Table.Briefing: Europe

Ampel ringt um Lieferkettengesetz + EU sucht Lösung für Ukraine-Flüchtlinge + Finanzpaket für Kiew steht

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist ein schwieriges Unterfangen, das die Europäische Grüne Partei (EGP) von heute an in Lyon vorhat. Auf ihrem Parteitag will sie ihr Programm für die Europawahl am 9. Juni festzurren. Eigentlich sollte es trivial sein, steht die Partei in Europa doch nach wie vor für ambitionierte Klimaschutzpolitik und strenge Regeln für die Industrie, Emissionen zu senken.

Doch nun werfen Änderungsanträge der deutschen Grünen zum Wahlprogramm plötzlich Fragen auf. Statt die Ambitionen beim Klimaschutz zu erhöhen, will die Ampelpartei die anvisierten Ziele verwässern. Statt einem klimaneutralen Europa schon in 2040 reicht den deutschen Grünen offenbar auch 2045. Den Gasausstieg 2035 und den Ölausstieg 2040 wollen sie streichen. Die Verhandlungen und Diskussionen in Lyon dürften hart und emotional geführt werden.

Und dann wollen die Grünen am Samstag auch noch das Spitzenpersonal für die Wahl nominieren. Die besten Chancen auf die Plätze ganz oben haben die deutsche grüne Spitzenkandidatin Terry Reintke und der Niederländer Bas Eickhout. Beide sitzen bereits im EU-Parlament. Chancenlos sind Elīna Pinto aus Lettland und Benedetta Scuderi aus Italien aber ganz sicher nicht.

Die Ergebnisse des Parteitags lesen Sie am Montag natürlich im Europe.Table. Bis dahin, ein erholsames Wochenende und eine angenehme Freitagslektüre,

Ihr
Lukas Knigge
Bild von Lukas  Knigge

Analyse

Lieferkette: Fünf EU-Staaten lehnen das neue Gesetz ebenfalls ab

In der Ampelkoalition gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) für die Unternehmen in Deutschland auswirken wird und wie sich die Regierung bei der Abstimmung im Rat verhalten sollte. Protagonisten sind der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der die Federführung bei der europäischen Richtlinie hat, sowie die beiden FDP-Minister Christian Lindner und Marco Buschmann.

Die von ihnen geführten Ministerien der Finanzen und Justiz wollen das Trilog-Ergebnis zum Entwurf einer EU-Lieferkettenrichtlinie “nicht mittragen”. Dies teilten sie am gestrigen Donnerstag in einem Schreiben mit. Im Rat der EU habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, “die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirkt”, schreiben sie.

Scholz nimmt zur Kenntnis, dass es keinen Konsens gibt

Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist die CSDDD “in deutschem Interesse”. Er werbe eindrücklich für die Zustimmung. Dazu habe er einen Vorschlag gemacht, der jetzt in der Regierung diskutiert werde. Dabei gehe es unter anderem um den Abbau bürokratischer Lasten und keine weiteren Berichtspflichten.

“Wir können und sollten es uns in Europa zutrauen, uns auf den Weg hin zu fairen globalen Lieferketten zu machen”, warb auch Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze für die Richtlinie. “Ich biete den Unternehmen an, unsere Unterstützungsangebote für die Umsetzung der neuen Regeln in Deutschland und im Ausland künftig weiter auszubauen”, sagte sie Table.Media. Aber auf Seiten der FDP herrscht große Skepsis. “Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Konsens in der Regierung gibt”, fasste Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Sondergipfel in Brüssel die Lage zusammen.  

Mehrheitsverhältnisse im Rat noch unklar

Unterschiedliche Einschätzungen gibt es auch dazu, welche Folgen eine deutsche Enthaltung im Rat hätte. Auf Seiten der FDP und ihrer Unterstützer, besonders den großen Verbänden, ist die Hoffnung groß, dass auf diese Weise die CSDDD auf europäischer Ebene verhindert werden könnte. Dagegen sind Befürworter im Regierungslager aus SPD und Grünen überzeugt, die Richtlinie werde auch bei Stimmenthaltung Deutschlands verabschiedet.

Wie die Mehrheitsverhältnisse im Rat tatsächlich sind, ist noch schwer abzusehen. Nach Informationen von Table.Media haben bislang lediglich Spanien, Portugal, die Niederlande und Malta angekündigt, dem Text zuzustimmen. Sechs weitere Mitgliedstaaten, darunter Irland, Polen und Griechenland, haben sich während eines Treffens der Ratsarbeitsgruppe positiv geäußert.

Schweden hingegen werde das Gesetz ablehnen; Tschechien, Estland, Litauen und die Slowakei werden voraussichtlich “nicht zustimmen”. Alle anderen erklärten, sie prüften das Trilogergebnis zurzeit noch. Beim Start der Überlegungen für die CSDDD unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft hatten sich noch alle Staaten einstimmig für eine solche Regelung ausgesprochen.

Unterschiedliche Einschätzungen innerhalb beteiligter Ressorts

Zwar ist die CSDDD eng zwischen den beteiligten Ressorts abgestimmt worden. Trotzdem gibt es bei wichtigen Punkten aktuell sehr unterschiedliche Einschätzungen.

Beispiel Haftung: Lindner und Buschmann räumen ein, dass die deutsche Seite bei den Trilogverhandlungen in puncto Haftung einiges erreicht habe. So werde die “Haftung mit Hilfe von bewährten Grundsätzen des deutschen Haftungsrechts beschränkt, wie in der Notwendigkeit, dass die verletzte Norm drittschützend wirkt”, schreiben sie.

Außerdem könnten Unternehmen Audits teilen und Sorgfaltspflichten gemeinsam in Brancheninitiativen erfüllen. Darauf hatte etwa der Verband der Chemischen Industrie (VCI) gedrängt. “Gleichwohl bedeutet die Haftungsregelung eine stärkere Belastung im Vergleich zum LkSG. Anders als das LkSG soll die CSDDD eine zivilrechtliche Haftung umfassen.” Diese hatte die SPD in der großen Koalition mit der CDU/CSU nicht durchsetzen können.

Haftung ist umfassender als im deutschen Gesetz

In Regierungskreisen wird nicht bestritten, dass die Haftung der CSDDD etwas umfassender sei als im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Aber die deutsche Seite habe verhindert, dass sich die Franzosen mit ihren noch sehr viel weitgehenderen Vorstellungen einer Haftung durchgesetzt hätten, wie sie im französischen Sorgfaltspflichtengesetz verankert seien.

Zudem hafteten Unternehmen laut der CSDDD nur “bei eigenem Verschulden und vermeidbaren Schäden”, heißt es. Unternehmen, die sich bemüht hätten, “hafteten nicht”. Eine solche Bemühenspflicht entspricht der Regelung des LkSG. Übrigens hat das Justizministerium wesentlich an den Haftungsregeln der CSDDD mitgearbeitet. Allerdings hatte Justizminister Buschmann bereits im Sommer vergangenen Jahres Bedenken gegen die CSDDD angemeldet.

Erleichtert werden soll Opfern von Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten europäischer Unternehmen der Zugang zu Gericht. Der ist bislang so kompliziert, dass es de facto kaum zu Verfahren kommt. Diesen Betroffenen den Zugang zu europäischen Gerichten zu erleichtern, war von Anfang an ein Anliegen der meisten EU-Regierungen gewesen.

Buschmann lehnt ab, was er zuvor befürwortete

Beispiel Anwendungsbereich: Lindner und Buschmann kritisieren den weiteren Anwendungsbereich auf Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden und in Risikosektoren auf Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden. Diese Regelung hatten Buschmann, Habeck und Heil bislang aber gemeinsam befürwortet, heißt es in Regierungskreisen. Zudem werde auf europäischer Ebene eine Umsatzschwelle eingeführt, die es im deutschen Gesetz nicht gebe. Unter dem Strich dürften in Deutschland durch die Neuregelung einige hundert Unternehmen mehr durch die CSDDD erfasst werden. Die EU-Kommission geht von europaweit 13.000 Unternehmen aus. Das deutsche Gesetz erfasst 5.200 Unternehmen.

Beispiel Umwelt: Nach Ansicht der beiden FDP-Minister enthält das Trilogergebnis zudem “eine verdeckte umweltfreundliche Generalklausel”. Sie führe zu einer “weitreichenden unternehmerischen Verantwortung für Umweltschäden, und zwar unabhängig von einer konkreten Auswirkung auf die Menschen”. Andere Regierungskreise erklären hingegen: Es gebe “keine offene oder verdeckte Generalklausel für Umwelt”. Entsprechende Versuche habe die Bundesregierung bei den Trilog-Verhandlungen abgewehrt. Im Menschenrechtsanhang gebe es lediglich den Hinweis, dass schwere Umweltschäden auch eine menschenrechtliche Relevanz haben. Eine solche Vorschrift findet sich allerdings auch im deutschen LkSG.

Beispiel Berichtspflichten: Die beiden FDP-Ministerien sehen auf die deutschen Unternehmen erhebliche finanzielle, personelle und auch “bürokratische Mehrbelastungen” zukommen. So sollten etwa größere Unternehmen “einen Plan zur Sicherstellung der Vereinbarkeit ihrer Unternehmensstrategie mit dem Pariser Abkommen unter Aufnahme konkreter Reduktionsziele aufstellen.” Allerdings müssen Unternehmen dies sowieso schon im Rahmen ihrer Berichtspflichten tun, heißt es in anderen Regierungskreisen. Durch die CSDDD komme es hier zu keiner Mehrbelastung.

“Fatales Signal an deutsche Unternehmen”

Die Reaktionen auf den Ampelkrach bei der CSDDD fallen unterschiedlich aus. “Die Kehrtwende der FDP ist ein Schlag ins Gesicht für all jene Menschen, die in den Lieferketten europäischer Unternehmen unter Zwangsarbeit und Hungerlöhnen leiden”, sagte Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz. Die Haltung der beiden FDP-Minister sei ein Affront gegen alle Unternehmen, die sich seit Jahren für nachhaltiges Wirtschaften einsetzten.

Sollte die CSDDD nicht kommen, wäre dies das fatale Signal an deutsche Unternehmen, “dass professionelles Lieferkettenmanagement unnötig ist”, sagt Vaude-Chefin Antje von Dewitz. “Zugunsten einer kurzfristig geschaffenen Entlastung wird der Aufbau von unternehmerischer Zukunftsfähigkeit aktiv verhindert.”

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall begrüßte die Entscheidung der FDP. “In der vorliegenden Form würde diese Richtlinie weit über die deutsche Regelung hinausgehen und rechtssicheren Außenhandel so gut wie unmöglich machen.” Es sei gut, dass die FDP zur Vernunft gekommen sei und dem “europäischen Lieferkettengesetz jetzt den Stecker zieht”, sagte Angelika Niebler, Vorsitzende der CSU-Europagruppe.

Allerdings gilt es als ausgeschlossen, dass die CSDDD noch in der laufenden Legislaturperiode nachverhandelt werden könnte. Befürworter der Richtlinie befürchten zudem, dass es nach den Europawahlen keine Mehrheiten mehr für die CSDDD geben könnte. Mit Till Hoppe und Leonie Düngefeld

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EU einigt sich auf ein Finanzpaket für die Ukraine

Sieben Wochen lang hatte Viktor Orbán die 26 anderen Staats- und Regierungschefs und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hingehalten. Beim Sondergipfel am Donnerstag ging es dann schnell: Der ungarische Ministerpräsident ebnete bereits im Vorgespräch im kleinen Kreis den Weg für das Finanzpaket, das Hilfen für die Ukraine von 50 Milliarden Euro bis 2027 vorsieht.

