Table.Briefing: Europe

Standards für Nachhaltigkeitsberichte + Frankreichs Rolle im Indopazifik + Evakuierung im Niger

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dem August bricht die nur etwa drei Wochen währende Zeit im Sommer an, in der in Brüssel gar nichts los ist. Schon in den letzten Tagen des Juli hatten die Diplomaten in der Ständigen Vertretung etwas Leerlauf. Zeit, um den Vorbericht auf das dritte Quartal im EU-Betrieb zusammenzustellen. Das 20 Seiten umfassende Schreiben wurde jetzt an die Bundesministerien und das Bundeskanzleramt geschickt. Je nach Politikfeld werden der Stand der einzelnen Dossiers referiert, und die Aussichten, wie es unter spanischer Ratspräsidentschaft weitergehen soll.

Dem Dokument ist etwa zu entnehmen, dass die spanische Ratspräsidentschaft bis Ende September wesentliche Fortschritte bei der Reformierung des Asylsystems anpeilt und das ganze Paket noch vor Weihnachten abschließen will. Die einzelnen Gesetzgebungsverfahren, bei denen die Triloge abgeschlossen werden sollen, werden aufgeführt. Auf EU-Botschafter-Ebene werde man sich im Herbst fortgesetzt mit dem Thema Asyl beschäftigen.

Die spanische Regierung habe signalisiert, die Hürden für den Beitritt zum Schengen-System für Bulgarien und Rumänien überwinden zu wollen. Unter anderem Österreich hatte blockiert. Grünes Licht wird auf dem Justiz- und Innenrat am 19. und 20. Oktober angepeilt. Bei den EU-Finanzen strebe Spanien an, bereits zum regulären Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Oktober eine Einigung bei der Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) zu präsentieren.

Dies als Vorgeschmack, den Ausblick der deutschen StÄV-Beamten auf die anderen Dossiers schauen wir uns für die morgige Ausgabe an.

Bis dahin wünsche ich Ihnen angenehmes Arbeiten!

Ihr
Markus Grabitz
Bild von Markus  Grabitz

Analyse

ESG-Berichtsstandards: Kommission erntet Kritik

Rund drei Jahre ist es her, dass die EU-Kommission eine Arbeitsgruppe beauftragt hat, auf Grundlage der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD-Richtlinie) neue Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erarbeiten. Am Montag nun nahm die Kommission ihre Version der erarbeiteten Vorschläge an. Große Unternehmen, die unter die kommenden Regelungen fallen, müssen sie ab dem 1. Januar 2024 befolgen, kleinere haben zwei Jahre länger Zeit. Europaweit steigt die Zahl der Firmen, die zur Berichterstattung verpflichtet sind, damit stufenweise von rund 12.000 auf mehr als 50.000 an. Allein in Deutschland könnten es 15.000 sein und nicht mehr 500 wie bislang. 

Das erklärte Ziel der EU ist es, die Wirtschaft dazu anzuhalten, ihre Wertschöpfung zu durchleuchten und ihre Geschäftsmodelle so zu modifizieren, dass sie im Einklang mit den Klimazielen stehen, die Natur schonen und sozialverträglich sind. Um das zu erreichen, hatte das Beratungsgremium EFRAG (European Financial Reporting Advisory Board) einen Kriterienkatalog mit mehr als 2000 Datenpunkten vorgelegt, die Unternehmen bei sich abfragen sollten – der Wirtschaft und der Kommission war das allerdings zu umfangreich. In den Verhandlungen wurden die Zahl deutlich reduziert, auf weniger als ein Drittel, damit die Berichterstattung in der Praxis umsetzbar bleibt und die Bürokratie keinen überfordert, so das Argument.

Abweichungen sind “Anlass zur Sorge”

Eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Investoren, die sich an ESG-Kriterien orientieren, wurden deutlicher in ihren Aussagen. “Die Abweichungen von den von der EFRAG vorgeschlagenen Standards geben Anlass zur Sorge”, sagt Vincent Vandeloise, Senior Research und Advocacy Officer der NGO Finance Watch. Zum einen sei die signifikante Reduzierung der Datenpunkte problematisch, zum anderen seien die meisten Regelungen nicht mehr verpflichtend. Vielmehr würde es jetzt den Unternehmen und ihren Wesentlichkeitsanalysen überlassen sein, wozu und in welcher Tiefe sie berichten. 

Der Vorschlag der Kommission sieht eine deutlich größere Flexibilität für Firmen vor. Bei einigen Daten wie den Scope-3-Emissionen müssen sie nur noch erklären, warum sie diese gegebenenfalls nicht als wesentlich erachten. Auch Angaben zu den Umstellungsplänen für die biologische Vielfalt sind freiwillig und nicht mehr verpflichtend. 

Der WWF hält das nicht für akzeptabel. Philippe Diaz, verantwortlich für Sustainable Finance bei der Umweltschutzorganisation, erinnert daran, dass Standards wie die Global Reporting Initiative schon seit vielen Jahren existieren – die Kommission aber trotzdem dem Druck von konservativen Lobbygruppen nachgegeben und Löcher zugelassen hätte, die jetzt zum Greenwashing einladen würden. “Das ist ein schwerer Vertrauensbruch und untergräbt den Führungsanspruch Europas beim Aufbau einer Wirtschaft, die sozial gerecht und mit den Grenzen unseres Planeten vereinbar ist.”

Investoren benötigen Daten

Unzufrieden sind auch ESG-Anleger. Man begrüße die neuen Standards grundsätzlich, aber: “Wir bedauern, dass die Forderung von Investoren nicht berücksichtigt wurde, wichtige ESG-Indikatoren verpflichtend zu machen. Wir zählen jetzt darauf, dass Firmen sie freiwillig vorlegen”, sagt Aleksandra Palinska, die Geschäftsführerin von EuroSIF, dem europäischen Netzwerk der nationalen Fachverbände für nachhaltige Geldanlagen. Investoren bräuchten “hochqualitative” Daten, um Entscheidungen treffen und eigene Berichte erstellen zu können. 

Beim Carbon Disclosure Project (CDP) ist man zwiegestalten. Die internationale Organisation, die eigene Standards für die Offenlegung von Umweltdaten und Treibhausgasemissionen etabliert hat, erklärt, dass von den knapp 19.000 Unternehmen, die nach CDP-Fragebogen berichten, die meisten mindestens in Teilen vorbereitet seien auf die kommenden EU-Regeln und dass sie aufgrund dieser Vorarbeit einen Vorteil hätten gegenüber anderen Wettbewerbern. Allerdings müsse es sich ab 2024 in der Praxis noch beweisen, wie gut die Firmen ihre Prozesse anpassen können. Mirjam Wolfrum, Policy Engagement Director Europe: “Es wird essentiell sein zu verstehen, warum Firmen bestimmte Themen ausblenden und außen vor lassen. Es ist wichtig, vergleichbare und bedeutende Informationen für Investoren, Auditoren und Regulierer bereitzustellen.”

EFRAG gibt Leitfaden für Umsetzung heraus

Erwartet wird, dass die EFRAG in den kommenden Wochen einen Leitfaden für die Umsetzung und die Wesentlichkeitsanalysen herausgeben wird. Dieser soll zur weiteren Klärung beitragen. Allerdings zeigt die Arbeit des Carbon Disclosure Project auch, dass die Berichterstattung allein kein Allheilmittel ist: Von den knapp 19.000 CDP-Unternehmen geben gerade einmal 4100 an, dass sie über die Offenlegung hinaus ein Konzept erarbeitet haben, um ihr jeweiliges Geschäftsmodell kompatibel mit dem 1,5 Grad-Ziel zu machen. 

Nach der Entscheidung der EU-Kommission haben das Europäische Parlament und der Rat jetzt zwei Monate Zeit, die Vorschläge zu prüfen. Sie können sie ablehnen, aber nicht ändern. Im Parlament hatten Abgeordnete der Fraktionen der S&D, Renew, Grünen und Linken sich gegen die Kommission gestellt und eine Beibehaltung der EFRAG-Empfehlungen gefordert. Trotzdem wird nicht damit gerechnet, dass der zuständige Rechtsausschuss oder das Plenum den Entwurf ablehnen.

Berichterstatter Durand: Kern bleibt trotzdem erhalten

Aus Sicht von Pascal Durand (S&D, Frankreich), dem Berichterstatter der CSRD im EU-Parlament, sind die Lockerungen der Standards ein Ergebnis der “intensiven Lobbyarbeit der rechten politischen Gruppen”. Der zwingende und systematische Charakter der Übergangspläne, der ursprünglich von der EU-Kommission, dem Rat und dem Parlament vorgesehen war, sei teilweise abgeschwächt worden. “Dennoch bleibt der Kern der Normen und Standards erhalten und ebnet den Weg für einen neuen großen Schritt für Transparenz und Nachhaltigkeit in der EU und darüber hinaus”, sagte der Sozialist Table.Media. Die gute Nachricht sei, dass nun die Umsetzung beginnen könne.

