Robert Habeck ist heute in Brüssel, und auf den Wirtschaftsminister wartet ein Mammutprogramm. Der Vizekanzler wird von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfangen und trifft nach Angaben des Berlaymont vom Freitag auf weitere Kommissare: Maroš Šefčovič, Thierry Breton, Didier Reynders, Kadri Simson und Wopke Hoekstra. Wie sein Ministerium am Sonntag mitteilte, wird er auch mit Margrethe Vestager zusammentreffen. Weitere Gespräche sind mit der belgischen Ratspräsidentschaft geplant.
Habeck brennen so viele Themen auf den Nägeln, dass seine Leute nicht sicher sind, ob er alle unterbringen kann. Vier große Themenblöcke bringt der Vizekanzler mit. Erstens: Erweiterung und Reformen. Damit verbunden ist die heikle Frage nach der Finanzierung der EU und dem Wunsch der Kommission nach eigenen Einnahmen.
Zweitens: Handelspolitik. Habeck sucht den Schulterschluss vor der WTO-Ministerkonferenz Ende Februar in Abu Dhabi und beim Mercosur-Abkommen. Auch die Anti-Dumping-Untersuchungen gegen E-Autos und Solarmodule aus China werden Thema sein.
Drittens: Wettbewerbsrecht und das Paket zur Wirtschaftssicherheit mit der Verordnung zum Screening von ausländischen Direktinvestitionen, das Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis in zwei Wochen vorstellen. Habeck wolle vor allem erreichen, dass die Investitionsdynamik im Inland erhalten bleibe, heißt es aus dem Ministerium.
Viertens: Green Deal. Habeck will für einen Abschluss wichtiger Gesetze werben – offen sind etwa noch die Emissionsstandards für Lkw und die Zertifizierung von CO₂-Entnahmen. Und dann ist da noch die Frage nach Inhalten für einen Green Deal 2.0.
Wenn es sein prall gefüllter Terminkalender zulässt, will der Minister noch in weiteren Punkten für die deutsche Position werben – beim Verbot der Zwangsarbeit, zum Notfallinstrument für den Binnenmarkt und zur Carbon-Management-Strategie für die Industrie, die Šefčovič Anfang Februar präsentieren möchte.
Einen Spagat muss Habeck beim Thema Beihilfen hinlegen. Einerseits will die Ampel nicht, dass sich Unternehmen durch den Net-Zero Industry Act nur noch auf staatliche Förderung verlassen. Doch der Grünenpolitiker möchte sehr wohl einzelne Beihilfefälle anschieben, etwa für den grünen Umbau der Stahlproduktion von Arcelor Mittal.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche.
Wenn im Juni die EU-Bevölkerung zur Wahl geht und zum zehnten Mal das Europäische Parlament wählt, entscheidet sich, welchen Weg die Union künftig einschlägt. Auch wenn das EP bis heute keine Regierung wählen kann, ist es bei vielen Fragen dennoch mächtiger als viele der nationalen Parlamente in den 27 Mitgliedstaaten. Diese Erkenntnis ist längst in anderen Hauptstädten der Welt angekommen. Und entsprechend groß ist die Verlockung, auf Europas Urnengang Einfluss zu nehmen.
Es gibt drei wesentliche Möglichkeiten, auf schädliche Weise Einfluss zu nehmen:
Vor allem zwei der Einfallstore gelten als potenziell heikel für die EU.
Jakub Janda, Direktor des European Values Center for Security Policy in Prag, erwartet “massive, maßgeschneiderte russische Desinformationskampagnen, die real existierende intern europäische soziale und politische Probleme thematisieren, um prorussische Politiker zu unterstützen”.
Online-Desinformationskampagnen prägten bei EU-Offiziellen in den vergangenen Jahren immer wieder den Blick auf mögliche Einflussnahme. Weshalb es den Verhandlern wichtig war, mit dem Digital Services Act zumindest den größten Plattformen in der EU einige Vorschriften zur Bekämpfung “systemischer Risiken” mit auf den Weg zu geben. Dazu gehören unter anderem Wahlmanipulationsversuche.
Vor allem Russland gilt als Urheber von Onlinepropaganda in sozialen Netzwerken. Das berühmteste – aber bei weitem nicht einzige – Beispiel ist die sogenannte Internet Research Agency. In Deutschland wurde die Petersburger Manipulationsfirma als Trollfabrik bekannt. Sie gehörte zum Imperium des verstorbenen Anführers der Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Vor allem ihre Beeinflussungsversuche im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 machte sie bekannt, mittlerweile gilt sie allerdings zumindest offiziell als aufgelöst. Doch dass Russland unter Wladimir Putin keine weiteren derartigen Bemühungen unternehmen würde, scheint nahezu ausgeschlossen.
Demgegenüber steht eine diverse Mischung aus Nachrichtendiensten, Europäischem Auswärtigem Dienst und seinen nationalen Pendants, Wissenschaftlern, Journalisten, Kommissionen, Fact Checkern und Freiwilligen. Dutzende Initiativen und Projekte wurden in den vergangenen Jahren begonnen, um Fake News, Propaganda und Manipulationen zu identifizieren, oft mit Forschungsmitteln finanziert oder von um die Demokratie besorgten Stiftungen getragen. Entstanden sind dabei unter anderem cybersicherheitsartige Vorgehensstandards. Einige der Akteure arbeiten eng mit den Plattformbetreibern zusammen. Manche Anbieter gehen auch selbst immer wieder aktiv gegen Desinformationsnetzwerke vor.
Dass das bisherige Vorgehen aber nachhaltig erfolgreich ist, daran gibt es viele Zweifel – und das Engagement der Betreiber unterscheidet sich massiv. Hier will die EU-Kommission bei der Aufsicht über den Digital Services Act in diesem Jahr die Betreiber zu schnellem Handeln drängen. Etwa, indem sie darauf besteht, dass bei den Plattformen sprach- und landeskundliche Mitarbeiter entsprechenden Hinweisen nachgehen. Bislang war das für einige Plattformen nicht in allen EU-Sprachen der Fall.
Aber auch die Frage, wie etwa mithilfe Künstlicher Intelligenz Fehlinformationen generiert und gestreut werden, treibt die zuständigen Stellen um – verbunden mit der Frage, wie Plattformen diese identifizieren können. Dieses Problem ist neu, der AI Act der EU kann dabei keine Hilfestellung leisten. Wie solche Probleme in der Gegenwart aussehen können, zeigt in diesen Tagen ein Beispiel aus der Schweiz.