Kanzler Olaf Scholz und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonten, es habe keinerlei Zusagen an Orbán gegeben, als Gegenleistung eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizugeben. “Die Antwort darauf ist ein klares Nein”, sagte von der Leyen. Orbán konnte sich auch nicht mit seiner Forderung durchsetzen, ein jährliches Vetorecht für die Auszahlung der Ukraine-Gelder zu erhalten. Die Abschlusserklärung sieht nur vor, dass die Staats- und Regierungschefs einmal im Jahr über das Thema diskutieren.

Kaum Zugeständnisse an Orbán

Orbán sprach auf X dennoch davon, er habe seine “Mission erfüllt”, es gebe einen Kontrollmechanismus zum Jahresende. Der ungarische Ministerpräsident hatte beim Gipfel Mitte Dezember die Verhandlungen über die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) an den Ukraine-Hilfen scheitern lassen – sehr zum Verdruss der anderen 26.

Ratspräsident Charles Michel berief daraufhin den Sondergipfel am gestrigen Donnerstag ein. Diplomaten werteten das Veto Orbáns auch als Versuch, weitere EU-Gelder loszueisen. Kommission und Rat halten noch rund 20 Milliarden Euro für Ungarn zurück, weil die Regierung in Budapest nicht die vereinbarten Reformen zur Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Justiz umgesetzt habe.

In den Schlussfolgerungen des Sondergipfels wird auf die Formulierungen verwiesen, die die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2020 zum neuen Konditionalitätsmechanismus beschlossen hatten. Dort wurde festgehalten, dass die Anwendung des neuen Rechtsstaatlichkeitsinstruments proportional zu den Auswirkungen der Missstände auf das EU-Budget sein solle. Orbán bezweifelt, dass dies in der Praxis der Fall ist. Der Verweis in der Abschlusserklärung gestern habe aber keine neue Qualität, betonten Diplomaten anderer Mitgliedstaaten.

“Signal an amerikanische Steuerzahler”

Mit dem Beschluss setzt die EU eine neue Ukraine-Fazilität ein, über die bis 2027 50 Milliarden Euro nach Kiew fließen soll. Davon sollen 33 Milliarden als zinsgünstige Kredite gewährt werden, der Rest erstmals als Zuschüsse. Die Gelder seien wichtig, um Wirtschaft und Finanzen der Ukraine langfristig zu stabilisieren, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Die Entscheidung der Europäer sei auch “ein Signal an die amerikanischen Steuerzahler”, sagte Michel. Er hoffe, dies erleichtere es US-Präsident Joe Biden, seine Finanzhilfen durch den Kongress zu bekommen. Dort blockieren die Republikaner vor allem aus taktischen Gründen Milliardenzahlungen an die Regierung in Kiew.

Die Einigung ebnet auch den Weg für die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens bis 2027 um 64,6 Milliarden Euro. Von der Leyen zeigte sich “sehr zufrieden” mit dem Ergebnis – die Kommission bekomme 80 Prozent der zusätzlichen Mittel, um die sie im vergangenen Juni gebeten habe. Damit könne die EU ihre Aufgaben bei der Bekämpfung der illegalen Migration (plus zwei Milliarden Euro) oder bei der Unterstützung der Nachbarstaaten etwa auf dem Westbalkan erfüllen.   

EU-Parlament fordert Nachschlag

Jenseits des größten Blocks der Ukraine-Fazilität musste von der Leyen ihre Wunschliste allerdings stark zusammenstreichen. Insbesondere Scholz hatte darauf gepocht, einen erheblichen Teil der benötigten Gelder durch Einsparungen und Umschichtungen im EU-Haushalt aufzubringen. So werden etwa 2,1 Milliarden Euro aus dem Forschungsprogramm Horizont Europa umgewidmet.

Am stärksten unter die Räder geriet in den Verhandlungen aber die neue Investitionsplattform STEP, die zusätzliche Mittel für neue Technologien mobilisieren soll: Statt zehn Milliarden Euro zusätzlich für Fonds wie InvestEU wollen die Mitgliedstaaten nur 1,5 Milliarden für den Europäischen Verteidigungsfonds zur Verfügung stellen.

“So werden wir unseren Aufgaben nicht gerecht”, kritisierte der Grünen-Haushälter im Europaparlament, Rasmus Andresen. Die Abgeordneten sehen STEP als Testlauf für einen Europäischen Souveränitätsfonds und wollen noch über den Kommissionsvorschlag hinausgehen. Allerdings haben sie wenig Druckmittel in den anstehenden Trilog-Verhandlungen mit dem Rat, die im Eiltempo abgeschlossen werden sollen.

Scholz unzufrieden mit Borrells Waffen-Liste

Kanzler Scholz drängte überdies die anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel erneut, mehr Waffen an Kiew zu liefern. “Tun alle Mitgliedstaaten genug? Meine persönliche Einschätzung ist, das ist nicht der Fall”, sagte er. Deutschland habe im laufenden Jahr mehr als sieben Milliarden Euro für Rüstungsgüter an die Ukraine vorgesehen – und damit mehr als die Hälfte aller anderen EU-Staaten zusammen.

Die Zahlen, die der Außenbeauftragte Josep Borrell geliefert habe, seien “schwer zu durchschauen”, sagte Scholz. Der Spanier hatte am Vortag beim informellen Treffen der Verteidigungsminister von Zusagen auch anderer Mitgliedstaaten von insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für dieses Jahr gesprochen und die Aufstellung auch beim Gipfel präsentiert. Borrell habe wohl Beiträge für mehrere Jahre eingerechnet, sagte Scholz. Das habe ihn aber nicht sonderlich gewundert. Das Ziel seiner Abfrage sei aber ohnehin gewesen, in den anderen Mitgliedstaaten Prozesse auszulösen.

Scholz drängt darauf, bilaterale Leistungen der einzelnen Mitgliedstaaten stärker bei der Europäischen Friedensfazilität zu berücksichtigen, aus der gemeinschaftlich Rüstungsgüter für die Ukraine finanziert werden. Die Diskussion über die Aufstockung der Friedensfazilität wurde vertagt, der Rat soll nun bis Anfang März eine Einigung finden.

Die angestrebte Zahl von fünf Milliarden Euro für dieses Jahr fehlt in der Abschlusserklärung, anders als in früheren Entwürfen. Von der Leyen kündigte an, binnen weniger Wochen Verträge mit Rüstungsfirmen zu unterzeichnen, um der Ukraine die zugesagte Munition zu liefern.

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Der Schutzstatus für ukrainische Flüchtlinge läuft aus – Regelungsbedarf kollidiert mit EU-Zeitplan

Die EU-Kommission tut sich schwer mit der Frage, wie es ab März 2025 mit den Ukraine-Flüchtlingen weitergehen soll. Es gebe derzeit eine Diskussion und man prüfe die Möglichkeiten, sagt eine Sprecherin der EU-Kommission. Hintergrund der Verunsicherung ist die Massenzustrom-Richtlinie der Europäischen Union zum temporären Schutz.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde der Mechanismus am 4. März 2022 aktiviert. Alle Mitgliedstaaten fanden das eine gute Idee, um Chaos zu vermeiden. Die Regelung kann, so steht es in Artikel 4 der Richtlinie, zweimal verlängert werden – um jeweils höchstens ein Jahr. Etwa fünf Millionen Ukrainerinnen kamen mit dieser Regelung in der EU an. Allein in Deutschland waren es etwa eine Million, davon 80 Prozent Frauen.

Hätte der Rat keinen entsprechenden Beschluss gefasst, hätten die geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer das reguläre Verfahren durchlaufen müssen: Sie hätten einen Asylantrag stellen und mit hoher Wahrscheinlichkeit dann den Flüchtlingsstatus nach Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, den sogenannten subsidiären Schutz. Allein die schiere Masse hätte die EU-Mitgliedstaaten und allen voran Deutschlands Verwaltung überfordert. Deshalb wollten die Bundesregierung, aber auch Länder und Kommunen genau diese Richtlinie anwenden.

Zweite Verlängerung beschlossen – doch was dann?

Doch mit der zweiten, im Oktober 2023 beschlossenen Verlängerung bis zum März 2025 ist das Instrument ausgereizt, wenn man Artikel 4 wörtlich nimmt. Es ist ein Problem, denn wenig spricht dafür, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer 2025 in ein friedliches Land zurückkehren könnten. Bereits im vergangenen Sommer warnte ein Sonderbeauftragter der EU-Kommission in einem Bericht, dass zeitnah eine Lösung gefunden werden müsse. Es bedürfe einer Langzeitperspektive, forderte der ehemalige belgische Arbeitsminister Lodewijk Asscher.

Doch im umstrittenen EU-Asylpaket wurde die Richtlinie für den temporären Schutz nicht mitverhandelt. Einen Unterschied macht das gerade für Deutschland, wo seit Monaten die Frage im Raum steht, ob die Ungleichbehandlung von ukrainischen und anderen Flüchtlingen gerechtfertigt ist.

Erste Reflexionsübungen

Die EU-Kommission präsentierte im Januar beim informellen Rat der Justiz- und Innenminister nun Lösungsansätze. Als “erste Reflexionsübungen” bezeichnete die belgische Migrationsstaatssekretärin Nicole de Moor den Austausch. Eine davon: Eine kreative Interpretation der bislang angewandten Richtlinie, sodass eine Verlängerung über 2025 hinaus doch möglich wäre. Diese Variante habe EU-Innenkommissarin Ylva Johansson den Mitgliedstaaten präsentiert, heißt es in Brüsseler Kreisen. Unter Rechtsgelehrten allerdings war die Endlichkeit der Maßnahme bislang einhellige Rechtsmeinung. Auf Nachfrage kann oder will die Generaldirektion Innen der EU-Kommission keine Details nennen.

Das deutsche Bundesinnenministerium hält sich angesichts der Debatten bedeckt: “Das BMI begrüßt Ansätze, die weiterhin ein kohärentes Handeln aller Mitgliedstaaten ermöglichen, um wegen des russischen Angriffskrieges aus der Ukraine Geflüchtete in der EU zu schützen.” Zu den konkreten Überlegungen der EU-Kommission will sich Nancy Faesers Haus nicht äußern und verweist auf die Kommission und die laufenden Gespräche der Mitgliedstaaten.

Regelungsbedarf kollidiert mit EU-Zeitplan

Doch die Zeit spielt gegen eine Neuregelung: Die EU-Kommission hat bislang keinen förmlichen Vorschlag auf den Weg gebracht, um die Richtlinie zu ändern. Innenkommissarin Ylva Johansson kündigte gar an, keinerlei Regelungsvorschläge vorzulegen, bevor Einigkeit im Zielkorridor bestehe. Im April aber wird das derzeitige Europaparlament das letzte Mal tagen, im Juni wird gewählt. Danach muss die neue EU-Kommission ernannt werden. Bis September steht die EU-Gesetzgebungsmaschine daher mindestens still, vielleicht auch länger.

Dazu kommt, dass in der zweiten Jahreshälfte ausgerechnet Ungarn die Ratspräsidentschaft stellt, die auch über Verhandlungstermine zu Vorhaben entscheidet. Das verbleibende gute Jahr besteht real also nur noch aus wenigen Wochen.

Fiele in Deutschland der Sonderstatus für die Geflohenen aus der Ukraine weg, würden sich erhebliche Verwaltungsprobleme ergeben. Vorneweg für die eh schon überlasteten Ausländerbehörden und die Arbeitsagenturen: Sie müssten dann eine Million “Kunden” viel intensiver verwalten als bisher, Ansprüche intensiver prüfen. Schon hier lebende Ukrainerinnen und Ukrainer könnten ohne Neuregelung dann künftig unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.