Wenn voraussichtlich im Oktober die erste Reihe Standards verabschiedet wird, wartet bereits die nächste Aufgabe: Bis zum Sommer 2024 müssen laut der CSRD-Richtlinie eine weitere Reihe mit sektorspezifischen Standards angenommen werden. Marc Winkelmann, Leonie Düngefeld

Frankreich strebt Rolle als dritte Macht im Indopazifik an

Am Ende waren es vor allem Worte, mit denen Emmanuel Macron Frankreichs sicherheitspolitische Ambitionen im Indopazifik untermauerte. Bei der Abschlusskonferenz mit dem Premierminister Papua-Neuguineas, James Marape, betonte Macron, man wolle nicht in “Mächtespiele geraten”, und sagte: “Unser Ziel ist nicht, mit China oder den USA zu konkurrieren.” Einen Tag vorher hatte er in Vanuatu vor “neuen Imperialismen” im Pazifik gewarnt. Bei anderen Gelegenheiten hatten er und sein Verteidigungsminister Sébastien Lecornu betont, dass Frankreich sich im Indopazifik als ausgleichende Kraft sieht.

Sein Besuch mit vier seiner Minister, darunter Verteidigungsminister Lecornu und Außenministerin Catherine Colonna, sollte zeigen, dass Frankreich ein dritter Pol in der Region neben China und den USA sein kann. Für das französische Überseegebiet Neukaledonien blieb das Versprechen, dort 200 weitere Soldaten stationieren und 150 Millionen Euro in einen Marinestützpunkt investieren zu wollen. Neukaledonien ist auch bedeutend, weil dort ein Viertel des weltweiten Nickel-Vorkommens vermutet wird. In Samoa wird Frankreich seine erste Botschaft in Polynesien eröffnen und das große Netz an Botschaften im Indopazifik ausweiten.

USA gelten als wichtigster Sicherheitspartner

Bei seiner Ankunft in Neukaledonien geleiteten den französischen Präsidenten Rafale-Kampfflieger, die von einer gemeinsamen Übung mit den USA kamen. Frankreich zeigt mit seinen Partnern Präsenz im Indopazifik.

Trotzdem gelten die USA immer noch als erster Sicherheitspartner. Im September 2021 zeigte Australien den Franzosen, dass es sich lieber auf die USA und das Vereinigte Königreich verlassen will, kündigte einen U-Boot-Deal auf und ging das Sicherheitsbündnis Aukus ein, das als Akronym für die Partnerländer steht. US-Außenminister Antony Blinken, der am Donnerstag in Neuseeland war, sagte dort, dass für Neuseeland und weitere Partner “die Tür offen” stehe, sich dem Bündnis anzuschließen.

Der US-amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin landete zwei Tage vor Macron in Papua-Neuguinea und sprach mit Premierminister James Marape über ein Verteidigungsabkommen, das unter anderem für 15 Jahre die Präsenz amerikanischer Soldaten in dem Inselstaat erlaubt. Papua-Neuguinea gilt als strategisch wichtiges Land; zuletzt hat China seine wirtschaftlichen Beziehungen dorthin verstärkt.

Frankreich versucht Distanz zu wahren

Trotzdem versucht Frankreich nach außen, seine Distanz zu den USA zu halten und will als stabilisierende dritte Kraft im Indopazifik wahrgenommen werden. Frankreich verstärkt sein Engagement in südpazifischen Initiativen wie dem Treffen der südpazifischen Verteidigungsminister und dem Pacific Islands Forum. Beim Nationalfeiertag am 14. Juli war der indische Premierminister Narendra Modi Macrons Ehrengast bei der Militärparade auf den Champs Élysées.

Frankreich definiert den Indopazifik als Gebiet, das vom Überseegebiet Mayotte, vor der Küste Madagaskars, bis Französisch-Polynesien im Südpazifik reicht. 8.000 Soldatinnen und Soldaten sind dort nach Angaben Macrons stationiert, 1,5 Millionen Franzosen bevölkern die Region. Mehr als ein Drittel des Handels außerhalb der EU treibt Frankreich mit indopazifischen Ländern. Die Überseegebiete im Indischen Ozean und im Pazifik machen mehr als 90 Prozent der ausschließlichen Wirtschaftszone Frankreichs aus – und Frankreich zum Besitzer des zweitgrößten Seegebiets der Welt.

13 Milliarden Euro für Überseegebiete

Frankreich war 2018 das erste europäische Land mit einer Indopazifik-Strategie. Der Élysée hat stark darauf gedrängt, dass die EU ihre eigene Indopazifik-Strategie aufsetzte, die 2021 veröffentlicht wurde. Deutschland veröffentlichte 2020 eigene Leitlinien. In den Plänen für die kommenden Militärbudgets sind 13 Milliarden Euro für die französischen Überseegebiete vorgesehen. Die meisten befinden sich im Indopazifik. In den Budgetplänen für die Zeit von 2024 bis 2030 sind sechs Patrouillenboote und eine Hochseekorvette für die Region eingepreist. “Mit den Patrouillenbooten kann man natürlich Präsenz zeigen”, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Aber man kann nicht die Signale senden, wie die Amerikaner, wenn sie eine Carrier Strike Group in die Region schicken.”

Die Haltung des Nonalignments dränge Frankreich in Wirklichkeit in die Rivalität zwischen China und den USA, schreibt Céline Pajon vom französischen Thinktank Institut Français des Relations Internationales (Ifri) in einem Aufsatz zu Frankreichs Indopazifik-Strategie. Frankreich habe “weder die Kapazitäten noch das diplomatische Gewicht, um diese Rolle auszufüllen”. So habe Frankreich darauf verzichtet, der US-Initiative “Partners in the Blue Pacific” beizutreten, um kein negatives Signal an China zu senden. Weil Länder wie Deutschland und Südkorea sich dem Bündnis annähern, drohe Frankreich nicht unabhängig, sondern isoliert zu sein. Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht Frankreichs Rolle noch nicht geklärt. “Es gibt unterschiedliche Signale, die sich ein Stück weit widersprechen.”

Pazifikstaaten haben vor allem ökonomische Interessen

Im April hatte Macron einige Nato-Partner gegen sich aufgebracht, weil er nach seinem China-Besuch in Bezug auf den China-Taiwan-USA-Konflikt gewarnt hatte, man müsse aufpassen, nicht “in Krisen zu geraten, die nicht unsere” seien. Vor wenigen Wochen sprach sich der französische Präsident gegen ein Nato-Büro in Tokio aus, wieder, weil er China nicht vor den Kopf stoßen wollte. “Ich glaube, der Eindruck täuscht teilweise aufgrund dieser sehr polemischen Statements Macrons, letztendlich ist die Zusammenarbeit auf der operativen Ebene wesentlich enger”, sagt Ross. Allerdings gebe es “eine gewisse Diskrepanz zwischen der Rhetorik und dem, was die finanziellen Mittel am Ende hergeben”.

Die Pazifik-Staaten haben nicht nur Sicherheitsbedürfnisse. “Wenn man einen alternativen Pol darstellen will, muss man auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen. Nicht nur im militärischen Bereich”, sagt Heiduk. “Das primäre Interesse der lokalen Akteure ist die ökonomische Entwicklung, Armut, Infrastruktur und ganz stark die Auswirkungen des Klimawandels auf viele dieser Staaten.”

  • Indopazifik

News

Niger: Frankreich holt EU-Bürger aus dem Land

Nach einer neuerlichen Sitzung des Krisenstabes hat das Auswärtige Amt alle noch im Land verbliebenen Deutschen aufgerufen, Niger umgehend zu verlassen. Allerdings ist der Flughafen der nigrischen Hauptstadt Niamey weiterhin für alle Flüge ohne Sondergenehmigung gesperrt. Die Bundesregierung empfahl deshalb deutschen Staatsbürgern, von Frankreich zur Verfügung gestellte Plätze in Flugzeugen der französischen Luftwaffe anzunehmen, um das Land so zu verlassen. Die Regierung in Paris hatte am Montagmorgen angekündigt, seine Staatsbürger aus dem Land zu holen und dabei auch Staatsbürger anderer EU-Staaten mitzunehmen. Die französischen Streitkräfte schickten mehrere Maschinen vom Typ Airbus A330 zu dieser Evakuierung nach Niamey, die von einem Militärtransporter C-130 Hercules vermutlich mit Soldaten zur Absicherung begleitet wurde. Eine Passagiermaschine kehrte am gleichen Tag nach Europa zurück. Die Lage am Flughafen, hieß es in französischen TV-Berichten, sei ruhig.

Außenministerin Annalena Baerbock dankte ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna ausdrücklich. Die deutsche Botschaft in Niamey bleibt vorerst geöffnet, allerdings nicht im Botschaftsgebäude nahe des Präsidentenpalastes, sondern auf dem Stützpunkt der Bundeswehr auf dem Flughafen. Berlin unterstützt die Bemühungen der AU und von Ecowas um eine friedliche Lösung. Ziel sei es, “dass die Putschistenführer sich zum Wohle ihres Landes auf die Vermittlungsbemühungen einlassen und nicht länger an der Macht festhalten”.

