es gibt nach wie vor große Unstimmigkeiten, doch bei einer weiteren außerordentlichen Sitzung am 24. November wollen die EU-Energieminister die Notfallmaßnahmen für die Energiemärkte verabschieden. Bei ihrem gestrigen Treffen in Luxemburg beschlossen sie außerdem eine allgemeine Ausrichtung zur Gebäuderichtlinie (EPBD) – eine Mehrheit im Rat sorgte dafür, dass der Vorschlag der Kommission deutlich abgeschwächt wurde. Manuel Berkel fasst die wichtigsten Ergebnisse des Treffens zusammen.
Es sind hohe Erwartungen: Mehr als dreißig verschiedene EU-Verordnungen, Richtlinien, Strategien und Aktionspläne betreffen den Wald. Je nach Ausrichtung gilt er mal als Energiequelle, als Rohstofflieferant, als CO2-Speicher oder als Lebensraum für unzählige Arten. Doch all das auf einmal könnten die Wälder gar nicht leisten, sagen Experten etwa vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Timo Landenberger hat die Details.
Übrigens: Morgen starten unsere Kolleginnen und Kollegen vom Climate.Table mit ihrer ersten Ausgabe. Die siebenköpfige Redaktion mit internationalem Korrespondentennetz leitet Bernhard Pötter, einer der renommiertesten deutschen Klimaexperten und langjähriger Beobachter der internationalen Klimaszene. Er hat u.a. für “Taz”, “Spiegel”, “Zeit” und “Le Monde diplomatique” gearbeitet.
Climate.Table analysiert die Klimapolitik anderer Staaten und der EU, die ganze Breite der internationalen Klimadebatte, die Bedeutung technologischer Durchbrüche für die Dekarbonisierung und die UN-Klimaverhandlungen. Hinzu kommen die wichtigsten wissenschaftlichen Studien, Branchentermine und eine sorgfältig kuratierte internationale Presseschau. Von der Klimakonferenz COP 27 wird die Redaktion täglich berichten. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.
Für dauerhaft niedrige Strom- und Gaspreise haben die Energieminister gestern in Luxemburg einen Zeitplan für weitere Maßnahmen festgezurrt. Anfang nächsten Jahres bereite die EU gemeinsam mit der Internationalen Energieagentur (IEA) ein Ministertreffen zum gemeinsamen Gaseinkauf vor, sagte Luxemburgs Ressortchef Claude Turmes. Teilnehmen sollten daran auch die USA, Japan, Südkorea und Norwegen. Unter Freunden wolle man versuchen, die Preise für Flüssiggas (LNG) nicht erneut zu pushen.
Schon am 24. November soll es außerdem eine weitere außerordentliche Sitzung der EU-Energieminister geben. Die Notfallmaßnahmen für die Energiemärkte sollten dabei verabschiedet werden, sagte gestern der tschechische Ratspräsident Jozef Síkela. Nach wie vor gibt es aber große Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und im Verhältnis zur Kommission.
Wenige Stunden vor dem Treffen hatte die Behörde eine erste, fünfseitige Folgenabschätzung zum iberischen Gaspreisdeckel an die Mitgliedstaaten verschickt. Falls diese tatsächlich Gas zur Stromerzeugung subventionieren wollten, würde dies den Gasverbrauch um fünf bis neun Milliarden Kubikmeter ankurbeln – vor allem durch Exporte in die Schweiz und nach Großbritannien, warnt die Kommission.
Dem Wunsch einer Mehrheit im Rat nach einer konkreten Lösung kam die Kommission dagegen nicht nach. Vielmehr spielte Energiekommissarin Kadri Simson den Ball an die Mitgliedstaaten zurück. Es liege nun an ihnen, Lösungen zu finden, sagte sie zum Ende der Pressekonferenz. Neben den Exporten von subventioniertem Strom in Drittstaaten gehe es vor allem um die Kostenteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Größter Nutznießer wäre sonst laut dem Kommissionspapier der Stromimporteur Frankreich, zahlen müssten vor allem Deutschland, Italien und die Niederlande.
Stattdessen schlägt die Kommission ein längerfristiges Modell vor, das Experten wie die IHS-Analystin Coralie Laurencin als Aufteilung des Strommarktes in zwei Segmente für Erneuerbare und flexible Erzeuger interpretieren. Neben Erneuerbaren sollen laut dem Kommissionsvorschlag weitere infra-marginalen Erzeugungstechnologien wie Kernenergie über Differenzverträge vergütet werden. Die Kommission deutet sogar an, bestehende Kraftwerke in diesen Mechanismus zu drängen. Im zweiten Segment sollen Speicher und Lastmanagement leichter mit Gaskraftwerken um flexible Energiebereitstellung konkurrieren können.
Tatsächlich drohe die Kommission jedoch, Flexibilitäten aus dem Markt zu drängen, wenn Wind- und Stromparks ihre Erzeugung nicht mehr nach Angebot und Nachfrage ausrichten müssten, warnt Christoph Maurer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Consentec.
Der Rat erwarte nach wie vor einen konkreten Vorschlag zum iberischen Modell und eine ausführliche Folgenabschätzung, insistierte dagegen Síkela. Einige Mitgliedstaaten drängten zudem auf weitere Hilfen für die Industrie. Der Befristete Krisenrahmen solle nicht nur verlängert werden, sondern den Staaten auch mehr Spielräume geben. Derzeit seien beispielsweise nur Beihilfen zu Betriebskosten möglich.
Zu Diskussionen führten außerdem die zuletzt drastisch gesunkenen Gaspreise. Es gebe die Befürchtung, dass die Bemühungen um die Markteingriffe geschwächt werden könnten, sagte Síkela. Sein Luxemburger Kollege Turmes sagte vor dem Gipfel sogar, er frage sich, ob man inzwischen nicht über einen Mindestpreis für Gas diskutieren müsse. Ansonsten drohe die Industrie wieder systematisch mehr Gas zu verbrauchen.
Von einem regelrechten Preisabsturz auch für den Frontmonat sprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, den es nun zu verstetigen gelte. Kleinere Fortschritte konnte er nach Gesprächen mit seiner französischen Amtskollegin Agnès Pannier-Runacher vermelden. Das Solidaritätsabkommen zur gegenseitigen Gasversorgung solle möglichst schnell abgeschlossen werden. Eigentlich sollte es beim Deutsch-Französischen Gipfel verkündet werden, der aber wegen Unstimmigkeiten verschoben wurde. Die Gaspipeline BarMar zwischen Spanien und Frankreich solle auch mit Deutschland verbunden werden. Zeitnah werde dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
Der Rat diskutierte außerdem das Gasmarktpaket vom Dezember und beschloss eine allgemeine Ausrichtung zur Gebäuderichtlinie (EPBD). Der Entwurf vom Freitag wurde mit minimalen Änderungen angenommen.
Den Vorschlag der Kommission hat eine Mehrheit im Rat deutlich abgeschwächt. So wird es nun keine schärferen Sanierungsverpflichtungen mehr für jedes einzelne bestehende Wohngebäude geben, kritisierte Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Stattdessen wollen die Mitgliedstaaten höhere Effizienzklassen nur noch für den Durchschnitt des gesamten Bestands erreichen. Dadurch werde der Fokus auf die Gebäude mit den höchsten Energieverbräuchen herausgenommen, der eigentlich die große Neuerung der Richtlinie werden sollte.
Bei Nicht-Wohngebäuden wie Büros will der Rat die Ziele um mindestens drei Jahre nach hinten verschieben. Die Mitgliedstaaten hätten zudem einheitliche Vorgaben für Gebäudeausweise und Nullemissionsgebäude abgelehnt, bemängelte die Coalition for Energy Savings.
