Table.Briefing: Europe

Kailis Einfluss + Überkapazitäten bei LNG-Terminals + Programm der Schweden

  • EP-Affäre um Kaili: Suche nach den Gegenleistungen
  • Wirtschaftsministerium rechnet mit Überkapazitäten bei LNG-Terminals
  • COP15: Streitpunkt Finanzierung und die Rolle der Privatwirtschaft
  • Termine
  • Schwedische Ratspräsidentschaft legt Arbeitsprogramm vor
  • EU und Asean stärken Kooperation bei ersten Gipfeltreffen
  • Von der Leyen will Beihilferegeln lockern
  • REPowerEU: Trilog-Einigung über die Finanzierung
  • EU-Parlament will Genehmigung von Erneuerbaren beschleunigen
  • Deutsche Wirtschaft kritisiert Gaspreisdeckel
  • AI Act: Nächste Verhandlungen im Parlament erst 2023
  • Standpunkt: Lukas Hermwille – Der Klimaklub kann noch immer etwas bewirken
Liebe Leserin, lieber Leser,

1,5 Millionen Euro haben die Ermittler im Korruptionsskandal um Eva Kaili sichergestellt – nun läuft die Suche nach möglichen Gegenleistungen, die die Ex-Vizepräsidentin des Europaparlaments erbracht haben könnte. Auf den Prüfstand sollen alle Entscheidungen in der Gesetzgebung kommen, an denen sie beteiligt war. Die Aufmerksamkeit richtet sich zudem auf Kailis Engagement für die umstrittenen Verbände SME Connect und Allied for Startups. Über die neuesten Entwicklungen berichten Markus Grabitz, Till Hoppe und Charlotte Wirth.

Auf 53 bis 68 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr beziffert das BMWK laut einem internen Papier die Kapazität der zehn geplanten schwimmenden LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste, die in diesem und im nächsten Winter in Betrieb gehen sollen. Zum Vergleich: 54 Milliarden Kubikmeter wurden 2021 aus Russland importiert. Und an Land sind weitere Terminals geplant. Nun räumt das BMWK ein, dass es mit diesen Planungen zu Überkapazitäten kommen wird. An das Terminal in Hamburg glaube das Ministerium offenbar nicht mehr, schreibt Malte Kreutzfeldt.

Tschechiens Ratspräsidentschaft neigt sich dem Ende zu, ab Januar übernimmt Schweden. Sicherheit, Resilienz, Wohlstand, demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit – diese vier Prioritäten hat das Land für seinen Vorsitz festgelegt. Gestern präsentierte Ministerpräsident Ulf Kristersson das schwedische Arbeitsprogramm. Die wichtigsten Punkte fasst Corinna Visser in den News zusammen. 

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Sarah Schaefer
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Analyse

EP-Affäre: Suche nach den Gegenleistungen

Die abgesetzte Vize-Präsidentin des Europaparlaments Eva Kaili bleibt in Haft. Ein angesetzter Termin vor dem Haftrichter in Brüssel konnte wegen eines Streiks des Gefängnispersonals nicht stattfinden. Der nächste Termin ist der 22. Dezember. Aus Kreisen der Ermittler wurde bekannt, dass ein Teil der großen Bargeldsummen aus Geldautomaten in Belgien stammt. Darüber erhoffen die Ermittler, Auskunft über die beteiligte Bank sowie den Inhaber eines Bankkontos zu bekommen.

Kaili, die von der S&D-Fraktion im Europaparlament und von der PASOK in Griechenland ausgeschlossen wurde, steht im Zentrum eines Korruptionsskandals, bei dem 1,5 Millionen Euro sichergestellt wurden. Sie leugnet die Vorwürfe, im Auftrag vom WM-Gastgeberland Katar Einfluss auf politische Entscheidungen genommen zu haben. Auch Marokko ist inzwischen als möglicher Auftraggeber im Gespräch.  

Kaili selbst gibt an, die große Menge Bargeld in ihrer Brüsseler Wohnung habe weder ihr noch ihrem Partner, sondern einem Dritten gehört. Das sagte einer ihrer Anwälte am Mittwochabend dem griechischen TV-Sender Skai. “Frau Kaili hat ihren Partner gefragt, was für Gelder das seien”, sagte der Anwalt. Der Lebenspartner habe erwidert, dass das Geld jemand anderem gehöre. “Darauf hin hat Frau Kaili gesagt, sie erlaube nicht, dass Gelder, die jemand anderem gehörten, in der gemeinsamen Wohnung aufbewahrt werden.” Kaili will den Angaben zufolge auf unschuldig plädieren

Engagement für umstrittene Verbände

Im Europaparlament geht die Suche danach weiter, welche Gegenleistung Kaili erbracht haben könnte. Es sollen alle Entscheidungen in der Gesetzgebung überprüft werden, an denen sie beteiligt war. Die Chefin des Verkehrsausschusses, Karima Delli (Grüne), will mögliche externe Einflussnahme auch beim Luftverkehrsabkommen mit Katar überprüfen, das gerade ratifiziert wird.

Als eine von 14 Vize-Präsidenten kümmerte sich Kaili vor allem um Technologiethemen wie Künstliche Intelligenz und Blockchain. Kritiker werfen ihr vor, die 44-Jährige habe sich dabei von den großen Digitalkonzernen einspannen lassen. “Sie engagierte sich in zwei von Big Tech finanzierten KMU- und Startup-Verbänden, SME Connect und Allied for Startups“, sagt Max Bank von Lobbycontrol zu Europe.Table.

Die Verbände hätten nur vorgetäuscht, die Interessen von Start-ups zu vertreten. Bereits im vergangenen Herbst hatten mehrere Abgeordnete angeprangert, die Konzerne versuchten über derartige Tarnorganisationen, laufende Gesetzgebungsvorhaben wie den Digital Services Act zu beeinflussen. Kaili saß bis zuletzt im Board der beiden Verbände – wie auch etliche weitere Europaabgeordnete.

EVP will Menschenrechtsresolutionen stoppen

Der Skandal ist erst in Umrissen bekannt. Außerhalb des Parlaments spielen offensichtlich NGOs wie Fight Impunity eine Rolle. Fight Impunity wurde von dem ehemaligen EU-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri gegründet. Weitere NGOs mit einem Fokus auf Menschenrechte, die an der gleichen Brüsseler Adresse gemeldet sind und ebenfalls von Panzeri gegründet wurden, werden ebenfalls genannt. Durchsuchungen gab es im Parlament bei Mitarbeitern, die im Unterausschuss für Menschenrechte arbeiten.

Jetzt rücken die Menschenrechtsresolutionen (“urgency resolutions”) in den Fokus, die in der Sitzungswoche in Straßburg immer am Donnerstag abgestimmt wurden. Auffällig lange soll dabei keine Resolution mehr abgestimmt worden, die die Besetzung der West-Sahara durch Marokko kritisiert. Die EVP-Fraktion hat entschieden, sich nicht mehr an den Resolutionen zu Menschenrechten zu beteiligen. “Bevor wir nicht jeden Einfluss auf die Resolutionen von außen ausschließen können, sollten wir das Verabschieden von weiteren Resolutionen stoppen”, heißt es bei der EVP.

Sonderausschuss soll Schwachstellen finden

Heute stimmt das Europaparlament eine Resolution ab, um die ersten Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen. Die zwischen den Fraktionen abgestimmte Resolution liegt Europe.Table vor. Die wesentlichen Punkte sind:

  • Ein Vize-Präsident soll künftig für den Kampf gegen Korruption und Einfluss von außen zuständig sein.
  • Ein Sonderausschuss soll die Schwachstellen im Parlament identifizieren.
  • Es soll mehr Geld und Personal für die Überprüfung des Transparenzregisters geben.
  • Das Transparenzregister soll auch Kontakte zu Drittstaaten erfassen.
  • Inoffizielle Freundschaftsgruppen sollen transparenter werden, es soll ein Register geben.

Auf mehr Kontrolle von NGOs konnten sich die Abgeordneten nicht einigen.

Nach den Transparenzregeln des Europaparlaments müssen Abgeordnete Geschenke im Wert von mehr als 150 Euro abgeben, die sie bei Delegationsreisen bekommen haben. In dieser Wahlperiode haben sieben Abgeordnete Geschenke abgeliefert (die Liste finden Sie hier). Bis auf einen Abgeordneten handelte es sich ausschließlich um deutsche Europaabgeordnete. Nur in einem Fall wurde der Wert mit mehr als 150 Euro angegeben. Dabei handelt es sich um ein Samsung-Tablet, das der Chef des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister (CDU), bei einem Besuch in Bahrain bekommen und abgegeben hat. mit Till Hoppe, Charlotte Wirth, dpa

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  • Digitalpolitik
  • Europäisches Parlament
  • Korruption
  • Lobbyismus

Wirtschaftsministerium rechnet mit Überkapazitäten bei LNG-Terminals

Auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) rechnet inzwischen mit deutlichen Überkapazitäten bei Planung und Bau für LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste. Wie aus einem vertraulichen Vorbereitungspapier für ein Treffen in dieser Woche im Kanzleramt hervorgeht, beziffert das Ministerium die Kapazität der zehn geplanten schwimmenden Terminals, die in diesem und nächsten Winter in Betrieb gehen sollen, auf 53 bis 68 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Allein das wäre mehr als die 54 Milliarden Kubikmeter, die im Jahr 2021 aus Russland importiert wurden.  

