Table.Briefing: Europe

Raw Materials Act + Strommarktreform + RED-Trilog

Liebe Leserin, lieber Leser,

die EU will bis 2030 einen erheblichen Anteil ihres Bedarfs an kritischen Rohstoffen selbst decken. Nun liegt Europe.Table ein geleakter Entwurf des Critical Raw Materials Act vor. Darin heißt es unter anderem, dass jährlich ab 2030 nicht mehr als 70 Prozent eines strategischen Rohstoffs aus einem einzigen Drittstaat bezogen werden sollen. Und es gibt noch viele andere Pläne, berichten Leonie Düngefeld, Till Hoppe und Charlotte Wirth.

Rückt die EU vom uniform pricing beim Strom ab? Ein erster Entwurf zur Strommarktreform, der Table.Media exklusiv vorliegt, sieht das nicht vor. Statt Systemwechsel sieht das Papier vor allem kleinere Änderungen vor, beispielsweise für KMU. Bei der sozialen Komponente hätten sich manche deutlich mehr gewünscht, analysiert Manuel Berkel.

An anderer Stelle hat es gestern durchaus ein Novum gegeben. Einen Tag vor dem heutigen Weltfrauentag hat die EU erstmals Personen und Gruppen auf ihre Sanktionsliste gestellt, die sie für sexuelle Gewalt und andere Verletzungen der Rechte von Frauen verantwortlich macht. Wen es trifft, lesen Sie in unserer News.

Ihre
Alina Leimbach
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Analyse

Raw Materials Act: Das plant die EU-Kommission

Bis 2030 sollen die Kapazitäten für die Lieferketten strategisch wichtiger Rohstoffe innerhalb der EU signifikant erhöht werden – das geht aus dem Entwurf der EU-Kommission für den Critical Raw Materials Act vor, den sie in der kommenden Woche veröffentlichen will. Gestern ist ein Leak bekannt geworden, über den die Financial Times zuerst berichtet hatte und der Europe.Table vorliegt. Sie können ihn hier lesen.

Die Ziele der Kommission: 2030 sollen 10 Prozent des Bedarfs der EU aus eigenem Bergbau gedeckt sein, 40 Prozent aus lokaler Weiterverarbeitung und 15 Prozent aus EU-Recyclingkapazitäten. Zudem soll die EU 2030 nicht mehr als 70 Prozent ihres jährlichen Bedarfs für einen strategischen Rohstoff aus einem einzigen Drittstaat beziehen. So sollen die bislang sehr hohen einseitigen Abhängigkeiten vor allem von China reduziert werden. 

Vom Bergbau über die Raffinerie und Weiterverarbeitung bis hin zum Recycling soll anhand strategischer Projekte die lokale Wertschöpfungskette gestärkt werden. Jeder Mitgliedstaat soll dafür ein eigenes Explorationsprogramm starten und Informationen über die Vorkommen kritischer Rohstoffe bereitstellen. 

Genehmigungsverfahren sollen stark beschleunigt werden

Bahnbrechend an dem Vorschlag: Die als strategisch ausgewiesenen Projekte sollen von Behörden mit höchster Priorität und Geschwindigkeit behandelt werden, wofür die Kommission auch konkrete Zahlen nennt: Genehmigungsverfahren für neue Bergbauprojekte dürfen laut dem Vorschlag nicht länger als zwei Jahre, die Verfahren für Weiterverarbeitung oder Recycling nicht länger als ein Jahr dauern – bei derzeitigen Zeiträumen von zehn bis fünfzehn Jahren ein ambitioniertes Ziel.  

Dafür soll vor allem die Umweltfolgenabschätzung verkürzt werden: Innerhalb eines Monats soll die zuständige Behörde beurteilen, welchen Umfang und welches Maß an Details die Abschätzung haben soll. Der Zeitrahmen für die öffentliche Konsultation soll nicht länger als 90 Tage betragen.  

Diese Zeitrahmen können problematisch werden, sagt Henrike Hahn, die im Industrieausschuss Berichterstatterin der Grünen sein wird. “Bergbau in Europa sollte ein gut koordinierter, überprüfbarer Prozess einer ausgewogenen Politik sein, die die strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit einer grünen europäischen Industrie gewährleisten soll”, erklärt sie. “Bergbau in Europa sollte höchstmögliche, nicht nur ‘hohe’, wie die Kommission andeutet, Umwelt- und Sozialstandards erfüllen“. Eine Reduzierung der Komplexität und eine Effizienzsteigerung bei Bergbauprojekten dürfe davon nicht ablenken. 

Das sind die Ziele für die Kreislaufwirtschaft

Ihr Versprechen, ein Kapitel den Bereichen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu widmen, hält die Kommission ein – wenn sie auch keine weiteren konkreten Zielwerte nennt. Sie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten 

  • Die Sammlung und das Recycling von Abfallprodukten, die kritische Rohstoffe enthalten, stärken; 
  • die Wiederverwendung dieser Abfälle ermöglichen; 
  • Recyclingtechnologien und Möglichkeiten zur Substitution kritischer Rohstoffe fördern; 
  • Maßnahmen zur Gewinnung kritischer Rohstoffe aus den beim Bergbau entstehenden Abfällen einführen. 

Wer Produkte auf den Markt bringt, die Permanentmagneten enthalten, muss in Zukunft Informationen über Anzahl, Art und chemische Zusammensetzung der Magneten im Produkt bereitstellen. Diese müssen zudem auswechselbar sein, damit die Rohstoffe wiederverwendet werden können. Die Kommission will hier spezifischere Vorgaben zu den einzelnen Komponenten der Magnete (wie Kobalt oder Neodym) einen delegierten Rechtsakt vorstellen

Die Kommission plant darüber hinaus, Zertifizierungssysteme von Regierungen und Organisationen für die Nachhaltigkeit kritischer Rohstoffe anzuerkennen und ein Register dieser Systeme anzulegen. Anhand von Delegierten Rechtsakten will sie zudem Regeln für die Berechnung des Umweltfußabdrucks bestimmter Rohstoffe aufstellen, mit welchem dann Kaufentscheidungen vereinfacht werden sollen. Hierfür soll jedoch zunächst noch eine Folgenabschätzung erstellt werden. 

Stresstest für Lieferketten alle drei Jahre

Die Versorgungsrisiken bei den kritischen Rohstoffen will die Kommission mit Unterstützung der nationalen Behörden reduzieren. 

  • Spätestens alle drei Jahre will sie gemeinsam mit den nationalen Vertretern im Board einen Stresstest für die einzelnen Lieferketten durchführen und die Ergebnisse veröffentlichen. Wichtige Marktakteure sollen dafür den Behörden Auskunft geben müssen. 
  • Um für den Krisenfall gewappnet zu sein, sollen die Mitgliedstaaten größere strategische Reserven anlegen. Dafür will die Kommission einen Schwellenwert für jeden strategischen Rohstoff festlegen, ab dem die Versorgung als gesichert angesehen wird – gemessen an der Zahl der Tage, die die EU ohne Importe auskommen könnte. Die nationalen Experten im Board und die Kommission können dann Maßnahmen vorschlagen, wie diese Benchmarks erreicht werden sollen. 
  • Der Entwurf sieht keine Vorgaben für die Industrie zur Lagerhaltung vor. Große Unternehmen aus strategischen Sektoren wie erneuerbaren Energien, Robotik oder Halbleiter sollen aber ihre Rohstoff-Lieferbeziehungen Stresstests unterziehen und gegenüber ihren Aufsichtsräten über Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten berichten. 
  • Daneben will die Kommission nach dem Muster der Corona-Krise eine Plattform einrichten, um im Namen von nationalen Behörden und Unternehmen gemeinsam einzelne Rohstoffe zu beschaffen

Strategische und kritische Rohstoffe

Die Kommission unterscheidet in ihrem Vorschlag zwischen strategischen und kritischen Rohmineralien. Erstere sollen aufgrund ihrer Relevanz für die grüne und digitale Transformation sowie für Verteidigung und Raumfahrt ermittelt werden. 

