die parlamentarische Sommerpause ist vorbei, die EU-Abgeordneten sind zurück in Brüssel. Doch viel Zeit, um anzukommen, bleibt nicht. Das Fit-for-55-Gesetzespaket, das die Kommission im Juli vorgelegt hat, duldet keinen weiteren Aufschub. Der Ball liegt beim Parlament und dort geht es dieser Tage darum, die Zuständigkeiten abzustecken. Erste Personalien zeichnen sich ab.
Nachdem wir gestern einen Blick auf die europapolitischen Aspekte des Wahlprogramms der Union für den 26. September geworfen haben, steht in dieser Ausgabe das Papier der FDP im Fokus.
Ein Programm will heute auch die EU-Kommission vorstellen: ihren Arbeitsplan für die kommenden 12 Monate. Eine Preview lieferte EU-Kommissar Maros Sefcovic, der für die Planung zuständig ist, schon gestern. Eric Bonse war dabei.
Einen Zielfkonflikt zwischen Binnenmarkt- und Klimaschutz will Jean-Bernard Lévy ausgemacht haben. Bei einer wirtschaftspolitischen Diskussion in Brüssel forderte der Chef des französischen Energiekonzerns EDF eine klare Prioritätensetzung der Kommission. Und zwar für Klimaneutralität, denn EDF will neue Atomkraftwerke bauen.
Kaum zurück aus der parlamentarischen Sommerpause geht es für viele Europaabgeordnete nahtlos dort weiter, wo sie im Juli aufgehört haben. Kurz vor der Pause hatte die Kommission ihr beispielloses Fit for 55 Gesetzespaket zur Umsetzung der EU-Klimaziele vorgestellt. Die Vorschläge sorgten in den vergangenen Wochen bereits für kontroverse Diskussionen. Nun liegt der Ball beim EU-Parlament und die Zeit drängt. Das 1,5-Grad-Ziel ist kaum noch zu erreichen, das hat spätestens die Veröffentlichung des jüngsten IPCC-Berichts noch einmal deutlich gemacht.
In diesen Tagen entscheidet sich, wer als Berichterstatter die einzelnen Kommissionsvorschläge bearbeitet, einen Konsens im jeweiligen Ausschuss finden muss und letztlich die Position des Parlaments bei den Verhandlungen mit Kommission und Rat vertritt. Entsprechend groß sind die Begehrlichkeiten, denn die vorgelegten Gesetzesentwürfe sind teils sehr umstritten.
Besonders eilig hatte es dem Vernehmen nach der Vorsitzende des Umweltausschusses Pascal Canfin (Renew). Der EU-Abgeordnete aus Frankreich bestellte bereits am Montag die Ausschuss-Koordinatoren der jeweiligen Fraktionen ein, um die Berichte an den Höchstbietenden zu versteigern. Hierfür werden den Fraktionen zu Beginn der Legislaturperiode Punkte zugeteilt – abgängig von ihrer Größe.
Der größte Brocken des Fit for 55 Pakets, die Reform des Europäischen Emissionshandels (ETS), geht erwartungsgemäß in die größte Fraktion: die der Christdemokraten. Berichterstatter für die Reform, so heißt es in Parlamentskreisen, dürfte Peter Liese (CDU) werden, umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Eine Entscheidung soll nächste Woche fallen.
Die Schattenberichterstattung bei den Grünen übernimmt Michael Bloss. “Die Reform des Emissionshandels wird der größte Treiber in der europäischen Klimapolitik werden. Mit ihm können wir den europaweiten Kohleausstieg auf 2030 vorziehen“, sagte Bloss zu Europe.Table.
Die deutsche Führung beim ETS kommt nicht von Ungefähr: Als Industrienation ist Deutschland in der Debatte um die Reform stark vertreten, für Verkehr und Gebäude ein zweites ETS einzuführen ist im Grunde ein deutsches Projekt und auch die bevorstehende Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Die Parteien wollen ihre Positionen abstecken und die sind keinesfalls kohärent.
Für die CDU/CSU ist der marktwirtschaftliche Ansatz des Emissionshandels auch im Gebäude und Verkehrsbereich das Leitinstrument schlechthin. Die Grünen sind da skeptischer, bevorzugen ordnungspolitische Maßnahmen über Standards und auch in anderen Ländern ist die Besorgnis groß, das ETS 2 werde seine Lenkungswirkung verfehlen und zu sozialen Schieflagen führen.
Den Berichterstattern stehen also schwierige Verhandlungen bevor. Mit einem Beginn der Triloge wird in Brüssel im zweiten Halbjahr 2022 gerechnet. Erste Ergebnisse werden für das Frühjahr 2023 erwartet.
Daneben wird auch der Klima-Sozialfonds von den Christdemokraten bearbeitet, womöglich sogar gemeinsam mit dem ETS. Der Fonds soll mittels Milliardenhilfen die Sozialverträglichkeit der grünen Transformation sicherstellen und wird zum Teil aus den Einnahmen des ETS gespeist. Auch die Neufassung der Lastenteilung (Effort Sharing) geht an die Christdemokraten.
Für den Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) werden die Sozialdemokraten zuständig sein. Berichterstatter wird der Niederländer Mohammed Chahim. Die Liberalen bestimmen den Berichterstatter für die neuen CO2-Grenzwerte von Autos und den Grünen für die Landnutzungsverordnung: Ville Niinistö aus Finnland
Die Erneuerbare Energien Richtlinie sowie die Energieeffizienzrichtlinie werden im Industrieausschuss verhandelt. Welchen Fraktionen hier die Berichterstattung zukommt, steht noch aus. Sollte die EVP sich das Erneuerbare-Dossier sichern, könnte der CDU-Abgeordnete Markus Pieper Berichterstatter werden. Das Treffen der ITRE-Koordinatoren ist für den 15. September angesetzt.
Der Verkehrsausschuss wird federführend für die Richtlinien ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime sowie zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zuständig sein. Die Berichterstatter werden voraussichtlich erst im Oktober benannt. Mit der Energiesteuerrichtlinie beschäftigt sich der Wirtschafts-, mit der EU-Waldstrategie der Landwirtschaftsausschuss.
EU-Funktionalität
Institutionelle Reformen und eine gesamteuropäische Abstimmung über eine Verfassung einer föderalen EU schreiben sich die Liberalen ins Programmheft. Nach Vorstellung der FDP soll das Europaparlament zudem ein Initiativrecht erhalten und die Kommission auf höchstens 18 Kommissarinnen und Kommissare verkleinert werden.
Weltverantwortung
Die FDP strebt in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einen Wechsel hin zur qualifizierten Mehrheitsentscheidung an, der bisherige “Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik” soll durch einen echten EU-Außenminister ersetzt werden.
Auch die FDP setzt auf die Integration europäischer Streitkräfte williger Mitgliedstaaten und will ein EU-Hauptquartier sowie eine Europäische Sicherheitsakademie – um irgendwann beim Ziel EU-Armee unter parlamentarischer Kontrolle anzukommen.
Welthandelsordnung
Der Wunsch nach strategischer Souveränität sei unterstützenswert, insbesondere bei Energieversorgung, Rohstoffen und digitaler Technologie, so die Liberalen. Die EU müsse in Handels- und Entwicklungspolitik strategischer agieren, aber keinesfalls in Protektionismus verfallen.
Als Teil des angestrebten strategischen Selbstverständnisses formuliert die FDP eine gemeinsame EU-Energieaußenpolitik. Hier seien stets auch Außen- und Sicherheitsinteressen aller EU-Mitgliedstaaten betroffen.
Asylpolitik
Die FDP will das Asylsystem insgesamt reformieren und Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem bisherigen System herausnehmen. Sie will das EU-Asylsystem überarbeiten und strebt eine verbindliche Verteilung unter den Mitgliedstaaten an – notfalls über eine Koalition der Willigen. Staaten, die sich nicht beteiligen, sollen dann weniger Mittel aus dem Haushalt erhalten.
Rechtsstaatsmechanismus
Die FDP sieht Artikel 7 als untauglich an und plädiert für Konditionalität bei den EU-Strukturfonds.
Stabilitätspakt, Währungs- und Fiskalpolitik
Die FDP will den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem Währungsfonds umgestalten, der auch als Wächter über die Maßnahmen in Hilfsmittel empfangenden Ländern wirken soll. Die Liberalen wollen die Maastricht-Kriterien härter durchsetzen. Eigenständige EU-Steuern lehnt die FDP ebenso ab wie eine weitere Schuldenaufnahme durch die EU.
Innovation, Innovation, Innovation – statt Einschränkungen oder Verzicht will die FDP technischen Fortschritt, um die Klimaziele zu erreichen. Das erwähnen die Liberalen an jeder Stelle im Wahlprogramm, bleiben jedoch meist schuldig, wie genau diese Innovation aussehen soll. Das Parteiprogramm wirkt deshalb wie eine Ansammlung von Ideen, deren Umsetzungsmethoden teils nur sehr unkonkret angerissen wird.