“Das wäre allerdings nicht die von uns präferierte Möglichkeit, da so die Ausländerbehörden mit einer Antragsflut konfrontiert werden würden”, erläutert ein Sprecher des Deutschen Landkreistages. “Als Alternative zu einer EU-Lösung kommt deshalb wohl nur eine generelle Aufenthaltsregelung in Deutschland in Betracht, die individuelle Anträge obsolet werden lässt.” Für Neuankömmlinge sollte eine Regelung wie für Asylbewerber allerdings in Betracht gezogen werden, betont der Landkreistag.

BMAS will Ukrainer in regulären Aufenthaltsstatus bringen

Kein Wunder, dass man im Bundesministerium für Arbeit und Soziales derzeit vor allem eines will: Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Sonder-Schutzstatus herausholen. “Ein solcher Wechsel ist aus Sicht des BMAS wünschenswert, auch weil er den Geflüchteten und Arbeitgebern eine sichere Perspektive über die Dauer der Durchführung der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz hinaus ermöglicht”, teilte eine Sprecherin auf Anfrage von Table.Media mit.

Doch aus Sicht der Geflüchteten ist das nicht automatisch attraktiv: Ein Wechsel aus dem bisherigen Schutzsystem führt auch dazu, dass sie erst einmal keinen Anspruch auf Grundsicherung oder Bürgergeld haben. Zumindest dann, wenn sie nicht an Integrationsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt teilnehmen. Das aber würde erheblichen Mehraufwand bedeuten. Die Arbeitsagenturen und Job-Center könnten das stemmen, meint das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. “Die Bundesagentur für Arbeit hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie mit unerwarteten Bedarfen umgehen kann”, heißt es aus dem Ministerium von Hubertus Heil.

Umstrittenes EU-Asylpaket könnte Regelung Zuflucht bieten

Ob das aber reibungslos funktionieren würde? Ein Weg könnte sein, dem Asylpaket in letzter Minute eine entsprechende Änderung hinzuzufügen. Doch längst nicht in jedem EU-Land stellt sich das Problem gleich. Deutschlands Ansatz der unkomplizierten Aufnahme auf Basis des Sozialrechts könnte auf wenig Verständnis bei anderen Mitgliedstaaten stoßen und weitere Zugeständnisse beim Asylrecht erfordern.

Nicht nur für die Betroffenen steht also ein Jahr vor dem wahrscheinlichen Auslaufen ein Problem im Raum, das sich seit Beginn der Regelung angekündigt hatte. Noch aber hoffen viele Beteiligte auf eine europäische Lösung. Denn selbst im Fall eines baldigen Friedens in der Ukraine wäre eine schnelle Rückkehr für alle Geflüchteten binnen kurzer Zeit kaum realistisch.

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Pedro Sánchez: “Katalanische Unabhängigkeit ist kein Terrorismus”

“Allen Unabhängigkeitsbefürwortern wird Amnestie gewährt, weil sie keine Terroristen sind“, sagte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Donnerstag im Anschluss an den Sondergipfel in Brüssel. Diese Aussage fällt inmitten einer Kontroverse zwischen den regierenden Sozialisten der PSOE und der spanischen Justiz.

Die PSOE betrachtet Entscheidungen wie die des Richters Manuel García-Castellón, gegen den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und die ERC-Führerin Marta Rovira wegen Terrorismus-Verdachts zu ermitteln, als “Einmischung” in die Amnestie. Sánchez hat diese Stellungnahme in Brüssel abgegeben, noch bevor der Richter seine Arbeit abgeschlossen hat. “Wie jeder weiß, ist die katalanische Unabhängigkeit kein Terrorismus”, bekräftigte Sánchez.

Parlament stimmt gegen das Amnestiegesetz

Die Partei von Carles Puigdemont, Junts per Catalunya, hatte am Dienstag im Parlament gegen das Amnestiegesetz gestimmt. Damit kann der Entwurf – zumindest vorläufig – nicht an den Senat weitergeleitet werden. Junts hält das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht für ausreichend, um alle wegen des katalanischen “procés” Angeklagten zu schützen.

Die Separatisten wollen vor allem die Amnestie für Puigdemont garantieren. Die Ermittlungen, die Richter Manuel García-Castellón im Fall der Protestgruppe Tsunami Democràtic durchführt, betreffen Puigdemont unmittelbar wegen möglicher terroristischer Straftaten. Gegen Puigdemont wird außerdem vom Richter Joaquín Aguirre aus Barcelona wegen Hochverrats ermittelt. Der Richter untersucht die “russische Verbindung”.

Junts und die Sozialisten haben nun eine erste Frist bis zum 21. Februar, um eine neue Vereinbarung zu erzielen. Dieser Termin kann um maximal weitere 15 Tage bis zum 7. März verlängert werden.

Verfassungsmäßigkeit des Amnestiegesetzes strittig

Sánchez gab am Donnerstag die Anweisung, das Amnestiegesetz in seiner jetzigen Form und ohne weitere Zugeständnisse an Junts beizubehalten. Der Sozialist ist der Ansicht, dass weitere Änderungen des Gesetzentwurfes die Überprüfung vor dem Verfassungsgericht gefährden würde. Die Erklärung von Sánchez in Brüssel ist eine Botschaft an Junts, aber auch an die Ermittlungsrichter.

Die Sozialisten hatten sich ursprünglich geweigert, eine umfassende Amnestie für alle Personen zu gewähren, die des Terrorismus im Zusammenhang mit dem Separatistenprozess beschuldigt werden. Denn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes könnte sowohl in Spanien als auch vor dem Gerichtshof der Europäischen Union angefochten werden.

Keine Amnestie bei Verletzung der Menschenrechte

Die PSOE hatte bereits vergangene Woche den separatistischen Parteien Junts und ERC Änderungen des Amnestiegesetzes in Bezug auf terroristische Straftaten zugesagt. Sozialisten und Separatisten einigten sich darauf, dass Personen, die im Rahmen des Separatistenprozesses des Terrorismus beschuldigt werden, keine Amnestie gewährt wird, “wenn sie offensichtlich und mit direktem Vorsatz schwere Menschenrechtsverletzungen verursacht haben“. Gemeint sind insbesondere solche, die in den Artikeln 2 und 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und des humanitären Völkerrechts genannt werden.

Die Sozialisten gewährten den Separatisten auch einen weiteren Änderungsantrag, der die Anwendung von Vorsichtsmaßnahmen betrifft. Diese sollen sicherstellen, dass Puigdemont ohne vorsorgliche Maßnahmen nach Spanien zurückkehren kann, auch wenn gegen das zukünftige Amnestiegesetz Berufung eingelegt wird.

Der Fall Tsunami Democràtic

Nachdem sich PSOE, Junts und ERC darauf geeinigt hatten, die Fälle der CDR (Comites de defensa de la república) und des Tsunami Democràtic durch Änderungen im Amnestiegesetz zu schützen, stellte der Richter des Nationalen Gerichts Manuel García Castellón ihre Argumente infrage. García-Castellón hält die schweren Verletzungen, die Polizeibeamte bei den gewalttätigen Ausschreitungen in Katalonien im Oktober 2019 erlitten haben, für “unvereinbar mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“.

Die CDR hatten die gewalttätigen Demonstrationen koordiniert. Im Jahr 2019 stellte der Nationale Gerichtshof fest, dass die CDR ihre Strategie und die wichtigsten Schritte direkt an Puigdemont mitteilten.

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EU-Monitoring

05.02.-06.02.2024
Informelle Ministertagung Kohäsionspolitik
Themen: Zukunft der Kohäsionspolitik. Infos

05.02.2024 – 17:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Sofortüberweisungen, Hochwertige Praktika, Grenzwerte für Blei
Themen: Aussprache zu Sofortüberweisungen in Euro, Aussprache zu hochwertigen Praktika in der EU, Aussprache zu den Grenzwerten für Blei und seine anorganischen Verbindungen und Diisocyanate. Vorläufige Tagesordnung

05.02.2024 – 19:00-21:00 Uhr
Gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG) und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Dialog über Aufbau und Resilienz mit Valdis Dombrovskis (Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen) und Paolo Gentiloni (Mitglied der Kommission mit Zuständigkeit für Wirtschaft). Vorläufige Tagesordnung

06.02.2024
Trilog: NZIA
Themen: Die Unterhändler von Europaparlament und Rat versuchen, den Trilog abzuschließen. Besonders strittig sind die Liste der förderfähigen Netto-Null-Technologien, die Fristen für die Genehmigungsverfahren von neuen Produktionsanlagen und die Aufnahme neuer Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen.

06.02.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Klimaziel 2040, Mitteilung zum industriellen Kohlenstoffmanagement, Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie. Vorläufige Tagesordnung

06.02.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Interoperabilität des öffentlichen Sektors, Beziehungen EU-Russland
Themen: Aussprache zu den Erklärungen des Rates und der Kommission – Zwei Jahre nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Abstimmung zu den Maßnahmen für ein hohes Maß an Interoperabilität des öffentlichen Sektors in der Union (Gesetz für ein interoperables Europa), Aussprache zu den politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland. Vorläufige Tagesordnung

07.02.2024 – 09:00-22:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Aussprache Klaus Iohannis, Tiefseebergbau in der Arktis, Verletzungen der Menschenrechte
Themen: Aussprache mit Klaus Iohannis (Präsident Rumäniens), Abstimmung zum vor Kurzen gefassten Beschluss Norwegens, den Tiefseebergbau in der Arktis voranzubringen, Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Vorläufige Tagesordnung

08.02.-09.02.2024
Informelle Ministertagung Wettbewerbsfähigkeit
Themen: Aussprache zu den aktuellen europäischen Dossiers. Infos

08.02.2024
EuGH-Urteil zu wiederholten Asylanträgen
Themen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet darüber, ob die erneute Stellung von Asylanträgen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Vorabentscheidungsersuchen

08.02.2024 – 09:00-16:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Lage in Serbien, Große Anfragen
Themen: Abstimmung zur Lage in Serbien nach der Wahl, Aussprache zu Großen Anfragen. Vorläufige Tagesordnung

11.02.-12.02.2024
Informelle Ministertagung Entwicklung
Themen: Die für Entwicklung zuständigen Minister kommen zu Beratungen zusammen. Infos

News

Bauernproteste: Macron wettert gegen Mercosur-Abkommen

Bauernproteste in Brüssel auf der Place du Luxembourg vor dem EU-Parlamentsgebäude.

Auf dem Sondergipfel in Brüssel hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für Spiegelklauseln starkgemacht und gegen das Handelsabkommen mit Mercosur argumentiert. “Ich bin nicht aus Prinzip gegen Freihandelsverträge”, sagte Macron in einem Pressebriefing. Er sei einfach gegen Freihandel, wenn das “Gesetz des Dschungels” gelte. “Wir können von den europäischen Produzenten nicht verlangen, immer mehr Regeln zu respektieren, und gleichzeitig Freihandelsabkommen verhandeln, wie man das in den 90er-Jahren machte”, sagte Macron.

Der Gipfel in Brüssel war von massiven Bauernprotesten begleitet worden, die auch Gesprächsthema bei den Staats- und Regierungschefs waren. Eine Marktöffnung, ohne von den Handelspartnern Respekt vor den europäischen Regeln einzufordern, gefährdet nach Ansicht von Macron die Existenz der europäischen Landwirte. Wenn man diesem Prinzip folge, werde man zum Schluss zu einem “Kontinent, der Regeln macht für Produzenten, die es gar nicht mehr gibt”.

Handelspartner sollen Nachhaltigkeitskriterien zustimmen

Mit diesem Extrembeispiel warnte Macron, dass Europa durch zu viel Regulierung bei gleichzeitiger Marktöffnung die Kontrolle verliere über die Ernährung und in der Folge minderwertige Ware aus Drittländern konsumieren müsse. Dies bedrohe die Souveränität Europas, meint Macron.