Zusätzlich sollen in den Jahren 2025 und 2026 drei feste Terminals an Land in Betrieb gehen, die ebenfalls auf eine Kapazität von bis zu 53 Milliarden Kubikmeter kommen. Zwar heißt es im Bericht, dass diese die schwimmenden Terminals am gleichen Ort ersetzen sollen – aber dem steht entgegen, dass die Mindestmietdauer für die vom Bund betriebenen Terminals zehn Jahre beträgt. Zumindest ein Teil der Kapazität stünde ab 2026 gleichzeitig zur Verfügung – und damit insgesamt weitaus mehr, als bisher per Pipeline aus Russland kam. 

Bisher waren es vor allem Akteure aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, darunter die Deutsche Umwelthilfe und das New Climate Institute, die die LNG-Pläne der Bundesregierung kritisiert und deutliche Überkapazitäten in Aussicht gestellt haben. Die Bundesregierung dagegen hat bisher keine Zahlengrundlage für ihre Planungen geliefert.

Nun kommt sie in Zugzwang: Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages die Regierung bereits Anfang November aufgefordert hatte, spätestens bis zum 15. Februar 2023 ein Gesamtkonzept zu den LNG-Plänen vorzulegen, hat das Gremium in seiner Bereinigungssitzung im November nach Informationen von Berlin.Table beschlossen, die vom Finanzministerium beantragten Gelder für ein sechstes schwimmendes Terminal zu sperren, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.  

Sinkender Gasverbrauch

Der interne Bericht bestätigt die absehbaren Überkapazitäten, kommentiert die Zahlen aber zurückhaltend: Insgesamt würde die “Kapazität der vorhandenen FSRUs sowie der landgebundenen Terminals das Niveau der 2021-Gasimportmengen aus Russland übersteigen”, heißt es. 

Faktisch fiele die Überkapazität noch sehr viel größer aus, als es allein die Zahlen der deutschen LNG-Terminals ausweisen. Denn im laufenden Jahr sind über die in der Vergangenheit kaum ausgelasteten Terminals in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Spanien rund 120 Milliarden Kubikmeter mehr Gas importiert worden als 2021 – was erklärt, warum der komplette Ausfall der Lieferungen aus Russland auch ohne zusätzliche Terminals bisher nicht zu Engpässen geführt hat.  

Damit nicht genug: Darüber hinaus sollen in anderen EU-Staaten bis 2025 neue schwimmende Terminals mit einer Kapazität von rund 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr entstehen, heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig ist der Gasverbrauch 2022 allein in der deutschen Industrie um 25 Prozent gesunken und das BMWK geht davon aus, dass diese Einsparung, die vor allem durch die Umstellung von Prozessen erreicht wurde, dauerhaft bleibt.  

Kaum Chancen für Terminal in Hamburg

Noch größer dürfte die Überkapazität ausfallen, wenn man den künftigen Gasverbrauch berücksichtigt. Das Wirtschaftsministerium schätzt, dass dieser von zuletzt rund 90 Milliarden Kubikmeter pro Jahr bis 2030 auf maximal 70 Milliarden Kubikmeter und bis 2040 auf 20 Milliarden Kubikmeter sinken wird.  

Die naheliegende Schlussfolgerung, deshalb die Zahl der schwimmenden Terminals zu begrenzen und auf die fest installierten komplett zu verzichten, diskutiert der Bericht nicht. Gewisse Abstriche sind aber bereits erkennbar: Für das sechste Terminal mit staatlicher Beteiligung, das in Hamburg vorgesehen war, sehe man “derzeit keine realistische Option auf Inbetriebnahme”, heißt es – offiziell “aufgrund von Leitungsengpässen”. Für die dauerhaften Terminals an Land merkt der Bericht an, dass es bisher in keinem Fall “eine finale Investitionsentscheidung” gebe, sondern dass vielmehr “Realisierungsrisiken” bestünden.  

Das Ministerium kommentierte den vertraulichen Bericht nicht, erklärte aber allgemein, dass es auch LNG-Projekte gebe, die sich zwar “in der Planungsphase befinden, deren Realisierungschancen aktuell aber noch mit Unsicherheiten behaftet sind”. Deshalb sei in den Planungen ein “Sicherheitspuffer eingeplant”. Zudem müssten die deutschen Pläne auch die Situation in den Nachbarländern berücksichtigen.

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  • Gaspreise
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COP15: Streitpunkt Finanzierung und die Rolle der Privatwirtschaft

Die Weltnaturkonferenz (CBD COP15) in Montréal geht in die entscheidende Phase. Offiziell noch bis zum 19. Dezember verhandeln die Vertragsstaaten der Convention on Biological Diversity über ein neues globales Abkommen zum Schutz der ökologischen Vielfalt.

Heute beginnt das sogenannte High-Level-Segment: Für die Umweltminister der teilnehmenden Staaten gilt es einen Berg an Aufgaben zu lösen. Zwar kam zuletzt etwas mehr Bewegung in die lange festgefahrenen Verhandlungen. Doch bei entscheidenden Fragen gab es bislang kaum Fortschritte, weshalb eine Verlängerung als sicher gilt.

Zentraler Punkt der Verhandlungen bleibt die Finanzierung. Insbesondere bei der Mobilisierung und gerechten Verteilung öffentlicher Ressourcen liegen die Positionen weit auseinander. Florika Fink-Hooijer von der DG ENVI der EU-Kommission äußerte in Montréal Verständnis für die Forderung der Entwicklungsländer nach einer höheren finanziellen Unterstützung. Sie betonte, die EU sei hierbei ein verlässlicher Partner. Dennoch: Forderungen nach mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr stehen Zusagen von bislang lediglich rund acht Milliarden gegenüber. In der Nacht zu Mittwoch verließen etliche Staaten des globalen Südens nach Berichten von Beobachtern frustriert den Verhandlungsraum.

Abbau umweltschädlicher Subventionen abgeschwächt

Auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen kommt der Klimaschutz nicht voran. Derzeit werden weltweit rund 1,8 Billionen Dollar an Steuergeldern jährlich in umweltschädliche Aktivitäten investiert, der Großteil davon in fossile Energien.

Doch das ursprüngliche Ziel, 500 Milliarden Dollar an schädlichen Subventionen jährlich abzuschaffen, wurde in den bisherigen Verhandlungen offenbar bereits deutlich abgeschwächt. Die konkrete Summe wird es wohl nicht in den Text schaffen und eine Gruppe an Staaten, darunter Brasilien, Argentinien, Indonesien, Japan und Indien, wehren sich vehement gegen die Formulierung “abschaffen”.

Derweil betonte Kanadas Umweltminister und COP-Gastgeber Steven Guilbeault die wichtige Rolle des Privatsektors. Nur mit öffentlichen Finanzmitteln könnten die Herausforderungen keinesfalls bewältigt werden. Die Zerstörung der Natur könne nur dann aufgehalten und umgekehrt werden, wenn auch die Privatwirtschaft auf die Biodiversität ausgerichtet wird.

Unternehmen fordern Berichtspflichten

Ziel 15 des Textentwurfs sieht für große Unternehmen Berichtspflichten zur Offenlegung ihrer Auswirkungen auf die Biodiversität vor. Daneben sollen die negativen Auswirkungen mindestens um die Hälfte reduziert und die positiven gesteigert werden. Doch auch dieses Ziel ist sehr umstritten. Schließlich würde eine entsprechende Vereinbarung enorme Anstrengungen auf nationaler Ebene nach sich ziehen, um für die entsprechenden Rechtsrahmen zu sorgen.

“Eine Umgestaltung des Marktes wird natürlich Zeit brauchen”, sagt WWF-Finanzexperte Florian Tietze zu Europe.Table. “Die Privatwirtschaft können wir schlecht auffordern, eine bestimmte Summe bereitzustellen. Aber wir können den entsprechenden Rahmen schaffen. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier etwas hinbekommen wie im Pariser Klimaabkommen, das die Angleichung der Finanzströme und der Wirtschaft an den 1,5-Grad-Pfad vorsieht.”

Unterstützung kommt aus der Privatwirtschaft selbst: “Make it mandatory” heißt die Kampagne der Initiative Business vor Nature, der sich mittlerweile rund 400 Unternehmen und Finanzinstitute angeschlossen haben. Sie fordern die verpflichtende Berichterstattung.

Daten aus den Lieferketten

“Die Offenlegung verbindlich zu machen ist wichtig, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen”, sagt Maelle Pelisson, Advocacy Director bei Business for Nature. “Etliche Unternehmen messen ihre Auswirkungen bereits auf freiwilliger Basis, aber sie sollten dafür nicht bestraft werden und durch die Funktionsweise des Marktes Wettbewerbsnachteile erleiden.”

Auch würden vergleichbare Berichtspflichten die Kontrolle der eigenen Wertschöpfungskette vereinfachen. Um die Auswirkungen der eigenen Produkte auf die Biodiversität zu messen und zu verbessern, müssen schließlich auch die Daten aus der Lieferkette erhoben werden. Das könne ohne Offenlegungspflichten mehrere Jahre dauern oder ganz scheitern.

Und schließlich gelten die Berichtspflichten als Voraussetzung für die Umleitung der Subventionen und die Angleichung der öffentlichen und privaten Finanzströme an die Biodiversitätsziele. Denn Investitionen in umweltfreundliche Unternehmenstätigkeiten könnten nur dann getätigt werden, wenn es vergleichbare Darstellungen gebe, so Pelisson.

EU-Verordnung gegen Entwaldung als Beispiel

Dabei ist das Abkommen, das in Montréal verhandelt wird, nicht unmittelbar bindend. Aber es gibt eine Richtschnur für alle Länder vor, die bis zur nächsten CBD COP in zwei Jahren in der Türkei nationale Strategiepläne zur Umsetzung und Finanzierung erarbeiten müssen. “Wir können hier keine seitenlangen Berichtspflichten verhandeln. Aber wir müssen es schaffen, konkret genug zu sein, um Handlungsbereiche und Maßnahmen zu identifizieren”, sagt Florian Tietze vom WWF.