Der politische Fokus auf Desinformation sei grundsätzlich richtig, sagt Jakub Janda. Allerdings dürfe das nicht von den anderen Einfallstoren ablenken: “Wenig Fokus liegt auf russischen Einflussoperationen, die auf die extreme Rechte oder sogar Mainstream-Parteien in Europa abzielen.” Das aber sei der Kern des Problems in Europa, zugleich gebe es “sehr wenig Maßnahmen, die ergriffen werden”.
So haben nur wenige Mitgliedstaaten eine Gesetzgebung, die mit dem Ausländische-Akteure-Gesetz in den USA vergleichbar ist. Eine entsprechende Initiative der Kommission hierzu ist erst wenige Wochen alt. Auch Überarbeitungen der Spionagegesetzgebung, wie sie etwa die baltischen Länder vorgenommen hätten, seien eher eine Seltenheit. Der Fall des AfD-Bundesvorstands Maximilian Krah warf erst vor wenigen Wochen ein Licht auf mögliche chinesische Geheimdiensttätigkeiten in Deutschland.
Janda warnt: Während in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas die Bedrohung ernst genommen würde – mit ausdrücklicher Ausnahme der Slowakei, Bulgariens und Ungarns – würden die meisten westeuropäischen Staaten die Lage unterschätzen und viel zu wenig unternehmen. Das meint auch und ausgerechnet die großen EU-Mitgliedstaaten. Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien machen 314 der insgesamt 720 Sitze bei der Wahl 2024 aus.
Ebenfalls für möglich hält Janda eine andere Form von Einflussnahme: “Wir müssen mit chinesischen Operationen rechnen, bei denen über europäische Mittler-Unternehmen gedroht wird, dass Anti-Volksrepublik-Politik wirtschaftlichen Schaden für Europa bedeuten würde.” Kommission und Europaparlament hatten zuletzt häufig eine härtere Gangart gegenüber China gefordert – was der Staats- und Parteiführung in Peking nicht entgangen war.
Von der Kandidatennominierung und die Wahlprogramme und den eigentlichen Wahlkampf bis zum öffentlichen Diskurs vor der Wahl: Es scheint derzeit viele Möglichkeiten für ausländische Akteure zu geben, eine Einflussnahme zu versuchen. Ob sie damit im engeren Sinne erfolgreich sind, ist dabei gar nicht zwingend maßgeblich: Schon die bloße Verunsicherung der Öffentlichkeit kann Teil des Ziels sein.
Im Europaparlament hält man einen Angriff auf den Wahlvorgang selbst allerdings für ziemlich unwahrscheinlich. Einzig Estland bietet seinen Bürgerinnen und Bürgern den volldigitalen Urnengang an. Theoretisch mit Cyberattacken angreifbar wäre in einigen Ländern, etwa in Deutschland, aber die Erstübermittlung von Wahlergebnissen, sagen Experten.
Das würde zwar keinen erfolgreichen Angriff auf die Wahl bedeuten, da die eigentlichen Ergebnisse dadurch nicht verändert werden könnten. Aber das Vertrauen in die Integrität des Wahlvorgangs leide, wenn erst ein Gewinner vorläufig gemeldet werde, anschließend aber das Ergebnis doch korrigiert werden müsse, so die Befürchtung zuständiger Beamter.
Ein weiterer Grund, weshalb die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit ENISA gemeinsam mit anderen Stellen im Oktober zum zweiten Mal den Ernstfall probte. Simuliert wurde ein großflächiger Angriff auf die Europawahl – und die Zusammenarbeit der vielen beteiligten Akteure. Eine Auswertung der Übung wird allerdings voraussichtlich erst nach der Wahl 2023 veröffentlicht werden. Und noch bleibt ja etwas Zeit, sich auf mögliche Versuche der Einflussnahme vorzubereiten.
Die politische Einigung ist da, aber in diesen Tagen geht das Feintuning am AI Act weiter. Nach aktuellen Planungen wollen die Trilog-Parteien die technischen Arbeiten bis Anfang Februar 2024 abschließen. Die Unternehmen sehnen die Ergebnisse geradezu herbei. “Der größte Schmerz ist, dass wir noch nicht genau wissen, was im AI Act steht”, sagt Daniel Abbou, Geschäftsführer beim KI-Bundesverband. “Die Unsicherheit ist immer noch relativ groß.” Das beobachten auch die KI-Experten der internationalen Wirtschaftskanzlei Bird & Bird: “Die Unternehmen sind derzeit in Lauerstellung”, sagt Rechtsanwalt Oliver Belitz.
Denn es ist allen klar, dass Europa in Sachen Künstlicher Intelligenz einiges aufzuholen hat. Das gilt sowohl für die Entwicklung von KI als auch für die Anwendung in der Wirtschaft. Bisher nutzen nur 15 Prozent der Unternehmen KI, wie der Digitalverband Bitkom in einer Umfrage ermittelt hat. Dabei ist den meisten wohl bewusst, dass der Einsatz von KI künftig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein wird – in praktisch allen Branchen.
Das Berliner Startup Xayn ist ein KI-Unternehmen, das generative KI-Lösungen für Unternehmen und Institutionen entwickelt. Es kombiniert dabei die Vorteile großer und kleiner Sprachmodelle. Aktuell sei es schwer abzuschätzen, was der AI Act für die Unternehmen in Europa und in Deutschland bedeute, sagt Mitgründer und CEO Leif-Nissen Lundbæk. Die Bandbreite reiche von “Europa wird vollständig von der KI-Entwicklung abgehängt” bis “Europa setzt verbindliche ethische Leitlinien für die globale KI-Entwicklung”. “Da sind aus meiner Sicht gerade noch alle Möglichkeiten offen“, sagt Lundbæk. “In anderen Worten: Wir befinden uns hier in einer hoch spannenden Phase.”
Für sein eigenes Unternehmen blickt er angesichts des AI Act optimistisch in die Zukunft. “Wir haben bei uns bereits einen sehr starken Fokus auf Transparenz und Datenschutz – beides Bereiche, die auch den AI Act tangieren und mit denen wir uns bereits einen USP erarbeitet haben”, sagt Lundbæk. “Im Vergleich zu anderen Unternehmen, die sich hiermit bislang noch nicht auseinandergesetzt haben, haben wir somit einen deutlichen Vorsprung.”
Solange der endgültige Wortlaut des AI Act nicht veröffentlicht ist, könnten Unternehmen zwar noch nicht mit der unmittelbaren Umsetzung der Anforderungen beginnen. Eine Auseinandersetzung mit den bereits bekannten Inhalten des AI Act und eine erste Vorbereitung seien aber schon jetzt möglich und empfehlenswert, sagt Oliver Belitz von Bird & Bird. “Wir haben bei der Einführung der Datenschutzgrundverordnung gesehen, dass es für Unternehmen keine gute Idee ist, die Vorbereitung auf kommende regulatorische Anforderungen auf die lange Bank zu schieben.” Denn dann werde es am Ende oft hektisch und teuer. “Das ist vielen Unternehmen noch schmerzlich in Erinnerung.”
