Table.Briefing: Europe

Meloni in Berlin + Timmermans-Effekt verpufft + Grüne Europaliste

Liebe Leserin, lieber Leser,

viel wurde über sie geschrieben in diesem ersten Jahr ihrer Regierungszeit in Rom. Nun reist Giorgia Meloni am Mittwoch nach Berlin. Nach ihrem Antrittsbesuch Anfang Februar ist es der zweite Besuch der italienischen Regierungschefin in der deutschen Hauptstadt. Diesmal wird es handfest: Meloni und ihr Amtskollege Olaf Scholz wollen einen Pakt schließen. Das allein darf man gut und gerne schon als Errungenschaft bezeichnen – schließlich liegen die letzten deutsch-italienischen Regierungskonsultationen einige Zeit zurück, nämlich im Jahr 2016.

Meloni und Scholz wollen einen Aktionsplan unterschreiben. Daraus klingt allerdings schon wieder Nüchternheit: Statt Pomp soll Pragmatismus das Gebot der Stunde sein. Wo der italienisch-französische Quirinalsvertrag Ende 2021 in Rom mit Frecce Tricolori in französischen Landesfarben gefeiert wurde, werden in Berlin keine Flieger mit bunten Abgasen über das Brandenburger Tor rauschen. Inhalt des etwa 20-seitigen Papiers sollen leitende Prinzipien der Zusammenarbeit, Bereiche der Kooperation und Überlegungen zur Nachverfolgung der gemeinsamen Arbeit sein. 

Einigkeit mit Melonie demonstriert man in Berlin auch schon vor der Unterzeichnung: In trauter Zweisamkeit sollen Olaf Scholz und die italienische Ministerpräsidentin an dem digitalen G20-Gespräch teilnehmen. Dem von Indien initiierten Video-Call soll auch der russische Präsident Wladimir Putin beiwohnen. Da trifft es sich gut, dass in der Delegation, die mit Meloni nach Berlin reist, Vizepremier Matteo Salvini nicht dabei ist – der noch nach dem Angriff auf die Ukraine demonstrativ im Putin-Fan-T-Shirt aufgetreten war.

Ihre Almut Siefert

Analyse

Der Timmermans-Effekt verpufft vor dem Ziel

Der Höhenflug hat nicht lange angehalten. Im August konnte sich Frans Timmermans kurz berechtigte Hoffnungen machen, nächster Ministerpräsident in Den Haag zu werden. Dies, nachdem die sozialdemokratische PvdA und GroenLinks angekündigt hatten, erstmals gemeinsam und mit Timmermans als Listenführer bei den Parlamentswahlen für die Zweite Kammer anzutreten.

Der Vizepräsident der EU-Kommission hat seinen Job als Klimazar in Brüssel vorzeitig aufgegeben, um in Den Haag nach 13 Jahren unter dem rechtsliberalen Mark Rutte den Posten als Ministerpräsident zu erobern. Die Wette scheint nicht aufzugehen, denn kurz vor der Parlamentswahl am Mittwoch sind die quasi fusionierten Parteien je nach Umfragen auf den dritten oder vierten Platz abgerutscht.

Frans Timmermans muss in der fragmentierten Parteienlandschaft und einem engen Rennen auf eine Überraschung in letzter Minute hoffen. Der Rückkehrer habe im Wahlkampf nicht richtig Tritt fassen und seine Themen nicht setzen können, sagen Kritiker. Dem Bündnis geschadet haben auch Differenzen in der Nahostkrise, wobei Timmermans von den eigenen Leuten für eine Positionierung an der Seite Israels kritisiert wurde. Gleichzeitig haben dem 62-Jährigen seine Verdienste für die Klimawende in Brüssel nicht wirklich geholfen. Die EU oder auch die Klimakrise waren im Wahlkampf nur ein Randthema.

Außenseiter Omtzigt zieht das Land in seinen Bann

Der Wahlkampf in den Niederlanden hat sich nicht um den prominenten Rückkehrer Frans Timmermans gedreht, sondern um den Außenseiter Pieter Omtzigt. Der Parteirebell scheint die Niederlande in seinen Bann zu ziehen. Er tritt wie ein Heilsbringer auf, der dem verunsicherten Land wieder Orientierung zu bringen verspricht. Dabei hat der 49-Jährige seine Partei mit dem sperrigen Namen “neuer Gesellschaftsvertrag” erst im August gegründet.

Pieter Omtzigt hat im Wahlkampf die Themen gesetzt und das zum Nachteil des Sozialdemokraten Timmermans. Er tritt an, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder herzustellen. Ein großer Anspruch nach einer Reihe von Skandalen, die am scheidenden Langzeitregierungschef Mark Rutte bis zuletzt abperlten, nicht umsonst auch als Teflon-Mann bekannt. Pieter Omtzigt selbst hat seinen fulminanten Aufstieg seiner Rolle als Aufdecker in einer Affäre zu verdanken, bei der die Behörden über 30.000 Eltern fälschlicherweise beschuldigten, Kindergelder bezogen zu haben und dabei viele in den Ruin trieben.

Pieter Omtzigt war 19 Jahre lang Abgeordneter der Christdemokraten, traditionell Regierungspartei und bis zuletzt auch Koalitionspartner von Mark Rutte. Doch als Aufdecker wurde der eigenwillige Einzelkämpfer von den eigenen Leute verstoßen, weshalb er nach einer längeren Auszeit jetzt mit seiner eigenen Partei antritt. Nun schafft er es, anders als der Rückkehrer Timmermans, sich als Newcomer in der Politik zu präsentieren.

Kopf an Kopf mit Regierungspartei

In den Umfragen ist die Partei “Neuer Gesellschaftsvertrag” mit knapp 20 Prozent vorne, wenn auch Kopf an Kopf mit der rechtsliberalen Regierungspartei von Rutte, der nach 13 Jahren nicht mehr kandidiert und den Spitzenplatz seiner bisherigen Justizministerin Dilan Yesilgöz überlässt, einst als Flüchtlingskind aus der Türkei ins Land gekommen. Weit vorne ist auch nach wie vor der Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei.

Die politische Landschaft mit derzeit 15 politischen Gruppierungen in der Zweiten Kammer ist stark fragmentiert und volatil. Im Sommer war noch eine neue rechtspopulistische Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) mit über 20 Prozent in den Umfragen ganz vorne, jetzt aber wieder weit abgefallen. Wie der neue “Gesellschaftvertrag” von Pieter Omtzigt aussehen soll, bleibt eher vage. Der frische Parteichef verspricht eine Politik für die “normalen Bürger”, will das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierenden zurückgewinnen. Der langjährige Christdemokrat ist ein Populist, der aus der politischen Mitte kommt.

Wenn es um Sozialpolitik geht, tickt Omtzigt eher links und hat es damit dem Newcomer Timmermans schwer gemacht, sich abzusetzen. Der Staat soll wieder dafür sorgen, dass Haushalte von ihrem Einkommen leben und junge Menschen angesichts des akuten Wohnungsnot ein bezahlbares Dach über dem Kopf finden. Der Neoliberalismus sei in den letzten Jahren etwas auf die Spitze getrieben worden, so Pieter Omtzigt. Die Zeit vom schlanken, sparsamen Staat könnte vorbei sein.

Timmermans muss wohl auf Platz als Juniorpartner hoffen

Wenn es um Migration geht, klingt der Newcomer wiederum eher rechts. Omtzigt will Steuervorteile für Expats streichen, die Zuwanderung in den Billiglohnsektor der Landwirtschaft senken und die Zahl der zuletzt 100.000 Arbeitsmigranten sowie der Asylsuchenden im Jahr auf rund die Hälfte reduzieren. An den Hochschulen soll der Unterricht wieder vermehrt auf Niederländisch stattfinden, um den Boom der ausländischen Studierenden nach dem Brexit etwas einzudämmen.

Nach den Wahlen wird es wieder mindestens drei oder wahrscheinlich vier Parteien für eine Regierungsmehrheit brauchen. Pieter Omtzigt hat hier die besten Karten, weil er sowohl für eine Mitterechtskoalition als auch für Mittelinks unverzichtbar wäre. Frans Timmermans muss hoffen, dass er als Juniorpartner in einer Koalitionsregierung seinen Platz findet. Geschadet hat Pieter Omtzigt am Ende nur, dass er in Fernsehdebatten bis zuletzt offen gelassen hat, ob er bei einem Wahlsieg selber Ministerpräsident werden oder jemanden aus seiner Partei für den Job benennen will. Der Außenseiter sieht sich selber nicht unbedingt im Regierungsamt.

Translation missing.

Grüne Europaliste: Enge Kampfabstimmungen unvermeidbar

Es ist keine leichte Phase für die grünen Parteien Europas. In Umfragen rutschen sie ab, in vielen Hauptstädten verlieren sie an Bedeutung. Auch in Deutschland fallen sie häufiger durch Streitereien innerhalb der Ampel-Regierung auf als durch fortschrittliche grüne Industrie- und Klimapolitik. Die Europawahl am 9. Juni 2024 kommt daher nicht zum besten Zeitpunkt, denn es drohen herbe Verluste. Die deutschen Grünen bilden zurzeit die größte Gruppe innerhalb der Greens/EFA-Fraktion im EU-Parlament, jedoch dürften sie Einbußen hinnehmen müssen.

Die Prognose von 15 Plätzen wabert durch die Flure in Brüssel. Neben Ska Keller und Reinhard Bütikofer, die nicht mehr antreten, würden demnach von aktuell 21 Abgeordneten aus Deutschland vier weitere ihre Plätze verlieren. Abgestimmt wird am Freitag und Samstag in Karlsruhe bei der Bundesdelegiertenkonferenz. Das Ringen um die sicheren vorderen Plätze hat aber längst begonnen.

Terry Reintke: Ohne Gegenkandidatin auf Platz 1

Nicht davon betroffen ist Terry Reintke. Sie kandidiert für Platz 1 der Grünen-Europaliste – bislang ohne bekannte Gegenkandidatin. Die Gelsenkirchenerin ist leidenschaftliche Europäerin, kandidiert zum dritten Mal für das EU-Parlament und will bei der kommenden Europawahl das Ruder für ihre Partei herumreißen. Mit ihrer Bewerbung will sie einen ganzen Blumenstrauß an Themenfeldern abdecken, um die sowohl in Brüssel als auch in Berlin derzeit hart gerungen wird: Außenpolitik, Migration und die ökologische Transformation.