Danach könnten die Länder im Best-Practice-Sinne voneinander lernen. Bestes Beispiel sei die neue Verordnung der EU für entwaldungsfreie Lieferketten. Die Umwandlung von Wald- in landwirtschaftliche Produktionsfläche gehört zu den größten Treibern des Biodiversitätsverlusts, und doch stellt sie nur einen Teil davon dar. Während Klimaberichterstattung hauptsächlich auf der Darstellung der Treibhausgasemissionen beruht, ist die Offenlegung der unternehmerischen Auswirkungen auf die ökologische Vielfalt ungleich komplizierter.

“Die Natur ist komplex, aber wir können sie aufschlüsseln und inzwischen kennen wir die fünf Hauptursachen für den Verlust der Natur”, sagt Nadine McCormick, Naturschutz-Expertin beim World Business Council for Sustainable Development. Die wichtigsten Treiber seien:

  • Landnutzungsänderung (darunter Entwaldung)
  • Übernutzung von Ressourcen
  • Umweltverschmutzung
  • Klimawandel
  • Invasive Arten

Leitlinien für die Berichterstattung in den jeweiligen Bereichen erstellen Arbeitsgruppen wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD). Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte unmittelbar nach ihrer Ankunft in Montreal gestern ein 29 Millionen Euro umfassendes Förderprogramm an. Dieses ist auf sechs Jahre angelegt, soll die naturbezogene Berichterstattung vorantreiben und die Arbeit der TNFD unterstützen.

Einer Studie des Swiss Re Institute zufolge hängen 55 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung von funktionierenden Ökosystemen ab. Gleichzeitig ist laut Weltbiodiversitätsrat rund eine Million von insgesamt geschätzten acht Millionen Arten vom Aussterben bedroht. Wissenschaftler sprechen vom sechsten großen Massensterben der Geschichte. Der Unterschied diesmal: Er ist menschengemacht.

  • Biodiversität
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  • IPBES
  • Klima & Umwelt
  • Umweltschutz

Termine

15.12.2022 – 09:30-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
EU Commission, Conference The new sustainability regulation from different angles: how to integrate it into food safety?
The event is a pre-event for the EU Food Safety Forum, which will take place in 2023. As well as food safety, the upcoming sustainability regulation will be discussed. INFOS & REGISTRATION

16.12.2022 – 09:30-11:00 Uhr, online
vbw, Seminar Wirtschaftshilfen und Sonderabgaben anlässlich der Energiepreiskrise
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) will über Details zu den Wirtschaftshilfen und Sonderabgaben der Bundesregierung informieren. INFOS

16.12.2022 – 10:30 Uhr, Berlin
EU-Parlament, Discussion Ukraine Testifies – Russian War Crimes and the Accountability Space in Ukraine
At this event, short films documenting war crimes in Ukraine as well as illustrating life in wartime will be displayed and discussed afterwards. REGISTRATION VIA MAIL

16.12.2022 – 12:00-13:30 Uhr, online
DGAP, Conference Europe at a Crossroads after Covid19 and the War in Ukraine
At this event organized by the German Council on Foreign Relations (DGAP), participants will develop proposals on how Germany and Italy can strengthen European cooperation in times of crisis. INFOS & REIGSTRATION

19.12.2022 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Vortrag Chinas Rolle im Systemwettbewerb – geo- und wirtschaftspolitische Strategien im Fokus
Der wachsende Einfluss Chinas und mögliche Reaktionen Deutschlands und Europas sind Themen dieser Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF). INFOS & ANMELDUNG

20.12.2022 – 11:00 Uhr, online
EBD, Diskussion De-Briefing Europäischer Rat
Anlässlich der Tagung des Europäischen Rates am 15.12.2022 lädt die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) zu einer Diskussion der Themen Ukraine-Krieg, Energiekrise, Sicherheitspolitik und Geopolitik ein. ANMELDUNG

20.12.2022 – 18:00-19:30 Uhr, Bonn
FES, Vortrag Ordnungspolitik neu denken: Der Staat als Unternehmer
Diese Ringvorlesung, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), befasst sich unter anderem mit den Fragen, was einen modernen und handlungsfähigen Staat auszeichnet und wie dieser effektiv und partizipativ sein kann. INFOS & ANMELDUNG

News

Schwedische Ratspräsidentschaft legt Arbeitsprogramm vor

Sicherheit, Resilienz, Wohlstand, demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit – das sind die vier Prioritäten der Ratspräsidentschaft Schwedens. Ministerpräsident Ulf Kristersson, Chef der bürgerlichen Moderaten, hat am Mittwoch in Stockholm das Arbeitsprogramm seines Landes präsentiert. Die Skandinavier lösen am 1. Januar 2023 die Tschechen ab und übernehmen für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union.

Die schwedische Präsidentschaft verschiebt den Fokus noch stärker auf Sicherheit und Resilienz. Im Oktober hatten sich in Schweden drei Parteien des rechten Lagers – konservative Moderate, Christdemokraten und Liberale – auf die Bildung einer Regierung geeinigt. Die Minderheitsregierung wird erstmals auch von den ultrarechten Schwedendemokraten unterstützt.

Eine Auswahl der wichtigsten Punkte, die Schweden vorantreiben will:

  • den Dialog über Rechtsstaatlichkeit mit den Mitgliedstaaten fortsetzen
  • den EU-Integrationsprozess der westlichen Balkanländer, der Ukraine und Moldawiens vorantreiben
  • angesichts der Europa-Wahl 2024 die Verhandlungen über die Verordnung über die Transparenz und die gezielte Ausrichtung politischer Werbung in der EU voranbringen
  • die Rolle der EU als Sicherheitsakteur in der Welt stärken
  • die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts für 2024 aussetzen
  • bei wichtigen Digitaldossiers wie eID, AI Act und Data Act die Trilog-Verhandlungen mit dem Parlament initiieren
  • im Bereich Energie die Triloge zur Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie vorantreiben.

Schweden ist der letzte Part im Dreiervorsitz Frankreich, Tschechien und Schweden. Das Trio hatte im Dezember 2021 eine gemeinsame strategische Agenda für 18 Monate vorgelegt. In der zweiten Jahreshälfte 2023 tritt mit der spanischen Ratspräsidentschaft ein neues Trio an, gemeinsam mit Belgien und Ungarn. vis

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EU und Asean stärken Kooperation bei ersten Gipfeltreffen

Die Europäische Union hat erstmals ein gemeinsames Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschef des Verbands südostasiatischer Nationen (Asean) abgehalten. Die beiden Organisationen einigten sich am Mittwoch auf eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der eine engere wirtschaftspolitische Kooperation betont wurde.

Die EU ist auf die Asean-Staaten wie Vietnam und Indonesien angewiesen, nicht zuletzt, um ihre Lieferketten unabhängiger von China zu gestalten. Brüssel wünscht sich auch eine klarere außenpolitische Positionierung der Asean-Staaten gegen China und Pekings Positionen, jedoch mit weniger Erfolg.

Eine Übersicht:

  • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte eine Investition von zehn Milliarden Euro im Rahmen der Infrastruktur-Initiative Global Gateway bis 2027 in der Asean-Region an. Damit sollen demnach vor allem Projekte für erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft vorangebracht werden. Konkrete Details zu den geplanten Projekten gab es zunächst nicht. Global Gateway werde die strategische Partnerschaft mit der Region weiter vertiefen, sagte von der Leyen.
  • Langfristig will die EU ein Freihandelsabkommen mit Asean anstreben, hieß es in der Abschlusserklärung. Bisher hat Brüssel diese nur mit Singapur und Vietnam. Die EU wolle sich zudem stärker in die regionalen Foren einbringen, um die Sicherheits-Architektur im Indo-Pazifik zu stärken, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Gipfeltreffen.
  • An anderen Stellen konnte jedoch keine Einigung gefunden werden: So konnte Brüssel die asiatischen Staaten nicht zu einer gemeinsamen Verurteilung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bewegen. In der Abschlusserklärung wurde lediglich festgehalten, dass die meisten Teilnehmerstaaten die Aggression Russlands gegen die Ukraine auf das Schärfste verurteilen. Als Grund nannten EU-Diplomaten die Position von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich auch bei der letzten großen Abstimmung zu einer kritischen UN-Resolution zu Russlands Krieg enthalten.
  • Auch Formulierungen zur “Ein-China-Politik” und Taiwan hatten vorab zu Debatten zwischen Vertretern beider Seiten geführt, die die Abschlusserklärung aushandelten. Das Thema wurde letztendlich deshalb gar nicht in das Statement aufgenommen. Bekräftigt wurde von beiden Seiten jedoch die Förderung der Sicherheit und Stabilität im Südchinesischen Meer. ari
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Von der Leyen will Beihilferegeln lockern

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Beihilferegeln für erneuerbare Energien und klimafreundliche Technologien lockern. In einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs für den Gipfel am Donnerstag schrieb sie, dass die EU eine vorübergehende Vereinfachung der Regeln prüfen sollte, um auf die hohen Energiepreise und den US-Inflation Reduction Act (IRA) zu reagieren. Eine solche Lockerung der Beihilferegeln fordert auch die Bundesregierung.

“Diese Änderungen könnten zu Beginn des Jahres 2023 umgesetzt werden”, schrieb von der Leyen. Das Thema ist in der Kommission nicht unumstritten: Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte vor dem Europaparlament, staatliche Unterstützung könne nicht alles leisten: “Staatliche Beihilfen können eine kurzfristige Lösung für die gegenwärtigen Herausforderungen sein, aber um auf der Weltbühne wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir weitere Anstrengungen unternehmen, um Hindernisse auf dem Binnenmarkt zu beseitigen, die leider immer noch bestehen.”