Frankreich hatte Uran-Importe bereits reduziert

Frankreich hat darüber hinaus die Abhängigkeit von Uran aus dem Niger stark reduziert. Niger ist einer der größten Produzenten von Uran in der Welt. Mehr als 25 Prozent des Urans, das in Europa im Jahr 2021 verbraucht wurde, lieferte das afrikanische Land. Insbesondere der französische Atom-Staatskonzern Orano betreibt mehrere Abbaustätten nördlich von Niamey. Aber gerade wegen der großen Abhängigkeiten hat Orano in den letzten Jahren seine Quellen diversifiziert. Rund 27 Prozent des Urans, das Frankreich für den Betrieb seiner Atomkraftwerke und die Bestückung seiner Nuklearwaffen benötigt, kommen mittlerweile aus Kasachstan. Niger ist “nicht mehr der strategische Partner von Paris, wie es vielleicht in den 1960er und 70er Jahren der Fall war”, sagt Alain Antil, Direktor am Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI). sbr/hlr

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  • Niger

Kommission erarbeitet Leitlinien für naturnahe Waldwirtschaft

Die EU-Kommission hat Leitlinien für eine naturnähere Waldbewirtschaftung erarbeitet. Ein entsprechendes Arbeitsdokument hat sie am 28. Juli dem Rat übermittelt. Darin stellt sie Methoden vor, welche die Biodiversität, Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Wälder gegen den Klimawandel stärken sollen. Die Leitlinien sollen dabei die zuständigen Behörden und wichtigsten Akteure unterstützen.

Als Ziele der naturnahen Waldbewirtschaftung nennt die Kommission die Erhöhung der strukturellen Komplexität und die Förderung der natürlichen Walddynamik. Sie basiert laut dem Dokument auf den folgenden Prinzipien:

  • von natürlichen Prozessen lernen und diese zulassen;
  • Heterogenität und Komplexität der Waldstrukturen und -muster erhalten;
  • Integration der Waldfunktionen auf verschiedenen räumlichen Ebenen;
  • Einsatz verschiedener waldbaulicher Systeme auf der Grundlage der natürlichen Störungsmuster der Region;
  • eine schonende Holzernte, bei der gleichermaßen darauf geachtet wird, was im Wald verbleibt und was entfernt wird, um Lebensräume, Waldböden und Mikroklimata zu erhalten.

Darunter fallen etwa eine natürliche Regeneration von Bäumen, respektvolle Erntebedingungen, die Minimierung anderer Bewirtschaftungseingriffe oder Artenschutz. Da das Wissen und die Erfahrung mit diesen Methoden in der EU nicht gleich verteilt seien, will die Kommission über das “Pact for Skills”-Programm auch Organisationen unterstützen, die sich um die Verbesserung von Ausbildung bemühen.

Deparnay-Grunenberg: “Völlig ungenügend”

Die Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne), selbst Forstwissenschaftlerin, nennt diese Leitlinien eine “verpasste Chance” und “völlig ungenügend”: Angesichts der Waldbrände in Europa und der bislang fast ausschließlich reaktiven Waldbrandmaßnahmen der EU sei es höchste Zeit, Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Diese seien in den Leitlinien jedoch nicht zu finden, stattdessen “sei es sogar ‘naturnah’, Wälder kahlzuschlagen und anschließend Baumplantagen zu pflanzen”. Dabei schreibe die Kommission selbst, dass intensiv bewirtschaftete Wälder und Waldplantagen anfälliger für Waldbrände seien als intakte Waldökosysteme.

Zudem seien die Leitlinien nicht verbindlich. Um gemeinsame Standards für eine feuersichere Bewirtschaftung der Wälder zu entwickeln, brauche es eine “echte europäische Waldpolitik, das heißt verbindliche EU-Direktiven oder Verordnungen, die sich an den Naturfunktionen des Waldes orientieren”. Dazu gehöre, dass dieser Kohlendioxid absorbiere und als CO₂-Senke fungiere. Das für Herbst geplante EU-Gesetz zur Waldüberwachung könnte helfen, “verbindliche Definitionen für einen intakten Wald festzulegen sowie Schäden zu identifizieren”, sagt Deparnay-Grunenberg. “Das würde zeigen, wie groß der Handlungsdruck bereits ist”. leo

Kraftwerksförderung mit Abstrichen

Die Bundesregierung kann wahrscheinlich schnell neue Kraftwerke fördern, aber in geringerem Umfang als geplant. Wirtschaftsminister Robert Habeck verkündete gestern eine vorläufige Einigung mit der EU-Kommission über das weitere Vorgehen im Beihilfeverfahren. Grund für den Durchbruch: Die Ausschreibungen würden nicht als Beitrag zur Versorgungssicherheit bewertet, sondern als Beitrag zur Klimaneutralität, sagte eine Ministeriumssprecherin zu Table.Media. Die Genehmigung eines sogenannten Kapazitätsmechanismus hätte wohl Jahre in Anspruch genommen. Die Bundesregierung will den Kohleausstieg aber auf 2030 vorziehen.

Habeck musste allerdings auch Abstriche machen. Im Februar rechnete er noch damit, bis 2030 “zusätzliche” Wasserstoffkraftwerke im Umfang von 25 Gigawatt auszuschreiben. Gestern verkündete das Ministerium einen anderen Zeitplan: 25 bis 30 Gigawatt bis 2035. Zusätzlich sind aber nur knapp 15 GW Wasserstoff- und 3 GW Biomasse-Kraftwerke. Daneben erwartet das Ministerium, 10 GW an alten Kohlekraftwerken austauschen zu können, die sowohl Strom als auch Wärme zu erzeugen. Sie sollen durch wasserstofffähige Gas-KWK ersetzt werden. Ein Großteil bezieht sich also gar nicht auf zusätzliche Kapazitäten, sondern schlicht den Austausch bestehender Kraftwerke.

Agora sieht nötigen Nettozubau erreicht

Der Thinktank Agora Energiewende begrüßte die Ankündigung dennoch. “In unseren eigenen Szenarien halten wir einen Nettozubau von 16 Gigawatt an Wasserstoffkraftwerken beziehungsweise wasserstofffähigen Gaskraftwerken bis 2030 für nötig. Die Einigung mit der Kommission liegt in dieser Größenordnung“, sagte Philipp Godron, Programmleiter Strom.

Damit der Kohleausstieg bis 2030 gelingt, komme es allerdings auch darauf an, dass die Bundesregierung bis dahin das 80-Prozent-Ziel für erneuerbare Energien erreiche. “Die Kraftwerke müssen außerdem durch erhebliche planbare Kapazitäten aus Batteriespeichern und flexibler Nachfrage ergänzt werden. Der Kohleausstieg 2030 ist von einer Reihe von Bausteinen abhängig und jeder muss konsequent umgesetzt werden.”

LEAG nennt weitere Bedingungen

Die EU-Kommission wollte die Einigung auf eine Dekarbonisierungsmaßnahme statt eines Kapazitätsmechanismus nicht bestätigen. “In jüngster Zeit wurden gute Fortschritte bei den zentralen Parametern der Maßnahmen erzielt, um die Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen und den sektoralen Rechtsvorschriften zu gewährleisten”, erklärte gestern eine Sprecherin.

Der ostdeutsche Braunkohlekonzern LEAG betonte gestern, dass zumindest für die eigenen Dekarbonisierungsprojekte noch weitere Voraussetzungen geschaffen werden müssten. LEAG plant an seinen Erzeugungsstandorten wasserstofffähige Gaskraftwerke mit 3 GW bis 2030 und insgesamt 4,5 GW bis 2040. Man benötige sowohl einen Anschluss ans Gasnetz als auch den Ausbau der Wasserstoffnetze, sagte ein Unternehmenssprecher. Zu einem möglichen Kohleausstieg 2030 befragt sagte er: “Wir diskutieren von den Rahmenbedingungen her, nicht vom Datum.”

