Orientieren auch Sie sich an den Energielabels, wenn Sie eine Waschmaschine oder einen Gefrierschrank kaufen? Nicht nur klassische Haushaltsgeräte, sondern auch unsere IT-Endgeräte wie Smartphones und Tables sollen künftig unter die Ökodesign-Richtlinie fallen – und das nicht nur mit Angaben zum Energieverbrauch. Eric Bonse hat dem Thema nachgespürt und meldet Verzug: Die Kommission hat sich übernommen, die Regelung verspätet sich.
Europäische Gesetzgebung besteht immer aus drei Beteiligten: Kommission, Parlament und Rat. Die wichtigen Digitaldossiers (DSA, DMA, DGA, AIA, ePrivacy) haben nach dem Europäischen Rat vor eineinhalb Wochen nun teils deutliche Fortschritte in den Ratsarbeitsgruppen gemacht. Worüber diskutiert wurde, wer sich durchsetzen konnte und wie die weiteren Zeitpläne nun aussehen, darf ich Ihnen heute zusammenfassen.
Neuigkeiten gibt es beim Thema Mikroelektronik: Das zweite Vorhaben von EU-Mitgliedstaaten kommt voran, im November soll die Entscheidung fallen, welche Projekte aus Deutschland in das IPCEI Mikroelektronik II eingehen sollen.
Direkt vom G20-Gipfel in Rom fliegen viele Delegationen weiter nach Glasgow, wo am Sonntag die COP26-Klimakonferenz begonnen hat, von der wir Ihnen in den kommenden Tagen noch intensiv berichten werden. Die Abschlusserklärung der 20 Staats- und Regierungschefs lässt zu wünschen übrig, aber noch ist die Hoffnung auf einen Erfolg in Glasgow vorhanden.
Dass Nachhaltigkeit auch als Abgrenzungskriterium in Handelsstreitigkeiten dienen kann, das beweist die vorläufige Einigung zwischen Joe Bidens US-Regierung und der EU beim Stahlstreit: Die Emissionswerte sollen künftig für Stahl- und Aluminiumzölle zum Kriterium werden, heißt es da nun. Frei übersetzt: China bleibt vorerst außen vor.
Kommen Sie gut in diese Woche, in der in Brüssel Herbstferien sind und in der die Koalition zwischen SPD, Grünen und Liberalen in Berlin weiterverhandelt wird – bislang nach Außen vollständig geräuschlos und ohne jedes größere Leak. Doch ob das bis zum 10. November so bleibt?
Ein energiesparendes Design von Haushaltsgeräten wie Kühlschränken, Waschmaschinen und Monitoren gilt als Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele der EU. Doch die EU-Kommission kommt bei der Überarbeitung ihrer Vorschläge für die verschiedenen Produktgruppen nicht voran. Eine ursprünglich für Mitte Dezember erwartete Novelle für Smartphones und Tablets wurde jetzt auf das kommende Jahr verschoben. Die Hintergründe.
Die Ökodesign-Richtlinie von 2009 ist eine Erfolgsgeschichte – jedenfalls auf dem Papier: Auf ihrer Basis wurden bereits 31 Produktgruppen überprüft und auf Energieeffizienz getrimmt. Von Kühlschränken über Waschmaschinen bis hin zu Fernsehern und Computern reicht die Palette der Ökodesigner; seit dem 1. März 2021 prangen auf diesen Produkten die neuen EU-Energielabel.
Als Nächstes sollten Smartphones und Tablets an die Reihe kommen; die entsprechenden Ökodesign-Regeln wurden kurz vor Weihnachten erwartet. Doch die EU-Kommission hat ihre Vorschläge verschoben. Sie sollen nun erst im ersten Quartal 2022 vorgelegt werden, im Rahmen der “Sustainable Products Initiative”. Außerdem hat die Brüsseler Behörde einen Arbeitsplan zum Ökodesign angekündigt, der die Prioritäten der nächsten Jahre festlegen soll.
Im Europaparlament stößt die Verzögerung auf Unverständnis. Die Abgeordneten hatten große Hoffnung in die Novelle gesetzt und sind nun enttäuscht. “Es ist problematisch, dass Umsetzung und Update der bestehenden Ökodesign-Regeln nur sehr schleppend vorankommen”, kritisiert Anna Cavazzini (Grüne/EFA), die den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz leitet.
Seit dem Amtsantritt der Kommission unter Ursula von der Leyen im Jahr 2019 seien die Ökodesign-Vorschriften für kein einziges Produkt überarbeitet worden. “Das bedeutet unnötige Millionen Tonnen CO2-Emissionen und auch höheren Energiekosten für Verbraucher:innen. Hier muss die Europäische Kommission endlich genügend Ressourcen zur Verfügung stellen.”
Kritik kommt auch von Delara Burkhardt (SPD/S&D). Sie bedauert die Verschiebung und fordert ein Produktdesign, das Reparierbarkeit zum Standard macht. “Es kann nicht sein, dass man sich eine neue Waschmaschine kaufen muss, nur weil eine Schraube locker ist. Die Ökodesign-Richtlinie ist essenzieller Bestandteil des Green Deals und darf nicht auf die lange Bank geschoben werden.”
Keine Probleme mit der Verschiebung haben dagegen die Hersteller und ihre Verbände. Sie warnen seit langem vor Überregulierung und Überforderung. Doppelte oder gar widersprüchliche Regulierungen müssten vermieden werden, fordert der Dachverband Digital Europe. Die Kommission solle sich auf produktspezifische Regeln konzentrieren und nicht versuchen, die Reichweite und Tiefe der Ökodesign-Bestimmungen immer mehr auszuweiten.
Doch genau das ist in Brüssel geplant. Die EU-Kommission will nicht mehr nur “Energiefresser” regulieren, sondern auch andere, nicht energierelevante Produkte erfassen. Es soll künftig auch nicht mehr nur um den “Lebenszyklus” eines Produkts gehen, sondern um Rohstoffe, Produktion, Entsorgung und Recycling – also all jene Aspekte, die für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft relevant sind.
Dieser hohe Anspruch hat sich jedoch als zeitraubend, kostspielig und personalintensiv erwiesen – ein Grund für die Verzögerung beim “Update” der Ökodesign-Regeln. Die EU-Kommission hat sich übernommen und muss nachsitzen. Ein anderer Grund für den Aufschub sind Meinungsverschiedenheiten im Detail. Sie sind bei den EU-Plänen für Smartphones und Tablets offen zu Tage getreten.
Nach den Verordnungsentwürfen aus Brüssel, die nun verzögert wurden, sollen die Hersteller ihre Handys ab 2023 mit langlebigeren Akkus ausrüsten sowie für jedes Modell mindestens fünf Jahre lang Ersatzteile und Sicherheitsupdates liefern. Außerdem will die EU-Kommission das von Kühlschränken bekannte Energielabel auch für Smartphones und Tablets verpflichtend machen.
Die Bundesregierung hat den Entwurf begrüßt. “Da die Produktion den weitaus größten Teil der Treibhausgasemissionen während der Lebensdauer elektronischer Geräte ausmacht und auch beim Recycling nur ein Teil der Rohstoffe zurückgewonnen werden kann, unterstützt die Bundesregierung das Ziel des Verordnungsentwurfs, die Zuverlässigkeit und Reparierbarkeit der Geräte zu erhöhen“, heißt es in einer Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums in Berlin.
Bei den Updates will Berlin sogar noch weiter gehen als Brüssel: Sieben Jahre lang soll gewährleistet sein, dass aktuelle Software zur Vergütung steht. “Zudem sollten Sicherheitsupdates auch separat verfügbar sein, wenn beispielsweise ein älteres Gerät eine neue Betriebssystemversion, die die entsprechenden Sicherheitsupdates enthält, nicht mehr verarbeiten kann”, so das BMWi.