Nach Inkrafttreten des AI Act (voraussichtlich im Sommer 2024) wird es eine gestaffelte Übergangsphase geben: Während der Großteil der Regelungen 24 Monate nach Inkrafttreten anwendbar ist, gilt dies für einige Regelungen zum Beispiel zu verbotenen KI-Systemen bereits nach sechs Monaten. “Wer KI-Systeme einsetzt, die durch den AI Act stärker reguliert werden und damit wesentliche Änderungen in den eigenen Strukturen vornehmen muss, sollte so früh wie möglich mit der Umsetzung beginnen“, warnt Belitz.
Mit die höchsten Anforderungen stellt der AI Act an KI-Systeme, die er als “Hochrisiko” einstuft. Fällt ein KI-System in diese Kategorie, müssen unter anderem Anforderungen an Transparenz, Dokumentation und Risikomanagement eingehalten werden – eigentlich alles Aspekte, die zu einer guten Unternehmensführung gehören. “Es macht aber einen großen Unterschied, ob ein Unternehmen sich bestimmte Governance-Anforderungen freiwillig auferlegt und diese nachhält; oder ob diese Anforderungen auf einer gesetzlichen Pflicht beruhen. In diesem Fall ist nicht nur der einzuhaltende technische Standard genau vorgegeben – eine Nichteinhaltung wird regelmäßig auch mit empfindlichen Bußgeldern geahndet“, sagt Belitz.
Auch international sorgt der AI Act inzwischen für Aufmerksamkeit. In Großbritannien seien nun viele Unternehmen aufgewacht, die dem Thema bisher wenig Beachtung geschenkt hätten. “Auch Mandanten außerhalb der EU haben derzeit großen Beratungsbedarf, wenn sie KI-Systeme in der EU anbieten möchten”, sagt Belitz. “Diese Unternehmen merken jetzt: Hoppla, da ist viel umzusetzen, was mit hohen Kosten verbunden sein kann.”
Die große Frage ist, ob der AI Act sein Ziel erreichen wird: Er will den Boden bereiten für vertrauenswürdige KI, basierend auf europäischen Werten, dabei Innovationen fördern und Risiken minimieren. Die Absicht des AI Act, Risiken zu begrenzen und ein hohes Schutzniveau für die Bürger zu erreichen, sieht Oliver Belitz von Bird & Bird weitgehend erfüllt. Lediglich auf der Seite der Innovationsförderung habe das Gesetz wenig Potenzial. “Das ist aber auch eher Aufgabe der Wirtschaftspolitik.”
Zu begrüßen sei es, dass der AI Act als Verordnung ausgestaltet ist. “Für alle, die auf dem europäischen Markt mit KI-Systemen tätig werden wollen, gelten überall die gleichen Regeln. Denn der AI Act tritt unmittelbar in allen EU-Staaten in Kraft, ohne dass es eines nationalen Umsetzungsaktes bedarf. Die Gefahr unterschiedlicher Umsetzungen in den einzelnen Mitgliedstaaten – wie etwa bei der EU-Urheberrechtsrichtlinie – besteht daher nicht.”
Auch Daniel Abbou vom KI-Bundesverband sind die einheitlichen Regeln wichtig. “Das ist das stärkste Argument für den AI Act.” Die Frage aber sei, wie der AI Act gelebt werde. Denn es mache einen großen Unterschied, ob zum Beispiel in Deutschland die Datenschutzbehörden für Kontrolle und Sanktionen zuständig seien und in einem anderen Land das Wirtschaftsministerium. “Dann ergibt der Act gar keinen Sinn”, sagt Abbou. “Es kann nicht sein, dass es Länder gibt, wo legerer kontrolliert wird als in einem anderen Land. Ich habe die große Sorge, dass es 27 verschiedene Interpretationen des AI Act geben wird.”
Daher hält Abbou die Einrichtung eines europäischen AI Office für richtig. “Aber das möchte ich auch erst einmal sehen, dass es etabliert ist und funktioniert und dass Entscheidungen dann nicht an nationale Stellen delegiert werden.”
In Deutschland würden über KI oft philosophische Diskussionen geführt. “Aber wir sprechen zu wenig darüber, wie KI unserer Wirtschaft und unserer Verwaltung konkret helfen kann”, sagt Abbou. Seine Hoffnung für 2024 sei, dass diese Diskussionen nun stattfinden. “Machen wir uns nichts vor, der demografische Wandel wird gnadenlos zuschlagen und Stellenbesetzungen werden immer schwieriger werden. KI kann da ein hilfreiches Tool sein.”
Gerade die öffentliche Verwaltung sitze auf einem unerschöpflichen Schatz an Daten. “Wir müssen langsam anfangen zu kapieren, dass wir mit diesen Daten, Modelle bauen können, die die Verwaltung effektiver und den Service besser machen.”
Auch der CEO von Xayn erwartet, dass sich die Perspektive auf Künstliche Intelligenz wandeln wird: “Nach dem großen Hype um KI wird es aus meiner Sicht in diesem Jahr konkreter: Was genau sind KI-Anwendungen, die sich praktisch um- und durchsetzen werden?”, sagt Lundbæk. Und da gehe es weniger darum, auf Knopfdruck Mails im Stile von Shakespeare schreiben zu können. “Sondern es geht um auf den ersten Blick trockenere B2B-Themen. Kurzum: Aus meiner Sicht beginnt nun die eigentlich spannende Phase in der KI-Entwicklung.”
EU-Ratspräsident Charles Michel will bei der anstehenden Europawahl antreten und in das Europäische Parlament einziehen. “Ich habe beschlossen, bei den Europawahlen im Juni 2024 zu kandidieren”, sagte der Spitzenpolitiker am Samstag verschiedenen belgischen Medien. Das bedeute, dass er im Falle seiner Wahl sein Amt des Ratspräsidenten abgebe. Nach den Wahlen – Ende Juni, Anfang Juli – könnten die EU-Staats- und Regierungschefs dann über eine Nachfolge für den Posten des Ratspräsidenten beraten, so der Belgier.
Auch würden die Länderchefs über den Zeitpunkt des Amtsantritts eines Nachfolgers entscheiden müssen. “Es ist relativ einfach, die Nachfolge zu organisieren”, sagte er unter anderem der Zeitung “Le Soir”.