Eine Weiterentwicklung des Gesetzes zur Kraft-Wärme-Kopplung fordert der Stadtwerkeverband VKU. Das jetzige KWKG decke nur den Zeitraum bis 2026 ab, außerdem fehle dort eine ganzheitliche Perspektive für den Einsatz von Wasserstoff. Zusätzlich bestehen die Stadtwerke auf der Einführung eines Kapazitätsmarktes: “Wichtig ist, dass alle im Rahmen einer vorgezogenen Kraftwerksstrategie getätigten Investitionen auch in einem künftigen Marktdesign Bestand haben”. ber

  • Beihilfen
  • Erdgas
  • Kohle
  • Strom
  • Wasserstoff

Fusionsstrategie: Kommission löscht Datenbankeintrag

Die Europäische Kommission plant offenbar doch keine neue Strategie zur Kernfusion. Am vergangenen Freitag hatte Table.Media über die Ankündigung der neuen Strategie berichtet. Der entsprechende Eintrag in einer Datenbank für bevorstehende Konsultationen der Kommission ist inzwischen gelöscht und war am Montag nicht mehr abrufbar. Nach Informationen von Table.Media gab es einen Fehler auf der Internetseite der Behörde. Die vermeintliche Fusionsstrategie war in der Datenbank als Mitteilung der Kommission angekündigt. ber

  • Energie
  • Forschung

Presseschau

Einigung mit EU bei Förderung für Wasserstoff BADISCHE-ZEITUNG
Polen: Wie groß die Gefahr einer Invasion von Wagner-Söldnern in die EU ist WELT
EU-Kommission: Uranversorgung Europas nach Putsch im Niger sicher T-ONLINE
Mercosur: Brasilien kontert EU-Umweltregeln mit neuen Forderungen TOPAGRAR
Wärmepumpen: Verstößt Heizungsgesetz gegen EU-Recht? BERLINER-ZEITUNG
EU-Kommission ehrt das Andenken an die Roma, Opfer des Porajmos HASEPOST
Chef der EU-Investitionsbank plädiert für neuen Umgang mit Afrika WESER-KURIER
BMG warnt vor Risiken des EU-Pharmapakets PHARMAZEUTISCHE-ZEITUNG
“Verstößt gegen EU-Artenschutzrecht”: Bund Naturschutz setzt sich für Fischotter ein MERKUR
Europas Inflations-Kluft macht die Aufgabe der EZB zur “mission impossible” WELT
Rückschlag für EU-Chipindustrie: China beschließt Ausfuhrkontrollen für seltene Metalle N-TV
US-EU Steel Talks Inch Ahead as Time for a Deal Runs Short BNNBLOOMBERG
Kroatien will Häfen für ukrainische Getreideexporte zur Verfügung stellen EURACTIV
European battery maker ACC in “exploratory” talks about N. American battery plant REUTERS
IHK warnt Unternehmen vor Betrugsmasche im Namen der EU-Kommission THUERINGER-ALLGEMEINE
London behält Siegel der EU trotz Brexits bei WELT
Meta to seek user consent for targeted ads in the EU REUTERS
Brandursache Mensch: Griechische Regierung will Strafen für Brandstifter verschärfen TAGESSPIEGEL

Heads

Patricia Lips – Abseits des Rampenlichts

Patricia Lips ist stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Patricia Lips? Einer breiteren Öffentlichkeit ist die CDU-Politikerin kein Begriff, eine Suche bei Google News bringt wenig Ergiebiges. Dabei hat die 59-jährige aus Hessen in gut 20 Jahren im Bundestag schon einige bedeutende Ämter bekleidet, als Vorsitzende des Forschungsausschusses etwa, inzwischen ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Und: Sie leitete das Team von Friedrich Merz, als sich dieser 2020 zunächst vergeblich und später dann erfolgreich um den Parteivorsitz bewarb.

“Mich drängt es nicht ins Rampenlicht”, sagt Lips. Sie wirke lieber hinter den Kulissen, ihre Stärken seien “Koordination, Kommunikation, Zusammenführen”. Wegen dieser Eigenschaften habe Merz sie auch in sein Team geholt, auf Empfehlung eines gemeinsamen Bekannten. Beide kannten sich bis dato nur flüchtig, aus den Anfangstagen von Lips im Bundestag 2002, Merz war damals noch Fraktionschef. Sie funktionierten gut als Team, sagt Lips.

Debut im Europaausschuss

Es war aber nicht Merz, sondern dessen Vorgänger Ralph Brinkhaus, der sie nach der Bundestagswahl 2021 als stellvertretende Fraktionsvorsitzende berief, zuständig für die Europapolitik. Damit schloss sich ein Kreis, denn begonnen hatte Lips ihre Bundestagslaufbahn im Europaausschuss. Es folgten die Stationen Finanz-, Forschungs- und Haushaltsausschuss.

Als Fraktionsvize tut Lips das, was sie am besten kann: koordinieren und kommunizieren, innerhalb der Bundestagsfraktion und mit den Kollegen im Europaparlament. Der Austausch mit Brüssel/Straßburg läuft über informelle Zirkel, in denen je nach Themengebiet die jeweils zuständigen Fraktionsvize, die Leiter der Arbeitsgruppen und die Berichterstatter vertreten sind. “Ich bin fast immer dabei”, sagt Lips.

Europapolitisches Leitbild

In der Bundestagsfraktion hat sie ein eigenes europapolitisches Leitbild erarbeiten lassen, mit Input aus den einzelnen Arbeitsgruppen. Schließlich durchdringe die EU inzwischen fast jedes Fachgebiet. Ähnlich laufe es in der Fraktionssitzung, sagt Lips: Dort würden viele Sachthemen mit Europabezug diskutiert.

Brinkhaus hatte als Fraktionschef noch einen eigenen Agendapunkt zu Europa eingeführt, in dem Lips’ Vorgängerin Katja Leikert über aktuelle EU-Dossiers Bericht erstattete. Es war eine Lehre aus dem Desaster bei der EU-Urheberrechtsreform, als die Union von dem Shitstorm überrascht wurde, der sich gegen die Partei und ihren Berichterstatter Axel Voss in Brüssel zusammenbraute.

Wenig Interesse an EU-Dossiers in der Fraktion

Merz hat diese Praxis aber rückgängig gemacht: Ein eigener Tagesordnungspunkt zu EU-Fragen sei zwar ein hehres Ziel gewesen, sagt Lips. Eine wirkliche Debatte habe das aber “leider selten entfacht”. Daher sei man davon wieder abgekommen und diskutiere themenbezogen. Andere Unionsabgeordnete berichten aber, europäische Dossiers spielten inzwischen keine Rolle mehr in der Sitzung.

Diskutieren will Lips vor allem über ein Thema: Wettbewerbsfähigkeit. Die Aufstellung der heimischen Industrie werde das wichtigste Thema der nächsten Jahre sein, glaubt sie, und auch den Europawahlkampf von CDU/CSU dominieren. Der aktuelle Umbruch überfordere viele Mittelständler, “wenn wir nicht gegensteuern, droht uns eine Deindustrialisierung”.

Ein Herz für den Mittelstand

Die gelernte Handelsfachwirtin war acht Jahre lang im Bundesvorstand der Mittelstandsunion (MIT), die Themen liegen ihr am Herzen. “Ich habe neulich einen Galvanik-Betrieb besucht mit 120 Mitarbeitern”, erzählt sie. “Der Chef sagte mir, er habe keine Lust mehr, die hohen Energiepreise und zahllosen Vorschriften machten das Geschäft kaputt.” 

Bislang hätten die Betriebe und die Menschen vor Ort Europa immer als Chance begriffen, sagt Lips. “Dieser Common Sense bröckelt aber angesichts der Flut an neuer Regulierung.” Daher brauche es ein Regulierungsmoratorium, wie es die EVP schon seit Monaten fordert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, deren politische Heimat die Union ist, hat das teilweise aufgegriffen – die noch anstehenden Green-Deal-Vorschläge der Behörde werden weniger ambitioniert ausfallen als zunächst angedacht. Zudem lässt von der Leyen intern Berichtspflichten für Unternehmen zusammentragen, die entbehrlich erscheinen.

“Wir sind nicht gegen den Green Deal”

“Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Green Deal – mit einer solchen Position ließen sich heute auch keine Wahlen mehr gewinnen”, beteuert Lips. Aber die Politik müsse die Menschen dabei stärker mitnehmen. Das könne gelingen, in dem man mehr über Technologieoffenheit und Forschung und Entwicklung spreche.

Der erbitterte Widerstand gegen einzelne Vorhaben wie das Renaturierungsgesetz hat der EVP den Vorwurf eingebracht, sich mit den rechten Kräften gemein zu machen. EVP-Chef Manfred Weber hat auch die Fühler in Richtung EKR ausgestreckt, er traf sich unter anderem mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der Chefin der EKR-Parteienfamilie. Der CSU-Politiker will sich offenkundig neue Machtoptionen für die nächste Wahlperiode erschließen.

Gegen ein rechtes Bündnis

Lips zeigt einerseits Verständnis dafür: Es sei nun mal ein Fakt, dass christdemokratische Parteien wie in Italien oder Finnland mit rechten Parteien kooperierten. “Wir sollten diesen Gesprächsfaden auch nicht kappen”, sagte sie. “Ich halte es aber für gefährlich, eine Diskussion über ein rechtes Bündnis zu entfachen – das birgt die Gefahr eines Dammbruchs.”