Die Einteilung in kritische Rohstoffe basiert auf wirtschaftlicher Relevanz und dem Versorgungsrisiko (Schwellenwert von jeweils 2.8 und 1). In den Anhängen schlägt die Kommission konkrete Berechnungsformeln vor. 

Die Liste der strategischen und kritischen Rohmineralien soll mindestens alle vier Jahre mittels delegierten Rechtsakten überarbeitet werden. Die bisherige Liste kritischer Rohstoffe wird alle drei Jahre überarbeitet. 

“Raw Materials Board” soll überwachen

Für das Monitoring und die Koordinierung der strategischen Rohstoffprojekte ruft die Kommission das “Raw Materials Board” ins Leben. Es setzt sich aus jeweils einem Vertreter pro EU-Mitgliedstaat und einem Vertreter der EU-Kommission zusammen und soll Kommission und EU27 beraten, um die Versorgungssicherheit an kritischen Rohmineralien zu sichern. Das Board soll mindestens vier Untergruppen bilden:

  • Eine Gruppe soll sich mit der Finanzierung und Koordinierung der strategischen Projekte befassen. Finanzinstitutionen wie die Europäische Investitionsbank und die Europäische Entwicklungsbank EBRD, nationale Förder- und Entwicklungsbanken sowie ggf. private Finanzakteure sollen als Beobachter fungieren. 
  • Eine Gruppe soll nationale geologische Institute und Dienste zusammenbringen, um die Programme der Mitgliedstaaten zu koordinieren. 
  • In einer Gruppe soll sollen sich auf kritische Rohmineralien spezialisierte nationale Versorgungs-und Informationsagenturen abstimmen
  • Und in einer letzten Gruppe sich nationale Notfall- und Bevorratungsstellen austauschen. 

Vertreter des Europäischen Parlaments dürfen den Treffen als Beobachter beiwohnen. 

Hildegard Bentele (EVP) findet in dem Entwurf viele Aspekte aus dem Initiativbericht des Parlaments von 2021 wieder, für den sie Berichterstatterin war. Der Vorschlag sei ein “Startsignal” für die beteiligten Akteure. “Insbesondere die konkreten Zielvorgaben für Eigenproduktion bzw. Weiterverarbeitung, das Auflegen strategischer Projekte sowie die Verkürzung der Genehmigungsverfahren könnten bald zu einer Verringerung unserer Abhängigkeiten führen”, sagte sie. “Ich werde mich für eine zügige parlamentarische Beratung einsetzen.” Mit Till Hoppe und Charlotte Wirth

  • Critical Raw Materials Act
  • Rohstoffe

Strommarkt: Erleichterungen für Mittelständler

Die Kommission strebt keine tiefgreifende Reform des Strommarkts an, wie sie Spanien und Frankreich gefordert hatten. Eine Abkehr vom sogenannten uniform pricing ist nach einem gestern bekannt gewordenen Entwurf, der Table.Media vorliegt, nicht geplant. Weiterhin soll die teuerste Erzeugungstechnologie den Preis für den gesamten Stromhandel setzen.

Wie in früheren Konzeptpapieren und der Konsultation angekündigt, soll es allerdings kleinere Anpassungen geben, um den Einfluss von teuren Gaskraftwerken auf die Preisbildung zu begrenzen.

Staatliche Risikoabsicherung für PPAs

Mit ihren niedrigen Erzeugungskosten senken erneuerbare Energien den Strompreis. Der Entwurf sieht zum einen Maßnahmen vor, um Investitionen in Erneuerbare zu erleichtern und zum anderen die Aufnahmefähigkeit des Stromsystems für Erneuerbare zu erhöhen.

Als marktliches Instrument für Investitionen will die Kommission langfristige Strombezugsverträge (PPAs) stärken. Dazu sollen die Mitgliedstaaten finanzielle Risiken der Abnehmer reduzieren, etwa durch staatliche Garantien. Bisher fragen solche Verträge vor allem energieintensive Großunternehmen nach. Falls Investoren in Erneuerbare öffentlich gefördert werden, will die Kommission außerdem die Vorschriften für Ausschreibungen lockern, damit ein Teil des Stroms über PPAs direkt verkauft werden kann.

Differenzverträge auch für neue Atomkraftwerke

Bei der öffentlichen Förderung sollen doppelseitige Differenzverträge (CfD) für die meisten Erneuerbaren-Technologien zur Regel werden. Sie ermöglichen es den Staaten, in Zeiten explodierender Strompreise Übererlöse dauerhaft abzuschöpfen. Gelten soll dies laut dem Entwurf auch für Investitionen in neue Atomkraftwerke.

Ein großes Geschenk an Frankreich sieht darin der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss: “Die Atomenergie wird den Erneuerbaren als Kuckucksei ins Nest gelegt, sie bekommt massive Förderversprechen.” Dabei sei Kernenergie nicht vereinbar mit einem flexiblen Stromsystem.

Bloss soll die Reform für die Grünen im Parlament verhandeln. Er stört sich auch an der CfD-Pflicht für öffentlich geförderte Erneuerbare. Mit ihrem Vorschlag verbiete die Kommission die Einspeisevergütung und lege die Erneuerbaren damit an die Leine, sagte Bloss.

Freiwillige Ziele für Lastmanagement und Speicher

Erleichtert werden sollen aber auch Investitionen in Lösungen, die das Stromsystem flexibler machen und so die Aufnahmefähigkeit für die schwankungsanfälligen Erneuerbaren erhöhen. Infrage kommen vor allem die Verlagerung von Nachfrage (Lastmanagement) und der Bau von Speichern.

Dazu sollen die Mitgliedstaaten zunächst einmal den Bedarf ermitteln und sich quantitative Ziele für Lastmanagement und Speicher setzen, die allerdings freiwillig bleiben. Ausdrücklich bewilligt werden den EU-Staaten zudem neue Fördermöglichkeiten.

Wenig Neues für Verbraucher

Für Haushalte dürfte der Entwurf wenige direkte Verbesserungen bringen. Die Änderungen bei Energielieferverträgen, welche die Kommission EU-weit anstrebt, sind in Deutschland bereits geltendes Recht. So gibt es in Deutschland anders als in anderen Staaten bereits einen Ersatzversorger, der einspringt, wenn ein Lieferant pleitegeht.

Einführen will die Kommission eine Pflicht für Versorger, langfristige Lieferverträge mit Preisgarantien anzubieten. Allerdings würde die – noch in Klammern gesetzte – Laufzeit von einem Jahr hinter der deutschen Regelung zurückbleiben, wo auch Verbraucherverträge mit zwei Jahren Laufzeit möglich sind.

