die Niederlande stehen nach der Parlamentswahl vom Mittwoch vor einer äußerst schwierigen Regierungsbildung. Der Rechtspopulist Geert Wilders hat mit seiner Freiheitspartei (PVV) laut den jüngsten Prognosen heute Morgen 37 von insgesamt 150 Sitzen erobert und wird mit Abstand stärkste Kraft in der Zweiten Kammer. In Den Haag war am Abend von einem Trump-Moment die Rede: Auch den Triumph von Wilders hatten die Beobachter zumindest in diesem Ausmaß nicht wirklich kommen sehen.
An zweiter Stelle konnte Frans Timmermans an der Spitze der neuen Parteienfusion aus sozialdemokratischer PvdA und Groenlinks mit neu 25 Sitzen zwar deutlich zulegen. Angesichts des rechtspopulistischen Tsunamis könnte der frühere EU-Kommissionsvize nun aber trotz des Zugewinns der Platz auf der Oppositionsbank drohen.
Geert Wilders erhob am Abend klar den Anspruch, die nächste Regierung zu bilden. Der Islam-Kritiker konnte vor allem mit dem Migrationsthema punkten, an dem die bisherige Koalition zerbrochen war. Der Rechtspopulist rief die anderen Rechtsparteien auf, “über ihren Schatten zu springen”. Im Visier hat Wilders die rechtsliberale VVD des bisherigen Ministerpräsidenten Mark Rutte, die unter der neuen Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz mit noch 24 Sitzen deutliche Verluste hinnehmen musste. Yesilgöz hatte im Wahlkampf zwar eine Zusammenarbeit mit der PVV nicht ausgeschlossen, bezeichnete Geert Wilders aber als nicht geeignet für den Posten als Premierminister.
Wilders will auch den Parteienrebell Pieter Omtzigt an Bord holen, der mit seiner Partei “Neuer Gesellschaftsvertrag” (NSC) aus dem Stand auf 20 Sitze kommt. Der ehemalige Christdemokrat lehnte bisher allerdings ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Geert Wilders ab, weil dessen Forderung, Moscheen zu schließen und den Koran zu verbieten, gegen die Verfassung verstoßen. Am Abend deutete er aber Gesprächsbereitschaft an: “Wir werden Verantwortung übernehmen”.
Die drohende Unsicherheit ist für die EU-Partner eine schlechte Nachricht. Wilders hat sich in der Vergangenheit auch schon für ein Referendum über den Austritt aus der EU starkgemacht. Koalitionskonsultationen können in den Niederlanden viele Monate dauern. Scheitert Wilders irgendwann nächstes Jahr, könnte Frans Timmermans doch noch zum Zug kommen. Der Sozialdemokrat appellierte am Wahlabend schon einmal, es gehe nun darum, Schulter an Schulter Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
“Ein schwarzer Tag für die Umwelt und die Landwirte.” Die grüne Berichterstatterin der Pestizidverordnung, Sarah Wiener, war im Plenarsaal des Europäischen Parlaments niedergeschlagen. Nach einem erbitterten Kampf um Änderungsanträge wurde der Vorschlag der Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR, für Sustainable Use of Pesticide Regulation) in der ersten Lesung mit 299 zu 207 Stimmen bei 121 Enthaltungen abgelehnt.
Zahlreiche Änderungsanträge waren Teil eines konzertierten Vorstoßes der Konservativen (EVP) und anderer Fraktionen, die zu einer erhebliche Verwässerung des ursprünglichen Vorschlages der Kommission sowie der im Umweltausschuss (ENVI) erarbeitete Kompromisse führten. Dies führte dazu, dass die Grünen, Sozialdemokraten und Linken in einer überraschenden Wende gegen den Vorschlag stimmten.
Die Berichterstatterin Sarah Wiener beantragte, den Text zur Überarbeitung an den Umweltausschuss (ENVI) zurückzuschicken. Der Antrag wurde allerdings mit 324 zu 292 Stimmen abgelehnt. Das bedeutet: Es wird absehbar keine neue Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden geben. Selbst wenn der Rat in den nächsten Wochen seine Position festlegen sollte. Ohne das Parlament können die Trilogverhandlungen nicht beginnen.
Die Europäische Kommission muss nun entscheiden, ob sie eine neue Version des Textes vorlegt. Doch wenige Monate vor den Europawahlen im Juni 2024 ist dies unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass das Gesetzgebungsverfahren auf die nächste Amtszeit verschoben. Was einem politischen Tod des Vorhabens gleichkommt.
Seitens der Konservativen der EVP zeigt man sich zufrieden, dass ein Text über ein Verbot von Pestizid abgelehnt wurde. Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, kritisiert, dass Berichterstatterin Wiener versucht habe, “ein Verbot” von Pflanzenschutzmitteln in landwirtschaftlich sensiblen Gebieten zu erwirken. “Das war für mich und die Mehrheit des Europäischen Parlaments nicht tragbar“, sagte er.
Der von der Kommission im Juli 2022 vorgeschlagene Gesetzentwurf zielte darauf ab, den Einsatz chemischer Pestizide in der EU bis 2030 zu halbieren. Der Umweltausschuss des Parlaments wollte zudem erreichen, dass die Verwendung der als gefährlichsten eingestuften Pestizide und die damit verbundenen Risiken in der EU bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 2013 bis 2017 reduziert werden sollten.
Der ENVI-Ausschuss hatte außerdem ein Verbot des Einsatzes chemischer Pestizide in sogenannten ökologischen sensiblen Gebieten vorgeschlagen. Dabei handelte es sich um öffentliche Flächen wie Parks, Spielplätze, Erholungsgebiete, öffentliche Wanderwege sowie Natura-2000-Gebiete. Es war genau dieser Artikel, der die meisten Änderungsanträge und die meistens Gegenstimmung hervorbrachte.
Das Abstimmungsergebnis zeigt nicht nur die Fragmentierung des Parlaments, sondern auch Konfliktlinien innerhalb der Fraktionen auf. Christdemokraten, EKR sowie weiter rechts stehende Europaabgeordnete sowie einige Mitglieder von Renew und S&D stimmten gegen die im Umweltausschuss erarbeiteten Kompromisse. Renew sowie auch S&D sind, was die Agrarpolitik betrifft, gespalten. Die Verringerung des Pestizideinsatzes ist eine der Säulen des Green Deal, als Teil der Biodiversitätsagenda der Kommission sowie der “Vom Hof auf den Tisch”-Strategie, dem landwirtschaftlichen Ableger des Green Deals.
Die Ablehnung kommt nur wenige Tage nach der Entscheidung der Europäischen Kommission, Glyphosat für zehn weitere Jahre zuzulassen, da es keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für oder gegen die Wiederzulassung gab.
Der fraktionslose Abgeordnete Carles Puigdemont verfolgte aufmerksam von seinem Platz in der letzten Reihe aus die Debatte im Europaparlament zur Rechtsstaatlichkeit nach den Parlamentswahlen in Spanien. In der Debatte ging es um das umstrittene Gesetz zur Amnestie, das dem Vorsitzenden von Junts die Rückkehr aus dem belgischen Exil nach Spanien und PSOE-Chef Pedro Sánchez die Bildung einer Koalition und das Weiterregieren ermöglichen soll.
In einer sehr emotional geführten Debatte kritisierte EVP-Fraktionschef Manfred Weber, dass Sozialdemokraten, Grüne und Linke versucht hätten, die Aussprache im Europaparlament über die Rechtsstaatlichkeit in Spanien zu verhindern. Er zitierte den ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten und Ex-PSOE-Chef Felipe Gonzáles. Der inzwischen über 80-Jährige habe gesagt: “Eine Amnestie zerstört die Gesellschaft.” Weber kritisierte, dass Sánchez noch wenige Tage vor der Wahl eine Amnestie ausgeschlossen habe: “Sánchez hat seinen persönlichen Egoismus an die erste Stelle gestellt und die Rechtsstaatlichkeit gebrochen.”
Iratxe García Peréz, die aus Spanien kommende Fraktionschefin der sozialistischen Fraktion S&D, antwortete auf Weber. “Nicht Pedro Sánchez gefährdet die Demokratie von Spanien, sondern die spanische Volkspartei PP, die das Ergebnis der Wahl vom 23. Juli nicht anerkennt.” Sie führte dann Beispiele aus der spanischen Politik an, wo sich die konservative Partei etwas habe zuschulden kommen lassen. “Der Partido Popular hat die Polizei eingesetzt, um Beweise für Korruption in den eigenen Reihen zu vernichten.”
Der Spanier Adrián Vázquez Lázara von Renew sagte: “Wir haben hier zu Recht über die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen gesprochen, und wir werden auch über Spanien reden.” Spaniens Sozialisten wollten sich die Macht sichern, indem sie “mit Flüchtlingen der Justiz zusammenarbeiten”. Und weiter im Hinblick auf Pigdemont: “Hier wird versucht, einen Politiker zu einem rechtlich Unantastbaren zu machen.”
Justizkommissar Didier Reynders verwies zunächst darauf, dass die Kommission zahlreiche Beschwerden von Bürgern sowie parlamentarische Anfragen von Europaabgeordneten wegen des geplanten Amnestiegesetzes bekommen habe. Er erläuterte die Kritik, die die Kommission bereits in ihrem Rechtsstaatsbericht am spanischen Justizsystem geübt hatte.
Die Position der Kommission zur Abspaltung einer Region in Spanien sei allerdings unverändert: “Katalonien bleibt eine interne Frage Spaniens, in die sich die Kommission nicht einmischt.” Er wiederholte aber seine Zusage einer gründlichen Analyse des Amnestiegesetzes zu: “Wir werden das Gesetz sehr sorgfältig, unabhängig und objektiv untersuchen und prüfen, ob es gegen die Europäischen Verträge verstößt.” Bis das Ergebnis vorliegt, wird es aber dauern: Die Kommission werde das Gesetz erst prüfen, wenn es rechtmäßig verabschiedet und in Kraft sei.