Als positives Beispiel führte der französische Präsident die jüngsten Handelsverträge mit Chile und Neuseeland auf, in denen die Handelspartner zu Nachhaltigkeitskriterien zustimmten. Der kommerziell viel bedeutendere Handelsblock Mercosur will diese Kriterien jedoch nicht akzeptieren. Ähnlich wie bei Macron geht es den südamerikanischen Ländern dabei um ihre Souveränität. jaa

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Politische Einigung auf Notfallinstrument für den Binnenmarkt

Die Mitgliedstaaten haben 18 Monate Zeit, um die Regeln des Notfallinstruments für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument) umzusetzen. Dies sieht die politische Einigung zwischen Parlament und Rat vor. Das Notfallinstrument SMEI wird nach der Umsetzung umbenannt in Internal Market Emergency and Resilience Act (IMERA), wie das Parlament gefordert hat.

Es will die Konsequenzen ziehen aus der Pandemie und dafür sorgen, dass der Binnenmarkt auch in Krisen funktioniert. Bedrohungslagen werden künftig analysiert. Wenn nötig werden Notfallmaßnahmen erlassen, die den freien Transport von Waren, Personen und Arbeitskräften auch dann sicherstellen, wenn es Ausgangssperren oder sonstige Einschränkungen geben sollte.

Schwarze Liste für Grenzschließungen

Sollten Engpässe drohen, kann die Kommission Unternehmen darum bitten, bestimmte Produkte und Dienstleistungen vorrangig bereitzustellen. Sollten sich die Engpässe weiter verknappen, können die Kommission und die nationalen Behörden die benötigten Produkte und Dienstleistungen auch über ein öffentliches Vergabeverfahren bereitstellen.

In Krisensituationen, in denen etwa die Grenzen zwischen Mitgliedstaaten geschlossen sind, soll die Kommission die Freizügigkeit von krisenrelevanten Arbeitskräften und medizinischem Personal über ein digitales Tool gewährleisten.

Berichterstatter Andreas Schwab (CDU) sagte: “Das Instrument stärkt ein besseres Krisenmanagement, insbesondere für Personen in grenzüberschreitenden Regionen.” Die Mitgliedstaaten könnten künftig nicht mehr ihre Grenzen einfach schließen. Und weiter: “Wir haben jetzt eine schwarze Liste an Gründen zusammengefasst, die eine Grenzschließung nicht mehr rechtfertigen.” mgr

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Neuzuschnitt der Ausschüsse im Europaparlament wird verschoben

Der geplante Neuzuschnitt der Ausschüsse im Europaparlament soll in dieser Wahlperiode nicht mehr beschlossen werden. Im Gegenzug soll aber die Reform der Ausschussarbeit im Europaparlament noch bis zur Europawahl beschlossen werden und dann für das nächste Parlament gelten.

Nach Informationen von Table.Media haben dies die Fraktionschefs und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in der Konferenz der Präsidenten beschlossen. Um die Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen bei komplizierten Gesetzgebungsverfahren zu verbessern und das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen, soll künftig ein übergreifender Super-Ausschuss (“Joint Comitee”) gebildet werden.

Die Reform war in der Arbeitsgruppe Parlament 2024 erarbeitet worden, die Metsola im Frühjahr 2023 einberufen hatte und die im November ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Der konstitutionelle Ausschuss AFCO soll in den nächsten Wochen die Reform beschließen. Die Abstimmung im Plenum soll spätestens in der letzten Sitzungswoche der Wahlperiode im April stattfinden. mgr

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Presseschau

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Heads

Thomas Geisel – einer von zwei Spitzenkandidaten des BSW für Europa

Thomas Geisel bei der Pressekonferenz zur Parteigründung des BSW am 8. Januar. 

Nach seiner Abwahl als Düsseldorfer Oberbürgermeister 2020 war es still geworden um Thomas Geisel. Das Jahr 2024 begann der 60-Jährige nun mit einem Paukenschlag. Er will ein neues Kapitel aufschlagen, in einer neuen Partei und auf einer höheren politischen Ebene. Er will nach Brüssel.  

Bei der Pressekonferenz zur Parteigründung vom Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit am 8. Januar stellte das BSW Geisel überraschend als einen von zwei Spitzenkandidaten für die Europawahl vor. Erst kurz zuvor hatte er seinen Austritt aus der SPD und den Wechsel zum BSW bekannt gegeben.  

Politische Neuorientierung zum Jahreswechsel 

Was hat Thomas Geisel dazu bewogen, die SPD nach mehr als 40 Jahren zu verlassen? Ihn treibe die Sorge um den Zustand Deutschlands als “Sanierungsfall” um, er sehe den Wirtschaftsstandort und den sozialen Zusammenhalt gefährdet, sagte er bei der Pressekonferenz. Auch Außen- und Migrationspolitik sind ihm ein Dorn im Auge. Er reitet mit auf der Welle der Unzufriedenheit im Lande.  

Die “linke, vernünftige Wirtschaftspolitik mit ordnungspolitischem Kompass” vom BSW, die wirtschaftliche Macht begrenze, aber gleichzeitig von einer Überregulierung der Wirtschaft absehe, hat ihn überzeugt. Trotz des Austritts aus der SPD identifiziert er sich nach wie vor als Sozialdemokrat, wie er dem WDR sagte: “Sozialdemokratie ist eine Haltung, keine Parteimitgliedschaft.” 

On-off-Beziehung mit der Politik 

Als Sohn des SPD-Politikers Alfred Geisel erlebte der gebürtige Schwabe aus Ellwangen Politik schon in jungen Jahren hautnah mit. “Politik hat mein Leben immer begleitet. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerung ist, Wahlzettel meines Vaters zu verteilen.” Mit 18 Jahren trat er selbst in die Partei ein. 

Anschließend studierte Geisel Rechts- und Politikwissenschaft in Freiburg, Genf und Washington. Auch im ehemaligen Ostdeutschland machte er Station. Im Jahr 1990 arbeitete er als Referent der SPD-Fraktion in der Volkskammer, dem Parlament der DDR. Somit habe er am Rande die Verhandlungen zum Einigungsvertrag begleiten können. “Das war eine tolle Zeit”, erinnert sich Geisel, “da wurde sprichwörtlich Geschichte geschrieben”.  

Es folgten verschiedene Funktionen innerhalb der SPD und eine leitende Rolle bei der Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, bis Geisel 1998 schließlich in die Wirtschaft wechselte. Von 2000 bis 2013 war er bei Eon Ruhrgas für den Erdgaseinkauf zuständig. Während dieser Zeit, sagt er, war er bloß eine “Karteileiche” in der Partei.  

Oberbürgermeister in Düsseldorf: Erfüllung und Enttäuschung

Im Jahr 2014 fand er seinen Weg zurück in die aktive Politik, auf die seine Managementerfahrungen in der Energiewirtschaft ihn gut vorbereitet hätten: Er kandidierte für die SPD als Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf und gewann die Wahl. Rückblickend “eine extrem anstrengende”, aber auch die “erfüllendste Aufgabe” seiner Laufbahn. 2020 dann die “große Enttäuschung”: Geisel wurde nicht wiedergewählt und zog sich zunächst aus der Politik zurück.  

Ein europapolitischer Bezug liegt mit Blick auf Geisels Vita – anders als bei seinem Ko-Spitzenkandidaten Fabio De Masi – nicht unbedingt auf der Hand. Er betont jedoch, dass “Europa auch im kommunalen Alltag eine Rolle spielt”. Zum Beispiel wenn es darum geht, sich um Fördermittel zu bewerben. Geisel, der sich auf das Subsidiaritätsprinzip beruft, findet, die EU sei oftmals “übergriffig”, betreibe “Micromanagement”

Für Geisel ist die Europäische Union in erster Linie ein wirtschaftliches Projekt, das zum Ziel haben sollte, fairen Wettbewerb herzustellen und internationalen Handel zu ermöglichen. Ein starkes Europa nach seiner Vorstellung würde sich auf “seine Kernkompetenzen besinnen”, also dort agieren, “wo die staatliche Macht der Mitgliedstaaten nicht mehr ausreicht”. Dazu gehöre die Begrenzung der Marktmacht multinationaler Konzerne.  

Waffenlieferungen an die Ukraine aussetzen

Vor knapp zwei Jahren, damals noch als SPD-Politiker, sorgte er mit der Veröffentlichung des Blogbeitrags “Es reicht, Herr Melnyk!” mitunter innerhalb der Partei für heftige Kritik. Seine außen- und sicherheitspolitischen Vorstellungen scheinen beim BSW besser aufgehoben. So äußert er: “Ich bin der Auffassung, dass unser derzeitiger Umgang mit dem Krieg in der Ukraine nicht vom Ende her gedacht ist. Es ist keine verantwortungsvolle Politik.”  

Waffenlieferungen, die den Krieg in die Länge zögen, kritisiert Geisel. Er spricht sich dafür aus, die Lieferungen auszusetzen und Putin ein “gesichtswahrendes Verhandlungsangebot” zu unterbreiten. “Europa sollte sich des Umstandes bewusst sein, dass wir einen Hebel in der Hand haben, der Verhandlungen befördert und damit die Chance bietet, diesen Krieg zu beenden.”

Auch in Hinblick auf einen EU-Beitritt kann die Ukraine von einem möglichen Europaparlamentarier namens Thomas Geisel wohl keine Unterstützung erwarten. “Ich finde es grundfalsch, dass wir das Thema EU-Beitritt unter geostrategischen Gesichtspunkten sehen. Das ist für mich eine Instrumentalisierung Europas.” 

Den europapolitischen Kompass des BSW ausloten 

Grundlegend ist er der Überzeugung: “Europa wird weder dadurch stärker, dass es immer mehr Kompetenzen bekommt, noch dadurch, dass es immer größer wird; je größer Europa wird, desto unterschiedlicher werden die Auffassungen.” Eine “Balance der Größe zu finden” sei auch wichtig, um “mit einer eigenständigen Stimme in einer multipolaren Welt” auftreten zu können, was Geisel für “sehr wünschenswert” erachtet.

Am ersten Parteitag am 27. Januar hat das BSW schließlich ein Europawahlprogramm unter dem Leitmotiv weniger ist mehr” verabschiedet. Geisel selbst ist noch dabei, sich inhaltlich einzuarbeiten. Die derzeitige Stimmung beim BSW beschreibt er “ein bisschen wie in einem Start-up.”

Er berichtet von Motivation und Begeisterung, ebenso von der Notwendigkeit zur Improvisation. Seine Kandidatur für das Europaparlament vergleicht er mit einem “Sprung ins kalte Wasser.” Doch der Herausforderung sieht er sich als “überzeugter Europäer” gewachsen. Clara Baldus

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    es ist ein schwieriges Unterfangen, das die Europäische Grüne Partei (EGP) von heute an in Lyon vorhat. Auf ihrem Parteitag will sie ihr Programm für die Europawahl am 9. Juni festzurren. Eigentlich sollte es trivial sein, steht die Partei in Europa doch nach wie vor für ambitionierte Klimaschutzpolitik und strenge Regeln für die Industrie, Emissionen zu senken.

    Doch nun werfen Änderungsanträge der deutschen Grünen zum Wahlprogramm plötzlich Fragen auf. Statt die Ambitionen beim Klimaschutz zu erhöhen, will die Ampelpartei die anvisierten Ziele verwässern. Statt einem klimaneutralen Europa schon in 2040 reicht den deutschen Grünen offenbar auch 2045. Den Gasausstieg 2035 und den Ölausstieg 2040 wollen sie streichen. Die Verhandlungen und Diskussionen in Lyon dürften hart und emotional geführt werden.

