
AfD und Pegida sind mit ein Grund dafür, dass Hannah Neumann heute im EU-Parlament sitzt. Die promovierte Friedens- und Konfliktforscherin war 2016 so schockiert über den Aufstieg der Rechtsextremen in Deutschland, über den Brexit und die Wahl von Donald Trump, dass sie beschloss, sich politisch zu engagieren. Sie begann als Kreisvorsitzende für die Grünen in Berlin-Lichtenberg.
„Als jemand, der viel in Kriegsgebieten unterwegs war, habe ich gesehen, wie schnell aus Hass Gewalt wird, die eskaliert und eine Gesellschaft zerreißt“, sagt die 38-jährige Rheinland-Pfälzerin. Sie wollte wenigstens sagen können, dass sie etwas dagegen getan hatte, wenn es in Europa wirklich schiefgehen sollte. Bevor sie in die Politik ging, hatte Hannah Neumann als Konflikt- und Friedensforscherin an der FU Berlin untersucht, wie Friedensabkommen auf lokaler Ebene implementiert werden. Dafür war sie vor allem auf den Philippinen und in Liberia unterwegs.
Der Weg in die Politik erwies sich als der richtige. 2019 luden die Grünen sie ein, für das EU-Parlament zu kandidieren. „Und das hat erstaunlich gut geklappt.“
Waffenlieferungen in die Ukraine sind grüne Politik
In Brüssel und Straßburg bleibt sie an der Außenpolitik interessiert. Sie ist Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel und sitzt in mehreren Unterausschüssen wie Menschenrechte oder Sicherheit und Verteidigung. Allein in diesem Jahr reiste sie für das Europäische Parlament in den Irak, nach Katar, Afghanistan, Kuwait, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Kolumbien.
Doch auch in Europa gibt es angesichts des russischen Krieges in der Ukraine schon genug für eine außenpolitisch orientierte Abgeordnete zu tun. Wie viele linksorientierte Politiker hat sie in den letzten Monaten Positionen angenommen, die normalerweise als unvertretbar gelten. Neumann hingegen ist pragmatisch. „Bei den Waffenlieferungen in die Ukraine war mir von Anfang an klar, dass es in dieser Situation ehrlich gesagt ziemlich ‚grün‘ ist, Waffen zu liefern.“ Nur wenn das Völkerrecht respektiert werde, könne man über Abrüstung sprechen.
Die Erhöhung der Militärausgaben in den Staatshaushalten muss für eine Grüne schmerzhaft sein, oder? „Ich glaube, jeder würde das Geld lieber für den Klimaschutz ausgeben als für das Militär“, seufzt sie. Leider sei die Situation so, wie sie ist.
Engagement für Frauen in der Außenpolitik
Wiederum pragmatisch setzt sich Neumann jetzt für eine gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern in Europa ein. Man müsse aber darauf achten, dass die Rüstungskonzerne davon nicht unnötig profitieren. „Wir müssen sicherstellen, dass wir für das Geld auch viele Waffen bekommen“, sagt sie. Das Thema wird in den kommenden Monaten eine Priorität sein.
„Das sind schwierige politische Fragen, aber ich bin auf jeden Fall nicht in die Politik gegangen, um heilige grüne Positionen zu vertreten.“ Es gehe darum, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.
Die Pragmatikerin nimmt sich auch Zeit für ihre Ideale. Sie spricht oft über die Unterrepräsentation von Frauen in der von Männern dominierten Welt der Außenpolitik. In Brüssel, sagt Neumann, habe es eine Weile gedauert, bis man ihr zugehört habe. Deswegen macht sie bei „SHEcurity“ mit. Der Index zeigt geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf und sammelt Daten zu Politik, Diplomatie, Militär, Polizei, zivilen und militärischen Missionen sowie zur Wirtschaft. Das Ziel ist einfach: „Mehr Frauen in der Außen- und Sicherheitspolitik.“ Ella Joyner