Unterdessen zeichnet sich in Spanien das Kabinett der neuen Regierung unter Sánchez ab. Wie in der vergangenen Legislaturperiode soll es 22 Ministerien geben. Fünf Ressorts gehen an den wichtigsten Bündnispartner von Sánchez, die linke Plattform Sumar. Podemos-Politiker, ohne deren Unterstützung Sánchez vor vier Jahren nicht an die Macht gekommen wäre, sind nicht mehr Teil des Kabinetts.
Sánchez bündelt in einem Superministerium die Kräfte. Félix Bolaños, der engste Vertrauter von Sánchez, wird Minister für Präsidentschaft, Justiz und die Beziehungen zum Ober- und Unterhaus. Bolaños ist einer der Architekten des umstrittenen Amnestiegesetzes. An der Spitze des Superministeriums begleitet Bolaños künftig die Verabschiedung des Amnestiegesetzes. Wie die spanische Tageszeitung El Mundo berichtet, hat die Ernennung von Bolaños bei einem Teil der Richterschaft Bedenken geweckt. Sie warnen vor einer Vereinnahmung der Justiz durch die Exekutive.
Die Parteien Junts und Esquerra Republicana de Catalunya hatten das Amnestiegesetz zur Bedingung für eine Koalition gemacht. Das Amnestiegesetz zielt darauf, alle Straftaten der in den Separatistenprozessen seit 2014 beteiligten Personen zu amnestieren und die ergangenen Urteile aufzuheben. Davon profitieren würde auch Junts-Chef Puigdemont.
Im neuen Kabinett von Sánchez haben zwölf Frauen gegenüber zehn Männern die Mehrheit. Nadia Calviñó (Wirtschaftsministerin), Yolanda Díaz (Arbeitsministerin und Chefin von Sumar) sowie Teresa Ribera (Ministerin für den ökologischen Wandel) werden erste, zweite und dritte Vizepräsidentinnen der Regierung. María Jesús Montero, die weiterhin für das Finanzressort zuständig ist, soll vierte Vizepräsidentin werden.
Sumar behält die Ministerien für Arbeit und soziale Rechte (Pablo Bustinduy), verliert aber die Ministerien für Gleichstellung, Verbraucherschutz und Hochschulen. Der bisherige Vizefraktionschef der Grünen im Europaparlament, Ernest Urtasun, wird Kulturminister. Das Gesundheitsressort übernimmt Mónica García. Mitarbeit Markus Grabitz
Als sie während der Presskonferenz am Mittwochabend erzählt, dass sie an der Videokonferenz der G20-Staaten Seit an Seit mit Bundeskanzler Olaf Scholz teilgenommen hat, huscht ein Lächeln über das Gesicht von Giorgia Meloni. Man könnte es als Stolz interpretieren. Schließlich wurde die Wahl der rechten Politikerin zur Regierungschefin Italiens vor rund einem Jahr vor allem in Deutschland vielfach skeptisch betrachtet.
G20 spielt beim gemeinsamen Gang vor die Presse aber nur eine untergeordnete Rolle. An diesem Mittwoch wurden in Berlin die deutsch-italienischen Regierungskonsultationen abgehalten. Die letzten Gespräche dieses Formats fanden 2016 statt. Nach ihrem Antrittsbesuch Anfang Februar war es die zweite Visite Melonis als Regierungschefin in der deutschen Hauptstadt.
Meloni findet an diesem Mittwoch nur lobende und preisende Worte. “Zwischen uns funktioniert es, weil wir es gewohnt sind, klar miteinander zu sprechen”, sagt die 46-Jährige über die Zusammenarbeit mit ihrem deutschen Amtskollegen. “Ich empfinde Bundeskanzler Scholz als einen sehr verlässlichen Menschen.” Den Tag bezeichnet die Chefin der von vielen als postfaschistisch bezeichneten Partei Fratelli d’Italia denn auch als “in mancher Hinsicht historisch”.
Doch geht es an diesem Abend in Berlin eher nüchtern zu. Wo die Unterzeichnung des italienisch-französischen Quirinalsvertrags Ende 2021 in Rom mit Pomp gefeiert wurde, reicht es beim Abkommen zwischen Italien und Deutschland nur für eben jene Pressekonferenz. Und doch: Unterschriften wurden gesetzt. Und zwar unter einen Aktionsplan, der im Dezember 2021 noch unter der Vorgängerregierung von Mario Draghi auf den Weg gebracht worden war.
Zwischenzeitlich ist einiges passiert: In Europas Nachbarschaft sind in der Ukraine und in Israel zwei neue Kriege ausgebrochen, die Inflation hält die Staaten in Atem – und Italien hat eine neue Regierung. Seit Oktober 2022 regiert in Rom eine strammrechte Regierungskoalition aus den ultrarechten Fratelli d’Italia, der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia des in diesem Sommer verstorbenen Ex-Premier Silvio Berlusconi. An der Spitze der Regierung steht mit Meloni erstmals in der Geschichte der italienischen Republik eine Frau.
Die Harmonie, die man da am Mittwochabend vor der Presse demonstriert, findet sich dann auch in dem Aktionsplan wieder, der dennoch nicht Vertrag heißen soll. “Unsere Länder sind durch gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen verbunden”, heißt es in dem rund 25-seitigen Papier gleich zu Beginn, und dass man seine bilaterale Partnerschaft auf eine “neue Ebene” heben wolle.
In zahlreichen Bereichen wolle man die “bestehende Zusammenarbeit fortführen” oder gar “verstärken”. In Sachen Migration beabsichtige man, “den Dialog fortzusetzen”. Auf dem Feld hatte es zuletzt diplomatische Verstimmungen gegeben, nachdem der Bundestag beschloss, private Seenotretter finanziell zu unterstützen. Auch in internationalen und sicherheitspolitischen Fragen will man laut neuem Aktionsplan einen “strukturierten Dialog” führen.
Über einiges will man sich auch “austauschen”, so zum Beispiel über die Umsetzung von Strategien zum Schutz von Personen jeglicher sexueller Orientierung. Dass die Ansichten dazu weit auseinander liegen, soll dem Austausch nicht im Wege stehen.
Nur wenige handfeste Punkte finden sich in dem Papier: So soll es künftig ein jährliches Ministerforum zwischen dem italienischen Minister für Unternehmen und Made in Italy und dem deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz geben. Und zusätzlich zu den “strategischen Dialogen” der Ministerien für auswärtige Angelegenheiten und der Ministerien der Verteidigung soll ein Mechanismus für gemeinsame Konsultationen zwischen Verteidigungs- und Außenministern (“2+2”) eingerichtet werden.
Des Weiteren ist von neuen Kooperationsprojekten und neuen Formaten der Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Energie, Klimaschutz, Sicherheit und Verteidigung die Rede. Einigkeit zeigten Scholz und Meloni am Mittwoch demonstrativ bezüglich der Kriege in der Ukraine und in Israel.
Nicht überall in Berlin war man derart begeistert von dem Traumpaar Europas, als das sich Scholz und Meloni präsentierten. “Die italienische Ministerpräsidentin ist kein Staatsgast, dem man den roten Teppich ausrollen sollte“, sagte Linke-Parteichefin Janine Wissler der Deutschen Presse-Agentur. Sie sprach von einer gefährlichen Normalisierung und einem Hofieren Melonis und ihrer Rechtsregierung durch die Ampel-Regierung.
Kanzler Scholz hat eine pragmatische Arbeitsbeziehung zu Meloni entwickelt, wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Rat. Bei der Wahl der Rechtspolitikerin im Herbst 2022 hatten auch viele Politiker von Sozialdemokraten und Grünen noch in schrillen Tönen vor der “Postfaschistin” gewarnt, manch führender SPD-Politiker tituliert Meloni bis heute als Faschistin. Aus Sicht des Kanzleramts haben sich die Warnungen bislang aber kaum realisiert, mit schwammigen Begriffen wie “postfaschistisch” weiß man dort ohnehin wenig anzufangen. Von Almut Siefert mit Till Hoppe
Das Handels – und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (TCA) hat maßgeblich dafür gesorgt, dass die negativen Folgen des Brexits begrenzt wurden. Dieses Fazit zieht der Bericht zur Umsetzung des TCA, der heute im Europaparlament abgestimmt wird. Das TCA trat am 1. Januar 2021 in Kraft, wenige Tage nachdem an Heiligabend 2020 das Austrittsabkommen zwischen der EU und der Regierung in London unterzeichnet worden war.
Knapp drei Jahre nach dem Austritt der Briten zieht das Europaparlament mit dem Bericht erstmals Bilanz zu den Beziehungen. Insbesondere seit der Einigung über den Windsor-Rahmen im März 2023 seien die gegenseitigen Beziehungen von einer neuen konstruktiven Zusammenarbeit geprägt. Im Windsor-Rahmen sind Lösungen festgehalten, um in der Praxis auftauchende Probleme in Nordirland dauerhaft zu lösen und die Integrität des Binnenmarktes zu schützen. Der Bericht wurde gemeinsam vom Auswärtigen Ausschuss (AFET) und vom Handelsausschuss (INTA) erarbeitet und in einer gemeinamen Sitzung der beiden Ausschüsse mit 71-Ja-Stimmen, drei Enthaltungen bei nur einer Gegenstimme beschlossen.
Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen London und Brüssel habe eine Sonderstellung, stellt der Bericht fest. Kein Abkommen, das die EU bisher mit einem Drittstaat abgeschlossen habe, sei weitgehender. Es deckt fast alle relevanten Politikfelder ab, vom Handel über Energie, Fischerei, Zusammenarbeit bei Strafsachen und Strafverfolgung, Verkehr sowie die Koordinierung der sozialen Sicherheit. Es gibt auch einen Mechanismus zur Streitbeilegung. Allein zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt es keine Einigung. Das Vereinigte Königreich hatte Vereinbarungen mit der EU in der Außenpolitik strikt abgelehnt. Daher gibt es dafür seit dem Austritt keinen institutionalisierten Rahmen mehr.