Demgegenüber stehen die Hersteller auf der Bremse. Bei den Sicherheitsupdates sollte man “eher” drei Jahre anstreben, bei Funktionsupdates sogar nur zwei Jahre, heißt es bei Digital Europe. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2018 wurde sogar generell vor Zeitvorgaben für Software-Updates gewarnt. Das geplante Energielabel lehnt der Verband komplett ab, da die Branche sich ohnehin um eine möglichst hohe Energieeffizienz bemühe.
Diese Beispiele zeigen, wie weit die Positionen noch auseinander liegen. In einigen wichtigen Fragen – wie beim Energielabel – scheinen sie sogar unvereinbar. Die mit Spannung erwartete Vorlage aus Brüssel könnte sich daher noch weiter verzögern – sehr zum Leidwesen des Europaparlaments, das mehr denn je aufs Tempo drückt.
Bei der KI-Verordnung gibt es erste Schritte – und selbst bei der seit fünf Jahren überfälligen e-Privacy-Verordnung bewegt sich langsam wieder etwas. Die Bewegung geht nicht zuletzt auf den Europäischen Rat zurück: Die 27 Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrer Sitzung am 21. und 22. Oktober ausdrücklich Fortschritte bei den Digitaldossiers angemahnt.
Streitpunkt beim Digital Services Act war laut Verhandlungskreisen zuletzt die Durchsetzung der Neuregelungen: Frankreich hatte zuletzt Änderungen an der Zuständigkeitsregelung der Aufsichtsbehörden vorgeschlagen und eine Stärkung des Marktortprinzips gefordert.
Laut Kommissionsvorschlag (Artikel 38 bis 41) soll jeder Mitgliedstaat eine führende Aufsichtsbehörde (Digital Services Coordinator, DSC) benennen. Diese wäre für Unternehmen zuständig, die unter den DSA fallen und in diesem Land entweder selbst ihren Sitz, ihre EU-Hauptniederlassung oder ihren nach DSA benannten juristischen Vertreter in diesem Land hat – also eine modifizierte Form des Herkunftslandprinzips.
Der DSC soll sowohl die Behördenkoordination im Mitgliedstaat als auch mit den DSCs anderer Mitgliedstaaten und der EU-Kommission vorantreiben. Zusätzlich kann in bestimmten Fällen die EU-Kommission ein Verfahren an sich ziehen.
Nachdem Frankreichs Position zur Stärkung des Marktortprinzips im Rat keine Mehrheit fand haben sich Vertreter von Mitgliedstaaten nun für eine weitere Stärkung der Kompetenzen der Kommission ausgesprochen.
Keine Veränderungen dürfte es hingegen in der Ratsposition bei der Definition von “sehr großen Onlineplattformen” (VLOPs) geben, für die besondere Pflichten gelten sollen: für diese ist bislang ausschließlich eine Mindestmenge von 45 Millionen täglichen Nutzern innerhalb der EU vorgesehen – hier fordern Parlamentsvertreter andere Kriterien, ein möglicher Verhandlungspunkt im Trilog.
Der DSA soll in der Rats-Arbeitsgruppe Wettbewerb und Wachstum nun möglichst schnell über die Ziellinie kommen: Der dritte Kompromiss-Entwurf soll am 8. November vorliegen, am 11. November finalisiert, am 17. November in COREPER I beraten und die Allgemeine Ausrichtung dann beim Wettbewerbsrat am 25. November beschlossen werden. Damit könnte der Trilog unter französischer Ratspräsidentschaft im Januar beginnen.
Nachdem Deutschland, Frankreich und die Niederlande im Mai einen gemeinsamen Vorschlag für einen neu einzuführenden Artikel 16a unterbreitet hatten, der der Kommission für Gatekeeper auf Basis einer vertieften Marktuntersuchung weitgehende Eingriffsrechte in das Design von Onlineanbietern erlaubt hätte, soll die Ratsposition an dieser Stelle nun erweitert werden.
Anders schaut es jedoch mit dem zweiten enthaltenen Vorschlag aus: Die drei Mitgliedstaaten hatten eine stärkere Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden eingefordert, vor allem der Wettbewerbs- und Kartellbehörden. Hiermit konnten sich die drei Schwergewichte laut Verhandlungskreisen wohl eher nicht durchsetzen, der DMA soll auch weiterhin ausschließlich durch die Europäische Kommission durchgesetzt werden, allerdings in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden.
Auch die Ratsposition zum DMA soll im November durch Ratsarbeitsgruppen und COREPER I finalisiert werden.
Der deutlich weniger umstrittene DGA könnte schon sehr bald final beschlossen werden: Der erste Trilog von Parlament, Rat und Kommission zum DGA fand am 26. Oktober statt und wird von Teilnehmern als sehr konstruktiv beschrieben.
Die Ratsarbeitsgruppe Telekommunikation hat ihre Arbeiten an der KI-Verordnung weiter vorangetrieben. Laut Teilnehmerkreisen werden die Erststellungnahmen zu etwa einem Drittel der Verordnung, inklusive dem umstrittenen Artikel 29 zu Hochrisiko-Anwendungen (Europe.Table berichtete), in den kommenden Wochen erwartet.
Diese ersten Stellungnahmen sollen noch vor Jahresende in einem ersten Teilkompromiss verarbeitet werden.
Bei den Beratungen zur seit fünf Jahren überfälligen E-Privacy-Verordnung, die als Komplementärrecht eigentlich gleichzeitig mit der Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten sollte, sind leichte Fortschritte erzielt worden. Am 18. November soll der nächste Trilog dazu stattfinden.
Kein Verhandlungsmandat bekam die Ratsarbeitsgruppe für die Frage der Speicherung von Verbindungs- und Ortsdaten auf Vorrat (VDS): in Deutschland hatte es Regierungskreisen zufolge Bestrebungen seitens des Bundesinnenministeriums unter seinem scheidenden geschäftsführenden Innenminister Horst Seehofer gegeben, das Thema jetzt doch noch einmal aufzurufen.
Dies wurde SPD-seitig abgelehnt. Die Sozialdemokraten verhandeln derzeit mit Grünen und FDP über die Bildung der nächsten Regierungskoalition – Teile der SPD und weite Teile von Grünen und FDP lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab, im Sondierungsergebnis wurde eine Überprüfung aller Gesetze mit Überwachungscharakter angestrebt.
Die E-Privacy-Verordnung wird absehbar noch mindestens die kommende, französische Ratspräsidentschaft beschäftigen, die zum Jahreswechsel beginnt.
Zur Eröffnung der für zwei Wochen angesetzten 26. “Conference of the Parties”, der Konferenz der Vertragsparteien der Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), die ab heute für die kommenden zwei Wochen in Glasgow tagt, vermittelte Patricia Espinosa, zuständige Generalsekretärin der UNFCCC, Zuversicht und Respekt vor der Größe der Aufgabe: Man stehe an einem entscheidenden Punkt der Geschichte.
“Die Menschheit steht vor großen, aber klaren Entscheidungen”, so Espinosa in ihrer Eröffnungsrede. “Entweder wir entscheiden uns dafür, anzuerkennen, dass Business as Usual den verheerenden Preis, den wir zahlen würden, nicht wert ist. Und schaffen die Transition in eine nachhaltigere Zukunft – oder wir akzeptieren, dass wir in unsere eigene Auslöschung investieren.” Ein Erfolg sei möglich, die Mittel seien bereits bekannt und es liege in der Hand der Konferenzteilnehmer, ob das Pariser Abkommen vollständig implementiert werde, so Espinosa. “Wir müssen nach Glasgow mit Glaubwürdigkeit sagen können, dass wir die 1,5 (Grad) am Leben erhalten haben”, mahnte der britische Konferenzpräsident Alok Sharma.
Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte am Sonntag, die große Mehrheit der Staaten nehme das Versprechen des Pariser Klima-Abkommens zwar ernst, sich alle fünf Jahre neue, bessere Ziele zu setzen. Doch: “Einige große Volkswirtschaften müssen noch folgen und ebenfalls ehrgeizigere Pläne verkünden.” Der geschäftsführende Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) forderte, anlässlich ihrer besonderen Betroffenheit die Interessen der Dritte-Welt-Länder in Glasgow verstärkt in den Blick zu nehmen. Die Konferenz müsse einen “Schutzschirm für die Ärmsten” und Verwundbarsten aufspannen, so der CSU-Politiker. Sie litten schon heute besonders unter den Folgen des Klimawandels.
Geplant ist ein jährliches 100-Milliarden US-Dollar-Paket speziell für diese Länder, von dem bislang aber nur 80 Milliarden Euro zugesagt sind. Im Vorfeld der Konferenz hatte der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth gemeinsam mit dem kanadischen Umweltminister Jonathan Wilkinson einen Plan entwickelt, wie die Summe doch noch zusammenkommen soll. Flasbarth zeigte sich in einem Interview nun optimistisch, dass die Summe doch noch erreicht und ab 2023 überschritten würde: “Das hat allerdings nichts mit Großzügigkeit des globalen Nordens zu tun. Das ist eine Frage von grundlegender Fairness im Umgang miteinander”, sagte Flasbarth.
Deutschland wird mit einer eigenen Delegation bei der Konferenz teilnehmen, die Verhandlungen für alle EU-Staaten führt aber die EU-Kommission.
Unterdessen haben die G20-Staaten bei ihrem Treffen in Rom vor der COP26 eine gemeinsame Position in der Abschlusserklärung festgehalten: “Wir erkennen an, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei 1,5 °C wesentlich geringer sind als bei 2 °C. In der Nähe von 1,5 °C zu bleiben wird bedeutende und wirksame Maßnahmen und Verpflichtungen durch alle Staaten erfordern.” Die Absichtserklärung wird nicht nur von NGOs als unzureichend kritisiert: UN-Generalsekretär Antonio Guterres schrieb auf Twitter, er verlasse Rom “mit unerfüllten Hoffnungen”, aber diese seien “zumindest nicht begraben”. fst/rtr
Beim zweiten “Wichtigen Vorhaben gemeinsamen europäischen Interesses” im Bereich der Mikro-Elektronik geht es langsam voran: Derzeit stimmen sich die beteiligten Mitgliedstaaten am zweiten IPCEI Mikroelektronik und die Europäische Kommission ab, um sich auf die genauen Vorhabenbeschreibungen zu einigen. Diese müssen dem europäischen Beihilfenrecht genügen, sprich: die Ausnahmetatbestände erfüllen, unter denen die EU-Mitgliedstaaten Subventionen für eine Maßnahme fließen lassen dürfen.
Laut Bundeswirtschaftsministerium sind im Haus an der Scharnhorststraße bis zum Anfang Oktober 42 Projektbeschreibungen eingegangen. Aus diesen wird nun im November ausgewählt, welche Projekte im europäischen Prozess weiterverfolgt werden sollen. Bei IPCEIs soll hierbei über Mitgliedstaats-Grenzen hinaus eine Zusammenarbeit stattfinden.
Das zweite Mikroelektronik-Vorhaben soll vor allem Projekte im Bereich Spezialanwendungs-Chips für Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren und Hochleistungschips ermöglichen. Während die Vorstufen wie das Chipdesign noch vergleichsweise günstig zu haben sind, verlangen die Fabrikbetreiber umfangreiche Beihilfen für die mögliche Ansiedlung hochmoderner Chipfabrikation in der EU, wie sie Industriekommissar Thierry Breton und sein scheidender deutscher Wirtschaftsminister-Amtskollege Peter Altmaier vorangetrieben hatten. Wesentlich für den Erfolg dieser Bemühungen könnte dabei in Ergänzung zu den IPCEIs auch der angekündigte European Chips Act sein (Europe.Table berichtete). Durch diesen könnten auch europäische Gelder für diese Vorhaben zur Verfügung stehen, bei den IPCEIs zahlen hingegen ausschließlich die beteiligten Mitgliedstaaten.
Bereits angekündigt hatte Intel-Chef Pat Gelsinger anlässlich der IAA, dass seine Firma in Europa zwei weitere sogenannte Fabs aufbauen möchte, an einem europäischen Standort, der bis zu acht solcher Produktionsstandorte erlaube – ein Gesamtinvestitionsvolumen bis zu 80 Milliarden US-Dollar. Doch bislang jedenfalls meldet Intel keinen Vollzug, so wie auch die Mitbewerber von Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). TSMC hatte konkret deutsche Standorte ins Auge gefasst, auch hier ist noch keine Entscheidung vermeldet worden. Auch Samsung gilt weiterhin als ein möglicher Chipproduzent in Europa. fst
Nach der Beilegung ihres Streits über Strafzölle auf Stahl– und Aluminium streben die USA und die Europäische Union ein globales Abkommen für eine nachhaltigere Produktion in diesem Industriebereich an. Dies teilten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Sonntag bei der Vorstellung der Zollstreiteinigung am Rande des G20-Gipfels in Rom mit. Mit der Einigung wollen beide Seiten auf verhängte und angedrohte gegenseitige Strafzölle aus der Ära von Biden-Vorgänger Donald Trump verzichten.
Die EU wolle zudem das im Stahlbereich eingeleitete Verfahren gegen die USA in der Welthandelsorganisation vorerst stoppen, kündigte von der Leyen an. Zudem wollen beide Seiten nun ein weltweites Abkommen aushandeln, das auch Probleme wie Überkapazitäten und CO₂-Ausstoß bei der Produktion umfassen soll. Andere Länder seien willkommen, sich dem anzuschließen, sagte von der Leyen.
Biden sagte, dass mit dem Abkommen die von der vorherigen Regierung eingeführten Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Europäischen Union sofort aufgehoben würden. Damit würden auch die Kosten für die amerikanischen Verbraucher gesenkt. Zudem soll mit Hilfe einer auf dem CO₂-Verbrauch basierenden Vereinbarung zwischen der EU und den USA über den Handel mit Stahl und Aluminium den Zugang zum US-Markt für “schmutzigen” Stahl etwa aus China beschränken und staatlichen Stahldumping-Praktiken entgegenwirken.
“Diese rechtswidrigen Zölle waren stets ein Hindernis für unsere Bemühungen um eine konstruktive Zusammenarbeit”, so der Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange (SPD/S&D). Die Absicht, eine globale Vereinbarung über nachhaltigen Stahl und Aluminium auszuhandeln, zeige, dass beide Seiten es mit einer Zusammenarbeit zur CO2-Reduktion ernst meinten, so Lange: “Der EU Vorschlag für eine CO₂ -Grenzabgabe bietet eine gute Grundlage für kommende Gespräche.” Man können nun nach vorne schauen. Doch gerade der von Lange angesprochene Grenzausgleichsmechanismus wird in den USA derzeit noch sehr kritisch betrachtet.