Darin hat sie Übung, denn seit dem Rückzug von Ska Keller von der Spitze der Grünen-Fraktion im EU-Parlament im September vergangenen Jahres leitet Reintke die 72-köpfige Gruppe. Waren ihre Themen zuvor die Rechte von Frauen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, muss sich die 36-Jährige inzwischen um alle Belange Europas kümmern. Ihr Ziel ist nicht nur die Spitzenkandidatur in Deutschland, sondern auch die der europäischen Grünen – in beiden Fällen mit guten bis sehr guten Erfolgschancen.

Bloss oder Lagodinsky auf Platz 2?

Dahinter beginnt es jedoch erstmals haarig zu werden. Der Klimapolitiker Michael Bloss aus Stuttgart und der Berliner Außenpolitiker Sergey Lagodinsky wollen auf den zweiten Platz. In ihren fünfminütigen Reden vor der Abstimmung (plus fünf Minuten für Nachfragen) gilt es für beide, die Delegierten von ihrem Programm zu überzeugen. Während Lagodinsky mit gerechterer Asylpolitik wirbt, in der “NGOs nicht kriminalisiert werden, weil sie Menschen auf der Flucht helfen”, legt Bloss den Fokus auf soziale Klima- und Industriepolitik, in der “Großverschmutzer mehr zahlen und Menschen mit geringem Einkommen mehr zurückbekommen”.

Bloss hat durch den großen baden-württembergischen Landesverband im Rücken leichte Vorteile, die Abstimmung für sich zu entscheiden. Allerdings kommen auch 85 Prozent der Delegierten nicht aus Baden-Württemberg und deren Votum dürfte sich nach anderen Kriterien als der Herkunft richten. Auch Lagodinskys außenpolitisches Profil dürfte in der aktuellen Weltlage für den Berliner sprechen. Sorgen um den Einzug ins EU-Parlament muss sich ohnehin keiner der beiden machen. Abgemacht ist, dass der Verlierer der Wahl um Platz 2 den vierten Listenplatz erhält – sofern nicht spontan ein Überraschungskandidat auftaucht und die Wahl noch einmal aufmischt.

Linke vs. Realos: Welche Rolle spielt die Flügellogik?

Die ungeraden Listenplätze sind für Frauen reserviert. Für Platz 3 kandidieren Hannah Neumann und Anna Cavazzini. Die Berlinerin Neumann kommt aus dem Realo-Flügel und ist aktuell friedens- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament sowie Leiterin der EP-Delegation für die Beziehungen zu den Golfstaaten. Die anstehende UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) und die Kritik am Gastgeber fällt daher genau in Neumanns Fachbereich, wodurch sie in der Kampfabstimmung punkten könnte.

Allerdings ist das Politikgebiet von Cavazzini, der Vorsitzenden des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, nicht weniger aktuell. Die Wahlsächsin und Parteilinke hat die hochaktuellen Gesetze für unternehmerische Sorgfaltspflichten, entwaldungsfreie Lieferketten und das Verkaufsverbot für Produkte aus Zwangsarbeit mit auf den Weg gebracht. Das Recht auf Reparatur, mit dem sie gegen die Wegwerfgesellschaft ankämpft, bezeichnet sie als Herzensprojekt.

Am Ende könnte auch die Flügellogik der Grünen für das Abstimmungsergebnis ausschlaggebend sein. Gewinnt der Linke Bloss Platz 2, wird Cavazzini kaum Chancen auf Platz 3 haben. Denn auch die designierte Spitzenkandidatin Terry Reintke kommt aus dem linken Flügel. Gleiches gilt für Neumann, falls Lagodinsky vor ihr gewinnt. Die Verliererin für Platz 3 ist jedenfalls für den fünften Listenplatz vorgesehen und dürfte ebenfalls erneut ins EU-Parlament einziehen.

Ab Platz 6 ist alles offen

Die Plätze dahinter gelten zwar ebenfalls als sicher, jedoch tummeln sich dort deutlich mehr Kandidaten, was zu unangenehmen Szenarien führen könnte. Offiziell kandidiert nur der Agrarpolitiker Martin Häusling für Platz 6. Allerdings dürfte sich auch der Finanzexperte Rasmus Andresen dort einordnen. Schließlich ist er seit Sven Giegolds Wechsel nach Berlin Gruppenchef der deutschen Grünen im EP.

Der Verlierer bekommt diesmal jedoch nicht automatisch den nächsten verfügbaren Listenplatz. Platz 8 möchte dem Vernehmen nach der Asyl- und Migrationspolitiker Erik Marquardt haben – ein bekanntes Gesicht und Zugpferd für junge, linke Grüne. Auch auf Platz 10 wartet ein aussichtsreicher Kandidat: Daniel Freund, der sich vor allem mit Fragen zu EU-Reformen und Korruption beschäftigt. Möglich ist also, dass Häusling oder Andresen bis Platz 12 oder noch weiter durchgereicht werden. Dort warten dann auch noch Malte Gallée, Niklas Nienaß und Romeo Franz auf ihre Nominierungen. Nicht alle werden es auf einen aussichtsreichen Platz schaffen.

Bei den Frauen gilt Katrin Langensiepen auf Platz 7 als aussichtsreichste Kandidatin, allerdings könnten auch Fraktions-Vize Alexandra Geese oder Henrike Hahn den Versuch einer Gegenkandidatur wagen. Auf Platz 9 könnte die Umwelt- und Klimapolitikerin Jutta Paulus ins Rennen einsteigen, genauso wie die Verkehrspolitikerin Anna Deparnay-Grunenberg. Hier sind Kampfabstimmungen und enttäuschte Verliererinnen beinahe unvermeidbar. Denn dahinter wollen auch noch Viola von Cramon-Taubadel und Pierrette Herzberger-Fofana ihren Status als Mitglieder des EU-Parlaments verteidigen.

Wenig neue Gesichter zu erwarten

Neue Kandidatinnen und Kandidaten werden es also enorm schwer haben, die vorderen Listenplätze zu erreichen – schon gar nicht ohne Kampfvotum. Allerdings werden die Delegierten in Karlsruhe auch darauf bedacht sein, dem europapolitischen Nachwuchs eine Chance auf den Einzug ins EU-Parlament zu geben. Ein paar neue Gesichter können schließlich jeder Partei guttun.

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Termine

22.11.-23.11.2023, online
ASEW, Seminar Grundlagen Nah- und Fernwärme
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) gibt einen grundlegenden Überblick zur Nah- und Fernwärmeversorgung und vermittelt technische, wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge. INFOS & ANMELDUNG

22.11.2023 – 10:30-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Roundtable Expert Stakeholder Consultation: ETS in Agriculture
Against the background of the European Commission consultation on an EU climate target for 2040, the European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) invites a small group of stakeholders and policymakers to brainstorm on the feasibility of pricing agricultural emissions and climate action in the land sector. INFO

22.11.2023 – 15:30-17:30 Uhr, online
ERCST, Presentation Report on options and priorities for the EU-US Global Arrangement for Steel and Aluminium and a G7 climate club
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) brings together international climate cooperation experts to present a paper which will be followed by a discussion on the options and priorities for a prospective Global Arrangement for Sustainable Steel and Aluminium, including the potential role of the CBAM. INFO & REGISTRATION

22.11.2023 – 18:00-20:30 Uhr, Dortmund
DGAP, Podiumsdiskussion Fake News oder Fakten – Wie gehen wir gegen Desinformation vor?
Bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sind Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik zu Gast, um über den Einsatz von Desinformationskampagnen durch autokratische Staaten zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

22.11.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Ulm
Europe Direct, Podiumsdiskussion Europa heute, gestern und morgen – Südosteuropas Rolle in der EU
Anlässlich der Ausstellung “Erzähl mir von Europa” findet eine Podiumsdiskussion über die Rolle Südosteuropas in der EU statt. INFOS

22.11.2023- 19:00-22:00 Uhr, Hannover
VWS, Podiumsdiskussion Beyond the deep blue sea – Die Meere im Klimawandel
Die Volkswagen-Stiftung (VWS) erörtert, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Weltmeere hat und was notwendig ist, um die Verwundbarkeit sowie das Potenzial dieses Ökosystems zu erkennen und die Weltmeere nachhaltig zu schützen. INFOS

22.11.2023 – 19:00-21:30 Uhr, Hamburg
DGAP, Podiumsdiskussion Die strategische Ausrichtung deutscher Nachrichtendienste im Zuge der Zeitenwende
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Außenpolitischer Salon widmet sich die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) der Frage, welche Implikationen die sicherheitspolitische “Zeitenwende” für die Geheimdienste hat, und diskutiert mit Gästen über die strategische Ausrichtung der Nachrichtendienste. INFOS

23.11.-24.11.2023, Trier/online
ERA, Seminar Annual Conference on AML and Financial Compliance in the EU 2023
The European Law Academy (ERA) will update practitioners on the latest developments in the EU regulatory framework for financial compliance. Special attention will be given to the Anti-Money Laundering Authority and the European Commission’s AML/CFT package. INFO & REGISTRATION

23.11.2023 – 09:30-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ETI, Workshop Reshaping Lobbying (advocacy)
During this workshop, the European Training Institute (ETI) conveys practical knowledge on how to build solid and diverse networks with decision-makers and stakeholders in the EU and what lobbying actions work at Commission, Parliament and Council level. INFO & REGISTRATION

23.11.2023 – 10:00-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
P2R, Conference Resilient Europe: Empowering regions for climate adaptation
Pathways2Resilience (P2R), a project under the EU Mission on Adaptation to Climate Change, will gather regional representatives, EU policymakers, national governments and climate resilience experts to explore how regions are successfully implementing the EU Mission and what transformative adaptation looks like in practice.  INFO & REGISTRATION

23.11.2023 – 13:30-14:30 Uhr, online
ASEW, Seminar CSRD-Nachhaltigkeitsbericht
Bei der Informationsveranstaltung stellt die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) die Grundzüge der CSRD und der Wesentlichkeitsanalyse sowie ihr entsprechendes Angebot für Mitgliedsunternehmen vor. INFO & REGISTRATION

23.11.2023 – 15:00-17:00 Uhr, Berlin
EK, Buchvorstellung 70 Jahre Unionsrecht
Im Zuge der Buchvorstellung sprechen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Universitätsbetrieb über die Rolle der Europäischen Kommission (EK) bei der institutionellen Durchsetzung des Unionsrechts sowie die Idee des materiellen Unionsrechts als einem Recht der Bürgerinnen und Bürger. INFOS

23.11.2023 – 17:30 Uhr, Magdeburg
Europa Union, Diskussion Wie Desinformation anti-europäische Haltungen prägen und was wir dagegen tun können
In Ausblick auf die Europawahl findet ein Bürgerdialog zum Thema Desinformation mit dem Europaminister des Landes Sachsen-Anhalt, Rainer Robra, und mit Sandra Fiene, Pressesprecherin der Regionalvertretung der EU-Kommission in Bonn, statt. ANMELDUNG

News

EU-Staaten dürfen Energiehilfen länger zahlen

Die EU-Kommission ermöglicht es den Mitgliedstaaten, bestimmte Energiepreishilfen für Unternehmen länger zu zahlen. Die Behörde verlängerte gestern die einschlägigen Teile des befristeten Beihilferahmens (TCTF) bis Ende Juni 2024. Die Regierungen hätten sonst Programme wie die deutsche Energiepreisbremse zum Jahresende einstellen müssen.