Das gelte angesichts der Vergangenheit ganz besonders für Deutschland. “Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für mich nicht infrage”, betont Lips. “Wenn in Deutschland die Dämme brechen, brechen sie überall.” Till Hoppe

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit dem August bricht die nur etwa drei Wochen währende Zeit im Sommer an, in der in Brüssel gar nichts los ist. Schon in den letzten Tagen des Juli hatten die Diplomaten in der Ständigen Vertretung etwas Leerlauf. Zeit, um den Vorbericht auf das dritte Quartal im EU-Betrieb zusammenzustellen. Das 20 Seiten umfassende Schreiben wurde jetzt an die Bundesministerien und das Bundeskanzleramt geschickt. Je nach Politikfeld werden der Stand der einzelnen Dossiers referiert, und die Aussichten, wie es unter spanischer Ratspräsidentschaft weitergehen soll.

    Dem Dokument ist etwa zu entnehmen, dass die spanische Ratspräsidentschaft bis Ende September wesentliche Fortschritte bei der Reformierung des Asylsystems anpeilt und das ganze Paket noch vor Weihnachten abschließen will. Die einzelnen Gesetzgebungsverfahren, bei denen die Triloge abgeschlossen werden sollen, werden aufgeführt. Auf EU-Botschafter-Ebene werde man sich im Herbst fortgesetzt mit dem Thema Asyl beschäftigen.

    Die spanische Regierung habe signalisiert, die Hürden für den Beitritt zum Schengen-System für Bulgarien und Rumänien überwinden zu wollen. Unter anderem Österreich hatte blockiert. Grünes Licht wird auf dem Justiz- und Innenrat am 19. und 20. Oktober angepeilt. Bei den EU-Finanzen strebe Spanien an, bereits zum regulären Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Oktober eine Einigung bei der Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) zu präsentieren.

    Dies als Vorgeschmack, den Ausblick der deutschen StÄV-Beamten auf die anderen Dossiers schauen wir uns für die morgige Ausgabe an.

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    Markus Grabitz
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    ESG-Berichtsstandards: Kommission erntet Kritik

    Rund drei Jahre ist es her, dass die EU-Kommission eine Arbeitsgruppe beauftragt hat, auf Grundlage der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD-Richtlinie) neue Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erarbeiten. Am Montag nun nahm die Kommission ihre Version der erarbeiteten Vorschläge an. Große Unternehmen, die unter die kommenden Regelungen fallen, müssen sie ab dem 1. Januar 2024 befolgen, kleinere haben zwei Jahre länger Zeit. Europaweit steigt die Zahl der Firmen, die zur Berichterstattung verpflichtet sind, damit stufenweise von rund 12.000 auf mehr als 50.000 an. Allein in Deutschland könnten es 15.000 sein und nicht mehr 500 wie bislang. 

    Das erklärte Ziel der EU ist es, die Wirtschaft dazu anzuhalten, ihre Wertschöpfung zu durchleuchten und ihre Geschäftsmodelle so zu modifizieren, dass sie im Einklang mit den Klimazielen stehen, die Natur schonen und sozialverträglich sind. Um das zu erreichen, hatte das Beratungsgremium EFRAG (European Financial Reporting Advisory Board) einen Kriterienkatalog mit mehr als 2000 Datenpunkten vorgelegt, die Unternehmen bei sich abfragen sollten – der Wirtschaft und der Kommission war das allerdings zu umfangreich. In den Verhandlungen wurden die Zahl deutlich reduziert, auf weniger als ein Drittel, damit die Berichterstattung in der Praxis umsetzbar bleibt und die Bürokratie keinen überfordert, so das Argument.

    Abweichungen sind “Anlass zur Sorge”

    Eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Investoren, die sich an ESG-Kriterien orientieren, wurden deutlicher in ihren Aussagen. “Die Abweichungen von den von der EFRAG vorgeschlagenen Standards geben Anlass zur Sorge”, sagt Vincent Vandeloise, Senior Research und Advocacy Officer der NGO Finance Watch. Zum einen sei die signifikante Reduzierung der Datenpunkte problematisch, zum anderen seien die meisten Regelungen nicht mehr verpflichtend. Vielmehr würde es jetzt den Unternehmen und ihren Wesentlichkeitsanalysen überlassen sein, wozu und in welcher Tiefe sie berichten. 

    Der Vorschlag der Kommission sieht eine deutlich größere Flexibilität für Firmen vor. Bei einigen Daten wie den Scope-3-Emissionen müssen sie nur noch erklären, warum sie diese gegebenenfalls nicht als wesentlich erachten. Auch Angaben zu den Umstellungsplänen für die biologische Vielfalt sind freiwillig und nicht mehr verpflichtend. 

    Der WWF hält das nicht für akzeptabel. Philippe Diaz, verantwortlich für Sustainable Finance bei der Umweltschutzorganisation, erinnert daran, dass Standards wie die Global Reporting Initiative schon seit vielen Jahren existieren – die Kommission aber trotzdem dem Druck von konservativen Lobbygruppen nachgegeben und Löcher zugelassen hätte, die jetzt zum Greenwashing einladen würden. “Das ist ein schwerer Vertrauensbruch und untergräbt den Führungsanspruch Europas beim Aufbau einer Wirtschaft, die sozial gerecht und mit den Grenzen unseres Planeten vereinbar ist.”

    Investoren benötigen Daten

    Unzufrieden sind auch ESG-Anleger. Man begrüße die neuen Standards grundsätzlich, aber: “Wir bedauern, dass die Forderung von Investoren nicht berücksichtigt wurde, wichtige ESG-Indikatoren verpflichtend zu machen. Wir zählen jetzt darauf, dass Firmen sie freiwillig vorlegen”, sagt Aleksandra Palinska, die Geschäftsführerin von EuroSIF, dem europäischen Netzwerk der nationalen Fachverbände für nachhaltige Geldanlagen. Investoren bräuchten “hochqualitative” Daten, um Entscheidungen treffen und eigene Berichte erstellen zu können. 

    Beim Carbon Disclosure Project (CDP) ist man zwiegestalten. Die internationale Organisation, die eigene Standards für die Offenlegung von Umweltdaten und Treibhausgasemissionen etabliert hat, erklärt, dass von den knapp 19.000 Unternehmen, die nach CDP-Fragebogen berichten, die meisten mindestens in Teilen vorbereitet seien auf die kommenden EU-Regeln und dass sie aufgrund dieser Vorarbeit einen Vorteil hätten gegenüber anderen Wettbewerbern. Allerdings müsse es sich ab 2024 in der Praxis noch beweisen, wie gut die Firmen ihre Prozesse anpassen können. Mirjam Wolfrum, Policy Engagement Director Europe: “Es wird essentiell sein zu verstehen, warum Firmen bestimmte Themen ausblenden und außen vor lassen. Es ist wichtig, vergleichbare und bedeutende Informationen für Investoren, Auditoren und Regulierer bereitzustellen.”

    EFRAG gibt Leitfaden für Umsetzung heraus

    Erwartet wird, dass die EFRAG in den kommenden Wochen einen Leitfaden für die Umsetzung und die Wesentlichkeitsanalysen herausgeben wird. Dieser soll zur weiteren Klärung beitragen. Allerdings zeigt die Arbeit des Carbon Disclosure Project auch, dass die Berichterstattung allein kein Allheilmittel ist: Von den knapp 19.000 CDP-Unternehmen geben gerade einmal 4100 an, dass sie über die Offenlegung hinaus ein Konzept erarbeitet haben, um ihr jeweiliges Geschäftsmodell kompatibel mit dem 1,5 Grad-Ziel zu machen. 

    Nach der Entscheidung der EU-Kommission haben das Europäische Parlament und der Rat jetzt zwei Monate Zeit, die Vorschläge zu prüfen. Sie können sie ablehnen, aber nicht ändern. Im Parlament hatten Abgeordnete der Fraktionen der S&D, Renew, Grünen und Linken sich gegen die Kommission gestellt und eine Beibehaltung der EFRAG-Empfehlungen gefordert. Trotzdem wird nicht damit gerechnet, dass der zuständige Rechtsausschuss oder das Plenum den Entwurf ablehnen.

    Berichterstatter Durand: Kern bleibt trotzdem erhalten

    Aus Sicht von Pascal Durand (S&D, Frankreich), dem Berichterstatter der CSRD im EU-Parlament, sind die Lockerungen der Standards ein Ergebnis der “intensiven Lobbyarbeit der rechten politischen Gruppen”. Der zwingende und systematische Charakter der Übergangspläne, der ursprünglich von der EU-Kommission, dem Rat und dem Parlament vorgesehen war, sei teilweise abgeschwächt worden. “Dennoch bleibt der Kern der Normen und Standards erhalten und ebnet den Weg für einen neuen großen Schritt für Transparenz und Nachhaltigkeit in der EU und darüber hinaus”, sagte der Sozialist Table.Media. Die gute Nachricht sei, dass nun die Umsetzung beginnen könne.