Die Bundesregierung argumentiert jedoch, dass auch die USA ihre Firmen beim Klimaschutz nun massiv fördere und die EU-Regeln einen Wettbewerbsnachteil darstellten. Auch von der Leyen verweist darauf, dass es eindeutige Risiken ungleicher Wettbewerbsbedingungen gebe.

Laut der Kommissionspräsidentin will die Behörde im Sommer 2023 konkrete Vorschläge für die Einrichtung eines Europäischen Souveränitätsfonds vorlegen. Dieser soll helfen, dass die EU-Wirtschaft eine weltweit führende Position im Bereich der sauberen Technologien einnehmen kann. Die Bundesregierung hält einen neuen Fonds für unnötig, weil genug öffentliches Geld aus bestehenden EU-Programmen bereitstehe. rtr

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REPowerEU: Trilog-Einigung über die Finanzierung

Europaabgeordnete, Rat und Kommission haben in den frühen Morgenstunden des gestrigen Mittwochs eine Einigung über die Finanzierung von REPowerEU erzielt. Durch die Einigung kommen Energieprojekte für eine Finanzierung aus dem 800 Milliarden Euro schweren Konjunkturfonds der EU infrage, der vor zwei Jahren im Zuge der COVID-19-Pandemie eingerichtet wurde.

Die Vereinbarung bedeutet, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Konjunktur- und Resilienzpläne Mittel aus dem 800-Milliarden-Euro-Fonds für Energieprojekte beantragen können. Das teilte der Rat in einer Erklärung mit. Das Abkommen muss noch von den EU-Institutionen formell gebilligt werden.

Der REPowerEU-Plan “wird uns in die Lage versetzen, die notwendigen Investitionen zu finanzieren“, um die Energieversorgung zu diversifizieren und den Ausstieg Europas aus der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu beschleunigen, sagte Zbyněk Stanjura, der tschechische Finanzminister, der die 27 EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen vertrat.

20 Milliarden Euro aus dem EU-Emissionshandelssystem

REPowerEU soll die Energieversorgung der EU diversifizieren und den Einsatz erneuerbarer Energien beschleunigen. Es zielt darauf ab, sich von russischen Energielieferungen zu emanzipieren. Europa sei bei Öl und Gas immer noch zu sehr von Russland abhängig, sagte Peter Liese (EVP), der dem Verhandlungsteam des Parlaments angehörte. “Wir haben seit Beginn des Krieges mehr als den russischen Militärhaushalt bezahlt. Und das müssen wir loswerden”, sagte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vor Journalisten.

Die Einigung stellt sicher, dass frisches Geld für die Finanzierung der REPowerEU-Ziele zur Verfügung steht, da den Mitgliedstaaten zusätzliche 20 Milliarden Euro an Zuschüssen zur Verfügung stehen, die aus dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) finanziert werden.

Von dieser Summe werden 8 Milliarden Euro (40 Prozent) aus der Vorabausstattung mit nationalen Zertifikaten stammen, die im Rahmen des ETS versteigert werden, während 12 Milliarden Euro (60 Prozent) aus dem Innovationsfonds des Kohlenstoffmarktes entnommen werden, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Parlaments.

Die Europäische Kommission schätzt den Bedarf an zusätzlichen Investitionen bis 2027 auf 210 Milliarden Euro. Andere Fonds, wie z. B. die Kohäsionsfonds, können dafür herangezogen werden. Die Vereinbarung muss nun formalisiert und vom Parlament und vom Rat offiziell angenommen werden. cst

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EU-Parlament will Genehmigung von Erneuerbaren beschleunigen

Für Anlagen der erneuerbaren Energien sollen grundsätzlich kürzere Genehmigungsfristen gelten. Spätestens nach anderthalb Jahren sollen Anlagen für Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse in Betrieb genommen werden. Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren hat das Europaparlament beschlossen. Sie will die Regelungen in den laufenden Trilog zur Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED 3) einfließen lassen und durchsetzen.

Es soll zwei Instrumente zur Beschleunigung geben:

  • Zum einen will das Parlament dafür sorgen, dass Anlagen automatisch genehmigt sind, wenn die Behörden Fristen für die Genehmigung überschreiten: Das Prinzip wird “positive Stille” genannt. Berichterstatter Markus Pieper (CDU): “Das wird das Problembewusstein in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten schärfen.” Diese Erleichterungen gelten für Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse. Die Genehmigung von kleinen Anlagen und das Repowering sollen in sechs Monaten genehmigt sein. Die Verfahren für Solaranlagen auf Dächern und Parkplätzen sollen in einem Monat abgeschlossen sein.  
  • Zum anderen soll es die Möglichkeit geben, “Beschleunigungsgebiete” auszuweisen. In ihnen sollen die Genehmigungsfristen noch einmal verkürzt werden. Der Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten nach der FFH-Richtlinie soll hier gelockert werden. Wenn die Art als solche in ihrem Bestand nicht gefährdet ist, soll die Anwesenheit einzelner Exemplare in einem Gebiet, wo eine Anlage gebaut werden soll, kein Hinderungsgrund für die Genehmigung mehr sein. Neue Anlagen sollen innerhalb von neun Monaten genehmigt werden, in Ausnahmen ist eine Verlängerung um drei Monate möglich.

Auch der Rat will die Verfahren mit einer auf ein Jahr befristeten Verordnung nach Artikel 122 beschleunigen, die von der Kommission entworfen wurde und der nur der Rat zustimmen muss. Die Ratsverordnung könnte Anfang 2023 in Kraft treten. Derzeit ist nicht klar, ob eine Mehrheit dafür zustande kommt. Der Beschluss des Europaparlaments muss im Trilog verhandelt werden und könnte frühestens 2024 in Kraft treten. mgr

  • FFH-Richtlinie

Deutsche Wirtschaft kritisiert Gaspreisdeckel

Energiewirtschaft und Industrie kritisieren den sich abzeichnenden Beschluss zum Gaspreisdeckel (Europe.Table berichtete). “Schon jetzt gibt es Meldungen, dass ICE als wichtigste Börse für den Gashandel in Europa die Sicherheitseinlagen um bis zu 80 Prozent anheben würde, sollte der Preisdeckel beschlossen werden”, sagte gestern Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU. “Die bereits hohe Liquiditätsbelastung der Energieversorgungsunternehmen wird dadurch zusätzlich verschärft.”

Einen Tag vor dem Energieministertreffen am Dienstag hatte sich bereits der BDEW ablehnend geäußert. “Sollte eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten dennoch einen Korrekturmechanismus befürworten, sind eine zeitliche Befristung auf maximal ein Jahr, eine einer Extremsituation angemessen hohe Auslöseschwelle, ein genaues Monitoring und ein klares und objektives Verfahren zur Aktivierung und Deaktivierung des Mechanismus unabdingbar”, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Zu Beginn der Ratssitzung hatte der BDI vor Engpässen bei Erdgas in den Jahren 2023 und 2024 für die Befüllung der Gasspeicher gewarnt, weil mit einem Preisdeckel wichtige Energieeinsparanreize verloren gehen würden. Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, sagte zudem: “Gaspreisdeckel sind riskant für Europas Versorgungssicherheit. Flüssiggasströme könnten in andere Regionen der Welt umgeleitet werden. Sie sind keine verlässliche Lösung für industrielle Gaskunden.” ber

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AI Act: Nächste Verhandlungen im Parlament erst 2023

Der neue Zeitplan für die Verhandlungen des AI Act im Parlament sieht keine Einigung mehr in diesem Jahr vor. Der ursprüngliche Zeitplan, noch im laufenden Jahr zu einem Kompromiss zu kommen, hat sich als zu optimistisch erwiesen. Auch ein weiteres Treffen auf politischer Ebene am Mittwoch führte zu keinen Entscheidungen. Der Rat hatte dagegen bereits am 6. Dezember eine allgemeine Ausrichtung beschlossen.

Berichterstatter Dragoș Tudorache (Renew, LIBE-Ausschuss) und die Schattenberichterstatter der anderen Fraktionen diskutierten am Mittwoch unter anderem über Artikel 51 (Registrierung) und Artikel 10 (Governance). Thema bei dem Treffen waren auch Allzweck-KI (General Purpose AI, GPAI) sowie Open Source AI und die Frage, inwieweit der AI Act auf sie anzuwenden sei. Berichterstatter Tudorache fragte die Positionen ab und kündigte an, dazu Vorschläge zu machen. Co-Berichterstatter Brando Benifei (S&D, IMCO-Ausschuss) ließ sich vertreten.

Die nächsten technischen Meetings finden erst wieder ab Mitte Januar statt, das nächste politische Treffen der Schattenberichterstatter ist für den 18. Januar angesetzt. Eine Abstimmung im Parlament ist also nicht vor Februar oder März zu erwarten. vis

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Standpunkt

Der Klimaklub kann noch immer etwas bewirken

Von Lukas Hermwille
Porträtfoto von Lukas Hermwille im Anzug vor einem neutralen Hintergrund. Im Standpunkt schreibt er über den G7-Klimaklub.
Lukas Hermwille forscht am Wuppertal Institut zu Fragen der globalen Energie-, Klima- und Verkehrspolitik.

Die Idee eines Klimaklubs, der das internationale Regime der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) ergänzt, wird in den Wirtschaftswissenschaften schon seit mehr als zehn Jahren diskutiert. Im Jahr 2015 schlug der Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus vor, dass die Mitglieder eines solchen Klubs ihre Emissionshandelssysteme oder CO2-Steuern untereinander koordinieren sollten. Zusätzlich sollten sie gemeinsam Außenzölle auf emissionsintensive Produkte aus Ländern erheben, die keine CO2-Preisinstrumente nutzen, um so etwaige Wettbewerbsnachteile für die heimische Industrie auszugleichen. 