    Und dann wollen die Grünen am Samstag auch noch das Spitzenpersonal für die Wahl nominieren. Die besten Chancen auf die Plätze ganz oben haben die deutsche grüne Spitzenkandidatin Terry Reintke und der Niederländer Bas Eickhout. Beide sitzen bereits im EU-Parlament. Chancenlos sind Elīna Pinto aus Lettland und Benedetta Scuderi aus Italien aber ganz sicher nicht.

    Die Ergebnisse des Parteitags lesen Sie am Montag natürlich im Europe.Table. Bis dahin, ein erholsames Wochenende und eine angenehme Freitagslektüre,

    Ihr
    Lukas Knigge
    Bild von Lukas  Knigge

    Analyse

    Lieferkette: Fünf EU-Staaten lehnen das neue Gesetz ebenfalls ab

    In der Ampelkoalition gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) für die Unternehmen in Deutschland auswirken wird und wie sich die Regierung bei der Abstimmung im Rat verhalten sollte. Protagonisten sind der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der die Federführung bei der europäischen Richtlinie hat, sowie die beiden FDP-Minister Christian Lindner und Marco Buschmann.

    Die von ihnen geführten Ministerien der Finanzen und Justiz wollen das Trilog-Ergebnis zum Entwurf einer EU-Lieferkettenrichtlinie “nicht mittragen”. Dies teilten sie am gestrigen Donnerstag in einem Schreiben mit. Im Rat der EU habe dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, “die im Ergebnis wie eine Nein-Stimme wirkt”, schreiben sie.

    Scholz nimmt zur Kenntnis, dass es keinen Konsens gibt

    Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist die CSDDD “in deutschem Interesse”. Er werbe eindrücklich für die Zustimmung. Dazu habe er einen Vorschlag gemacht, der jetzt in der Regierung diskutiert werde. Dabei gehe es unter anderem um den Abbau bürokratischer Lasten und keine weiteren Berichtspflichten.

    “Wir können und sollten es uns in Europa zutrauen, uns auf den Weg hin zu fairen globalen Lieferketten zu machen”, warb auch Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze für die Richtlinie. “Ich biete den Unternehmen an, unsere Unterstützungsangebote für die Umsetzung der neuen Regeln in Deutschland und im Ausland künftig weiter auszubauen”, sagte sie Table.Media. Aber auf Seiten der FDP herrscht große Skepsis. “Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Konsens in der Regierung gibt”, fasste Bundeskanzler Olaf Scholz beim EU-Sondergipfel in Brüssel die Lage zusammen.  

    Mehrheitsverhältnisse im Rat noch unklar

    Unterschiedliche Einschätzungen gibt es auch dazu, welche Folgen eine deutsche Enthaltung im Rat hätte. Auf Seiten der FDP und ihrer Unterstützer, besonders den großen Verbänden, ist die Hoffnung groß, dass auf diese Weise die CSDDD auf europäischer Ebene verhindert werden könnte. Dagegen sind Befürworter im Regierungslager aus SPD und Grünen überzeugt, die Richtlinie werde auch bei Stimmenthaltung Deutschlands verabschiedet.

    Wie die Mehrheitsverhältnisse im Rat tatsächlich sind, ist noch schwer abzusehen. Nach Informationen von Table.Media haben bislang lediglich Spanien, Portugal, die Niederlande und Malta angekündigt, dem Text zuzustimmen. Sechs weitere Mitgliedstaaten, darunter Irland, Polen und Griechenland, haben sich während eines Treffens der Ratsarbeitsgruppe positiv geäußert.

    Schweden hingegen werde das Gesetz ablehnen; Tschechien, Estland, Litauen und die Slowakei werden voraussichtlich “nicht zustimmen”. Alle anderen erklärten, sie prüften das Trilogergebnis zurzeit noch. Beim Start der Überlegungen für die CSDDD unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft hatten sich noch alle Staaten einstimmig für eine solche Regelung ausgesprochen.

    Unterschiedliche Einschätzungen innerhalb beteiligter Ressorts

    Zwar ist die CSDDD eng zwischen den beteiligten Ressorts abgestimmt worden. Trotzdem gibt es bei wichtigen Punkten aktuell sehr unterschiedliche Einschätzungen.

    Beispiel Haftung: Lindner und Buschmann räumen ein, dass die deutsche Seite bei den Trilogverhandlungen in puncto Haftung einiges erreicht habe. So werde die “Haftung mit Hilfe von bewährten Grundsätzen des deutschen Haftungsrechts beschränkt, wie in der Notwendigkeit, dass die verletzte Norm drittschützend wirkt”, schreiben sie.

    Außerdem könnten Unternehmen Audits teilen und Sorgfaltspflichten gemeinsam in Brancheninitiativen erfüllen. Darauf hatte etwa der Verband der Chemischen Industrie (VCI) gedrängt. “Gleichwohl bedeutet die Haftungsregelung eine stärkere Belastung im Vergleich zum LkSG. Anders als das LkSG soll die CSDDD eine zivilrechtliche Haftung umfassen.” Diese hatte die SPD in der großen Koalition mit der CDU/CSU nicht durchsetzen können.

    Haftung ist umfassender als im deutschen Gesetz

    In Regierungskreisen wird nicht bestritten, dass die Haftung der CSDDD etwas umfassender sei als im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Aber die deutsche Seite habe verhindert, dass sich die Franzosen mit ihren noch sehr viel weitgehenderen Vorstellungen einer Haftung durchgesetzt hätten, wie sie im französischen Sorgfaltspflichtengesetz verankert seien.

    Zudem hafteten Unternehmen laut der CSDDD nur “bei eigenem Verschulden und vermeidbaren Schäden”, heißt es. Unternehmen, die sich bemüht hätten, “hafteten nicht”. Eine solche Bemühenspflicht entspricht der Regelung des LkSG. Übrigens hat das Justizministerium wesentlich an den Haftungsregeln der CSDDD mitgearbeitet. Allerdings hatte Justizminister Buschmann bereits im Sommer vergangenen Jahres Bedenken gegen die CSDDD angemeldet.

    Erleichtert werden soll Opfern von Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten europäischer Unternehmen der Zugang zu Gericht. Der ist bislang so kompliziert, dass es de facto kaum zu Verfahren kommt. Diesen Betroffenen den Zugang zu europäischen Gerichten zu erleichtern, war von Anfang an ein Anliegen der meisten EU-Regierungen gewesen.

    Buschmann lehnt ab, was er zuvor befürwortete

    Beispiel Anwendungsbereich: Lindner und Buschmann kritisieren den weiteren Anwendungsbereich auf Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden und in Risikosektoren auf Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden. Diese Regelung hatten Buschmann, Habeck und Heil bislang aber gemeinsam befürwortet, heißt es in Regierungskreisen. Zudem werde auf europäischer Ebene eine Umsatzschwelle eingeführt, die es im deutschen Gesetz nicht gebe. Unter dem Strich dürften in Deutschland durch die Neuregelung einige hundert Unternehmen mehr durch die CSDDD erfasst werden. Die EU-Kommission geht von europaweit 13.000 Unternehmen aus. Das deutsche Gesetz erfasst 5.200 Unternehmen.

    Beispiel Umwelt: Nach Ansicht der beiden FDP-Minister enthält das Trilogergebnis zudem “eine verdeckte umweltfreundliche Generalklausel”. Sie führe zu einer “weitreichenden unternehmerischen Verantwortung für Umweltschäden, und zwar unabhängig von einer konkreten Auswirkung auf die Menschen”. Andere Regierungskreise erklären hingegen: Es gebe “keine offene oder verdeckte Generalklausel für Umwelt”. Entsprechende Versuche habe die Bundesregierung bei den Trilog-Verhandlungen abgewehrt. Im Menschenrechtsanhang gebe es lediglich den Hinweis, dass schwere Umweltschäden auch eine menschenrechtliche Relevanz haben. Eine solche Vorschrift findet sich allerdings auch im deutschen LkSG.

    Beispiel Berichtspflichten: Die beiden FDP-Ministerien sehen auf die deutschen Unternehmen erhebliche finanzielle, personelle und auch “bürokratische Mehrbelastungen” zukommen. So sollten etwa größere Unternehmen “einen Plan zur Sicherstellung der Vereinbarkeit ihrer Unternehmensstrategie mit dem Pariser Abkommen unter Aufnahme konkreter Reduktionsziele aufstellen.” Allerdings müssen Unternehmen dies sowieso schon im Rahmen ihrer Berichtspflichten tun, heißt es in anderen Regierungskreisen. Durch die CSDDD komme es hier zu keiner Mehrbelastung.

    “Fatales Signal an deutsche Unternehmen”

    Die Reaktionen auf den Ampelkrach bei der CSDDD fallen unterschiedlich aus. “Die Kehrtwende der FDP ist ein Schlag ins Gesicht für all jene Menschen, die in den Lieferketten europäischer Unternehmen unter Zwangsarbeit und Hungerlöhnen leiden”, sagte Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz. Die Haltung der beiden FDP-Minister sei ein Affront gegen alle Unternehmen, die sich seit Jahren für nachhaltiges Wirtschaften einsetzten.

    Sollte die CSDDD nicht kommen, wäre dies das fatale Signal an deutsche Unternehmen, “dass professionelles Lieferkettenmanagement unnötig ist”, sagt Vaude-Chefin Antje von Dewitz. “Zugunsten einer kurzfristig geschaffenen Entlastung wird der Aufbau von unternehmerischer Zukunftsfähigkeit aktiv verhindert.”

    Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall begrüßte die Entscheidung der FDP. “In der vorliegenden Form würde diese Richtlinie weit über die deutsche Regelung hinausgehen und rechtssicheren Außenhandel so gut wie unmöglich machen.” Es sei gut, dass die FDP zur Vernunft gekommen sei und dem “europäischen Lieferkettengesetz jetzt den Stecker zieht”, sagte Angelika Niebler, Vorsitzende der CSU-Europagruppe.

    Allerdings gilt es als ausgeschlossen, dass die CSDDD noch in der laufenden Legislaturperiode nachverhandelt werden könnte. Befürworter der Richtlinie befürchten zudem, dass es nach den Europawahlen keine Mehrheiten mehr für die CSDDD geben könnte. Mit Till Hoppe und Leonie Düngefeld

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    EU einigt sich auf ein Finanzpaket für die Ukraine

    Sieben Wochen lang hatte Viktor Orbán die 26 anderen Staats- und Regierungschefs und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hingehalten. Beim Sondergipfel am Donnerstag ging es dann schnell: Der ungarische Ministerpräsident ebnete bereits im Vorgespräch im kleinen Kreis den Weg für das Finanzpaket, das Hilfen für die Ukraine von 50 Milliarden Euro bis 2027 vorsieht.

    Kanzler Olaf Scholz und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonten, es habe keinerlei Zusagen an Orbán gegeben, als Gegenleistung eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizugeben. “Die Antwort darauf ist ein klares Nein”, sagte von der Leyen. Orbán konnte sich auch nicht mit seiner Forderung durchsetzen, ein jährliches Vetorecht für die Auszahlung der Ukraine-Gelder zu erhalten. Die Abschlusserklärung sieht nur vor, dass die Staats- und Regierungschefs einmal im Jahr über das Thema diskutieren.

    Kaum Zugeständnisse an Orbán

    Orbán sprach auf X dennoch davon, er habe seine “Mission erfüllt”, es gebe einen Kontrollmechanismus zum Jahresende. Der ungarische Ministerpräsident hatte beim Gipfel Mitte Dezember die Verhandlungen über die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) an den Ukraine-Hilfen scheitern lassen – sehr zum Verdruss der anderen 26.

    Ratspräsident Charles Michel berief daraufhin den Sondergipfel am gestrigen Donnerstag ein. Diplomaten werteten das Veto Orbáns auch als Versuch, weitere EU-Gelder loszueisen. Kommission und Rat halten noch rund 20 Milliarden Euro für Ungarn zurück, weil die Regierung in Budapest nicht die vereinbarten Reformen zur Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Justiz umgesetzt habe.

