für erhebliche Aufregung sorgte am Wochenende das Interview von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Taiwan-Konflikt. Mit seiner Haltung zu China und den USA spalte Macron Europa und führe den Kontinent in die geopolitische Isolation, empörte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen auf Twitter. Macron handele außerdem gegen den Geist von Ursula von der Leyens jüngster Grundsatzrede, analysiert Finn Mayer-Kuckuck und zeigt, wie dankbar Macrons Interview in China aufgenommen wird.
Zu energiepolitischer Unabhängigkeit sollen der EU grüner Wasserstoff und andere E-Fuels verhelfen. Doch den Markthochlauf synthetischer Kraftstoffe sehen Projektentwickler und Maschinenbauer durch Hürden für den Import gefährdet. Mein Kollege Markus Grabitz kennt die Fallstricke für saubere Kohlenstoffquellen.
Für Unruhe bei NGOs und Lobbyisten in Brüssel sorgten kurz vor Ostern Beschränkungen ganz anderer Art. Die Kommission schränkte die Informationen in ihrem Mitarbeiterverzeichnis Whoiswho ein – mehr dazu in den News.
Um mehr Transparenz speziell in den Märkten für Krypto-Assets geht es diesmal in den Heads: Lesen Sie ein Porträt des EP-Berichterstatters Stefan Berger.
Nur wenige Stunden nach einem Wohlfühl-Trip Emmanuel Macrons zusammen mit Xi Jinping nach Südchina hat die chinesische Marine ein großes Manöver um Taiwan begonnen. Während mehrere Flotten eine Blockade der taiwanischen Inseln übten, sprach Macron in einem Interview davon, Europa sollte “weder den USA noch China” in der Taiwanfrage folgen. Es solle seinen eigenen Weg gehen und so zur “dritten Supermacht” werden, so der französische Präsident in einem Interview mit der Zeitung “Les Echos”.
Macron widersprach damit zumindest dem Geist der offensiven Rede Ursula von der Leyens von vergangener Woche. Auch gegenüber Xi nannte die EU-Kommissionspräsidentin Gewalt inakzeptabel, um den Status quo zu ändern. Statt sich nun ebenfalls in eindeutigen Worten hinter Taiwan zu stellen, signalisierte Macron Indifferenz in dieser Frage und markierte sie als machtpolitisches Projekt der USA. Der deutsche Kanzler hatte anders als Macron trotz aller Unschärfe in seiner Politik klar vor einem Überfall auf Taiwan gewarnt.
Mehrere Flotten hatten zwischen Samstag bis Montagabend geübt, ganz Taiwan einzukreisen und den Schiffsverkehr zu blockieren. Fiktives Operationsziel war unter anderem ein Angriff auf die Hauptinsel durch einen Flugzeugträgerverband. Peking reagierte mit der Marineübung ausdrücklich auf das Treffen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in Los Angeles Ende vergangener Woche.
Die Volksbefreiungsarmee nannte die Armeeaktion eine “Warnung an separatistische Kräfte”. Die Flotten seien “nördlich und südlich der Insel Taiwan eingesetzt und patrouillieren den See- und Luftraum östlich davon”. Westlich von Taiwan liegt bekanntlich das chinesische Festland. Damit sind alle Richtungen abgedeckt. Anders als im August flogen aber keine Raketen über das taiwanische Kerngebiet hinweg.
Zwar war China respektvoll genug, das Manöver nicht schon am Donnerstag oder Freitag zu beginnen, als sowohl von der Leyen als auch Macron in Peking weilten. Am Freitag machte Macron noch seinen Abstecher ins südlich gelegene Guangzhou, bevor er nach Paris zurückflog. Der Ausflug zusammen mit Xi gilt als besondere Ehrbekundung für den französischen Präsidenten. China umwirbt ihn, weil er mit einer Wirtschaftsdelegation kam und sich grundsätzlich charmant und zugänglich gab. Macron spielte mit und zeigte sich gehörig begeistert von der Gastfreundschaft.
Xi nutzte die Gelegenheit vermutlich routinemäßig, um für eine Abkehr Frankreichs von der Zusammenarbeit mit den USA und eine Hinwendung zu China zu werben. Macron kam ihm mit dem Interview nun entgegen, indem er gleich zwei chinesische Narrative aufgriff:
Wenn die EU die Krise in der Ukraine nicht lösen könne, wie soll sie da etwas für Taiwan tun können, fragte Macron zudem fatalistisch.
Macrons Worte klingen in einem europäischen Kontext vielleicht angemessen und markieren keine völlig neue Position. Tatsächlich sucht Europa einen dritten, eigenständigen Weg. Xi wird sie aber als großen Erfolg verbuchen. Das schlechteste Szenario für die chinesische Diplomatie und Geostrategie ist ein festes amerikanisch-europäisches Bündnis. Ideal wäre, wenn sich Europa eindeutig China anschlösse, doch das wird nicht passieren. Fast ebenso gut ist aber eine Trennung der Blöcke, die China situationsbezogen ausnutzen kann, zumal die Europäer untereinander uneins sind. Im Rahmen des Möglichen gab Macron Xi nach dem freundlichen Besuch also das, was er wollte.
In China werden Macrons Worte folgerichtig so verstanden, dass die EU sich aus der Taiwanfrage heraushalten soll. Tatsächlich haben Staatsmedien Macrons Zitate so übersetzt, als habe er gesagt, Europa dürfe “kein Vasall” der Vereinigten Staaten werden und sich nicht in die “Konfrontation zwischen China und den USA in der Taiwanfrage” hineinziehen lassen. Das wäre die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, die China immer fordert. Macron äußerte sich von Paris aus nicht mehr zu der aggressiven Militärübung direkt am Anschluss an seinen Besuch. Der Auswärtige Dienst der EU meldete sich dagegen zu Wort und zeigte sich “besorgt” über das groß angelegte Manöver.
Die Sichtweise vom Engagement für Taiwan als reines Machtmittel der USA, die in chinesischer Lesart auch bei Macron durchschimmerte, fand sich am Montag auch in einem Meinungsartikel in der Zeitung der Volksbefreiungsarmee (PLA Daily, 解放军报). Die Sicherheitsgarantie der USA für Taiwan seien nichts wert, so der Tenor. In einem Rundumschlag ging es darin auch um die Nutzung der industriellen Abkopplung als geostrategische Waffe. Die Politik der USA dienten nur dazu, die Bewohner Taiwans gegen China aufzuhetzen, so die Militärzeitung. Die Ereignisse in Irak, Syrien, Afghanistan und der Ukraine zeigten, dass US-Versprechen den jeweiligen Ländern nichts nützen und sie nur destabilisierten.