Bioökonomie
Die Liberalen wollen keine Verbote klimaschädlicher Wirtschaftszweige und setzen stattdessen auf Innovationen: “Klebstoff aus Pflanzen, Smartphone-Displays aus Zucker oder T-Shirts aus Kaffeesatz”, das alles sei möglich, schreibt die FDP in ihrem Programm. Mit der Bioökonomie wollen sie natürliche Ressourcen auf innovative Weise nutzen, um neben der Bekämpfung der Klimakrise auch noch wirtschaftliches Wachstum voranzutreiben.
Dazu gehört auch eine EU-weite Kreislaufwirtschaft durch Recycling. Im Gegensatz zu anderen Parteien will die FDP allerdings nicht, dass Verpackungsabfälle gesetzlich unterbunden werden – das bezeichnen sie als “rechtliche Diskriminierung” -, sondern möchte stattdessen innovative Wiederverwertungstechnologien fördern. Detaillierte Beschreibungen, wie die Bioökonomie oder die Wiederverwertung von Abfällen aussehen könnten, bleiben die Liberalen in ihrem Programm noch schuldig.
Emissionshandel
Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) ist für die FDP das Leitinstrument auf dem Weg zur Klimaneutralität und dem 1,5-Grad-Ziel. Sie wollen, dass die Politik anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse ein jährlich sinkendes CO2-Limit festlegt. Den Rest wollen sie dem freien Markt, den Entwicklern, Ingenieuren und Wissenschaftlern überlassen, die die Technologien zur CO2-Vermeidung nach den Regeln der Marktwirtschaft zur Verfügung stellen.
Carbon Leakage
Die FDP will Carbon Leakage verhindern und den Schutz vor Abwanderung von Unternehmen ausbauen. Wie das gelingen soll, verrät das Parteiprogramm nicht.
Carbon Capture
Im Vergleich zu anderen klimapolitischen Aspekten, wird das FDP-Parteiprogramm beim Thema Geo-Engineering sehr konkret. Carbon Capture sehen die Liberalen als wirksame Methode, CO2 aus der Atmosphäre zu filtern, um es anschließend langfristig zu lagern. Wer das tut, soll künftig ein ETS-Zertifikat pro Tonne gebundenes CO2 erhalten, welches anschließend auf im EU-ETS gehandelt werden kann. Außerdem möchte die FDP das 55-Prozent-Reduktionsziel der EU um ein 5-Prozent-Ziel für Negativemissionstechnologien wie Carbon Capture ergänzen.
Ausbau Erneuerbare Energien
Die FDP will die EEG-Umlage abschaffen, um die Strompreise in Deutschland zu senken. Das würde auch die Förderung der Erneuerbaren beenden. Zusätzlich lehnen die Liberalen “gesetzlich vorgegebene Ausbaupfade für einzelne Technologien und staatlich garantierte Abnahmepreise” von Erneuerbaren ab.
Stattdessen wollen sie Erneuerbare in den freien Wettbewerb überführen und deren Ausbau durch die marktwirtschaftlichen Anreize des ETS vorantreiben. Fossile Energie werde unrentabel teuer, sodass der Zubau der Erneuerbaren “nachfragegetrieben” erfolge, heißt es im Parteiprogramm.
Wasserstoff
Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sollen neben Strom zur zweiten Säule des Energiesystems werden. Dabei akzeptiert die FDP nicht nur den klimaneutralen grünen Wasserstoff, sondern auch mit fossilem Erdgas erzeugten blauen und mit Methan erzeugten türkisen Wasserstoff.
Dabei setzen die Liberalen auch auf europäische Kooperation. Die “Europäische Wasserstoffunion” soll eine ganzheitliche Lösung für den Energiebedarf des Kontinents sein. Günstige Produktionsstandorte von Erneuerbaren – und somit auch für grünen Wasserstoff – sollen Wasserstoff exportieren. Übersetzt heißt das: Das sonnenreiche Süd-Europa produziert den Strom für den sonnenärmeren Norden.
Mobilität
Wie in der gesamten Klimapolitik setzt die FDP auch in verkehrspolitischen Fragen auf Innovation. Sie fordern mehr Technologieoffenheit beim Bau umweltschonender Fahrzeuge, wollen die Kaufprämie für E-Autos abschaffen und so synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff als gleichwertige Alternativen etablieren.
Verbote, wie die von Dieselfahrzeugen oder Verbrennern, werden strikt abgelehnt. Stattdessen wollen die Liberalen den EU-ETS nutzen, um klimafreundliche Antriebstechniken und alternative Kraftstoffe voranzubringen. Überhaupt soll der ETS auf den gesamten Verkehrssektor ausgeweitet werden, da er “eine Deckelung des Gesamtausstoßes an Klimagasen” garantiere. Die von der EU festgelegten CO2-Flottengrenzwerte sollen zudem überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Während das deutsche Schienennetz in Staatshand bleiben soll, will die FDP die Verkehrsunternehmen privatisieren, um einen Wettbewerb zu fördern, von dem sie sich schnellere Modernisierung und niedrigere Preise erhoffen.
Beim Flugverkehr begrüßen die Liberalen die Idee des “Single European Sky”. Dabei solle Deutschland ein “widerstandsfähiges, nachhaltiges und effizientes Flugverkehrsmanagement einsetzen”. Wie sie das umzusetzen gedenken, bleibt offen.
In der Digitalpolitik sind die Kompetenzbeimessungen durch die Bundesbürger an die FDP hoch, bei einer Regierungsbeteiligung müsste sie hier entsprechend auch liefern, um nicht zu enttäuschen. Die FDP bezieht sich in ihrem Wahlprogramm regelmäßig auf laufende und kommende EU-Initiativen.
Bundesministerium für digitale Transformation
Die FDP hatte bereits 2017 in den Jamaika-Sondierungen ein Digitalministerium gefordert. 2021 ist die Forderung erneut auf dem Tisch, doch konkret sind die Liberalen hierzu bislang öffentlich/schriftlich nicht geworden, die konkreteste Beschreibung ist bis heute ein Parteitagsbeschluss vom 19.09.2020.
Digitale Märkte
Zwar sieht die FDP Konzentration als potenziell schädlich an – eine Schaffung nationaler Champions als Gegengewicht wird jedoch abgelehnt. Grundsätzlich wollen die Liberalen eine wirksame Gatekeeper-Regulierung erreichen und begrüßen daher den DMA “als ergänzende europäische Regulierung”.
Zur Förderung der Flexibilität in den Märkten wollen die Liberalen zudem Erleichterungen bei der Datenportabilität schaffen, mittelfristig auch die Interoperabilität zwischen Messengern befördern.
Digitale Dienstleistungen
Für die FDP muss der Digitale Binnenmarkt weiter vertieft werden. Die Vertragsfreiheit soll dabei jedoch aufrechterhalten bleiben. Damit dürften Händler sich auch künftig aussuchen, ob sie auch in andere EU-Staaten liefern wollen.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wollen die Liberalen abschaffen und durch einen Regulierungsmix ersetzen, bei dem Selbstregulierungseinrichtungen eine stärkere Rolle spielen sollen. Wie sich dies zum Digital Services Act verhält, bleibt dabei offen.
Datenpolitik
Die Liberalen begrüßen den EU-Data Governance Act, ohne ihn zu nennen, sofern hierdurch mehr Selbstbestimmung entsteht. Auch die als Data Act geplante EU-Verordnung für Datenmärkte sehen die Liberalen offenbar grundsätzlich positiv, wollen aber den Datenzugang zu privaten Datenschätzen nur unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen. Datenteilungspflichten, wie SPD-seitig angedacht, lehnen sie ab. Beim Schutz personenbezogener Daten setzen die Liberalen auf technische Lösungen (Privacy by Design and Default und Personal Information Management Systems – PIMS).
Vorratsdatenspeicherung
Die FDP lehnt die Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat ab und fordert stattdessen eine europarechtliche Grundlage für das grundrechtsschonendere, alternative Quick-Freeze-Verfahren. Insgesamt fordern die Liberalen ein Moratorium für neue Überwachungsmaßnahmen, bis eine “Überwachungsgesamtrechnung” für das Sicherheitsrecht durchgeführt worden sei. Hier sind sich Liberale und Grüne deutlich näher als Liberale und SPD oder Union.
Netzneutralität
Die FDP will weiterhin ein Best-Effort-Internet mit Qualitätsklassen.
Urheberrecht
Das Urheberrecht soll nach Vorbild des amerikanischen “Fair Use”-Prinzips weiterentwickelt werden und eine Bagatellschranke erhalten. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger wollen.