Die Kommission verlängerte den Zeitraum damit noch einmal um drei Monate zu ihrem ursprünglichen Vorschlag. Dieser hatte ein Ausphasen der Hilfen bis Ende März 2024 vorgesehen. Die Mitgliedstaaten drängten aber auf mehr Zeit, da viele Betriebe ihre Energierechnungen erst nach dem Ende des Winters erhielten.

Daneben heben die Brüsseler Wettbewerbshüter die Obergrenzen für die Hilfen etwas an, die die Regierungen kleinen und mittleren Unternehmen zahlen können. Diese steigen von 250.000 auf 280.000 EUR für die Landwirtschaft und von zwei Millionen auf 2,25 Millionen Euro für andere Sektoren. Wirtschaftsverbände wie der DIHK hatten die Obergrenzen des TCTF zuvor als zu niedrig kritisiert – viele mittelständische Industriebetriebe hätten sie bereits ausgeschöpft. tho

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Bundesregierung vereinfacht Berichtspflicht bei Lieferkettengesetz

Das Bundeswirtschafts- und das Bundesarbeitsministerium haben sich auf eine Vereinfachung der Berichtspflichten im deutschen Lieferkettengesetz geeinigt. Unternehmen erhielten jetzt mehr Zeit für ihre Berichte nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums der Nachrichtenagentur Reuters am Montag auf Anfrage. Die Berichte für 2023 und 2024 würden erst 2025 fällig und könnten dann als EU-Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt werden. Dadurch würden Doppelungen vermieden, die Berichterstattung wird vereinfacht.

Hintergrund ist der Übergang von dem deutschen Gesetz zur dann europaweit geltenden EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD). Später ist zudem die europäische Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten in der Lieferkette geplant, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Sie befindet sich noch im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Die CSDDD-Richtlinie enthält keine eigenen Berichtspflichten. Ist sie EU-weit in Kraft getreten, will die Bundesregierung prüfen, ob Änderungen am LkSG erforderlich sind.

Das seit Januar geltende Lieferkettengesetz ist umstritten. Die einen sehen es als Bürokratiemonster für Unternehmen, die anderen als wichtigen Beitrag, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstößen bei Zulieferern vorzubeugen. Wie schwierig die Handhabung von Verantwortlichkeiten bei Lieferketten über mehrere Länder ist, zeigt der Fall BMW. Die Süddeutsche Zeitung, der NDR und der WDR hatten berichtet, dass es bei der Kobalt-Mine in Marokko, die Rohstoffe für von BMW genutzte Batterien liefert, zu schweren Verstößen gegen Umwelt- und Arbeitsschutzregeln komme. Der Minenbetreiber Managem weist dies aber zurück. rtr

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Bürokratie: Normenkontrollrat fordert mehr Anstrengungen auf EU-Ebene

Der Normenkontrollrat der Bundesregierung fordert weitere Anstrengungen auf EU-Ebene zum Abbau von Bürokratie. Es gebe zwar einzelne Vorschläge der EU-Kommission, sagte der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel, aber “das ist zu wenig”. Die Von-der-Leyen-Kommission habe zudem viel mehr neue Gesetze vorgeschlagen als ihre Vorgänger. Daher müsse sie sich “an die eigene Nase packen und das grundsätzlich ändern”.

In seinem neuen Jahresbericht bezweifelt der NKR zudem die Angaben der Kommission, wonach durch die neue “One in, one out”-Regel im vergangenen Jahr die Bürokratiekosten um 7,3 Milliarden Euro gesunken seien. Der gesamte Erfüllungsaufwand jenseits der reinen Bürokratiekosten sei deutlich höher als von der Kommission in ihrem Annual Burden Survey angegeben.

Der Fokus auf die EU-Ebene sei von großer Bedeutung. Schließlich seien seit der Einführung der “One in one out”-Regel auf Bundesebene im Jahr 2015 rund 56 Prozent der laufenden Belastungen für die Wirtschaft auf die Umsetzung von EU-Regelungen zurückzuführen.

Die stellvertretende NKR-Vorsitzende Sabine Kuhlmann sieht dabei auch die anderen EU-Institutionen in der Pflicht: Während es in der Kommission mit dem Regulatory Scrutiny Board eine wichtige Kontrollinstanz gebe, fehle dieses korrigierende Element insbesondere im Rat. Das Gremium der Mitgliedstaaten nehme im Gesetzgebungsverfahren “ganz massive Änderungen an Vorschlägen vor, da schaut aber niemand darauf, was das für Folgekosten mit sich bringt”, kritisierte Kuhlmann. Hier stehe insbesondere die Bundesregierung in der Pflicht. tho

  • Bürokratie
  • Wirtschaftspolitik

AI Act: Abgeordnete lehnen Verzicht auf Regulierung von Foundation Models ab

Da Deutschland, Frankreich und Italien eine gesetzliche Regulierung von Basismodellen (Foundation Models) im AI Act ablehnen, ist absehbar, dass es im Rat dafür keine qualifizierte Mehrheit gibt. Die Verhandler des AI Act müssen sich daher neu sortieren. Von der spanischen Ratspräsidentschaft hieß es am Montag knapp: “Wir wissen den Beitrag zu schätzen und werden uns weiter um eine Einigung bemühen.” Die wird aber jetzt sehr schwierig, da der Vorschlag im Parlament auf Ablehnung stößt. Ein Treffen der Schattenberichterstatter am Montag wurde abgesagt. Erst heute wollen sie sich wieder treffen.

Deutschland, Frankreich und Italien hatten am Wochenende ein gemeinsames Non-Paper vorgelegt, indem sie statt einer harten Regulierung von Foundation Models eine “verpflichtende Selbstregulierung” vorschlagen. Nur ein weiteres Land müsste sich der Position der drei bevölkerungsreichsten Mitgliedstaaten anschließen, um eine Ablehnung zu erreichen. Wie es in diplomatischen Kreisen heißt, gibt es jedoch bereits aus einigen Mitgliedstaaten positive Reaktionen auf das Non-Paper. Deutschland hat mit Aleph Alpha und Frankreich mit Mistral AI mindestens zwei junge Unternehmen in dem Feld, die eine drohende Überregulierung beklagen.

Grüne: “Von Foundation Models gehen Risiken aus”

Die Idee der drei Länder verfängt im Parlament weder bei den Grünen noch bei der EVP. “Die Debatte scheint sich in den letzten Wochen fast nur noch um die Befürchtungen der Industrie zu drehen“, kritisiert Sergey Lagodinsky, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA für den AI Act. “Aber wir Verhandler im Europäischen Parlament haben die Nutzerinnen und Nutzer und den Schutz ihrer Verbraucherrechte und Grundrechte nicht vergessen.”

Das Parlament verstehe Foundation Models als besonders mächtige und einflussreiche Untermenge von Allzweck-KI-Systemen (GPAI). “Das bedeutet, dass von ihnen Risiken ausgehen“, sagte Lagodinsky. In der Logik der KI-Regulierung könnten sie aber nie unter die Hochrisiko-Einstufung fallen, weil sie durch ihre Generalität zu keinem der Hochrisiko-Anwendungsbereiche gehören.

“Die besonders einflussreichen Modelle kommen derzeit alle von außerhalb Europas und haben ihren maximalen Einfluss voraussichtlich noch gar nicht erreicht”, warnte Lagodinsky. Für eine Selbstregulierung dieser mächtigsten der Systeme seien “die Befürchtungen, was wir uns mit ChatGPT, Midjourney und Dall-e für Probleme ins Haus holen, zu schwerwiegend“.

EVP: “Parlament wird nicht auf ein Mindestmaß an Verpflichtungen verzichten”

Auch Axel Voss, Schattenberichterstatter der EVP, hält die Idee, Foundation Models aus der Regulierung im AI Act herauszunehmen, für äußerst kurzsichtig. “Überall auf der Welt wird nach einer Regulierung für Künstliche Intelligenz gerufen. Sogar in den USA hat es eine Executive Order gegeben, dahinter sollten wir nicht zurückfallen”, sagt Voss. “Wir sollten die Gefahr, die auf die Gesellschaft zukommt, nicht herunterspielen.”

Außerdem merkt er ganz pragmatisch an: “Was sollte denn in einer verpflichtenden Selbstregulierung drinstehen?” Das müssten nach seiner Meinung doch mindestens Anforderungen an Transparenz und Cybersicherheit sein sowie eine faire Arbeitsteilung bei den Informationspflichten zwischen dem Entwickler einer Foundation Models und einem späteren Anwender. “Das ist aber genau das, was wir im AI Act vorgesehen haben.”