Am 29. November soll der ITRE-Ausschuss des Parlaments seine Position beschließen, das Plenum wird wohl erst im kommenden Jahr folgen. Die Positionen in den Trilogen dürften extrem weit auseinanderliegen. Der irische Berichterstatter Ciarán Cuffe (Grüne) hatte einen ambitionierten Berichtsentwurf vorgelegt. Deutschland rief gestern zusammen in einer Erklärung mit Frankreich, Irland und den Benelux-Staaten zu höheren Standards auf.
Auf die Bremse trat gestern ausgerechnet jener Wirtschaftszweig, der doch eigentlich einer der größten Profiteure von Gebäudesanierungen sein sollte. “Aus Sicht des Handwerks ist es in der betrieblichen Praxis mit erheblichen Nachteilen verbunden, wenn die Politik zu ambitionierte Effizienzstandards festlegt”, sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). “Kommunen und private Bauträger könnten bei zu hohen Standards Investitionen zurückstellen und Sanierungsprojekte verzögern, was mit negativen Folgen für unsere Handwerksbetriebe gerade im Bau- und Ausbau verbunden wäre.”
Mit Blick auf den Trilog sagte Schwannecke: “In einer für unsere Betriebe immer bedrohlicheren Gemengelage aus Materialknappheit, steigenden Zinsen, hoher Inflation und unterbrochenen Lieferketten gilt es mehr denn je, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Machbarkeit und klimapolitischer Notwendigkeit zu finden. Wir appellieren eindringlich an das EU-Parlament, sich in den anstehenden Verhandlungen offen gegenüber diesen Argumenten zu zeigen.”
Mehr als dreißig verschiedene EU-Verordnungen, Richtlinien, Strategien und Aktionspläne betreffen den Wald. Darunter die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III), die Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) sowie die Biodiversitäts-Strategie.
Schließlich müssen dringend Lösungen gefunden werden gegen die Energieknappheit, im Kampf gegen den Klimawandel und das Artensterben -und immerzu spielt der Wald eine zentrale Rolle: als Energiequelle, als Rohstofflieferant, als CO2-Speicher und als Lebensraum für unzählige Arten.
Doch wie kann der Wald all diesen Aufgaben gleichzeitig gerecht werden? Und das vor dem Hintergrund zunehmender Extremwetterereignisse und Schädlinge, die Europas Wäldern enorm zusetzen. Die Antwort: gar nicht.
“Die Politikfelder sind nicht kohärent. Der Wald kann unmöglich alles leisten, was die eine extreme und die andere extreme Seite fordert”, sagt die Europaabgeordnete Ulrike Müller (Renew), Berichterstatterin für die EU-Waldstrategie.
Mit der Novellierung der LULUCF-Verordnung soll die Speicherkraft der natürlichen Treibhausgas-Senken wie Wälder, Böden und Moore gestärkt und bis 2030 auf mindestens 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verbindlich festgelegt werden. So lautet die Position des EU-Parlaments, die dem Vorschlag der Kommission entspricht. Derzeit laufen die Trilogverhandlungen, und in Brüssel ist die Rede von einer möglichen Erhöhung des Ambitionsniveaus. Umweltschützer hatten bereits im Vorfeld ein Ziel von bis zu 600 Millionen Tonnen gefordert, verbunden mit umfangreichen Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen.
Die natürliche CO2-Abspaltung aus der Atmosphäre ist unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen. Darin sind sich die meisten Experten einig. Landwirtschaft, Ackerbau und Moore emittieren allerdings mehr, als sie speichern; eigene Unterziele sind in der Verordnung nicht vorgesehen. So liegt die Hauptlast, zumindest mittelfristig, auf dem Wald.
Aber auch der gerät immer stärker unter Druck. Die Senkleistung des Gesamtsektors ist in den vergangenen Jahren von über 300 auf etwa 250 Millionen Tonnen deutlich zurückgegangen und nimmt weiter ab. Derzeit würden durch Wälder und Holzerzeugnisse rund zehn Prozent der EU-weiten Emissionen ausgeglichen, heißt es in einer Literaturstudie des European Forest Institutes (EFI). Das Papier analysiert das Potenzial von Wald und Holznutzung für den Klima- und Umweltschutz.
“Der Beitrag des Waldes ist nicht einfach so gegeben und entspricht eben nicht der Summe aller Potenziale von Holznutzung, Energie und CO2-Speicher”, sagt Christopher Reyer, Co-Autor der Studie und Forstexperte am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). “Da gibt es Zielkonflikte. Wir haben versucht, das in Päckchen darzustellen und diese mit möglichen Maßnahmen wie Aufforstung oder Ausweitung der Schutzgebiete kombiniert.” Ergebnis: Es gebe keine Kombination, mit der die LULUCF-Ziele erreicht würden, so Reyer.
Zumal die Substitutionswirkung von Holz als Baustoff, als Energiequelle, als Ersatz von Plastik oder Textilfasern in der Verordnung außer Acht gelassen werde, sagt Natalie Hufnagl-Jovy vom Waldeigentümer-Verband AGDW. Dabei könnten so an anderer Stelle Emissionen vermieden werden. “Stattdessen konzentriert sich die Verordnung nur auf die Frage, wie viel CO2 ein Wald schlucken kann, und die aktive Forstwirtschaft wird komplett ausgeblendet. Das Ziel von 310 Millionen Tonnen Senkleistung würde deshalb bedeuten, dass wir die Wälder ab sofort nicht mehr anfassen.”
Dabei könne der Wald nicht unendlich viel CO2 aufnehmen. Vielmehr gebe es eine abnehmende Sättigungskurve. Soll heißen: Ein junger Wald im Wachstum kann viel Treibhausgas binden. Das werde irgendwann weniger und könne sich sogar umkehren, wenn geschädigtes Holz im Wald verbleibe und durch den Zersetzungsprozess CO2 wieder freigesetzt werde.
Eine aktive Forstwirtschaft sei also klimatisch sinnvoller. Zumal dabei als Nebenprodukt Energieholz anfalle, denn die Baumkronen könnten kaum anders verwendet werden, erklärt Hufnagl-Jovy. Darauf setzt auch die Europäische Kommission in ihrem RePowerEU-Plan, der die Diversifizierung der Energieversorgung und damit die Unabhängigkeit von russischem Gas vorantreiben soll.
Der Plan sieht vor, das Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2030 noch einmal deutlich zu erhöhen – auf 45 Prozent. Mit Abstand wichtigste erneuerbare Energiequelle: Biomasse. Sie macht EU-weit etwa zwei Drittel und damit mehr als Wind- und Sonnenenergie zusammen aus und wird neben landwirtschaftlichen Produkten hauptsächlich aus Holz gewonnen.
Mitte September hat das Europäische Parlament über seine Position zur Revision der Erneuerbare-Energien-Richtlinie abgestimmt und sich darauf verständigt, die Förderfähigkeit von Biomasse aus der Forstwirtschaft stark einzuschränken. Das sei paradox, kritisiert Hufnagl-Jovy.
Umweltschützern hingegen gehen die Einschränkungen noch nicht weit genug. Sie wollen verhindern, dass Bäume nur zur energetischen Nutzung abgeholzt werden. Schließlich gehe es nicht nur ums Klima, sondern auch um den Erhalt der Biodiversität, sagt der Europaabgeordnete César Luena (S&D), Berichterstatter für die EU-Biodiversitätsstrategie. “80 Prozent der Arten an Land leben im Wald. Doch nur 15 Prozent der Wälder sind in einem ökologisch guten Zustand. Wir fordern, dass die Natur in den Wäldern wieder hergestellt wird”, so der Spanier.