In der Handelspolitik stellt das Parlament fest: Der Austausch von Gütern und Dienstleistungen habe unter dem Brexit erwartungsgemäß gelitten. Die Handelsbeziehungen haben sich zwischen 2016 und 2022 schlechter entwickelt als die Beziehungen der EU zu anderen internationalen Partnern. Das TCA sei zwar insofern einzigartig, als es keinerlei Zölle und keinerlei Kontingente für Waren vorsieht, die den Ursprungsregeln entsprechen. Das Abkommen sei aber keineswegs ein Ersatz für die EU-Mitgliedschaft und den Zugang zum EU-Binnenmarkt.
Problematisch sei gewesen, dass durch den Brexit neue nichttarifäre Handelshemmnisse aufgebaut wurden. Dadurch seien auf beiden Seiten neue Kostenfaktoren entstanden. Vor allem am Anfang habe es Umsetzungsprobleme gegeben. Auch heute noch gebe es Probleme, etwa bei der Einreise und vorübergehenden Aufenthalten von Geschäftsleuten sowie bei der Überprüfung der Ursprungsregeln.
Der Bericht mahnt eine Einigung zwischen Brüssel und London bei den Ursprungsregeln für batterieelektrische Autos an. Da die Wertschöpfung bei E-Autos in der EU und dem Vereinigten Königreich die angepeilten Ziele verfehle, drohen Anfang des Jahres Zölle in Höhe von zehn Prozent. Es müsse dringend eine Lösung gefunden werden, da europäische Hersteller Schwierigkeiten haben, Batterien vor allem aus der EU zu beziehen. Das Parlament fordert die Kommission auf, auf eine Vereinfachung der Abfertigungsverfahren zu drängen.
Der Bericht bedauert ausdrücklich, dass das Vereinigte Königreich nicht bereit sei zu Vereinbarungen in der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Das Parlament sei sehr dafür, die außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit noch in Zukunft noch formell zu vereinbaren. Dennoch zieht das Parlament ein positives Fazit der Zusammenarbeit in diesem Bereich. Das koordinierte Vorgehen bei der Unterstützung der Ukraine sei beispielhaft und zeige das Potenzial einer erfolgreichen Partnerschaft. Das Vereinigte Königreich trage mit Rüstungslieferungen und dem Ausbau der nachrichtendienstlichen Kapazitäten zur Verbesserung der euroatlantischen Sicherheit bei.
Bei einer Verständigung könnten Brüssel und London etwa gemeinsam die Umsetzung der Sanktionen gegen Russland und andere Drittstaaten überwachen. Begrüßt wird auch, dass sich das Vereinigte Königreich am PESCO-Projekt zur militärischen Mobilität beteiligen wolle. Es gebe einen positiven Trend bei der militärischen Zusammenarbeit. Jedoch werde nicht effizient mit Finanzmitteln umgegangen, wenn etwa auf beiden Seiten parallel Kampfluftsysteme entwickelt werden, wie aus dem Jahresbericht zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hervorgeht.
In der Umwelt- und Klimapolitik ruft der Bericht die Kommission auf, das Emissionshandelssystem des Vereinigten Königreichs zu beobachten. Es solle gleiche Standards beim Umweltschutz und beim Wettbewerb geben. Die Kommission möge prüfen, ob eine Zusammenarbeit von EU und Vereinigtem Königreich beim ETS möglich sei. Ebenso solle die Kommission darauf achten, die Chemikalienregulierung REACH im Vereinigten Königreich und in der EU vergleichbar bleibe.
In der Energiepolitik fordert das Parlament, die Kooperation zu verstärken. Es gebe derzeit kein langfristiges Abkommen über den gegenseitigen Stromhandel. Dabei gebe es ein großes Potenzial, etwa mit Strom aus erneuerbaren Quellen von der britischen Küste. Bei der Fischereipolitik weist der Bericht darauf hin, dass man ein mehrjähriges Abkommen für die Zeit nach 2026 brauche. Andernfalls müsse jedes Jahr über die Fischfangquoten verhandelt werden.
Bei den Finanzdienstleistungen sei London zu wenigen Vereinbarungen bereit gewesen. Da seien Pläne für ein Finanzregulierungsforum zwischen London und Brüssel zu begrüßen. Es werde aber nicht Teil des TCA sein und daher nicht den gleichen Zugang zum europäischen Markt gewähren wie ein umfassendes Finanzdienstleistungsabkommen.
Das Parlament stellt zudem fest, dass die Jugend, Studenten, Sportler und Künstler zu den großen Verlierern des Brexits gehören. Es gebe so gut wie keine Anschlussprogramme für Erasmus Plus sowie das Europäische Solidaritätskorps. Studenten aus der EU könnten nur dann ein Semester an britischen Universitäten studieren, wenn sie die hohen Studiengebühren zahlen. Es gebe massive Hemmnisse für tourende Künstler. Auch die Freizügigkeit von Sportlern, etwa auch im Profisport, sei eingeschränkt.
24.11.2023 – 09:00-13:30 Uhr, Leipzig
EPP, Conference Road to Recovery
The European People’s Party discusses the aims of the Recovery and Resilience Facility (RRF). INFOS & REGISTRATION
24.11.2023 – 11:00-13:00 Uhr, online
FSR, Presentation Incentive regulation to promote efficiency and innovation
The Florence School of Regulation (FSR) is conducting a public consultation on a possible scheme for incentive-based regulation of networks to promote efficiency and innovation in addressing electricity system needs. INFOS & REGISTRATION
27.11.-28.11.2023, Florenz (Italien)
FSR Climate Annual Conference 2023
The Florence School of Regulation’s (FSR) climate annual conference will focus on some of the main climate policies at EU, national and subnational levels. INFOS & REGISTRATION
28.11.-30.11.2023, Rotterdam
Fortes Industry CCUS Conference 2023
Fortes will bring together top-level experts from chemical, concrete, heavy and polymers industry that will speak about newest technological advancements, regulations and policies as well as their onlook on future of usage of CO₂. INFOS & REGISTRATION
28.11.2023 – 09:30-12:00 Uhr, Lissabon (Portugal)
Eurogas, Conference Eurogas Annual Regional Conference – Focus on Portugal: The Energy Transition & The Role of Renewable Gases
Eurogas discusses how Portugal can deliver on the objectives of carbon neutrality through the use of renewable and low-carbon gases. INFOS & REGISTRATION
28.11.2023 – 09:45 Uhr, online
Körber Stiftung, Konferenz Berliner Forum Außenpolitik 2023
Die Körber Stiftung geht der Frage nach, wie sich Deutschlands Rolle in Europa und der Welt entwickelt. INFOS & LIVESTREAM
28.11.2023 – 13:00-17:30 Uhr, Berlin/online
BDI, Diskussion EU-Steuergespräch 2023
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert mit Experten über die Umsetzung der globalen Mindeststeuer und die gemeinsamen Regeln für die Steuerbemessungsgrundlage (BEFIT) sowie der neuesten Substanzanforderungen für Unternehmen. INFOS & ANMELDUNG
Die Verhandlungen zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) sind gestern auf politischer Ebene vorangekommen, konnten aber wie erwartet noch nicht abgeschlossen werden. Beim vierten Trilog verhandelten EU-Parlament, Rat und Kommission von Mittwochmittag bis in den späten Abend hinein.
Auf der Agenda standen unter anderem der Anwendungsbereich des Gesetzes und die Sorgfaltspflicht für Vorstandsmitglieder. Bis zu einer finalen Einigung sei noch weitere technische und politische Arbeit nötig, sagte ein Sprecher des Rates. Eine weitere Trilogsitzung solle in der ersten Dezemberwoche stattfinden. leo
Das EU-Parlament hat gestern in Straßburg sein Mandat für die Verhandlungen über die Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) angenommen, mit der die EU gegen das steigende Aufkommen an Verpackungsmüll vorgehen will. Nachdem in der vorgestrigen Aussprache noch einmal die sehr kontroversen Positionen der beteiligten Ausschüsse und der Fraktionen deutlich wurden, stimmten gestern 426 Abgeordnete für den Bericht, bei 125 Gegenstimmen und 74 Enthaltungen. Der Bericht von Frédérique Ries (Renew) wurde durch zahlreiche Änderungsanträge jedoch deutlich abgeschwächt.
Das Parlament konnte sich zumindest auf Reduktionsziele einigen: Bis 2030 sollen Verpackungen um fünf Prozent reduziert werden, bis 2035 um zehn Prozent und bis 2040 um 15 Prozent. Für Kunststoffverpackungen sollen ambitioniertere Ziele gelten: zehn Prozent bis 2030, 15 Prozent bis 2035 und 20 Prozent bis 2040.
Weiter sollen 90 Prozent der in Verpackungen enthaltenen Materialien, also Kunststoff, Holz, Eisenmetalle, Aluminium, Glas, Papier und Pappe, bis 2029 getrennt gesammelt werden.
Alle Verpackungen müssen bis 2030 recycelbar sein; vorübergehende Ausnahmen sind zum Beispiel für Lebensmittelverpackungen aus Holz und Wachs vorgesehen. Dies hatten unter anderem Änderungsanträge französischer Abgeordneter bewirkt, die sich um die nicht recyclingfähigen Holzverpackungen des Camembert-Käses sorgten.
Das Parlament hat ein Verbot von sehr leichten Plastiktragetaschen (unter 15 Mikrometer) beschlossen, wenn diese nicht aus hygienischen Gründen erforderlich sind oder als Primärverpackung verwendet werden, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Die Verwendung bestimmter Einweckverpackungen wie für kleine Toilettenartikel in Hotels oder die Schrumpffolie für Koffer an Flughäfen sollen stark eingeschränkt werden. Mehrere im Kommissionsentwurf enthaltene Verbote wurden gestern allerdings durch Änderungsanträge verhindert, so auch das Verbot kleiner Einwegverpackungen für Zucker, Pfeffer, Salz und Süßstoff in der Gastronomie.