Das Parlament werde nicht darauf verzichten, “ein Mindestmaß an Verpflichtungen im AI Act vorzusehen”, sagt Voss. Auch wenn die EVP insgesamt noch Potenzial sehe, den überfrachteten AI Act etwas zu entschlacken. “Aber dass die Länder vor den Risiken die Augen verschließen, ist nicht angebracht.” vis

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  • Künstliche Intelligenz
  • Künstliche Intelligenz-Verordnung

Gentechnik: Kroatien kritisiert Pläne der EU-Kommission

In den Reihen der EU-Agrarminister stoßen die Pläne der EU-Kommission zur Liberalisierung des EU-Gentechnikrechts auf Kritik. Das zeigte ein Treffen des Rates am Montag in Brüssel. In einer schriftlichen Stellungnahme äußerte Kroatien Zweifel daran, eine Koexistenz von NGT-1-Pflanzen und Ökolandbau ermöglichen zu können. Das Verbot der Kategorie NGT-1 im Ökolandbau sei aber essenziell wichtig, um das Vertrauen der Käufer von Bioprodukten und die wirtschaftlichen Interessen des Sektors nicht zu gefährden.

Außerdem beharrt das Land auf einer Opt-out-Möglichkeit, sprich darauf, den Anbau solcher Pflanzen im eigenen Land verbieten zu dürfen – unabhängig vom EU-Recht. Diese Möglichkeit sieht der Vorschlag der EU-Kommission allerdings bislang nicht vor.

Als Begründung führt Kroatien an, im “Interesse der Öffentlichkeit” alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen zu wollen, um einem “angemessenen Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, der Umwelt und der biologischen Vielfalt” gerecht werden zu können. Entgegenkommend schlägt der Mitgliedstaat vor, die Opt-out-Möglichkeit auf sieben Jahre, ab Inkrafttreten der Novelle des EU-Gentechnikrechts, zu befristen.

Dem Vorschlag der Brüsseler Behörde, NGT-1 von der Kennzeichnung zu befreien, will Kroatien aus Sorge vor mangelnder Risikobewertung und Rückverfolgbarkeit und folglich “irreversiblen Auswirkungen für die Umwelt” nicht zustimmen. has

Mitgliedstaaten fordern Vorbereitung auf Gesundheitsgefahren des Klimawandels

In einem gemeinsamen Papier haben 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten die EU aufgefordert, die Bedrohungen für die Gesundheit und die Gesundheitssysteme durch extreme Wetterbedingungen stärker zu überwachen, um die Länder bei der Vorbereitung zu unterstützen.

Die EU sollte auch Pläne für Infektionen mit zoonotischen und klimasensiblen vektorübertragenen Krankheiten erstellen, und ihr Frühwarn- und Reaktionssystem für den Fall stärken, dass krankheitsübertragende Vektoren entdeckt werden, so die Mitgliedstaaten.

“Wenn keine proaktiven Maßnahmen ergriffen werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis bestimmte vermeidbare Infektionskrankheiten, die derzeit in anderen Regionen häufiger vorkommen, auch in der EU immer häufiger auftreten”, heißt es in dem Papier. Es wurde unter anderem von Deutschland, Österreich, Griechenland, Belgien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Ungarn und Italien unterzeichnet.

Klimawandel erhöht Risiko für Infektionskrankheiten

Der Klimawandel hat in Europa schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit: Schätzungsweise 61.000 Menschen starben im vergangenen Sommer in den Hitzewellen in Europa. Der Klimawandel erhöht zudem das Risiko, dass sich Infektionskrankheiten ausbreiten, da die Sommer heißer und länger werden und vermehrte Überschwemmungen günstige Bedingungen für die Verbreitung von Infektionskrankheiten schaffen.

Ein Beispiel dafür sei die Tigermücke, die heute in 337 Regionen Europas vorkommt – mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren, heißt es in dem Papier, über das die Financial Times am Montag berichtete.

Die Gesundheitsminister der EU-Länder werden das Papier nächste Woche auf einer Sitzung erörtern. Die EU arbeitet derzeit an ihrer ersten Klimarisikobewertung, die nächstes Jahr als Grundlage für künftige Maßnahmen zur Bewältigung von Klimagefahren wie Hitzewellen und Waldbränden veröffentlicht werden soll. rtr

Presseschau

Scholz sagt vier Milliarden Euro für EU-Afrika-Initiative zu RP ONLINE
Strompreise: EU-Kommission verlängert Ausnahmen für Staatshilfen SÜDDEUTSCHE
Mileis Sieg in Argentinien sorgt für lange Gesichter in Brüssel EURONEWS
Ursula von der Leyen “unbeeindruckt” von neuer Kampagne Viktor Orbáns EURONEWS
Bosnien und Herzegowina visiert EU-Beitrittsgespräche zum Jahresende an EURACTIV
EU-Russland-Sanktionen scheitern an Komplexität und mangelnder Durchsetzung EURONEWS
Habeck-Berater fordern neue EU-Behörde für Versorgungssicherheit PRESSE AUGSBURG
Europäischer Wirtschaftsausschuss will stärker auf die Jugend hören EURACTIV
EU-Kommission genehmigt Qualitätsjournalismusförderung DER STANDARD
Echtzeitdaten von Staatschefs verkauft: EU-Parlament fordert Maßnahmen EURACTIV
Rohstoffe: Europa soll sich nicht mehr erpressen lassen SÜDDEUTSCHE
Digitale Technologien: Wie diese die Wirtschaftsleistung in der EU steigern DIGITALBUSINESS-CLOUD
EU einigt sich auf Verbot von Plastikmüllexporten ZFK
Design-Software: Adobes Figma-Übernahme könnte wettbewerbsverzerrend sein GOLEM
Huawei warnt nach Netzverboten: EU kann nicht “allein erfolgreich sein” EURACTIV
EU will Tanker-Verkauf an Russland unterbinden HANSA-ONLINE
Vorbeugung der nächsten Pandemie: Ein EU-Projekt zur Erforschung von Infektionskrankheiten EURONEWS

Standpunkt

G20 Compact with Africa: Zusammenarbeit und Investitionen

Von Steffen Meyer
Dr. Steffen Meyer ist Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik im Bundeskanzleramt.

Der 20. November stand im Zeichen der Zusammenarbeit mit Afrika. Morgens fand auf Einladung der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft der “G20 Investment Summit” statt. Und ab dem frühen Nachmittag lud der Bundeskanzler zahlreiche Partner aus Afrika und der Welt zur “Konferenz zum G20 Compact with Africa 2023” ins Kanzleramt.

2017 hat Deutschland als G20-Präsidentschaft den “G20 Compact with Africa” (CwA) ins Leben gerufen. Seitdem arbeitet die G20 im CwA mit reformorientierten afrikanischen Partnern eng zusammen an einem gemeinsamen Ziel: Mehr ausländische Privatinvestitionen durch Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den CwA-Ländern. Unterstützt werden die CwA-Länder dabei von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Afrikanischen Entwicklungsbank. Damit entstand ein einzigartiges multilaterales Partnerschaftsformat, von dem alle Beteiligten profitieren können. Mittlerweile hat sich der CwA als zentrales Format der Zusammenarbeit zwischen der G20 und afrikanischen Partnern fest etabliert – und trägt dabei auch der gewichtigen Rolle Afrikas in einer immer stärker multipolaren Welt Rechnung.

CwA-Länder profitieren von Wirtschaftswachstum

Der Blick auf die Zahlen des aktuellen CwA-Monitoringberichts zeigt: CwA-Länder – reformbedingt offener für Handel und ausländische Direktinvestitionen – konnten sich überdurchschnittlich stark von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erholen. Im vergangenen Jahr lag das Wirtschaftswachstum der CwA-Länder doppelt so hoch wie das der afrikanischen Nicht-CwA-Länder, der Exportzuwachs war fast vier Mal so hoch. Den CwA-Ländern gelang, insbesondere aufgrund des großen Volumens von Investitionen im erneuerbare Energien-Sektor in Ägypten und Marokko, eine Versechsfachung ausländischer Direktinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr.

Das Interesse am CwA ist ungebrochen. Zu den bisher zwölf Compact-Staaten ist erst kürzlich die Demokratische Republik Kongo als 13. Mitglied neu hinzugekommen. Und weitere reformorientierte Staaten haben ihr Interesse an einem Beitritt bekundet und sitzen deshalb bei der CwA-Konferenz in Berlin bereits mit am Tisch. Bei dieser Konferenz strebt die Bundesregierung mit ihren Partnern konkrete Ergebnisse an.

Bundesregierung bietet Finanzierungsangebote

Zur Stärkung der Privatinvestitionen hat die Bundesregierung bereits kürzlich Anreize zur stärkeren Diversifizierung der Außenwirtschaftsbeziehungen beschlossen: Für Direktinvestitionen in bestimmte Staaten gelten von nun an günstigere Garantiekonditionen. Das gilt grundsätzlich auch für die CwA-Länder und soll dazu dienen, Lieferketten zu diversifizieren und resilienter zu machen. Letzteres gilt auch für eine engere Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Gewinnung und lokalen Weiterverarbeitung von Rohstoffen, bei der die Bundesregierung der Maxime folgt: Partnerschaft und Wertschöpfung vor Ort statt Extraktivismus. Anknüpfen kann die Bundesregierung zudem an die erfolgreichen Initiativen “Africa Connect” und “Africa Grow” mit attraktiven Finanzierungsangeboten. Die von der Bundesregierung unterstützte Versicherungsagentur “African Trade and Investment Development Insurance” bietet Finanzprodukte zur Risikoabsicherung an und befördert grenzüberschreitenden Handel sowie ausländische Direktinvestitionen. Außerdem stärkt die Bundesregierung ihr vielfältiges Unterstützungsangebot, um die Einstiegsschwelle für Unternehmen in die CwA-Märkte zu reduzieren.

Viele der CwA-Länder haben zudem exzellente Potenziale für erneuerbare Energien, während Deutschland perspektivisch einen Großteil seines Bedarfs an grünem Wasserstoff über Importe wird decken müssen. Die CwA-Konferenz soll daher einen Startschuss für die gestärkte und langfristig angelegte Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger Energieversorgung darstellen, lokal und für den Export von grünem Wasserstoff und Derivaten von Afrika nach Deutschland und Europa. Anknüpfen kann Deutschland dabei an die “Africa-EU Green Energy Initiative”, für die von der CwA-Konferenz ein weiterer Schub ausgehen soll. Durch ein Zusammenwirken öffentlicher und privater Investitionen soll über diese Initiative der Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika massiv vorangetrieben werden – für die lokale Energiewende, die industrielle Entwicklung Afrikas und den Export.