Cybersicherheit
Eine Hersteller-Updateverpflichtung für übliche Nutzungsdauern dürfte in Koalitionsverhandlungen noch die unumstrittenste Forderung sein: Ein Recht auf Verschlüsselung, ein Hackback- und ZeroDay-Verbot – die FDP ist hier auf klarem Gegenkurs zu den Unionsparteien und Teilen der SPD.
Digitale Souveränität
Die Liberalen betonen, es ginge um offene, strategische Souveränität
Digitalsteuer
Die beiden Parteien setzen auf den Prozess im Rahmen der G20. In der EU soll eine gemeinsame Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage Wettbewerbsverzerrungen verhindern.
Die FDP hat bei den europäischen Themen außerhalb der Finanz- und Stabilitätspolitik eine relativ flexible Position. Allerdings besteht das Problem, dass sie sowohl mit Grünen als auch SPD und CDU Kompromisslinien finden muss, die für alle drei Akteure und ihren Parteien vermittelbar sind.
In der Europapolitik
Veränderungen am Prinzip nationaler Schuldendienste oder die Flexibilisierung von Stabilitätskriterien scheinen für die FDP schwer vertretbar. Die liberale Position dürfte mit der Union kompatibler als mit SPD und Grünen sein.
In der Klima- und Umweltpolitik
Die FDP setzt voll und ganz auf den Emissionshandel und lehnt jede weitere staatliche Regulierung zum Erreichen der Klimaziele weitgehend ab. Diese Position würde bereits in Sondierungen zu Konflikten führen. Als wahrscheinlich kleinster Akteur am Verhandlungstisch müsste die FDP sich auf Abstriche einstellen. Immerhin: Dass der Emissionshandel eine leitende Rolle bei dem Klimazielen spielen soll, darin sind sich alle einig.
In der Digitalpolitik
In der Digitalpolitik drohen ernsthafte Konflikte mit der Union und Teilen der SPD vor allem beim Thema Innere Sicherheit. Hier ist die Nähe von Grünen und FDP deutlich größer, was die Debatten spannend machen könnte. Bei der Forderung nach einem Digitalministerium standen die Chancen für die FDP-Position noch nie so gut wie in dieser Wahl, hier sind Union und FDP theoretisch für den gleichen Ansatz zu haben.
Um einen Teil des europäischen Wiederaufbaufonds “Next Generation EU” zu finanzieren, will die Kommission bis 2026 insgesamt 250 Milliarden Euro in sogenannten Green Bonds herausgeben. Dabei handelt es sich um staatliche zweckgebundene Geldanleihen. Die ersten grünen Bonds sollen schon im Oktober aufgesetzt werden.
In Green Bonds investiertes Geld darf nur in Klimaschutzmaßnahmen in den Mitgliedstaaten fließen. Die Bonds sind an Projekte aus neun vorgegebenen Kategorien geknüpft – darunter Klimawandelanpassung, emissionsfreie Mobilität und Energieeffizienz. Die Kategorien richten sich nach den Zielen des Green Deal.
Die Nachfrage nach grünen Anleihen am Finanzmarkt dürfte immens sein, denn das bisherige Angebot ist überschaubar und die Bereitschaft, in grüne Projekte zu investieren, ist riesig. Die EU wäre mit ihren Plänen bis 2026 der größte Herausgeber von Green Bonds weltweit und erhofft sich dadurch, globale Standards bei der Finanzierung des Klimaschutzes setzen zu können. luk
Der Chef des französischen Energiekonzerns EDF, Jean-Bernard Lévy, hat eine klare Prioritätensetzung bei der Dekarbonisierung angemahnt. Die EU-Kommission müsse erklären, ob künftig die Klimaneutralität Vorrang habe, oder ob weiter die Regeln des Binnenmarkts gälten. Dies sei entscheidend für Investitionen in CO2-neutrale Energien, sagte Lévy in einer Debatte beim wirtschaftspolitischen Thinktank Bruegel in Brüssel. “Da gibt es einen Konflikt zwischen den Prioritäten”, so Lévy. Der Schutz des Klimas müsse Vorrang vor den Binnenmarkt-Regeln haben.
Widerspruch kommt von EU-Klimakommissar Frans Timmermans. Dessen Kabinettschef Diederik Samson sagte, die Rettung des Planeten sei das neue europäische Ziel, der Binnenmarkt ein Mittel. Einen Zielkonflikt könne er nicht erkennen. Das eigentliche Problem bestehe vielmehr darin, Staaten und Märkte auf Klimaneutralität zu verpflichten und im Gleichschritt voranzukommen. “Wir müssen die richtigen Schritte zu richtigen Zeit setzen, es geht um eine Art Tango”, so Samson. Der im Juli vorgelegte Aktionsplan “Fit for 55” enthalte alle nötigen Elemente.
Hintergrund der Debatte sind Pläne von EDF, massiv in den Bau neuer Atomkraftwerke zu investieren. Auch eine Übernahme der Nuklearsparte von General Electric ist im Gespräch. Dafür braucht der Konzern, an dem der französische Staat die Mehrheit hält, grünes Licht aus Brüssel. In der EU-Kommission ist umstritten, ob die Kernkraft als “grüne” Energie eingestuft wird. Deutschland und Österreich sind strikt dagegen, Frankreich wirbt hinter den Kulissen für EDF. Eine Entscheidung der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomie wird im Herbst erwartet. Eric Bonse
Die Wirtschaft der Eurozone ist im Frühjahr mit mehr Tempo aus der Corona-Krise herausgekommen als gedacht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von April bis Juni zum Vorquartal um 2,2 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. In einer früheren Schätzzahl war von 2,0 Prozent die Rede gewesen. Zu Jahresbeginn war die Wirtschaft noch um 0,3 Prozent geschrumpft – Ende 2020 gar um 0,4 Prozent. Die Aufholjagd zeigt sich auch im Vergleich mit dem Vorjahr. Das BIP kletterte im Frühjahr gegenüber dem zweiten Quartal 2020 um revidiert 14,3 Prozent.
Basierend auf saisonbereinigten Zahlen lag das BIP-Volumen allerdings noch 2,5 Prozent unter seinem höchsten Wert vom vierten Quartal 2019 – also vor Ausbruch der Pandemie. In den USA ist die Konjunkturerholung schon weiter fortgeschritten: Dort lag das BIP im Frühjahr um 0,8 Prozent über dem Niveau des Schlussquartals von 2019.
Die EU-Kommission sagt für das laufende Jahr beim BIP der Eurozone ein Plus von 4,8 Prozent voraus. Laut Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni könnte das Wachstum sogar noch höher ausfallen. Die Stimmung bei den Firmen sei gut. Die Wirtschaft habe offenbar gelernt, mit den abgeschwächten Pandemie-Einschränkungen zu leben. rtr
Die EU-Kommission will sich in den kommenden Monaten näher mit dem Aktionsplan zur Beschaffung von wichtigen Rohstoffen befassen (Europe.Table berichtete). Der akute Engpass bei Halbleitern unterstreiche die strategische Bedeutung dieses Themas, sagte EU-Kommissar Maros Sefcovic in Brüssel. Anhand einer Liste mit 30 “kritischen” Rohstoffen will die Behörde für Handelspartnerschaften und Unternehmens-Allianzen werben. Vorbild sei die Batterie-Allianz, sagte Sefcovic. Batterien sollen künftig einen “digitalen Pass” erhalten, um die Verwendung besser nachverfolgen zu können und das Recyling zu erleichtern. Hier wolle Brüssel neue Standards setzen.
Als weitere Schwerpunkte für die kommenden zwölf Monate nannte Sefcovic, der für die Planung der Brüsseler Behörde zuständig ist, die Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem und bei der Lebensmittel-Produktion, die Dekarbonisierung im Energiesektor sowie Datenmanagement und Künstliche Intelligenz. Die Hochwasser-Katastrophe und die Waldbrände im Sommer hätten die Dringlichkeit der Dekarbonisierung gezeigt. Die Kommission will die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern senken, die Importe sollen von derzeit über 60 Prozent auf unter 15 Prozent gedrückt werden.
Konkrete Maßnahmen oder Termine nannte Sefcovic noch nicht; offiziell werden die Pläne heute vorgestellt. Insgesamt gehe es darum, die “offene strategische Autonomie” voranzubringen. Damit beschreibt die EU-Kommission den Versuch, die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, zugleich aber die Märkte offenzuhalten und Protektionismus zu vermeiden. Das Debakel in Afghanistan habe gezeigt, dass dies vor allem im Bereich der Rüstung und der Verteidigung dringlich sei. Die EU-Staaten waren bei ihrer Evakuierung aus Kabul fast vollständig von den USA abhängig. Eric Bonse
Volkswagen sieht gute Voraussetzungen zur Finanzierung der benötigten Batteriezellfabriken. “Das Kapital dafür gibt es im Markt”, sagte Konzernchef Herbert Diess im Gespräch mit Reuters und der “Süddeutschen Zeitung” am Rande der Automobilmesse IAA Mobility in München. “Das hat man bei Northvolt gesehen.” Der schwedische Akku-Hersteller, der mit VW zusammenarbeitet, hatte sich für den Ausbau seiner Produktionskapazitäten in Europa in großem Stil Mittel bei Investoren beschafft. Die Renditen, die mit Batteriefertigung erzielt würden, seien hoch, sagte Diess. “Es ist ein Nachfragemarkt und es bleibt ein Nachfragemarkt auf absehbare Zeit.”