    Wenn voraussichtlich im Oktober die erste Reihe Standards verabschiedet wird, wartet bereits die nächste Aufgabe: Bis zum Sommer 2024 müssen laut der CSRD-Richtlinie eine weitere Reihe mit sektorspezifischen Standards angenommen werden. Marc Winkelmann, Leonie Düngefeld

    Frankreich strebt Rolle als dritte Macht im Indopazifik an

    Am Ende waren es vor allem Worte, mit denen Emmanuel Macron Frankreichs sicherheitspolitische Ambitionen im Indopazifik untermauerte. Bei der Abschlusskonferenz mit dem Premierminister Papua-Neuguineas, James Marape, betonte Macron, man wolle nicht in “Mächtespiele geraten”, und sagte: “Unser Ziel ist nicht, mit China oder den USA zu konkurrieren.” Einen Tag vorher hatte er in Vanuatu vor “neuen Imperialismen” im Pazifik gewarnt. Bei anderen Gelegenheiten hatten er und sein Verteidigungsminister Sébastien Lecornu betont, dass Frankreich sich im Indopazifik als ausgleichende Kraft sieht.

    Sein Besuch mit vier seiner Minister, darunter Verteidigungsminister Lecornu und Außenministerin Catherine Colonna, sollte zeigen, dass Frankreich ein dritter Pol in der Region neben China und den USA sein kann. Für das französische Überseegebiet Neukaledonien blieb das Versprechen, dort 200 weitere Soldaten stationieren und 150 Millionen Euro in einen Marinestützpunkt investieren zu wollen. Neukaledonien ist auch bedeutend, weil dort ein Viertel des weltweiten Nickel-Vorkommens vermutet wird. In Samoa wird Frankreich seine erste Botschaft in Polynesien eröffnen und das große Netz an Botschaften im Indopazifik ausweiten.

    USA gelten als wichtigster Sicherheitspartner

    Bei seiner Ankunft in Neukaledonien geleiteten den französischen Präsidenten Rafale-Kampfflieger, die von einer gemeinsamen Übung mit den USA kamen. Frankreich zeigt mit seinen Partnern Präsenz im Indopazifik.

    Trotzdem gelten die USA immer noch als erster Sicherheitspartner. Im September 2021 zeigte Australien den Franzosen, dass es sich lieber auf die USA und das Vereinigte Königreich verlassen will, kündigte einen U-Boot-Deal auf und ging das Sicherheitsbündnis Aukus ein, das als Akronym für die Partnerländer steht. US-Außenminister Antony Blinken, der am Donnerstag in Neuseeland war, sagte dort, dass für Neuseeland und weitere Partner “die Tür offen” stehe, sich dem Bündnis anzuschließen.

    Der US-amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin landete zwei Tage vor Macron in Papua-Neuguinea und sprach mit Premierminister James Marape über ein Verteidigungsabkommen, das unter anderem für 15 Jahre die Präsenz amerikanischer Soldaten in dem Inselstaat erlaubt. Papua-Neuguinea gilt als strategisch wichtiges Land; zuletzt hat China seine wirtschaftlichen Beziehungen dorthin verstärkt.

    Frankreich versucht Distanz zu wahren

    Trotzdem versucht Frankreich nach außen, seine Distanz zu den USA zu halten und will als stabilisierende dritte Kraft im Indopazifik wahrgenommen werden. Frankreich verstärkt sein Engagement in südpazifischen Initiativen wie dem Treffen der südpazifischen Verteidigungsminister und dem Pacific Islands Forum. Beim Nationalfeiertag am 14. Juli war der indische Premierminister Narendra Modi Macrons Ehrengast bei der Militärparade auf den Champs Élysées.

    Frankreich definiert den Indopazifik als Gebiet, das vom Überseegebiet Mayotte, vor der Küste Madagaskars, bis Französisch-Polynesien im Südpazifik reicht. 8.000 Soldatinnen und Soldaten sind dort nach Angaben Macrons stationiert, 1,5 Millionen Franzosen bevölkern die Region. Mehr als ein Drittel des Handels außerhalb der EU treibt Frankreich mit indopazifischen Ländern. Die Überseegebiete im Indischen Ozean und im Pazifik machen mehr als 90 Prozent der ausschließlichen Wirtschaftszone Frankreichs aus – und Frankreich zum Besitzer des zweitgrößten Seegebiets der Welt.

    13 Milliarden Euro für Überseegebiete

    Frankreich war 2018 das erste europäische Land mit einer Indopazifik-Strategie. Der Élysée hat stark darauf gedrängt, dass die EU ihre eigene Indopazifik-Strategie aufsetzte, die 2021 veröffentlicht wurde. Deutschland veröffentlichte 2020 eigene Leitlinien. In den Plänen für die kommenden Militärbudgets sind 13 Milliarden Euro für die französischen Überseegebiete vorgesehen. Die meisten befinden sich im Indopazifik. In den Budgetplänen für die Zeit von 2024 bis 2030 sind sechs Patrouillenboote und eine Hochseekorvette für die Region eingepreist. “Mit den Patrouillenbooten kann man natürlich Präsenz zeigen”, sagt Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Aber man kann nicht die Signale senden, wie die Amerikaner, wenn sie eine Carrier Strike Group in die Region schicken.”

    Die Haltung des Nonalignments dränge Frankreich in Wirklichkeit in die Rivalität zwischen China und den USA, schreibt Céline Pajon vom französischen Thinktank Institut Français des Relations Internationales (Ifri) in einem Aufsatz zu Frankreichs Indopazifik-Strategie. Frankreich habe “weder die Kapazitäten noch das diplomatische Gewicht, um diese Rolle auszufüllen”. So habe Frankreich darauf verzichtet, der US-Initiative “Partners in the Blue Pacific” beizutreten, um kein negatives Signal an China zu senden. Weil Länder wie Deutschland und Südkorea sich dem Bündnis annähern, drohe Frankreich nicht unabhängig, sondern isoliert zu sein. Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht Frankreichs Rolle noch nicht geklärt. “Es gibt unterschiedliche Signale, die sich ein Stück weit widersprechen.”

    Pazifikstaaten haben vor allem ökonomische Interessen

    Im April hatte Macron einige Nato-Partner gegen sich aufgebracht, weil er nach seinem China-Besuch in Bezug auf den China-Taiwan-USA-Konflikt gewarnt hatte, man müsse aufpassen, nicht “in Krisen zu geraten, die nicht unsere” seien. Vor wenigen Wochen sprach sich der französische Präsident gegen ein Nato-Büro in Tokio aus, wieder, weil er China nicht vor den Kopf stoßen wollte. “Ich glaube, der Eindruck täuscht teilweise aufgrund dieser sehr polemischen Statements Macrons, letztendlich ist die Zusammenarbeit auf der operativen Ebene wesentlich enger”, sagt Ross. Allerdings gebe es “eine gewisse Diskrepanz zwischen der Rhetorik und dem, was die finanziellen Mittel am Ende hergeben”.

    Die Pazifik-Staaten haben nicht nur Sicherheitsbedürfnisse. “Wenn man einen alternativen Pol darstellen will, muss man auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen. Nicht nur im militärischen Bereich”, sagt Heiduk. “Das primäre Interesse der lokalen Akteure ist die ökonomische Entwicklung, Armut, Infrastruktur und ganz stark die Auswirkungen des Klimawandels auf viele dieser Staaten.”

    • Indopazifik

    News

    Niger: Frankreich holt EU-Bürger aus dem Land

    Nach einer neuerlichen Sitzung des Krisenstabes hat das Auswärtige Amt alle noch im Land verbliebenen Deutschen aufgerufen, Niger umgehend zu verlassen. Allerdings ist der Flughafen der nigrischen Hauptstadt Niamey weiterhin für alle Flüge ohne Sondergenehmigung gesperrt. Die Bundesregierung empfahl deshalb deutschen Staatsbürgern, von Frankreich zur Verfügung gestellte Plätze in Flugzeugen der französischen Luftwaffe anzunehmen, um das Land so zu verlassen. Die Regierung in Paris hatte am Montagmorgen angekündigt, seine Staatsbürger aus dem Land zu holen und dabei auch Staatsbürger anderer EU-Staaten mitzunehmen. Die französischen Streitkräfte schickten mehrere Maschinen vom Typ Airbus A330 zu dieser Evakuierung nach Niamey, die von einem Militärtransporter C-130 Hercules vermutlich mit Soldaten zur Absicherung begleitet wurde. Eine Passagiermaschine kehrte am gleichen Tag nach Europa zurück. Die Lage am Flughafen, hieß es in französischen TV-Berichten, sei ruhig.

    Außenministerin Annalena Baerbock dankte ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna ausdrücklich. Die deutsche Botschaft in Niamey bleibt vorerst geöffnet, allerdings nicht im Botschaftsgebäude nahe des Präsidentenpalastes, sondern auf dem Stützpunkt der Bundeswehr auf dem Flughafen. Berlin unterstützt die Bemühungen der AU und von Ecowas um eine friedliche Lösung. Ziel sei es, “dass die Putschistenführer sich zum Wohle ihres Landes auf die Vermittlungsbemühungen einlassen und nicht länger an der Macht festhalten”.