Bereits am Samstag hatten die Handelsverantwortlichen beide Seiten den seit 2018 andauernden Konflikt aus der Zeit des damaligen US-Präsidenten Trump ausgeräumt. Laut US-Handelsministerin Gina Raimondo dürfen festgelegte Mengen an Stahl und Aluminium aus der Europäischen Union in die Vereinigten Staaten gebracht werden. Im Gegenzug habe die EU zugesagt, auf Vergeltungszölle etwa auf Whiskey oder Motorräder zu verzichten. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte gesagt, nun sei der Weg frei dafür, chinesischer Überproduktion und dem hohen CO₂-Verbrauch bei der Erzeugung von Stahl und Aluminium gemeinsam zu begegnen. Dabei könnten das Klima und Arbeitnehmerinteressen gleichermaßen geschützt werden.
Raimondo sagte, zwar hielten die USA an Zöllen von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium fest. Jedoch könne eine begrenzte Menge dieser Metalle zollfrei aus der EU importiert werden, sofern es sich um rein europäische Erzeugnisse handelt. Wie groß diese Mengen sind, wurde von der US-Regierung zunächst nicht angegeben. Insider hatten gesagt, verzollt werden müsse die Menge, die über 3,3 Millionen Tonnen im Jahr hinausgehe. Zudem sollen nach Regierungsangaben in bestimmten Ausnahmefällen ebenfalls zollfreie Einfuhren möglich sein. rtr/fst
Großbritannien und Frankreich haben ihren Fischereistreit bei einem Treffen von Premierminister Boris Johnson und Präsident Emmanuel Macron am Rande des G20-Gipfels nicht beilegen können. Johnson wies die französische Darstellung zurück, dass sich die beiden Politiker bei einem mehr als 30-minütigen Gespräch in Rom am Sonntag auf Bemühungen um einer Entschärfung des Konflikts verständigt hätten.
Die Position sei unverändert. Er sei “verblüfft gewesen, einen Brief des französischen Premierministers zu lesen, in dem ausdrücklich eine Bestrafung der Briten für ihren EU-Austritt gefordert würde”, so Boris Johnson am Abend. “Es liegt an den Franzosen zu entscheiden, ob sie von ihren Drohungen der vergangenen Tage, das Brexit-Abkommen zu brechen, Abstand nehmen wollen”, hatte ein Sprecher Johnsons bereits zuvor gesagt.
Im Gegensatz dazu sagte ein französischer Regierungsvertreter, Emmanuel Macron und Boris Johnson hätten sich auf das Ziel verständigt, “auf eine Deeskalation hinzuarbeiten”. Macron habe zudem Großbritannien aufgefordert, die Regeln einzuhalten. Die Regierung in London hatte zuvor erklärt, sie erfülle die Bedingungen des Handelsabkommens mit der EU nach dem Brexit.
In dem Streit zwischen den beiden Staaten geht es um Fischereirechte nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Frankreich wirft Großbritannien vor, dass französische Fischer nicht die garantierten Lizenzen erhalten hätten, um in britischen Gewässern ihre Netze auswerfen zu können.
Vor einigen Tagen hat Frankreich den britischen Kutter “Cornelis Gert Jan” festgesetzt und ein zweites Boot verwarnt, weil beide Schiffe ohne Lizenz in französischen Gewässern unterwegs gewesen seien. Die Regierung in Paris hat damit gedroht, ab Dienstag gezielte Maßnahmen gegen britische Schiffe und Waren zu ergreifen und die Kontrollen zu verschärfen. Großbritannien seinerseits hat mit der Festsetzung französischer Fischerboote gedroht. rtr
Paris ist nicht nur die Stadt der Liebe und des Savoir-vivre, sondern auch eine Ideenschmiede für eine bessere Zukunft. Vor einigen Wochen wurde in der französischen Hauptstadt ein Tempolimit von 30 Kilometer pro Stunde eingeführt, um nachhaltigeren Verkehr zu fördern, und es ist davon auszugehen, dass weitere Neuerungen dieser Art folgen. Nur wenige Querstraßen vom Arc de Triomphe entfernt befindet sich das Institut Montaigne, ein einflussreicher privatwirtschaftlich getragener wirtschaftspolitischer Think Tank.
Akademiker, Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft, Bürger und Vertreter aus Regierungskreisen arbeiten gemeinsam an Studien und internationalen Vergleichs-Statistiken, um das soziale Miteinander, Wettbewerbsfähigkeit und die Optimierung der Staatsausgaben zu analysieren. Théophile Lenoir, Leiter des Digitalprogramms des Instituts, beschäftigt sich vor allem mit den Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarkt, Digitalisierung und Daten. Sein Ziel ist es, die Verwaltung digitaler Technologien zu modernisieren und den digitalen öffentlichen Raum Frankreichs umzukrempeln.
Lenoir ist aber nicht nur Digitalisierungsexperte, sondern auch Kommunikationswissenschaftler und im Privaten ein leidenschaftlicher Violinist. Nach dem erfolgreichen Abschluss an der London School of Economics studierte er Journalismus in South Carolina (USA) und arbeitete in Start-ups an der Schnittstelle zwischen Medien und Technologie.
Mit seiner Arbeit will er Antworten auf bisher unbeantwortete Fragen finden: Wer muss welche Daten zu welchem Zweck abrufen? Und wie kann man Welten, die nicht miteinander sprechen, zur Zusammenarbeit bewegen? “Das ist die Herausforderung, vor der die Städte stehen, um aus der Datensteinzeit herauszukommen. Besonders die gesundheitliche Situation hat die Bedeutung der Kommunikation zwischen Akteuren und Informationssystemen deutlich gemacht.”
Aber auch die harte Bewertung politischen Handelns gehört zu Lenoirs Geschäft: umfangreich zieht er im Oktober zusammen mit seinem Kollegen Gilles Babinet eine Bilanz über die digitalen Versprechen Emmanuel Macrons und deren Erfüllung in seiner Amtszeit.
Lenoir zeigt, wie man sich als moderne Denkfabrik inszeniert und auch jüngere Generationen erreicht. Zum Beispiel mit kurzen YouTube Clips im Smartphone-Format. Darin spricht er unter anderem über den Umgang mit Plattformen (wie Liefer- und Chauffeurdienste), die ein neues Arbeitsumfeld und damit neue Problematiken geschaffen haben: “Die Plattform-Ökonomie sieht für die Mitarbeiter keine soziale Absicherung vor.”
Um das zu ändern, hat das Institut Montaigne die erste statistische Erhebung über Fahrradkuriere durchgeführt, um die Herausforderungen dieser neuen Arbeitsformen zu verstehen und Lösungen vorzuschlagen. Im Fokus steht dabei die Entwicklung einer verantwortungsvollen Ökonomie, die die Interessen der Arbeitnehmer respektiert und auf lange Sicht nachhaltig ist. Giorgia Grimaldi
Grüne Woche, so nennt sich das, was jetzt in Brüssel ansteht. Nicht etwa aufgrund der anstehenden Klimakonferenz. Sondern weil nach dem katholischen Feiertag Allerheiligen – beziehungsweise im wallonischen Teil Toussaint – heute in Belgien eine Woche Herbstferien sind. Damit ist auch der Arbeitstakt der EU-Institutionen vorgegeben: deutlich reduziert sind alle Aktivitäten der Kommission, des Parlaments und des Rates.
Doch halt, längst nicht alle halten sich an die Ferien: Der Handelsausschuss ist mit einer Delegation in Washington, um mit seinen dortigen Counterparts zu diskutieren, genau wie der Sonderausschuss zu Künstlicher Intelligenz.