    In den Schlussfolgerungen des Sondergipfels wird auf die Formulierungen verwiesen, die die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2020 zum neuen Konditionalitätsmechanismus beschlossen hatten. Dort wurde festgehalten, dass die Anwendung des neuen Rechtsstaatlichkeitsinstruments proportional zu den Auswirkungen der Missstände auf das EU-Budget sein solle. Orbán bezweifelt, dass dies in der Praxis der Fall ist. Der Verweis in der Abschlusserklärung gestern habe aber keine neue Qualität, betonten Diplomaten anderer Mitgliedstaaten.

    “Signal an amerikanische Steuerzahler”

    Mit dem Beschluss setzt die EU eine neue Ukraine-Fazilität ein, über die bis 2027 50 Milliarden Euro nach Kiew fließen soll. Davon sollen 33 Milliarden als zinsgünstige Kredite gewährt werden, der Rest erstmals als Zuschüsse. Die Gelder seien wichtig, um Wirtschaft und Finanzen der Ukraine langfristig zu stabilisieren, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj.

    Die Entscheidung der Europäer sei auch “ein Signal an die amerikanischen Steuerzahler”, sagte Michel. Er hoffe, dies erleichtere es US-Präsident Joe Biden, seine Finanzhilfen durch den Kongress zu bekommen. Dort blockieren die Republikaner vor allem aus taktischen Gründen Milliardenzahlungen an die Regierung in Kiew.

    Die Einigung ebnet auch den Weg für die Aufstockung des mehrjährigen Finanzrahmens bis 2027 um 64,6 Milliarden Euro. Von der Leyen zeigte sich “sehr zufrieden” mit dem Ergebnis – die Kommission bekomme 80 Prozent der zusätzlichen Mittel, um die sie im vergangenen Juni gebeten habe. Damit könne die EU ihre Aufgaben bei der Bekämpfung der illegalen Migration (plus zwei Milliarden Euro) oder bei der Unterstützung der Nachbarstaaten etwa auf dem Westbalkan erfüllen.   

    EU-Parlament fordert Nachschlag

    Jenseits des größten Blocks der Ukraine-Fazilität musste von der Leyen ihre Wunschliste allerdings stark zusammenstreichen. Insbesondere Scholz hatte darauf gepocht, einen erheblichen Teil der benötigten Gelder durch Einsparungen und Umschichtungen im EU-Haushalt aufzubringen. So werden etwa 2,1 Milliarden Euro aus dem Forschungsprogramm Horizont Europa umgewidmet.

    Am stärksten unter die Räder geriet in den Verhandlungen aber die neue Investitionsplattform STEP, die zusätzliche Mittel für neue Technologien mobilisieren soll: Statt zehn Milliarden Euro zusätzlich für Fonds wie InvestEU wollen die Mitgliedstaaten nur 1,5 Milliarden für den Europäischen Verteidigungsfonds zur Verfügung stellen.

    “So werden wir unseren Aufgaben nicht gerecht”, kritisierte der Grünen-Haushälter im Europaparlament, Rasmus Andresen. Die Abgeordneten sehen STEP als Testlauf für einen Europäischen Souveränitätsfonds und wollen noch über den Kommissionsvorschlag hinausgehen. Allerdings haben sie wenig Druckmittel in den anstehenden Trilog-Verhandlungen mit dem Rat, die im Eiltempo abgeschlossen werden sollen.

    Scholz unzufrieden mit Borrells Waffen-Liste

    Kanzler Scholz drängte überdies die anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel erneut, mehr Waffen an Kiew zu liefern. “Tun alle Mitgliedstaaten genug? Meine persönliche Einschätzung ist, das ist nicht der Fall”, sagte er. Deutschland habe im laufenden Jahr mehr als sieben Milliarden Euro für Rüstungsgüter an die Ukraine vorgesehen – und damit mehr als die Hälfte aller anderen EU-Staaten zusammen.

    Die Zahlen, die der Außenbeauftragte Josep Borrell geliefert habe, seien “schwer zu durchschauen”, sagte Scholz. Der Spanier hatte am Vortag beim informellen Treffen der Verteidigungsminister von Zusagen auch anderer Mitgliedstaaten von insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für dieses Jahr gesprochen und die Aufstellung auch beim Gipfel präsentiert. Borrell habe wohl Beiträge für mehrere Jahre eingerechnet, sagte Scholz. Das habe ihn aber nicht sonderlich gewundert. Das Ziel seiner Abfrage sei aber ohnehin gewesen, in den anderen Mitgliedstaaten Prozesse auszulösen.

    Scholz drängt darauf, bilaterale Leistungen der einzelnen Mitgliedstaaten stärker bei der Europäischen Friedensfazilität zu berücksichtigen, aus der gemeinschaftlich Rüstungsgüter für die Ukraine finanziert werden. Die Diskussion über die Aufstockung der Friedensfazilität wurde vertagt, der Rat soll nun bis Anfang März eine Einigung finden.

    Die angestrebte Zahl von fünf Milliarden Euro für dieses Jahr fehlt in der Abschlusserklärung, anders als in früheren Entwürfen. Von der Leyen kündigte an, binnen weniger Wochen Verträge mit Rüstungsfirmen zu unterzeichnen, um der Ukraine die zugesagte Munition zu liefern.

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    Der Schutzstatus für ukrainische Flüchtlinge läuft aus – Regelungsbedarf kollidiert mit EU-Zeitplan

    Die EU-Kommission tut sich schwer mit der Frage, wie es ab März 2025 mit den Ukraine-Flüchtlingen weitergehen soll. Es gebe derzeit eine Diskussion und man prüfe die Möglichkeiten, sagt eine Sprecherin der EU-Kommission. Hintergrund der Verunsicherung ist die Massenzustrom-Richtlinie der Europäischen Union zum temporären Schutz.

    Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde der Mechanismus am 4. März 2022 aktiviert. Alle Mitgliedstaaten fanden das eine gute Idee, um Chaos zu vermeiden. Die Regelung kann, so steht es in Artikel 4 der Richtlinie, zweimal verlängert werden – um jeweils höchstens ein Jahr. Etwa fünf Millionen Ukrainerinnen kamen mit dieser Regelung in der EU an. Allein in Deutschland waren es etwa eine Million, davon 80 Prozent Frauen.

    Hätte der Rat keinen entsprechenden Beschluss gefasst, hätten die geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer das reguläre Verfahren durchlaufen müssen: Sie hätten einen Asylantrag stellen und mit hoher Wahrscheinlichkeit dann den Flüchtlingsstatus nach Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, den sogenannten subsidiären Schutz. Allein die schiere Masse hätte die EU-Mitgliedstaaten und allen voran Deutschlands Verwaltung überfordert. Deshalb wollten die Bundesregierung, aber auch Länder und Kommunen genau diese Richtlinie anwenden.

    Zweite Verlängerung beschlossen – doch was dann?

    Doch mit der zweiten, im Oktober 2023 beschlossenen Verlängerung bis zum März 2025 ist das Instrument ausgereizt, wenn man Artikel 4 wörtlich nimmt. Es ist ein Problem, denn wenig spricht dafür, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer 2025 in ein friedliches Land zurückkehren könnten. Bereits im vergangenen Sommer warnte ein Sonderbeauftragter der EU-Kommission in einem Bericht, dass zeitnah eine Lösung gefunden werden müsse. Es bedürfe einer Langzeitperspektive, forderte der ehemalige belgische Arbeitsminister Lodewijk Asscher.

    Doch im umstrittenen EU-Asylpaket wurde die Richtlinie für den temporären Schutz nicht mitverhandelt. Einen Unterschied macht das gerade für Deutschland, wo seit Monaten die Frage im Raum steht, ob die Ungleichbehandlung von ukrainischen und anderen Flüchtlingen gerechtfertigt ist.

    Erste Reflexionsübungen

    Die EU-Kommission präsentierte im Januar beim informellen Rat der Justiz- und Innenminister nun Lösungsansätze. Als “erste Reflexionsübungen” bezeichnete die belgische Migrationsstaatssekretärin Nicole de Moor den Austausch. Eine davon: Eine kreative Interpretation der bislang angewandten Richtlinie, sodass eine Verlängerung über 2025 hinaus doch möglich wäre. Diese Variante habe EU-Innenkommissarin Ylva Johansson den Mitgliedstaaten präsentiert, heißt es in Brüsseler Kreisen. Unter Rechtsgelehrten allerdings war die Endlichkeit der Maßnahme bislang einhellige Rechtsmeinung. Auf Nachfrage kann oder will die Generaldirektion Innen der EU-Kommission keine Details nennen.

    Das deutsche Bundesinnenministerium hält sich angesichts der Debatten bedeckt: “Das BMI begrüßt Ansätze, die weiterhin ein kohärentes Handeln aller Mitgliedstaaten ermöglichen, um wegen des russischen Angriffskrieges aus der Ukraine Geflüchtete in der EU zu schützen.” Zu den konkreten Überlegungen der EU-Kommission will sich Nancy Faesers Haus nicht äußern und verweist auf die Kommission und die laufenden Gespräche der Mitgliedstaaten.

    Regelungsbedarf kollidiert mit EU-Zeitplan

    Doch die Zeit spielt gegen eine Neuregelung: Die EU-Kommission hat bislang keinen förmlichen Vorschlag auf den Weg gebracht, um die Richtlinie zu ändern. Innenkommissarin Ylva Johansson kündigte gar an, keinerlei Regelungsvorschläge vorzulegen, bevor Einigkeit im Zielkorridor bestehe. Im April aber wird das derzeitige Europaparlament das letzte Mal tagen, im Juni wird gewählt. Danach muss die neue EU-Kommission ernannt werden. Bis September steht die EU-Gesetzgebungsmaschine daher mindestens still, vielleicht auch länger.

    Dazu kommt, dass in der zweiten Jahreshälfte ausgerechnet Ungarn die Ratspräsidentschaft stellt, die auch über Verhandlungstermine zu Vorhaben entscheidet. Das verbleibende gute Jahr besteht real also nur noch aus wenigen Wochen.

    Fiele in Deutschland der Sonderstatus für die Geflohenen aus der Ukraine weg, würden sich erhebliche Verwaltungsprobleme ergeben. Vorneweg für die eh schon überlasteten Ausländerbehörden und die Arbeitsagenturen: Sie müssten dann eine Million “Kunden” viel intensiver verwalten als bisher, Ansprüche intensiver prüfen. Schon hier lebende Ukrainerinnen und Ukrainer könnten ohne Neuregelung dann künftig unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.

    “Das wäre allerdings nicht die von uns präferierte Möglichkeit, da so die Ausländerbehörden mit einer Antragsflut konfrontiert werden würden”, erläutert ein Sprecher des Deutschen Landkreistages. “Als Alternative zu einer EU-Lösung kommt deshalb wohl nur eine generelle Aufenthaltsregelung in Deutschland in Betracht, die individuelle Anträge obsolet werden lässt.” Für Neuankömmlinge sollte eine Regelung wie für Asylbewerber allerdings in Betracht gezogen werden, betont der Landkreistag.

    BMAS will Ukrainer in regulären Aufenthaltsstatus bringen

    Kein Wunder, dass man im Bundesministerium für Arbeit und Soziales derzeit vor allem eines will: Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Sonder-Schutzstatus herausholen. “Ein solcher Wechsel ist aus Sicht des BMAS wünschenswert, auch weil er den Geflüchteten und Arbeitgebern eine sichere Perspektive über die Dauer der Durchführung der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz hinaus ermöglicht”, teilte eine Sprecherin auf Anfrage von Table.Media mit.