Diess hatte unlängst die Möglichkeit eines Börsengangs für die Batteriezellaktivitäten ins Spiel gebracht. Neben Partnerschaften wäre dies eine der Möglichkeiten zur Finanzierung. Der Wolfsburger Konzern will bis 2030 allein in Europa sechs Akku-Fabriken hochziehen. Insider gehen davon aus, dass jedes Jahr eine neue Zellfabrik in Betrieb genommen werden müsste. Experten schätzen den für die Fabriken nötigen Finanzbedarf auf mindestens zwölf Milliarden Euro. Einen Teil davon will VW selbst stemmen.
Als Standorte für Batteriezellfabriken stehen bereits Schweden, wo VW mit Northvolt zusammenarbeitet, und Salzgitter in Niedersachsen fest. Für Salzgitter hat sich VW mit dem chinesischen Partner Gotion zusammengetan. Als dritter Standort kristallisiert sich Spanien heraus. Für die weiteren kommen Portugal, Frankreich und mehrere osteuropäische Länder infrage, darunter Tschechien, wo die VW-Tochter Skoda ihren Sitz hat. Für den Aufbau der Batteriezellfabriken müssen in großem Stil Maschinen und Rohstoffe beschafft werden. rtr
Die Europäische Kommission will im Justizstreit mit Polen Strafzahlungen für das osteuropäische Land. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Juli entschieden, dass die polnische Disziplinarkammer für Richter den Gesetzen der EU widerspricht. Da das Gremium nicht alle Ansprüche an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Richtern erfülle, müsse es aufgelöst werden. Am Dienstag forderte die EU-Kommission den EuGH nun auf, gegen Polen ein tägliches Zwangsgeld zu verhängen, solange die vom Gericht verhängten Maßnahmen nicht vollständig umgesetzt würden.
Die Disziplinarkammer war von der Regierung der nationalistischen PiS-Partei als Teil einer umstrittenen Justizreform eingeführt worden. Nach dem EuGH-Urteil hatte die Regierung in Warschau Mitte August angekündigt, dass die Disziplinarkammer im Rahmen einer Justizreform in den kommenden Monaten aufgelöst werde. rtr
Bernd Lange leitet seit 2014 als Vorsitzender den Ausschuss für internationalen Handel im Europäischen Parlament. In dieser Rolle hat der 65-Jährige auch die Ziele des Green Deals im Blick. Seine persönliche Überzeugung: “Zentral ist, dass man Menschen mitnimmt und ihnen eine Lebensperspektive gibt und nicht rein konfrontativ agiert”. Beim kürzlich verabschiedeten Maßnahmenpaket “Fit for 55” bemängelt Lange die verengte europäische Perspektive. Die EU-Kommission will den Import klimaschädlich produzierter Ware verteuern, eine Art Klimazoll (CBAM) soll eingeführt werden. Das findet Lange problematisch: “Man muss natürlich besonders gegenüber Entwicklungsländern das Augenmaß behalten, damit die nicht vom Handel ausgeschlossen werden.”
Wie eine globale Perspektive aussehen könnte? Lange nennt hier das Sicherstellen der Nachhaltigkeit von Lieferketten sowie Investitionen, um die exportstarken Industrien Europas wie die Automobilbranche klimafreundlicher zu machen: “Nicht dass wir beim Umstieg in die Elektromobilität in eine Situation kommen, in der die eben nicht nachhaltige Gewinnung von Rohstoffen, zum Beispiel Lithium, befördert wird”.
Schon während er in Göttingen Evangelische Theologie und Politikwissenschaften studierte, diskutierte Bernd Lange viel über Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Ihm war damals klar, “dass viele Dinge nicht mehr national, auch nicht europäisch zu lösen sind, sondern nur global”, sagt er heute. Geboren ist Bernd Lange in Oldenburg. 1974 machte er sein Abitur, wurde SPD-Mitglied und begann zu studieren. Ab 1983 arbeitete er zunächst als Lehrer am Gymnasium Burgdorf.
Mehr als zehn Jahre später – 1994 – zog Lange dann das erste Mal für zehn Jahre ins Europäische Parlament ein. In dieser Zeit war er unter anderem Mitglied im Umweltausschuss. Nach vier Jahren als Abteilungsleiter beim Deutschen Gewerkschaftsbund im Bezirk Niedersachsen ging es für Lange 2009 wieder ins EU-Parlament. Im selben Jahr trat der Lissabon-Vertrag in Kraft. Und damit wurde Handel auf EU-Ebene bedeutsamer. Inzwischen ist der “handelspolitische Ausschuss ein sehr kraftvoller”, findet Lange. Er verweist auf das CETA-Abkommen: “Wir sind durchaus selbstbewusst, dass wir selbst fertiggestellte Verhandlungstexte infrage stellen“.
Und trotzdem stößt die europäische Handelspolitik nicht nur beim Green Deal an Grenzen. Beim Handel mit digitalen Dienstleistungen fehlen noch Standards, die freien Datenfluss in den Unternehmen sicherstellen und gleichzeitig personenbezogene Daten schützen. “Das muss innerhalb der WTO angegangen werden, wie auch Standards für den digitalen Handel insgesamt”, findet Bernd Lange. Trotz der Schwierigkeiten, z. B. wenn es um eine gerechte Besteuerung von digitalen Dienstleistungen geht, sieht Lange auch die Vorteile der Digitalisierung: “Mit intelligenter Digitalisierung kann man Handel erleichtern.”
Und auch im Gebilde “EU” hat die Digitalisierung kürzlich einen Schub bekommen: “Eines der wenigen positiven Ergebnisse des Lockdowns, dass wir uns jetzt alle mit der digitalen Technik vertraut gemacht haben“. Kommunikationsplattformen zum schnellen Austausch begrüßt Bernd Lange ausdrücklich. Auch wenn er sich sicher ist, dass es auch in Zukunft noch Präsenztermine braucht, denn “das wichtigste passiert nebenbei“. Zu Hause fühlt sich Bernd Lange in Hannover. Als Ausschussvorsitzender muss er in der Regel von Montag bis Donnerstag im Parlament anwesend sein: “Da habe ich dann auch vieles in Brüssel liebgewonnen”. Mit Straßburg hingegen hat er sich bis heute nicht anfreunden können. Paula Faul
Die “out of office”-Meldungen werden immer rarer. Das Europa-Viertel, das zeitweise an eine Geisterstadt erinnerte, ist wieder dicht bevölkert. Lobbyisten, Parlamentarier, Diplomaten, Institutionsmitarbeiter, Journalisten und Wissenschaftler treffen sich eifrig zum informationsreichen Kaffee auf den Terrassen rund um den “Rond-point Schuman” und die “Place Jourdan”. Das politische Brüssel ist endgültig zurück aus der Sommerpause.
Ob Kommissionspräsidentin von der Leyen den Brüsseler Spätsommer genießt, ist fraglich. Denn in genau einer Woche hält sie in Straßburg ihre wichtigste Rede des Jahres. Die “Rede zur Lage der Union“ (“SOTEU”) läutet seit 2015 die europapolitische Rentrée ein. So viel Scheinwerferlicht bekommt sonst nur der Eurovision. 2020 zog von der Leyen auf stolzen 15 Seiten in ihrer ersten SOTEU Bilanz, erinnerte an ihre politischen Prioritäten und erklärte ihre Visionen für die Zukunft der Europäischen Union. Auch die eine oder andere politische Ankündigung ist traditionsgemäß dabei.
Hinter den Kulissen hat eine ganze Armee von Kommissionsmitarbeitern genau diesen SOTEU-Moment präzise durchgeplant. Die Federführung hat die Generaldirektion Kommunikation, zu der auch der imposante Sprecherdienst zählt. Letzterer arbeitet Hand in Hand mit dem Kabinett der Kommissionspräsidentin an dem Jahresprojekt. Redenschreiber, Social Media Teams, der hauseigene Transkriptionsdienst und Kommunikationsassistenten schnaufen nach dem Auftritt der Präsidentin erstmal kräftig durch, bevor es an die Interpretation und Umsetzung der Chefinnen-Pläne geht – für alle der rund 32.000 Kommissionsmitarbeiter. Jasmin Kohl
die parlamentarische Sommerpause ist vorbei, die EU-Abgeordneten sind zurück in Brüssel. Doch viel Zeit, um anzukommen, bleibt nicht. Das Fit-for-55-Gesetzespaket, das die Kommission im Juli vorgelegt hat, duldet keinen weiteren Aufschub. Der Ball liegt beim Parlament und dort geht es dieser Tage darum, die Zuständigkeiten abzustecken. Erste Personalien zeichnen sich ab.