Die EU ist gerade dabei, Handelshemmnisse für den Import von synthetischen Kraftstoffen aufzubauen. Der delegierte Rechtsakt, der die CO₂-Quellen von RFNBO definiert und derzeit von den Co-Gesetzgebern beraten wird, schraubt in Drittländern die Anforderungen an die Produktion höher als in der EU.
RFNBO (renewable fuels of non-biological origin) sind erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs wie etwa E-Fuels für den Betrieb von Flugzeugen, Schiffen und Autos. Die EU will laut REPowerEU 2030 jeweils zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff und seine Derivate aus heimischer Produktion und aus Drittländern beziehen.
Und das sind die Beschränkungen, die der delegierte Rechtsakt für importierte RFNBO vorsieht: Die Einfuhr soll unter zwei Bedingungen nicht erlaubt sein:
Erlaubt ist der Import von
Der delegierte Rechtsakt wird derzeit im Umweltausschuss (ENVI) des Europaparlaments und im Ministerrat beraten. Beobachter gehen davon aus, dass die Co-Gesetzgeber den Gesetzestext nicht beanstanden und er damit also in Kraft treten wird.
Innerhalb der EU sind die Kriterien an die CO₂-Anreicherung nicht so streng wie außerhalb. Hier ist für einen Übergangszeitraum auch CO₂ aus Punktemissionen erlaubt. So etwa bis zum Jahr 2036 CO₂ aus Kohlekraftwerken und bis 2041 CO₂ aus industriellen Prozessen wie etwa der Produktion von Zement und Stahl.
Mit der Ausgestaltung des Rechtsaktes verfolgt die Kommission die Absicht, der “Direct Air Capture”-Technologie bei der Produktion von synthetischen Kraftstoffen zum Durchbruch zu verhelfen. Tatsache ist aber: Diese Technologie ist zwar verfügbar, die industriellen Kosten sind aber noch zu hoch.
Bleibt es bei dem Rechtsakt, dann hätte dies Folgen: Die Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern, in denen Energie aus Sonne und Wind reichhaltig verfügbar ist, würde deutlich schwieriger. Der delegierte Rechtsakt würde etwa das Geschäft der Stiftung H₂ Global massiv erschweren. Sie will mit sonnen- und windreichen Ländern des Globalen Südens Energiepartnerschaften zur Produktion von RFNBO eingehen und hat dafür Zuschüsse in Höhe von 900 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium zur Verfügung.
Noch ist zudem unklar, welche Anforderungen die Kommission an die effektive CO₂-Bepreisung stellt, die sie zur Bedingung für Importe aus Drittländern macht. Würde das chinesische ETS anerkannt? In den USA verfügen nur einzelne Bundesstaaten über ein System zum Handel von Emissionsrechten. Länder wie Marokko, die Golfstaaten oder Chile und Argentinien haben noch keinen funktionierenden ETS. Das heißt: Importe aus diesen Regionen wären deutlich schwieriger oder völlig unmöglich.
Protest gegen die EU-Pläne kommt etwa von Thorsten Herdan, CEO EMEA von HIF. HIF ist bekannt geworden, weil das Unternehmen zusammen mit Porsche und Siemens Energy in Haru Oni in Chile eine Demonstrationsanlage für E-Fuels in Betrieb genommen hat. Das Unternehmen HIF baut aktuell in Chile, den USA und mehreren anderen Standorten Produktionsanlagen für E-Fuels für den industriellen Maßstab.
Herdan fordert die EU auf, den Rechtsakt noch einmal grundlegend zu überarbeiten: “Er darf mit Blick auf die Verwendung von industriellen CO₂-Emissionen in Staaten außerhalb der EU in der jetzigen Form keine Anwendung finden.” Der delegierte Rechtsakt würde Länder brüskieren, in denen HIF Projekte entwickele wie etwa Marokko, Chile, Uruguay, Australien oder auch die USA. “Die EU würde sich anmaßen, ihnen die Verwendung von CO₂ aus industriellen Prozessen für erneuerbare Kraftstoffe zu verbieten, was innerhalb der EU aber noch erlaubt wäre.”
Herdan kündigt an: “HIF wird in Chile ab 2027 140.000 Tonnen E-Methanol oder umgerechnet 70 Millionen Liter E-Benzin im Jahr herstellen.” Es werde noch einige Jahre dauern, bis Direct Air Capture im industriellen Maßstab wettbewerbsfähig sei. Derzeit habe HIF mehrere Optionen für die CO₂-Quelle bei der Produktion in Chile: Biomasse, flüssige CO₂-Quellen etwa aus der Bioethanol-Produktion in Brasilien oder Papierfabriken in Chile oder Industrieemissionen.
Auch Carola Kantz vom VDMA sieht die sehr restriktive Regelung zu den CO₂-Quellen für E-Fuels kritisch: “Natürlich wird Direct Air Capture in der Zukunft eine große Rolle spielen. Höchst fragwürdig ist aber, solche hohen Anforderungen schon in der Markthochlaufphase für E-Fuels zu stellen.”
Dass Importe von kohlenstoffhaltigen E-Fuels kategorisch aus Ländern ausgeschlossen werden, die keine “‘wirksame CO₂-Bepreisung” umsetzen, schließe eine große Anzahl an Ländern vom Markthochlauf aus. Die Kommission müsse erklären, “wie dieses Handelshemmnis überwunden werden kann”.
Eine Möglichkeit, die Handelshemmnisse auszugleichen, wäre über den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Konkrete Vorschläge dazu gibt es allerdings nicht.