Auch die vorgeschlagenen Mehrwegziele wurden mehrheitlich gestrichen; stattdessen wollen die Abgeordneten die Anforderungen für die Wiederverwendung und Wiederbefüllung von Verpackungen noch klären. Endvertreiber von Getränken und Speisen zum Mitnehmen sollen den Kunden lediglich ermöglichen, eigene Behälter für Speisen und Getränke zum Mitnehmen zu verwenden. Bis 2030 soll ein Zehntel der Versandverpackungen für Pakete wiederverwendbar sein, allerdings mit Ausnahme von Verpackungen, die zu mindestens 85 Prozent recycelt werden können.
“Wir brauchen einen starken Binnenmarkt für recycelte Rohstoffe für den Aufbau unserer Kreislaufwirtschaft, aber wir brauchen keine Verbotsorgie“, sagte Peter Liese (EVP) nach der Abstimmung. “Papier ist ein nachhaltiges Material und wir haben in Europa im Moment wirklich andere Sorgen, als uns mit Papiertütchen zu beschäftigen.”
Delara Burkhardt, Schattenberichterstatterin der S&D-Fraktion, sieht das Ergebnis als Ausdruck des Erfolgs der massiven Lobbykampagnen: “Leider wurde die Abstimmung zu einem Wünsch-dir-was der Verpackungslobby“, kommentierte sie auf X. Sie frage sich, wie die beschlossenen Ziele zur Reduktion von Verpackungen ohne die konkreten Maßnahmen, die gelöscht oder abgeschwächt wurden, erreicht werden sollen. Sie hoffe darauf, dass der Rat in seiner Position mehr Ambition zeige und “die großen Schlupflöcher” des Parlamentsberichts stopfen könne. leo
Gestern haben Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius und Klimakommissar Wopke Hoekstra einen neuen Gesetzvorschlag zum Walmonitoring vorgestellt. Der Vorschlag soll den Rahmen für eine umfassende Wissensbasis über die Wälder schaffen. Dadurch soll es Mitgliedstaaten, Waldbesitzern und Waldbewirtschaftern ermöglicht werden, besser auf die wachsenden Herausforderungen durch Klimawandelfolgen zu reagieren.
Konkret soll das Gesetz zur Überwachung der Wälder Folgendes schaffen:
Der Vorschlag zielt auch darauf ab, die Schaffung eines neuen Marktes für Anbieter digitaler Monitoringdienste, einschließlich KMU und Start-ups, zu unterstützen. Schließlich wird der Vorschlag die Umsetzung anderer wichtiger Rechtsvorschriften wie der LULUCF-Verordnung, der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie, der Entwaldungsverordnung sowie der Zertifizierung des Kohlenstoffabbaus und des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur unterstützen, sobald es von den Mitgesetzgebern verabschiedet ist.
Der Vorschlag sollte bereits im Mai dieses Jahres veröffentlicht werden. In einer Pressekonferenz in Brüssel ging Umweltkommissar Sinkevičius nicht auf die Gründe für die Verzögerung ein. Er sagte, die Fertigstellung des Vorschlags sei “eine sensible Lenkungsübung” gewesen, da man mit einer Vielzahl von Interessengruppen sprechen müsse. Er fügte hinzu, dass auch “sorgfältige Impact Assessments” durchgeführt worden seien, um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.
Der Vorschlag erfolgt vor dem Hintergrund fragmentierter Datenerhebung über den Zustand der Wälder in der EU, erklärt die Kommission. Die Daten über den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Wert der Wälder, die Belastungen, denen sie ausgesetzt sind, und die Ökosystemleistungen, die sie erbringen, seien weitgehend heterogen und widersprüchlich. Dies führt zu Lücken und Überschneidungen bei den Daten, die der Kommission von den Mitgliedstaaten übermittelt werden, und dies oft mit erheblicher Verzögerung. Mit anderen Worten: Der EU fehlt ein gemeinsames System zur Erhebung langfristiger, genauer und vergleichbarer Walddaten, fasst die Kommission zusammen.
Wälder sind für den Kampf gegen den Klimawandel und für den Erhalt der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die europäischen Wälder nehmen zu, wie die Zahl der Waldbrände beispielsweise in Spanien, Frankreich oder Griechenland zeigt. Im Jahr 2022 sind in der EU fast 900.000 Hektar Land und Wald verbrannt. Das entspricht der Größe Korsikas, wie die Kommission mitteilte. cst
Für die Förderung von Wasserstoff und die Dekarbonisierung der Industrie stellt die EU weitere 4,8 Milliarden Euro aus dem Innovationsfonds bereit. Heute beginnt eine neue Ausschreibungsrunde des Fonds, wie es auf einer Website der Kommission heißt. Für Entwickler von Wasserstoffprojekten stellt die EU im Rahmen einer Ausschreibung erstmals 800 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds zur Verfügung.
Der Löwenanteil von vier Milliarden Euro steht für mehrere Sektoren bereit, darunter Projekte zur Dekarbonisierung, Clean-Tech-Produktionsstätten sowie die maritime Wirtschaft. Die Bewerbungsfrist endet Anfang April 2024. In den kommenden Wochen bietet die Kommission Informationsveranstaltungen zu den Ausschreibungen an. ber
Finnland will ab Mitternacht am Freitag alle Grenzübergänge bis auf einen nach Russland schließen. “Es gibt zunehmende Anzeichen dafür, dass sich die Situation an der östlichen Grenze verschlechtert”, sagte Ministerpräsident Petteri Orpo am Mittwoch. Damit würden drei der vier verbliebenden Übergänge geschlossen und nur der nördlichste, Raja-Jooseppi, offen gelassen. Dieser liege so weit im Norden, dass es “eine echte Anstrengung erfordert, dorthin zu gelangen”. Seit Anfang des Monats sind mehr als 600 Menschen ohne gültige Papiere über Russland nach Finnland gekommen.
Auch in Finnlands Nachbarland Estland gibt es zunehmend Spannungen an der Grenze zu Russland. Estlands Innenminister Lauri Läänemets beschuldigte Russland am Mittwoch, an einer “hybriden Angriffsoperation” beteiligt zu sein, um Migranten an die estnische Grenze zu bringen, mit dem Ziel, die Sicherheit zu untergraben und die Bevölkerung des baltischen Staates zu verunsichern. Insgesamt 75 Migranten, vor allem aus Somalia und Syrien, haben seit Donnerstag versucht, von Russland aus über den Grenzübergang Narva nach Estland einzureisen, berichtete der estnische öffentlich-rechtliche Rundfunk ERR.
Auch Estland sei bereit, Grenzübergänge zu schließen, falls “der Migrationsdruck aus Russland eskaliert”, sagte Läänemets über einen Sprecher gegenüber Reuters. “Leider gibt es viele Anzeichen dafür, dass russische Grenzbeamte und möglicherweise auch andere Behörden involviert sind”, sagte der Minister. Russische Beamte waren nicht sofort für eine Stellungnahme zu erreichen.
Am Montag bestritt der Kreml, dass Russland absichtlich illegale Migranten an die finnische Grenze drängte, und erklärte, die russischen Grenzschutzbeamten erfüllten ihre Aufgaben im Einklang mit den Vorschriften. rtr
Die EZB sollte aus Sicht ihres Notenbankdirektors Frank Elderson klimapolitische Aspekte berücksichtigen, falls sie eine neue Runde zielgerichteter Kreditspritzen für Banken auflegen sollte. “Wann immer es künftig geldpolitisch notwendig ist, gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte für Banken zu überdenken, gibt es zwingende Gründe dafür, diese stärker grün auszurichten“, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsgremiums der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch auf einer Veranstaltung in Berlin. Mit ihren großen Kreditsalven für Banken, in der Fachwelt “TLTRO” genannt, wollte die Euro-Notenbank den Kreditfluss an die Wirtschaft unterstützen.
Die EZB habe bereits Überlegungen zur Finanzstabilität in die Gestaltung ihrer Instrumente einbezogen, sagte Elderson. Ähnlich könne sie auch bei einer grüneren Ausrichtung ihrer Werkzeuge vorgehen, fügte der Niederländer hinzu. So habe die Euro-Notenbank bei der dritten Serie der TLTRO-Kredite, die 2019 aufgelegt wurde, ein Kreditvergabeziel vorgegeben, das Wohnungsbaukredite ausgeschlossen habe. Die EZB habe damals vermeiden wollen, zur Bildung von Immobilienblasen beizutragen. Ähnliche Strategien könnten aus Eldersons Sicht in Betracht gezogen werden, um in Zukunft “grüne” Kredite zu unterstützen oder “nicht-grüne” Darlehen auszuschließen. rtr
Das Europäische Parlament hat am Mittwoch das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Neuseeland gebilligt. Die EU-Gesetzgeber stimmten mit 524 zu 85 Stimmen für das Abkommen. Anfang 2024 soll es in Kraft treten. Es ist das erste neue Freihandelsabkommen seit mehr als drei Jahren. Es ist auch das erste der EU, das mögliche Sanktionen für Verstöße gegen Umwelt- oder Arbeitsnormen vorsieht.
Die Hoffnung ist, damit den Handel um bis zu 30 Prozent zu steigern. Durch das Abkommen mit Neuseeland werden jährliche Zölle in Höhe von rund 140 Millionen Euro auf EU-Exporte wie Kleidung, Chemikalien, Arzneimittel und Autos sowie Wein und Süßwaren abgeschafft. Die EU wird ihr Kontingent für neuseeländisches Rindfleisch um 10.000 Tonnen erhöhen und die Mengen für Lammfleisch, Butter und Käse anheben. Landwirte haben ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht.
Daniel Caspary, zuständiger EVP-Berichterstatter sagte, die Abstimmung sei “überfällig” gewesen, da das letzte Handelsabkommen, das genehmigt wurde, im Februar 2020 mit Vietnam geschlossen wurde.