    Frankreich hatte Uran-Importe bereits reduziert

    Frankreich hat darüber hinaus die Abhängigkeit von Uran aus dem Niger stark reduziert. Niger ist einer der größten Produzenten von Uran in der Welt. Mehr als 25 Prozent des Urans, das in Europa im Jahr 2021 verbraucht wurde, lieferte das afrikanische Land. Insbesondere der französische Atom-Staatskonzern Orano betreibt mehrere Abbaustätten nördlich von Niamey. Aber gerade wegen der großen Abhängigkeiten hat Orano in den letzten Jahren seine Quellen diversifiziert. Rund 27 Prozent des Urans, das Frankreich für den Betrieb seiner Atomkraftwerke und die Bestückung seiner Nuklearwaffen benötigt, kommen mittlerweile aus Kasachstan. Niger ist “nicht mehr der strategische Partner von Paris, wie es vielleicht in den 1960er und 70er Jahren der Fall war”, sagt Alain Antil, Direktor am Französischen Institut für Internationale Beziehungen (IFRI). sbr/hlr

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    Kommission erarbeitet Leitlinien für naturnahe Waldwirtschaft

    Die EU-Kommission hat Leitlinien für eine naturnähere Waldbewirtschaftung erarbeitet. Ein entsprechendes Arbeitsdokument hat sie am 28. Juli dem Rat übermittelt. Darin stellt sie Methoden vor, welche die Biodiversität, Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der Wälder gegen den Klimawandel stärken sollen. Die Leitlinien sollen dabei die zuständigen Behörden und wichtigsten Akteure unterstützen.

    Als Ziele der naturnahen Waldbewirtschaftung nennt die Kommission die Erhöhung der strukturellen Komplexität und die Förderung der natürlichen Walddynamik. Sie basiert laut dem Dokument auf den folgenden Prinzipien:

    • von natürlichen Prozessen lernen und diese zulassen;
    • Heterogenität und Komplexität der Waldstrukturen und -muster erhalten;
    • Integration der Waldfunktionen auf verschiedenen räumlichen Ebenen;
    • Einsatz verschiedener waldbaulicher Systeme auf der Grundlage der natürlichen Störungsmuster der Region;
    • eine schonende Holzernte, bei der gleichermaßen darauf geachtet wird, was im Wald verbleibt und was entfernt wird, um Lebensräume, Waldböden und Mikroklimata zu erhalten.

    Darunter fallen etwa eine natürliche Regeneration von Bäumen, respektvolle Erntebedingungen, die Minimierung anderer Bewirtschaftungseingriffe oder Artenschutz. Da das Wissen und die Erfahrung mit diesen Methoden in der EU nicht gleich verteilt seien, will die Kommission über das “Pact for Skills”-Programm auch Organisationen unterstützen, die sich um die Verbesserung von Ausbildung bemühen.

    Deparnay-Grunenberg: “Völlig ungenügend”

    Die Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne), selbst Forstwissenschaftlerin, nennt diese Leitlinien eine “verpasste Chance” und “völlig ungenügend”: Angesichts der Waldbrände in Europa und der bislang fast ausschließlich reaktiven Waldbrandmaßnahmen der EU sei es höchste Zeit, Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Diese seien in den Leitlinien jedoch nicht zu finden, stattdessen “sei es sogar ‘naturnah’, Wälder kahlzuschlagen und anschließend Baumplantagen zu pflanzen”. Dabei schreibe die Kommission selbst, dass intensiv bewirtschaftete Wälder und Waldplantagen anfälliger für Waldbrände seien als intakte Waldökosysteme.

    Zudem seien die Leitlinien nicht verbindlich. Um gemeinsame Standards für eine feuersichere Bewirtschaftung der Wälder zu entwickeln, brauche es eine “echte europäische Waldpolitik, das heißt verbindliche EU-Direktiven oder Verordnungen, die sich an den Naturfunktionen des Waldes orientieren”. Dazu gehöre, dass dieser Kohlendioxid absorbiere und als CO₂-Senke fungiere. Das für Herbst geplante EU-Gesetz zur Waldüberwachung könnte helfen, “verbindliche Definitionen für einen intakten Wald festzulegen sowie Schäden zu identifizieren”, sagt Deparnay-Grunenberg. “Das würde zeigen, wie groß der Handlungsdruck bereits ist”. leo

    Kraftwerksförderung mit Abstrichen

    Die Bundesregierung kann wahrscheinlich schnell neue Kraftwerke fördern, aber in geringerem Umfang als geplant. Wirtschaftsminister Robert Habeck verkündete gestern eine vorläufige Einigung mit der EU-Kommission über das weitere Vorgehen im Beihilfeverfahren. Grund für den Durchbruch: Die Ausschreibungen würden nicht als Beitrag zur Versorgungssicherheit bewertet, sondern als Beitrag zur Klimaneutralität, sagte eine Ministeriumssprecherin zu Table.Media. Die Genehmigung eines sogenannten Kapazitätsmechanismus hätte wohl Jahre in Anspruch genommen. Die Bundesregierung will den Kohleausstieg aber auf 2030 vorziehen.

    Habeck musste allerdings auch Abstriche machen. Im Februar rechnete er noch damit, bis 2030 “zusätzliche” Wasserstoffkraftwerke im Umfang von 25 Gigawatt auszuschreiben. Gestern verkündete das Ministerium einen anderen Zeitplan: 25 bis 30 Gigawatt bis 2035. Zusätzlich sind aber nur knapp 15 GW Wasserstoff- und 3 GW Biomasse-Kraftwerke. Daneben erwartet das Ministerium, 10 GW an alten Kohlekraftwerken austauschen zu können, die sowohl Strom als auch Wärme zu erzeugen. Sie sollen durch wasserstofffähige Gas-KWK ersetzt werden. Ein Großteil bezieht sich also gar nicht auf zusätzliche Kapazitäten, sondern schlicht den Austausch bestehender Kraftwerke.

    Agora sieht nötigen Nettozubau erreicht

    Der Thinktank Agora Energiewende begrüßte die Ankündigung dennoch. “In unseren eigenen Szenarien halten wir einen Nettozubau von 16 Gigawatt an Wasserstoffkraftwerken beziehungsweise wasserstofffähigen Gaskraftwerken bis 2030 für nötig. Die Einigung mit der Kommission liegt in dieser Größenordnung“, sagte Philipp Godron, Programmleiter Strom.

    Damit der Kohleausstieg bis 2030 gelingt, komme es allerdings auch darauf an, dass die Bundesregierung bis dahin das 80-Prozent-Ziel für erneuerbare Energien erreiche. “Die Kraftwerke müssen außerdem durch erhebliche planbare Kapazitäten aus Batteriespeichern und flexibler Nachfrage ergänzt werden. Der Kohleausstieg 2030 ist von einer Reihe von Bausteinen abhängig und jeder muss konsequent umgesetzt werden.”

    LEAG nennt weitere Bedingungen

    Die EU-Kommission wollte die Einigung auf eine Dekarbonisierungsmaßnahme statt eines Kapazitätsmechanismus nicht bestätigen. “In jüngster Zeit wurden gute Fortschritte bei den zentralen Parametern der Maßnahmen erzielt, um die Vereinbarkeit mit den EU-Verträgen und den sektoralen Rechtsvorschriften zu gewährleisten”, erklärte gestern eine Sprecherin.

    Der ostdeutsche Braunkohlekonzern LEAG betonte gestern, dass zumindest für die eigenen Dekarbonisierungsprojekte noch weitere Voraussetzungen geschaffen werden müssten. LEAG plant an seinen Erzeugungsstandorten wasserstofffähige Gaskraftwerke mit 3 GW bis 2030 und insgesamt 4,5 GW bis 2040. Man benötige sowohl einen Anschluss ans Gasnetz als auch den Ausbau der Wasserstoffnetze, sagte ein Unternehmenssprecher. Zu einem möglichen Kohleausstieg 2030 befragt sagte er: “Wir diskutieren von den Rahmenbedingungen her, nicht vom Datum.”