Zu hoffen ist, dass sich die Teilnehmer die All Saints’ Eve-Bräuche, besser bekannt unter dem Namen Halloween, nicht allzu sehr zu eigen machen und im gerade erst notdürftig geflickten transatlantischen Verhältnis die Frage stellen: Trick or Treaties? Falk Steiner
Orientieren auch Sie sich an den Energielabels, wenn Sie eine Waschmaschine oder einen Gefrierschrank kaufen? Nicht nur klassische Haushaltsgeräte, sondern auch unsere IT-Endgeräte wie Smartphones und Tables sollen künftig unter die Ökodesign-Richtlinie fallen – und das nicht nur mit Angaben zum Energieverbrauch. Eric Bonse hat dem Thema nachgespürt und meldet Verzug: Die Kommission hat sich übernommen, die Regelung verspätet sich.
Europäische Gesetzgebung besteht immer aus drei Beteiligten: Kommission, Parlament und Rat. Die wichtigen Digitaldossiers (DSA, DMA, DGA, AIA, ePrivacy) haben nach dem Europäischen Rat vor eineinhalb Wochen nun teils deutliche Fortschritte in den Ratsarbeitsgruppen gemacht. Worüber diskutiert wurde, wer sich durchsetzen konnte und wie die weiteren Zeitpläne nun aussehen, darf ich Ihnen heute zusammenfassen.
Neuigkeiten gibt es beim Thema Mikroelektronik: Das zweite Vorhaben von EU-Mitgliedstaaten kommt voran, im November soll die Entscheidung fallen, welche Projekte aus Deutschland in das IPCEI Mikroelektronik II eingehen sollen.
Direkt vom G20-Gipfel in Rom fliegen viele Delegationen weiter nach Glasgow, wo am Sonntag die COP26-Klimakonferenz begonnen hat, von der wir Ihnen in den kommenden Tagen noch intensiv berichten werden. Die Abschlusserklärung der 20 Staats- und Regierungschefs lässt zu wünschen übrig, aber noch ist die Hoffnung auf einen Erfolg in Glasgow vorhanden.
Dass Nachhaltigkeit auch als Abgrenzungskriterium in Handelsstreitigkeiten dienen kann, das beweist die vorläufige Einigung zwischen Joe Bidens US-Regierung und der EU beim Stahlstreit: Die Emissionswerte sollen künftig für Stahl- und Aluminiumzölle zum Kriterium werden, heißt es da nun. Frei übersetzt: China bleibt vorerst außen vor.
Kommen Sie gut in diese Woche, in der in Brüssel Herbstferien sind und in der die Koalition zwischen SPD, Grünen und Liberalen in Berlin weiterverhandelt wird – bislang nach Außen vollständig geräuschlos und ohne jedes größere Leak. Doch ob das bis zum 10. November so bleibt?
Ein energiesparendes Design von Haushaltsgeräten wie Kühlschränken, Waschmaschinen und Monitoren gilt als Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele der EU. Doch die EU-Kommission kommt bei der Überarbeitung ihrer Vorschläge für die verschiedenen Produktgruppen nicht voran. Eine ursprünglich für Mitte Dezember erwartete Novelle für Smartphones und Tablets wurde jetzt auf das kommende Jahr verschoben. Die Hintergründe.
Die Ökodesign-Richtlinie von 2009 ist eine Erfolgsgeschichte – jedenfalls auf dem Papier: Auf ihrer Basis wurden bereits 31 Produktgruppen überprüft und auf Energieeffizienz getrimmt. Von Kühlschränken über Waschmaschinen bis hin zu Fernsehern und Computern reicht die Palette der Ökodesigner; seit dem 1. März 2021 prangen auf diesen Produkten die neuen EU-Energielabel.
Als Nächstes sollten Smartphones und Tablets an die Reihe kommen; die entsprechenden Ökodesign-Regeln wurden kurz vor Weihnachten erwartet. Doch die EU-Kommission hat ihre Vorschläge verschoben. Sie sollen nun erst im ersten Quartal 2022 vorgelegt werden, im Rahmen der “Sustainable Products Initiative”. Außerdem hat die Brüsseler Behörde einen Arbeitsplan zum Ökodesign angekündigt, der die Prioritäten der nächsten Jahre festlegen soll.
Im Europaparlament stößt die Verzögerung auf Unverständnis. Die Abgeordneten hatten große Hoffnung in die Novelle gesetzt und sind nun enttäuscht. “Es ist problematisch, dass Umsetzung und Update der bestehenden Ökodesign-Regeln nur sehr schleppend vorankommen”, kritisiert Anna Cavazzini (Grüne/EFA), die den Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz leitet.
Seit dem Amtsantritt der Kommission unter Ursula von der Leyen im Jahr 2019 seien die Ökodesign-Vorschriften für kein einziges Produkt überarbeitet worden. “Das bedeutet unnötige Millionen Tonnen CO2-Emissionen und auch höheren Energiekosten für Verbraucher:innen. Hier muss die Europäische Kommission endlich genügend Ressourcen zur Verfügung stellen.”
Kritik kommt auch von Delara Burkhardt (SPD/S&D). Sie bedauert die Verschiebung und fordert ein Produktdesign, das Reparierbarkeit zum Standard macht. “Es kann nicht sein, dass man sich eine neue Waschmaschine kaufen muss, nur weil eine Schraube locker ist. Die Ökodesign-Richtlinie ist essenzieller Bestandteil des Green Deals und darf nicht auf die lange Bank geschoben werden.”
Keine Probleme mit der Verschiebung haben dagegen die Hersteller und ihre Verbände. Sie warnen seit langem vor Überregulierung und Überforderung. Doppelte oder gar widersprüchliche Regulierungen müssten vermieden werden, fordert der Dachverband Digital Europe. Die Kommission solle sich auf produktspezifische Regeln konzentrieren und nicht versuchen, die Reichweite und Tiefe der Ökodesign-Bestimmungen immer mehr auszuweiten.
Doch genau das ist in Brüssel geplant. Die EU-Kommission will nicht mehr nur “Energiefresser” regulieren, sondern auch andere, nicht energierelevante Produkte erfassen. Es soll künftig auch nicht mehr nur um den “Lebenszyklus” eines Produkts gehen, sondern um Rohstoffe, Produktion, Entsorgung und Recycling – also all jene Aspekte, die für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft relevant sind.
Dieser hohe Anspruch hat sich jedoch als zeitraubend, kostspielig und personalintensiv erwiesen – ein Grund für die Verzögerung beim “Update” der Ökodesign-Regeln. Die EU-Kommission hat sich übernommen und muss nachsitzen. Ein anderer Grund für den Aufschub sind Meinungsverschiedenheiten im Detail. Sie sind bei den EU-Plänen für Smartphones und Tablets offen zu Tage getreten.
Nach den Verordnungsentwürfen aus Brüssel, die nun verzögert wurden, sollen die Hersteller ihre Handys ab 2023 mit langlebigeren Akkus ausrüsten sowie für jedes Modell mindestens fünf Jahre lang Ersatzteile und Sicherheitsupdates liefern. Außerdem will die EU-Kommission das von Kühlschränken bekannte Energielabel auch für Smartphones und Tablets verpflichtend machen.
Die Bundesregierung hat den Entwurf begrüßt. “Da die Produktion den weitaus größten Teil der Treibhausgasemissionen während der Lebensdauer elektronischer Geräte ausmacht und auch beim Recycling nur ein Teil der Rohstoffe zurückgewonnen werden kann, unterstützt die Bundesregierung das Ziel des Verordnungsentwurfs, die Zuverlässigkeit und Reparierbarkeit der Geräte zu erhöhen“, heißt es in einer Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums in Berlin.
Bei den Updates will Berlin sogar noch weiter gehen als Brüssel: Sieben Jahre lang soll gewährleistet sein, dass aktuelle Software zur Vergütung steht. “Zudem sollten Sicherheitsupdates auch separat verfügbar sein, wenn beispielsweise ein älteres Gerät eine neue Betriebssystemversion, die die entsprechenden Sicherheitsupdates enthält, nicht mehr verarbeiten kann”, so das BMWi.