Die Verhandlungen zum Abkommen waren bereits im Juni 2022 abgeschlossen. Das Abkommen hat auch eine geostrategische Dimension. Europa sucht Alternativen zu Russland und China als Handelspartner. Andere Abkommen stocken aktuell wegen nationaler Bedenken. Insbesondere Frankreich zögert, Abkommen zu genehmigen, die zu mehr Agrarimporten führen. rtr
die Niederlande stehen nach der Parlamentswahl vom Mittwoch vor einer äußerst schwierigen Regierungsbildung. Der Rechtspopulist Geert Wilders hat mit seiner Freiheitspartei (PVV) laut den jüngsten Prognosen heute Morgen 37 von insgesamt 150 Sitzen erobert und wird mit Abstand stärkste Kraft in der Zweiten Kammer. In Den Haag war am Abend von einem Trump-Moment die Rede: Auch den Triumph von Wilders hatten die Beobachter zumindest in diesem Ausmaß nicht wirklich kommen sehen.
An zweiter Stelle konnte Frans Timmermans an der Spitze der neuen Parteienfusion aus sozialdemokratischer PvdA und Groenlinks mit neu 25 Sitzen zwar deutlich zulegen. Angesichts des rechtspopulistischen Tsunamis könnte der frühere EU-Kommissionsvize nun aber trotz des Zugewinns der Platz auf der Oppositionsbank drohen.
Geert Wilders erhob am Abend klar den Anspruch, die nächste Regierung zu bilden. Der Islam-Kritiker konnte vor allem mit dem Migrationsthema punkten, an dem die bisherige Koalition zerbrochen war. Der Rechtspopulist rief die anderen Rechtsparteien auf, “über ihren Schatten zu springen”. Im Visier hat Wilders die rechtsliberale VVD des bisherigen Ministerpräsidenten Mark Rutte, die unter der neuen Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz mit noch 24 Sitzen deutliche Verluste hinnehmen musste. Yesilgöz hatte im Wahlkampf zwar eine Zusammenarbeit mit der PVV nicht ausgeschlossen, bezeichnete Geert Wilders aber als nicht geeignet für den Posten als Premierminister.
Wilders will auch den Parteienrebell Pieter Omtzigt an Bord holen, der mit seiner Partei “Neuer Gesellschaftsvertrag” (NSC) aus dem Stand auf 20 Sitze kommt. Der ehemalige Christdemokrat lehnte bisher allerdings ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Geert Wilders ab, weil dessen Forderung, Moscheen zu schließen und den Koran zu verbieten, gegen die Verfassung verstoßen. Am Abend deutete er aber Gesprächsbereitschaft an: “Wir werden Verantwortung übernehmen”.
Die drohende Unsicherheit ist für die EU-Partner eine schlechte Nachricht. Wilders hat sich in der Vergangenheit auch schon für ein Referendum über den Austritt aus der EU starkgemacht. Koalitionskonsultationen können in den Niederlanden viele Monate dauern. Scheitert Wilders irgendwann nächstes Jahr, könnte Frans Timmermans doch noch zum Zug kommen. Der Sozialdemokrat appellierte am Wahlabend schon einmal, es gehe nun darum, Schulter an Schulter Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
“Ein schwarzer Tag für die Umwelt und die Landwirte.” Die grüne Berichterstatterin der Pestizidverordnung, Sarah Wiener, war im Plenarsaal des Europäischen Parlaments niedergeschlagen. Nach einem erbitterten Kampf um Änderungsanträge wurde der Vorschlag der Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR, für Sustainable Use of Pesticide Regulation) in der ersten Lesung mit 299 zu 207 Stimmen bei 121 Enthaltungen abgelehnt.
Zahlreiche Änderungsanträge waren Teil eines konzertierten Vorstoßes der Konservativen (EVP) und anderer Fraktionen, die zu einer erhebliche Verwässerung des ursprünglichen Vorschlages der Kommission sowie der im Umweltausschuss (ENVI) erarbeitete Kompromisse führten. Dies führte dazu, dass die Grünen, Sozialdemokraten und Linken in einer überraschenden Wende gegen den Vorschlag stimmten.
Die Berichterstatterin Sarah Wiener beantragte, den Text zur Überarbeitung an den Umweltausschuss (ENVI) zurückzuschicken. Der Antrag wurde allerdings mit 324 zu 292 Stimmen abgelehnt. Das bedeutet: Es wird absehbar keine neue Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden geben. Selbst wenn der Rat in den nächsten Wochen seine Position festlegen sollte. Ohne das Parlament können die Trilogverhandlungen nicht beginnen.
Die Europäische Kommission muss nun entscheiden, ob sie eine neue Version des Textes vorlegt. Doch wenige Monate vor den Europawahlen im Juni 2024 ist dies unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass das Gesetzgebungsverfahren auf die nächste Amtszeit verschoben. Was einem politischen Tod des Vorhabens gleichkommt.
Seitens der Konservativen der EVP zeigt man sich zufrieden, dass ein Text über ein Verbot von Pestizid abgelehnt wurde. Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, kritisiert, dass Berichterstatterin Wiener versucht habe, “ein Verbot” von Pflanzenschutzmitteln in landwirtschaftlich sensiblen Gebieten zu erwirken. “Das war für mich und die Mehrheit des Europäischen Parlaments nicht tragbar“, sagte er.
Der von der Kommission im Juli 2022 vorgeschlagene Gesetzentwurf zielte darauf ab, den Einsatz chemischer Pestizide in der EU bis 2030 zu halbieren. Der Umweltausschuss des Parlaments wollte zudem erreichen, dass die Verwendung der als gefährlichsten eingestuften Pestizide und die damit verbundenen Risiken in der EU bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 2013 bis 2017 reduziert werden sollten.
Der ENVI-Ausschuss hatte außerdem ein Verbot des Einsatzes chemischer Pestizide in sogenannten ökologischen sensiblen Gebieten vorgeschlagen. Dabei handelte es sich um öffentliche Flächen wie Parks, Spielplätze, Erholungsgebiete, öffentliche Wanderwege sowie Natura-2000-Gebiete. Es war genau dieser Artikel, der die meisten Änderungsanträge und die meistens Gegenstimmung hervorbrachte.
Das Abstimmungsergebnis zeigt nicht nur die Fragmentierung des Parlaments, sondern auch Konfliktlinien innerhalb der Fraktionen auf. Christdemokraten, EKR sowie weiter rechts stehende Europaabgeordnete sowie einige Mitglieder von Renew und S&D stimmten gegen die im Umweltausschuss erarbeiteten Kompromisse. Renew sowie auch S&D sind, was die Agrarpolitik betrifft, gespalten. Die Verringerung des Pestizideinsatzes ist eine der Säulen des Green Deal, als Teil der Biodiversitätsagenda der Kommission sowie der “Vom Hof auf den Tisch”-Strategie, dem landwirtschaftlichen Ableger des Green Deals.
Die Ablehnung kommt nur wenige Tage nach der Entscheidung der Europäischen Kommission, Glyphosat für zehn weitere Jahre zuzulassen, da es keine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für oder gegen die Wiederzulassung gab.
Der fraktionslose Abgeordnete Carles Puigdemont verfolgte aufmerksam von seinem Platz in der letzten Reihe aus die Debatte im Europaparlament zur Rechtsstaatlichkeit nach den Parlamentswahlen in Spanien. In der Debatte ging es um das umstrittene Gesetz zur Amnestie, das dem Vorsitzenden von Junts die Rückkehr aus dem belgischen Exil nach Spanien und PSOE-Chef Pedro Sánchez die Bildung einer Koalition und das Weiterregieren ermöglichen soll.
In einer sehr emotional geführten Debatte kritisierte EVP-Fraktionschef Manfred Weber, dass Sozialdemokraten, Grüne und Linke versucht hätten, die Aussprache im Europaparlament über die Rechtsstaatlichkeit in Spanien zu verhindern. Er zitierte den ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten und Ex-PSOE-Chef Felipe Gonzáles. Der inzwischen über 80-Jährige habe gesagt: “Eine Amnestie zerstört die Gesellschaft.” Weber kritisierte, dass Sánchez noch wenige Tage vor der Wahl eine Amnestie ausgeschlossen habe: “Sánchez hat seinen persönlichen Egoismus an die erste Stelle gestellt und die Rechtsstaatlichkeit gebrochen.”
Iratxe García Peréz, die aus Spanien kommende Fraktionschefin der sozialistischen Fraktion S&D, antwortete auf Weber. “Nicht Pedro Sánchez gefährdet die Demokratie von Spanien, sondern die spanische Volkspartei PP, die das Ergebnis der Wahl vom 23. Juli nicht anerkennt.” Sie führte dann Beispiele aus der spanischen Politik an, wo sich die konservative Partei etwas habe zuschulden kommen lassen. “Der Partido Popular hat die Polizei eingesetzt, um Beweise für Korruption in den eigenen Reihen zu vernichten.”
Der Spanier Adrián Vázquez Lázara von Renew sagte: “Wir haben hier zu Recht über die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen gesprochen, und wir werden auch über Spanien reden.” Spaniens Sozialisten wollten sich die Macht sichern, indem sie “mit Flüchtlingen der Justiz zusammenarbeiten”. Und weiter im Hinblick auf Pigdemont: “Hier wird versucht, einen Politiker zu einem rechtlich Unantastbaren zu machen.”
Justizkommissar Didier Reynders verwies zunächst darauf, dass die Kommission zahlreiche Beschwerden von Bürgern sowie parlamentarische Anfragen von Europaabgeordneten wegen des geplanten Amnestiegesetzes bekommen habe. Er erläuterte die Kritik, die die Kommission bereits in ihrem Rechtsstaatsbericht am spanischen Justizsystem geübt hatte.
Die Position der Kommission zur Abspaltung einer Region in Spanien sei allerdings unverändert: “Katalonien bleibt eine interne Frage Spaniens, in die sich die Kommission nicht einmischt.” Er wiederholte aber seine Zusage einer gründlichen Analyse des Amnestiegesetzes zu: “Wir werden das Gesetz sehr sorgfältig, unabhängig und objektiv untersuchen und prüfen, ob es gegen die Europäischen Verträge verstößt.” Bis das Ergebnis vorliegt, wird es aber dauern: Die Kommission werde das Gesetz erst prüfen, wenn es rechtmäßig verabschiedet und in Kraft sei.