Dr. Steffen Meyer ist der Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik im Bundeskanzleramt. In den Aufgabenbereich des Ökonomen fällt auch die Außenhandelsinitiativen der Bundesregierung. Meyer hat viele Jahre im Bundesfinanzministerium sowie beim Internationalen Währungsfonds gearbeitet.

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    viel wurde über sie geschrieben in diesem ersten Jahr ihrer Regierungszeit in Rom. Nun reist Giorgia Meloni am Mittwoch nach Berlin. Nach ihrem Antrittsbesuch Anfang Februar ist es der zweite Besuch der italienischen Regierungschefin in der deutschen Hauptstadt. Diesmal wird es handfest: Meloni und ihr Amtskollege Olaf Scholz wollen einen Pakt schließen. Das allein darf man gut und gerne schon als Errungenschaft bezeichnen – schließlich liegen die letzten deutsch-italienischen Regierungskonsultationen einige Zeit zurück, nämlich im Jahr 2016.

    Meloni und Scholz wollen einen Aktionsplan unterschreiben. Daraus klingt allerdings schon wieder Nüchternheit: Statt Pomp soll Pragmatismus das Gebot der Stunde sein. Wo der italienisch-französische Quirinalsvertrag Ende 2021 in Rom mit Frecce Tricolori in französischen Landesfarben gefeiert wurde, werden in Berlin keine Flieger mit bunten Abgasen über das Brandenburger Tor rauschen. Inhalt des etwa 20-seitigen Papiers sollen leitende Prinzipien der Zusammenarbeit, Bereiche der Kooperation und Überlegungen zur Nachverfolgung der gemeinsamen Arbeit sein. 

    Einigkeit mit Melonie demonstriert man in Berlin auch schon vor der Unterzeichnung: In trauter Zweisamkeit sollen Olaf Scholz und die italienische Ministerpräsidentin an dem digitalen G20-Gespräch teilnehmen. Dem von Indien initiierten Video-Call soll auch der russische Präsident Wladimir Putin beiwohnen. Da trifft es sich gut, dass in der Delegation, die mit Meloni nach Berlin reist, Vizepremier Matteo Salvini nicht dabei ist – der noch nach dem Angriff auf die Ukraine demonstrativ im Putin-Fan-T-Shirt aufgetreten war.

    Ihre Almut Siefert

    Analyse

    Der Timmermans-Effekt verpufft vor dem Ziel

    Der Höhenflug hat nicht lange angehalten. Im August konnte sich Frans Timmermans kurz berechtigte Hoffnungen machen, nächster Ministerpräsident in Den Haag zu werden. Dies, nachdem die sozialdemokratische PvdA und GroenLinks angekündigt hatten, erstmals gemeinsam und mit Timmermans als Listenführer bei den Parlamentswahlen für die Zweite Kammer anzutreten.

    Der Vizepräsident der EU-Kommission hat seinen Job als Klimazar in Brüssel vorzeitig aufgegeben, um in Den Haag nach 13 Jahren unter dem rechtsliberalen Mark Rutte den Posten als Ministerpräsident zu erobern. Die Wette scheint nicht aufzugehen, denn kurz vor der Parlamentswahl am Mittwoch sind die quasi fusionierten Parteien je nach Umfragen auf den dritten oder vierten Platz abgerutscht.

    Frans Timmermans muss in der fragmentierten Parteienlandschaft und einem engen Rennen auf eine Überraschung in letzter Minute hoffen. Der Rückkehrer habe im Wahlkampf nicht richtig Tritt fassen und seine Themen nicht setzen können, sagen Kritiker. Dem Bündnis geschadet haben auch Differenzen in der Nahostkrise, wobei Timmermans von den eigenen Leuten für eine Positionierung an der Seite Israels kritisiert wurde. Gleichzeitig haben dem 62-Jährigen seine Verdienste für die Klimawende in Brüssel nicht wirklich geholfen. Die EU oder auch die Klimakrise waren im Wahlkampf nur ein Randthema.

    Außenseiter Omtzigt zieht das Land in seinen Bann

    Der Wahlkampf in den Niederlanden hat sich nicht um den prominenten Rückkehrer Frans Timmermans gedreht, sondern um den Außenseiter Pieter Omtzigt. Der Parteirebell scheint die Niederlande in seinen Bann zu ziehen. Er tritt wie ein Heilsbringer auf, der dem verunsicherten Land wieder Orientierung zu bringen verspricht. Dabei hat der 49-Jährige seine Partei mit dem sperrigen Namen “neuer Gesellschaftsvertrag” erst im August gegründet.

    Pieter Omtzigt hat im Wahlkampf die Themen gesetzt und das zum Nachteil des Sozialdemokraten Timmermans. Er tritt an, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder herzustellen. Ein großer Anspruch nach einer Reihe von Skandalen, die am scheidenden Langzeitregierungschef Mark Rutte bis zuletzt abperlten, nicht umsonst auch als Teflon-Mann bekannt. Pieter Omtzigt selbst hat seinen fulminanten Aufstieg seiner Rolle als Aufdecker in einer Affäre zu verdanken, bei der die Behörden über 30.000 Eltern fälschlicherweise beschuldigten, Kindergelder bezogen zu haben und dabei viele in den Ruin trieben.

    Pieter Omtzigt war 19 Jahre lang Abgeordneter der Christdemokraten, traditionell Regierungspartei und bis zuletzt auch Koalitionspartner von Mark Rutte. Doch als Aufdecker wurde der eigenwillige Einzelkämpfer von den eigenen Leute verstoßen, weshalb er nach einer längeren Auszeit jetzt mit seiner eigenen Partei antritt. Nun schafft er es, anders als der Rückkehrer Timmermans, sich als Newcomer in der Politik zu präsentieren.

    Kopf an Kopf mit Regierungspartei

    In den Umfragen ist die Partei “Neuer Gesellschaftsvertrag” mit knapp 20 Prozent vorne, wenn auch Kopf an Kopf mit der rechtsliberalen Regierungspartei von Rutte, der nach 13 Jahren nicht mehr kandidiert und den Spitzenplatz seiner bisherigen Justizministerin Dilan Yesilgöz überlässt, einst als Flüchtlingskind aus der Türkei ins Land gekommen. Weit vorne ist auch nach wie vor der Rechtspopulist Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei.

    Die politische Landschaft mit derzeit 15 politischen Gruppierungen in der Zweiten Kammer ist stark fragmentiert und volatil. Im Sommer war noch eine neue rechtspopulistische Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) mit über 20 Prozent in den Umfragen ganz vorne, jetzt aber wieder weit abgefallen. Wie der neue “Gesellschaftvertrag” von Pieter Omtzigt aussehen soll, bleibt eher vage. Der frische Parteichef verspricht eine Politik für die “normalen Bürger”, will das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierenden zurückgewinnen. Der langjährige Christdemokrat ist ein Populist, der aus der politischen Mitte kommt.

    Wenn es um Sozialpolitik geht, tickt Omtzigt eher links und hat es damit dem Newcomer Timmermans schwer gemacht, sich abzusetzen. Der Staat soll wieder dafür sorgen, dass Haushalte von ihrem Einkommen leben und junge Menschen angesichts des akuten Wohnungsnot ein bezahlbares Dach über dem Kopf finden. Der Neoliberalismus sei in den letzten Jahren etwas auf die Spitze getrieben worden, so Pieter Omtzigt. Die Zeit vom schlanken, sparsamen Staat könnte vorbei sein.

    Timmermans muss wohl auf Platz als Juniorpartner hoffen

    Wenn es um Migration geht, klingt der Newcomer wiederum eher rechts. Omtzigt will Steuervorteile für Expats streichen, die Zuwanderung in den Billiglohnsektor der Landwirtschaft senken und die Zahl der zuletzt 100.000 Arbeitsmigranten sowie der Asylsuchenden im Jahr auf rund die Hälfte reduzieren. An den Hochschulen soll der Unterricht wieder vermehrt auf Niederländisch stattfinden, um den Boom der ausländischen Studierenden nach dem Brexit etwas einzudämmen.

    Nach den Wahlen wird es wieder mindestens drei oder wahrscheinlich vier Parteien für eine Regierungsmehrheit brauchen. Pieter Omtzigt hat hier die besten Karten, weil er sowohl für eine Mitterechtskoalition als auch für Mittelinks unverzichtbar wäre. Frans Timmermans muss hoffen, dass er als Juniorpartner in einer Koalitionsregierung seinen Platz findet. Geschadet hat Pieter Omtzigt am Ende nur, dass er in Fernsehdebatten bis zuletzt offen gelassen hat, ob er bei einem Wahlsieg selber Ministerpräsident werden oder jemanden aus seiner Partei für den Job benennen will. Der Außenseiter sieht sich selber nicht unbedingt im Regierungsamt.

    Translation missing.

    Grüne Europaliste: Enge Kampfabstimmungen unvermeidbar

    Es ist keine leichte Phase für die grünen Parteien Europas. In Umfragen rutschen sie ab, in vielen Hauptstädten verlieren sie an Bedeutung. Auch in Deutschland fallen sie häufiger durch Streitereien innerhalb der Ampel-Regierung auf als durch fortschrittliche grüne Industrie- und Klimapolitik. Die Europawahl am 9. Juni 2024 kommt daher nicht zum besten Zeitpunkt, denn es drohen herbe Verluste. Die deutschen Grünen bilden zurzeit die größte Gruppe innerhalb der Greens/EFA-Fraktion im EU-Parlament, jedoch dürften sie Einbußen hinnehmen müssen.

    Die Prognose von 15 Plätzen wabert durch die Flure in Brüssel. Neben Ska Keller und Reinhard Bütikofer, die nicht mehr antreten, würden demnach von aktuell 21 Abgeordneten aus Deutschland vier weitere ihre Plätze verlieren. Abgestimmt wird am Freitag und Samstag in Karlsruhe bei der Bundesdelegiertenkonferenz. Das Ringen um die sicheren vorderen Plätze hat aber längst begonnen.