Demgegenüber stehen die Hersteller auf der Bremse. Bei den Sicherheitsupdates sollte man “eher” drei Jahre anstreben, bei Funktionsupdates sogar nur zwei Jahre, heißt es bei Digital Europe. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2018 wurde sogar generell vor Zeitvorgaben für Software-Updates gewarnt. Das geplante Energielabel lehnt der Verband komplett ab, da die Branche sich ohnehin um eine möglichst hohe Energieeffizienz bemühe.
Diese Beispiele zeigen, wie weit die Positionen noch auseinander liegen. In einigen wichtigen Fragen – wie beim Energielabel – scheinen sie sogar unvereinbar. Die mit Spannung erwartete Vorlage aus Brüssel könnte sich daher noch weiter verzögern – sehr zum Leidwesen des Europaparlaments, das mehr denn je aufs Tempo drückt.
Bei der KI-Verordnung gibt es erste Schritte – und selbst bei der seit fünf Jahren überfälligen e-Privacy-Verordnung bewegt sich langsam wieder etwas. Die Bewegung geht nicht zuletzt auf den Europäischen Rat zurück: Die 27 Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrer Sitzung am 21. und 22. Oktober ausdrücklich Fortschritte bei den Digitaldossiers angemahnt.
Streitpunkt beim Digital Services Act war laut Verhandlungskreisen zuletzt die Durchsetzung der Neuregelungen: Frankreich hatte zuletzt Änderungen an der Zuständigkeitsregelung der Aufsichtsbehörden vorgeschlagen und eine Stärkung des Marktortprinzips gefordert.
Laut Kommissionsvorschlag (Artikel 38 bis 41) soll jeder Mitgliedstaat eine führende Aufsichtsbehörde (Digital Services Coordinator, DSC) benennen. Diese wäre für Unternehmen zuständig, die unter den DSA fallen und in diesem Land entweder selbst ihren Sitz, ihre EU-Hauptniederlassung oder ihren nach DSA benannten juristischen Vertreter in diesem Land hat – also eine modifizierte Form des Herkunftslandprinzips.
Der DSC soll sowohl die Behördenkoordination im Mitgliedstaat als auch mit den DSCs anderer Mitgliedstaaten und der EU-Kommission vorantreiben. Zusätzlich kann in bestimmten Fällen die EU-Kommission ein Verfahren an sich ziehen.
Nachdem Frankreichs Position zur Stärkung des Marktortprinzips im Rat keine Mehrheit fand haben sich Vertreter von Mitgliedstaaten nun für eine weitere Stärkung der Kompetenzen der Kommission ausgesprochen.
Keine Veränderungen dürfte es hingegen in der Ratsposition bei der Definition von “sehr großen Onlineplattformen” (VLOPs) geben, für die besondere Pflichten gelten sollen: für diese ist bislang ausschließlich eine Mindestmenge von 45 Millionen täglichen Nutzern innerhalb der EU vorgesehen – hier fordern Parlamentsvertreter andere Kriterien, ein möglicher Verhandlungspunkt im Trilog.
Der DSA soll in der Rats-Arbeitsgruppe Wettbewerb und Wachstum nun möglichst schnell über die Ziellinie kommen: Der dritte Kompromiss-Entwurf soll am 8. November vorliegen, am 11. November finalisiert, am 17. November in COREPER I beraten und die Allgemeine Ausrichtung dann beim Wettbewerbsrat am 25. November beschlossen werden. Damit könnte der Trilog unter französischer Ratspräsidentschaft im Januar beginnen.
Nachdem Deutschland, Frankreich und die Niederlande im Mai einen gemeinsamen Vorschlag für einen neu einzuführenden Artikel 16a unterbreitet hatten, der der Kommission für Gatekeeper auf Basis einer vertieften Marktuntersuchung weitgehende Eingriffsrechte in das Design von Onlineanbietern erlaubt hätte, soll die Ratsposition an dieser Stelle nun erweitert werden.
Anders schaut es jedoch mit dem zweiten enthaltenen Vorschlag aus: Die drei Mitgliedstaaten hatten eine stärkere Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden eingefordert, vor allem der Wettbewerbs- und Kartellbehörden. Hiermit konnten sich die drei Schwergewichte laut Verhandlungskreisen wohl eher nicht durchsetzen, der DMA soll auch weiterhin ausschließlich durch die Europäische Kommission durchgesetzt werden, allerdings in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden.
Auch die Ratsposition zum DMA soll im November durch Ratsarbeitsgruppen und COREPER I finalisiert werden.
Der deutlich weniger umstrittene DGA könnte schon sehr bald final beschlossen werden: Der erste Trilog von Parlament, Rat und Kommission zum DGA fand am 26. Oktober statt und wird von Teilnehmern als sehr konstruktiv beschrieben.
Die Ratsarbeitsgruppe Telekommunikation hat ihre Arbeiten an der KI-Verordnung weiter vorangetrieben. Laut Teilnehmerkreisen werden die Erststellungnahmen zu etwa einem Drittel der Verordnung, inklusive dem umstrittenen Artikel 29 zu Hochrisiko-Anwendungen (Europe.Table berichtete), in den kommenden Wochen erwartet.
Diese ersten Stellungnahmen sollen noch vor Jahresende in einem ersten Teilkompromiss verarbeitet werden.
Bei den Beratungen zur seit fünf Jahren überfälligen E-Privacy-Verordnung, die als Komplementärrecht eigentlich gleichzeitig mit der Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten sollte, sind leichte Fortschritte erzielt worden. Am 18. November soll der nächste Trilog dazu stattfinden.
Kein Verhandlungsmandat bekam die Ratsarbeitsgruppe für die Frage der Speicherung von Verbindungs- und Ortsdaten auf Vorrat (VDS): in Deutschland hatte es Regierungskreisen zufolge Bestrebungen seitens des Bundesinnenministeriums unter seinem scheidenden geschäftsführenden Innenminister Horst Seehofer gegeben, das Thema jetzt doch noch einmal aufzurufen.
Dies wurde SPD-seitig abgelehnt. Die Sozialdemokraten verhandeln derzeit mit Grünen und FDP über die Bildung der nächsten Regierungskoalition – Teile der SPD und weite Teile von Grünen und FDP lehnen die Vorratsdatenspeicherung ab, im Sondierungsergebnis wurde eine Überprüfung aller Gesetze mit Überwachungscharakter angestrebt.
Die E-Privacy-Verordnung wird absehbar noch mindestens die kommende, französische Ratspräsidentschaft beschäftigen, die zum Jahreswechsel beginnt.
Zur Eröffnung der für zwei Wochen angesetzten 26. “Conference of the Parties”, der Konferenz der Vertragsparteien der Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), die ab heute für die kommenden zwei Wochen in Glasgow tagt, vermittelte Patricia Espinosa, zuständige Generalsekretärin der UNFCCC, Zuversicht und Respekt vor der Größe der Aufgabe: Man stehe an einem entscheidenden Punkt der Geschichte.
“Die Menschheit steht vor großen, aber klaren Entscheidungen”, so Espinosa in ihrer Eröffnungsrede. “Entweder wir entscheiden uns dafür, anzuerkennen, dass Business as Usual den verheerenden Preis, den wir zahlen würden, nicht wert ist. Und schaffen die Transition in eine nachhaltigere Zukunft – oder wir akzeptieren, dass wir in unsere eigene Auslöschung investieren.” Ein Erfolg sei möglich, die Mittel seien bereits bekannt und es liege in der Hand der Konferenzteilnehmer, ob das Pariser Abkommen vollständig implementiert werde, so Espinosa. “Wir müssen nach Glasgow mit Glaubwürdigkeit sagen können, dass wir die 1,5 (Grad) am Leben erhalten haben”, mahnte der britische Konferenzpräsident Alok Sharma.
Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte am Sonntag, die große Mehrheit der Staaten nehme das Versprechen des Pariser Klima-Abkommens zwar ernst, sich alle fünf Jahre neue, bessere Ziele zu setzen. Doch: “Einige große Volkswirtschaften müssen noch folgen und ebenfalls ehrgeizigere Pläne verkünden.” Der geschäftsführende Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) forderte, anlässlich ihrer besonderen Betroffenheit die Interessen der Dritte-Welt-Länder in Glasgow verstärkt in den Blick zu nehmen. Die Konferenz müsse einen “Schutzschirm für die Ärmsten” und Verwundbarsten aufspannen, so der CSU-Politiker. Sie litten schon heute besonders unter den Folgen des Klimawandels.
Geplant ist ein jährliches 100-Milliarden US-Dollar-Paket speziell für diese Länder, von dem bislang aber nur 80 Milliarden Euro zugesagt sind. Im Vorfeld der Konferenz hatte der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth gemeinsam mit dem kanadischen Umweltminister Jonathan Wilkinson einen Plan entwickelt, wie die Summe doch noch zusammenkommen soll. Flasbarth zeigte sich in einem Interview nun optimistisch, dass die Summe doch noch erreicht und ab 2023 überschritten würde: “Das hat allerdings nichts mit Großzügigkeit des globalen Nordens zu tun. Das ist eine Frage von grundlegender Fairness im Umgang miteinander”, sagte Flasbarth.
Deutschland wird mit einer eigenen Delegation bei der Konferenz teilnehmen, die Verhandlungen für alle EU-Staaten führt aber die EU-Kommission.
Unterdessen haben die G20-Staaten bei ihrem Treffen in Rom vor der COP26 eine gemeinsame Position in der Abschlusserklärung festgehalten: “Wir erkennen an, dass die Auswirkungen des Klimawandels bei 1,5 °C wesentlich geringer sind als bei 2 °C. In der Nähe von 1,5 °C zu bleiben wird bedeutende und wirksame Maßnahmen und Verpflichtungen durch alle Staaten erfordern.” Die Absichtserklärung wird nicht nur von NGOs als unzureichend kritisiert: UN-Generalsekretär Antonio Guterres schrieb auf Twitter, er verlasse Rom “mit unerfüllten Hoffnungen”, aber diese seien “zumindest nicht begraben”. fst/rtr
Beim zweiten “Wichtigen Vorhaben gemeinsamen europäischen Interesses” im Bereich der Mikro-Elektronik geht es langsam voran: Derzeit stimmen sich die beteiligten Mitgliedstaaten am zweiten IPCEI Mikroelektronik und die Europäische Kommission ab, um sich auf die genauen Vorhabenbeschreibungen zu einigen. Diese müssen dem europäischen Beihilfenrecht genügen, sprich: die Ausnahmetatbestände erfüllen, unter denen die EU-Mitgliedstaaten Subventionen für eine Maßnahme fließen lassen dürfen.
Laut Bundeswirtschaftsministerium sind im Haus an der Scharnhorststraße bis zum Anfang Oktober 42 Projektbeschreibungen eingegangen. Aus diesen wird nun im November ausgewählt, welche Projekte im europäischen Prozess weiterverfolgt werden sollen. Bei IPCEIs soll hierbei über Mitgliedstaats-Grenzen hinaus eine Zusammenarbeit stattfinden.
Das zweite Mikroelektronik-Vorhaben soll vor allem Projekte im Bereich Spezialanwendungs-Chips für Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren und Hochleistungschips ermöglichen. Während die Vorstufen wie das Chipdesign noch vergleichsweise günstig zu haben sind, verlangen die Fabrikbetreiber umfangreiche Beihilfen für die mögliche Ansiedlung hochmoderner Chipfabrikation in der EU, wie sie Industriekommissar Thierry Breton und sein scheidender deutscher Wirtschaftsminister-Amtskollege Peter Altmaier vorangetrieben hatten. Wesentlich für den Erfolg dieser Bemühungen könnte dabei in Ergänzung zu den IPCEIs auch der angekündigte European Chips Act sein (Europe.Table berichtete). Durch diesen könnten auch europäische Gelder für diese Vorhaben zur Verfügung stehen, bei den IPCEIs zahlen hingegen ausschließlich die beteiligten Mitgliedstaaten.
Bereits angekündigt hatte Intel-Chef Pat Gelsinger anlässlich der IAA, dass seine Firma in Europa zwei weitere sogenannte Fabs aufbauen möchte, an einem europäischen Standort, der bis zu acht solcher Produktionsstandorte erlaube – ein Gesamtinvestitionsvolumen bis zu 80 Milliarden US-Dollar. Doch bislang jedenfalls meldet Intel keinen Vollzug, so wie auch die Mitbewerber von Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). TSMC hatte konkret deutsche Standorte ins Auge gefasst, auch hier ist noch keine Entscheidung vermeldet worden. Auch Samsung gilt weiterhin als ein möglicher Chipproduzent in Europa. fst
Nach der Beilegung ihres Streits über Strafzölle auf Stahl– und Aluminium streben die USA und die Europäische Union ein globales Abkommen für eine nachhaltigere Produktion in diesem Industriebereich an. Dies teilten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Sonntag bei der Vorstellung der Zollstreiteinigung am Rande des G20-Gipfels in Rom mit. Mit der Einigung wollen beide Seiten auf verhängte und angedrohte gegenseitige Strafzölle aus der Ära von Biden-Vorgänger Donald Trump verzichten.
Die EU wolle zudem das im Stahlbereich eingeleitete Verfahren gegen die USA in der Welthandelsorganisation vorerst stoppen, kündigte von der Leyen an. Zudem wollen beide Seiten nun ein weltweites Abkommen aushandeln, das auch Probleme wie Überkapazitäten und CO₂-Ausstoß bei der Produktion umfassen soll. Andere Länder seien willkommen, sich dem anzuschließen, sagte von der Leyen.
Biden sagte, dass mit dem Abkommen die von der vorherigen Regierung eingeführten Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Europäischen Union sofort aufgehoben würden. Damit würden auch die Kosten für die amerikanischen Verbraucher gesenkt. Zudem soll mit Hilfe einer auf dem CO₂-Verbrauch basierenden Vereinbarung zwischen der EU und den USA über den Handel mit Stahl und Aluminium den Zugang zum US-Markt für “schmutzigen” Stahl etwa aus China beschränken und staatlichen Stahldumping-Praktiken entgegenwirken.
“Diese rechtswidrigen Zölle waren stets ein Hindernis für unsere Bemühungen um eine konstruktive Zusammenarbeit”, so der Vorsitzende des EP-Handelsausschusses Bernd Lange (SPD/S&D). Die Absicht, eine globale Vereinbarung über nachhaltigen Stahl und Aluminium auszuhandeln, zeige, dass beide Seiten es mit einer Zusammenarbeit zur CO2-Reduktion ernst meinten, so Lange: “Der EU Vorschlag für eine CO₂ -Grenzabgabe bietet eine gute Grundlage für kommende Gespräche.” Man können nun nach vorne schauen. Doch gerade der von Lange angesprochene Grenzausgleichsmechanismus wird in den USA derzeit noch sehr kritisch betrachtet.