Olaf Scholz, damals noch deutscher Finanzminister, brachte die Idee 2021 in die politische Debatte ein. Es zeigte sich jedoch, dass sich das Konzept eines Klimaklubs nach dem Modell von Nordhaus, das in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie so elegant klingt, in der politischen Praxis kaum umsetzen lässt. Zwar treibt die EU ihre Pläne für einen CO2-Außenzoll weiter voran.

Aber die Realität hat gezeigt, wie komplex es ist, verschiedene CO2-Preisinstrumente über die Grenzen von Staaten oder Staatenbündnissen hinweg zu koordinieren. So dauerten beispielsweise allein die bilateralen Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz zur Verknüpfung ihrer Emissionshandelssysteme fast zehn Jahre. Seit 2020 ist das Verknüpfungsabkommen nun in Kraft.

Kaum politische Resonanz

Die wesentliche Schwierigkeit aber war, dass die Nordhaussche Idee eines Klimaklubs kaum auf politische Resonanz bei den G7-Partnerländern und darüber hinaus stieß. Schon in der Abschlusserklärung des G7-Gipfels, der im vergangenen Juni auf Schloss Elmau stattfand, spielte sie eine Nebenrolle. Mit den jetzt veröffentlichten Terms of Reference, der Satzung für den G7-Klimaklub, geriet Nordhaus’ Konzept endgültig in die praktische Bedeutungslosigkeit

In dem Dokument heißt es nur noch, dass die Mitglieder des Klimaklubs “mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Messung und Berichterstattung von Emissionen sondieren und diskutieren” werden. Von einer Koordinierung und Abstimmung der CO2-Bepreisung ist nicht mehr die Rede.

Der Klimaklub ist nicht gescheitert

Gescheitert ist der Klimaklub deshalb aber nicht, im Gegenteil. Die jetzt verabschiedete Klimaklub-Satzung ist zwar kein Durchbruch. Aber sie eröffnet die Möglichkeit, die Idee konstruktiv weiterzuentwickeln – hin zu einem Instrument, mit dem die Transformation der Schwerindustrie zu einer klimafreundlichen Produktion ganz konkret unterstützt werden kann.

Der Fokus ergibt gleich aus mehreren Gründen Sinn. Noch vor wenigen Jahren galten die Zement-, Stahl- und chemische Grundstoffindustrie als “hard to abate“, als Branchen, deren Emissionen nur unter großen Schwierigkeiten auf null gebracht werden könnten. In den vergangenen Jahren hat sich die Industrie aber schon sehr stark bewegt. Zum Beispiel in der Stahlindustrie, wo eine ganze Reihe von großen Konzernen eigene Klimaschutzziele festgelegt und Investitionen in neue klimafreundliche Stahlwerke angekündigt haben.

Mehr Sicherheit für Investitionen

Um ihre Vorhaben in die Praxis umzusetzen, brauchen sie aber staatliche Unterstützung, etwa durch den Aufbau von notwendiger Wasserstoffinfrastruktur. Denn um grünen Stahl herzustellen, ist Wasserstoff nach dem derzeitigen Stand der Technik so gut wie unabdingbar. 

Eine andere Herausforderung ist, dass beispielsweise grüner Stahl auf absehbare Zeit teurer sein wird als konventionell hergestellter. Um in die klimafreundliche Produktion zu investieren, braucht die Industrie eine gewisse Sicherheit, dass sie auch zu den höheren Preisen Abnehmer finden wird. 

Wenn sich nun Staaten gemeinsam dazu bekennen, in einen Markt für klimafreundliche Produkte und die nötige Infrastruktur zu investieren, reduziert das die Unsicherheit der Industrie und die Entscheidung, ihrerseits in grüne Produktionsanlagen zu investieren, fällt den Unternehmen leichter. Internationale Abkommen wie der Klimaklub erhöhen die Glaubwürdigkeit der Versprechen.

Bessere Koordinierung als Aufgabe

Es gibt bereits eine Reihe von internationalen Initiativen, die in diese Richtung arbeiten. Was fehlt, ist jedoch eine zentrale Institution, die hilft, diese Initiativen aufeinander abzustimmen. Die Satzung definiert genau das als eine Funktion des G7-Klimaklubs. Er soll als “befähigender Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit, eine bessere Koordinierung und mögliche gemeinsame Maßnahmen” dienen. 

Die jetzt verabschiedeten Terms of Reference sind ein wichtiger Schritt, um den Klimaklub weiter zu operationalisieren. Sie verhindern, dass die Initiative nach dem Ende der deutschen G7-Präsidentschaft einfach im Sande verläuft: So legen sie fest, dass die IEA und die OECD ein Interimssekretariat für den Klimaklub einrichten sollen. Eine Arbeitsgruppe soll die weiteren Details unter Leitung Deutschlands leiten.

Damit der Klimaklub aber tatsächlich zu einem Erfolg werden kann, muss die Bundesregierung sehr viel konkreter für ihn werben und seinen Mehrwert noch klarer benennen: Er kann auf internationaler Ebene für einen Rahmen sorgen, der allen Beteiligten hilft, die Chancen der Transformation gemeinsam zu nutzen – vorausgesetzt, eine kritische Masse an Ländern schließt sich ihm an, und seine Regeln erreichen ein hinreichendes Maß an Verbindlichkeit. 

Bislang nur reine G7-Initiative

In der Vergangenheit lag der Fokus der internationalen Klimapolitik häufig darauf, die Lasten des Klimaschutzes gerecht zu verteilen. Auch die ursprüngliche Idee des Klimaklubs, wie William Nordhaus sie skizziert hat, verfolgt diesen Ansatz. Zuletzt wird jedoch immer deutlicher, dass auch die Frage, wie die Chancen der Transformation verteilt werden sollen, großes Konfliktpotenzial bietet. China ist bereits jetzt Technologieführer in einer ganzen Reihe von zentralen Industrien. Die USA haben mit dem Inflation Reduction Act ebenfalls ein Instrument geschaffen, um grüne Industrien im eigenen Land aufzubauen. 

Wenn nun alle gemeinsam mithilfe eines Klimaklubs die Chance erhalten sollen, von der Transformation zu profitieren, darf es dabei nicht nur um die Chancen der Industrieländer gehen. Auch die Schwellen- und Entwicklungsländer müssen mit einbezogen werden.

Hier liegt vielleicht der größte Schwachpunkt in der Satzung des G7-Klimaklubs: Anders als ursprünglich angekündigt ist es offensichtlich nicht gelungen, weitere Partnerländer über die G7 hinaus mit ins Boot zu holen. Das muss sich unbedingt ändern. Denn als reine G7-Initiative hat der Klub keine Überlebenschance. 

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • EP-Affäre um Kaili: Suche nach den Gegenleistungen
    • Wirtschaftsministerium rechnet mit Überkapazitäten bei LNG-Terminals
    • COP15: Streitpunkt Finanzierung und die Rolle der Privatwirtschaft
    • Termine
    • Schwedische Ratspräsidentschaft legt Arbeitsprogramm vor
    • EU und Asean stärken Kooperation bei ersten Gipfeltreffen
    • Von der Leyen will Beihilferegeln lockern
    • REPowerEU: Trilog-Einigung über die Finanzierung
    • EU-Parlament will Genehmigung von Erneuerbaren beschleunigen
    • Deutsche Wirtschaft kritisiert Gaspreisdeckel
    • AI Act: Nächste Verhandlungen im Parlament erst 2023
    • Standpunkt: Lukas Hermwille – Der Klimaklub kann noch immer etwas bewirken
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    1,5 Millionen Euro haben die Ermittler im Korruptionsskandal um Eva Kaili sichergestellt – nun läuft die Suche nach möglichen Gegenleistungen, die die Ex-Vizepräsidentin des Europaparlaments erbracht haben könnte. Auf den Prüfstand sollen alle Entscheidungen in der Gesetzgebung kommen, an denen sie beteiligt war. Die Aufmerksamkeit richtet sich zudem auf Kailis Engagement für die umstrittenen Verbände SME Connect und Allied for Startups. Über die neuesten Entwicklungen berichten Markus Grabitz, Till Hoppe und Charlotte Wirth.

    Auf 53 bis 68 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr beziffert das BMWK laut einem internen Papier die Kapazität der zehn geplanten schwimmenden LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste, die in diesem und im nächsten Winter in Betrieb gehen sollen. Zum Vergleich: 54 Milliarden Kubikmeter wurden 2021 aus Russland importiert. Und an Land sind weitere Terminals geplant. Nun räumt das BMWK ein, dass es mit diesen Planungen zu Überkapazitäten kommen wird. An das Terminal in Hamburg glaube das Ministerium offenbar nicht mehr, schreibt Malte Kreutzfeldt.

    Tschechiens Ratspräsidentschaft neigt sich dem Ende zu, ab Januar übernimmt Schweden. Sicherheit, Resilienz, Wohlstand, demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit – diese vier Prioritäten hat das Land für seinen Vorsitz festgelegt. Gestern präsentierte Ministerpräsident Ulf Kristersson das schwedische Arbeitsprogramm. Die wichtigsten Punkte fasst Corinna Visser in den News zusammen. 