    Terry Reintke: Ohne Gegenkandidatin auf Platz 1

    Nicht davon betroffen ist Terry Reintke. Sie kandidiert für Platz 1 der Grünen-Europaliste – bislang ohne bekannte Gegenkandidatin. Die Gelsenkirchenerin ist leidenschaftliche Europäerin, kandidiert zum dritten Mal für das EU-Parlament und will bei der kommenden Europawahl das Ruder für ihre Partei herumreißen. Mit ihrer Bewerbung will sie einen ganzen Blumenstrauß an Themenfeldern abdecken, um die sowohl in Brüssel als auch in Berlin derzeit hart gerungen wird: Außenpolitik, Migration und die ökologische Transformation.

    Darin hat sie Übung, denn seit dem Rückzug von Ska Keller von der Spitze der Grünen-Fraktion im EU-Parlament im September vergangenen Jahres leitet Reintke die 72-köpfige Gruppe. Waren ihre Themen zuvor die Rechte von Frauen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, muss sich die 36-Jährige inzwischen um alle Belange Europas kümmern. Ihr Ziel ist nicht nur die Spitzenkandidatur in Deutschland, sondern auch die der europäischen Grünen – in beiden Fällen mit guten bis sehr guten Erfolgschancen.

    Bloss oder Lagodinsky auf Platz 2?

    Dahinter beginnt es jedoch erstmals haarig zu werden. Der Klimapolitiker Michael Bloss aus Stuttgart und der Berliner Außenpolitiker Sergey Lagodinsky wollen auf den zweiten Platz. In ihren fünfminütigen Reden vor der Abstimmung (plus fünf Minuten für Nachfragen) gilt es für beide, die Delegierten von ihrem Programm zu überzeugen. Während Lagodinsky mit gerechterer Asylpolitik wirbt, in der “NGOs nicht kriminalisiert werden, weil sie Menschen auf der Flucht helfen”, legt Bloss den Fokus auf soziale Klima- und Industriepolitik, in der “Großverschmutzer mehr zahlen und Menschen mit geringem Einkommen mehr zurückbekommen”.

    Bloss hat durch den großen baden-württembergischen Landesverband im Rücken leichte Vorteile, die Abstimmung für sich zu entscheiden. Allerdings kommen auch 85 Prozent der Delegierten nicht aus Baden-Württemberg und deren Votum dürfte sich nach anderen Kriterien als der Herkunft richten. Auch Lagodinskys außenpolitisches Profil dürfte in der aktuellen Weltlage für den Berliner sprechen. Sorgen um den Einzug ins EU-Parlament muss sich ohnehin keiner der beiden machen. Abgemacht ist, dass der Verlierer der Wahl um Platz 2 den vierten Listenplatz erhält – sofern nicht spontan ein Überraschungskandidat auftaucht und die Wahl noch einmal aufmischt.

    Linke vs. Realos: Welche Rolle spielt die Flügellogik?

    Die ungeraden Listenplätze sind für Frauen reserviert. Für Platz 3 kandidieren Hannah Neumann und Anna Cavazzini. Die Berlinerin Neumann kommt aus dem Realo-Flügel und ist aktuell friedens- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament sowie Leiterin der EP-Delegation für die Beziehungen zu den Golfstaaten. Die anstehende UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) und die Kritik am Gastgeber fällt daher genau in Neumanns Fachbereich, wodurch sie in der Kampfabstimmung punkten könnte.

    Allerdings ist das Politikgebiet von Cavazzini, der Vorsitzenden des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, nicht weniger aktuell. Die Wahlsächsin und Parteilinke hat die hochaktuellen Gesetze für unternehmerische Sorgfaltspflichten, entwaldungsfreie Lieferketten und das Verkaufsverbot für Produkte aus Zwangsarbeit mit auf den Weg gebracht. Das Recht auf Reparatur, mit dem sie gegen die Wegwerfgesellschaft ankämpft, bezeichnet sie als Herzensprojekt.

    Am Ende könnte auch die Flügellogik der Grünen für das Abstimmungsergebnis ausschlaggebend sein. Gewinnt der Linke Bloss Platz 2, wird Cavazzini kaum Chancen auf Platz 3 haben. Denn auch die designierte Spitzenkandidatin Terry Reintke kommt aus dem linken Flügel. Gleiches gilt für Neumann, falls Lagodinsky vor ihr gewinnt. Die Verliererin für Platz 3 ist jedenfalls für den fünften Listenplatz vorgesehen und dürfte ebenfalls erneut ins EU-Parlament einziehen.

    Ab Platz 6 ist alles offen

    Die Plätze dahinter gelten zwar ebenfalls als sicher, jedoch tummeln sich dort deutlich mehr Kandidaten, was zu unangenehmen Szenarien führen könnte. Offiziell kandidiert nur der Agrarpolitiker Martin Häusling für Platz 6. Allerdings dürfte sich auch der Finanzexperte Rasmus Andresen dort einordnen. Schließlich ist er seit Sven Giegolds Wechsel nach Berlin Gruppenchef der deutschen Grünen im EP.

    Der Verlierer bekommt diesmal jedoch nicht automatisch den nächsten verfügbaren Listenplatz. Platz 8 möchte dem Vernehmen nach der Asyl- und Migrationspolitiker Erik Marquardt haben – ein bekanntes Gesicht und Zugpferd für junge, linke Grüne. Auch auf Platz 10 wartet ein aussichtsreicher Kandidat: Daniel Freund, der sich vor allem mit Fragen zu EU-Reformen und Korruption beschäftigt. Möglich ist also, dass Häusling oder Andresen bis Platz 12 oder noch weiter durchgereicht werden. Dort warten dann auch noch Malte Gallée, Niklas Nienaß und Romeo Franz auf ihre Nominierungen. Nicht alle werden es auf einen aussichtsreichen Platz schaffen.

    Bei den Frauen gilt Katrin Langensiepen auf Platz 7 als aussichtsreichste Kandidatin, allerdings könnten auch Fraktions-Vize Alexandra Geese oder Henrike Hahn den Versuch einer Gegenkandidatur wagen. Auf Platz 9 könnte die Umwelt- und Klimapolitikerin Jutta Paulus ins Rennen einsteigen, genauso wie die Verkehrspolitikerin Anna Deparnay-Grunenberg. Hier sind Kampfabstimmungen und enttäuschte Verliererinnen beinahe unvermeidbar. Denn dahinter wollen auch noch Viola von Cramon-Taubadel und Pierrette Herzberger-Fofana ihren Status als Mitglieder des EU-Parlaments verteidigen.

    Wenig neue Gesichter zu erwarten

    Neue Kandidatinnen und Kandidaten werden es also enorm schwer haben, die vorderen Listenplätze zu erreichen – schon gar nicht ohne Kampfvotum. Allerdings werden die Delegierten in Karlsruhe auch darauf bedacht sein, dem europapolitischen Nachwuchs eine Chance auf den Einzug ins EU-Parlament zu geben. Ein paar neue Gesichter können schließlich jeder Partei guttun.

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    Termine

    22.11.-23.11.2023, online
    ASEW, Seminar Grundlagen Nah- und Fernwärme
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) gibt einen grundlegenden Überblick zur Nah- und Fernwärmeversorgung und vermittelt technische, wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge. INFOS & ANMELDUNG

    22.11.2023 – 10:30-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    ERCST, Roundtable Expert Stakeholder Consultation: ETS in Agriculture
    Against the background of the European Commission consultation on an EU climate target for 2040, the European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) invites a small group of stakeholders and policymakers to brainstorm on the feasibility of pricing agricultural emissions and climate action in the land sector. INFO

    22.11.2023 – 15:30-17:30 Uhr, online
    ERCST, Presentation Report on options and priorities for the EU-US Global Arrangement for Steel and Aluminium and a G7 climate club
    The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) brings together international climate cooperation experts to present a paper which will be followed by a discussion on the options and priorities for a prospective Global Arrangement for Sustainable Steel and Aluminium, including the potential role of the CBAM. INFO & REGISTRATION

    22.11.2023 – 18:00-20:30 Uhr, Dortmund
    DGAP, Podiumsdiskussion Fake News oder Fakten – Wie gehen wir gegen Desinformation vor?
    Bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sind Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik zu Gast, um über den Einsatz von Desinformationskampagnen durch autokratische Staaten zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

    22.11.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Ulm
    Europe Direct, Podiumsdiskussion Europa heute, gestern und morgen – Südosteuropas Rolle in der EU
    Anlässlich der Ausstellung “Erzähl mir von Europa” findet eine Podiumsdiskussion über die Rolle Südosteuropas in der EU statt. INFOS

    22.11.2023- 19:00-22:00 Uhr, Hannover
    VWS, Podiumsdiskussion Beyond the deep blue sea – Die Meere im Klimawandel
    Die Volkswagen-Stiftung (VWS) erörtert, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Weltmeere hat und was notwendig ist, um die Verwundbarkeit sowie das Potenzial dieses Ökosystems zu erkennen und die Weltmeere nachhaltig zu schützen. INFOS

    22.11.2023 – 19:00-21:30 Uhr, Hamburg
    DGAP, Podiumsdiskussion Die strategische Ausrichtung deutscher Nachrichtendienste im Zuge der Zeitenwende
    Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Außenpolitischer Salon widmet sich die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) der Frage, welche Implikationen die sicherheitspolitische “Zeitenwende” für die Geheimdienste hat, und diskutiert mit Gästen über die strategische Ausrichtung der Nachrichtendienste. INFOS

    23.11.-24.11.2023, Trier/online
    ERA, Seminar Annual Conference on AML and Financial Compliance in the EU 2023
    The European Law Academy (ERA) will update practitioners on the latest developments in the EU regulatory framework for financial compliance. Special attention will be given to the Anti-Money Laundering Authority and the European Commission’s AML/CFT package. INFO & REGISTRATION

    23.11.2023 – 09:30-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    ETI, Workshop Reshaping Lobbying (advocacy)
    During this workshop, the European Training Institute (ETI) conveys practical knowledge on how to build solid and diverse networks with decision-makers and stakeholders in the EU and what lobbying actions work at Commission, Parliament and Council level. INFO & REGISTRATION

    23.11.2023 – 10:00-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    P2R, Conference Resilient Europe: Empowering regions for climate adaptation
    Pathways2Resilience (P2R), a project under the EU Mission on Adaptation to Climate Change, will gather regional representatives, EU policymakers, national governments and climate resilience experts to explore how regions are successfully implementing the EU Mission and what transformative adaptation looks like in practice.  INFO & REGISTRATION