Unterdessen zeichnet sich in Spanien das Kabinett der neuen Regierung unter Sánchez ab. Wie in der vergangenen Legislaturperiode soll es 22 Ministerien geben. Fünf Ressorts gehen an den wichtigsten Bündnispartner von Sánchez, die linke Plattform Sumar. Podemos-Politiker, ohne deren Unterstützung Sánchez vor vier Jahren nicht an die Macht gekommen wäre, sind nicht mehr Teil des Kabinetts.
Sánchez bündelt in einem Superministerium die Kräfte. Félix Bolaños, der engste Vertrauter von Sánchez, wird Minister für Präsidentschaft, Justiz und die Beziehungen zum Ober- und Unterhaus. Bolaños ist einer der Architekten des umstrittenen Amnestiegesetzes. An der Spitze des Superministeriums begleitet Bolaños künftig die Verabschiedung des Amnestiegesetzes. Wie die spanische Tageszeitung El Mundo berichtet, hat die Ernennung von Bolaños bei einem Teil der Richterschaft Bedenken geweckt. Sie warnen vor einer Vereinnahmung der Justiz durch die Exekutive.
Die Parteien Junts und Esquerra Republicana de Catalunya hatten das Amnestiegesetz zur Bedingung für eine Koalition gemacht. Das Amnestiegesetz zielt darauf, alle Straftaten der in den Separatistenprozessen seit 2014 beteiligten Personen zu amnestieren und die ergangenen Urteile aufzuheben. Davon profitieren würde auch Junts-Chef Puigdemont.
Im neuen Kabinett von Sánchez haben zwölf Frauen gegenüber zehn Männern die Mehrheit. Nadia Calviñó (Wirtschaftsministerin), Yolanda Díaz (Arbeitsministerin und Chefin von Sumar) sowie Teresa Ribera (Ministerin für den ökologischen Wandel) werden erste, zweite und dritte Vizepräsidentinnen der Regierung. María Jesús Montero, die weiterhin für das Finanzressort zuständig ist, soll vierte Vizepräsidentin werden.
Sumar behält die Ministerien für Arbeit und soziale Rechte (Pablo Bustinduy), verliert aber die Ministerien für Gleichstellung, Verbraucherschutz und Hochschulen. Der bisherige Vizefraktionschef der Grünen im Europaparlament, Ernest Urtasun, wird Kulturminister. Das Gesundheitsressort übernimmt Mónica García. Mitarbeit Markus Grabitz
Als sie während der Presskonferenz am Mittwochabend erzählt, dass sie an der Videokonferenz der G20-Staaten Seit an Seit mit Bundeskanzler Olaf Scholz teilgenommen hat, huscht ein Lächeln über das Gesicht von Giorgia Meloni. Man könnte es als Stolz interpretieren. Schließlich wurde die Wahl der rechten Politikerin zur Regierungschefin Italiens vor rund einem Jahr vor allem in Deutschland vielfach skeptisch betrachtet.
G20 spielt beim gemeinsamen Gang vor die Presse aber nur eine untergeordnete Rolle. An diesem Mittwoch wurden in Berlin die deutsch-italienischen Regierungskonsultationen abgehalten. Die letzten Gespräche dieses Formats fanden 2016 statt. Nach ihrem Antrittsbesuch Anfang Februar war es die zweite Visite Melonis als Regierungschefin in der deutschen Hauptstadt.
Meloni findet an diesem Mittwoch nur lobende und preisende Worte. “Zwischen uns funktioniert es, weil wir es gewohnt sind, klar miteinander zu sprechen”, sagt die 46-Jährige über die Zusammenarbeit mit ihrem deutschen Amtskollegen. “Ich empfinde Bundeskanzler Scholz als einen sehr verlässlichen Menschen.” Den Tag bezeichnet die Chefin der von vielen als postfaschistisch bezeichneten Partei Fratelli d’Italia denn auch als “in mancher Hinsicht historisch”.
Doch geht es an diesem Abend in Berlin eher nüchtern zu. Wo die Unterzeichnung des italienisch-französischen Quirinalsvertrags Ende 2021 in Rom mit Pomp gefeiert wurde, reicht es beim Abkommen zwischen Italien und Deutschland nur für eben jene Pressekonferenz. Und doch: Unterschriften wurden gesetzt. Und zwar unter einen Aktionsplan, der im Dezember 2021 noch unter der Vorgängerregierung von Mario Draghi auf den Weg gebracht worden war.
Zwischenzeitlich ist einiges passiert: In Europas Nachbarschaft sind in der Ukraine und in Israel zwei neue Kriege ausgebrochen, die Inflation hält die Staaten in Atem – und Italien hat eine neue Regierung. Seit Oktober 2022 regiert in Rom eine strammrechte Regierungskoalition aus den ultrarechten Fratelli d’Italia, der Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia des in diesem Sommer verstorbenen Ex-Premier Silvio Berlusconi. An der Spitze der Regierung steht mit Meloni erstmals in der Geschichte der italienischen Republik eine Frau.
Die Harmonie, die man da am Mittwochabend vor der Presse demonstriert, findet sich dann auch in dem Aktionsplan wieder, der dennoch nicht Vertrag heißen soll. “Unsere Länder sind durch gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen verbunden”, heißt es in dem rund 25-seitigen Papier gleich zu Beginn, und dass man seine bilaterale Partnerschaft auf eine “neue Ebene” heben wolle.
In zahlreichen Bereichen wolle man die “bestehende Zusammenarbeit fortführen” oder gar “verstärken”. In Sachen Migration beabsichtige man, “den Dialog fortzusetzen”. Auf dem Feld hatte es zuletzt diplomatische Verstimmungen gegeben, nachdem der Bundestag beschloss, private Seenotretter finanziell zu unterstützen. Auch in internationalen und sicherheitspolitischen Fragen will man laut neuem Aktionsplan einen “strukturierten Dialog” führen.
Über einiges will man sich auch “austauschen”, so zum Beispiel über die Umsetzung von Strategien zum Schutz von Personen jeglicher sexueller Orientierung. Dass die Ansichten dazu weit auseinander liegen, soll dem Austausch nicht im Wege stehen.
Nur wenige handfeste Punkte finden sich in dem Papier: So soll es künftig ein jährliches Ministerforum zwischen dem italienischen Minister für Unternehmen und Made in Italy und dem deutschen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz geben. Und zusätzlich zu den “strategischen Dialogen” der Ministerien für auswärtige Angelegenheiten und der Ministerien der Verteidigung soll ein Mechanismus für gemeinsame Konsultationen zwischen Verteidigungs- und Außenministern (“2+2”) eingerichtet werden.
Des Weiteren ist von neuen Kooperationsprojekten und neuen Formaten der Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Energie, Klimaschutz, Sicherheit und Verteidigung die Rede. Einigkeit zeigten Scholz und Meloni am Mittwoch demonstrativ bezüglich der Kriege in der Ukraine und in Israel.
Nicht überall in Berlin war man derart begeistert von dem Traumpaar Europas, als das sich Scholz und Meloni präsentierten. “Die italienische Ministerpräsidentin ist kein Staatsgast, dem man den roten Teppich ausrollen sollte“, sagte Linke-Parteichefin Janine Wissler der Deutschen Presse-Agentur. Sie sprach von einer gefährlichen Normalisierung und einem Hofieren Melonis und ihrer Rechtsregierung durch die Ampel-Regierung.
Kanzler Scholz hat eine pragmatische Arbeitsbeziehung zu Meloni entwickelt, wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Rat. Bei der Wahl der Rechtspolitikerin im Herbst 2022 hatten auch viele Politiker von Sozialdemokraten und Grünen noch in schrillen Tönen vor der “Postfaschistin” gewarnt, manch führender SPD-Politiker tituliert Meloni bis heute als Faschistin. Aus Sicht des Kanzleramts haben sich die Warnungen bislang aber kaum realisiert, mit schwammigen Begriffen wie “postfaschistisch” weiß man dort ohnehin wenig anzufangen. Von Almut Siefert mit Till Hoppe
Das Handels – und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (TCA) hat maßgeblich dafür gesorgt, dass die negativen Folgen des Brexits begrenzt wurden. Dieses Fazit zieht der Bericht zur Umsetzung des TCA, der heute im Europaparlament abgestimmt wird. Das TCA trat am 1. Januar 2021 in Kraft, wenige Tage nachdem an Heiligabend 2020 das Austrittsabkommen zwischen der EU und der Regierung in London unterzeichnet worden war.
Knapp drei Jahre nach dem Austritt der Briten zieht das Europaparlament mit dem Bericht erstmals Bilanz zu den Beziehungen. Insbesondere seit der Einigung über den Windsor-Rahmen im März 2023 seien die gegenseitigen Beziehungen von einer neuen konstruktiven Zusammenarbeit geprägt. Im Windsor-Rahmen sind Lösungen festgehalten, um in der Praxis auftauchende Probleme in Nordirland dauerhaft zu lösen und die Integrität des Binnenmarktes zu schützen. Der Bericht wurde gemeinsam vom Auswärtigen Ausschuss (AFET) und vom Handelsausschuss (INTA) erarbeitet und in einer gemeinamen Sitzung der beiden Ausschüsse mit 71-Ja-Stimmen, drei Enthaltungen bei nur einer Gegenstimme beschlossen.
Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen London und Brüssel habe eine Sonderstellung, stellt der Bericht fest. Kein Abkommen, das die EU bisher mit einem Drittstaat abgeschlossen habe, sei weitgehender. Es deckt fast alle relevanten Politikfelder ab, vom Handel über Energie, Fischerei, Zusammenarbeit bei Strafsachen und Strafverfolgung, Verkehr sowie die Koordinierung der sozialen Sicherheit. Es gibt auch einen Mechanismus zur Streitbeilegung. Allein zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt es keine Einigung. Das Vereinigte Königreich hatte Vereinbarungen mit der EU in der Außenpolitik strikt abgelehnt. Daher gibt es dafür seit dem Austritt keinen institutionalisierten Rahmen mehr.