Recht aufs Teilen von Energie

Für Haushalte und KMU sieht der Entwurf ein Recht zum Teilen von Energie vor, wobei es ähnliche Regeln bereits in der Strommarkt- und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gibt.  

“Die soziale Komponente des Vorschlags fällt mager aus”, findet der Grünen-Abgeordnete Bloss, “weder soll es gezielt vergünstigte Tarife, noch das Verbot von Stromsperren für arme Haushalte geben“.

In Krisen will es die Kommission den Staaten allerdings ermöglichen, regulierte Preise für 80 Prozent des Verbrauchs festzusetzen. Für KMU bezieht sich der Vergleichswert auf den individuellen Verbrauch in der Vergangenheit, für Haushalte auf den Medianwert aller Verbraucher.

  • Energiepolitik
  • Strom
  • Strommarkt
  • Strompreis

News

Kaum Fortschritte bei RED-Trilog: Abschluss Ende März ungewiss

Im Trilog zur Richtlinie über erneuerbare Energien (RED3) haben die Unterhändler in der Nacht zu Dienstag keine Einigung über die Fristen erzielt, die den Mitgliedstaaten für die Kartierung der Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energien gesetzt werden. “Alles muss noch verhandelt werden”, heißt es bei Beteiligten des Trilogs.

Diese Zonen werden als “go-to-areas” bezeichnet. Der Artikel, der diese privilegierten Zonen definiert, sieht eine Flexibilisierung der Umweltprüfungen vor und bezieht seit der Annahme von Änderungsanträgen Biomasse mit ein. Nur in Artikel 16 über das Genehmigungsverfahren in den “go-to areas” heißt es weiterhin, dass erneuerbare Energien “mit Ausnahme von Anlagen zur Verbrennung von Biomasse […] von der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung befreit” sind. Das sind Unstimmigkeiten, die immer noch nicht behoben sind.

Aus Zeitgründen kam es nicht zu Verhandlungen über die Verbrauchsziele für erneuerbare Energien für den Verkehrssektor, die ebenfalls auf der Agenda standen. Die abschließende Trilogsitzung ist immer noch für den 29. März angesetzt. Die Verhandlungsführer von Parlament, Ratspräsidentschaft und die Kommission halten es aber für möglich, dass eine weitere Runde nötig wird. cst

  • Klimapolitik
  • Trilog
  • Umweltpolitik

EU-Kommunikationsnetz im All kann starten

Der Rat hat die Verordnung über das EU-Programm für sichere Konnektivität im All angenommen. Dies war der letzte politische Schritt für die Realisierung der EU Secure Satellite Constellation IRIS2. Jetzt fehlen nur noch die Unterschriften und die Veröffentlichung im Amtsblatt, dann kann die Industrie mit dem Aufbau des sicheren satellitengestützten Kommunikationssystems beginnen.

Die Kommission hatte ihren Vorschlag zu einem Unionsprogramm für sichere Konnektivität für den Zeitraum 2024 bis 2027 im Februar 2022 vorgelegt. Parlament und Rat einigten sich im November. Das Parlament stimmte dem Ergebnis des Trilogs bereits Mitte Februar zu. Rekordverdächtig war nicht nur das Tempo der Verhandlungen, sondern auch das Abstimmungsergebnis: 603 Ja-Stimmen und nur sechs Gegenstimmen.

IRIS2 soll der Widerstandsfähigkeit und Souveränität der EU dienen

Das Programm sieht vor, dass die Europäische Union bis 2027 eine EU-Satellitenkonstellation mit der Bezeichnung IRIS² einrichtet: Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite. IRIS² soll ultraschnelle und hochsichere Kommunikationsdienste bereitstellen. Die Sicherheit basiert auf fortschrittlichen Verschlüsselungstechnologien, einschließlich der Quantenkryptografie.

Die Mitgliedstaaten können das Kommunikationssystem im All zum Beispiel für den Schutz kritischer Infrastrukturen oder ihr Krisenmanagement einsetzen. Es soll dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit und Souveränität der EU zu verbessern. Gleichzeitig will die EU auch die New Space Wirtschaft in der Union stärken.

Das Programm wird von der EU-Agentur für das Weltraumprogramm (EUSPA) geleitet. Beteiligt sind eine Reihe von Partnern, darunter die Mitgliedstaaten, die Europäische Weltraumorganisation ESA und private Unternehmen. Das Programm verfügt über ein Budget von 2,4 Milliarden Euro, das zum Teil aus dem EU-Raumfahrtprogramm, Horizon Europe und dem Nachbarschaftsinstrument für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit stammt. vis

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EU verhängt Sanktionen wegen sexueller Gewalt

Vor dem Internationalen Frauentag hat die EU Sanktionen gegen neun Personen, darunter zwei russische Kommandeure, die in den Krieg in der Ukraine verwickelt sind, und drei Organisationen verhängt, die die EU für sexuelle Gewalt und andere Verletzungen der Rechte von Frauen verantwortlich macht.

Josep Borrell, Hoher Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik, sagte dazu: “Wir gehen von Worten zu Taten über. Wir werden alle Formen von Gewalt gegen Frauen bekämpfen und beseitigen, egal wo sie stattfindet.” Mit dem Beschluss verstärke die EU ihre Bemühungen, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen.

Es ist das erste Mal, dass die EU ein Sanktionspaket gegen Täter sexueller Gewalt erlässt. Sie nutzt damit ihre im Jahr 2020 eingeführten Befugnisse, um Menschenrechtsverletzer zu bestrafen. Zu den Maßnahmen gehören das Einfrieren von Vermögenswerten von Personen und Organisationen in der EU und ein Einreiseverbot in die EU. Unternehmen in der EU ist es außerdem untersagt, Dienstleistungen für die von den Sanktionen betroffenen Personen zu erbringen.

Zwei russische Befehlshaber sanktioniert

In der Liste werden als russische Befehlshaber im Krieg Moskaus gegen die Ukraine Nikolay Kuznetsov und Ramil Ibatullin genannt. Die beiden waren für die Nachrichtenagentur Reuters nicht für Stellungnahmen zu erreichen.

In der Liste heißt es, dass Kusnezow “an der illegalen Invasion Russlands in die Ukraine beteiligt war und Mitglieder seiner Einheit im März/April 2022 systematisch an Akten sexueller Gewalt und Vergewaltigungen in der Ukraine beteiligt waren”. Ibatullin leitete eine Abteilung, deren Mitglieder “Akte sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung verübten”, heißt es in dem EU-Dokument.

Sanktioniert wurden darüber hinaus auch das Frauengefängnis Qarchak im Iran, die Syrische Republikanische Garde und das Büro des Chefs für militärische Sicherheitsangelegenheiten in Myanmar. Auch hier ging es um schweren sexuelle und geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen. Die volle Liste finden Sie hier. reuters/lei

  • Josep Borrell
  • Sanktionen

Westbalkan-Gipfel erstmals in Albanien

Das nächste Gipfeltreffen zur Annäherung der sechs Westbalkanstaaten an die Europäische Union findet am 16. Oktober in der albanischen Hauptstadt Tirana statt – und damit erstmals in einem der Westbalkanstaaten. Das gaben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der albanische Ministerpräsident Edi Rama am Dienstag nach einem Treffen in Berlin bekannt. Seit neun Jahren findet der Gipfel immer wieder statt. Neben den EU-Spitzen und dem Kanzler werden die Staats- und Regierungschefs von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien teilnehmen.