Bereits am Samstag hatten die Handelsverantwortlichen beide Seiten den seit 2018 andauernden Konflikt aus der Zeit des damaligen US-Präsidenten Trump ausgeräumt. Laut US-Handelsministerin Gina Raimondo dürfen festgelegte Mengen an Stahl und Aluminium aus der Europäischen Union in die Vereinigten Staaten gebracht werden. Im Gegenzug habe die EU zugesagt, auf Vergeltungszölle etwa auf Whiskey oder Motorräder zu verzichten. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte gesagt, nun sei der Weg frei dafür, chinesischer Überproduktion und dem hohen CO₂-Verbrauch bei der Erzeugung von Stahl und Aluminium gemeinsam zu begegnen. Dabei könnten das Klima und Arbeitnehmerinteressen gleichermaßen geschützt werden.
Raimondo sagte, zwar hielten die USA an Zöllen von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium fest. Jedoch könne eine begrenzte Menge dieser Metalle zollfrei aus der EU importiert werden, sofern es sich um rein europäische Erzeugnisse handelt. Wie groß diese Mengen sind, wurde von der US-Regierung zunächst nicht angegeben. Insider hatten gesagt, verzollt werden müsse die Menge, die über 3,3 Millionen Tonnen im Jahr hinausgehe. Zudem sollen nach Regierungsangaben in bestimmten Ausnahmefällen ebenfalls zollfreie Einfuhren möglich sein. rtr/fst
Großbritannien und Frankreich haben ihren Fischereistreit bei einem Treffen von Premierminister Boris Johnson und Präsident Emmanuel Macron am Rande des G20-Gipfels nicht beilegen können. Johnson wies die französische Darstellung zurück, dass sich die beiden Politiker bei einem mehr als 30-minütigen Gespräch in Rom am Sonntag auf Bemühungen um einer Entschärfung des Konflikts verständigt hätten.
Die Position sei unverändert. Er sei “verblüfft gewesen, einen Brief des französischen Premierministers zu lesen, in dem ausdrücklich eine Bestrafung der Briten für ihren EU-Austritt gefordert würde”, so Boris Johnson am Abend. “Es liegt an den Franzosen zu entscheiden, ob sie von ihren Drohungen der vergangenen Tage, das Brexit-Abkommen zu brechen, Abstand nehmen wollen”, hatte ein Sprecher Johnsons bereits zuvor gesagt.
Im Gegensatz dazu sagte ein französischer Regierungsvertreter, Emmanuel Macron und Boris Johnson hätten sich auf das Ziel verständigt, “auf eine Deeskalation hinzuarbeiten”. Macron habe zudem Großbritannien aufgefordert, die Regeln einzuhalten. Die Regierung in London hatte zuvor erklärt, sie erfülle die Bedingungen des Handelsabkommens mit der EU nach dem Brexit.
In dem Streit zwischen den beiden Staaten geht es um Fischereirechte nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Frankreich wirft Großbritannien vor, dass französische Fischer nicht die garantierten Lizenzen erhalten hätten, um in britischen Gewässern ihre Netze auswerfen zu können.
Vor einigen Tagen hat Frankreich den britischen Kutter “Cornelis Gert Jan” festgesetzt und ein zweites Boot verwarnt, weil beide Schiffe ohne Lizenz in französischen Gewässern unterwegs gewesen seien. Die Regierung in Paris hat damit gedroht, ab Dienstag gezielte Maßnahmen gegen britische Schiffe und Waren zu ergreifen und die Kontrollen zu verschärfen. Großbritannien seinerseits hat mit der Festsetzung französischer Fischerboote gedroht. rtr
Paris ist nicht nur die Stadt der Liebe und des Savoir-vivre, sondern auch eine Ideenschmiede für eine bessere Zukunft. Vor einigen Wochen wurde in der französischen Hauptstadt ein Tempolimit von 30 Kilometer pro Stunde eingeführt, um nachhaltigeren Verkehr zu fördern, und es ist davon auszugehen, dass weitere Neuerungen dieser Art folgen. Nur wenige Querstraßen vom Arc de Triomphe entfernt befindet sich das Institut Montaigne, ein einflussreicher privatwirtschaftlich getragener wirtschaftspolitischer Think Tank.
Akademiker, Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft, Bürger und Vertreter aus Regierungskreisen arbeiten gemeinsam an Studien und internationalen Vergleichs-Statistiken, um das soziale Miteinander, Wettbewerbsfähigkeit und die Optimierung der Staatsausgaben zu analysieren. Théophile Lenoir, Leiter des Digitalprogramms des Instituts, beschäftigt sich vor allem mit den Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarkt, Digitalisierung und Daten. Sein Ziel ist es, die Verwaltung digitaler Technologien zu modernisieren und den digitalen öffentlichen Raum Frankreichs umzukrempeln.
Lenoir ist aber nicht nur Digitalisierungsexperte, sondern auch Kommunikationswissenschaftler und im Privaten ein leidenschaftlicher Violinist. Nach dem erfolgreichen Abschluss an der London School of Economics studierte er Journalismus in South Carolina (USA) und arbeitete in Start-ups an der Schnittstelle zwischen Medien und Technologie.
Mit seiner Arbeit will er Antworten auf bisher unbeantwortete Fragen finden: Wer muss welche Daten zu welchem Zweck abrufen? Und wie kann man Welten, die nicht miteinander sprechen, zur Zusammenarbeit bewegen? “Das ist die Herausforderung, vor der die Städte stehen, um aus der Datensteinzeit herauszukommen. Besonders die gesundheitliche Situation hat die Bedeutung der Kommunikation zwischen Akteuren und Informationssystemen deutlich gemacht.”
Aber auch die harte Bewertung politischen Handelns gehört zu Lenoirs Geschäft: umfangreich zieht er im Oktober zusammen mit seinem Kollegen Gilles Babinet eine Bilanz über die digitalen Versprechen Emmanuel Macrons und deren Erfüllung in seiner Amtszeit.
Lenoir zeigt, wie man sich als moderne Denkfabrik inszeniert und auch jüngere Generationen erreicht. Zum Beispiel mit kurzen YouTube Clips im Smartphone-Format. Darin spricht er unter anderem über den Umgang mit Plattformen (wie Liefer- und Chauffeurdienste), die ein neues Arbeitsumfeld und damit neue Problematiken geschaffen haben: “Die Plattform-Ökonomie sieht für die Mitarbeiter keine soziale Absicherung vor.”
Um das zu ändern, hat das Institut Montaigne die erste statistische Erhebung über Fahrradkuriere durchgeführt, um die Herausforderungen dieser neuen Arbeitsformen zu verstehen und Lösungen vorzuschlagen. Im Fokus steht dabei die Entwicklung einer verantwortungsvollen Ökonomie, die die Interessen der Arbeitnehmer respektiert und auf lange Sicht nachhaltig ist. Giorgia Grimaldi
Grüne Woche, so nennt sich das, was jetzt in Brüssel ansteht. Nicht etwa aufgrund der anstehenden Klimakonferenz. Sondern weil nach dem katholischen Feiertag Allerheiligen – beziehungsweise im wallonischen Teil Toussaint – heute in Belgien eine Woche Herbstferien sind. Damit ist auch der Arbeitstakt der EU-Institutionen vorgegeben: deutlich reduziert sind alle Aktivitäten der Kommission, des Parlaments und des Rates.
Doch halt, längst nicht alle halten sich an die Ferien: Der Handelsausschuss ist mit einer Delegation in Washington, um mit seinen dortigen Counterparts zu diskutieren, genau wie der Sonderausschuss zu Künstlicher Intelligenz.
Zu hoffen ist, dass sich die Teilnehmer die All Saints’ Eve-Bräuche, besser bekannt unter dem Namen Halloween, nicht allzu sehr zu eigen machen und im gerade erst notdürftig geflickten transatlantischen Verhältnis die Frage stellen: Trick or Treaties? Falk Steiner