur wenigen ein Begriff, das Unternehmen hat hierzulande auch nur eine kleine Software-Tochter in der Nähe Münchens. Zudem scheint der Verkauf eines britischen Unternehmens durch den japanischen Eigner Softbank an den US-Konzern Nvidia die Interessen Deutschlands und der EU kaum zu berühren.
Doch der Eindruck täuscht:
Besonders in Europa und China werden sich die Behörden den Fall daher sehr genau anschauen. Nvidia versucht, die Bedenken zu zerstreuen und verspricht, “am offenen Lizenzmodell festzuhalten”. Sämtliche technischen Weiterentwicklungen würden den Arm-Lizenznehmern zur Verfügung gestellt, versicherte Huang.
Doch der CEO wird viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass er den technischen Vorsprung von Arm-Entwicklungen nicht erst für seine eigenen Produkte nutzt. “Das wäre eigentlich naheliegend für ein Unternehmen, das auf dem Gebiet originäre Geschäftsinteressen verfolgt”, sagt Kleinhans. Auch europäische Chiphersteller beobachten den Deal daher mit Argusaugen – Firmen wie Infineon und NXP hängen von Arm-IP ab.
Auch für die wichtige Autoindustrie hätte der Deal Konsequenzen. Viele der Halbleiter in den Fahrzeugen basieren auf Arm-Designs. Zugleich hat der KI-Chip-Spezialist Nvidia strategische Partnerschaften mit Herstellern wie Daimler zum autonomen Fahren vereinbart. Da die Amerikaner überdies stark im Cloud-Computing sind, wäre eine mächtige, vielleicht übermächtige Position in diesem zukunftsträchtigen Markt möglich.
Bislang haben die beiden Unternehmen den Deal nicht offiziell bei der EU-Kommission zur Prüfung angemeldet, wie eine Sprecherin der Behörde bestätigt. Dass sich die Pre-Notification-Phase so lange hinzieht, deutet darauf hin, dass die EU-Wettbewerbshüter bereits im Vorfeld ungewöhnlich viele Fragen übermittelt haben. Dadurch rutschte die Notifizierung zugleich zeitlich deutlich nach hinten – eine Anmeldung direkt vor der Sommerpause hätten die Kommissionsbeamten angesichts knapper Bearbeitungsfristen als unfreundlichen Akt gewertet.
Experten halten es auch für unwahrscheinlich, dass die Kommission bereits in der ersten Prüfphase freigeben werde. Dafür seien klar zugeschnittene Zugeständnisse wie Verkäufe von Firmenteilen nötig, die in diesem Falle schwer zu erkennen seien, sagt ein Kartellrechtler, der sich nicht namentlich zitieren lassen will.
Sollte die Behörde eine vertiefte Prüfung einleiten, würde die Entscheidung wohl ins kommende Frühjahr rutschen. Und damit nah an die Zielmarke März 2022, die sich Nvidia und Verkäufer Softbank für das Closing des Deals gesetzt hatten. Allerdings haben beide Seiten etwas Puffer eingebaut: Erst wenn die Genehmigungen im September 2022 noch ausstehen, dürfen beide Parteien andere Optionen verfolgen.
Diese Frist könnte wiederum die chinesische Wettbewerbsaufsicht ausreizen. Angesichts der politischen Implikationen könne es sein, dass die Behörde gar keine Prüfverfahren einleite, sondern es einfach aussitze, sagt der Branchenanalyst Roger Entner von Recon Analytics.
Derzeit gibt es keinen Grund für Peking, sich für die Übernahme offen zu zeigen. Der neue US-Präsident Joe Biden hat die Handelspolitik seines Vorgängers nicht zurückgenommen, sondern sogar noch weitergetrieben. Der Handelskrieg könnte sich noch lange hinziehen und in immer härtere Runden gehen.
Sämtliche chinesischen Akteure haben den Deal von Anfang an abgelehnt. “Die Regulatoren sollten ‘Nein’ zur Übernahme von Arm durch Nvidia sagen”, titelte die Staatszeitung “Global Times” im vergangenen Jahr. Das Staatsorgan zog dabei gleich eine Verbindung zum US-Vorgehen gegen die Video-App Tiktok aus China. Dieses zeige, wie aggressiv die USA ihre Technik-Vorherrschaft verteidigten. Warum sollte Peking sich da willfährig zeigen?
Doch Peking und Brüssel könnten vor einem gemeinsamen Problem stehen: Softbank will Arm versilbern. Und derzeit ist vollkommen offen, ob ein anderer Käufer angenehmer als Nvidia sein würde. Mit Finn Mayer-Kuckuk
Deutschlands Kohlekraftwerke müssen sich auf schärfere Emissionsgrenzwerte einstellen. Doch die Neufassung der sogenannten Verordnung über Großfeuerungsanlagen sei bei Weitem nicht ambitioniert genug, kritisieren mehrere Umweltverbände. Die Bundesregierung bleibe hier deutlich unter ihren Möglichkeiten. Das gefährde die Umwelt ebenso wie den Gesundheitsschutz der Bevölkerung.
Die jüngst in Kraft getretene Verordnung dient der Umsetzung von EU-Vorgaben aus der Industrieemissionsrichtlinie (BREF), die 2017 verabschiedet wurden und seither für Streit sorgen. Die Bundesregierung hatte die Vorgaben im Rat abgelehnt und die Kohleindustrie wehrte sich gegen strengere Grenzwerte für die Emissionen von Feinstaub, Stickoxiden, Schwefel und Quecksilber. Mit dem heutigen Tag endet jedoch die Umsetzungsfrist, womit eine Neufassung der Grenzwerte unumgänglich wurde.