Alle sechs Länder streben den Beitritt zur EU an, befinden sich dabei aber in unterschiedlichen Phasen. Scholz hat sich mehrfach für einen zügigen Beitrittsprozess starkgemacht. “Der westliche Balkan ist Teil Europas, Teil der europäischen Familie”, sagte er nach dem Treffen mit Rama. dpa

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  • Olaf Scholz
  • Westbalkan

Presseschau

EU verhängt erstmals Sanktionen wegen Gewalt gegen Frauen ZEIT
Weltfrauentag: EU will mehr Plätze in Frauenhäusern RP-ONLINE
EU-internes Papier verrät Mangel – Dringend gesucht: Munition für die Ukraine ZDF
Proteste gegen Rentenreform: Demonstranten blockieren alle französischen Raffinerien ZEIT
EU und USA wollen den Konflikt zwischen Kosovo und Serbien endlich lösen DW
Nein zum Verbrenner-Aus: Europaparlament empört über FDP TAZ
EU-Klimadiplomatie: Atomkraft aus Verhandlungsdokument entfernt EURACTIV
So will die EU-Kommission den Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern EURACTIV
EU targets 40% of clean tech to be made within the bloc by 2030 THEGUARDIAN
EU-Pläne zur Sanierungspflicht von Wohngebäuden stoßen auf breiten Widerstand VDI-NACHRICHTEN
Geheimpapier: Jedes vierte deutsche Unternehmen erwägt Verlagerung ins Ausland FOCUS
Scientists call for UK to rejoin EU’s Horizon research programme FT
Here’s why you should always pay your traffic fines from the EU, especially under a proposed new law EURONEWS
From poster child to worst performing EU economy: how bad housing policy broke Sweden THEGUARDIAN
Amsterdam ‘erotic centre’: EMA unhappy at planned red-light district BBC
EU tells Elon Musk to hire more staff to moderate Twitter FT

Heads

Valérie Masson-Delmotte: feministische Klimaforscherin

Valérie Masson-Delmotte – viel beschäftige Klimawissenschaftlerin und IPCC Co-Vorsitzende. Im November 2022 sprach sie vor Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.

Valérie Masson-Delmotte ist schwer zu erreichen. Denn die französische Paläoklimatologin und Forschungsdirektorin am staatlichen Forschungszentrum für Kernenergie “Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien” (CEA) wird mit Anfragen überhäuft. Die Spezialistin für “Klimaveränderungen in der Vergangenheit” wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und vom Time Magazine als eine der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2022 eingestuft.

Seit ihrer Ernennung zur Co-Vorsitzenden der Gruppe I des Weltklimarats (IPCC) im Jahr 2015 reiht die 50-jährige Wissenschaftlerin Fernseh- und Radiosendungen, Schulungen für Politiker und Beamte, Auftritte bei Festivals, lange Threads auf Twitter und das Verfassen und Korrekturlesen von Berichten und Artikeln aneinander.

“Non, merci” an Macron

Vieles davon hätte Masson-Delmotte nicht mehr machen können, wenn sie in Macrons Regierung eingetreten wäre. Das Angebot lag nach Macrons Wiederwahl im Frühjahr 2022 auf dem Tisch, die Klimawissenschaftlerin lehnte es aber ab. Dabei ist ihr politisches Engagement nicht fremd. Masson-Delmotte war zwischen 2008 und 2014 Gemeinderätin (parteilos) in ihrer kleinen Gemeinde Villejust (Essonne), in der Nähe von Paris.

Im Herbst 2022, wenige Monate nachdem sie die Mitarbeit in der Regierung abgelehnt hatte, folgte sie aber der Einladung des Élysée, vor dem französischen Präsidenten und der gesamten Regierung zu sprechen und 42 Minister und Staatssekretäre in Sachen Klimawandel zu informieren. Ein katastrophaler Sommer in Frankreich mit Hitzewellen, Dürren und Bränden hatte die Regierung aufgerüttelt.

Die Klimaforscherin thematisiert auch, dass Frauen in der Klimawissenschaft unterrepräsentiert sind. Einen Vortrag auf einem Seminar des französischen Verbands für weibliche Führungskräfte im Bereich Hochschulbildung, Forschung und Innovation (AFDESRI) Ende Januar 2023 beginnt sie mit einer Hommage an eine Pionierin der Klimaforschung.

Kampf gegen die Unterrepräsentation von Frauen in der Klimawissenschaft

“Es ist äußerst wichtig, den grundlegenden Beitrag zu kennen, den Wissenschaftlerinnen seit Langem zum Verständnis des Klimawandels leisten: Es war eine Frau, die amerikanische Forscherin Eunice Foote, ebenfalls eine Feministin, die im 19. Jahrhundert als erste Wissenschaftlerin zeigte, dass der Anstieg der Treibhausgaswerte in der Atmosphäre die Lufttemperatur und das Klima beeinflusst. Sie ist eine dieser Wissenschaftlerinnen, die ins Abseits gedrängt wurden und deren bahnbrechende Arbeit nicht ausreichend gewürdigt wird.”

Lange Zeit galt der Ire John Tyndall als Entdecker der Klimawirkung von CO₂. Erst 2010 wurden die Experimente von Foote wiederentdeckt, die sie schon 1856 veröffentlicht hatte und in denen sie nachwies, dass CO₂ ein Treibhausgas ist.

Kein neues Mandat für den IPCC

Inzwischen ist es acht Jahre her, dass sie von der französischen Regierung dazu gedrängt wurde, sich als Co-Vorsitzende der Gruppe I für den sechsten Sachstandsbericht des IPCC zu bewerben. Und sie räumt ein, dass sie ihre Belastungsgrenze erreicht hat. Seit ihrer Ernennung hat sie unter anderem die Veröffentlichung eines 2.400 Seiten starken Berichts und drei Sonderberichte überwacht. Sie war auch an der Erstellung des Syntheseberichts beteiligt, der am 20. März vorgestellt werden soll.

Auch beim IPCC legt sie den Finger in die Wunde. Nur etwa ein Drittel der IPCC-Autoren und Autorinnen seien Frauen. Dieses Verhältnis “spiegelt die Machtverhältnisse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft wider”, sagt die Forscherin. Sie hofft, dass es im kommenden Juli weibliche Kandidaten für den Vorsitz des IPCC geben wird. Sie selbst wird nicht mehr kandidieren.

Masson-Delmotte hofft, dann mehr Zeit für Tennis und ihre große Leidenschaft, das Lesen, zu haben. Die Französin ist Mutter zweier erwachsener Töchter, die sich für ganz ähnliche Themen begeistern und sich im Master-Studium mit Gender-Fragen sowie Biodiversität und Ökologie beschäftigt haben. Ihr nächstes großes Projekt steht schon vor der Tür: ein großes europäisches Forschungsprojekt in der Antarktis, Awaca, bei dem Masson-Delmotte eine der Hauptkoordinatorinnen ist. Die Arbeit wird Masson-Delmotte also nicht ausgehen.