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    EP-Affäre: Suche nach den Gegenleistungen

    Die abgesetzte Vize-Präsidentin des Europaparlaments Eva Kaili bleibt in Haft. Ein angesetzter Termin vor dem Haftrichter in Brüssel konnte wegen eines Streiks des Gefängnispersonals nicht stattfinden. Der nächste Termin ist der 22. Dezember. Aus Kreisen der Ermittler wurde bekannt, dass ein Teil der großen Bargeldsummen aus Geldautomaten in Belgien stammt. Darüber erhoffen die Ermittler, Auskunft über die beteiligte Bank sowie den Inhaber eines Bankkontos zu bekommen.

    Kaili, die von der S&D-Fraktion im Europaparlament und von der PASOK in Griechenland ausgeschlossen wurde, steht im Zentrum eines Korruptionsskandals, bei dem 1,5 Millionen Euro sichergestellt wurden. Sie leugnet die Vorwürfe, im Auftrag vom WM-Gastgeberland Katar Einfluss auf politische Entscheidungen genommen zu haben. Auch Marokko ist inzwischen als möglicher Auftraggeber im Gespräch.  

    Kaili selbst gibt an, die große Menge Bargeld in ihrer Brüsseler Wohnung habe weder ihr noch ihrem Partner, sondern einem Dritten gehört. Das sagte einer ihrer Anwälte am Mittwochabend dem griechischen TV-Sender Skai. “Frau Kaili hat ihren Partner gefragt, was für Gelder das seien”, sagte der Anwalt. Der Lebenspartner habe erwidert, dass das Geld jemand anderem gehöre. “Darauf hin hat Frau Kaili gesagt, sie erlaube nicht, dass Gelder, die jemand anderem gehörten, in der gemeinsamen Wohnung aufbewahrt werden.” Kaili will den Angaben zufolge auf unschuldig plädieren

    Engagement für umstrittene Verbände

    Im Europaparlament geht die Suche danach weiter, welche Gegenleistung Kaili erbracht haben könnte. Es sollen alle Entscheidungen in der Gesetzgebung überprüft werden, an denen sie beteiligt war. Die Chefin des Verkehrsausschusses, Karima Delli (Grüne), will mögliche externe Einflussnahme auch beim Luftverkehrsabkommen mit Katar überprüfen, das gerade ratifiziert wird.

    Als eine von 14 Vize-Präsidenten kümmerte sich Kaili vor allem um Technologiethemen wie Künstliche Intelligenz und Blockchain. Kritiker werfen ihr vor, die 44-Jährige habe sich dabei von den großen Digitalkonzernen einspannen lassen. “Sie engagierte sich in zwei von Big Tech finanzierten KMU- und Startup-Verbänden, SME Connect und Allied for Startups“, sagt Max Bank von Lobbycontrol zu Europe.Table.

    Die Verbände hätten nur vorgetäuscht, die Interessen von Start-ups zu vertreten. Bereits im vergangenen Herbst hatten mehrere Abgeordnete angeprangert, die Konzerne versuchten über derartige Tarnorganisationen, laufende Gesetzgebungsvorhaben wie den Digital Services Act zu beeinflussen. Kaili saß bis zuletzt im Board der beiden Verbände – wie auch etliche weitere Europaabgeordnete.

    EVP will Menschenrechtsresolutionen stoppen

    Der Skandal ist erst in Umrissen bekannt. Außerhalb des Parlaments spielen offensichtlich NGOs wie Fight Impunity eine Rolle. Fight Impunity wurde von dem ehemaligen EU-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri gegründet. Weitere NGOs mit einem Fokus auf Menschenrechte, die an der gleichen Brüsseler Adresse gemeldet sind und ebenfalls von Panzeri gegründet wurden, werden ebenfalls genannt. Durchsuchungen gab es im Parlament bei Mitarbeitern, die im Unterausschuss für Menschenrechte arbeiten.

    Jetzt rücken die Menschenrechtsresolutionen (“urgency resolutions”) in den Fokus, die in der Sitzungswoche in Straßburg immer am Donnerstag abgestimmt wurden. Auffällig lange soll dabei keine Resolution mehr abgestimmt worden, die die Besetzung der West-Sahara durch Marokko kritisiert. Die EVP-Fraktion hat entschieden, sich nicht mehr an den Resolutionen zu Menschenrechten zu beteiligen. “Bevor wir nicht jeden Einfluss auf die Resolutionen von außen ausschließen können, sollten wir das Verabschieden von weiteren Resolutionen stoppen”, heißt es bei der EVP.

    Sonderausschuss soll Schwachstellen finden

    Heute stimmt das Europaparlament eine Resolution ab, um die ersten Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen. Die zwischen den Fraktionen abgestimmte Resolution liegt Europe.Table vor. Die wesentlichen Punkte sind:

    • Ein Vize-Präsident soll künftig für den Kampf gegen Korruption und Einfluss von außen zuständig sein.
    • Ein Sonderausschuss soll die Schwachstellen im Parlament identifizieren.
    • Es soll mehr Geld und Personal für die Überprüfung des Transparenzregisters geben.
    • Das Transparenzregister soll auch Kontakte zu Drittstaaten erfassen.
    • Inoffizielle Freundschaftsgruppen sollen transparenter werden, es soll ein Register geben.

    Auf mehr Kontrolle von NGOs konnten sich die Abgeordneten nicht einigen.

    Nach den Transparenzregeln des Europaparlaments müssen Abgeordnete Geschenke im Wert von mehr als 150 Euro abgeben, die sie bei Delegationsreisen bekommen haben. In dieser Wahlperiode haben sieben Abgeordnete Geschenke abgeliefert (die Liste finden Sie hier). Bis auf einen Abgeordneten handelte es sich ausschließlich um deutsche Europaabgeordnete. Nur in einem Fall wurde der Wert mit mehr als 150 Euro angegeben. Dabei handelt es sich um ein Samsung-Tablet, das der Chef des Auswärtigen Ausschusses, David McAllister (CDU), bei einem Besuch in Bahrain bekommen und abgegeben hat. mit Till Hoppe, Charlotte Wirth, dpa

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    Wirtschaftsministerium rechnet mit Überkapazitäten bei LNG-Terminals

    Auch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) rechnet inzwischen mit deutlichen Überkapazitäten bei Planung und Bau für LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste. Wie aus einem vertraulichen Vorbereitungspapier für ein Treffen in dieser Woche im Kanzleramt hervorgeht, beziffert das Ministerium die Kapazität der zehn geplanten schwimmenden Terminals, die in diesem und nächsten Winter in Betrieb gehen sollen, auf 53 bis 68 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Allein das wäre mehr als die 54 Milliarden Kubikmeter, die im Jahr 2021 aus Russland importiert wurden.  

    Zusätzlich sollen in den Jahren 2025 und 2026 drei feste Terminals an Land in Betrieb gehen, die ebenfalls auf eine Kapazität von bis zu 53 Milliarden Kubikmeter kommen. Zwar heißt es im Bericht, dass diese die schwimmenden Terminals am gleichen Ort ersetzen sollen – aber dem steht entgegen, dass die Mindestmietdauer für die vom Bund betriebenen Terminals zehn Jahre beträgt. Zumindest ein Teil der Kapazität stünde ab 2026 gleichzeitig zur Verfügung – und damit insgesamt weitaus mehr, als bisher per Pipeline aus Russland kam. 

    Bisher waren es vor allem Akteure aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, darunter die Deutsche Umwelthilfe und das New Climate Institute, die die LNG-Pläne der Bundesregierung kritisiert und deutliche Überkapazitäten in Aussicht gestellt haben. Die Bundesregierung dagegen hat bisher keine Zahlengrundlage für ihre Planungen geliefert.

    Nun kommt sie in Zugzwang: Nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages die Regierung bereits Anfang November aufgefordert hatte, spätestens bis zum 15. Februar 2023 ein Gesamtkonzept zu den LNG-Plänen vorzulegen, hat das Gremium in seiner Bereinigungssitzung im November nach Informationen von Berlin.Table beschlossen, die vom Finanzministerium beantragten Gelder für ein sechstes schwimmendes Terminal zu sperren, um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen.  

    Sinkender Gasverbrauch

    Der interne Bericht bestätigt die absehbaren Überkapazitäten, kommentiert die Zahlen aber zurückhaltend: Insgesamt würde die “Kapazität der vorhandenen FSRUs sowie der landgebundenen Terminals das Niveau der 2021-Gasimportmengen aus Russland übersteigen”, heißt es. 

    Faktisch fiele die Überkapazität noch sehr viel größer aus, als es allein die Zahlen der deutschen LNG-Terminals ausweisen. Denn im laufenden Jahr sind über die in der Vergangenheit kaum ausgelasteten Terminals in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Spanien rund 120 Milliarden Kubikmeter mehr Gas importiert worden als 2021 – was erklärt, warum der komplette Ausfall der Lieferungen aus Russland auch ohne zusätzliche Terminals bisher nicht zu Engpässen geführt hat.  

    Damit nicht genug: Darüber hinaus sollen in anderen EU-Staaten bis 2025 neue schwimmende Terminals mit einer Kapazität von rund 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr entstehen, heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig ist der Gasverbrauch 2022 allein in der deutschen Industrie um 25 Prozent gesunken und das BMWK geht davon aus, dass diese Einsparung, die vor allem durch die Umstellung von Prozessen erreicht wurde, dauerhaft bleibt.  

    Kaum Chancen für Terminal in Hamburg

    Noch größer dürfte die Überkapazität ausfallen, wenn man den künftigen Gasverbrauch berücksichtigt. Das Wirtschaftsministerium schätzt, dass dieser von zuletzt rund 90 Milliarden Kubikmeter pro Jahr bis 2030 auf maximal 70 Milliarden Kubikmeter und bis 2040 auf 20 Milliarden Kubikmeter sinken wird.  