Die EU-Regeln geben aufgrund der europaweit unterschiedlichen Standards lediglich Emissionsbandbreiten für die Kohlekraftwerke vor. Deutschland orientiere sich hierbei aber “grundsätzlich an den schwächsten Grenzwerten” und bleibe somit weit unter den Möglichkeiten, kritisiert etwa die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Auch wenn der Kohleausstieg immer näher rücke, seien einige Anlagen noch etliche Jahre am Netz und bis zu ihrer Stilllegung eine wesentliche Umwelt- und Gesundheitsbelastung.
Das Umweltministerium verweist auf Nachfrage auf eine Pressemitteilung. Darin heißt es, dass “jede Anlage nicht weniger als das leisten soll, was technisch möglich und ökonomisch sinnvoll ist”. til
Emmanuel Macron hat sich hohe Ziele gesteckt, dementsprechend lang ist O’s To-do-Liste: Der im Juli 2020 ernannte Staatssekretär soll das 5G-Netz in Frankreich ausbauen und die digitale Souveränität möglich machen.
Ob Suchmaschine, Cloud oder Social Media – die großen Anbieter seien stets US-amerikanisch, wenn nicht chinesisch, sagt Cédric O. “Wenn wir unabhängig sein wollen, brauchen wir europäische Lösungen.”
Frankreichs Digital-Staatssekretär hat sich viel vorgenommen. Genauer gesagt: sein Präsident. Emmanuel Macron beklagt schon seit Amtsantritt die mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit heimischer Digitalunternehmen. Er will nicht länger zusehen, wie ausländische Tech-Firmen den europäischen Markt beherrschen. Was er stattdessen will: mindestens zehn europäische Digitalkonzerne mit Marktbewertungen von mehr als 100 Milliarden Euro bis 2030. Und: Das 5G-Netz soll bis 2025 in ganz Frankreich stehen.
Cédric O soll dafür die Bedingungen schaffen. O, Jahrgang 1982, wuchs als Sohn einer Französin und eines Koreaners in L’Arbresle nahe Lyon auf. In der Politik hat er als Berater von Dominique Strauss-Kahn, Pierre Moscovici und François Hollande bereits viel Erfahrung gesammelt. Sein Abstecher in die Privatwirtschaft als Manager eines Luft- und Raumfahrtunternehmens war hingegen eher kurz.
Seit seiner Ernennung hat er sich aber einen Namen als dynamischer Reformer gemacht: Die schnelle Entwicklung der Corona-App beschleunigte die Rückkehr zum gesellschaftlichen Leben, in vielen französischen Städten kann man bereits seit Ende 2020 vom 5G-Netz profitieren. Durch die High-Speed-Übertragung sollen auch bald selbstfahrende Autos und andere KI-Projekte Wirklichkeit werden. Ein Sektor, in dem sich Frankreich gerne als europäischer “Leader” positionieren würde.
Um den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards abzuschließen und die ersehnten französischen Firmen von Weltrang hochzuziehen, hat der junge Staatssekretär sieben Milliarden Euro zur Verfügung. Für eine solche Herkulesaufgabe ein recht dürftiges Budget.
O will mit den vorhandenen Mitteln lokales Fachpersonal ausbilden und mit attraktiven Bedingungen im Land halten. Vor allem aber will er in die erfolgreichsten Start-ups und in bereits etablierte Tech-Unternehmen investieren, zum Beispiel den Mitfahrvermittler BlaBlaCar und den Ärztedienst Doctolib.
Der Gedanke dahinter: Die Besten sollen noch besser werden. Es gehe nicht darum, massenhaft neue Labels auf den Markt zu werfen. “Frankreich bietet ein günstiges Umfeld für die Entwicklung innovativer Unternehmen”, sagt O. “Unsere Herausforderung besteht nun darin, diese Dynamik zu verstärken, um es an die Spitze zu schaffen.” Giorgia Grimaldi
+Ricicli +Viaggi (mehr Recycling, mehr Reisen) heißt das Projekt, mit dem der römische Nahverkehr eine kreative Antwort auf das Problem des Plastikmülls in der Stadt gefunden hat. Das Prinzip: Nahverkehr-Tickets lassen sich mit Plastikflaschen bezahlen. Pro eingeworfener Flasche gibt es 5 Cent, die beim Kauf eines Tickets gutgeschrieben werden. Das Projekt lief erfolgreich – musste zur Pandemiebekämpfung aber pausieren.
Menschen mit prall gefüllten Tüten voller Pfandgut: Bilder, die wir in Deutschland seit Jürgen Trittin kennen. In einigen EU-Ländern gibt es schon seit Jahren den Flaschenpfand, in Schweden sogar seit den 1980er-Jahren. Immer mehr Länder ziehen nach. Ein EU-einheitliches System gibt es bislang jedoch nicht.
Das will die Bürgerinitiative Return the Plastics ändern. Sie hat die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag für ein EU-weites Pfandsystem für Kunststoff-Flaschen einzuführen. Die erste große Hürde haben die Initiatoren jetzt genommen: Return the Plastics ist offiziell als Europäische Bürgerinitiative registriert und kann Unterschriften für das Anliegen sammeln. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Staaten zusammenbekommt, muss die Kommission reagieren.
Vielleicht fangen sie mit ihrer Unterschriftenaktion nach dem Jahreswechsel in deutschen Supermärkten an, denn dann wird die Pfandpflicht auf deutlich mehr Produkte ausgeweitet. Am besten an einem Samstagmittag, nachdem einer von zwei Pfandautomaten ausgefallen ist. Sarah Schaefer