    23.11.2023 – 13:30-14:30 Uhr, online
    ASEW, Seminar CSRD-Nachhaltigkeitsbericht
    Bei der Informationsveranstaltung stellt die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) die Grundzüge der CSRD und der Wesentlichkeitsanalyse sowie ihr entsprechendes Angebot für Mitgliedsunternehmen vor. INFO & REGISTRATION

    23.11.2023 – 15:00-17:00 Uhr, Berlin
    EK, Buchvorstellung 70 Jahre Unionsrecht
    Im Zuge der Buchvorstellung sprechen Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Universitätsbetrieb über die Rolle der Europäischen Kommission (EK) bei der institutionellen Durchsetzung des Unionsrechts sowie die Idee des materiellen Unionsrechts als einem Recht der Bürgerinnen und Bürger. INFOS

    23.11.2023 – 17:30 Uhr, Magdeburg
    Europa Union, Diskussion Wie Desinformation anti-europäische Haltungen prägen und was wir dagegen tun können
    In Ausblick auf die Europawahl findet ein Bürgerdialog zum Thema Desinformation mit dem Europaminister des Landes Sachsen-Anhalt, Rainer Robra, und mit Sandra Fiene, Pressesprecherin der Regionalvertretung der EU-Kommission in Bonn, statt. ANMELDUNG

    News

    EU-Staaten dürfen Energiehilfen länger zahlen

    Die EU-Kommission ermöglicht es den Mitgliedstaaten, bestimmte Energiepreishilfen für Unternehmen länger zu zahlen. Die Behörde verlängerte gestern die einschlägigen Teile des befristeten Beihilferahmens (TCTF) bis Ende Juni 2024. Die Regierungen hätten sonst Programme wie die deutsche Energiepreisbremse zum Jahresende einstellen müssen.

    Die Kommission verlängerte den Zeitraum damit noch einmal um drei Monate zu ihrem ursprünglichen Vorschlag. Dieser hatte ein Ausphasen der Hilfen bis Ende März 2024 vorgesehen. Die Mitgliedstaaten drängten aber auf mehr Zeit, da viele Betriebe ihre Energierechnungen erst nach dem Ende des Winters erhielten.

    Daneben heben die Brüsseler Wettbewerbshüter die Obergrenzen für die Hilfen etwas an, die die Regierungen kleinen und mittleren Unternehmen zahlen können. Diese steigen von 250.000 auf 280.000 EUR für die Landwirtschaft und von zwei Millionen auf 2,25 Millionen Euro für andere Sektoren. Wirtschaftsverbände wie der DIHK hatten die Obergrenzen des TCTF zuvor als zu niedrig kritisiert – viele mittelständische Industriebetriebe hätten sie bereits ausgeschöpft. tho

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    Bundesregierung vereinfacht Berichtspflicht bei Lieferkettengesetz

    Das Bundeswirtschafts- und das Bundesarbeitsministerium haben sich auf eine Vereinfachung der Berichtspflichten im deutschen Lieferkettengesetz geeinigt. Unternehmen erhielten jetzt mehr Zeit für ihre Berichte nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums der Nachrichtenagentur Reuters am Montag auf Anfrage. Die Berichte für 2023 und 2024 würden erst 2025 fällig und könnten dann als EU-Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt werden. Dadurch würden Doppelungen vermieden, die Berichterstattung wird vereinfacht.

    Hintergrund ist der Übergang von dem deutschen Gesetz zur dann europaweit geltenden EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD). Später ist zudem die europäische Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten in der Lieferkette geplant, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Sie befindet sich noch im europäischen Gesetzgebungsverfahren. Die CSDDD-Richtlinie enthält keine eigenen Berichtspflichten. Ist sie EU-weit in Kraft getreten, will die Bundesregierung prüfen, ob Änderungen am LkSG erforderlich sind.

    Das seit Januar geltende Lieferkettengesetz ist umstritten. Die einen sehen es als Bürokratiemonster für Unternehmen, die anderen als wichtigen Beitrag, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstößen bei Zulieferern vorzubeugen. Wie schwierig die Handhabung von Verantwortlichkeiten bei Lieferketten über mehrere Länder ist, zeigt der Fall BMW. Die Süddeutsche Zeitung, der NDR und der WDR hatten berichtet, dass es bei der Kobalt-Mine in Marokko, die Rohstoffe für von BMW genutzte Batterien liefert, zu schweren Verstößen gegen Umwelt- und Arbeitsschutzregeln komme. Der Minenbetreiber Managem weist dies aber zurück. rtr

    • Berichtspflichten

    Bürokratie: Normenkontrollrat fordert mehr Anstrengungen auf EU-Ebene

    Der Normenkontrollrat der Bundesregierung fordert weitere Anstrengungen auf EU-Ebene zum Abbau von Bürokratie. Es gebe zwar einzelne Vorschläge der EU-Kommission, sagte der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel, aber “das ist zu wenig”. Die Von-der-Leyen-Kommission habe zudem viel mehr neue Gesetze vorgeschlagen als ihre Vorgänger. Daher müsse sie sich “an die eigene Nase packen und das grundsätzlich ändern”.

    In seinem neuen Jahresbericht bezweifelt der NKR zudem die Angaben der Kommission, wonach durch die neue “One in, one out”-Regel im vergangenen Jahr die Bürokratiekosten um 7,3 Milliarden Euro gesunken seien. Der gesamte Erfüllungsaufwand jenseits der reinen Bürokratiekosten sei deutlich höher als von der Kommission in ihrem Annual Burden Survey angegeben.

    Der Fokus auf die EU-Ebene sei von großer Bedeutung. Schließlich seien seit der Einführung der “One in one out”-Regel auf Bundesebene im Jahr 2015 rund 56 Prozent der laufenden Belastungen für die Wirtschaft auf die Umsetzung von EU-Regelungen zurückzuführen.

    Die stellvertretende NKR-Vorsitzende Sabine Kuhlmann sieht dabei auch die anderen EU-Institutionen in der Pflicht: Während es in der Kommission mit dem Regulatory Scrutiny Board eine wichtige Kontrollinstanz gebe, fehle dieses korrigierende Element insbesondere im Rat. Das Gremium der Mitgliedstaaten nehme im Gesetzgebungsverfahren “ganz massive Änderungen an Vorschlägen vor, da schaut aber niemand darauf, was das für Folgekosten mit sich bringt”, kritisierte Kuhlmann. Hier stehe insbesondere die Bundesregierung in der Pflicht. tho

    • Bürokratie
    • Wirtschaftspolitik

    AI Act: Abgeordnete lehnen Verzicht auf Regulierung von Foundation Models ab

    Da Deutschland, Frankreich und Italien eine gesetzliche Regulierung von Basismodellen (Foundation Models) im AI Act ablehnen, ist absehbar, dass es im Rat dafür keine qualifizierte Mehrheit gibt. Die Verhandler des AI Act müssen sich daher neu sortieren. Von der spanischen Ratspräsidentschaft hieß es am Montag knapp: “Wir wissen den Beitrag zu schätzen und werden uns weiter um eine Einigung bemühen.” Die wird aber jetzt sehr schwierig, da der Vorschlag im Parlament auf Ablehnung stößt. Ein Treffen der Schattenberichterstatter am Montag wurde abgesagt. Erst heute wollen sie sich wieder treffen.

    Deutschland, Frankreich und Italien hatten am Wochenende ein gemeinsames Non-Paper vorgelegt, indem sie statt einer harten Regulierung von Foundation Models eine “verpflichtende Selbstregulierung” vorschlagen. Nur ein weiteres Land müsste sich der Position der drei bevölkerungsreichsten Mitgliedstaaten anschließen, um eine Ablehnung zu erreichen. Wie es in diplomatischen Kreisen heißt, gibt es jedoch bereits aus einigen Mitgliedstaaten positive Reaktionen auf das Non-Paper. Deutschland hat mit Aleph Alpha und Frankreich mit Mistral AI mindestens zwei junge Unternehmen in dem Feld, die eine drohende Überregulierung beklagen.

    Grüne: “Von Foundation Models gehen Risiken aus”

    Die Idee der drei Länder verfängt im Parlament weder bei den Grünen noch bei der EVP. “Die Debatte scheint sich in den letzten Wochen fast nur noch um die Befürchtungen der Industrie zu drehen“, kritisiert Sergey Lagodinsky, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA für den AI Act. “Aber wir Verhandler im Europäischen Parlament haben die Nutzerinnen und Nutzer und den Schutz ihrer Verbraucherrechte und Grundrechte nicht vergessen.”

    Das Parlament verstehe Foundation Models als besonders mächtige und einflussreiche Untermenge von Allzweck-KI-Systemen (GPAI). “Das bedeutet, dass von ihnen Risiken ausgehen“, sagte Lagodinsky. In der Logik der KI-Regulierung könnten sie aber nie unter die Hochrisiko-Einstufung fallen, weil sie durch ihre Generalität zu keinem der Hochrisiko-Anwendungsbereiche gehören.

    “Die besonders einflussreichen Modelle kommen derzeit alle von außerhalb Europas und haben ihren maximalen Einfluss voraussichtlich noch gar nicht erreicht”, warnte Lagodinsky. Für eine Selbstregulierung dieser mächtigsten der Systeme seien “die Befürchtungen, was wir uns mit ChatGPT, Midjourney und Dall-e für Probleme ins Haus holen, zu schwerwiegend“.

    EVP: “Parlament wird nicht auf ein Mindestmaß an Verpflichtungen verzichten”

    Auch Axel Voss, Schattenberichterstatter der EVP, hält die Idee, Foundation Models aus der Regulierung im AI Act herauszunehmen, für äußerst kurzsichtig. “Überall auf der Welt wird nach einer Regulierung für Künstliche Intelligenz gerufen. Sogar in den USA hat es eine Executive Order gegeben, dahinter sollten wir nicht zurückfallen”, sagt Voss. “Wir sollten die Gefahr, die auf die Gesellschaft zukommt, nicht herunterspielen.”

    Außerdem merkt er ganz pragmatisch an: “Was sollte denn in einer verpflichtenden Selbstregulierung drinstehen?” Das müssten nach seiner Meinung doch mindestens Anforderungen an Transparenz und Cybersicherheit sein sowie eine faire Arbeitsteilung bei den Informationspflichten zwischen dem Entwickler einer Foundation Models und einem späteren Anwender. “Das ist aber genau das, was wir im AI Act vorgesehen haben.”