Bei der Wahl am 9. Juni werde der 48-Jährige die Liste der liberalen belgischen Partei Mouvement Réformateur (MR) anführen, sagte Michel den Zeitungen. 2024 sei ein sehr wichtiges Wahljahr in Europa, aber auch in der übrigen Welt. “Vor allem steht das europäische Projekt an einem Scheideweg und es besteht die Notwendigkeit, die Legitimität der europäischen Demokratie zu stärken.” Er wolle eine aktive Rolle spielen, sagte der ehemalige belgische Premierminister.
Den Wahlkampf wolle er so führen, dass seine Verantwortung als Präsident des Europäischen Rates nicht beeinträchtigt werde. Michel hatte den Posten im Dezember 2019 übernommen. Bis zur Vereidigung der Mitglieder des Parlaments, die für den 16. Juli geplant sei, wolle er das Amt ausführen. Regulär würde sein Mandat erst Ende November enden.
Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments und SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, warnte bei X (ehemals Twitter) davor, dass es nach einem möglichen Einzug Michels ins Parlament zeitweise keinen Ratsvorsitzenden geben könnte. Zuständig wäre dann “ausgerechnet” Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán – im Juli beginnt die ungarische Ratspräsidentschaft. “Kann man sich nicht ausdenken”, schrieb Barley.
Auch EVP-Chef Manfred Weber äußerte sich besorgt. Es müsse verhindert werden, dass Orbán infolge der Wahl “in eine zentrale Rolle” komme, sagte der CSU-Vize am Sonntag bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon. Er betonte, er gehe davon aus, dass die für die Arbeit des Rates notwendige Stabilität und Konsensfähigkeit auch im Fall von Michels Wechsel ins Europaparlament gewährleistet bleibe.
Kritik an Michels Entschluss kam unter anderem aus der Renew-Fraktion: “Der Kapitän verlässt das Schiff inmitten eines Sturms”, schrieb die niederländische Europaabgeordnete Sophie in ‘t Veld bei X. “Wenn Sie sich so wenig für das Schicksal der Europäischen Union engagieren, wie glaubwürdig sind Sie dann als Kandidat?” dpa/sas
Das gerade begonnene Jahr 2024 ist aus Sicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen “ein Schlüsseljahr für die Demokratie”. “Wir haben die Wahlen in Europa, wir haben die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Und wir werden alles tun, dass die offenen freien Demokratien obsiegen werden”, sagte von der Leyen am Samstag bei der Klausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon. Anfang Juni wird das Europaparlament neu gewählt, im Herbst ist dann die Präsidentenwahl in den USA.
Von der Leyen forderte, dass sich Europa in der Verteidigung stärker aufstellen müsse. “Europa muss den Schutz als Kernaufgabe haben.” Nach dem Abschluss des Asyl- und Migrationspakts müsse klar sein: “Wir haben uns immer an unsere internationalen Verpflichtungen gehalten. (…) Aber es sind wir, die Europäerinnen und Europäer, die darüber entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen – und nicht die Schlepper und Schleuser.”
Distanziert äußerte sich von der Leyen zum Vorstoß der CSU, die EU-Kommission von derzeit 27 auf 7 Kommissare zu verkleinern. Ihr sei es wichtig festzuhalten, “dass es für alle Mitgliedstaaten zu Recht ein ganz wichtiges Anliegen ist, auf der europäischen Ebene vertreten zu sein”, sagte sie. “Die Vertretung in der Europäischen Kommission durch einen Kommissar oder eine Kommissarin ist für die Mitgliedstaaten, insbesondere für die kleineren Mitgliedstaaten, enorm wichtig.” Deshalb halte sie dieses Prinzip sehr hoch.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies darauf hin, dass es nach den Plänen seiner Partei neben den Kommissaren mit großen Ressorts Junior-Kommissare geben solle. Auf diesem Weg könnten alle Mitgliedsländer an der Kommission beteiligt werden. Er sehe hier keinen Widerspruch zu von der Leyen. dpa
Ach, Montag. Falls Ihnen nach den Winterferien oder auch nur dem Wochenende der nötige Elan fehlt, um in die Arbeitswoche zu starten, versuchen Sie es doch mit folgenden Zeilen:
“Pump up the jam, pump it up
While your feet are stompin’
And the jam is pumpin’
Look ahead, the crowd is jumpin’“
Vielleicht möchten Sie den Song jetzt laut aufdrehen und ein bisschen um den Tisch tanzen. Damit tun Sie nicht nur etwas für Ihren Kreislauf, Sie bringen sich auch in Stimmung für die belgische Ratspräsidentschaft, die mit diesem Jahr begonnen hat.
“Pump up the jam” von Technotronic, der House-Großraumdisko-Klassiker aus dem Jahr 1989, ist eines von 58 Stücken auf der Spotify-Playlist, die Belgien in guter Tradition zu Beginn seines Ratsvorsitzes zusammengestellt hat. Das sind fast vier Stunden belgische Popmusik.
Es ist ein wilder Mix geworden, was allein angesichts der sprachlichen Vielfalt Belgiens kein Wunder ist. In vielen der Songs allerdings spielt Sprache eine eher untergeordnete Rolle, denn zu Belgiens wichtigsten popkulturellen Exportgütern gehört elektronische Musik. “Turn the tide” von Sylver oder “Désenchantée” von Kate Ryan sagen Ihnen nichts? Dann hören Sie mal rein. Es gab Zeiten, da liefen diese Stücke im Radio rauf und runter – ebenso wie das nervtötende “No limit” von 2 Unlimited.
Deren Gestampfe steht im scharfen Kontrast zur Musik des legendären Chansonsängers Jacques Brel, der aus der Nähe von Brüssel stammt. Auf der Playlist ist er mit “Le plat pays” aus dem Jahr 1962 vertreten. Beschwingter geht es beim Pop-Duo Soulsister und “The way to your heart” zu. “Laat de zon in je hart”, rät derweil Schlagersänger Willy Sommers, Sängerin Yasmine fordert: “Meisjes aan de macht”.
Nicht fehlen darf natürlich Stromae, international gefeiert und ein moderner Vertreter der elektronischen belgischen Musik. Sein Über-Hit “Alors on danse” aus dem Jahr 2010 hat es nicht auf die Playlist geschafft, dafür “Papaoutai”.