Die Strategie sieht vor, 30 Prozent der Fläche Europas unter Schutz zu stellen, zehn Prozent sogar unter “strengen” Schutz. “Dem Ansatz liegt zugrunde, dass es in nicht bewirtschafteten Flächen grundsätzlich mehr Biodiversität vorherrscht als in bewirtschafteten. Das stimmt aber nicht”, hält Hufnagl-Jovy dagegen. “In den vergangenen 50 Jahren ist in Deutschland keine waldrelevante Art mehr verloren gegangen.“
Laut einer Studie des Thünen-Instituts würde die Strategie zu einem deutlichen Rückgang der Holzproduktion führen, nicht jedoch zu einem Rückgang der hohen Nachfrage im Binnenmarkt. Das wiederum hätte eine verstärkte Produktion in Drittstaaten zur Folge, häufig unter erheblich geringeren Umweltstandards. “Wenn in europäischen Wäldern weniger Holz eingeschlagen wird, um die biologische Vielfalt zu schützen, führt dies global betrachtet zu Verlagerungen, die negative Umweltauswirkungen haben können”, heißt es in dem Papier.
Derweil ist die EU-Kommission weiter von einer Lösung überzeugt. Multifunktionale Wälder, die sowohl ausreichend Holzeinschlag ermöglichen als auch CO2-Senken und Lebensraum für die Artenvielfalt darstellen, seien möglich, sagt Stefanie Schmidt, Forstexpertin der DG Umwelt. Entsprechende Leitlinien im Rahmen der EU-Waldstrategie will die Kommission bis zum Jahresende vorstellen.
Der grüne Klimapolitiker Michael Bloss (MEP) forderte beim Table.Live-Briefing, dass die Kommission bei ihrem Vorschlag für die Luftreinhaltungsrichtlinie die WHO-Richtwerte 1:1 in Grenzwerte überführt. Bloss sagte bei der Diskussionsveranstaltung: “Sollte die Kommission am Ende die Grenzwerte vorschlagen, über die Europe.Table bereits berichtet hat, dann würden sie immer noch doppelt so hoch ausfallen, wie die WHO mit guten Gründen fordert.” Der Stuttgarter Europaabgeordnete sagte: “Es sollte unser Ansporn sein, in den Städten für saubere Luft zu sorgen, die den Ansprüchen der Wissenschaft entspricht.” Die Kommission will heute die Grenzwerte beschließen.
Thomas Koch, Chef des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wies darauf hin, dass der Anteil des Verkehrs an den Luftschadstoffen in den Städten über die Jahre beträchtlich gesunken ist: “Vor etwa 18 Jahren wurden am Stuttgarter Neckartor bei Stickoxiden Jahresdurchschnittswerte von 122 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gemessen. Ein Großteil davon war Pkw und Lkw zuzuordnen.” Heute liege der Jahresdurchschnittswert am Neckartor, einer der am stärksten befahrenen Straßenzüge Deutschlands, bei 37 Mikrogramm.
“Zu den 37 Mikrogramm steuern Pkw und Lkw noch etwa zehn bis 12 Mikrogramm bei. Das ist der Umweltbeitrag, den moderne Motoren leisten.” Koch warnte: “Sollte der Grenzwert auf 20 Mikrogramm abgesenkt werden, wie im Gespräch ist, wird man an vielen Straßenzügen in ganz Europa Fahrverbote verhängen müssen.”
Benjamin Krieger, Generalsekretär des europäischen Dachverbandes der Automobilzulieferer-Industrie Clepa, wies ebenfalls darauf hin, “dass der Beitrag des Verkehrs zu den Schadstoffen in den Städten schon auf ein niedriges Niveau gesunken ist.” Imbissbuden, rauchende Menschen, Wetterphänomene seien auch verantwortlich für die Belastung mit Luftschadstoffen.
“Fahrzeuge der aktuellen Flotten legen eine hervorragende Performance bei Luftschadstoffen hin. Bevor man die Grenzwerte absenkt, sollte man den Anteil dieser sehr sauberen Fahrzeuge erhöhen.” Nur die Grenzwerte zu verschärfen reiche nicht, “es muss auch wissenschaftlich belegt sein, dass der so regulierte Verkehr überhaupt noch einen nennenswerten Beitrag zur Luftqualität liefern würde”. mgr
Wegen steigender Energiekosten will die neue italienische Regierung von Rechtspolitikerin Giorgia Meloni mehr heimische Gasvorkommen erschließen. “Unsere Meere besitzen Gasvorkommen, bei denen wir die Pflicht haben, sie voll auszubeuten”, forderte die Parteichefin der rechtsradikalen Fratelli d’Italia am Dienstag vor Parlamentariern des Abgeordnetenhauses in Rom. Während ihrer ersten Regierungserklärung in der größeren der beiden Parlamentskammern sagte sie, die aktuelle Energiekrise könne paradoxerweise eine “Chance für Italien” sein.
“Ich bin überzeugt, dass Italien mit ein bisschen Mut und pragmatischem Geist stärker und autonomer als zuvor aus dieser Krise hervorgehen könnte”, sagte die 45-Jährige. Süditalien sei etwa “das Paradies für erneuerbare Energien mit Sonne, Wind, Erdwärme”. “Grüne Energie” sei dort aber oft von Bürokratie blockiert worden.
Italien importierte vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine fast 40 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland. Unter Melonis Vorgänger Mario Draghi schloss Rom neue Lieferabkommen mit Katar, Algerien und Aserbaidschan. Das Mittelmeerland mit fast 60 Millionen Einwohnern besitzt auch eigene Gasvorkommen, etwa um die Insel Sizilien oder an der Adriaküste, wo bislang wenig gefördert wurde.
Die als EU-skeptisch geltende Politikerin unterstrich in ihrer Rede zudem die Verankerung Italiens in der transatlantischen Allianz, in Europa und im G7-Kreis der wichtigen Demokratien der Welt. Meloni will Italiens Stimme “innerhalb der europäischen Institutionen” hörbar werden lassen, “so wie es sich für ein Gründungsland gehört”.
Sie kündigte darüber hinaus an, dass Italien alle aktuellen Regeln der EU befolgen werde. Allerdings werde ihre Exekutive auch Vorschläge machen, “um jene Regeln zu ändern, die nicht funktioniert haben, beginnend bei der aktuellen Debatte über eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes“. Italien werde sich erhobenen Hauptes einbringen in die internationalen Debatten. dpa
Im Kampf gegen unerwünschte Migration über den Balkan soll die EU-Grenzschutztruppe Frontex nach dem Willen der EU-Kommission eine größere Rolle einnehmen. Die Brüsseler Behörde empfahl am Dienstag, darüber mit Albanien, Serbien, Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina zu verhandeln. Zudem verabschiedete sie Finanzhilfen in Höhe von 39,2 Millionen Euro für das Grenzmanagement der Region. Davon solle hauptsächlich spezielle Ausrüstung wie Überwachungssysteme, Drohnen und biometrische Geräte angeschafft werden.
Die Entscheidung, ob Verhandlungen über ein ausgeweitetes Frontex-Mandat aufgenommen werden, treffen nun die EU-Staaten. Schon jetzt sind Frontex-Beamte an den EU-Grenzen zu Albanien, Serbien und Montenegro im Einsatz, nicht aber zu Bosnien und Herzegowina. Ein neuer Rechtsrahmen sieht jedoch vor, dass sie sowohl an der EU-Grenze als auch an den Grenzen zu Drittländern eingesetzt werden können und zudem mehr Befugnisse bekommen.