Nachdem wir gestern einen Blick auf die europapolitischen Aspekte des Wahlprogramms der Union für den 26. September geworfen haben, steht in dieser Ausgabe das Papier der FDP im Fokus.
Ein Programm will heute auch die EU-Kommission vorstellen: ihren Arbeitsplan für die kommenden 12 Monate. Eine Preview lieferte EU-Kommissar Maros Sefcovic, der für die Planung zuständig ist, schon gestern. Eric Bonse war dabei.
Einen Zielfkonflikt zwischen Binnenmarkt- und Klimaschutz will Jean-Bernard Lévy ausgemacht haben. Bei einer wirtschaftspolitischen Diskussion in Brüssel forderte der Chef des französischen Energiekonzerns EDF eine klare Prioritätensetzung der Kommission. Und zwar für Klimaneutralität, denn EDF will neue Atomkraftwerke bauen.
Kaum zurück aus der parlamentarischen Sommerpause geht es für viele Europaabgeordnete nahtlos dort weiter, wo sie im Juli aufgehört haben. Kurz vor der Pause hatte die Kommission ihr beispielloses Fit for 55 Gesetzespaket zur Umsetzung der EU-Klimaziele vorgestellt. Die Vorschläge sorgten in den vergangenen Wochen bereits für kontroverse Diskussionen. Nun liegt der Ball beim EU-Parlament und die Zeit drängt. Das 1,5-Grad-Ziel ist kaum noch zu erreichen, das hat spätestens die Veröffentlichung des jüngsten IPCC-Berichts noch einmal deutlich gemacht.
In diesen Tagen entscheidet sich, wer als Berichterstatter die einzelnen Kommissionsvorschläge bearbeitet, einen Konsens im jeweiligen Ausschuss finden muss und letztlich die Position des Parlaments bei den Verhandlungen mit Kommission und Rat vertritt. Entsprechend groß sind die Begehrlichkeiten, denn die vorgelegten Gesetzesentwürfe sind teils sehr umstritten.
Besonders eilig hatte es dem Vernehmen nach der Vorsitzende des Umweltausschusses Pascal Canfin (Renew). Der EU-Abgeordnete aus Frankreich bestellte bereits am Montag die Ausschuss-Koordinatoren der jeweiligen Fraktionen ein, um die Berichte an den Höchstbietenden zu versteigern. Hierfür werden den Fraktionen zu Beginn der Legislaturperiode Punkte zugeteilt – abgängig von ihrer Größe.
Der größte Brocken des Fit for 55 Pakets, die Reform des Europäischen Emissionshandels (ETS), geht erwartungsgemäß in die größte Fraktion: die der Christdemokraten. Berichterstatter für die Reform, so heißt es in Parlamentskreisen, dürfte Peter Liese (CDU) werden, umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Eine Entscheidung soll nächste Woche fallen.
Die Schattenberichterstattung bei den Grünen übernimmt Michael Bloss. “Die Reform des Emissionshandels wird der größte Treiber in der europäischen Klimapolitik werden. Mit ihm können wir den europaweiten Kohleausstieg auf 2030 vorziehen“, sagte Bloss zu Europe.Table.
Die deutsche Führung beim ETS kommt nicht von Ungefähr: Als Industrienation ist Deutschland in der Debatte um die Reform stark vertreten, für Verkehr und Gebäude ein zweites ETS einzuführen ist im Grunde ein deutsches Projekt und auch die bevorstehende Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Die Parteien wollen ihre Positionen abstecken und die sind keinesfalls kohärent.
Für die CDU/CSU ist der marktwirtschaftliche Ansatz des Emissionshandels auch im Gebäude und Verkehrsbereich das Leitinstrument schlechthin. Die Grünen sind da skeptischer, bevorzugen ordnungspolitische Maßnahmen über Standards und auch in anderen Ländern ist die Besorgnis groß, das ETS 2 werde seine Lenkungswirkung verfehlen und zu sozialen Schieflagen führen.
Den Berichterstattern stehen also schwierige Verhandlungen bevor. Mit einem Beginn der Triloge wird in Brüssel im zweiten Halbjahr 2022 gerechnet. Erste Ergebnisse werden für das Frühjahr 2023 erwartet.
Daneben wird auch der Klima-Sozialfonds von den Christdemokraten bearbeitet, womöglich sogar gemeinsam mit dem ETS. Der Fonds soll mittels Milliardenhilfen die Sozialverträglichkeit der grünen Transformation sicherstellen und wird zum Teil aus den Einnahmen des ETS gespeist. Auch die Neufassung der Lastenteilung (Effort Sharing) geht an die Christdemokraten.
Für den Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) werden die Sozialdemokraten zuständig sein. Berichterstatter wird der Niederländer Mohammed Chahim. Die Liberalen bestimmen den Berichterstatter für die neuen CO2-Grenzwerte von Autos und den Grünen für die Landnutzungsverordnung: Ville Niinistö aus Finnland
Die Erneuerbare Energien Richtlinie sowie die Energieeffizienzrichtlinie werden im Industrieausschuss verhandelt. Welchen Fraktionen hier die Berichterstattung zukommt, steht noch aus. Sollte die EVP sich das Erneuerbare-Dossier sichern, könnte der CDU-Abgeordnete Markus Pieper Berichterstatter werden. Das Treffen der ITRE-Koordinatoren ist für den 15. September angesetzt.
Der Verkehrsausschuss wird federführend für die Richtlinien ReFuelEU Aviation und FuelEU Maritime sowie zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zuständig sein. Die Berichterstatter werden voraussichtlich erst im Oktober benannt. Mit der Energiesteuerrichtlinie beschäftigt sich der Wirtschafts-, mit der EU-Waldstrategie der Landwirtschaftsausschuss.
EU-Funktionalität
Institutionelle Reformen und eine gesamteuropäische Abstimmung über eine Verfassung einer föderalen EU schreiben sich die Liberalen ins Programmheft. Nach Vorstellung der FDP soll das Europaparlament zudem ein Initiativrecht erhalten und die Kommission auf höchstens 18 Kommissarinnen und Kommissare verkleinert werden.
Weltverantwortung
Die FDP strebt in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einen Wechsel hin zur qualifizierten Mehrheitsentscheidung an, der bisherige “Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik” soll durch einen echten EU-Außenminister ersetzt werden.
Auch die FDP setzt auf die Integration europäischer Streitkräfte williger Mitgliedstaaten und will ein EU-Hauptquartier sowie eine Europäische Sicherheitsakademie – um irgendwann beim Ziel EU-Armee unter parlamentarischer Kontrolle anzukommen.
Welthandelsordnung
Der Wunsch nach strategischer Souveränität sei unterstützenswert, insbesondere bei Energieversorgung, Rohstoffen und digitaler Technologie, so die Liberalen. Die EU müsse in Handels- und Entwicklungspolitik strategischer agieren, aber keinesfalls in Protektionismus verfallen.
Als Teil des angestrebten strategischen Selbstverständnisses formuliert die FDP eine gemeinsame EU-Energieaußenpolitik. Hier seien stets auch Außen- und Sicherheitsinteressen aller EU-Mitgliedstaaten betroffen.
Asylpolitik
Die FDP will das Asylsystem insgesamt reformieren und Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem bisherigen System herausnehmen. Sie will das EU-Asylsystem überarbeiten und strebt eine verbindliche Verteilung unter den Mitgliedstaaten an – notfalls über eine Koalition der Willigen. Staaten, die sich nicht beteiligen, sollen dann weniger Mittel aus dem Haushalt erhalten.
Rechtsstaatsmechanismus
Die FDP sieht Artikel 7 als untauglich an und plädiert für Konditionalität bei den EU-Strukturfonds.
Stabilitätspakt, Währungs- und Fiskalpolitik
Die FDP will den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem Währungsfonds umgestalten, der auch als Wächter über die Maßnahmen in Hilfsmittel empfangenden Ländern wirken soll. Die Liberalen wollen die Maastricht-Kriterien härter durchsetzen. Eigenständige EU-Steuern lehnt die FDP ebenso ab wie eine weitere Schuldenaufnahme durch die EU.
Innovation, Innovation, Innovation – statt Einschränkungen oder Verzicht will die FDP technischen Fortschritt, um die Klimaziele zu erreichen. Das erwähnen die Liberalen an jeder Stelle im Wahlprogramm, bleiben jedoch meist schuldig, wie genau diese Innovation aussehen soll. Das Parteiprogramm wirkt deshalb wie eine Ansammlung von Ideen, deren Umsetzungsmethoden teils nur sehr unkonkret angerissen wird.