Den Anfang der Playlist macht aber Sängerin Angèle – gut möglich, dass die Belgier mit der Auswahl dieses Songs auch eine Botschaft an die EU senden: “Bruxelles je t’aime”. Sarah Schaefer
Robert Habeck ist heute in Brüssel, und auf den Wirtschaftsminister wartet ein Mammutprogramm. Der Vizekanzler wird von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfangen und trifft nach Angaben des Berlaymont vom Freitag auf weitere Kommissare: Maroš Šefčovič, Thierry Breton, Didier Reynders, Kadri Simson und Wopke Hoekstra. Wie sein Ministerium am Sonntag mitteilte, wird er auch mit Margrethe Vestager zusammentreffen. Weitere Gespräche sind mit der belgischen Ratspräsidentschaft geplant.
Habeck brennen so viele Themen auf den Nägeln, dass seine Leute nicht sicher sind, ob er alle unterbringen kann. Vier große Themenblöcke bringt der Vizekanzler mit. Erstens: Erweiterung und Reformen. Damit verbunden ist die heikle Frage nach der Finanzierung der EU und dem Wunsch der Kommission nach eigenen Einnahmen.
Zweitens: Handelspolitik. Habeck sucht den Schulterschluss vor der WTO-Ministerkonferenz Ende Februar in Abu Dhabi und beim Mercosur-Abkommen. Auch die Anti-Dumping-Untersuchungen gegen E-Autos und Solarmodule aus China werden Thema sein.
Drittens: Wettbewerbsrecht und das Paket zur Wirtschaftssicherheit mit der Verordnung zum Screening von ausländischen Direktinvestitionen, das Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis in zwei Wochen vorstellen. Habeck wolle vor allem erreichen, dass die Investitionsdynamik im Inland erhalten bleibe, heißt es aus dem Ministerium.
Viertens: Green Deal. Habeck will für einen Abschluss wichtiger Gesetze werben – offen sind etwa noch die Emissionsstandards für Lkw und die Zertifizierung von CO₂-Entnahmen. Und dann ist da noch die Frage nach Inhalten für einen Green Deal 2.0.
Wenn es sein prall gefüllter Terminkalender zulässt, will der Minister noch in weiteren Punkten für die deutsche Position werben – beim Verbot der Zwangsarbeit, zum Notfallinstrument für den Binnenmarkt und zur Carbon-Management-Strategie für die Industrie, die Šefčovič Anfang Februar präsentieren möchte.
Einen Spagat muss Habeck beim Thema Beihilfen hinlegen. Einerseits will die Ampel nicht, dass sich Unternehmen durch den Net-Zero Industry Act nur noch auf staatliche Förderung verlassen. Doch der Grünenpolitiker möchte sehr wohl einzelne Beihilfefälle anschieben, etwa für den grünen Umbau der Stahlproduktion von Arcelor Mittal.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche.
Wenn im Juni die EU-Bevölkerung zur Wahl geht und zum zehnten Mal das Europäische Parlament wählt, entscheidet sich, welchen Weg die Union künftig einschlägt. Auch wenn das EP bis heute keine Regierung wählen kann, ist es bei vielen Fragen dennoch mächtiger als viele der nationalen Parlamente in den 27 Mitgliedstaaten. Diese Erkenntnis ist längst in anderen Hauptstädten der Welt angekommen. Und entsprechend groß ist die Verlockung, auf Europas Urnengang Einfluss zu nehmen.
Es gibt drei wesentliche Möglichkeiten, auf schädliche Weise Einfluss zu nehmen:
Vor allem zwei der Einfallstore gelten als potenziell heikel für die EU.
Jakub Janda, Direktor des European Values Center for Security Policy in Prag, erwartet “massive, maßgeschneiderte russische Desinformationskampagnen, die real existierende intern europäische soziale und politische Probleme thematisieren, um prorussische Politiker zu unterstützen”.
Online-Desinformationskampagnen prägten bei EU-Offiziellen in den vergangenen Jahren immer wieder den Blick auf mögliche Einflussnahme. Weshalb es den Verhandlern wichtig war, mit dem Digital Services Act zumindest den größten Plattformen in der EU einige Vorschriften zur Bekämpfung “systemischer Risiken” mit auf den Weg zu geben. Dazu gehören unter anderem Wahlmanipulationsversuche.
Vor allem Russland gilt als Urheber von Onlinepropaganda in sozialen Netzwerken. Das berühmteste – aber bei weitem nicht einzige – Beispiel ist die sogenannte Internet Research Agency. In Deutschland wurde die Petersburger Manipulationsfirma als Trollfabrik bekannt. Sie gehörte zum Imperium des verstorbenen Anführers der Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Vor allem ihre Beeinflussungsversuche im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 machte sie bekannt, mittlerweile gilt sie allerdings zumindest offiziell als aufgelöst. Doch dass Russland unter Wladimir Putin keine weiteren derartigen Bemühungen unternehmen würde, scheint nahezu ausgeschlossen.
Demgegenüber steht eine diverse Mischung aus Nachrichtendiensten, Europäischem Auswärtigem Dienst und seinen nationalen Pendants, Wissenschaftlern, Journalisten, Kommissionen, Fact Checkern und Freiwilligen. Dutzende Initiativen und Projekte wurden in den vergangenen Jahren begonnen, um Fake News, Propaganda und Manipulationen zu identifizieren, oft mit Forschungsmitteln finanziert oder von um die Demokratie besorgten Stiftungen getragen. Entstanden sind dabei unter anderem cybersicherheitsartige Vorgehensstandards. Einige der Akteure arbeiten eng mit den Plattformbetreibern zusammen. Manche Anbieter gehen auch selbst immer wieder aktiv gegen Desinformationsnetzwerke vor.
Dass das bisherige Vorgehen aber nachhaltig erfolgreich ist, daran gibt es viele Zweifel – und das Engagement der Betreiber unterscheidet sich massiv. Hier will die EU-Kommission bei der Aufsicht über den Digital Services Act in diesem Jahr die Betreiber zu schnellem Handeln drängen. Etwa, indem sie darauf besteht, dass bei den Plattformen sprach- und landeskundliche Mitarbeiter entsprechenden Hinweisen nachgehen. Bislang war das für einige Plattformen nicht in allen EU-Sprachen der Fall.
Aber auch die Frage, wie etwa mithilfe Künstlicher Intelligenz Fehlinformationen generiert und gestreut werden, treibt die zuständigen Stellen um – verbunden mit der Frage, wie Plattformen diese identifizieren können. Dieses Problem ist neu, der AI Act der EU kann dabei keine Hilfestellung leisten. Wie solche Probleme in der Gegenwart aussehen können, zeigt in diesen Tagen ein Beispiel aus der Schweiz.