12.04.2023 – 10:00-13:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
BEUC, Conference Upgraded homes for downgraded energy bills: home renovation made easy for consumers
The European Consumer Organisation (BEUC) will present two new studies on sustainable housing, the results of which will be explored and discussed. This event will also provide the consumer perspective on the revision of the Energy Performance of Buildings Directive, currently being negotiated by EU legislators . INFOS & ANMELDUNG
12.04.2023 – 13:00-15:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
HBS, Panel Discussion Building Europe’s energy future
The Heinrich Böll Foundation (HBS) will discuss the potential of the Green Deal Industrial Plan as an accelerator of the European energy transition with MEP Michael Bloss and other experts. INFOS & ANMELDUNG
12.04.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Brandenburg an der Havel
KAS, Diskussion Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert – Wie lösen wir die Herausforderungen der Zukunft im Sinne der sozialen Marktwirtschaft?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diskutiert mit MdB Jana Schimke über den Status der Sozialen Marktwirtschaft im Angesicht der gegenwärtigen Herausforderungen und wie die deutsche Wirtschaftspolitik mit diesen umgehen sollte. INFOS & ANMELDUNG
13.04.2023 – 13:00-16:45 Uhr, Berlin
KAS, Konferenz Geopolitik in der Tiefsee – Zwischen Meeresschutz und Rohstoffabbau für die Klimaneutralität
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) veranstaltet eine Fachkonferenz zur geopolitischen Bedeutung der Tiefsee in Hinblick auf dortige Rohstoffvorkommnisse. INFOS & ANMELDUNG
13.04.2023 – 18:00-20:00 Uhr, Leipzig
FES, Podiumsdiskussion Zeitenwende. Russlands Krieg und die Rolle Europas
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) diskutiert mit Experten aus Wissenschaft und Diplomatie wie eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa nach der Zeitenwende gestaltet werden kann und welche Rolle dabei Osteuropa zukommen soll. INFOS & ANMELDUNG
13.04.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
AI, Workshop U.S.-German Forum Future Agriculture
Das Aspen Institue (AI) bringt landwirtschaftliche Akteure aus Deutschland und den Vereinigten Staaten zusammen, um sich über Best Practices und innovative Lösungsansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft auszutauschen. INFOS
Die EU-Kommission will ihre Beamten stärker vor Lobbyismus schützen und hat darum die Informationen in ihrem Mitarbeiterverzeichnis “Whoiswho” eingeschränkt. “Die Europäische Kommission hat sich kürzlich der langjährigen Praxis des Europäischen Parlaments und des Generalsekretariats des Rates angeschlossen, die Veröffentlichung von Namen und Kontaktdaten im EU-Whoiswho auf Bedienstete in Führungspositionen zu beschränken, zum Beispiel auf Referatsleiter und höher[e Beamte]”, bestätigte ein Kommissionssprecher kurz vor den Osterfeiertagen.
Zuvor waren etwa auch abgekürzte Namen von einfachen Referenten im Whoiswho zu finden. Die neue Praxis sei auch in den nationalen Verwaltungen üblich, sagte der Kommissionssprecher. Zwar sei die Behörde zur Transparenz verpflichtet. “Die Kommission [hat aber auch] die Pflicht, ihr Personal zu schützen, insbesondere diejenigen, die mit sensiblen Vorgängen zu tun haben. Um zu vermeiden, dass diese Kollegen einem unangemessenen Druck von außen ausgesetzt sind, wurde der Zugang zu den Namen und Kontaktdaten von Mitarbeitern, die keine Führungskräfte sind, eingeschränkt.”
Die Maßnahme sei Teil der verstärkten Anstrengungen der Kommission im Bereich der Sicherheit und des Datenschutzes und trage dem Wunsch einiger Kollegen in nicht leitenden Positionen Rechnung, ihre Daten nicht im Whoiswho zu veröffentlichen. ber
Die FDP-Politikerin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, soll Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden. Diesen Vorschlag habe Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kurz vor Ostern Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemacht, berichtete die FAZ am Wochenende. Beers Nominierung für einen der acht Vizeposten lege nahe, dass die Bundesregierung nach der Amtszeit des EIB-Präsidenten Werner Hoyer keine Chancen mehr sehe, die Institutsspitze wieder mit einer Persönlichkeit aus Deutschland besetzen zu können.
Beer war bei der Europawahl 2019 noch als Spitzenkandidatin der FDP angetreten. Für die anstehende Wahl 2024 ist für diese Position laut Medienberichten aus dem März nun die Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitikerin Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch.
In der EIB läuft die Amtszeit Hoyers noch bis Jahresende. Das Ausscheiden des früheren FDP-Außenpolitikers reiht sich ein in eine Liste von prominenten Abgängen hochrangiger deutscher Vertreter aus Spitzenposten der EU. Man setze nun “auf eine besonders starke Vizepräsidentin [der EIB] sowie Personalvorschläge für andere EU-Institutionen“, heißt es laut FAZ aus Kreisen des FDP-geführten Finanzministeriums. ber
In Estland steht knapp fünf Wochen nach den Parlamentswahlen ein neues Regierungsbündnis. Die wirtschaftsliberale Reformpartei der amtierenden Ministerpräsidentin Kaja Kallas, die Sozialdemokraten (SDE) und die liberale Partei Eesti 200 stimmten am Samstag in Tallinn für einen Koalitionsvertrag, auf den sich die Parteien zuvor geeinigt hatten. Das Dreierbündnis kommt auf eine Mehrheit von 60 der 101 Sitze im Parlament des an Russland grenzenden EU- und Nato-Landes.
Kallas soll auch die kommende Regierung anführen. Im vorgelegten Koalitionsvertrag sind unter anderem eine Erhöhung der Mehrwert- und der Einkommensteuer sowie die Neueinführung einer Kfz-Steuer vorgesehen. Weiter geplant sind auch Klimareformen und eine engere Kooperation mit den baltischen und nordischen Nachbarstaaten – auch bei der weiteren Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine. Zur eigenen Sicherheit sollen Estlands Verteidigungsausgaben vier Jahre lang bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen.
Kallas’ Reformpartei holte bei der Wahl am 5. März einen klaren Sieg und bleibt damit die mit Abstand stärkste politische Kraft in Estland. Gegenwärtig führt Kallas ein Dreierbündnis mit SDE und der konservativen Partei Isamaa an. Der 2018 gegründeten Partei Eesti 200 gelang erstmals der Sprung in die Volksvertretung Riigikogu. dpa
Kommende Woche ist es so weit. Am 19. April stimmt das Europäische Parlament (EP) im Plenum über die neue Krypto-Regulierung (MiCA) in Europa ab. Zuständiger Berichterstatter im EP ist der Deutsche Stefan Berger, für den der europäische Vorstoß absolut überfällig war: “Die Kapitalisierung des Krypto-Asset-Marktes hat sich in den letzten beiden Jahren mehr als verdreifacht und lag zwischenzeitlich bei über zwei Billionen US-Dollar. Da war Handeln vonnöten.”