Bioökonomie
Die Liberalen wollen keine Verbote klimaschädlicher Wirtschaftszweige und setzen stattdessen auf Innovationen: “Klebstoff aus Pflanzen, Smartphone-Displays aus Zucker oder T-Shirts aus Kaffeesatz”, das alles sei möglich, schreibt die FDP in ihrem Programm. Mit der Bioökonomie wollen sie natürliche Ressourcen auf innovative Weise nutzen, um neben der Bekämpfung der Klimakrise auch noch wirtschaftliches Wachstum voranzutreiben.
Dazu gehört auch eine EU-weite Kreislaufwirtschaft durch Recycling. Im Gegensatz zu anderen Parteien will die FDP allerdings nicht, dass Verpackungsabfälle gesetzlich unterbunden werden – das bezeichnen sie als “rechtliche Diskriminierung” -, sondern möchte stattdessen innovative Wiederverwertungstechnologien fördern. Detaillierte Beschreibungen, wie die Bioökonomie oder die Wiederverwertung von Abfällen aussehen könnten, bleiben die Liberalen in ihrem Programm noch schuldig.
Emissionshandel
Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) ist für die FDP das Leitinstrument auf dem Weg zur Klimaneutralität und dem 1,5-Grad-Ziel. Sie wollen, dass die Politik anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse ein jährlich sinkendes CO2-Limit festlegt. Den Rest wollen sie dem freien Markt, den Entwicklern, Ingenieuren und Wissenschaftlern überlassen, die die Technologien zur CO2-Vermeidung nach den Regeln der Marktwirtschaft zur Verfügung stellen.
Carbon Leakage
Die FDP will Carbon Leakage verhindern und den Schutz vor Abwanderung von Unternehmen ausbauen. Wie das gelingen soll, verrät das Parteiprogramm nicht.
Carbon Capture
Im Vergleich zu anderen klimapolitischen Aspekten, wird das FDP-Parteiprogramm beim Thema Geo-Engineering sehr konkret. Carbon Capture sehen die Liberalen als wirksame Methode, CO2 aus der Atmosphäre zu filtern, um es anschließend langfristig zu lagern. Wer das tut, soll künftig ein ETS-Zertifikat pro Tonne gebundenes CO2 erhalten, welches anschließend auf im EU-ETS gehandelt werden kann. Außerdem möchte die FDP das 55-Prozent-Reduktionsziel der EU um ein 5-Prozent-Ziel für Negativemissionstechnologien wie Carbon Capture ergänzen.
Ausbau Erneuerbare Energien
Die FDP will die EEG-Umlage abschaffen, um die Strompreise in Deutschland zu senken. Das würde auch die Förderung der Erneuerbaren beenden. Zusätzlich lehnen die Liberalen “gesetzlich vorgegebene Ausbaupfade für einzelne Technologien und staatlich garantierte Abnahmepreise” von Erneuerbaren ab.
Stattdessen wollen sie Erneuerbare in den freien Wettbewerb überführen und deren Ausbau durch die marktwirtschaftlichen Anreize des ETS vorantreiben. Fossile Energie werde unrentabel teuer, sodass der Zubau der Erneuerbaren “nachfragegetrieben” erfolge, heißt es im Parteiprogramm.
Wasserstoff
Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sollen neben Strom zur zweiten Säule des Energiesystems werden. Dabei akzeptiert die FDP nicht nur den klimaneutralen grünen Wasserstoff, sondern auch mit fossilem Erdgas erzeugten blauen und mit Methan erzeugten türkisen Wasserstoff.
Dabei setzen die Liberalen auch auf europäische Kooperation. Die “Europäische Wasserstoffunion” soll eine ganzheitliche Lösung für den Energiebedarf des Kontinents sein. Günstige Produktionsstandorte von Erneuerbaren – und somit auch für grünen Wasserstoff – sollen Wasserstoff exportieren. Übersetzt heißt das: Das sonnenreiche Süd-Europa produziert den Strom für den sonnenärmeren Norden.
Mobilität
Wie in der gesamten Klimapolitik setzt die FDP auch in verkehrspolitischen Fragen auf Innovation. Sie fordern mehr Technologieoffenheit beim Bau umweltschonender Fahrzeuge, wollen die Kaufprämie für E-Autos abschaffen und so synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff als gleichwertige Alternativen etablieren.
Verbote, wie die von Dieselfahrzeugen oder Verbrennern, werden strikt abgelehnt. Stattdessen wollen die Liberalen den EU-ETS nutzen, um klimafreundliche Antriebstechniken und alternative Kraftstoffe voranzubringen. Überhaupt soll der ETS auf den gesamten Verkehrssektor ausgeweitet werden, da er “eine Deckelung des Gesamtausstoßes an Klimagasen” garantiere. Die von der EU festgelegten CO2-Flottengrenzwerte sollen zudem überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Während das deutsche Schienennetz in Staatshand bleiben soll, will die FDP die Verkehrsunternehmen privatisieren, um einen Wettbewerb zu fördern, von dem sie sich schnellere Modernisierung und niedrigere Preise erhoffen.
Beim Flugverkehr begrüßen die Liberalen die Idee des “Single European Sky”. Dabei solle Deutschland ein “widerstandsfähiges, nachhaltiges und effizientes Flugverkehrsmanagement einsetzen”. Wie sie das umzusetzen gedenken, bleibt offen.
In der Digitalpolitik sind die Kompetenzbeimessungen durch die Bundesbürger an die FDP hoch, bei einer Regierungsbeteiligung müsste sie hier entsprechend auch liefern, um nicht zu enttäuschen. Die FDP bezieht sich in ihrem Wahlprogramm regelmäßig auf laufende und kommende EU-Initiativen.
Bundesministerium für digitale Transformation
Die FDP hatte bereits 2017 in den Jamaika-Sondierungen ein Digitalministerium gefordert. 2021 ist die Forderung erneut auf dem Tisch, doch konkret sind die Liberalen hierzu bislang öffentlich/schriftlich nicht geworden, die konkreteste Beschreibung ist bis heute ein Parteitagsbeschluss vom 19.09.2020.
Digitale Märkte
Zwar sieht die FDP Konzentration als potenziell schädlich an – eine Schaffung nationaler Champions als Gegengewicht wird jedoch abgelehnt. Grundsätzlich wollen die Liberalen eine wirksame Gatekeeper-Regulierung erreichen und begrüßen daher den DMA “als ergänzende europäische Regulierung”.
Zur Förderung der Flexibilität in den Märkten wollen die Liberalen zudem Erleichterungen bei der Datenportabilität schaffen, mittelfristig auch die Interoperabilität zwischen Messengern befördern.
Digitale Dienstleistungen
Für die FDP muss der Digitale Binnenmarkt weiter vertieft werden. Die Vertragsfreiheit soll dabei jedoch aufrechterhalten bleiben. Damit dürften Händler sich auch künftig aussuchen, ob sie auch in andere EU-Staaten liefern wollen.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wollen die Liberalen abschaffen und durch einen Regulierungsmix ersetzen, bei dem Selbstregulierungseinrichtungen eine stärkere Rolle spielen sollen. Wie sich dies zum Digital Services Act verhält, bleibt dabei offen.
Datenpolitik
Die Liberalen begrüßen den EU-Data Governance Act, ohne ihn zu nennen, sofern hierdurch mehr Selbstbestimmung entsteht. Auch die als Data Act geplante EU-Verordnung für Datenmärkte sehen die Liberalen offenbar grundsätzlich positiv, wollen aber den Datenzugang zu privaten Datenschätzen nur unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen. Datenteilungspflichten, wie SPD-seitig angedacht, lehnen sie ab. Beim Schutz personenbezogener Daten setzen die Liberalen auf technische Lösungen (Privacy by Design and Default und Personal Information Management Systems – PIMS).
Vorratsdatenspeicherung
Die FDP lehnt die Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat ab und fordert stattdessen eine europarechtliche Grundlage für das grundrechtsschonendere, alternative Quick-Freeze-Verfahren. Insgesamt fordern die Liberalen ein Moratorium für neue Überwachungsmaßnahmen, bis eine “Überwachungsgesamtrechnung” für das Sicherheitsrecht durchgeführt worden sei. Hier sind sich Liberale und Grüne deutlich näher als Liberale und SPD oder Union.
Netzneutralität
Die FDP will weiterhin ein Best-Effort-Internet mit Qualitätsklassen.
Urheberrecht
Das Urheberrecht soll nach Vorbild des amerikanischen “Fair Use”-Prinzips weiterentwickelt werden und eine Bagatellschranke erhalten. Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger wollen.