Der politische Fokus auf Desinformation sei grundsätzlich richtig, sagt Jakub Janda. Allerdings dürfe das nicht von den anderen Einfallstoren ablenken: “Wenig Fokus liegt auf russischen Einflussoperationen, die auf die extreme Rechte oder sogar Mainstream-Parteien in Europa abzielen.” Das aber sei der Kern des Problems in Europa, zugleich gebe es “sehr wenig Maßnahmen, die ergriffen werden”.
So haben nur wenige Mitgliedstaaten eine Gesetzgebung, die mit dem Ausländische-Akteure-Gesetz in den USA vergleichbar ist. Eine entsprechende Initiative der Kommission hierzu ist erst wenige Wochen alt. Auch Überarbeitungen der Spionagegesetzgebung, wie sie etwa die baltischen Länder vorgenommen hätten, seien eher eine Seltenheit. Der Fall des AfD-Bundesvorstands Maximilian Krah warf erst vor wenigen Wochen ein Licht auf mögliche chinesische Geheimdiensttätigkeiten in Deutschland.
Janda warnt: Während in weiten Teilen Mittel- und Osteuropas die Bedrohung ernst genommen würde – mit ausdrücklicher Ausnahme der Slowakei, Bulgariens und Ungarns – würden die meisten westeuropäischen Staaten die Lage unterschätzen und viel zu wenig unternehmen. Das meint auch und ausgerechnet die großen EU-Mitgliedstaaten. Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien machen 314 der insgesamt 720 Sitze bei der Wahl 2024 aus.
Ebenfalls für möglich hält Janda eine andere Form von Einflussnahme: “Wir müssen mit chinesischen Operationen rechnen, bei denen über europäische Mittler-Unternehmen gedroht wird, dass Anti-Volksrepublik-Politik wirtschaftlichen Schaden für Europa bedeuten würde.” Kommission und Europaparlament hatten zuletzt häufig eine härtere Gangart gegenüber China gefordert – was der Staats- und Parteiführung in Peking nicht entgangen war.
Von der Kandidatennominierung und die Wahlprogramme und den eigentlichen Wahlkampf bis zum öffentlichen Diskurs vor der Wahl: Es scheint derzeit viele Möglichkeiten für ausländische Akteure zu geben, eine Einflussnahme zu versuchen. Ob sie damit im engeren Sinne erfolgreich sind, ist dabei gar nicht zwingend maßgeblich: Schon die bloße Verunsicherung der Öffentlichkeit kann Teil des Ziels sein.
Im Europaparlament hält man einen Angriff auf den Wahlvorgang selbst allerdings für ziemlich unwahrscheinlich. Einzig Estland bietet seinen Bürgerinnen und Bürgern den volldigitalen Urnengang an. Theoretisch mit Cyberattacken angreifbar wäre in einigen Ländern, etwa in Deutschland, aber die Erstübermittlung von Wahlergebnissen, sagen Experten.
Das würde zwar keinen erfolgreichen Angriff auf die Wahl bedeuten, da die eigentlichen Ergebnisse dadurch nicht verändert werden könnten. Aber das Vertrauen in die Integrität des Wahlvorgangs leide, wenn erst ein Gewinner vorläufig gemeldet werde, anschließend aber das Ergebnis doch korrigiert werden müsse, so die Befürchtung zuständiger Beamter.
Ein weiterer Grund, weshalb die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit ENISA gemeinsam mit anderen Stellen im Oktober zum zweiten Mal den Ernstfall probte. Simuliert wurde ein großflächiger Angriff auf die Europawahl – und die Zusammenarbeit der vielen beteiligten Akteure. Eine Auswertung der Übung wird allerdings voraussichtlich erst nach der Wahl 2023 veröffentlicht werden. Und noch bleibt ja etwas Zeit, sich auf mögliche Versuche der Einflussnahme vorzubereiten.
Die politische Einigung ist da, aber in diesen Tagen geht das Feintuning am AI Act weiter. Nach aktuellen Planungen wollen die Trilog-Parteien die technischen Arbeiten bis Anfang Februar 2024 abschließen. Die Unternehmen sehnen die Ergebnisse geradezu herbei. “Der größte Schmerz ist, dass wir noch nicht genau wissen, was im AI Act steht”, sagt Daniel Abbou, Geschäftsführer beim KI-Bundesverband. “Die Unsicherheit ist immer noch relativ groß.” Das beobachten auch die KI-Experten der internationalen Wirtschaftskanzlei Bird & Bird: “Die Unternehmen sind derzeit in Lauerstellung”, sagt Rechtsanwalt Oliver Belitz.
Denn es ist allen klar, dass Europa in Sachen Künstlicher Intelligenz einiges aufzuholen hat. Das gilt sowohl für die Entwicklung von KI als auch für die Anwendung in der Wirtschaft. Bisher nutzen nur 15 Prozent der Unternehmen KI, wie der Digitalverband Bitkom in einer Umfrage ermittelt hat. Dabei ist den meisten wohl bewusst, dass der Einsatz von KI künftig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein wird – in praktisch allen Branchen.
Das Berliner Startup Xayn ist ein KI-Unternehmen, das generative KI-Lösungen für Unternehmen und Institutionen entwickelt. Es kombiniert dabei die Vorteile großer und kleiner Sprachmodelle. Aktuell sei es schwer abzuschätzen, was der AI Act für die Unternehmen in Europa und in Deutschland bedeute, sagt Mitgründer und CEO Leif-Nissen Lundbæk. Die Bandbreite reiche von “Europa wird vollständig von der KI-Entwicklung abgehängt” bis “Europa setzt verbindliche ethische Leitlinien für die globale KI-Entwicklung”. “Da sind aus meiner Sicht gerade noch alle Möglichkeiten offen“, sagt Lundbæk. “In anderen Worten: Wir befinden uns hier in einer hoch spannenden Phase.”
Für sein eigenes Unternehmen blickt er angesichts des AI Act optimistisch in die Zukunft. “Wir haben bei uns bereits einen sehr starken Fokus auf Transparenz und Datenschutz – beides Bereiche, die auch den AI Act tangieren und mit denen wir uns bereits einen USP erarbeitet haben”, sagt Lundbæk. “Im Vergleich zu anderen Unternehmen, die sich hiermit bislang noch nicht auseinandergesetzt haben, haben wir somit einen deutlichen Vorsprung.”
Solange der endgültige Wortlaut des AI Act nicht veröffentlicht ist, könnten Unternehmen zwar noch nicht mit der unmittelbaren Umsetzung der Anforderungen beginnen. Eine Auseinandersetzung mit den bereits bekannten Inhalten des AI Act und eine erste Vorbereitung seien aber schon jetzt möglich und empfehlenswert, sagt Oliver Belitz von Bird & Bird. “Wir haben bei der Einführung der Datenschutzgrundverordnung gesehen, dass es für Unternehmen keine gute Idee ist, die Vorbereitung auf kommende regulatorische Anforderungen auf die lange Bank zu schieben.” Denn dann werde es am Ende oft hektisch und teuer. “Das ist vielen Unternehmen noch schmerzlich in Erinnerung.”