Mit der Regulierung sei nun unter anderem ein starker Verbraucherschutz durchgesetzt worden. So hätten die Verbraucher ein Umtauschrecht “und sie können ihre Coins in die ursprüngliche Währung zurückwechseln”.
Die Aufsicht über die neuen Krypto-Märkte in Europa übernehmen Berger zufolge die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die nationalen Aufsichtsbehörden. “In Deutschland ist dies die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin.” Reicht das aus, um Bitcoins & Co, die ja immer wieder in Verbindung mit Spekulation und Darknet genannt werden, als modernes Zahlungsmittel für jedermann zu etablieren?
“Ob Bitcoin oder andere Krypto-Assets – am Ende sollte immer der Markt, also der Verbraucher, selbst entscheiden, welche Zahlungsmittel er verwenden will. MiCA liefert die Entscheidungsgrundlage. Inwieweit Krypto-Assets künftig als Zahlungsmittel oder Wertspeicher genutzt werden, das muss sich erst noch zeigen”, sagt Berger.
Allerdings wäre für den EVP-Mann mit der neuen Regulierung eine Pleite wie der Kollaps der Kryptobörse FTX anders verlaufen: “Wäre MiCA schon in Kraft gewesen, hätte es sicherlich andere Instrumente gegeben, mit denen dieser Skandal aller Voraussicht nach so nicht passiert wäre.”
Berger erlebt derzeit seine erste Legislaturperiode in Brüssel. Für den verheirateten Vater einer Tochter, der eigentlich nie Berufspolitiker werden wollte – “man sollte immer ein zweites Standbein haben, sonst wird man schnell zum Spielball von Partei und Fraktion” – ist die Krypto-Regulierung ein echtes Highlight seiner Karriere: “Mit den neuen Vorschriften betreten wir absolutes Neuland. Daran mitzuwirken, ist schon etwas Besonderes. Dass Europa hier jetzt voranschreitet, hat international für Aufsehen und Anerkennung gesorgt.” Die USA wären beispielsweise gut beraten, “Inhalte der MiCA zu übernehmen, um Vertrauen im Krypto-Markt zu schaffen.”
Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler betont dabei vor allem den Innovationscharakter. “Ein Rahmen wie MiCA ist ein Innovationsbooster, weil er Rechtssicherheit und Vertrauen im Krypto-Markt schafft. Innovationen und neue Geschäftsmodelle sind auf dieses Vertrauen angewiesen.” Bevor der 53-Jährige sich auf dem europäischen Parkett der komplexen Krypto-Thematik widmete, war er fast 20 Jahre Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags.
In NRW ist der CDU-Politiker, der in Schwalmtal am Niederrhein beheimatet ist, unverändert stellvertretender Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Wenn seine Zeit es zulässt, “was selten genug der Fall ist”, zieht sich Berger gerne mit einem Buch zurück oder hört klassische Musik.
Innovation, aber auch Investitionen, besonders jene in eine funktionierende Infrastruktur, sowie wachstumsfördernde Reformen sind für den Ökonomen Berger die Schlüsselelemente für Europas Wettbewerbsfähigkeit. Der EVP-Mann, der im Wirtschafts- und Finanzausschuss des Europaparlaments sitzt, wird sich mit diesen Themen in den nächsten Monaten intensiv auseinandersetzen, wenn es um die Neuausrichtung der europäischen Schuldenregeln geht. Für ihn ist die Stoßrichtung dabei klar: Eine Feinjustierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts mag sinnvoll sein, aber das neue Regelwerk müsse “die finanzpolitische Solidität Europas garantieren, denn diese ist die Grundlage unserer ökonomischen Stärke”.
Allerdings sieht Berger den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten mit einer gewissen Sorge entgegen – vor allem jenen mit einer rot-grünen Ausrichtung. “Ich befürchte, wenn wir es nicht schaffen, neue, klare Regeln zu formulieren, die von numerischen Benchmarks unterstützt sind, dann wird es zu einer Aufweichung kommen, dann werden die Staaten zu Lasten der Stabilität Spielräume durchsetzen.”
Die Wirksamkeit öffentlicher Mittel sei künftig keineswegs garantiert, dies habe auch der Einsatz der Gelder aus dem Programm “NextGenEU” gezeigt: “Ich habe mal nachgefragt, welche Initiativen über die Zuschüsse entstanden sind, da konnte keiner so richtig Antwort geben.”
Verwiesen wurde lediglich auf eine Initiative in Spanien, wo die Gelder der EU zum Test der Viertage-Woche im Land eingesetzt wurden. Für Berger erhärtet sich damit der Eindruck auf, die Staaten hätten die EU-Zuschüsse “sehr gerne” zur Entlastung der nationalen Haushalte eingesetzt.
“Ich fasse das mal so zusammen”, sagt der Konservative, “das Strohfeuer zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist jetzt abgebrannt, ohne wirklich zukunftsträchtige ökonomische Wirkung zu entfalten. Eine neue Initiative mit Direktzahlungen an die Mitgliedstaaten, die über die EU finanziert und abgesichert sind, darf es deshalb nicht mehr geben.”
Eine ebenfalls kritische Haltung nimmt Berger hinsichtlich der Position der EVP zur italienischen Partei ‘Fratelli d’Italia’ ein. Er verstehe die Kontaktaufnahme des EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber zur italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, um Wege auszuloten, die Konservativen im Parlament zu stärken. Die politische Vergangenheit der Fratelli d’Italia sei jedoch problematisch.
Der CDU-Politiker rechnet damit, dass die EVP und damit auch die CDU/CSU auf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europa-Wahlkampf im kommenden Jahr setzen werden, sollte diese ein zweites Mandat anstreben. “Das ist wahrscheinlich unsere einzige Möglichkeit, als Christdemokraten Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen.”
Berger geht aber nicht davon aus, dass die amtierende Kommissionschefin einen zeitaufwendigen aktiven Wahlkampf betreiben wird. “Sie wird ihre Bekanntheit qua Amt nutzen.” In Deutschland werde seine Partei aber dennoch ein Gesicht für den Wahlkampf bekommen, aber die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat der Union werde “ins Europaparlament einziehen, nicht jedoch ins Brüsseler Berlaymont-Gebäude.” Christof Roche
für erhebliche Aufregung sorgte am Wochenende das Interview von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Taiwan-Konflikt. Mit seiner Haltung zu China und den USA spalte Macron Europa und führe den Kontinent in die geopolitische Isolation, empörte sich der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen auf Twitter. Macron handele außerdem gegen den Geist von Ursula von der Leyens jüngster Grundsatzrede, analysiert Finn Mayer-Kuckuck und zeigt, wie dankbar Macrons Interview in China aufgenommen wird.