  • Klimapolitik
  • Wissenschaft

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    die EU will bis 2030 einen erheblichen Anteil ihres Bedarfs an kritischen Rohstoffen selbst decken. Nun liegt Europe.Table ein geleakter Entwurf des Critical Raw Materials Act vor. Darin heißt es unter anderem, dass jährlich ab 2030 nicht mehr als 70 Prozent eines strategischen Rohstoffs aus einem einzigen Drittstaat bezogen werden sollen. Und es gibt noch viele andere Pläne, berichten Leonie Düngefeld, Till Hoppe und Charlotte Wirth.

    Rückt die EU vom uniform pricing beim Strom ab? Ein erster Entwurf zur Strommarktreform, der Table.Media exklusiv vorliegt, sieht das nicht vor. Statt Systemwechsel sieht das Papier vor allem kleinere Änderungen vor, beispielsweise für KMU. Bei der sozialen Komponente hätten sich manche deutlich mehr gewünscht, analysiert Manuel Berkel.

    An anderer Stelle hat es gestern durchaus ein Novum gegeben. Einen Tag vor dem heutigen Weltfrauentag hat die EU erstmals Personen und Gruppen auf ihre Sanktionsliste gestellt, die sie für sexuelle Gewalt und andere Verletzungen der Rechte von Frauen verantwortlich macht. Wen es trifft, lesen Sie in unserer News.

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    Analyse

    Raw Materials Act: Das plant die EU-Kommission

    Bis 2030 sollen die Kapazitäten für die Lieferketten strategisch wichtiger Rohstoffe innerhalb der EU signifikant erhöht werden – das geht aus dem Entwurf der EU-Kommission für den Critical Raw Materials Act vor, den sie in der kommenden Woche veröffentlichen will. Gestern ist ein Leak bekannt geworden, über den die Financial Times zuerst berichtet hatte und der Europe.Table vorliegt. Sie können ihn hier lesen.

    Die Ziele der Kommission: 2030 sollen 10 Prozent des Bedarfs der EU aus eigenem Bergbau gedeckt sein, 40 Prozent aus lokaler Weiterverarbeitung und 15 Prozent aus EU-Recyclingkapazitäten. Zudem soll die EU 2030 nicht mehr als 70 Prozent ihres jährlichen Bedarfs für einen strategischen Rohstoff aus einem einzigen Drittstaat beziehen. So sollen die bislang sehr hohen einseitigen Abhängigkeiten vor allem von China reduziert werden. 

    Vom Bergbau über die Raffinerie und Weiterverarbeitung bis hin zum Recycling soll anhand strategischer Projekte die lokale Wertschöpfungskette gestärkt werden. Jeder Mitgliedstaat soll dafür ein eigenes Explorationsprogramm starten und Informationen über die Vorkommen kritischer Rohstoffe bereitstellen. 

    Genehmigungsverfahren sollen stark beschleunigt werden

    Bahnbrechend an dem Vorschlag: Die als strategisch ausgewiesenen Projekte sollen von Behörden mit höchster Priorität und Geschwindigkeit behandelt werden, wofür die Kommission auch konkrete Zahlen nennt: Genehmigungsverfahren für neue Bergbauprojekte dürfen laut dem Vorschlag nicht länger als zwei Jahre, die Verfahren für Weiterverarbeitung oder Recycling nicht länger als ein Jahr dauern – bei derzeitigen Zeiträumen von zehn bis fünfzehn Jahren ein ambitioniertes Ziel.  

    Dafür soll vor allem die Umweltfolgenabschätzung verkürzt werden: Innerhalb eines Monats soll die zuständige Behörde beurteilen, welchen Umfang und welches Maß an Details die Abschätzung haben soll. Der Zeitrahmen für die öffentliche Konsultation soll nicht länger als 90 Tage betragen.  

    Diese Zeitrahmen können problematisch werden, sagt Henrike Hahn, die im Industrieausschuss Berichterstatterin der Grünen sein wird. “Bergbau in Europa sollte ein gut koordinierter, überprüfbarer Prozess einer ausgewogenen Politik sein, die die strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit einer grünen europäischen Industrie gewährleisten soll”, erklärt sie. “Bergbau in Europa sollte höchstmögliche, nicht nur ‘hohe’, wie die Kommission andeutet, Umwelt- und Sozialstandards erfüllen“. Eine Reduzierung der Komplexität und eine Effizienzsteigerung bei Bergbauprojekten dürfe davon nicht ablenken. 

    Das sind die Ziele für die Kreislaufwirtschaft

    Ihr Versprechen, ein Kapitel den Bereichen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu widmen, hält die Kommission ein – wenn sie auch keine weiteren konkreten Zielwerte nennt. Sie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten 

    • Die Sammlung und das Recycling von Abfallprodukten, die kritische Rohstoffe enthalten, stärken; 
    • die Wiederverwendung dieser Abfälle ermöglichen; 
    • Recyclingtechnologien und Möglichkeiten zur Substitution kritischer Rohstoffe fördern; 
    • Maßnahmen zur Gewinnung kritischer Rohstoffe aus den beim Bergbau entstehenden Abfällen einführen. 

    Wer Produkte auf den Markt bringt, die Permanentmagneten enthalten, muss in Zukunft Informationen über Anzahl, Art und chemische Zusammensetzung der Magneten im Produkt bereitstellen. Diese müssen zudem auswechselbar sein, damit die Rohstoffe wiederverwendet werden können. Die Kommission will hier spezifischere Vorgaben zu den einzelnen Komponenten der Magnete (wie Kobalt oder Neodym) einen delegierten Rechtsakt vorstellen

    Die Kommission plant darüber hinaus, Zertifizierungssysteme von Regierungen und Organisationen für die Nachhaltigkeit kritischer Rohstoffe anzuerkennen und ein Register dieser Systeme anzulegen. Anhand von Delegierten Rechtsakten will sie zudem Regeln für die Berechnung des Umweltfußabdrucks bestimmter Rohstoffe aufstellen, mit welchem dann Kaufentscheidungen vereinfacht werden sollen. Hierfür soll jedoch zunächst noch eine Folgenabschätzung erstellt werden. 

    Stresstest für Lieferketten alle drei Jahre

    Die Versorgungsrisiken bei den kritischen Rohstoffen will die Kommission mit Unterstützung der nationalen Behörden reduzieren. 

    • Spätestens alle drei Jahre will sie gemeinsam mit den nationalen Vertretern im Board einen Stresstest für die einzelnen Lieferketten durchführen und die Ergebnisse veröffentlichen. Wichtige Marktakteure sollen dafür den Behörden Auskunft geben müssen. 
    • Um für den Krisenfall gewappnet zu sein, sollen die Mitgliedstaaten größere strategische Reserven anlegen. Dafür will die Kommission einen Schwellenwert für jeden strategischen Rohstoff festlegen, ab dem die Versorgung als gesichert angesehen wird – gemessen an der Zahl der Tage, die die EU ohne Importe auskommen könnte. Die nationalen Experten im Board und die Kommission können dann Maßnahmen vorschlagen, wie diese Benchmarks erreicht werden sollen. 
    • Der Entwurf sieht keine Vorgaben für die Industrie zur Lagerhaltung vor. Große Unternehmen aus strategischen Sektoren wie erneuerbaren Energien, Robotik oder Halbleiter sollen aber ihre Rohstoff-Lieferbeziehungen Stresstests unterziehen und gegenüber ihren Aufsichtsräten über Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten berichten. 
    • Daneben will die Kommission nach dem Muster der Corona-Krise eine Plattform einrichten, um im Namen von nationalen Behörden und Unternehmen gemeinsam einzelne Rohstoffe zu beschaffen

    Strategische und kritische Rohstoffe

    Die Kommission unterscheidet in ihrem Vorschlag zwischen strategischen und kritischen Rohmineralien. Erstere sollen aufgrund ihrer Relevanz für die grüne und digitale Transformation sowie für Verteidigung und Raumfahrt ermittelt werden. 