Die Migration über den Westbalkan in die EU hatte zuletzt deutlich zugenommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will ab Donnerstag für mehrere Tage in die Region reisen. dpa
Die EU sollte nach Ansicht von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Drittel des Finanzbedarfs der Ukraine für das kommende Jahr übernehmen. Nötig sei ein auf beiden Seiten verlässlicher Mechanismus, sagte sie am Dienstag bei einer Wiederaufbau-Konferenz für die Ukraine in Berlin. Die Ukraine brauche etwa drei bis fünf Milliarden pro Monat, je nachdem, wie viel sie selbst exportieren könne. “Etwa ein Drittel sollten wir finanzieren”, sagte von der Leyen. Das wären direkte Budgethilfen in Höhe von 18 Milliarden im Jahr so lange der russische Krieg dauere.
Zugleich verlasse sich die EU darauf, dass die USA eine ähnliche Summe zur Verfügung stellten. Der Rest solle über internationale Finanzierungsinstitutionen wie den IWF abgedeckt werden. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bezifferte das Haushaltsdefizit für 2023 auf 38 Milliarden Euro. Die Ukraine habe in diesem Jahr rund 45 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verloren. dpa
Die EU-Kommission hat vor Problemen bei der Umsetzung des DSA gewarnt. Angesichts des “digitalen Kriegs”, den Russland gegen die Ukraine und die EU führe, komme es auf eine schnelle und reibungslose Implementierung der neuen Internet-Regeln an, sagte die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, bei der Konferenz EU Disinfolab in Brüssel.
Mögliche Engpässe sieht Jourová vor allem im Kampf gegen Fake News und Desinformation. “Ich hoffe, dass die EU-Staaten ihr Bestes geben werden und genug Experten einstellen“, so Jourová. Es gebe eine große Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. “Wir müssen genug Kapazitäten sichern, um mögliche Verstöße zu verfolgen.” Der DSA verpflichtet die großen Plattformen zum Kampf gegen Desinformation, etwa durch jährliche Risikoprüfungen.
Im “Krieg der Narrative” sieht Jourová die EU in der Defensive. Russland verbreite erfolgreich die Behauptung, die EU-Sanktionen seien für hohe Getreidepreise und Probleme bei der Versorgungssicherheit verantwortlich. Vor allem im arabischen und spanischen Sprachraum habe sich dieses Narrativ schnell verbreitet. Die EU müsse hier stärker gegensteuern und aufklären.
Große Hoffnungen setzt Jourová auf den European Media Freedom Act, der am 16. September vorgelegt wurde. Er soll für mehr Transparenz und damit auch für mehr Vertrauen in die Medien sorgen. Kritik von Verlegern und Journalistenverbänden, dass die EU die Pressefreiheit einschränke, wies sie zurück. “Wir wollen keine Zensur einführen und wir werden dies auch nie tun.” ebo
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hält die von Justizminister Marco Buschmann vorgeschlagene Alternative zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung für nicht ausreichend. “Das im Entwurf neu geregelte Quick-Freeze-Verfahren kann als flankierendes Instrument in spezifischen Anwendungsfällen zum Einsatz kommen und wichtige Ermittlungserkenntnisse liefern”, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag auf Anfrage. Es sei allerdings “kein adäquater Ersatz für eine Speicherung von IP-Adressen”.
Sie kündigte an, den vom Justizministerium vorgelegten Entwurf eingehend zu prüfen. “Grundlage unseres Handelns sollte die höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sein”, forderte Faeser. “Was der EuGH ausdrücklich für mit unseren Grundrechten vereinbar erklärt hat und was für die Bekämpfung schwerer Kriminalität dringend erforderlich ist, sollten wir umsetzen.”
Sie verwies auf die Entscheidung der EuGH-Richter, wonach zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen unter bestimmten Bedingungen möglich ist. “Zudem gestattet der EuGH gezielte Speicheranordnungen für Orte wie Flughäfen oder Bahnhöfe und für Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsbelastung”, ergänzte Faeser. “Die damit eröffneten rechtlichen Möglichkeiten müssen wir nutzen, um bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität, von extremistischen und terroristischen Bedrohungen und anderen schweren Straftaten konsequent handeln zu können.”
Der FDP-Politiker Buschmann hatte einen Vorschlag für ein auf konkrete Verdachtsfälle beschränktes Verfahren zur Sicherung von Telekommunikationsdaten vorgelegt. Der Entwurf zur Einführung von “Quick Freeze” wurde am Dienstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt. Beim Quick-Freeze-Verfahren werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern – sozusagen “einzufrieren”. Möglich soll dies allerdings lediglich bei schweren Straftaten wie etwa Totschlag, Erpressung oder Kindesmissbrauch sein. dpa
“Ich habe als Zwölfjähriger mein erstes Modem zusammengelötet”, erzählt Klaus Landefeld fröhlich. “Das war 1980 noch besonders ungewöhnlich, in der Vor-Internet-Zeit.” Schon mit 16 machte der Bastler sein Hobby zum Beruf, später studierte er Elektrotechnik. Unternehmer ist Landefeld noch immer. Seit 1997 engagiert er sich aber auch für das große Ganze. Damals wurde er Vorstand bei eco, dem größten Verband der Internetwirtschaft in Europa.
In dem Verband sind rund 1.100 Unternehmen aus mehr als 70 Ländern organisiert. Deren Interessen – von der kleinen Digital-Firma bis zum Telekom-Riesen – versuchen Landefeld und seine Kollegen zu organisieren. Das Ziel ist, dass sich die Rahmenbedingungen für die Branche in Europa verbessern. Ob es da schwierig ist, mit einer Stimme zu sprechen? “Laufend”, gesteht er, die Mitglieder seien sehr divers. Aber über die Positionierung des Verbands würde ganz demokratisch abgestimmt: “Bei uns ist es so, dass jedes Unternehmen eine Stimme hat.” Egal, wie groß es ist.
Eine gewisse Frustrationstoleranz gehört zum Job. Immerhin beobachtet Landefeld als Vorstand für Infrastruktur und Netze auch den deutschen Glasfaserausbau und Dauerbrenner wie die Vorratsdatenspeicherung. Dass man bei allen Gesetzgebungsverfahren von Anfang an dabei ist und sich einbringen kann, macht dem 53-Jährigen hingegen viel Freude.
Fünf Kollegen zählt er bei eco zu seinem Team. Wobei die Arbeit von seinem Netzwerk lebt, denn die Unterschiede zwischen den Ländern seien riesig. “Irgendwann weiß man aber bei jeder Frage, wo man anrufen muss, um etwas erklärt zu bekommen.”
Die vielen verschiedenen Regelungen in Europa sieht er kritisch. Etwa beim Thema E-Evidence, bei der es darum geht, welche Auskünfte Provider Strafverfolgungsbehörden geben müssen. Bisher gelte das Recht des anfragenden Staates, mit recht merkwürdigen Konsequenzen. “Wenn eine deutsche Staatsanwaltschaft anfragt, müssen Provider sagen: Das dürfen wir euch nicht sagen, das ist überbordend.” Erkundigt sich eine spanische Behörde, sei die Herausgabe derselben Informationen ganz normal.
Über die Details einer EU-Verordnung, die das ändern könnte, streiten sich noch Parlament und Mitgliedstaaten. Landefeld meint, gerade im Sicherheitsbereich gelten zu viele unterschiedliche Maßstäbe. Das Thema betrifft ihn auch praktisch: Landefeld sitzt im Aufsichtsrat vom Internetknoten DE-CIX. Der befindet sich in Frankfurt am Main, ist einer der größten der Welt und wird von einer 100-prozentigen Tochter von eco betrieben. 2015 berichtete Landefeld im NSA-Untersuchungsausschuss, wie der BND den Internet-Verkehr dort angezapft hatte. Paul Meerkamp
es gibt nach wie vor große Unstimmigkeiten, doch bei einer weiteren außerordentlichen Sitzung am 24. November wollen die EU-Energieminister die Notfallmaßnahmen für die Energiemärkte verabschieden. Bei ihrem gestrigen Treffen in Luxemburg beschlossen sie außerdem eine allgemeine Ausrichtung zur Gebäuderichtlinie (EPBD) – eine Mehrheit im Rat sorgte dafür, dass der Vorschlag der Kommission deutlich abgeschwächt wurde. Manuel Berkel fasst die wichtigsten Ergebnisse des Treffens zusammen.