Zu energiepolitischer Unabhängigkeit sollen der EU grüner Wasserstoff und andere E-Fuels verhelfen. Doch den Markthochlauf synthetischer Kraftstoffe sehen Projektentwickler und Maschinenbauer durch Hürden für den Import gefährdet. Mein Kollege Markus Grabitz kennt die Fallstricke für saubere Kohlenstoffquellen.
Für Unruhe bei NGOs und Lobbyisten in Brüssel sorgten kurz vor Ostern Beschränkungen ganz anderer Art. Die Kommission schränkte die Informationen in ihrem Mitarbeiterverzeichnis Whoiswho ein – mehr dazu in den News.
Um mehr Transparenz speziell in den Märkten für Krypto-Assets geht es diesmal in den Heads: Lesen Sie ein Porträt des EP-Berichterstatters Stefan Berger.
Nur wenige Stunden nach einem Wohlfühl-Trip Emmanuel Macrons zusammen mit Xi Jinping nach Südchina hat die chinesische Marine ein großes Manöver um Taiwan begonnen. Während mehrere Flotten eine Blockade der taiwanischen Inseln übten, sprach Macron in einem Interview davon, Europa sollte “weder den USA noch China” in der Taiwanfrage folgen. Es solle seinen eigenen Weg gehen und so zur “dritten Supermacht” werden, so der französische Präsident in einem Interview mit der Zeitung “Les Echos”.
Macron widersprach damit zumindest dem Geist der offensiven Rede Ursula von der Leyens von vergangener Woche. Auch gegenüber Xi nannte die EU-Kommissionspräsidentin Gewalt inakzeptabel, um den Status quo zu ändern. Statt sich nun ebenfalls in eindeutigen Worten hinter Taiwan zu stellen, signalisierte Macron Indifferenz in dieser Frage und markierte sie als machtpolitisches Projekt der USA. Der deutsche Kanzler hatte anders als Macron trotz aller Unschärfe in seiner Politik klar vor einem Überfall auf Taiwan gewarnt.
Mehrere Flotten hatten zwischen Samstag bis Montagabend geübt, ganz Taiwan einzukreisen und den Schiffsverkehr zu blockieren. Fiktives Operationsziel war unter anderem ein Angriff auf die Hauptinsel durch einen Flugzeugträgerverband. Peking reagierte mit der Marineübung ausdrücklich auf das Treffen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mit dem Sprecher des US-Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in Los Angeles Ende vergangener Woche.
Die Volksbefreiungsarmee nannte die Armeeaktion eine “Warnung an separatistische Kräfte”. Die Flotten seien “nördlich und südlich der Insel Taiwan eingesetzt und patrouillieren den See- und Luftraum östlich davon”. Westlich von Taiwan liegt bekanntlich das chinesische Festland. Damit sind alle Richtungen abgedeckt. Anders als im August flogen aber keine Raketen über das taiwanische Kerngebiet hinweg.
Zwar war China respektvoll genug, das Manöver nicht schon am Donnerstag oder Freitag zu beginnen, als sowohl von der Leyen als auch Macron in Peking weilten. Am Freitag machte Macron noch seinen Abstecher ins südlich gelegene Guangzhou, bevor er nach Paris zurückflog. Der Ausflug zusammen mit Xi gilt als besondere Ehrbekundung für den französischen Präsidenten. China umwirbt ihn, weil er mit einer Wirtschaftsdelegation kam und sich grundsätzlich charmant und zugänglich gab. Macron spielte mit und zeigte sich gehörig begeistert von der Gastfreundschaft.
Xi nutzte die Gelegenheit vermutlich routinemäßig, um für eine Abkehr Frankreichs von der Zusammenarbeit mit den USA und eine Hinwendung zu China zu werben. Macron kam ihm mit dem Interview nun entgegen, indem er gleich zwei chinesische Narrative aufgriff:
Wenn die EU die Krise in der Ukraine nicht lösen könne, wie soll sie da etwas für Taiwan tun können, fragte Macron zudem fatalistisch.
Macrons Worte klingen in einem europäischen Kontext vielleicht angemessen und markieren keine völlig neue Position. Tatsächlich sucht Europa einen dritten, eigenständigen Weg. Xi wird sie aber als großen Erfolg verbuchen. Das schlechteste Szenario für die chinesische Diplomatie und Geostrategie ist ein festes amerikanisch-europäisches Bündnis. Ideal wäre, wenn sich Europa eindeutig China anschlösse, doch das wird nicht passieren. Fast ebenso gut ist aber eine Trennung der Blöcke, die China situationsbezogen ausnutzen kann, zumal die Europäer untereinander uneins sind. Im Rahmen des Möglichen gab Macron Xi nach dem freundlichen Besuch also das, was er wollte.
In China werden Macrons Worte folgerichtig so verstanden, dass die EU sich aus der Taiwanfrage heraushalten soll. Tatsächlich haben Staatsmedien Macrons Zitate so übersetzt, als habe er gesagt, Europa dürfe “kein Vasall” der Vereinigten Staaten werden und sich nicht in die “Konfrontation zwischen China und den USA in der Taiwanfrage” hineinziehen lassen. Das wäre die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, die China immer fordert. Macron äußerte sich von Paris aus nicht mehr zu der aggressiven Militärübung direkt am Anschluss an seinen Besuch. Der Auswärtige Dienst der EU meldete sich dagegen zu Wort und zeigte sich “besorgt” über das groß angelegte Manöver.
Die Sichtweise vom Engagement für Taiwan als reines Machtmittel der USA, die in chinesischer Lesart auch bei Macron durchschimmerte, fand sich am Montag auch in einem Meinungsartikel in der Zeitung der Volksbefreiungsarmee (PLA Daily, 解放军报). Die Sicherheitsgarantie der USA für Taiwan seien nichts wert, so der Tenor. In einem Rundumschlag ging es darin auch um die Nutzung der industriellen Abkopplung als geostrategische Waffe. Die Politik der USA dienten nur dazu, die Bewohner Taiwans gegen China aufzuhetzen, so die Militärzeitung. Die Ereignisse in Irak, Syrien, Afghanistan und der Ukraine zeigten, dass US-Versprechen den jeweiligen Ländern nichts nützen und sie nur destabilisierten.