    Das Parlament werde nicht darauf verzichten, “ein Mindestmaß an Verpflichtungen im AI Act vorzusehen”, sagt Voss. Auch wenn die EVP insgesamt noch Potenzial sehe, den überfrachteten AI Act etwas zu entschlacken. “Aber dass die Länder vor den Risiken die Augen verschließen, ist nicht angebracht.” vis

    • Digitalpolitik
    • Künstliche Intelligenz
    • Künstliche Intelligenz-Verordnung

    Gentechnik: Kroatien kritisiert Pläne der EU-Kommission

    In den Reihen der EU-Agrarminister stoßen die Pläne der EU-Kommission zur Liberalisierung des EU-Gentechnikrechts auf Kritik. Das zeigte ein Treffen des Rates am Montag in Brüssel. In einer schriftlichen Stellungnahme äußerte Kroatien Zweifel daran, eine Koexistenz von NGT-1-Pflanzen und Ökolandbau ermöglichen zu können. Das Verbot der Kategorie NGT-1 im Ökolandbau sei aber essenziell wichtig, um das Vertrauen der Käufer von Bioprodukten und die wirtschaftlichen Interessen des Sektors nicht zu gefährden.

    Außerdem beharrt das Land auf einer Opt-out-Möglichkeit, sprich darauf, den Anbau solcher Pflanzen im eigenen Land verbieten zu dürfen – unabhängig vom EU-Recht. Diese Möglichkeit sieht der Vorschlag der EU-Kommission allerdings bislang nicht vor.

    Als Begründung führt Kroatien an, im “Interesse der Öffentlichkeit” alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen zu wollen, um einem “angemessenen Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, der Umwelt und der biologischen Vielfalt” gerecht werden zu können. Entgegenkommend schlägt der Mitgliedstaat vor, die Opt-out-Möglichkeit auf sieben Jahre, ab Inkrafttreten der Novelle des EU-Gentechnikrechts, zu befristen.

    Dem Vorschlag der Brüsseler Behörde, NGT-1 von der Kennzeichnung zu befreien, will Kroatien aus Sorge vor mangelnder Risikobewertung und Rückverfolgbarkeit und folglich “irreversiblen Auswirkungen für die Umwelt” nicht zustimmen. has

    Mitgliedstaaten fordern Vorbereitung auf Gesundheitsgefahren des Klimawandels

    In einem gemeinsamen Papier haben 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten die EU aufgefordert, die Bedrohungen für die Gesundheit und die Gesundheitssysteme durch extreme Wetterbedingungen stärker zu überwachen, um die Länder bei der Vorbereitung zu unterstützen.

    Die EU sollte auch Pläne für Infektionen mit zoonotischen und klimasensiblen vektorübertragenen Krankheiten erstellen, und ihr Frühwarn- und Reaktionssystem für den Fall stärken, dass krankheitsübertragende Vektoren entdeckt werden, so die Mitgliedstaaten.

    “Wenn keine proaktiven Maßnahmen ergriffen werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis bestimmte vermeidbare Infektionskrankheiten, die derzeit in anderen Regionen häufiger vorkommen, auch in der EU immer häufiger auftreten”, heißt es in dem Papier. Es wurde unter anderem von Deutschland, Österreich, Griechenland, Belgien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Ungarn und Italien unterzeichnet.

    Klimawandel erhöht Risiko für Infektionskrankheiten

    Der Klimawandel hat in Europa schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit: Schätzungsweise 61.000 Menschen starben im vergangenen Sommer in den Hitzewellen in Europa. Der Klimawandel erhöht zudem das Risiko, dass sich Infektionskrankheiten ausbreiten, da die Sommer heißer und länger werden und vermehrte Überschwemmungen günstige Bedingungen für die Verbreitung von Infektionskrankheiten schaffen.

    Ein Beispiel dafür sei die Tigermücke, die heute in 337 Regionen Europas vorkommt – mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren, heißt es in dem Papier, über das die Financial Times am Montag berichtete.

    Die Gesundheitsminister der EU-Länder werden das Papier nächste Woche auf einer Sitzung erörtern. Die EU arbeitet derzeit an ihrer ersten Klimarisikobewertung, die nächstes Jahr als Grundlage für künftige Maßnahmen zur Bewältigung von Klimagefahren wie Hitzewellen und Waldbränden veröffentlicht werden soll. rtr

    Presseschau

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    Strompreise: EU-Kommission verlängert Ausnahmen für Staatshilfen SÜDDEUTSCHE
    Mileis Sieg in Argentinien sorgt für lange Gesichter in Brüssel EURONEWS
    Ursula von der Leyen “unbeeindruckt” von neuer Kampagne Viktor Orbáns EURONEWS
    Bosnien und Herzegowina visiert EU-Beitrittsgespräche zum Jahresende an EURACTIV
    EU-Russland-Sanktionen scheitern an Komplexität und mangelnder Durchsetzung EURONEWS
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    EU einigt sich auf Verbot von Plastikmüllexporten ZFK
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    Standpunkt

    G20 Compact with Africa: Zusammenarbeit und Investitionen

    Von Steffen Meyer
    Dr. Steffen Meyer ist Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik im Bundeskanzleramt.

    Der 20. November stand im Zeichen der Zusammenarbeit mit Afrika. Morgens fand auf Einladung der Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft der “G20 Investment Summit” statt. Und ab dem frühen Nachmittag lud der Bundeskanzler zahlreiche Partner aus Afrika und der Welt zur “Konferenz zum G20 Compact with Africa 2023” ins Kanzleramt.

    2017 hat Deutschland als G20-Präsidentschaft den “G20 Compact with Africa” (CwA) ins Leben gerufen. Seitdem arbeitet die G20 im CwA mit reformorientierten afrikanischen Partnern eng zusammen an einem gemeinsamen Ziel: Mehr ausländische Privatinvestitionen durch Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den CwA-Ländern. Unterstützt werden die CwA-Länder dabei von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Afrikanischen Entwicklungsbank. Damit entstand ein einzigartiges multilaterales Partnerschaftsformat, von dem alle Beteiligten profitieren können. Mittlerweile hat sich der CwA als zentrales Format der Zusammenarbeit zwischen der G20 und afrikanischen Partnern fest etabliert – und trägt dabei auch der gewichtigen Rolle Afrikas in einer immer stärker multipolaren Welt Rechnung.

    CwA-Länder profitieren von Wirtschaftswachstum

    Der Blick auf die Zahlen des aktuellen CwA-Monitoringberichts zeigt: CwA-Länder – reformbedingt offener für Handel und ausländische Direktinvestitionen – konnten sich überdurchschnittlich stark von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erholen. Im vergangenen Jahr lag das Wirtschaftswachstum der CwA-Länder doppelt so hoch wie das der afrikanischen Nicht-CwA-Länder, der Exportzuwachs war fast vier Mal so hoch. Den CwA-Ländern gelang, insbesondere aufgrund des großen Volumens von Investitionen im erneuerbare Energien-Sektor in Ägypten und Marokko, eine Versechsfachung ausländischer Direktinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr.

    Das Interesse am CwA ist ungebrochen. Zu den bisher zwölf Compact-Staaten ist erst kürzlich die Demokratische Republik Kongo als 13. Mitglied neu hinzugekommen. Und weitere reformorientierte Staaten haben ihr Interesse an einem Beitritt bekundet und sitzen deshalb bei der CwA-Konferenz in Berlin bereits mit am Tisch. Bei dieser Konferenz strebt die Bundesregierung mit ihren Partnern konkrete Ergebnisse an.

    Bundesregierung bietet Finanzierungsangebote

    Zur Stärkung der Privatinvestitionen hat die Bundesregierung bereits kürzlich Anreize zur stärkeren Diversifizierung der Außenwirtschaftsbeziehungen beschlossen: Für Direktinvestitionen in bestimmte Staaten gelten von nun an günstigere Garantiekonditionen. Das gilt grundsätzlich auch für die CwA-Länder und soll dazu dienen, Lieferketten zu diversifizieren und resilienter zu machen. Letzteres gilt auch für eine engere Zusammenarbeit bei der nachhaltigen Gewinnung und lokalen Weiterverarbeitung von Rohstoffen, bei der die Bundesregierung der Maxime folgt: Partnerschaft und Wertschöpfung vor Ort statt Extraktivismus. Anknüpfen kann die Bundesregierung zudem an die erfolgreichen Initiativen “Africa Connect” und “Africa Grow” mit attraktiven Finanzierungsangeboten. Die von der Bundesregierung unterstützte Versicherungsagentur “African Trade and Investment Development Insurance” bietet Finanzprodukte zur Risikoabsicherung an und befördert grenzüberschreitenden Handel sowie ausländische Direktinvestitionen. Außerdem stärkt die Bundesregierung ihr vielfältiges Unterstützungsangebot, um die Einstiegsschwelle für Unternehmen in die CwA-Märkte zu reduzieren.

    Viele der CwA-Länder haben zudem exzellente Potenziale für erneuerbare Energien, während Deutschland perspektivisch einen Großteil seines Bedarfs an grünem Wasserstoff über Importe wird decken müssen. Die CwA-Konferenz soll daher einen Startschuss für die gestärkte und langfristig angelegte Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger Energieversorgung darstellen, lokal und für den Export von grünem Wasserstoff und Derivaten von Afrika nach Deutschland und Europa. Anknüpfen kann Deutschland dabei an die “Africa-EU Green Energy Initiative”, für die von der CwA-Konferenz ein weiterer Schub ausgehen soll. Durch ein Zusammenwirken öffentlicher und privater Investitionen soll über diese Initiative der Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika massiv vorangetrieben werden – für die lokale Energiewende, die industrielle Entwicklung Afrikas und den Export.

    Dr. Steffen Meyer ist der Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Klimapolitik im Bundeskanzleramt. In den Aufgabenbereich des Ökonomen fällt auch die Außenhandelsinitiativen der Bundesregierung. Meyer hat viele Jahre im Bundesfinanzministerium sowie beim Internationalen Währungsfonds gearbeitet.

    Europe.Table Redaktion

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