    Die Einteilung in kritische Rohstoffe basiert auf wirtschaftlicher Relevanz und dem Versorgungsrisiko (Schwellenwert von jeweils 2.8 und 1). In den Anhängen schlägt die Kommission konkrete Berechnungsformeln vor. 

    Die Liste der strategischen und kritischen Rohmineralien soll mindestens alle vier Jahre mittels delegierten Rechtsakten überarbeitet werden. Die bisherige Liste kritischer Rohstoffe wird alle drei Jahre überarbeitet. 

    “Raw Materials Board” soll überwachen

    Für das Monitoring und die Koordinierung der strategischen Rohstoffprojekte ruft die Kommission das “Raw Materials Board” ins Leben. Es setzt sich aus jeweils einem Vertreter pro EU-Mitgliedstaat und einem Vertreter der EU-Kommission zusammen und soll Kommission und EU27 beraten, um die Versorgungssicherheit an kritischen Rohmineralien zu sichern. Das Board soll mindestens vier Untergruppen bilden:

    • Eine Gruppe soll sich mit der Finanzierung und Koordinierung der strategischen Projekte befassen. Finanzinstitutionen wie die Europäische Investitionsbank und die Europäische Entwicklungsbank EBRD, nationale Förder- und Entwicklungsbanken sowie ggf. private Finanzakteure sollen als Beobachter fungieren. 
    • Eine Gruppe soll nationale geologische Institute und Dienste zusammenbringen, um die Programme der Mitgliedstaaten zu koordinieren. 
    • In einer Gruppe soll sollen sich auf kritische Rohmineralien spezialisierte nationale Versorgungs-und Informationsagenturen abstimmen
    • Und in einer letzten Gruppe sich nationale Notfall- und Bevorratungsstellen austauschen. 

    Vertreter des Europäischen Parlaments dürfen den Treffen als Beobachter beiwohnen. 

    Hildegard Bentele (EVP) findet in dem Entwurf viele Aspekte aus dem Initiativbericht des Parlaments von 2021 wieder, für den sie Berichterstatterin war. Der Vorschlag sei ein “Startsignal” für die beteiligten Akteure. “Insbesondere die konkreten Zielvorgaben für Eigenproduktion bzw. Weiterverarbeitung, das Auflegen strategischer Projekte sowie die Verkürzung der Genehmigungsverfahren könnten bald zu einer Verringerung unserer Abhängigkeiten führen”, sagte sie. “Ich werde mich für eine zügige parlamentarische Beratung einsetzen.” Mit Till Hoppe und Charlotte Wirth

    • Critical Raw Materials Act
    • Rohstoffe

    Strommarkt: Erleichterungen für Mittelständler

    Die Kommission strebt keine tiefgreifende Reform des Strommarkts an, wie sie Spanien und Frankreich gefordert hatten. Eine Abkehr vom sogenannten uniform pricing ist nach einem gestern bekannt gewordenen Entwurf, der Table.Media vorliegt, nicht geplant. Weiterhin soll die teuerste Erzeugungstechnologie den Preis für den gesamten Stromhandel setzen.

    Wie in früheren Konzeptpapieren und der Konsultation angekündigt, soll es allerdings kleinere Anpassungen geben, um den Einfluss von teuren Gaskraftwerken auf die Preisbildung zu begrenzen.

    Staatliche Risikoabsicherung für PPAs

    Mit ihren niedrigen Erzeugungskosten senken erneuerbare Energien den Strompreis. Der Entwurf sieht zum einen Maßnahmen vor, um Investitionen in Erneuerbare zu erleichtern und zum anderen die Aufnahmefähigkeit des Stromsystems für Erneuerbare zu erhöhen.

    Als marktliches Instrument für Investitionen will die Kommission langfristige Strombezugsverträge (PPAs) stärken. Dazu sollen die Mitgliedstaaten finanzielle Risiken der Abnehmer reduzieren, etwa durch staatliche Garantien. Bisher fragen solche Verträge vor allem energieintensive Großunternehmen nach. Falls Investoren in Erneuerbare öffentlich gefördert werden, will die Kommission außerdem die Vorschriften für Ausschreibungen lockern, damit ein Teil des Stroms über PPAs direkt verkauft werden kann.

    Differenzverträge auch für neue Atomkraftwerke

    Bei der öffentlichen Förderung sollen doppelseitige Differenzverträge (CfD) für die meisten Erneuerbaren-Technologien zur Regel werden. Sie ermöglichen es den Staaten, in Zeiten explodierender Strompreise Übererlöse dauerhaft abzuschöpfen. Gelten soll dies laut dem Entwurf auch für Investitionen in neue Atomkraftwerke.

    Ein großes Geschenk an Frankreich sieht darin der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss: “Die Atomenergie wird den Erneuerbaren als Kuckucksei ins Nest gelegt, sie bekommt massive Förderversprechen.” Dabei sei Kernenergie nicht vereinbar mit einem flexiblen Stromsystem.

    Bloss soll die Reform für die Grünen im Parlament verhandeln. Er stört sich auch an der CfD-Pflicht für öffentlich geförderte Erneuerbare. Mit ihrem Vorschlag verbiete die Kommission die Einspeisevergütung und lege die Erneuerbaren damit an die Leine, sagte Bloss.

    Freiwillige Ziele für Lastmanagement und Speicher

    Erleichtert werden sollen aber auch Investitionen in Lösungen, die das Stromsystem flexibler machen und so die Aufnahmefähigkeit für die schwankungsanfälligen Erneuerbaren erhöhen. Infrage kommen vor allem die Verlagerung von Nachfrage (Lastmanagement) und der Bau von Speichern.

    Dazu sollen die Mitgliedstaaten zunächst einmal den Bedarf ermitteln und sich quantitative Ziele für Lastmanagement und Speicher setzen, die allerdings freiwillig bleiben. Ausdrücklich bewilligt werden den EU-Staaten zudem neue Fördermöglichkeiten.

    Wenig Neues für Verbraucher

    Für Haushalte dürfte der Entwurf wenige direkte Verbesserungen bringen. Die Änderungen bei Energielieferverträgen, welche die Kommission EU-weit anstrebt, sind in Deutschland bereits geltendes Recht. So gibt es in Deutschland anders als in anderen Staaten bereits einen Ersatzversorger, der einspringt, wenn ein Lieferant pleitegeht.

    Einführen will die Kommission eine Pflicht für Versorger, langfristige Lieferverträge mit Preisgarantien anzubieten. Allerdings würde die – noch in Klammern gesetzte – Laufzeit von einem Jahr hinter der deutschen Regelung zurückbleiben, wo auch Verbraucherverträge mit zwei Jahren Laufzeit möglich sind.