Es sind hohe Erwartungen: Mehr als dreißig verschiedene EU-Verordnungen, Richtlinien, Strategien und Aktionspläne betreffen den Wald. Je nach Ausrichtung gilt er mal als Energiequelle, als Rohstofflieferant, als CO2-Speicher oder als Lebensraum für unzählige Arten. Doch all das auf einmal könnten die Wälder gar nicht leisten, sagen Experten etwa vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Timo Landenberger hat die Details.
Übrigens: Morgen starten unsere Kolleginnen und Kollegen vom Climate.Table mit ihrer ersten Ausgabe. Die siebenköpfige Redaktion mit internationalem Korrespondentennetz leitet Bernhard Pötter, einer der renommiertesten deutschen Klimaexperten und langjähriger Beobachter der internationalen Klimaszene. Er hat u.a. für “Taz”, “Spiegel”, “Zeit” und “Le Monde diplomatique” gearbeitet.
Climate.Table analysiert die Klimapolitik anderer Staaten und der EU, die ganze Breite der internationalen Klimadebatte, die Bedeutung technologischer Durchbrüche für die Dekarbonisierung und die UN-Klimaverhandlungen. Hinzu kommen die wichtigsten wissenschaftlichen Studien, Branchentermine und eine sorgfältig kuratierte internationale Presseschau. Von der Klimakonferenz COP 27 wird die Redaktion täglich berichten. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.
Für dauerhaft niedrige Strom- und Gaspreise haben die Energieminister gestern in Luxemburg einen Zeitplan für weitere Maßnahmen festgezurrt. Anfang nächsten Jahres bereite die EU gemeinsam mit der Internationalen Energieagentur (IEA) ein Ministertreffen zum gemeinsamen Gaseinkauf vor, sagte Luxemburgs Ressortchef Claude Turmes. Teilnehmen sollten daran auch die USA, Japan, Südkorea und Norwegen. Unter Freunden wolle man versuchen, die Preise für Flüssiggas (LNG) nicht erneut zu pushen.
Schon am 24. November soll es außerdem eine weitere außerordentliche Sitzung der EU-Energieminister geben. Die Notfallmaßnahmen für die Energiemärkte sollten dabei verabschiedet werden, sagte gestern der tschechische Ratspräsident Jozef Síkela. Nach wie vor gibt es aber große Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und im Verhältnis zur Kommission.
Wenige Stunden vor dem Treffen hatte die Behörde eine erste, fünfseitige Folgenabschätzung zum iberischen Gaspreisdeckel an die Mitgliedstaaten verschickt. Falls diese tatsächlich Gas zur Stromerzeugung subventionieren wollten, würde dies den Gasverbrauch um fünf bis neun Milliarden Kubikmeter ankurbeln – vor allem durch Exporte in die Schweiz und nach Großbritannien, warnt die Kommission.
Dem Wunsch einer Mehrheit im Rat nach einer konkreten Lösung kam die Kommission dagegen nicht nach. Vielmehr spielte Energiekommissarin Kadri Simson den Ball an die Mitgliedstaaten zurück. Es liege nun an ihnen, Lösungen zu finden, sagte sie zum Ende der Pressekonferenz. Neben den Exporten von subventioniertem Strom in Drittstaaten gehe es vor allem um die Kostenteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Größter Nutznießer wäre sonst laut dem Kommissionspapier der Stromimporteur Frankreich, zahlen müssten vor allem Deutschland, Italien und die Niederlande.
Stattdessen schlägt die Kommission ein längerfristiges Modell vor, das Experten wie die IHS-Analystin Coralie Laurencin als Aufteilung des Strommarktes in zwei Segmente für Erneuerbare und flexible Erzeuger interpretieren. Neben Erneuerbaren sollen laut dem Kommissionsvorschlag weitere infra-marginalen Erzeugungstechnologien wie Kernenergie über Differenzverträge vergütet werden. Die Kommission deutet sogar an, bestehende Kraftwerke in diesen Mechanismus zu drängen. Im zweiten Segment sollen Speicher und Lastmanagement leichter mit Gaskraftwerken um flexible Energiebereitstellung konkurrieren können.
Tatsächlich drohe die Kommission jedoch, Flexibilitäten aus dem Markt zu drängen, wenn Wind- und Stromparks ihre Erzeugung nicht mehr nach Angebot und Nachfrage ausrichten müssten, warnt Christoph Maurer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Consentec.
Der Rat erwarte nach wie vor einen konkreten Vorschlag zum iberischen Modell und eine ausführliche Folgenabschätzung, insistierte dagegen Síkela. Einige Mitgliedstaaten drängten zudem auf weitere Hilfen für die Industrie. Der Befristete Krisenrahmen solle nicht nur verlängert werden, sondern den Staaten auch mehr Spielräume geben. Derzeit seien beispielsweise nur Beihilfen zu Betriebskosten möglich.
Zu Diskussionen führten außerdem die zuletzt drastisch gesunkenen Gaspreise. Es gebe die Befürchtung, dass die Bemühungen um die Markteingriffe geschwächt werden könnten, sagte Síkela. Sein Luxemburger Kollege Turmes sagte vor dem Gipfel sogar, er frage sich, ob man inzwischen nicht über einen Mindestpreis für Gas diskutieren müsse. Ansonsten drohe die Industrie wieder systematisch mehr Gas zu verbrauchen.
Von einem regelrechten Preisabsturz auch für den Frontmonat sprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, den es nun zu verstetigen gelte. Kleinere Fortschritte konnte er nach Gesprächen mit seiner französischen Amtskollegin Agnès Pannier-Runacher vermelden. Das Solidaritätsabkommen zur gegenseitigen Gasversorgung solle möglichst schnell abgeschlossen werden. Eigentlich sollte es beim Deutsch-Französischen Gipfel verkündet werden, der aber wegen Unstimmigkeiten verschoben wurde. Die Gaspipeline BarMar zwischen Spanien und Frankreich solle auch mit Deutschland verbunden werden. Zeitnah werde dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
Der Rat diskutierte außerdem das Gasmarktpaket vom Dezember und beschloss eine allgemeine Ausrichtung zur Gebäuderichtlinie (EPBD). Der Entwurf vom Freitag wurde mit minimalen Änderungen angenommen.
Den Vorschlag der Kommission hat eine Mehrheit im Rat deutlich abgeschwächt. So wird es nun keine schärferen Sanierungsverpflichtungen mehr für jedes einzelne bestehende Wohngebäude geben, kritisierte Elisabeth Staudt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Stattdessen wollen die Mitgliedstaaten höhere Effizienzklassen nur noch für den Durchschnitt des gesamten Bestands erreichen. Dadurch werde der Fokus auf die Gebäude mit den höchsten Energieverbräuchen herausgenommen, der eigentlich die große Neuerung der Richtlinie werden sollte.
Bei Nicht-Wohngebäuden wie Büros will der Rat die Ziele um mindestens drei Jahre nach hinten verschieben. Die Mitgliedstaaten hätten zudem einheitliche Vorgaben für Gebäudeausweise und Nullemissionsgebäude abgelehnt, bemängelte die Coalition for Energy Savings.