    Die naheliegende Schlussfolgerung, deshalb die Zahl der schwimmenden Terminals zu begrenzen und auf die fest installierten komplett zu verzichten, diskutiert der Bericht nicht. Gewisse Abstriche sind aber bereits erkennbar: Für das sechste Terminal mit staatlicher Beteiligung, das in Hamburg vorgesehen war, sehe man “derzeit keine realistische Option auf Inbetriebnahme”, heißt es – offiziell “aufgrund von Leitungsengpässen”. Für die dauerhaften Terminals an Land merkt der Bericht an, dass es bisher in keinem Fall “eine finale Investitionsentscheidung” gebe, sondern dass vielmehr “Realisierungsrisiken” bestünden.  

    Das Ministerium kommentierte den vertraulichen Bericht nicht, erklärte aber allgemein, dass es auch LNG-Projekte gebe, die sich zwar “in der Planungsphase befinden, deren Realisierungschancen aktuell aber noch mit Unsicherheiten behaftet sind”. Deshalb sei in den Planungen ein “Sicherheitspuffer eingeplant”. Zudem müssten die deutschen Pläne auch die Situation in den Nachbarländern berücksichtigen.

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    COP15: Streitpunkt Finanzierung und die Rolle der Privatwirtschaft

    Die Weltnaturkonferenz (CBD COP15) in Montréal geht in die entscheidende Phase. Offiziell noch bis zum 19. Dezember verhandeln die Vertragsstaaten der Convention on Biological Diversity über ein neues globales Abkommen zum Schutz der ökologischen Vielfalt.

    Heute beginnt das sogenannte High-Level-Segment: Für die Umweltminister der teilnehmenden Staaten gilt es einen Berg an Aufgaben zu lösen. Zwar kam zuletzt etwas mehr Bewegung in die lange festgefahrenen Verhandlungen. Doch bei entscheidenden Fragen gab es bislang kaum Fortschritte, weshalb eine Verlängerung als sicher gilt.

    Zentraler Punkt der Verhandlungen bleibt die Finanzierung. Insbesondere bei der Mobilisierung und gerechten Verteilung öffentlicher Ressourcen liegen die Positionen weit auseinander. Florika Fink-Hooijer von der DG ENVI der EU-Kommission äußerte in Montréal Verständnis für die Forderung der Entwicklungsländer nach einer höheren finanziellen Unterstützung. Sie betonte, die EU sei hierbei ein verlässlicher Partner. Dennoch: Forderungen nach mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr stehen Zusagen von bislang lediglich rund acht Milliarden gegenüber. In der Nacht zu Mittwoch verließen etliche Staaten des globalen Südens nach Berichten von Beobachtern frustriert den Verhandlungsraum.

    Abbau umweltschädlicher Subventionen abgeschwächt

    Auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen kommt der Klimaschutz nicht voran. Derzeit werden weltweit rund 1,8 Billionen Dollar an Steuergeldern jährlich in umweltschädliche Aktivitäten investiert, der Großteil davon in fossile Energien.

    Doch das ursprüngliche Ziel, 500 Milliarden Dollar an schädlichen Subventionen jährlich abzuschaffen, wurde in den bisherigen Verhandlungen offenbar bereits deutlich abgeschwächt. Die konkrete Summe wird es wohl nicht in den Text schaffen und eine Gruppe an Staaten, darunter Brasilien, Argentinien, Indonesien, Japan und Indien, wehren sich vehement gegen die Formulierung “abschaffen”.

    Derweil betonte Kanadas Umweltminister und COP-Gastgeber Steven Guilbeault die wichtige Rolle des Privatsektors. Nur mit öffentlichen Finanzmitteln könnten die Herausforderungen keinesfalls bewältigt werden. Die Zerstörung der Natur könne nur dann aufgehalten und umgekehrt werden, wenn auch die Privatwirtschaft auf die Biodiversität ausgerichtet wird.

    Unternehmen fordern Berichtspflichten

    Ziel 15 des Textentwurfs sieht für große Unternehmen Berichtspflichten zur Offenlegung ihrer Auswirkungen auf die Biodiversität vor. Daneben sollen die negativen Auswirkungen mindestens um die Hälfte reduziert und die positiven gesteigert werden. Doch auch dieses Ziel ist sehr umstritten. Schließlich würde eine entsprechende Vereinbarung enorme Anstrengungen auf nationaler Ebene nach sich ziehen, um für die entsprechenden Rechtsrahmen zu sorgen.

    “Eine Umgestaltung des Marktes wird natürlich Zeit brauchen”, sagt WWF-Finanzexperte Florian Tietze zu Europe.Table. “Die Privatwirtschaft können wir schlecht auffordern, eine bestimmte Summe bereitzustellen. Aber wir können den entsprechenden Rahmen schaffen. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier etwas hinbekommen wie im Pariser Klimaabkommen, das die Angleichung der Finanzströme und der Wirtschaft an den 1,5-Grad-Pfad vorsieht.”

    Unterstützung kommt aus der Privatwirtschaft selbst: “Make it mandatory” heißt die Kampagne der Initiative Business vor Nature, der sich mittlerweile rund 400 Unternehmen und Finanzinstitute angeschlossen haben. Sie fordern die verpflichtende Berichterstattung.

    Daten aus den Lieferketten

    “Die Offenlegung verbindlich zu machen ist wichtig, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen”, sagt Maelle Pelisson, Advocacy Director bei Business for Nature. “Etliche Unternehmen messen ihre Auswirkungen bereits auf freiwilliger Basis, aber sie sollten dafür nicht bestraft werden und durch die Funktionsweise des Marktes Wettbewerbsnachteile erleiden.”

    Auch würden vergleichbare Berichtspflichten die Kontrolle der eigenen Wertschöpfungskette vereinfachen. Um die Auswirkungen der eigenen Produkte auf die Biodiversität zu messen und zu verbessern, müssen schließlich auch die Daten aus der Lieferkette erhoben werden. Das könne ohne Offenlegungspflichten mehrere Jahre dauern oder ganz scheitern.

    Und schließlich gelten die Berichtspflichten als Voraussetzung für die Umleitung der Subventionen und die Angleichung der öffentlichen und privaten Finanzströme an die Biodiversitätsziele. Denn Investitionen in umweltfreundliche Unternehmenstätigkeiten könnten nur dann getätigt werden, wenn es vergleichbare Darstellungen gebe, so Pelisson.

    EU-Verordnung gegen Entwaldung als Beispiel

    Dabei ist das Abkommen, das in Montréal verhandelt wird, nicht unmittelbar bindend. Aber es gibt eine Richtschnur für alle Länder vor, die bis zur nächsten CBD COP in zwei Jahren in der Türkei nationale Strategiepläne zur Umsetzung und Finanzierung erarbeiten müssen. “Wir können hier keine seitenlangen Berichtspflichten verhandeln. Aber wir müssen es schaffen, konkret genug zu sein, um Handlungsbereiche und Maßnahmen zu identifizieren”, sagt Florian Tietze vom WWF.

    Danach könnten die Länder im Best-Practice-Sinne voneinander lernen. Bestes Beispiel sei die neue Verordnung der EU für entwaldungsfreie Lieferketten. Die Umwandlung von Wald- in landwirtschaftliche Produktionsfläche gehört zu den größten Treibern des Biodiversitätsverlusts, und doch stellt sie nur einen Teil davon dar. Während Klimaberichterstattung hauptsächlich auf der Darstellung der Treibhausgasemissionen beruht, ist die Offenlegung der unternehmerischen Auswirkungen auf die ökologische Vielfalt ungleich komplizierter.

    “Die Natur ist komplex, aber wir können sie aufschlüsseln und inzwischen kennen wir die fünf Hauptursachen für den Verlust der Natur”, sagt Nadine McCormick, Naturschutz-Expertin beim World Business Council for Sustainable Development. Die wichtigsten Treiber seien:

    • Landnutzungsänderung (darunter Entwaldung)
    • Übernutzung von Ressourcen
    • Umweltverschmutzung
    • Klimawandel
    • Invasive Arten

    Leitlinien für die Berichterstattung in den jeweiligen Bereichen erstellen Arbeitsgruppen wie die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD). Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte unmittelbar nach ihrer Ankunft in Montreal gestern ein 29 Millionen Euro umfassendes Förderprogramm an. Dieses ist auf sechs Jahre angelegt, soll die naturbezogene Berichterstattung vorantreiben und die Arbeit der TNFD unterstützen.

    Einer Studie des Swiss Re Institute zufolge hängen 55 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung von funktionierenden Ökosystemen ab. Gleichzeitig ist laut Weltbiodiversitätsrat rund eine Million von insgesamt geschätzten acht Millionen Arten vom Aussterben bedroht. Wissenschaftler sprechen vom sechsten großen Massensterben der Geschichte. Der Unterschied diesmal: Er ist menschengemacht.