    Recht aufs Teilen von Energie

    Für Haushalte und KMU sieht der Entwurf ein Recht zum Teilen von Energie vor, wobei es ähnliche Regeln bereits in der Strommarkt- und der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gibt.  

    “Die soziale Komponente des Vorschlags fällt mager aus”, findet der Grünen-Abgeordnete Bloss, “weder soll es gezielt vergünstigte Tarife, noch das Verbot von Stromsperren für arme Haushalte geben“.

    In Krisen will es die Kommission den Staaten allerdings ermöglichen, regulierte Preise für 80 Prozent des Verbrauchs festzusetzen. Für KMU bezieht sich der Vergleichswert auf den individuellen Verbrauch in der Vergangenheit, für Haushalte auf den Medianwert aller Verbraucher.

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    Kaum Fortschritte bei RED-Trilog: Abschluss Ende März ungewiss

    Im Trilog zur Richtlinie über erneuerbare Energien (RED3) haben die Unterhändler in der Nacht zu Dienstag keine Einigung über die Fristen erzielt, die den Mitgliedstaaten für die Kartierung der Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energien gesetzt werden. “Alles muss noch verhandelt werden”, heißt es bei Beteiligten des Trilogs.

    Diese Zonen werden als “go-to-areas” bezeichnet. Der Artikel, der diese privilegierten Zonen definiert, sieht eine Flexibilisierung der Umweltprüfungen vor und bezieht seit der Annahme von Änderungsanträgen Biomasse mit ein. Nur in Artikel 16 über das Genehmigungsverfahren in den “go-to areas” heißt es weiterhin, dass erneuerbare Energien “mit Ausnahme von Anlagen zur Verbrennung von Biomasse […] von der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung befreit” sind. Das sind Unstimmigkeiten, die immer noch nicht behoben sind.

    Aus Zeitgründen kam es nicht zu Verhandlungen über die Verbrauchsziele für erneuerbare Energien für den Verkehrssektor, die ebenfalls auf der Agenda standen. Die abschließende Trilogsitzung ist immer noch für den 29. März angesetzt. Die Verhandlungsführer von Parlament, Ratspräsidentschaft und die Kommission halten es aber für möglich, dass eine weitere Runde nötig wird. cst

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    EU-Kommunikationsnetz im All kann starten

    Der Rat hat die Verordnung über das EU-Programm für sichere Konnektivität im All angenommen. Dies war der letzte politische Schritt für die Realisierung der EU Secure Satellite Constellation IRIS2. Jetzt fehlen nur noch die Unterschriften und die Veröffentlichung im Amtsblatt, dann kann die Industrie mit dem Aufbau des sicheren satellitengestützten Kommunikationssystems beginnen.

    Die Kommission hatte ihren Vorschlag zu einem Unionsprogramm für sichere Konnektivität für den Zeitraum 2024 bis 2027 im Februar 2022 vorgelegt. Parlament und Rat einigten sich im November. Das Parlament stimmte dem Ergebnis des Trilogs bereits Mitte Februar zu. Rekordverdächtig war nicht nur das Tempo der Verhandlungen, sondern auch das Abstimmungsergebnis: 603 Ja-Stimmen und nur sechs Gegenstimmen.

    IRIS2 soll der Widerstandsfähigkeit und Souveränität der EU dienen

    Das Programm sieht vor, dass die Europäische Union bis 2027 eine EU-Satellitenkonstellation mit der Bezeichnung IRIS² einrichtet: Infrastructure for Resilience, Interconnectivity and Security by Satellite. IRIS² soll ultraschnelle und hochsichere Kommunikationsdienste bereitstellen. Die Sicherheit basiert auf fortschrittlichen Verschlüsselungstechnologien, einschließlich der Quantenkryptografie.

    Die Mitgliedstaaten können das Kommunikationssystem im All zum Beispiel für den Schutz kritischer Infrastrukturen oder ihr Krisenmanagement einsetzen. Es soll dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit und Souveränität der EU zu verbessern. Gleichzeitig will die EU auch die New Space Wirtschaft in der Union stärken.

    Das Programm wird von der EU-Agentur für das Weltraumprogramm (EUSPA) geleitet. Beteiligt sind eine Reihe von Partnern, darunter die Mitgliedstaaten, die Europäische Weltraumorganisation ESA und private Unternehmen. Das Programm verfügt über ein Budget von 2,4 Milliarden Euro, das zum Teil aus dem EU-Raumfahrtprogramm, Horizon Europe und dem Nachbarschaftsinstrument für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit stammt. vis

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    EU verhängt Sanktionen wegen sexueller Gewalt

    Vor dem Internationalen Frauentag hat die EU Sanktionen gegen neun Personen, darunter zwei russische Kommandeure, die in den Krieg in der Ukraine verwickelt sind, und drei Organisationen verhängt, die die EU für sexuelle Gewalt und andere Verletzungen der Rechte von Frauen verantwortlich macht.

    Josep Borrell, Hoher Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik, sagte dazu: “Wir gehen von Worten zu Taten über. Wir werden alle Formen von Gewalt gegen Frauen bekämpfen und beseitigen, egal wo sie stattfindet.” Mit dem Beschluss verstärke die EU ihre Bemühungen, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen.

    Es ist das erste Mal, dass die EU ein Sanktionspaket gegen Täter sexueller Gewalt erlässt. Sie nutzt damit ihre im Jahr 2020 eingeführten Befugnisse, um Menschenrechtsverletzer zu bestrafen. Zu den Maßnahmen gehören das Einfrieren von Vermögenswerten von Personen und Organisationen in der EU und ein Einreiseverbot in die EU. Unternehmen in der EU ist es außerdem untersagt, Dienstleistungen für die von den Sanktionen betroffenen Personen zu erbringen.

    Zwei russische Befehlshaber sanktioniert

    In der Liste werden als russische Befehlshaber im Krieg Moskaus gegen die Ukraine Nikolay Kuznetsov und Ramil Ibatullin genannt. Die beiden waren für die Nachrichtenagentur Reuters nicht für Stellungnahmen zu erreichen.

    In der Liste heißt es, dass Kusnezow “an der illegalen Invasion Russlands in die Ukraine beteiligt war und Mitglieder seiner Einheit im März/April 2022 systematisch an Akten sexueller Gewalt und Vergewaltigungen in der Ukraine beteiligt waren”. Ibatullin leitete eine Abteilung, deren Mitglieder “Akte sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung verübten”, heißt es in dem EU-Dokument.

    Sanktioniert wurden darüber hinaus auch das Frauengefängnis Qarchak im Iran, die Syrische Republikanische Garde und das Büro des Chefs für militärische Sicherheitsangelegenheiten in Myanmar. Auch hier ging es um schweren sexuelle und geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen. Die volle Liste finden Sie hier. reuters/lei

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    • Sanktionen

    Westbalkan-Gipfel erstmals in Albanien

    Das nächste Gipfeltreffen zur Annäherung der sechs Westbalkanstaaten an die Europäische Union findet am 16. Oktober in der albanischen Hauptstadt Tirana statt – und damit erstmals in einem der Westbalkanstaaten. Das gaben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der albanische Ministerpräsident Edi Rama am Dienstag nach einem Treffen in Berlin bekannt. Seit neun Jahren findet der Gipfel immer wieder statt. Neben den EU-Spitzen und dem Kanzler werden die Staats- und Regierungschefs von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien teilnehmen.