Cybersicherheit
Eine Hersteller-Updateverpflichtung für übliche Nutzungsdauern dürfte in Koalitionsverhandlungen noch die unumstrittenste Forderung sein: Ein Recht auf Verschlüsselung, ein Hackback- und ZeroDay-Verbot – die FDP ist hier auf klarem Gegenkurs zu den Unionsparteien und Teilen der SPD.
Digitale Souveränität
Die Liberalen betonen, es ginge um offene, strategische Souveränität
Digitalsteuer
Die beiden Parteien setzen auf den Prozess im Rahmen der G20. In der EU soll eine gemeinsame Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage Wettbewerbsverzerrungen verhindern.
Die FDP hat bei den europäischen Themen außerhalb der Finanz- und Stabilitätspolitik eine relativ flexible Position. Allerdings besteht das Problem, dass sie sowohl mit Grünen als auch SPD und CDU Kompromisslinien finden muss, die für alle drei Akteure und ihren Parteien vermittelbar sind.
In der Europapolitik
Veränderungen am Prinzip nationaler Schuldendienste oder die Flexibilisierung von Stabilitätskriterien scheinen für die FDP schwer vertretbar. Die liberale Position dürfte mit der Union kompatibler als mit SPD und Grünen sein.
In der Klima- und Umweltpolitik
Die FDP setzt voll und ganz auf den Emissionshandel und lehnt jede weitere staatliche Regulierung zum Erreichen der Klimaziele weitgehend ab. Diese Position würde bereits in Sondierungen zu Konflikten führen. Als wahrscheinlich kleinster Akteur am Verhandlungstisch müsste die FDP sich auf Abstriche einstellen. Immerhin: Dass der Emissionshandel eine leitende Rolle bei dem Klimazielen spielen soll, darin sind sich alle einig.
In der Digitalpolitik
In der Digitalpolitik drohen ernsthafte Konflikte mit der Union und Teilen der SPD vor allem beim Thema Innere Sicherheit. Hier ist die Nähe von Grünen und FDP deutlich größer, was die Debatten spannend machen könnte. Bei der Forderung nach einem Digitalministerium standen die Chancen für die FDP-Position noch nie so gut wie in dieser Wahl, hier sind Union und FDP theoretisch für den gleichen Ansatz zu haben.
Um einen Teil des europäischen Wiederaufbaufonds “Next Generation EU” zu finanzieren, will die Kommission bis 2026 insgesamt 250 Milliarden Euro in sogenannten Green Bonds herausgeben. Dabei handelt es sich um staatliche zweckgebundene Geldanleihen. Die ersten grünen Bonds sollen schon im Oktober aufgesetzt werden.
In Green Bonds investiertes Geld darf nur in Klimaschutzmaßnahmen in den Mitgliedstaaten fließen. Die Bonds sind an Projekte aus neun vorgegebenen Kategorien geknüpft – darunter Klimawandelanpassung, emissionsfreie Mobilität und Energieeffizienz. Die Kategorien richten sich nach den Zielen des Green Deal.
Die Nachfrage nach grünen Anleihen am Finanzmarkt dürfte immens sein, denn das bisherige Angebot ist überschaubar und die Bereitschaft, in grüne Projekte zu investieren, ist riesig. Die EU wäre mit ihren Plänen bis 2026 der größte Herausgeber von Green Bonds weltweit und erhofft sich dadurch, globale Standards bei der Finanzierung des Klimaschutzes setzen zu können. luk
Der Chef des französischen Energiekonzerns EDF, Jean-Bernard Lévy, hat eine klare Prioritätensetzung bei der Dekarbonisierung angemahnt. Die EU-Kommission müsse erklären, ob künftig die Klimaneutralität Vorrang habe, oder ob weiter die Regeln des Binnenmarkts gälten. Dies sei entscheidend für Investitionen in CO2-neutrale Energien, sagte Lévy in einer Debatte beim wirtschaftspolitischen Thinktank Bruegel in Brüssel. “Da gibt es einen Konflikt zwischen den Prioritäten”, so Lévy. Der Schutz des Klimas müsse Vorrang vor den Binnenmarkt-Regeln haben.
Widerspruch kommt von EU-Klimakommissar Frans Timmermans. Dessen Kabinettschef Diederik Samson sagte, die Rettung des Planeten sei das neue europäische Ziel, der Binnenmarkt ein Mittel. Einen Zielkonflikt könne er nicht erkennen. Das eigentliche Problem bestehe vielmehr darin, Staaten und Märkte auf Klimaneutralität zu verpflichten und im Gleichschritt voranzukommen. “Wir müssen die richtigen Schritte zu richtigen Zeit setzen, es geht um eine Art Tango”, so Samson. Der im Juli vorgelegte Aktionsplan “Fit for 55” enthalte alle nötigen Elemente.
Hintergrund der Debatte sind Pläne von EDF, massiv in den Bau neuer Atomkraftwerke zu investieren. Auch eine Übernahme der Nuklearsparte von General Electric ist im Gespräch. Dafür braucht der Konzern, an dem der französische Staat die Mehrheit hält, grünes Licht aus Brüssel. In der EU-Kommission ist umstritten, ob die Kernkraft als “grüne” Energie eingestuft wird. Deutschland und Österreich sind strikt dagegen, Frankreich wirbt hinter den Kulissen für EDF. Eine Entscheidung der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomie wird im Herbst erwartet. Eric Bonse
Die Wirtschaft der Eurozone ist im Frühjahr mit mehr Tempo aus der Corona-Krise herausgekommen als gedacht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von April bis Juni zum Vorquartal um 2,2 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. In einer früheren Schätzzahl war von 2,0 Prozent die Rede gewesen. Zu Jahresbeginn war die Wirtschaft noch um 0,3 Prozent geschrumpft – Ende 2020 gar um 0,4 Prozent. Die Aufholjagd zeigt sich auch im Vergleich mit dem Vorjahr. Das BIP kletterte im Frühjahr gegenüber dem zweiten Quartal 2020 um revidiert 14,3 Prozent.
Basierend auf saisonbereinigten Zahlen lag das BIP-Volumen allerdings noch 2,5 Prozent unter seinem höchsten Wert vom vierten Quartal 2019 – also vor Ausbruch der Pandemie. In den USA ist die Konjunkturerholung schon weiter fortgeschritten: Dort lag das BIP im Frühjahr um 0,8 Prozent über dem Niveau des Schlussquartals von 2019.
Die EU-Kommission sagt für das laufende Jahr beim BIP der Eurozone ein Plus von 4,8 Prozent voraus. Laut Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni könnte das Wachstum sogar noch höher ausfallen. Die Stimmung bei den Firmen sei gut. Die Wirtschaft habe offenbar gelernt, mit den abgeschwächten Pandemie-Einschränkungen zu leben. rtr
Die EU-Kommission will sich in den kommenden Monaten näher mit dem Aktionsplan zur Beschaffung von wichtigen Rohstoffen befassen (Europe.Table berichtete). Der akute Engpass bei Halbleitern unterstreiche die strategische Bedeutung dieses Themas, sagte EU-Kommissar Maros Sefcovic in Brüssel. Anhand einer Liste mit 30 “kritischen” Rohstoffen will die Behörde für Handelspartnerschaften und Unternehmens-Allianzen werben. Vorbild sei die Batterie-Allianz, sagte Sefcovic. Batterien sollen künftig einen “digitalen Pass” erhalten, um die Verwendung besser nachverfolgen zu können und das Recyling zu erleichtern. Hier wolle Brüssel neue Standards setzen.
Als weitere Schwerpunkte für die kommenden zwölf Monate nannte Sefcovic, der für die Planung der Brüsseler Behörde zuständig ist, die Nachhaltigkeit im Gesundheitssystem und bei der Lebensmittel-Produktion, die Dekarbonisierung im Energiesektor sowie Datenmanagement und Künstliche Intelligenz. Die Hochwasser-Katastrophe und die Waldbrände im Sommer hätten die Dringlichkeit der Dekarbonisierung gezeigt. Die Kommission will die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern senken, die Importe sollen von derzeit über 60 Prozent auf unter 15 Prozent gedrückt werden.
Konkrete Maßnahmen oder Termine nannte Sefcovic noch nicht; offiziell werden die Pläne heute vorgestellt. Insgesamt gehe es darum, die “offene strategische Autonomie” voranzubringen. Damit beschreibt die EU-Kommission den Versuch, die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, zugleich aber die Märkte offenzuhalten und Protektionismus zu vermeiden. Das Debakel in Afghanistan habe gezeigt, dass dies vor allem im Bereich der Rüstung und der Verteidigung dringlich sei. Die EU-Staaten waren bei ihrer Evakuierung aus Kabul fast vollständig von den USA abhängig. Eric Bonse
Volkswagen sieht gute Voraussetzungen zur Finanzierung der benötigten Batteriezellfabriken. “Das Kapital dafür gibt es im Markt”, sagte Konzernchef Herbert Diess im Gespräch mit Reuters und der “Süddeutschen Zeitung” am Rande der Automobilmesse IAA Mobility in München. “Das hat man bei Northvolt gesehen.” Der schwedische Akku-Hersteller, der mit VW zusammenarbeitet, hatte sich für den Ausbau seiner Produktionskapazitäten in Europa in großem Stil Mittel bei Investoren beschafft. Die Renditen, die mit Batteriefertigung erzielt würden, seien hoch, sagte Diess. “Es ist ein Nachfragemarkt und es bleibt ein Nachfragemarkt auf absehbare Zeit.”