Nach Inkrafttreten des AI Act (voraussichtlich im Sommer 2024) wird es eine gestaffelte Übergangsphase geben: Während der Großteil der Regelungen 24 Monate nach Inkrafttreten anwendbar ist, gilt dies für einige Regelungen zum Beispiel zu verbotenen KI-Systemen bereits nach sechs Monaten. “Wer KI-Systeme einsetzt, die durch den AI Act stärker reguliert werden und damit wesentliche Änderungen in den eigenen Strukturen vornehmen muss, sollte so früh wie möglich mit der Umsetzung beginnen“, warnt Belitz.
Mit die höchsten Anforderungen stellt der AI Act an KI-Systeme, die er als “Hochrisiko” einstuft. Fällt ein KI-System in diese Kategorie, müssen unter anderem Anforderungen an Transparenz, Dokumentation und Risikomanagement eingehalten werden – eigentlich alles Aspekte, die zu einer guten Unternehmensführung gehören. “Es macht aber einen großen Unterschied, ob ein Unternehmen sich bestimmte Governance-Anforderungen freiwillig auferlegt und diese nachhält; oder ob diese Anforderungen auf einer gesetzlichen Pflicht beruhen. In diesem Fall ist nicht nur der einzuhaltende technische Standard genau vorgegeben – eine Nichteinhaltung wird regelmäßig auch mit empfindlichen Bußgeldern geahndet“, sagt Belitz.
Auch international sorgt der AI Act inzwischen für Aufmerksamkeit. In Großbritannien seien nun viele Unternehmen aufgewacht, die dem Thema bisher wenig Beachtung geschenkt hätten. “Auch Mandanten außerhalb der EU haben derzeit großen Beratungsbedarf, wenn sie KI-Systeme in der EU anbieten möchten”, sagt Belitz. “Diese Unternehmen merken jetzt: Hoppla, da ist viel umzusetzen, was mit hohen Kosten verbunden sein kann.”
Die große Frage ist, ob der AI Act sein Ziel erreichen wird: Er will den Boden bereiten für vertrauenswürdige KI, basierend auf europäischen Werten, dabei Innovationen fördern und Risiken minimieren. Die Absicht des AI Act, Risiken zu begrenzen und ein hohes Schutzniveau für die Bürger zu erreichen, sieht Oliver Belitz von Bird & Bird weitgehend erfüllt. Lediglich auf der Seite der Innovationsförderung habe das Gesetz wenig Potenzial. “Das ist aber auch eher Aufgabe der Wirtschaftspolitik.”
Zu begrüßen sei es, dass der AI Act als Verordnung ausgestaltet ist. “Für alle, die auf dem europäischen Markt mit KI-Systemen tätig werden wollen, gelten überall die gleichen Regeln. Denn der AI Act tritt unmittelbar in allen EU-Staaten in Kraft, ohne dass es eines nationalen Umsetzungsaktes bedarf. Die Gefahr unterschiedlicher Umsetzungen in den einzelnen Mitgliedstaaten – wie etwa bei der EU-Urheberrechtsrichtlinie – besteht daher nicht.”
Auch Daniel Abbou vom KI-Bundesverband sind die einheitlichen Regeln wichtig. “Das ist das stärkste Argument für den AI Act.” Die Frage aber sei, wie der AI Act gelebt werde. Denn es mache einen großen Unterschied, ob zum Beispiel in Deutschland die Datenschutzbehörden für Kontrolle und Sanktionen zuständig seien und in einem anderen Land das Wirtschaftsministerium. “Dann ergibt der Act gar keinen Sinn”, sagt Abbou. “Es kann nicht sein, dass es Länder gibt, wo legerer kontrolliert wird als in einem anderen Land. Ich habe die große Sorge, dass es 27 verschiedene Interpretationen des AI Act geben wird.”
Daher hält Abbou die Einrichtung eines europäischen AI Office für richtig. “Aber das möchte ich auch erst einmal sehen, dass es etabliert ist und funktioniert und dass Entscheidungen dann nicht an nationale Stellen delegiert werden.”
In Deutschland würden über KI oft philosophische Diskussionen geführt. “Aber wir sprechen zu wenig darüber, wie KI unserer Wirtschaft und unserer Verwaltung konkret helfen kann”, sagt Abbou. Seine Hoffnung für 2024 sei, dass diese Diskussionen nun stattfinden. “Machen wir uns nichts vor, der demografische Wandel wird gnadenlos zuschlagen und Stellenbesetzungen werden immer schwieriger werden. KI kann da ein hilfreiches Tool sein.”
Gerade die öffentliche Verwaltung sitze auf einem unerschöpflichen Schatz an Daten. “Wir müssen langsam anfangen zu kapieren, dass wir mit diesen Daten, Modelle bauen können, die die Verwaltung effektiver und den Service besser machen.”
Auch der CEO von Xayn erwartet, dass sich die Perspektive auf Künstliche Intelligenz wandeln wird: “Nach dem großen Hype um KI wird es aus meiner Sicht in diesem Jahr konkreter: Was genau sind KI-Anwendungen, die sich praktisch um- und durchsetzen werden?”, sagt Lundbæk. Und da gehe es weniger darum, auf Knopfdruck Mails im Stile von Shakespeare schreiben zu können. “Sondern es geht um auf den ersten Blick trockenere B2B-Themen. Kurzum: Aus meiner Sicht beginnt nun die eigentlich spannende Phase in der KI-Entwicklung.”
EU-Ratspräsident Charles Michel will bei der anstehenden Europawahl antreten und in das Europäische Parlament einziehen. “Ich habe beschlossen, bei den Europawahlen im Juni 2024 zu kandidieren”, sagte der Spitzenpolitiker am Samstag verschiedenen belgischen Medien. Das bedeute, dass er im Falle seiner Wahl sein Amt des Ratspräsidenten abgebe. Nach den Wahlen – Ende Juni, Anfang Juli – könnten die EU-Staats- und Regierungschefs dann über eine Nachfolge für den Posten des Ratspräsidenten beraten, so der Belgier.
Auch würden die Länderchefs über den Zeitpunkt des Amtsantritts eines Nachfolgers entscheiden müssen. “Es ist relativ einfach, die Nachfolge zu organisieren”, sagte er unter anderem der Zeitung “Le Soir”.