    Doch aus Sicht der Geflüchteten ist das nicht automatisch attraktiv: Ein Wechsel aus dem bisherigen Schutzsystem führt auch dazu, dass sie erst einmal keinen Anspruch auf Grundsicherung oder Bürgergeld haben. Zumindest dann, wenn sie nicht an Integrationsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt teilnehmen. Das aber würde erheblichen Mehraufwand bedeuten. Die Arbeitsagenturen und Job-Center könnten das stemmen, meint das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. “Die Bundesagentur für Arbeit hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie mit unerwarteten Bedarfen umgehen kann”, heißt es aus dem Ministerium von Hubertus Heil.

    Umstrittenes EU-Asylpaket könnte Regelung Zuflucht bieten

    Ob das aber reibungslos funktionieren würde? Ein Weg könnte sein, dem Asylpaket in letzter Minute eine entsprechende Änderung hinzuzufügen. Doch längst nicht in jedem EU-Land stellt sich das Problem gleich. Deutschlands Ansatz der unkomplizierten Aufnahme auf Basis des Sozialrechts könnte auf wenig Verständnis bei anderen Mitgliedstaaten stoßen und weitere Zugeständnisse beim Asylrecht erfordern.

    Nicht nur für die Betroffenen steht also ein Jahr vor dem wahrscheinlichen Auslaufen ein Problem im Raum, das sich seit Beginn der Regelung angekündigt hatte. Noch aber hoffen viele Beteiligte auf eine europäische Lösung. Denn selbst im Fall eines baldigen Friedens in der Ukraine wäre eine schnelle Rückkehr für alle Geflüchteten binnen kurzer Zeit kaum realistisch.

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    Pedro Sánchez: “Katalanische Unabhängigkeit ist kein Terrorismus”

    “Allen Unabhängigkeitsbefürwortern wird Amnestie gewährt, weil sie keine Terroristen sind“, sagte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Donnerstag im Anschluss an den Sondergipfel in Brüssel. Diese Aussage fällt inmitten einer Kontroverse zwischen den regierenden Sozialisten der PSOE und der spanischen Justiz.

    Die PSOE betrachtet Entscheidungen wie die des Richters Manuel García-Castellón, gegen den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und die ERC-Führerin Marta Rovira wegen Terrorismus-Verdachts zu ermitteln, als “Einmischung” in die Amnestie. Sánchez hat diese Stellungnahme in Brüssel abgegeben, noch bevor der Richter seine Arbeit abgeschlossen hat. “Wie jeder weiß, ist die katalanische Unabhängigkeit kein Terrorismus”, bekräftigte Sánchez.

    Parlament stimmt gegen das Amnestiegesetz

    Die Partei von Carles Puigdemont, Junts per Catalunya, hatte am Dienstag im Parlament gegen das Amnestiegesetz gestimmt. Damit kann der Entwurf – zumindest vorläufig – nicht an den Senat weitergeleitet werden. Junts hält das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht für ausreichend, um alle wegen des katalanischen “procés” Angeklagten zu schützen.

    Die Separatisten wollen vor allem die Amnestie für Puigdemont garantieren. Die Ermittlungen, die Richter Manuel García-Castellón im Fall der Protestgruppe Tsunami Democràtic durchführt, betreffen Puigdemont unmittelbar wegen möglicher terroristischer Straftaten. Gegen Puigdemont wird außerdem vom Richter Joaquín Aguirre aus Barcelona wegen Hochverrats ermittelt. Der Richter untersucht die “russische Verbindung”.

    Junts und die Sozialisten haben nun eine erste Frist bis zum 21. Februar, um eine neue Vereinbarung zu erzielen. Dieser Termin kann um maximal weitere 15 Tage bis zum 7. März verlängert werden.

    Verfassungsmäßigkeit des Amnestiegesetzes strittig

    Sánchez gab am Donnerstag die Anweisung, das Amnestiegesetz in seiner jetzigen Form und ohne weitere Zugeständnisse an Junts beizubehalten. Der Sozialist ist der Ansicht, dass weitere Änderungen des Gesetzentwurfes die Überprüfung vor dem Verfassungsgericht gefährden würde. Die Erklärung von Sánchez in Brüssel ist eine Botschaft an Junts, aber auch an die Ermittlungsrichter.

    Die Sozialisten hatten sich ursprünglich geweigert, eine umfassende Amnestie für alle Personen zu gewähren, die des Terrorismus im Zusammenhang mit dem Separatistenprozess beschuldigt werden. Denn die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes könnte sowohl in Spanien als auch vor dem Gerichtshof der Europäischen Union angefochten werden.

    Keine Amnestie bei Verletzung der Menschenrechte

    Die PSOE hatte bereits vergangene Woche den separatistischen Parteien Junts und ERC Änderungen des Amnestiegesetzes in Bezug auf terroristische Straftaten zugesagt. Sozialisten und Separatisten einigten sich darauf, dass Personen, die im Rahmen des Separatistenprozesses des Terrorismus beschuldigt werden, keine Amnestie gewährt wird, “wenn sie offensichtlich und mit direktem Vorsatz schwere Menschenrechtsverletzungen verursacht haben“. Gemeint sind insbesondere solche, die in den Artikeln 2 und 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und des humanitären Völkerrechts genannt werden.

    Die Sozialisten gewährten den Separatisten auch einen weiteren Änderungsantrag, der die Anwendung von Vorsichtsmaßnahmen betrifft. Diese sollen sicherstellen, dass Puigdemont ohne vorsorgliche Maßnahmen nach Spanien zurückkehren kann, auch wenn gegen das zukünftige Amnestiegesetz Berufung eingelegt wird.

    Der Fall Tsunami Democràtic

    Nachdem sich PSOE, Junts und ERC darauf geeinigt hatten, die Fälle der CDR (Comites de defensa de la república) und des Tsunami Democràtic durch Änderungen im Amnestiegesetz zu schützen, stellte der Richter des Nationalen Gerichts Manuel García Castellón ihre Argumente infrage. García-Castellón hält die schweren Verletzungen, die Polizeibeamte bei den gewalttätigen Ausschreitungen in Katalonien im Oktober 2019 erlitten haben, für “unvereinbar mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“.

    Die CDR hatten die gewalttätigen Demonstrationen koordiniert. Im Jahr 2019 stellte der Nationale Gerichtshof fest, dass die CDR ihre Strategie und die wichtigsten Schritte direkt an Puigdemont mitteilten.

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    • Spanien

    EU-Monitoring

    05.02.-06.02.2024
    Informelle Ministertagung Kohäsionspolitik
    Themen: Zukunft der Kohäsionspolitik. Infos

    05.02.2024 – 17:00-22:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Sofortüberweisungen, Hochwertige Praktika, Grenzwerte für Blei
    Themen: Aussprache zu Sofortüberweisungen in Euro, Aussprache zu hochwertigen Praktika in der EU, Aussprache zu den Grenzwerten für Blei und seine anorganischen Verbindungen und Diisocyanate. Vorläufige Tagesordnung

    05.02.2024 – 19:00-21:00 Uhr
    Gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG) und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
    Themen: Dialog über Aufbau und Resilienz mit Valdis Dombrovskis (Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen) und Paolo Gentiloni (Mitglied der Kommission mit Zuständigkeit für Wirtschaft). Vorläufige Tagesordnung

    06.02.2024
    Trilog: NZIA
    Themen: Die Unterhändler von Europaparlament und Rat versuchen, den Trilog abzuschließen. Besonders strittig sind die Liste der förderfähigen Netto-Null-Technologien, die Fristen für die Genehmigungsverfahren von neuen Produktionsanlagen und die Aufnahme neuer Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen.

    06.02.2024
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: Klimaziel 2040, Mitteilung zum industriellen Kohlenstoffmanagement, Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie. Vorläufige Tagesordnung

    06.02.2024 – 09:00-22:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Interoperabilität des öffentlichen Sektors, Beziehungen EU-Russland
    Themen: Aussprache zu den Erklärungen des Rates und der Kommission – Zwei Jahre nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, Abstimmung zu den Maßnahmen für ein hohes Maß an Interoperabilität des öffentlichen Sektors in der Union (Gesetz für ein interoperables Europa), Aussprache zu den politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland. Vorläufige Tagesordnung

    07.02.2024 – 09:00-22:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Aussprache Klaus Iohannis, Tiefseebergbau in der Arktis, Verletzungen der Menschenrechte
    Themen: Aussprache mit Klaus Iohannis (Präsident Rumäniens), Abstimmung zum vor Kurzen gefassten Beschluss Norwegens, den Tiefseebergbau in der Arktis voranzubringen, Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Vorläufige Tagesordnung

    08.02.-09.02.2024
    Informelle Ministertagung Wettbewerbsfähigkeit
    Themen: Aussprache zu den aktuellen europäischen Dossiers. Infos

    08.02.2024
    EuGH-Urteil zu wiederholten Asylanträgen
    Themen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet darüber, ob die erneute Stellung von Asylanträgen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Vorabentscheidungsersuchen

    08.02.2024 – 09:00-16:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Lage in Serbien, Große Anfragen
    Themen: Abstimmung zur Lage in Serbien nach der Wahl, Aussprache zu Großen Anfragen. Vorläufige Tagesordnung

    11.02.-12.02.2024
    Informelle Ministertagung Entwicklung
    Themen: Die für Entwicklung zuständigen Minister kommen zu Beratungen zusammen. Infos

    News

    Bauernproteste: Macron wettert gegen Mercosur-Abkommen

    Bauernproteste in Brüssel auf der Place du Luxembourg vor dem EU-Parlamentsgebäude.

    Auf dem Sondergipfel in Brüssel hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für Spiegelklauseln starkgemacht und gegen das Handelsabkommen mit Mercosur argumentiert. “Ich bin nicht aus Prinzip gegen Freihandelsverträge”, sagte Macron in einem Pressebriefing. Er sei einfach gegen Freihandel, wenn das “Gesetz des Dschungels” gelte. “Wir können von den europäischen Produzenten nicht verlangen, immer mehr Regeln zu respektieren, und gleichzeitig Freihandelsabkommen verhandeln, wie man das in den 90er-Jahren machte”, sagte Macron.

    Der Gipfel in Brüssel war von massiven Bauernprotesten begleitet worden, die auch Gesprächsthema bei den Staats- und Regierungschefs waren. Eine Marktöffnung, ohne von den Handelspartnern Respekt vor den europäischen Regeln einzufordern, gefährdet nach Ansicht von Macron die Existenz der europäischen Landwirte. Wenn man diesem Prinzip folge, werde man zum Schluss zu einem “Kontinent, der Regeln macht für Produzenten, die es gar nicht mehr gibt”.

    Handelspartner sollen Nachhaltigkeitskriterien zustimmen

    Mit diesem Extrembeispiel warnte Macron, dass Europa durch zu viel Regulierung bei gleichzeitiger Marktöffnung die Kontrolle verliere über die Ernährung und in der Folge minderwertige Ware aus Drittländern konsumieren müsse. Dies bedrohe die Souveränität Europas, meint Macron.

    Als positives Beispiel führte der französische Präsident die jüngsten Handelsverträge mit Chile und Neuseeland auf, in denen die Handelspartner zu Nachhaltigkeitskriterien zustimmten. Der kommerziell viel bedeutendere Handelsblock Mercosur will diese Kriterien jedoch nicht akzeptieren. Ähnlich wie bei Macron geht es den südamerikanischen Ländern dabei um ihre Souveränität. jaa

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    • Frankreich
    • Mercosur

    Politische Einigung auf Notfallinstrument für den Binnenmarkt

    Die Mitgliedstaaten haben 18 Monate Zeit, um die Regeln des Notfallinstruments für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument) umzusetzen. Dies sieht die politische Einigung zwischen Parlament und Rat vor. Das Notfallinstrument SMEI wird nach der Umsetzung umbenannt in Internal Market Emergency and Resilience Act (IMERA), wie das Parlament gefordert hat.