Diess hatte unlängst die Möglichkeit eines Börsengangs für die Batteriezellaktivitäten ins Spiel gebracht. Neben Partnerschaften wäre dies eine der Möglichkeiten zur Finanzierung. Der Wolfsburger Konzern will bis 2030 allein in Europa sechs Akku-Fabriken hochziehen. Insider gehen davon aus, dass jedes Jahr eine neue Zellfabrik in Betrieb genommen werden müsste. Experten schätzen den für die Fabriken nötigen Finanzbedarf auf mindestens zwölf Milliarden Euro. Einen Teil davon will VW selbst stemmen.
Als Standorte für Batteriezellfabriken stehen bereits Schweden, wo VW mit Northvolt zusammenarbeitet, und Salzgitter in Niedersachsen fest. Für Salzgitter hat sich VW mit dem chinesischen Partner Gotion zusammengetan. Als dritter Standort kristallisiert sich Spanien heraus. Für die weiteren kommen Portugal, Frankreich und mehrere osteuropäische Länder infrage, darunter Tschechien, wo die VW-Tochter Skoda ihren Sitz hat. Für den Aufbau der Batteriezellfabriken müssen in großem Stil Maschinen und Rohstoffe beschafft werden. rtr
Die Europäische Kommission will im Justizstreit mit Polen Strafzahlungen für das osteuropäische Land. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Juli entschieden, dass die polnische Disziplinarkammer für Richter den Gesetzen der EU widerspricht. Da das Gremium nicht alle Ansprüche an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Richtern erfülle, müsse es aufgelöst werden. Am Dienstag forderte die EU-Kommission den EuGH nun auf, gegen Polen ein tägliches Zwangsgeld zu verhängen, solange die vom Gericht verhängten Maßnahmen nicht vollständig umgesetzt würden.
Die Disziplinarkammer war von der Regierung der nationalistischen PiS-Partei als Teil einer umstrittenen Justizreform eingeführt worden. Nach dem EuGH-Urteil hatte die Regierung in Warschau Mitte August angekündigt, dass die Disziplinarkammer im Rahmen einer Justizreform in den kommenden Monaten aufgelöst werde. rtr
Bernd Lange leitet seit 2014 als Vorsitzender den Ausschuss für internationalen Handel im Europäischen Parlament. In dieser Rolle hat der 65-Jährige auch die Ziele des Green Deals im Blick. Seine persönliche Überzeugung: “Zentral ist, dass man Menschen mitnimmt und ihnen eine Lebensperspektive gibt und nicht rein konfrontativ agiert”. Beim kürzlich verabschiedeten Maßnahmenpaket “Fit for 55” bemängelt Lange die verengte europäische Perspektive. Die EU-Kommission will den Import klimaschädlich produzierter Ware verteuern, eine Art Klimazoll (CBAM) soll eingeführt werden. Das findet Lange problematisch: “Man muss natürlich besonders gegenüber Entwicklungsländern das Augenmaß behalten, damit die nicht vom Handel ausgeschlossen werden.”
Wie eine globale Perspektive aussehen könnte? Lange nennt hier das Sicherstellen der Nachhaltigkeit von Lieferketten sowie Investitionen, um die exportstarken Industrien Europas wie die Automobilbranche klimafreundlicher zu machen: “Nicht dass wir beim Umstieg in die Elektromobilität in eine Situation kommen, in der die eben nicht nachhaltige Gewinnung von Rohstoffen, zum Beispiel Lithium, befördert wird”.
Schon während er in Göttingen Evangelische Theologie und Politikwissenschaften studierte, diskutierte Bernd Lange viel über Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Ihm war damals klar, “dass viele Dinge nicht mehr national, auch nicht europäisch zu lösen sind, sondern nur global”, sagt er heute. Geboren ist Bernd Lange in Oldenburg. 1974 machte er sein Abitur, wurde SPD-Mitglied und begann zu studieren. Ab 1983 arbeitete er zunächst als Lehrer am Gymnasium Burgdorf.
Mehr als zehn Jahre später – 1994 – zog Lange dann das erste Mal für zehn Jahre ins Europäische Parlament ein. In dieser Zeit war er unter anderem Mitglied im Umweltausschuss. Nach vier Jahren als Abteilungsleiter beim Deutschen Gewerkschaftsbund im Bezirk Niedersachsen ging es für Lange 2009 wieder ins EU-Parlament. Im selben Jahr trat der Lissabon-Vertrag in Kraft. Und damit wurde Handel auf EU-Ebene bedeutsamer. Inzwischen ist der “handelspolitische Ausschuss ein sehr kraftvoller”, findet Lange. Er verweist auf das CETA-Abkommen: “Wir sind durchaus selbstbewusst, dass wir selbst fertiggestellte Verhandlungstexte infrage stellen“.
Und trotzdem stößt die europäische Handelspolitik nicht nur beim Green Deal an Grenzen. Beim Handel mit digitalen Dienstleistungen fehlen noch Standards, die freien Datenfluss in den Unternehmen sicherstellen und gleichzeitig personenbezogene Daten schützen. “Das muss innerhalb der WTO angegangen werden, wie auch Standards für den digitalen Handel insgesamt”, findet Bernd Lange. Trotz der Schwierigkeiten, z. B. wenn es um eine gerechte Besteuerung von digitalen Dienstleistungen geht, sieht Lange auch die Vorteile der Digitalisierung: “Mit intelligenter Digitalisierung kann man Handel erleichtern.”
Und auch im Gebilde “EU” hat die Digitalisierung kürzlich einen Schub bekommen: “Eines der wenigen positiven Ergebnisse des Lockdowns, dass wir uns jetzt alle mit der digitalen Technik vertraut gemacht haben“. Kommunikationsplattformen zum schnellen Austausch begrüßt Bernd Lange ausdrücklich. Auch wenn er sich sicher ist, dass es auch in Zukunft noch Präsenztermine braucht, denn “das wichtigste passiert nebenbei“. Zu Hause fühlt sich Bernd Lange in Hannover. Als Ausschussvorsitzender muss er in der Regel von Montag bis Donnerstag im Parlament anwesend sein: “Da habe ich dann auch vieles in Brüssel liebgewonnen”. Mit Straßburg hingegen hat er sich bis heute nicht anfreunden können. Paula Faul
Die “out of office”-Meldungen werden immer rarer. Das Europa-Viertel, das zeitweise an eine Geisterstadt erinnerte, ist wieder dicht bevölkert. Lobbyisten, Parlamentarier, Diplomaten, Institutionsmitarbeiter, Journalisten und Wissenschaftler treffen sich eifrig zum informationsreichen Kaffee auf den Terrassen rund um den “Rond-point Schuman” und die “Place Jourdan”. Das politische Brüssel ist endgültig zurück aus der Sommerpause.
Ob Kommissionspräsidentin von der Leyen den Brüsseler Spätsommer genießt, ist fraglich. Denn in genau einer Woche hält sie in Straßburg ihre wichtigste Rede des Jahres. Die “Rede zur Lage der Union“ (“SOTEU”) läutet seit 2015 die europapolitische Rentrée ein. So viel Scheinwerferlicht bekommt sonst nur der Eurovision. 2020 zog von der Leyen auf stolzen 15 Seiten in ihrer ersten SOTEU Bilanz, erinnerte an ihre politischen Prioritäten und erklärte ihre Visionen für die Zukunft der Europäischen Union. Auch die eine oder andere politische Ankündigung ist traditionsgemäß dabei.
Hinter den Kulissen hat eine ganze Armee von Kommissionsmitarbeitern genau diesen SOTEU-Moment präzise durchgeplant. Die Federführung hat die Generaldirektion Kommunikation, zu der auch der imposante Sprecherdienst zählt. Letzterer arbeitet Hand in Hand mit dem Kabinett der Kommissionspräsidentin an dem Jahresprojekt. Redenschreiber, Social Media Teams, der hauseigene Transkriptionsdienst und Kommunikationsassistenten schnaufen nach dem Auftritt der Präsidentin erstmal kräftig durch, bevor es an die Interpretation und Umsetzung der Chefinnen-Pläne geht – für alle der rund 32.000 Kommissionsmitarbeiter. Jasmin Kohl