In der Handelspolitik stellt das Parlament fest: Der Austausch von Gütern und Dienstleistungen habe unter dem Brexit erwartungsgemäß gelitten. Die Handelsbeziehungen haben sich zwischen 2016 und 2022 schlechter entwickelt als die Beziehungen der EU zu anderen internationalen Partnern. Das TCA sei zwar insofern einzigartig, als es keinerlei Zölle und keinerlei Kontingente für Waren vorsieht, die den Ursprungsregeln entsprechen. Das Abkommen sei aber keineswegs ein Ersatz für die EU-Mitgliedschaft und den Zugang zum EU-Binnenmarkt.
Problematisch sei gewesen, dass durch den Brexit neue nichttarifäre Handelshemmnisse aufgebaut wurden. Dadurch seien auf beiden Seiten neue Kostenfaktoren entstanden. Vor allem am Anfang habe es Umsetzungsprobleme gegeben. Auch heute noch gebe es Probleme, etwa bei der Einreise und vorübergehenden Aufenthalten von Geschäftsleuten sowie bei der Überprüfung der Ursprungsregeln.
Der Bericht mahnt eine Einigung zwischen Brüssel und London bei den Ursprungsregeln für batterieelektrische Autos an. Da die Wertschöpfung bei E-Autos in der EU und dem Vereinigten Königreich die angepeilten Ziele verfehle, drohen Anfang des Jahres Zölle in Höhe von zehn Prozent. Es müsse dringend eine Lösung gefunden werden, da europäische Hersteller Schwierigkeiten haben, Batterien vor allem aus der EU zu beziehen. Das Parlament fordert die Kommission auf, auf eine Vereinfachung der Abfertigungsverfahren zu drängen.
Der Bericht bedauert ausdrücklich, dass das Vereinigte Königreich nicht bereit sei zu Vereinbarungen in der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Das Parlament sei sehr dafür, die außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit noch in Zukunft noch formell zu vereinbaren. Dennoch zieht das Parlament ein positives Fazit der Zusammenarbeit in diesem Bereich. Das koordinierte Vorgehen bei der Unterstützung der Ukraine sei beispielhaft und zeige das Potenzial einer erfolgreichen Partnerschaft. Das Vereinigte Königreich trage mit Rüstungslieferungen und dem Ausbau der nachrichtendienstlichen Kapazitäten zur Verbesserung der euroatlantischen Sicherheit bei.
Bei einer Verständigung könnten Brüssel und London etwa gemeinsam die Umsetzung der Sanktionen gegen Russland und andere Drittstaaten überwachen. Begrüßt wird auch, dass sich das Vereinigte Königreich am PESCO-Projekt zur militärischen Mobilität beteiligen wolle. Es gebe einen positiven Trend bei der militärischen Zusammenarbeit. Jedoch werde nicht effizient mit Finanzmitteln umgegangen, wenn etwa auf beiden Seiten parallel Kampfluftsysteme entwickelt werden, wie aus dem Jahresbericht zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hervorgeht.
In der Umwelt- und Klimapolitik ruft der Bericht die Kommission auf, das Emissionshandelssystem des Vereinigten Königreichs zu beobachten. Es solle gleiche Standards beim Umweltschutz und beim Wettbewerb geben. Die Kommission möge prüfen, ob eine Zusammenarbeit von EU und Vereinigtem Königreich beim ETS möglich sei. Ebenso solle die Kommission darauf achten, die Chemikalienregulierung REACH im Vereinigten Königreich und in der EU vergleichbar bleibe.
In der Energiepolitik fordert das Parlament, die Kooperation zu verstärken. Es gebe derzeit kein langfristiges Abkommen über den gegenseitigen Stromhandel. Dabei gebe es ein großes Potenzial, etwa mit Strom aus erneuerbaren Quellen von der britischen Küste. Bei der Fischereipolitik weist der Bericht darauf hin, dass man ein mehrjähriges Abkommen für die Zeit nach 2026 brauche. Andernfalls müsse jedes Jahr über die Fischfangquoten verhandelt werden.
Bei den Finanzdienstleistungen sei London zu wenigen Vereinbarungen bereit gewesen. Da seien Pläne für ein Finanzregulierungsforum zwischen London und Brüssel zu begrüßen. Es werde aber nicht Teil des TCA sein und daher nicht den gleichen Zugang zum europäischen Markt gewähren wie ein umfassendes Finanzdienstleistungsabkommen.
Das Parlament stellt zudem fest, dass die Jugend, Studenten, Sportler und Künstler zu den großen Verlierern des Brexits gehören. Es gebe so gut wie keine Anschlussprogramme für Erasmus Plus sowie das Europäische Solidaritätskorps. Studenten aus der EU könnten nur dann ein Semester an britischen Universitäten studieren, wenn sie die hohen Studiengebühren zahlen. Es gebe massive Hemmnisse für tourende Künstler. Auch die Freizügigkeit von Sportlern, etwa auch im Profisport, sei eingeschränkt.
24.11.2023 – 09:00-13:30 Uhr, Leipzig
EPP, Conference Road to Recovery
The European People’s Party discusses the aims of the Recovery and Resilience Facility (RRF). INFOS & REGISTRATION
24.11.2023 – 11:00-13:00 Uhr, online
FSR, Presentation Incentive regulation to promote efficiency and innovation
The Florence School of Regulation (FSR) is conducting a public consultation on a possible scheme for incentive-based regulation of networks to promote efficiency and innovation in addressing electricity system needs. INFOS & REGISTRATION
27.11.-28.11.2023, Florenz (Italien)
FSR Climate Annual Conference 2023
The Florence School of Regulation’s (FSR) climate annual conference will focus on some of the main climate policies at EU, national and subnational levels. INFOS & REGISTRATION
28.11.-30.11.2023, Rotterdam
Fortes Industry CCUS Conference 2023
Fortes will bring together top-level experts from chemical, concrete, heavy and polymers industry that will speak about newest technological advancements, regulations and policies as well as their onlook on future of usage of CO₂. INFOS & REGISTRATION
28.11.2023 – 09:30-12:00 Uhr, Lissabon (Portugal)
Eurogas, Conference Eurogas Annual Regional Conference – Focus on Portugal: The Energy Transition & The Role of Renewable Gases
Eurogas discusses how Portugal can deliver on the objectives of carbon neutrality through the use of renewable and low-carbon gases. INFOS & REGISTRATION
28.11.2023 – 09:45 Uhr, online
Körber Stiftung, Konferenz Berliner Forum Außenpolitik 2023
Die Körber Stiftung geht der Frage nach, wie sich Deutschlands Rolle in Europa und der Welt entwickelt. INFOS & LIVESTREAM
28.11.2023 – 13:00-17:30 Uhr, Berlin/online
BDI, Diskussion EU-Steuergespräch 2023
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert mit Experten über die Umsetzung der globalen Mindeststeuer und die gemeinsamen Regeln für die Steuerbemessungsgrundlage (BEFIT) sowie der neuesten Substanzanforderungen für Unternehmen. INFOS & ANMELDUNG
Die Verhandlungen zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) sind gestern auf politischer Ebene vorangekommen, konnten aber wie erwartet noch nicht abgeschlossen werden. Beim vierten Trilog verhandelten EU-Parlament, Rat und Kommission von Mittwochmittag bis in den späten Abend hinein.
Auf der Agenda standen unter anderem der Anwendungsbereich des Gesetzes und die Sorgfaltspflicht für Vorstandsmitglieder. Bis zu einer finalen Einigung sei noch weitere technische und politische Arbeit nötig, sagte ein Sprecher des Rates. Eine weitere Trilogsitzung solle in der ersten Dezemberwoche stattfinden. leo
Das EU-Parlament hat gestern in Straßburg sein Mandat für die Verhandlungen über die Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) angenommen, mit der die EU gegen das steigende Aufkommen an Verpackungsmüll vorgehen will. Nachdem in der vorgestrigen Aussprache noch einmal die sehr kontroversen Positionen der beteiligten Ausschüsse und der Fraktionen deutlich wurden, stimmten gestern 426 Abgeordnete für den Bericht, bei 125 Gegenstimmen und 74 Enthaltungen. Der Bericht von Frédérique Ries (Renew) wurde durch zahlreiche Änderungsanträge jedoch deutlich abgeschwächt.
Das Parlament konnte sich zumindest auf Reduktionsziele einigen: Bis 2030 sollen Verpackungen um fünf Prozent reduziert werden, bis 2035 um zehn Prozent und bis 2040 um 15 Prozent. Für Kunststoffverpackungen sollen ambitioniertere Ziele gelten: zehn Prozent bis 2030, 15 Prozent bis 2035 und 20 Prozent bis 2040.
Weiter sollen 90 Prozent der in Verpackungen enthaltenen Materialien, also Kunststoff, Holz, Eisenmetalle, Aluminium, Glas, Papier und Pappe, bis 2029 getrennt gesammelt werden.
Alle Verpackungen müssen bis 2030 recycelbar sein; vorübergehende Ausnahmen sind zum Beispiel für Lebensmittelverpackungen aus Holz und Wachs vorgesehen. Dies hatten unter anderem Änderungsanträge französischer Abgeordneter bewirkt, die sich um die nicht recyclingfähigen Holzverpackungen des Camembert-Käses sorgten.
Das Parlament hat ein Verbot von sehr leichten Plastiktragetaschen (unter 15 Mikrometer) beschlossen, wenn diese nicht aus hygienischen Gründen erforderlich sind oder als Primärverpackung verwendet werden, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Die Verwendung bestimmter Einweckverpackungen wie für kleine Toilettenartikel in Hotels oder die Schrumpffolie für Koffer an Flughäfen sollen stark eingeschränkt werden. Mehrere im Kommissionsentwurf enthaltene Verbote wurden gestern allerdings durch Änderungsanträge verhindert, so auch das Verbot kleiner Einwegverpackungen für Zucker, Pfeffer, Salz und Süßstoff in der Gastronomie.