Die EU ist gerade dabei, Handelshemmnisse für den Import von synthetischen Kraftstoffen aufzubauen. Der delegierte Rechtsakt, der die CO₂-Quellen von RFNBO definiert und derzeit von den Co-Gesetzgebern beraten wird, schraubt in Drittländern die Anforderungen an die Produktion höher als in der EU.
RFNBO (renewable fuels of non-biological origin) sind erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs wie etwa E-Fuels für den Betrieb von Flugzeugen, Schiffen und Autos. Die EU will laut REPowerEU 2030 jeweils zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff und seine Derivate aus heimischer Produktion und aus Drittländern beziehen.
Und das sind die Beschränkungen, die der delegierte Rechtsakt für importierte RFNBO vorsieht: Die Einfuhr soll unter zwei Bedingungen nicht erlaubt sein:
Erlaubt ist der Import von
Der delegierte Rechtsakt wird derzeit im Umweltausschuss (ENVI) des Europaparlaments und im Ministerrat beraten. Beobachter gehen davon aus, dass die Co-Gesetzgeber den Gesetzestext nicht beanstanden und er damit also in Kraft treten wird.
Innerhalb der EU sind die Kriterien an die CO₂-Anreicherung nicht so streng wie außerhalb. Hier ist für einen Übergangszeitraum auch CO₂ aus Punktemissionen erlaubt. So etwa bis zum Jahr 2036 CO₂ aus Kohlekraftwerken und bis 2041 CO₂ aus industriellen Prozessen wie etwa der Produktion von Zement und Stahl.
Mit der Ausgestaltung des Rechtsaktes verfolgt die Kommission die Absicht, der “Direct Air Capture”-Technologie bei der Produktion von synthetischen Kraftstoffen zum Durchbruch zu verhelfen. Tatsache ist aber: Diese Technologie ist zwar verfügbar, die industriellen Kosten sind aber noch zu hoch.
Bleibt es bei dem Rechtsakt, dann hätte dies Folgen: Die Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern, in denen Energie aus Sonne und Wind reichhaltig verfügbar ist, würde deutlich schwieriger. Der delegierte Rechtsakt würde etwa das Geschäft der Stiftung H₂ Global massiv erschweren. Sie will mit sonnen- und windreichen Ländern des Globalen Südens Energiepartnerschaften zur Produktion von RFNBO eingehen und hat dafür Zuschüsse in Höhe von 900 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium zur Verfügung.
Noch ist zudem unklar, welche Anforderungen die Kommission an die effektive CO₂-Bepreisung stellt, die sie zur Bedingung für Importe aus Drittländern macht. Würde das chinesische ETS anerkannt? In den USA verfügen nur einzelne Bundesstaaten über ein System zum Handel von Emissionsrechten. Länder wie Marokko, die Golfstaaten oder Chile und Argentinien haben noch keinen funktionierenden ETS. Das heißt: Importe aus diesen Regionen wären deutlich schwieriger oder völlig unmöglich.
Protest gegen die EU-Pläne kommt etwa von Thorsten Herdan, CEO EMEA von HIF. HIF ist bekannt geworden, weil das Unternehmen zusammen mit Porsche und Siemens Energy in Haru Oni in Chile eine Demonstrationsanlage für E-Fuels in Betrieb genommen hat. Das Unternehmen HIF baut aktuell in Chile, den USA und mehreren anderen Standorten Produktionsanlagen für E-Fuels für den industriellen Maßstab.
Herdan fordert die EU auf, den Rechtsakt noch einmal grundlegend zu überarbeiten: “Er darf mit Blick auf die Verwendung von industriellen CO₂-Emissionen in Staaten außerhalb der EU in der jetzigen Form keine Anwendung finden.” Der delegierte Rechtsakt würde Länder brüskieren, in denen HIF Projekte entwickele wie etwa Marokko, Chile, Uruguay, Australien oder auch die USA. “Die EU würde sich anmaßen, ihnen die Verwendung von CO₂ aus industriellen Prozessen für erneuerbare Kraftstoffe zu verbieten, was innerhalb der EU aber noch erlaubt wäre.”
Herdan kündigt an: “HIF wird in Chile ab 2027 140.000 Tonnen E-Methanol oder umgerechnet 70 Millionen Liter E-Benzin im Jahr herstellen.” Es werde noch einige Jahre dauern, bis Direct Air Capture im industriellen Maßstab wettbewerbsfähig sei. Derzeit habe HIF mehrere Optionen für die CO₂-Quelle bei der Produktion in Chile: Biomasse, flüssige CO₂-Quellen etwa aus der Bioethanol-Produktion in Brasilien oder Papierfabriken in Chile oder Industrieemissionen.
Auch Carola Kantz vom VDMA sieht die sehr restriktive Regelung zu den CO₂-Quellen für E-Fuels kritisch: “Natürlich wird Direct Air Capture in der Zukunft eine große Rolle spielen. Höchst fragwürdig ist aber, solche hohen Anforderungen schon in der Markthochlaufphase für E-Fuels zu stellen.”
Dass Importe von kohlenstoffhaltigen E-Fuels kategorisch aus Ländern ausgeschlossen werden, die keine “‘wirksame CO₂-Bepreisung” umsetzen, schließe eine große Anzahl an Ländern vom Markthochlauf aus. Die Kommission müsse erklären, “wie dieses Handelshemmnis überwunden werden kann”.
Eine Möglichkeit, die Handelshemmnisse auszugleichen, wäre über den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Konkrete Vorschläge dazu gibt es allerdings nicht.