Am 29. November soll der ITRE-Ausschuss des Parlaments seine Position beschließen, das Plenum wird wohl erst im kommenden Jahr folgen. Die Positionen in den Trilogen dürften extrem weit auseinanderliegen. Der irische Berichterstatter Ciarán Cuffe (Grüne) hatte einen ambitionierten Berichtsentwurf vorgelegt. Deutschland rief gestern zusammen in einer Erklärung mit Frankreich, Irland und den Benelux-Staaten zu höheren Standards auf.
Auf die Bremse trat gestern ausgerechnet jener Wirtschaftszweig, der doch eigentlich einer der größten Profiteure von Gebäudesanierungen sein sollte. “Aus Sicht des Handwerks ist es in der betrieblichen Praxis mit erheblichen Nachteilen verbunden, wenn die Politik zu ambitionierte Effizienzstandards festlegt”, sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). “Kommunen und private Bauträger könnten bei zu hohen Standards Investitionen zurückstellen und Sanierungsprojekte verzögern, was mit negativen Folgen für unsere Handwerksbetriebe gerade im Bau- und Ausbau verbunden wäre.”
Mit Blick auf den Trilog sagte Schwannecke: “In einer für unsere Betriebe immer bedrohlicheren Gemengelage aus Materialknappheit, steigenden Zinsen, hoher Inflation und unterbrochenen Lieferketten gilt es mehr denn je, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Machbarkeit und klimapolitischer Notwendigkeit zu finden. Wir appellieren eindringlich an das EU-Parlament, sich in den anstehenden Verhandlungen offen gegenüber diesen Argumenten zu zeigen.”
Mehr als dreißig verschiedene EU-Verordnungen, Richtlinien, Strategien und Aktionspläne betreffen den Wald. Darunter die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III), die Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) sowie die Biodiversitäts-Strategie.
Schließlich müssen dringend Lösungen gefunden werden gegen die Energieknappheit, im Kampf gegen den Klimawandel und das Artensterben -und immerzu spielt der Wald eine zentrale Rolle: als Energiequelle, als Rohstofflieferant, als CO2-Speicher und als Lebensraum für unzählige Arten.
Doch wie kann der Wald all diesen Aufgaben gleichzeitig gerecht werden? Und das vor dem Hintergrund zunehmender Extremwetterereignisse und Schädlinge, die Europas Wäldern enorm zusetzen. Die Antwort: gar nicht.
“Die Politikfelder sind nicht kohärent. Der Wald kann unmöglich alles leisten, was die eine extreme und die andere extreme Seite fordert”, sagt die Europaabgeordnete Ulrike Müller (Renew), Berichterstatterin für die EU-Waldstrategie.
Mit der Novellierung der LULUCF-Verordnung soll die Speicherkraft der natürlichen Treibhausgas-Senken wie Wälder, Böden und Moore gestärkt und bis 2030 auf mindestens 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verbindlich festgelegt werden. So lautet die Position des EU-Parlaments, die dem Vorschlag der Kommission entspricht. Derzeit laufen die Trilogverhandlungen, und in Brüssel ist die Rede von einer möglichen Erhöhung des Ambitionsniveaus. Umweltschützer hatten bereits im Vorfeld ein Ziel von bis zu 600 Millionen Tonnen gefordert, verbunden mit umfangreichen Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen.
Die natürliche CO2-Abspaltung aus der Atmosphäre ist unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen. Darin sind sich die meisten Experten einig. Landwirtschaft, Ackerbau und Moore emittieren allerdings mehr, als sie speichern; eigene Unterziele sind in der Verordnung nicht vorgesehen. So liegt die Hauptlast, zumindest mittelfristig, auf dem Wald.
Aber auch der gerät immer stärker unter Druck. Die Senkleistung des Gesamtsektors ist in den vergangenen Jahren von über 300 auf etwa 250 Millionen Tonnen deutlich zurückgegangen und nimmt weiter ab. Derzeit würden durch Wälder und Holzerzeugnisse rund zehn Prozent der EU-weiten Emissionen ausgeglichen, heißt es in einer Literaturstudie des European Forest Institutes (EFI). Das Papier analysiert das Potenzial von Wald und Holznutzung für den Klima- und Umweltschutz.
“Der Beitrag des Waldes ist nicht einfach so gegeben und entspricht eben nicht der Summe aller Potenziale von Holznutzung, Energie und CO2-Speicher”, sagt Christopher Reyer, Co-Autor der Studie und Forstexperte am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). “Da gibt es Zielkonflikte. Wir haben versucht, das in Päckchen darzustellen und diese mit möglichen Maßnahmen wie Aufforstung oder Ausweitung der Schutzgebiete kombiniert.” Ergebnis: Es gebe keine Kombination, mit der die LULUCF-Ziele erreicht würden, so Reyer.
Zumal die Substitutionswirkung von Holz als Baustoff, als Energiequelle, als Ersatz von Plastik oder Textilfasern in der Verordnung außer Acht gelassen werde, sagt Natalie Hufnagl-Jovy vom Waldeigentümer-Verband AGDW. Dabei könnten so an anderer Stelle Emissionen vermieden werden. “Stattdessen konzentriert sich die Verordnung nur auf die Frage, wie viel CO2 ein Wald schlucken kann, und die aktive Forstwirtschaft wird komplett ausgeblendet. Das Ziel von 310 Millionen Tonnen Senkleistung würde deshalb bedeuten, dass wir die Wälder ab sofort nicht mehr anfassen.”
Dabei könne der Wald nicht unendlich viel CO2 aufnehmen. Vielmehr gebe es eine abnehmende Sättigungskurve. Soll heißen: Ein junger Wald im Wachstum kann viel Treibhausgas binden. Das werde irgendwann weniger und könne sich sogar umkehren, wenn geschädigtes Holz im Wald verbleibe und durch den Zersetzungsprozess CO2 wieder freigesetzt werde.
Eine aktive Forstwirtschaft sei also klimatisch sinnvoller. Zumal dabei als Nebenprodukt Energieholz anfalle, denn die Baumkronen könnten kaum anders verwendet werden, erklärt Hufnagl-Jovy. Darauf setzt auch die Europäische Kommission in ihrem RePowerEU-Plan, der die Diversifizierung der Energieversorgung und damit die Unabhängigkeit von russischem Gas vorantreiben soll.
Der Plan sieht vor, das Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien im Jahr 2030 noch einmal deutlich zu erhöhen – auf 45 Prozent. Mit Abstand wichtigste erneuerbare Energiequelle: Biomasse. Sie macht EU-weit etwa zwei Drittel und damit mehr als Wind- und Sonnenenergie zusammen aus und wird neben landwirtschaftlichen Produkten hauptsächlich aus Holz gewonnen.
Mitte September hat das Europäische Parlament über seine Position zur Revision der Erneuerbare-Energien-Richtlinie abgestimmt und sich darauf verständigt, die Förderfähigkeit von Biomasse aus der Forstwirtschaft stark einzuschränken. Das sei paradox, kritisiert Hufnagl-Jovy.
Umweltschützern hingegen gehen die Einschränkungen noch nicht weit genug. Sie wollen verhindern, dass Bäume nur zur energetischen Nutzung abgeholzt werden. Schließlich gehe es nicht nur ums Klima, sondern auch um den Erhalt der Biodiversität, sagt der Europaabgeordnete César Luena (S&D), Berichterstatter für die EU-Biodiversitätsstrategie. “80 Prozent der Arten an Land leben im Wald. Doch nur 15 Prozent der Wälder sind in einem ökologisch guten Zustand. Wir fordern, dass die Natur in den Wäldern wieder hergestellt wird”, so der Spanier.