    Eine Weiterentwicklung des Gesetzes zur Kraft-Wärme-Kopplung fordert der Stadtwerkeverband VKU. Das jetzige KWKG decke nur den Zeitraum bis 2026 ab, außerdem fehle dort eine ganzheitliche Perspektive für den Einsatz von Wasserstoff. Zusätzlich bestehen die Stadtwerke auf der Einführung eines Kapazitätsmarktes: “Wichtig ist, dass alle im Rahmen einer vorgezogenen Kraftwerksstrategie getätigten Investitionen auch in einem künftigen Marktdesign Bestand haben”. ber

    • Beihilfen
    • Erdgas
    • Kohle
    • Strom
    • Wasserstoff

    Fusionsstrategie: Kommission löscht Datenbankeintrag

    Die Europäische Kommission plant offenbar doch keine neue Strategie zur Kernfusion. Am vergangenen Freitag hatte Table.Media über die Ankündigung der neuen Strategie berichtet. Der entsprechende Eintrag in einer Datenbank für bevorstehende Konsultationen der Kommission ist inzwischen gelöscht und war am Montag nicht mehr abrufbar. Nach Informationen von Table.Media gab es einen Fehler auf der Internetseite der Behörde. Die vermeintliche Fusionsstrategie war in der Datenbank als Mitteilung der Kommission angekündigt. ber

    • Energie
    • Forschung

    Presseschau

    Einigung mit EU bei Förderung für Wasserstoff BADISCHE-ZEITUNG
    Polen: Wie groß die Gefahr einer Invasion von Wagner-Söldnern in die EU ist WELT
    EU-Kommission: Uranversorgung Europas nach Putsch im Niger sicher T-ONLINE
    Mercosur: Brasilien kontert EU-Umweltregeln mit neuen Forderungen TOPAGRAR
    Wärmepumpen: Verstößt Heizungsgesetz gegen EU-Recht? BERLINER-ZEITUNG
    EU-Kommission ehrt das Andenken an die Roma, Opfer des Porajmos HASEPOST
    Chef der EU-Investitionsbank plädiert für neuen Umgang mit Afrika WESER-KURIER
    BMG warnt vor Risiken des EU-Pharmapakets PHARMAZEUTISCHE-ZEITUNG
    “Verstößt gegen EU-Artenschutzrecht”: Bund Naturschutz setzt sich für Fischotter ein MERKUR
    Europas Inflations-Kluft macht die Aufgabe der EZB zur “mission impossible” WELT
    Rückschlag für EU-Chipindustrie: China beschließt Ausfuhrkontrollen für seltene Metalle N-TV
    US-EU Steel Talks Inch Ahead as Time for a Deal Runs Short BNNBLOOMBERG
    Kroatien will Häfen für ukrainische Getreideexporte zur Verfügung stellen EURACTIV
    European battery maker ACC in “exploratory” talks about N. American battery plant REUTERS
    IHK warnt Unternehmen vor Betrugsmasche im Namen der EU-Kommission THUERINGER-ALLGEMEINE
    London behält Siegel der EU trotz Brexits bei WELT
    Meta to seek user consent for targeted ads in the EU REUTERS
    Brandursache Mensch: Griechische Regierung will Strafen für Brandstifter verschärfen TAGESSPIEGEL

    Heads

    Patricia Lips – Abseits des Rampenlichts

    Patricia Lips ist stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

    Patricia Lips? Einer breiteren Öffentlichkeit ist die CDU-Politikerin kein Begriff, eine Suche bei Google News bringt wenig Ergiebiges. Dabei hat die 59-jährige aus Hessen in gut 20 Jahren im Bundestag schon einige bedeutende Ämter bekleidet, als Vorsitzende des Forschungsausschusses etwa, inzwischen ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Und: Sie leitete das Team von Friedrich Merz, als sich dieser 2020 zunächst vergeblich und später dann erfolgreich um den Parteivorsitz bewarb.

    “Mich drängt es nicht ins Rampenlicht”, sagt Lips. Sie wirke lieber hinter den Kulissen, ihre Stärken seien “Koordination, Kommunikation, Zusammenführen”. Wegen dieser Eigenschaften habe Merz sie auch in sein Team geholt, auf Empfehlung eines gemeinsamen Bekannten. Beide kannten sich bis dato nur flüchtig, aus den Anfangstagen von Lips im Bundestag 2002, Merz war damals noch Fraktionschef. Sie funktionierten gut als Team, sagt Lips.

    Debut im Europaausschuss

    Es war aber nicht Merz, sondern dessen Vorgänger Ralph Brinkhaus, der sie nach der Bundestagswahl 2021 als stellvertretende Fraktionsvorsitzende berief, zuständig für die Europapolitik. Damit schloss sich ein Kreis, denn begonnen hatte Lips ihre Bundestagslaufbahn im Europaausschuss. Es folgten die Stationen Finanz-, Forschungs- und Haushaltsausschuss.

    Als Fraktionsvize tut Lips das, was sie am besten kann: koordinieren und kommunizieren, innerhalb der Bundestagsfraktion und mit den Kollegen im Europaparlament. Der Austausch mit Brüssel/Straßburg läuft über informelle Zirkel, in denen je nach Themengebiet die jeweils zuständigen Fraktionsvize, die Leiter der Arbeitsgruppen und die Berichterstatter vertreten sind. “Ich bin fast immer dabei”, sagt Lips.

    Europapolitisches Leitbild

    In der Bundestagsfraktion hat sie ein eigenes europapolitisches Leitbild erarbeiten lassen, mit Input aus den einzelnen Arbeitsgruppen. Schließlich durchdringe die EU inzwischen fast jedes Fachgebiet. Ähnlich laufe es in der Fraktionssitzung, sagt Lips: Dort würden viele Sachthemen mit Europabezug diskutiert.

    Brinkhaus hatte als Fraktionschef noch einen eigenen Agendapunkt zu Europa eingeführt, in dem Lips’ Vorgängerin Katja Leikert über aktuelle EU-Dossiers Bericht erstattete. Es war eine Lehre aus dem Desaster bei der EU-Urheberrechtsreform, als die Union von dem Shitstorm überrascht wurde, der sich gegen die Partei und ihren Berichterstatter Axel Voss in Brüssel zusammenbraute.

    Wenig Interesse an EU-Dossiers in der Fraktion

    Merz hat diese Praxis aber rückgängig gemacht: Ein eigener Tagesordnungspunkt zu EU-Fragen sei zwar ein hehres Ziel gewesen, sagt Lips. Eine wirkliche Debatte habe das aber “leider selten entfacht”. Daher sei man davon wieder abgekommen und diskutiere themenbezogen. Andere Unionsabgeordnete berichten aber, europäische Dossiers spielten inzwischen keine Rolle mehr in der Sitzung.

    Diskutieren will Lips vor allem über ein Thema: Wettbewerbsfähigkeit. Die Aufstellung der heimischen Industrie werde das wichtigste Thema der nächsten Jahre sein, glaubt sie, und auch den Europawahlkampf von CDU/CSU dominieren. Der aktuelle Umbruch überfordere viele Mittelständler, “wenn wir nicht gegensteuern, droht uns eine Deindustrialisierung”.

    Ein Herz für den Mittelstand

    Die gelernte Handelsfachwirtin war acht Jahre lang im Bundesvorstand der Mittelstandsunion (MIT), die Themen liegen ihr am Herzen. “Ich habe neulich einen Galvanik-Betrieb besucht mit 120 Mitarbeitern”, erzählt sie. “Der Chef sagte mir, er habe keine Lust mehr, die hohen Energiepreise und zahllosen Vorschriften machten das Geschäft kaputt.” 

    Bislang hätten die Betriebe und die Menschen vor Ort Europa immer als Chance begriffen, sagt Lips. “Dieser Common Sense bröckelt aber angesichts der Flut an neuer Regulierung.” Daher brauche es ein Regulierungsmoratorium, wie es die EVP schon seit Monaten fordert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, deren politische Heimat die Union ist, hat das teilweise aufgegriffen – die noch anstehenden Green-Deal-Vorschläge der Behörde werden weniger ambitioniert ausfallen als zunächst angedacht. Zudem lässt von der Leyen intern Berichtspflichten für Unternehmen zusammentragen, die entbehrlich erscheinen.

    “Wir sind nicht gegen den Green Deal”

    “Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Green Deal – mit einer solchen Position ließen sich heute auch keine Wahlen mehr gewinnen”, beteuert Lips. Aber die Politik müsse die Menschen dabei stärker mitnehmen. Das könne gelingen, in dem man mehr über Technologieoffenheit und Forschung und Entwicklung spreche.

    Der erbitterte Widerstand gegen einzelne Vorhaben wie das Renaturierungsgesetz hat der EVP den Vorwurf eingebracht, sich mit den rechten Kräften gemein zu machen. EVP-Chef Manfred Weber hat auch die Fühler in Richtung EKR ausgestreckt, er traf sich unter anderem mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der Chefin der EKR-Parteienfamilie. Der CSU-Politiker will sich offenkundig neue Machtoptionen für die nächste Wahlperiode erschließen.

    Gegen ein rechtes Bündnis

    Lips zeigt einerseits Verständnis dafür: Es sei nun mal ein Fakt, dass christdemokratische Parteien wie in Italien oder Finnland mit rechten Parteien kooperierten. “Wir sollten diesen Gesprächsfaden auch nicht kappen”, sagte sie. “Ich halte es aber für gefährlich, eine Diskussion über ein rechtes Bündnis zu entfachen – das birgt die Gefahr eines Dammbruchs.”

    Das gelte angesichts der Vergangenheit ganz besonders für Deutschland. “Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für mich nicht infrage”, betont Lips. “Wenn in Deutschland die Dämme brechen, brechen sie überall.” Till Hoppe

    • Bundestag
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    Europe.Table Redaktion

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