12.04.2023 – 10:00-13:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
BEUC, Conference Upgraded homes for downgraded energy bills: home renovation made easy for consumers
The European Consumer Organisation (BEUC) will present two new studies on sustainable housing, the results of which will be explored and discussed. This event will also provide the consumer perspective on the revision of the Energy Performance of Buildings Directive, currently being negotiated by EU legislators . INFOS & ANMELDUNG
12.04.2023 – 13:00-15:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
HBS, Panel Discussion Building Europe’s energy future
The Heinrich Böll Foundation (HBS) will discuss the potential of the Green Deal Industrial Plan as an accelerator of the European energy transition with MEP Michael Bloss and other experts. INFOS & ANMELDUNG
12.04.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Brandenburg an der Havel
KAS, Diskussion Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert – Wie lösen wir die Herausforderungen der Zukunft im Sinne der sozialen Marktwirtschaft?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) diskutiert mit MdB Jana Schimke über den Status der Sozialen Marktwirtschaft im Angesicht der gegenwärtigen Herausforderungen und wie die deutsche Wirtschaftspolitik mit diesen umgehen sollte. INFOS & ANMELDUNG
13.04.2023 – 13:00-16:45 Uhr, Berlin
KAS, Konferenz Geopolitik in der Tiefsee – Zwischen Meeresschutz und Rohstoffabbau für die Klimaneutralität
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) veranstaltet eine Fachkonferenz zur geopolitischen Bedeutung der Tiefsee in Hinblick auf dortige Rohstoffvorkommnisse. INFOS & ANMELDUNG
13.04.2023 – 18:00-20:00 Uhr, Leipzig
FES, Podiumsdiskussion Zeitenwende. Russlands Krieg und die Rolle Europas
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) diskutiert mit Experten aus Wissenschaft und Diplomatie wie eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa nach der Zeitenwende gestaltet werden kann und welche Rolle dabei Osteuropa zukommen soll. INFOS & ANMELDUNG
13.04.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
AI, Workshop U.S.-German Forum Future Agriculture
Das Aspen Institue (AI) bringt landwirtschaftliche Akteure aus Deutschland und den Vereinigten Staaten zusammen, um sich über Best Practices und innovative Lösungsansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft auszutauschen. INFOS
Die EU-Kommission will ihre Beamten stärker vor Lobbyismus schützen und hat darum die Informationen in ihrem Mitarbeiterverzeichnis “Whoiswho” eingeschränkt. “Die Europäische Kommission hat sich kürzlich der langjährigen Praxis des Europäischen Parlaments und des Generalsekretariats des Rates angeschlossen, die Veröffentlichung von Namen und Kontaktdaten im EU-Whoiswho auf Bedienstete in Führungspositionen zu beschränken, zum Beispiel auf Referatsleiter und höher[e Beamte]”, bestätigte ein Kommissionssprecher kurz vor den Osterfeiertagen.
Zuvor waren etwa auch abgekürzte Namen von einfachen Referenten im Whoiswho zu finden. Die neue Praxis sei auch in den nationalen Verwaltungen üblich, sagte der Kommissionssprecher. Zwar sei die Behörde zur Transparenz verpflichtet. “Die Kommission [hat aber auch] die Pflicht, ihr Personal zu schützen, insbesondere diejenigen, die mit sensiblen Vorgängen zu tun haben. Um zu vermeiden, dass diese Kollegen einem unangemessenen Druck von außen ausgesetzt sind, wurde der Zugang zu den Namen und Kontaktdaten von Mitarbeitern, die keine Führungskräfte sind, eingeschränkt.”
Die Maßnahme sei Teil der verstärkten Anstrengungen der Kommission im Bereich der Sicherheit und des Datenschutzes und trage dem Wunsch einiger Kollegen in nicht leitenden Positionen Rechnung, ihre Daten nicht im Whoiswho zu veröffentlichen. ber
Die FDP-Politikerin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer, soll Vizepräsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden. Diesen Vorschlag habe Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kurz vor Ostern Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemacht, berichtete die FAZ am Wochenende. Beers Nominierung für einen der acht Vizeposten lege nahe, dass die Bundesregierung nach der Amtszeit des EIB-Präsidenten Werner Hoyer keine Chancen mehr sehe, die Institutsspitze wieder mit einer Persönlichkeit aus Deutschland besetzen zu können.
Beer war bei der Europawahl 2019 noch als Spitzenkandidatin der FDP angetreten. Für die anstehende Wahl 2024 ist für diese Position laut Medienberichten aus dem März nun die Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitikerin Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch.
In der EIB läuft die Amtszeit Hoyers noch bis Jahresende. Das Ausscheiden des früheren FDP-Außenpolitikers reiht sich ein in eine Liste von prominenten Abgängen hochrangiger deutscher Vertreter aus Spitzenposten der EU. Man setze nun “auf eine besonders starke Vizepräsidentin [der EIB] sowie Personalvorschläge für andere EU-Institutionen“, heißt es laut FAZ aus Kreisen des FDP-geführten Finanzministeriums. ber
In Estland steht knapp fünf Wochen nach den Parlamentswahlen ein neues Regierungsbündnis. Die wirtschaftsliberale Reformpartei der amtierenden Ministerpräsidentin Kaja Kallas, die Sozialdemokraten (SDE) und die liberale Partei Eesti 200 stimmten am Samstag in Tallinn für einen Koalitionsvertrag, auf den sich die Parteien zuvor geeinigt hatten. Das Dreierbündnis kommt auf eine Mehrheit von 60 der 101 Sitze im Parlament des an Russland grenzenden EU- und Nato-Landes.
Kallas soll auch die kommende Regierung anführen. Im vorgelegten Koalitionsvertrag sind unter anderem eine Erhöhung der Mehrwert- und der Einkommensteuer sowie die Neueinführung einer Kfz-Steuer vorgesehen. Weiter geplant sind auch Klimareformen und eine engere Kooperation mit den baltischen und nordischen Nachbarstaaten – auch bei der weiteren Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine. Zur eigenen Sicherheit sollen Estlands Verteidigungsausgaben vier Jahre lang bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegen.
Kallas’ Reformpartei holte bei der Wahl am 5. März einen klaren Sieg und bleibt damit die mit Abstand stärkste politische Kraft in Estland. Gegenwärtig führt Kallas ein Dreierbündnis mit SDE und der konservativen Partei Isamaa an. Der 2018 gegründeten Partei Eesti 200 gelang erstmals der Sprung in die Volksvertretung Riigikogu. dpa
Kommende Woche ist es so weit. Am 19. April stimmt das Europäische Parlament (EP) im Plenum über die neue Krypto-Regulierung (MiCA) in Europa ab. Zuständiger Berichterstatter im EP ist der Deutsche Stefan Berger, für den der europäische Vorstoß absolut überfällig war: “Die Kapitalisierung des Krypto-Asset-Marktes hat sich in den letzten beiden Jahren mehr als verdreifacht und lag zwischenzeitlich bei über zwei Billionen US-Dollar. Da war Handeln vonnöten.”