Die Strategie sieht vor, 30 Prozent der Fläche Europas unter Schutz zu stellen, zehn Prozent sogar unter “strengen” Schutz. “Dem Ansatz liegt zugrunde, dass es in nicht bewirtschafteten Flächen grundsätzlich mehr Biodiversität vorherrscht als in bewirtschafteten. Das stimmt aber nicht”, hält Hufnagl-Jovy dagegen. “In den vergangenen 50 Jahren ist in Deutschland keine waldrelevante Art mehr verloren gegangen.“
Laut einer Studie des Thünen-Instituts würde die Strategie zu einem deutlichen Rückgang der Holzproduktion führen, nicht jedoch zu einem Rückgang der hohen Nachfrage im Binnenmarkt. Das wiederum hätte eine verstärkte Produktion in Drittstaaten zur Folge, häufig unter erheblich geringeren Umweltstandards. “Wenn in europäischen Wäldern weniger Holz eingeschlagen wird, um die biologische Vielfalt zu schützen, führt dies global betrachtet zu Verlagerungen, die negative Umweltauswirkungen haben können”, heißt es in dem Papier.
Derweil ist die EU-Kommission weiter von einer Lösung überzeugt. Multifunktionale Wälder, die sowohl ausreichend Holzeinschlag ermöglichen als auch CO2-Senken und Lebensraum für die Artenvielfalt darstellen, seien möglich, sagt Stefanie Schmidt, Forstexpertin der DG Umwelt. Entsprechende Leitlinien im Rahmen der EU-Waldstrategie will die Kommission bis zum Jahresende vorstellen.
Der grüne Klimapolitiker Michael Bloss (MEP) forderte beim Table.Live-Briefing, dass die Kommission bei ihrem Vorschlag für die Luftreinhaltungsrichtlinie die WHO-Richtwerte 1:1 in Grenzwerte überführt. Bloss sagte bei der Diskussionsveranstaltung: “Sollte die Kommission am Ende die Grenzwerte vorschlagen, über die Europe.Table bereits berichtet hat, dann würden sie immer noch doppelt so hoch ausfallen, wie die WHO mit guten Gründen fordert.” Der Stuttgarter Europaabgeordnete sagte: “Es sollte unser Ansporn sein, in den Städten für saubere Luft zu sorgen, die den Ansprüchen der Wissenschaft entspricht.” Die Kommission will heute die Grenzwerte beschließen.
Thomas Koch, Chef des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wies darauf hin, dass der Anteil des Verkehrs an den Luftschadstoffen in den Städten über die Jahre beträchtlich gesunken ist: “Vor etwa 18 Jahren wurden am Stuttgarter Neckartor bei Stickoxiden Jahresdurchschnittswerte von 122 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gemessen. Ein Großteil davon war Pkw und Lkw zuzuordnen.” Heute liege der Jahresdurchschnittswert am Neckartor, einer der am stärksten befahrenen Straßenzüge Deutschlands, bei 37 Mikrogramm.
“Zu den 37 Mikrogramm steuern Pkw und Lkw noch etwa zehn bis 12 Mikrogramm bei. Das ist der Umweltbeitrag, den moderne Motoren leisten.” Koch warnte: “Sollte der Grenzwert auf 20 Mikrogramm abgesenkt werden, wie im Gespräch ist, wird man an vielen Straßenzügen in ganz Europa Fahrverbote verhängen müssen.”
Benjamin Krieger, Generalsekretär des europäischen Dachverbandes der Automobilzulieferer-Industrie Clepa, wies ebenfalls darauf hin, “dass der Beitrag des Verkehrs zu den Schadstoffen in den Städten schon auf ein niedriges Niveau gesunken ist.” Imbissbuden, rauchende Menschen, Wetterphänomene seien auch verantwortlich für die Belastung mit Luftschadstoffen.
“Fahrzeuge der aktuellen Flotten legen eine hervorragende Performance bei Luftschadstoffen hin. Bevor man die Grenzwerte absenkt, sollte man den Anteil dieser sehr sauberen Fahrzeuge erhöhen.” Nur die Grenzwerte zu verschärfen reiche nicht, “es muss auch wissenschaftlich belegt sein, dass der so regulierte Verkehr überhaupt noch einen nennenswerten Beitrag zur Luftqualität liefern würde”. mgr
Wegen steigender Energiekosten will die neue italienische Regierung von Rechtspolitikerin Giorgia Meloni mehr heimische Gasvorkommen erschließen. “Unsere Meere besitzen Gasvorkommen, bei denen wir die Pflicht haben, sie voll auszubeuten”, forderte die Parteichefin der rechtsradikalen Fratelli d’Italia am Dienstag vor Parlamentariern des Abgeordnetenhauses in Rom. Während ihrer ersten Regierungserklärung in der größeren der beiden Parlamentskammern sagte sie, die aktuelle Energiekrise könne paradoxerweise eine “Chance für Italien” sein.
“Ich bin überzeugt, dass Italien mit ein bisschen Mut und pragmatischem Geist stärker und autonomer als zuvor aus dieser Krise hervorgehen könnte”, sagte die 45-Jährige. Süditalien sei etwa “das Paradies für erneuerbare Energien mit Sonne, Wind, Erdwärme”. “Grüne Energie” sei dort aber oft von Bürokratie blockiert worden.
Italien importierte vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine fast 40 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland. Unter Melonis Vorgänger Mario Draghi schloss Rom neue Lieferabkommen mit Katar, Algerien und Aserbaidschan. Das Mittelmeerland mit fast 60 Millionen Einwohnern besitzt auch eigene Gasvorkommen, etwa um die Insel Sizilien oder an der Adriaküste, wo bislang wenig gefördert wurde.
Die als EU-skeptisch geltende Politikerin unterstrich in ihrer Rede zudem die Verankerung Italiens in der transatlantischen Allianz, in Europa und im G7-Kreis der wichtigen Demokratien der Welt. Meloni will Italiens Stimme “innerhalb der europäischen Institutionen” hörbar werden lassen, “so wie es sich für ein Gründungsland gehört”.
Sie kündigte darüber hinaus an, dass Italien alle aktuellen Regeln der EU befolgen werde. Allerdings werde ihre Exekutive auch Vorschläge machen, “um jene Regeln zu ändern, die nicht funktioniert haben, beginnend bei der aktuellen Debatte über eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes“. Italien werde sich erhobenen Hauptes einbringen in die internationalen Debatten. dpa
Im Kampf gegen unerwünschte Migration über den Balkan soll die EU-Grenzschutztruppe Frontex nach dem Willen der EU-Kommission eine größere Rolle einnehmen. Die Brüsseler Behörde empfahl am Dienstag, darüber mit Albanien, Serbien, Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina zu verhandeln. Zudem verabschiedete sie Finanzhilfen in Höhe von 39,2 Millionen Euro für das Grenzmanagement der Region. Davon solle hauptsächlich spezielle Ausrüstung wie Überwachungssysteme, Drohnen und biometrische Geräte angeschafft werden.
Die Entscheidung, ob Verhandlungen über ein ausgeweitetes Frontex-Mandat aufgenommen werden, treffen nun die EU-Staaten. Schon jetzt sind Frontex-Beamte an den EU-Grenzen zu Albanien, Serbien und Montenegro im Einsatz, nicht aber zu Bosnien und Herzegowina. Ein neuer Rechtsrahmen sieht jedoch vor, dass sie sowohl an der EU-Grenze als auch an den Grenzen zu Drittländern eingesetzt werden können und zudem mehr Befugnisse bekommen.