Bei der Wahl am 9. Juni werde der 48-Jährige die Liste der liberalen belgischen Partei Mouvement Réformateur (MR) anführen, sagte Michel den Zeitungen. 2024 sei ein sehr wichtiges Wahljahr in Europa, aber auch in der übrigen Welt. “Vor allem steht das europäische Projekt an einem Scheideweg und es besteht die Notwendigkeit, die Legitimität der europäischen Demokratie zu stärken.” Er wolle eine aktive Rolle spielen, sagte der ehemalige belgische Premierminister.
Den Wahlkampf wolle er so führen, dass seine Verantwortung als Präsident des Europäischen Rates nicht beeinträchtigt werde. Michel hatte den Posten im Dezember 2019 übernommen. Bis zur Vereidigung der Mitglieder des Parlaments, die für den 16. Juli geplant sei, wolle er das Amt ausführen. Regulär würde sein Mandat erst Ende November enden.
Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europaparlaments und SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, warnte bei X (ehemals Twitter) davor, dass es nach einem möglichen Einzug Michels ins Parlament zeitweise keinen Ratsvorsitzenden geben könnte. Zuständig wäre dann “ausgerechnet” Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán – im Juli beginnt die ungarische Ratspräsidentschaft. “Kann man sich nicht ausdenken”, schrieb Barley.
Auch EVP-Chef Manfred Weber äußerte sich besorgt. Es müsse verhindert werden, dass Orbán infolge der Wahl “in eine zentrale Rolle” komme, sagte der CSU-Vize am Sonntag bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Kloster Seeon. Er betonte, er gehe davon aus, dass die für die Arbeit des Rates notwendige Stabilität und Konsensfähigkeit auch im Fall von Michels Wechsel ins Europaparlament gewährleistet bleibe.
Kritik an Michels Entschluss kam unter anderem aus der Renew-Fraktion: “Der Kapitän verlässt das Schiff inmitten eines Sturms”, schrieb die niederländische Europaabgeordnete Sophie in ‘t Veld bei X. “Wenn Sie sich so wenig für das Schicksal der Europäischen Union engagieren, wie glaubwürdig sind Sie dann als Kandidat?” dpa/sas
Das gerade begonnene Jahr 2024 ist aus Sicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen “ein Schlüsseljahr für die Demokratie”. “Wir haben die Wahlen in Europa, wir haben die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Und wir werden alles tun, dass die offenen freien Demokratien obsiegen werden”, sagte von der Leyen am Samstag bei der Klausur der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon. Anfang Juni wird das Europaparlament neu gewählt, im Herbst ist dann die Präsidentenwahl in den USA.
Von der Leyen forderte, dass sich Europa in der Verteidigung stärker aufstellen müsse. “Europa muss den Schutz als Kernaufgabe haben.” Nach dem Abschluss des Asyl- und Migrationspakts müsse klar sein: “Wir haben uns immer an unsere internationalen Verpflichtungen gehalten. (…) Aber es sind wir, die Europäerinnen und Europäer, die darüber entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen – und nicht die Schlepper und Schleuser.”
Distanziert äußerte sich von der Leyen zum Vorstoß der CSU, die EU-Kommission von derzeit 27 auf 7 Kommissare zu verkleinern. Ihr sei es wichtig festzuhalten, “dass es für alle Mitgliedstaaten zu Recht ein ganz wichtiges Anliegen ist, auf der europäischen Ebene vertreten zu sein”, sagte sie. “Die Vertretung in der Europäischen Kommission durch einen Kommissar oder eine Kommissarin ist für die Mitgliedstaaten, insbesondere für die kleineren Mitgliedstaaten, enorm wichtig.” Deshalb halte sie dieses Prinzip sehr hoch.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies darauf hin, dass es nach den Plänen seiner Partei neben den Kommissaren mit großen Ressorts Junior-Kommissare geben solle. Auf diesem Weg könnten alle Mitgliedsländer an der Kommission beteiligt werden. Er sehe hier keinen Widerspruch zu von der Leyen. dpa
Ach, Montag. Falls Ihnen nach den Winterferien oder auch nur dem Wochenende der nötige Elan fehlt, um in die Arbeitswoche zu starten, versuchen Sie es doch mit folgenden Zeilen:
“Pump up the jam, pump it up
While your feet are stompin’
And the jam is pumpin’
Look ahead, the crowd is jumpin’“
Vielleicht möchten Sie den Song jetzt laut aufdrehen und ein bisschen um den Tisch tanzen. Damit tun Sie nicht nur etwas für Ihren Kreislauf, Sie bringen sich auch in Stimmung für die belgische Ratspräsidentschaft, die mit diesem Jahr begonnen hat.
“Pump up the jam” von Technotronic, der House-Großraumdisko-Klassiker aus dem Jahr 1989, ist eines von 58 Stücken auf der Spotify-Playlist, die Belgien in guter Tradition zu Beginn seines Ratsvorsitzes zusammengestellt hat. Das sind fast vier Stunden belgische Popmusik.
Es ist ein wilder Mix geworden, was allein angesichts der sprachlichen Vielfalt Belgiens kein Wunder ist. In vielen der Songs allerdings spielt Sprache eine eher untergeordnete Rolle, denn zu Belgiens wichtigsten popkulturellen Exportgütern gehört elektronische Musik. “Turn the tide” von Sylver oder “Désenchantée” von Kate Ryan sagen Ihnen nichts? Dann hören Sie mal rein. Es gab Zeiten, da liefen diese Stücke im Radio rauf und runter – ebenso wie das nervtötende “No limit” von 2 Unlimited.
Deren Gestampfe steht im scharfen Kontrast zur Musik des legendären Chansonsängers Jacques Brel, der aus der Nähe von Brüssel stammt. Auf der Playlist ist er mit “Le plat pays” aus dem Jahr 1962 vertreten. Beschwingter geht es beim Pop-Duo Soulsister und “The way to your heart” zu. “Laat de zon in je hart”, rät derweil Schlagersänger Willy Sommers, Sängerin Yasmine fordert: “Meisjes aan de macht”.
Nicht fehlen darf natürlich Stromae, international gefeiert und ein moderner Vertreter der elektronischen belgischen Musik. Sein Über-Hit “Alors on danse” aus dem Jahr 2010 hat es nicht auf die Playlist geschafft, dafür “Papaoutai”.
Den Anfang der Playlist macht aber Sängerin Angèle – gut möglich, dass die Belgier mit der Auswahl dieses Songs auch eine Botschaft an die EU senden: “Bruxelles je t’aime”. Sarah Schaefer