Mit der Regulierung sei nun unter anderem ein starker Verbraucherschutz durchgesetzt worden. So hätten die Verbraucher ein Umtauschrecht “und sie können ihre Coins in die ursprüngliche Währung zurückwechseln”.
Die Aufsicht über die neuen Krypto-Märkte in Europa übernehmen Berger zufolge die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die nationalen Aufsichtsbehörden. “In Deutschland ist dies die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin.” Reicht das aus, um Bitcoins & Co, die ja immer wieder in Verbindung mit Spekulation und Darknet genannt werden, als modernes Zahlungsmittel für jedermann zu etablieren?
“Ob Bitcoin oder andere Krypto-Assets – am Ende sollte immer der Markt, also der Verbraucher, selbst entscheiden, welche Zahlungsmittel er verwenden will. MiCA liefert die Entscheidungsgrundlage. Inwieweit Krypto-Assets künftig als Zahlungsmittel oder Wertspeicher genutzt werden, das muss sich erst noch zeigen”, sagt Berger.
Allerdings wäre für den EVP-Mann mit der neuen Regulierung eine Pleite wie der Kollaps der Kryptobörse FTX anders verlaufen: “Wäre MiCA schon in Kraft gewesen, hätte es sicherlich andere Instrumente gegeben, mit denen dieser Skandal aller Voraussicht nach so nicht passiert wäre.”
Berger erlebt derzeit seine erste Legislaturperiode in Brüssel. Für den verheirateten Vater einer Tochter, der eigentlich nie Berufspolitiker werden wollte – “man sollte immer ein zweites Standbein haben, sonst wird man schnell zum Spielball von Partei und Fraktion” – ist die Krypto-Regulierung ein echtes Highlight seiner Karriere: “Mit den neuen Vorschriften betreten wir absolutes Neuland. Daran mitzuwirken, ist schon etwas Besonderes. Dass Europa hier jetzt voranschreitet, hat international für Aufsehen und Anerkennung gesorgt.” Die USA wären beispielsweise gut beraten, “Inhalte der MiCA zu übernehmen, um Vertrauen im Krypto-Markt zu schaffen.”
Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler betont dabei vor allem den Innovationscharakter. “Ein Rahmen wie MiCA ist ein Innovationsbooster, weil er Rechtssicherheit und Vertrauen im Krypto-Markt schafft. Innovationen und neue Geschäftsmodelle sind auf dieses Vertrauen angewiesen.” Bevor der 53-Jährige sich auf dem europäischen Parkett der komplexen Krypto-Thematik widmete, war er fast 20 Jahre Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags.
In NRW ist der CDU-Politiker, der in Schwalmtal am Niederrhein beheimatet ist, unverändert stellvertretender Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion. Wenn seine Zeit es zulässt, “was selten genug der Fall ist”, zieht sich Berger gerne mit einem Buch zurück oder hört klassische Musik.
Innovation, aber auch Investitionen, besonders jene in eine funktionierende Infrastruktur, sowie wachstumsfördernde Reformen sind für den Ökonomen Berger die Schlüsselelemente für Europas Wettbewerbsfähigkeit. Der EVP-Mann, der im Wirtschafts- und Finanzausschuss des Europaparlaments sitzt, wird sich mit diesen Themen in den nächsten Monaten intensiv auseinandersetzen, wenn es um die Neuausrichtung der europäischen Schuldenregeln geht. Für ihn ist die Stoßrichtung dabei klar: Eine Feinjustierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts mag sinnvoll sein, aber das neue Regelwerk müsse “die finanzpolitische Solidität Europas garantieren, denn diese ist die Grundlage unserer ökonomischen Stärke”.
Allerdings sieht Berger den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten mit einer gewissen Sorge entgegen – vor allem jenen mit einer rot-grünen Ausrichtung. “Ich befürchte, wenn wir es nicht schaffen, neue, klare Regeln zu formulieren, die von numerischen Benchmarks unterstützt sind, dann wird es zu einer Aufweichung kommen, dann werden die Staaten zu Lasten der Stabilität Spielräume durchsetzen.”
Die Wirksamkeit öffentlicher Mittel sei künftig keineswegs garantiert, dies habe auch der Einsatz der Gelder aus dem Programm “NextGenEU” gezeigt: “Ich habe mal nachgefragt, welche Initiativen über die Zuschüsse entstanden sind, da konnte keiner so richtig Antwort geben.”
Verwiesen wurde lediglich auf eine Initiative in Spanien, wo die Gelder der EU zum Test der Viertage-Woche im Land eingesetzt wurden. Für Berger erhärtet sich damit der Eindruck auf, die Staaten hätten die EU-Zuschüsse “sehr gerne” zur Entlastung der nationalen Haushalte eingesetzt.
“Ich fasse das mal so zusammen”, sagt der Konservative, “das Strohfeuer zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist jetzt abgebrannt, ohne wirklich zukunftsträchtige ökonomische Wirkung zu entfalten. Eine neue Initiative mit Direktzahlungen an die Mitgliedstaaten, die über die EU finanziert und abgesichert sind, darf es deshalb nicht mehr geben.”
Eine ebenfalls kritische Haltung nimmt Berger hinsichtlich der Position der EVP zur italienischen Partei ‘Fratelli d’Italia’ ein. Er verstehe die Kontaktaufnahme des EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber zur italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, um Wege auszuloten, die Konservativen im Parlament zu stärken. Die politische Vergangenheit der Fratelli d’Italia sei jedoch problematisch.
Der CDU-Politiker rechnet damit, dass die EVP und damit auch die CDU/CSU auf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europa-Wahlkampf im kommenden Jahr setzen werden, sollte diese ein zweites Mandat anstreben. “Das ist wahrscheinlich unsere einzige Möglichkeit, als Christdemokraten Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen.”
Berger geht aber nicht davon aus, dass die amtierende Kommissionschefin einen zeitaufwendigen aktiven Wahlkampf betreiben wird. “Sie wird ihre Bekanntheit qua Amt nutzen.” In Deutschland werde seine Partei aber dennoch ein Gesicht für den Wahlkampf bekommen, aber die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat der Union werde “ins Europaparlament einziehen, nicht jedoch ins Brüsseler Berlaymont-Gebäude.” Christof Roche