    Es will die Konsequenzen ziehen aus der Pandemie und dafür sorgen, dass der Binnenmarkt auch in Krisen funktioniert. Bedrohungslagen werden künftig analysiert. Wenn nötig werden Notfallmaßnahmen erlassen, die den freien Transport von Waren, Personen und Arbeitskräften auch dann sicherstellen, wenn es Ausgangssperren oder sonstige Einschränkungen geben sollte.

    Schwarze Liste für Grenzschließungen

    Sollten Engpässe drohen, kann die Kommission Unternehmen darum bitten, bestimmte Produkte und Dienstleistungen vorrangig bereitzustellen. Sollten sich die Engpässe weiter verknappen, können die Kommission und die nationalen Behörden die benötigten Produkte und Dienstleistungen auch über ein öffentliches Vergabeverfahren bereitstellen.

    In Krisensituationen, in denen etwa die Grenzen zwischen Mitgliedstaaten geschlossen sind, soll die Kommission die Freizügigkeit von krisenrelevanten Arbeitskräften und medizinischem Personal über ein digitales Tool gewährleisten.

    Berichterstatter Andreas Schwab (CDU) sagte: “Das Instrument stärkt ein besseres Krisenmanagement, insbesondere für Personen in grenzüberschreitenden Regionen.” Die Mitgliedstaaten könnten künftig nicht mehr ihre Grenzen einfach schließen. Und weiter: “Wir haben jetzt eine schwarze Liste an Gründen zusammengefasst, die eine Grenzschließung nicht mehr rechtfertigen.” mgr

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    Neuzuschnitt der Ausschüsse im Europaparlament wird verschoben

    Der geplante Neuzuschnitt der Ausschüsse im Europaparlament soll in dieser Wahlperiode nicht mehr beschlossen werden. Im Gegenzug soll aber die Reform der Ausschussarbeit im Europaparlament noch bis zur Europawahl beschlossen werden und dann für das nächste Parlament gelten.

    Nach Informationen von Table.Media haben dies die Fraktionschefs und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in der Konferenz der Präsidenten beschlossen. Um die Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen bei komplizierten Gesetzgebungsverfahren zu verbessern und das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen, soll künftig ein übergreifender Super-Ausschuss (“Joint Comitee”) gebildet werden.

    Die Reform war in der Arbeitsgruppe Parlament 2024 erarbeitet worden, die Metsola im Frühjahr 2023 einberufen hatte und die im November ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Der konstitutionelle Ausschuss AFCO soll in den nächsten Wochen die Reform beschließen. Die Abstimmung im Plenum soll spätestens in der letzten Sitzungswoche der Wahlperiode im April stattfinden. mgr

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    • Roberta Metsola

    Presseschau

    EU-Gipfel: Alle 27 Staaten für Ukraine-Hilfen von 50 Milliarden Euro FAZ
    EU-Einigung: Recht auf Reparatur soll kommen HANDELSBLATT
    EU-Parlament teils abgeriegelt: Brennende Barrikaden bei Bauernprotesten in Brüssel FAZ
    Regierung macht Zugeständnisse: Frankreichs Bauern wollen Straßenblockaden beenden SPIEGEL
    Dürre in Spanien: Katalonien ruft den Wassernotstand aus FAZ
    Brexit-Folgen: Britisches Unterhaus beschließt Regeln für Warenverkehr mit Nordirland FAZ
    Konservative Regierung in Finnland unter Druck: Sparpläne sorgen für Streiks TAGESSCHAU
    Wie Regierungschef Robert Fico die Slowakei umbaut TAGESSCHAU
    Serbischer Dinar im Kosovo: Eine Währung wird abgeschafft – und kaum einer ist vorbereitet FAZ
    Polens Premier Donald Tusk bringt Neuwahlen ins Gespräch NACHRICHTEN.AT
    Bezahlkarte für Asylwerber: ÖVP plant “Refugee-Card” auch für Österreich DER STANDARD
    Republik Moldau: Auf der Kippe – Wiederwahl von Präsidentin Sandu fraglich SÜDDEUTSCHE
    Luxemburg: Warum sich die Regale in den Supermärkten leeren WORT
    Tschechische Winzer drängen auf EU-Dialog über Verbrauchssteuer EURACTIV
    EU-Institutionen ringen um Einigung über Breitbandgesetz EURACTIV

    Heads

    Thomas Geisel – einer von zwei Spitzenkandidaten des BSW für Europa

    Thomas Geisel bei der Pressekonferenz zur Parteigründung des BSW am 8. Januar. 

    Nach seiner Abwahl als Düsseldorfer Oberbürgermeister 2020 war es still geworden um Thomas Geisel. Das Jahr 2024 begann der 60-Jährige nun mit einem Paukenschlag. Er will ein neues Kapitel aufschlagen, in einer neuen Partei und auf einer höheren politischen Ebene. Er will nach Brüssel.  

    Bei der Pressekonferenz zur Parteigründung vom Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit am 8. Januar stellte das BSW Geisel überraschend als einen von zwei Spitzenkandidaten für die Europawahl vor. Erst kurz zuvor hatte er seinen Austritt aus der SPD und den Wechsel zum BSW bekannt gegeben.  

    Politische Neuorientierung zum Jahreswechsel 

    Was hat Thomas Geisel dazu bewogen, die SPD nach mehr als 40 Jahren zu verlassen? Ihn treibe die Sorge um den Zustand Deutschlands als “Sanierungsfall” um, er sehe den Wirtschaftsstandort und den sozialen Zusammenhalt gefährdet, sagte er bei der Pressekonferenz. Auch Außen- und Migrationspolitik sind ihm ein Dorn im Auge. Er reitet mit auf der Welle der Unzufriedenheit im Lande.  

    Die “linke, vernünftige Wirtschaftspolitik mit ordnungspolitischem Kompass” vom BSW, die wirtschaftliche Macht begrenze, aber gleichzeitig von einer Überregulierung der Wirtschaft absehe, hat ihn überzeugt. Trotz des Austritts aus der SPD identifiziert er sich nach wie vor als Sozialdemokrat, wie er dem WDR sagte: “Sozialdemokratie ist eine Haltung, keine Parteimitgliedschaft.” 

    On-off-Beziehung mit der Politik 

    Als Sohn des SPD-Politikers Alfred Geisel erlebte der gebürtige Schwabe aus Ellwangen Politik schon in jungen Jahren hautnah mit. “Politik hat mein Leben immer begleitet. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerung ist, Wahlzettel meines Vaters zu verteilen.” Mit 18 Jahren trat er selbst in die Partei ein. 

    Anschließend studierte Geisel Rechts- und Politikwissenschaft in Freiburg, Genf und Washington. Auch im ehemaligen Ostdeutschland machte er Station. Im Jahr 1990 arbeitete er als Referent der SPD-Fraktion in der Volkskammer, dem Parlament der DDR. Somit habe er am Rande die Verhandlungen zum Einigungsvertrag begleiten können. “Das war eine tolle Zeit”, erinnert sich Geisel, “da wurde sprichwörtlich Geschichte geschrieben”.  

    Es folgten verschiedene Funktionen innerhalb der SPD und eine leitende Rolle bei der Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, bis Geisel 1998 schließlich in die Wirtschaft wechselte. Von 2000 bis 2013 war er bei Eon Ruhrgas für den Erdgaseinkauf zuständig. Während dieser Zeit, sagt er, war er bloß eine “Karteileiche” in der Partei.  

    Oberbürgermeister in Düsseldorf: Erfüllung und Enttäuschung

    Im Jahr 2014 fand er seinen Weg zurück in die aktive Politik, auf die seine Managementerfahrungen in der Energiewirtschaft ihn gut vorbereitet hätten: Er kandidierte für die SPD als Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf und gewann die Wahl. Rückblickend “eine extrem anstrengende”, aber auch die “erfüllendste Aufgabe” seiner Laufbahn. 2020 dann die “große Enttäuschung”: Geisel wurde nicht wiedergewählt und zog sich zunächst aus der Politik zurück.  

    Ein europapolitischer Bezug liegt mit Blick auf Geisels Vita – anders als bei seinem Ko-Spitzenkandidaten Fabio De Masi – nicht unbedingt auf der Hand. Er betont jedoch, dass “Europa auch im kommunalen Alltag eine Rolle spielt”. Zum Beispiel wenn es darum geht, sich um Fördermittel zu bewerben. Geisel, der sich auf das Subsidiaritätsprinzip beruft, findet, die EU sei oftmals “übergriffig”, betreibe “Micromanagement”

    Für Geisel ist die Europäische Union in erster Linie ein wirtschaftliches Projekt, das zum Ziel haben sollte, fairen Wettbewerb herzustellen und internationalen Handel zu ermöglichen. Ein starkes Europa nach seiner Vorstellung würde sich auf “seine Kernkompetenzen besinnen”, also dort agieren, “wo die staatliche Macht der Mitgliedstaaten nicht mehr ausreicht”. Dazu gehöre die Begrenzung der Marktmacht multinationaler Konzerne.  

    Waffenlieferungen an die Ukraine aussetzen

    Vor knapp zwei Jahren, damals noch als SPD-Politiker, sorgte er mit der Veröffentlichung des Blogbeitrags “Es reicht, Herr Melnyk!” mitunter innerhalb der Partei für heftige Kritik. Seine außen- und sicherheitspolitischen Vorstellungen scheinen beim BSW besser aufgehoben. So äußert er: “Ich bin der Auffassung, dass unser derzeitiger Umgang mit dem Krieg in der Ukraine nicht vom Ende her gedacht ist. Es ist keine verantwortungsvolle Politik.”  

    Waffenlieferungen, die den Krieg in die Länge zögen, kritisiert Geisel. Er spricht sich dafür aus, die Lieferungen auszusetzen und Putin ein “gesichtswahrendes Verhandlungsangebot” zu unterbreiten. “Europa sollte sich des Umstandes bewusst sein, dass wir einen Hebel in der Hand haben, der Verhandlungen befördert und damit die Chance bietet, diesen Krieg zu beenden.”

    Auch in Hinblick auf einen EU-Beitritt kann die Ukraine von einem möglichen Europaparlamentarier namens Thomas Geisel wohl keine Unterstützung erwarten. “Ich finde es grundfalsch, dass wir das Thema EU-Beitritt unter geostrategischen Gesichtspunkten sehen. Das ist für mich eine Instrumentalisierung Europas.” 

    Den europapolitischen Kompass des BSW ausloten 

    Grundlegend ist er der Überzeugung: “Europa wird weder dadurch stärker, dass es immer mehr Kompetenzen bekommt, noch dadurch, dass es immer größer wird; je größer Europa wird, desto unterschiedlicher werden die Auffassungen.” Eine “Balance der Größe zu finden” sei auch wichtig, um “mit einer eigenständigen Stimme in einer multipolaren Welt” auftreten zu können, was Geisel für “sehr wünschenswert” erachtet.

    Am ersten Parteitag am 27. Januar hat das BSW schließlich ein Europawahlprogramm unter dem Leitmotiv weniger ist mehr” verabschiedet. Geisel selbst ist noch dabei, sich inhaltlich einzuarbeiten. Die derzeitige Stimmung beim BSW beschreibt er “ein bisschen wie in einem Start-up.”

    Er berichtet von Motivation und Begeisterung, ebenso von der Notwendigkeit zur Improvisation. Seine Kandidatur für das Europaparlament vergleicht er mit einem “Sprung ins kalte Wasser.” Doch der Herausforderung sieht er sich als “überzeugter Europäer” gewachsen. Clara Baldus

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    Europe.Table Redaktion

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