Die Migration über den Westbalkan in die EU hatte zuletzt deutlich zugenommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will ab Donnerstag für mehrere Tage in die Region reisen. dpa
Die EU sollte nach Ansicht von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Drittel des Finanzbedarfs der Ukraine für das kommende Jahr übernehmen. Nötig sei ein auf beiden Seiten verlässlicher Mechanismus, sagte sie am Dienstag bei einer Wiederaufbau-Konferenz für die Ukraine in Berlin. Die Ukraine brauche etwa drei bis fünf Milliarden pro Monat, je nachdem, wie viel sie selbst exportieren könne. “Etwa ein Drittel sollten wir finanzieren”, sagte von der Leyen. Das wären direkte Budgethilfen in Höhe von 18 Milliarden im Jahr so lange der russische Krieg dauere.
Zugleich verlasse sich die EU darauf, dass die USA eine ähnliche Summe zur Verfügung stellten. Der Rest solle über internationale Finanzierungsinstitutionen wie den IWF abgedeckt werden. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal bezifferte das Haushaltsdefizit für 2023 auf 38 Milliarden Euro. Die Ukraine habe in diesem Jahr rund 45 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verloren. dpa
Die EU-Kommission hat vor Problemen bei der Umsetzung des DSA gewarnt. Angesichts des “digitalen Kriegs”, den Russland gegen die Ukraine und die EU führe, komme es auf eine schnelle und reibungslose Implementierung der neuen Internet-Regeln an, sagte die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, bei der Konferenz EU Disinfolab in Brüssel.
Mögliche Engpässe sieht Jourová vor allem im Kampf gegen Fake News und Desinformation. “Ich hoffe, dass die EU-Staaten ihr Bestes geben werden und genug Experten einstellen“, so Jourová. Es gebe eine große Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. “Wir müssen genug Kapazitäten sichern, um mögliche Verstöße zu verfolgen.” Der DSA verpflichtet die großen Plattformen zum Kampf gegen Desinformation, etwa durch jährliche Risikoprüfungen.
Im “Krieg der Narrative” sieht Jourová die EU in der Defensive. Russland verbreite erfolgreich die Behauptung, die EU-Sanktionen seien für hohe Getreidepreise und Probleme bei der Versorgungssicherheit verantwortlich. Vor allem im arabischen und spanischen Sprachraum habe sich dieses Narrativ schnell verbreitet. Die EU müsse hier stärker gegensteuern und aufklären.
Große Hoffnungen setzt Jourová auf den European Media Freedom Act, der am 16. September vorgelegt wurde. Er soll für mehr Transparenz und damit auch für mehr Vertrauen in die Medien sorgen. Kritik von Verlegern und Journalistenverbänden, dass die EU die Pressefreiheit einschränke, wies sie zurück. “Wir wollen keine Zensur einführen und wir werden dies auch nie tun.” ebo
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hält die von Justizminister Marco Buschmann vorgeschlagene Alternative zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung für nicht ausreichend. “Das im Entwurf neu geregelte Quick-Freeze-Verfahren kann als flankierendes Instrument in spezifischen Anwendungsfällen zum Einsatz kommen und wichtige Ermittlungserkenntnisse liefern”, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag auf Anfrage. Es sei allerdings “kein adäquater Ersatz für eine Speicherung von IP-Adressen”.
Sie kündigte an, den vom Justizministerium vorgelegten Entwurf eingehend zu prüfen. “Grundlage unseres Handelns sollte die höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sein”, forderte Faeser. “Was der EuGH ausdrücklich für mit unseren Grundrechten vereinbar erklärt hat und was für die Bekämpfung schwerer Kriminalität dringend erforderlich ist, sollten wir umsetzen.”
Sie verwies auf die Entscheidung der EuGH-Richter, wonach zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen unter bestimmten Bedingungen möglich ist. “Zudem gestattet der EuGH gezielte Speicheranordnungen für Orte wie Flughäfen oder Bahnhöfe und für Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsbelastung”, ergänzte Faeser. “Die damit eröffneten rechtlichen Möglichkeiten müssen wir nutzen, um bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität, von extremistischen und terroristischen Bedrohungen und anderen schweren Straftaten konsequent handeln zu können.”
Der FDP-Politiker Buschmann hatte einen Vorschlag für ein auf konkrete Verdachtsfälle beschränktes Verfahren zur Sicherung von Telekommunikationsdaten vorgelegt. Der Entwurf zur Einführung von “Quick Freeze” wurde am Dienstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt. Beim Quick-Freeze-Verfahren werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern – sozusagen “einzufrieren”. Möglich soll dies allerdings lediglich bei schweren Straftaten wie etwa Totschlag, Erpressung oder Kindesmissbrauch sein. dpa
“Ich habe als Zwölfjähriger mein erstes Modem zusammengelötet”, erzählt Klaus Landefeld fröhlich. “Das war 1980 noch besonders ungewöhnlich, in der Vor-Internet-Zeit.” Schon mit 16 machte der Bastler sein Hobby zum Beruf, später studierte er Elektrotechnik. Unternehmer ist Landefeld noch immer. Seit 1997 engagiert er sich aber auch für das große Ganze. Damals wurde er Vorstand bei eco, dem größten Verband der Internetwirtschaft in Europa.
In dem Verband sind rund 1.100 Unternehmen aus mehr als 70 Ländern organisiert. Deren Interessen – von der kleinen Digital-Firma bis zum Telekom-Riesen – versuchen Landefeld und seine Kollegen zu organisieren. Das Ziel ist, dass sich die Rahmenbedingungen für die Branche in Europa verbessern. Ob es da schwierig ist, mit einer Stimme zu sprechen? “Laufend”, gesteht er, die Mitglieder seien sehr divers. Aber über die Positionierung des Verbands würde ganz demokratisch abgestimmt: “Bei uns ist es so, dass jedes Unternehmen eine Stimme hat.” Egal, wie groß es ist.
Eine gewisse Frustrationstoleranz gehört zum Job. Immerhin beobachtet Landefeld als Vorstand für Infrastruktur und Netze auch den deutschen Glasfaserausbau und Dauerbrenner wie die Vorratsdatenspeicherung. Dass man bei allen Gesetzgebungsverfahren von Anfang an dabei ist und sich einbringen kann, macht dem 53-Jährigen hingegen viel Freude.
Fünf Kollegen zählt er bei eco zu seinem Team. Wobei die Arbeit von seinem Netzwerk lebt, denn die Unterschiede zwischen den Ländern seien riesig. “Irgendwann weiß man aber bei jeder Frage, wo man anrufen muss, um etwas erklärt zu bekommen.”
Die vielen verschiedenen Regelungen in Europa sieht er kritisch. Etwa beim Thema E-Evidence, bei der es darum geht, welche Auskünfte Provider Strafverfolgungsbehörden geben müssen. Bisher gelte das Recht des anfragenden Staates, mit recht merkwürdigen Konsequenzen. “Wenn eine deutsche Staatsanwaltschaft anfragt, müssen Provider sagen: Das dürfen wir euch nicht sagen, das ist überbordend.” Erkundigt sich eine spanische Behörde, sei die Herausgabe derselben Informationen ganz normal.
Über die Details einer EU-Verordnung, die das ändern könnte, streiten sich noch Parlament und Mitgliedstaaten. Landefeld meint, gerade im Sicherheitsbereich gelten zu viele unterschiedliche Maßstäbe. Das Thema betrifft ihn auch praktisch: Landefeld sitzt im Aufsichtsrat vom Internetknoten DE-CIX. Der befindet sich in Frankfurt am Main, ist einer der größten der Welt und wird von einer 100-prozentigen Tochter von eco betrieben. 2015 berichtete Landefeld im NSA-Untersuchungsausschuss, wie der BND den Internet-Verkehr dort angezapft hatte. Paul Meerkamp