Auch die vorgeschlagenen Mehrwegziele wurden mehrheitlich gestrichen; stattdessen wollen die Abgeordneten die Anforderungen für die Wiederverwendung und Wiederbefüllung von Verpackungen noch klären. Endvertreiber von Getränken und Speisen zum Mitnehmen sollen den Kunden lediglich ermöglichen, eigene Behälter für Speisen und Getränke zum Mitnehmen zu verwenden. Bis 2030 soll ein Zehntel der Versandverpackungen für Pakete wiederverwendbar sein, allerdings mit Ausnahme von Verpackungen, die zu mindestens 85 Prozent recycelt werden können.
“Wir brauchen einen starken Binnenmarkt für recycelte Rohstoffe für den Aufbau unserer Kreislaufwirtschaft, aber wir brauchen keine Verbotsorgie“, sagte Peter Liese (EVP) nach der Abstimmung. “Papier ist ein nachhaltiges Material und wir haben in Europa im Moment wirklich andere Sorgen, als uns mit Papiertütchen zu beschäftigen.”
Delara Burkhardt, Schattenberichterstatterin der S&D-Fraktion, sieht das Ergebnis als Ausdruck des Erfolgs der massiven Lobbykampagnen: “Leider wurde die Abstimmung zu einem Wünsch-dir-was der Verpackungslobby“, kommentierte sie auf X. Sie frage sich, wie die beschlossenen Ziele zur Reduktion von Verpackungen ohne die konkreten Maßnahmen, die gelöscht oder abgeschwächt wurden, erreicht werden sollen. Sie hoffe darauf, dass der Rat in seiner Position mehr Ambition zeige und “die großen Schlupflöcher” des Parlamentsberichts stopfen könne. leo
Gestern haben Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius und Klimakommissar Wopke Hoekstra einen neuen Gesetzvorschlag zum Walmonitoring vorgestellt. Der Vorschlag soll den Rahmen für eine umfassende Wissensbasis über die Wälder schaffen. Dadurch soll es Mitgliedstaaten, Waldbesitzern und Waldbewirtschaftern ermöglicht werden, besser auf die wachsenden Herausforderungen durch Klimawandelfolgen zu reagieren.
Konkret soll das Gesetz zur Überwachung der Wälder Folgendes schaffen:
Der Vorschlag zielt auch darauf ab, die Schaffung eines neuen Marktes für Anbieter digitaler Monitoringdienste, einschließlich KMU und Start-ups, zu unterstützen. Schließlich wird der Vorschlag die Umsetzung anderer wichtiger Rechtsvorschriften wie der LULUCF-Verordnung, der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie, der Entwaldungsverordnung sowie der Zertifizierung des Kohlenstoffabbaus und des Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur unterstützen, sobald es von den Mitgesetzgebern verabschiedet ist.
Der Vorschlag sollte bereits im Mai dieses Jahres veröffentlicht werden. In einer Pressekonferenz in Brüssel ging Umweltkommissar Sinkevičius nicht auf die Gründe für die Verzögerung ein. Er sagte, die Fertigstellung des Vorschlags sei “eine sensible Lenkungsübung” gewesen, da man mit einer Vielzahl von Interessengruppen sprechen müsse. Er fügte hinzu, dass auch “sorgfältige Impact Assessments” durchgeführt worden seien, um unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.
Der Vorschlag erfolgt vor dem Hintergrund fragmentierter Datenerhebung über den Zustand der Wälder in der EU, erklärt die Kommission. Die Daten über den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Wert der Wälder, die Belastungen, denen sie ausgesetzt sind, und die Ökosystemleistungen, die sie erbringen, seien weitgehend heterogen und widersprüchlich. Dies führt zu Lücken und Überschneidungen bei den Daten, die der Kommission von den Mitgliedstaaten übermittelt werden, und dies oft mit erheblicher Verzögerung. Mit anderen Worten: Der EU fehlt ein gemeinsames System zur Erhebung langfristiger, genauer und vergleichbarer Walddaten, fasst die Kommission zusammen.
Wälder sind für den Kampf gegen den Klimawandel und für den Erhalt der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die europäischen Wälder nehmen zu, wie die Zahl der Waldbrände beispielsweise in Spanien, Frankreich oder Griechenland zeigt. Im Jahr 2022 sind in der EU fast 900.000 Hektar Land und Wald verbrannt. Das entspricht der Größe Korsikas, wie die Kommission mitteilte. cst
Für die Förderung von Wasserstoff und die Dekarbonisierung der Industrie stellt die EU weitere 4,8 Milliarden Euro aus dem Innovationsfonds bereit. Heute beginnt eine neue Ausschreibungsrunde des Fonds, wie es auf einer Website der Kommission heißt. Für Entwickler von Wasserstoffprojekten stellt die EU im Rahmen einer Ausschreibung erstmals 800 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds zur Verfügung.
Der Löwenanteil von vier Milliarden Euro steht für mehrere Sektoren bereit, darunter Projekte zur Dekarbonisierung, Clean-Tech-Produktionsstätten sowie die maritime Wirtschaft. Die Bewerbungsfrist endet Anfang April 2024. In den kommenden Wochen bietet die Kommission Informationsveranstaltungen zu den Ausschreibungen an. ber
Finnland will ab Mitternacht am Freitag alle Grenzübergänge bis auf einen nach Russland schließen. “Es gibt zunehmende Anzeichen dafür, dass sich die Situation an der östlichen Grenze verschlechtert”, sagte Ministerpräsident Petteri Orpo am Mittwoch. Damit würden drei der vier verbliebenden Übergänge geschlossen und nur der nördlichste, Raja-Jooseppi, offen gelassen. Dieser liege so weit im Norden, dass es “eine echte Anstrengung erfordert, dorthin zu gelangen”. Seit Anfang des Monats sind mehr als 600 Menschen ohne gültige Papiere über Russland nach Finnland gekommen.
Auch in Finnlands Nachbarland Estland gibt es zunehmend Spannungen an der Grenze zu Russland. Estlands Innenminister Lauri Läänemets beschuldigte Russland am Mittwoch, an einer “hybriden Angriffsoperation” beteiligt zu sein, um Migranten an die estnische Grenze zu bringen, mit dem Ziel, die Sicherheit zu untergraben und die Bevölkerung des baltischen Staates zu verunsichern. Insgesamt 75 Migranten, vor allem aus Somalia und Syrien, haben seit Donnerstag versucht, von Russland aus über den Grenzübergang Narva nach Estland einzureisen, berichtete der estnische öffentlich-rechtliche Rundfunk ERR.
Auch Estland sei bereit, Grenzübergänge zu schließen, falls “der Migrationsdruck aus Russland eskaliert”, sagte Läänemets über einen Sprecher gegenüber Reuters. “Leider gibt es viele Anzeichen dafür, dass russische Grenzbeamte und möglicherweise auch andere Behörden involviert sind”, sagte der Minister. Russische Beamte waren nicht sofort für eine Stellungnahme zu erreichen.
Am Montag bestritt der Kreml, dass Russland absichtlich illegale Migranten an die finnische Grenze drängte, und erklärte, die russischen Grenzschutzbeamten erfüllten ihre Aufgaben im Einklang mit den Vorschriften. rtr
Die EZB sollte aus Sicht ihres Notenbankdirektors Frank Elderson klimapolitische Aspekte berücksichtigen, falls sie eine neue Runde zielgerichteter Kreditspritzen für Banken auflegen sollte. “Wann immer es künftig geldpolitisch notwendig ist, gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte für Banken zu überdenken, gibt es zwingende Gründe dafür, diese stärker grün auszurichten“, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsgremiums der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch auf einer Veranstaltung in Berlin. Mit ihren großen Kreditsalven für Banken, in der Fachwelt “TLTRO” genannt, wollte die Euro-Notenbank den Kreditfluss an die Wirtschaft unterstützen.
Die EZB habe bereits Überlegungen zur Finanzstabilität in die Gestaltung ihrer Instrumente einbezogen, sagte Elderson. Ähnlich könne sie auch bei einer grüneren Ausrichtung ihrer Werkzeuge vorgehen, fügte der Niederländer hinzu. So habe die Euro-Notenbank bei der dritten Serie der TLTRO-Kredite, die 2019 aufgelegt wurde, ein Kreditvergabeziel vorgegeben, das Wohnungsbaukredite ausgeschlossen habe. Die EZB habe damals vermeiden wollen, zur Bildung von Immobilienblasen beizutragen. Ähnliche Strategien könnten aus Eldersons Sicht in Betracht gezogen werden, um in Zukunft “grüne” Kredite zu unterstützen oder “nicht-grüne” Darlehen auszuschließen. rtr
Das Europäische Parlament hat am Mittwoch das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Neuseeland gebilligt. Die EU-Gesetzgeber stimmten mit 524 zu 85 Stimmen für das Abkommen. Anfang 2024 soll es in Kraft treten. Es ist das erste neue Freihandelsabkommen seit mehr als drei Jahren. Es ist auch das erste der EU, das mögliche Sanktionen für Verstöße gegen Umwelt- oder Arbeitsnormen vorsieht.
Die Hoffnung ist, damit den Handel um bis zu 30 Prozent zu steigern. Durch das Abkommen mit Neuseeland werden jährliche Zölle in Höhe von rund 140 Millionen Euro auf EU-Exporte wie Kleidung, Chemikalien, Arzneimittel und Autos sowie Wein und Süßwaren abgeschafft. Die EU wird ihr Kontingent für neuseeländisches Rindfleisch um 10.000 Tonnen erhöhen und die Mengen für Lammfleisch, Butter und Käse anheben. Landwirte haben ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht.
Daniel Caspary, zuständiger EVP-Berichterstatter sagte, die Abstimmung sei “überfällig” gewesen, da das letzte Handelsabkommen, das genehmigt wurde, im Februar 2020 mit Vietnam geschlossen wurde.
Die Verhandlungen zum Abkommen waren bereits im Juni 2022 abgeschlossen. Das Abkommen hat auch eine geostrategische Dimension. Europa sucht Alternativen zu Russland und China als Handelspartner. Andere Abkommen stocken aktuell wegen nationaler Bedenken. Insbesondere Frankreich zögert, Abkommen zu genehmigen, die zu mehr Agrarimporten führen. rtr