    Alle sechs Länder streben den Beitritt zur EU an, befinden sich dabei aber in unterschiedlichen Phasen. Scholz hat sich mehrfach für einen zügigen Beitrittsprozess starkgemacht. “Der westliche Balkan ist Teil Europas, Teil der europäischen Familie”, sagte er nach dem Treffen mit Rama. dpa

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    • Westbalkan

    Presseschau

    EU verhängt erstmals Sanktionen wegen Gewalt gegen Frauen ZEIT
    Weltfrauentag: EU will mehr Plätze in Frauenhäusern RP-ONLINE
    EU-internes Papier verrät Mangel – Dringend gesucht: Munition für die Ukraine ZDF
    Proteste gegen Rentenreform: Demonstranten blockieren alle französischen Raffinerien ZEIT
    EU und USA wollen den Konflikt zwischen Kosovo und Serbien endlich lösen DW
    Nein zum Verbrenner-Aus: Europaparlament empört über FDP TAZ
    EU-Klimadiplomatie: Atomkraft aus Verhandlungsdokument entfernt EURACTIV
    So will die EU-Kommission den Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern EURACTIV
    EU targets 40% of clean tech to be made within the bloc by 2030 THEGUARDIAN
    EU-Pläne zur Sanierungspflicht von Wohngebäuden stoßen auf breiten Widerstand VDI-NACHRICHTEN
    Geheimpapier: Jedes vierte deutsche Unternehmen erwägt Verlagerung ins Ausland FOCUS
    Scientists call for UK to rejoin EU’s Horizon research programme FT
    Here’s why you should always pay your traffic fines from the EU, especially under a proposed new law EURONEWS
    From poster child to worst performing EU economy: how bad housing policy broke Sweden THEGUARDIAN
    Amsterdam ‘erotic centre’: EMA unhappy at planned red-light district BBC
    EU tells Elon Musk to hire more staff to moderate Twitter FT

    Heads

    Valérie Masson-Delmotte: feministische Klimaforscherin

    Valérie Masson-Delmotte – viel beschäftige Klimawissenschaftlerin und IPCC Co-Vorsitzende. Im November 2022 sprach sie vor Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.

    Valérie Masson-Delmotte ist schwer zu erreichen. Denn die französische Paläoklimatologin und Forschungsdirektorin am staatlichen Forschungszentrum für Kernenergie “Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien” (CEA) wird mit Anfragen überhäuft. Die Spezialistin für “Klimaveränderungen in der Vergangenheit” wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und vom Time Magazine als eine der hundert einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres 2022 eingestuft.

    Seit ihrer Ernennung zur Co-Vorsitzenden der Gruppe I des Weltklimarats (IPCC) im Jahr 2015 reiht die 50-jährige Wissenschaftlerin Fernseh- und Radiosendungen, Schulungen für Politiker und Beamte, Auftritte bei Festivals, lange Threads auf Twitter und das Verfassen und Korrekturlesen von Berichten und Artikeln aneinander.

    “Non, merci” an Macron

    Vieles davon hätte Masson-Delmotte nicht mehr machen können, wenn sie in Macrons Regierung eingetreten wäre. Das Angebot lag nach Macrons Wiederwahl im Frühjahr 2022 auf dem Tisch, die Klimawissenschaftlerin lehnte es aber ab. Dabei ist ihr politisches Engagement nicht fremd. Masson-Delmotte war zwischen 2008 und 2014 Gemeinderätin (parteilos) in ihrer kleinen Gemeinde Villejust (Essonne), in der Nähe von Paris.

    Im Herbst 2022, wenige Monate nachdem sie die Mitarbeit in der Regierung abgelehnt hatte, folgte sie aber der Einladung des Élysée, vor dem französischen Präsidenten und der gesamten Regierung zu sprechen und 42 Minister und Staatssekretäre in Sachen Klimawandel zu informieren. Ein katastrophaler Sommer in Frankreich mit Hitzewellen, Dürren und Bränden hatte die Regierung aufgerüttelt.

    Die Klimaforscherin thematisiert auch, dass Frauen in der Klimawissenschaft unterrepräsentiert sind. Einen Vortrag auf einem Seminar des französischen Verbands für weibliche Führungskräfte im Bereich Hochschulbildung, Forschung und Innovation (AFDESRI) Ende Januar 2023 beginnt sie mit einer Hommage an eine Pionierin der Klimaforschung.

    Kampf gegen die Unterrepräsentation von Frauen in der Klimawissenschaft

    “Es ist äußerst wichtig, den grundlegenden Beitrag zu kennen, den Wissenschaftlerinnen seit Langem zum Verständnis des Klimawandels leisten: Es war eine Frau, die amerikanische Forscherin Eunice Foote, ebenfalls eine Feministin, die im 19. Jahrhundert als erste Wissenschaftlerin zeigte, dass der Anstieg der Treibhausgaswerte in der Atmosphäre die Lufttemperatur und das Klima beeinflusst. Sie ist eine dieser Wissenschaftlerinnen, die ins Abseits gedrängt wurden und deren bahnbrechende Arbeit nicht ausreichend gewürdigt wird.”

    Lange Zeit galt der Ire John Tyndall als Entdecker der Klimawirkung von CO₂. Erst 2010 wurden die Experimente von Foote wiederentdeckt, die sie schon 1856 veröffentlicht hatte und in denen sie nachwies, dass CO₂ ein Treibhausgas ist.

    Kein neues Mandat für den IPCC

    Inzwischen ist es acht Jahre her, dass sie von der französischen Regierung dazu gedrängt wurde, sich als Co-Vorsitzende der Gruppe I für den sechsten Sachstandsbericht des IPCC zu bewerben. Und sie räumt ein, dass sie ihre Belastungsgrenze erreicht hat. Seit ihrer Ernennung hat sie unter anderem die Veröffentlichung eines 2.400 Seiten starken Berichts und drei Sonderberichte überwacht. Sie war auch an der Erstellung des Syntheseberichts beteiligt, der am 20. März vorgestellt werden soll.

    Auch beim IPCC legt sie den Finger in die Wunde. Nur etwa ein Drittel der IPCC-Autoren und Autorinnen seien Frauen. Dieses Verhältnis “spiegelt die Machtverhältnisse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft wider”, sagt die Forscherin. Sie hofft, dass es im kommenden Juli weibliche Kandidaten für den Vorsitz des IPCC geben wird. Sie selbst wird nicht mehr kandidieren.

    Masson-Delmotte hofft, dann mehr Zeit für Tennis und ihre große Leidenschaft, das Lesen, zu haben. Die Französin ist Mutter zweier erwachsener Töchter, die sich für ganz ähnliche Themen begeistern und sich im Master-Studium mit Gender-Fragen sowie Biodiversität und Ökologie beschäftigt haben. Ihr nächstes großes Projekt steht schon vor der Tür: ein großes europäisches Forschungsprojekt in der Antarktis, Awaca, bei dem Masson-Delmotte eine der Hauptkoordinatorinnen ist. Die Arbeit wird Masson-Delmotte also nicht ausgehen.

    • Klimapolitik
    • Wissenschaft

    Europe.Table Redaktion

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