    • Biodiversität
    • Industrie
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    Termine

    15.12.2022 – 09:30-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    EU Commission, Conference The new sustainability regulation from different angles: how to integrate it into food safety?
    The event is a pre-event for the EU Food Safety Forum, which will take place in 2023. As well as food safety, the upcoming sustainability regulation will be discussed. INFOS & REGISTRATION

    16.12.2022 – 09:30-11:00 Uhr, online
    vbw, Seminar Wirtschaftshilfen und Sonderabgaben anlässlich der Energiepreiskrise
    Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) will über Details zu den Wirtschaftshilfen und Sonderabgaben der Bundesregierung informieren. INFOS

    16.12.2022 – 10:30 Uhr, Berlin
    EU-Parlament, Discussion Ukraine Testifies – Russian War Crimes and the Accountability Space in Ukraine
    At this event, short films documenting war crimes in Ukraine as well as illustrating life in wartime will be displayed and discussed afterwards. REGISTRATION VIA MAIL

    16.12.2022 – 12:00-13:30 Uhr, online
    DGAP, Conference Europe at a Crossroads after Covid19 and the War in Ukraine
    At this event organized by the German Council on Foreign Relations (DGAP), participants will develop proposals on how Germany and Italy can strengthen European cooperation in times of crisis. INFOS & REIGSTRATION

    19.12.2022 – 18:00-19:00 Uhr, online
    FNF, Vortrag Chinas Rolle im Systemwettbewerb – geo- und wirtschaftspolitische Strategien im Fokus
    Der wachsende Einfluss Chinas und mögliche Reaktionen Deutschlands und Europas sind Themen dieser Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF). INFOS & ANMELDUNG

    20.12.2022 – 11:00 Uhr, online
    EBD, Diskussion De-Briefing Europäischer Rat
    Anlässlich der Tagung des Europäischen Rates am 15.12.2022 lädt die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) zu einer Diskussion der Themen Ukraine-Krieg, Energiekrise, Sicherheitspolitik und Geopolitik ein. ANMELDUNG

    20.12.2022 – 18:00-19:30 Uhr, Bonn
    FES, Vortrag Ordnungspolitik neu denken: Der Staat als Unternehmer
    Diese Ringvorlesung, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), befasst sich unter anderem mit den Fragen, was einen modernen und handlungsfähigen Staat auszeichnet und wie dieser effektiv und partizipativ sein kann. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Schwedische Ratspräsidentschaft legt Arbeitsprogramm vor

    Sicherheit, Resilienz, Wohlstand, demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit – das sind die vier Prioritäten der Ratspräsidentschaft Schwedens. Ministerpräsident Ulf Kristersson, Chef der bürgerlichen Moderaten, hat am Mittwoch in Stockholm das Arbeitsprogramm seines Landes präsentiert. Die Skandinavier lösen am 1. Januar 2023 die Tschechen ab und übernehmen für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union.

    Die schwedische Präsidentschaft verschiebt den Fokus noch stärker auf Sicherheit und Resilienz. Im Oktober hatten sich in Schweden drei Parteien des rechten Lagers – konservative Moderate, Christdemokraten und Liberale – auf die Bildung einer Regierung geeinigt. Die Minderheitsregierung wird erstmals auch von den ultrarechten Schwedendemokraten unterstützt.

    Eine Auswahl der wichtigsten Punkte, die Schweden vorantreiben will:

    • den Dialog über Rechtsstaatlichkeit mit den Mitgliedstaaten fortsetzen
    • den EU-Integrationsprozess der westlichen Balkanländer, der Ukraine und Moldawiens vorantreiben
    • angesichts der Europa-Wahl 2024 die Verhandlungen über die Verordnung über die Transparenz und die gezielte Ausrichtung politischer Werbung in der EU voranbringen
    • die Rolle der EU als Sicherheitsakteur in der Welt stärken
    • die allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts für 2024 aussetzen
    • bei wichtigen Digitaldossiers wie eID, AI Act und Data Act die Trilog-Verhandlungen mit dem Parlament initiieren
    • im Bereich Energie die Triloge zur Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie vorantreiben.

    Schweden ist der letzte Part im Dreiervorsitz Frankreich, Tschechien und Schweden. Das Trio hatte im Dezember 2021 eine gemeinsame strategische Agenda für 18 Monate vorgelegt. In der zweiten Jahreshälfte 2023 tritt mit der spanischen Ratspräsidentschaft ein neues Trio an, gemeinsam mit Belgien und Ungarn. vis

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    EU und Asean stärken Kooperation bei ersten Gipfeltreffen

    Die Europäische Union hat erstmals ein gemeinsames Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschef des Verbands südostasiatischer Nationen (Asean) abgehalten. Die beiden Organisationen einigten sich am Mittwoch auf eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der eine engere wirtschaftspolitische Kooperation betont wurde.

    Die EU ist auf die Asean-Staaten wie Vietnam und Indonesien angewiesen, nicht zuletzt, um ihre Lieferketten unabhängiger von China zu gestalten. Brüssel wünscht sich auch eine klarere außenpolitische Positionierung der Asean-Staaten gegen China und Pekings Positionen, jedoch mit weniger Erfolg.

    Eine Übersicht:

    • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte eine Investition von zehn Milliarden Euro im Rahmen der Infrastruktur-Initiative Global Gateway bis 2027 in der Asean-Region an. Damit sollen demnach vor allem Projekte für erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft vorangebracht werden. Konkrete Details zu den geplanten Projekten gab es zunächst nicht. Global Gateway werde die strategische Partnerschaft mit der Region weiter vertiefen, sagte von der Leyen.
    • Langfristig will die EU ein Freihandelsabkommen mit Asean anstreben, hieß es in der Abschlusserklärung. Bisher hat Brüssel diese nur mit Singapur und Vietnam. Die EU wolle sich zudem stärker in die regionalen Foren einbringen, um die Sicherheits-Architektur im Indo-Pazifik zu stärken, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Gipfeltreffen.
    • An anderen Stellen konnte jedoch keine Einigung gefunden werden: So konnte Brüssel die asiatischen Staaten nicht zu einer gemeinsamen Verurteilung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bewegen. In der Abschlusserklärung wurde lediglich festgehalten, dass die meisten Teilnehmerstaaten die Aggression Russlands gegen die Ukraine auf das Schärfste verurteilen. Als Grund nannten EU-Diplomaten die Position von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich auch bei der letzten großen Abstimmung zu einer kritischen UN-Resolution zu Russlands Krieg enthalten.
    • Auch Formulierungen zur “Ein-China-Politik” und Taiwan hatten vorab zu Debatten zwischen Vertretern beider Seiten geführt, die die Abschlusserklärung aushandelten. Das Thema wurde letztendlich deshalb gar nicht in das Statement aufgenommen. Bekräftigt wurde von beiden Seiten jedoch die Förderung der Sicherheit und Stabilität im Südchinesischen Meer. ari
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    Von der Leyen will Beihilferegeln lockern

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die Beihilferegeln für erneuerbare Energien und klimafreundliche Technologien lockern. In einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs für den Gipfel am Donnerstag schrieb sie, dass die EU eine vorübergehende Vereinfachung der Regeln prüfen sollte, um auf die hohen Energiepreise und den US-Inflation Reduction Act (IRA) zu reagieren. Eine solche Lockerung der Beihilferegeln fordert auch die Bundesregierung.

    “Diese Änderungen könnten zu Beginn des Jahres 2023 umgesetzt werden”, schrieb von der Leyen. Das Thema ist in der Kommission nicht unumstritten: Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte vor dem Europaparlament, staatliche Unterstützung könne nicht alles leisten: “Staatliche Beihilfen können eine kurzfristige Lösung für die gegenwärtigen Herausforderungen sein, aber um auf der Weltbühne wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir weitere Anstrengungen unternehmen, um Hindernisse auf dem Binnenmarkt zu beseitigen, die leider immer noch bestehen.”

    Die Bundesregierung argumentiert jedoch, dass auch die USA ihre Firmen beim Klimaschutz nun massiv fördere und die EU-Regeln einen Wettbewerbsnachteil darstellten. Auch von der Leyen verweist darauf, dass es eindeutige Risiken ungleicher Wettbewerbsbedingungen gebe.

    Laut der Kommissionspräsidentin will die Behörde im Sommer 2023 konkrete Vorschläge für die Einrichtung eines Europäischen Souveränitätsfonds vorlegen. Dieser soll helfen, dass die EU-Wirtschaft eine weltweit führende Position im Bereich der sauberen Technologien einnehmen kann. Die Bundesregierung hält einen neuen Fonds für unnötig, weil genug öffentliches Geld aus bestehenden EU-Programmen bereitstehe. rtr

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    • Klimaschutz

    REPowerEU: Trilog-Einigung über die Finanzierung

    Europaabgeordnete, Rat und Kommission haben in den frühen Morgenstunden des gestrigen Mittwochs eine Einigung über die Finanzierung von REPowerEU erzielt. Durch die Einigung kommen Energieprojekte für eine Finanzierung aus dem 800 Milliarden Euro schweren Konjunkturfonds der EU infrage, der vor zwei Jahren im Zuge der COVID-19-Pandemie eingerichtet wurde.

    Die Vereinbarung bedeutet, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Konjunktur- und Resilienzpläne Mittel aus dem 800-Milliarden-Euro-Fonds für Energieprojekte beantragen können. Das teilte der Rat in einer Erklärung mit. Das Abkommen muss noch von den EU-Institutionen formell gebilligt werden.

    Der REPowerEU-Plan “wird uns in die Lage versetzen, die notwendigen Investitionen zu finanzieren“, um die Energieversorgung zu diversifizieren und den Ausstieg Europas aus der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu beschleunigen, sagte Zbyněk Stanjura, der tschechische Finanzminister, der die 27 EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen vertrat.

    20 Milliarden Euro aus dem EU-Emissionshandelssystem

    REPowerEU soll die Energieversorgung der EU diversifizieren und den Einsatz erneuerbarer Energien beschleunigen. Es zielt darauf ab, sich von russischen Energielieferungen zu emanzipieren. Europa sei bei Öl und Gas immer noch zu sehr von Russland abhängig, sagte Peter Liese (EVP), der dem Verhandlungsteam des Parlaments angehörte. “Wir haben seit Beginn des Krieges mehr als den russischen Militärhaushalt bezahlt. Und das müssen wir loswerden”, sagte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vor Journalisten.

    Die Einigung stellt sicher, dass frisches Geld für die Finanzierung der REPowerEU-Ziele zur Verfügung steht, da den Mitgliedstaaten zusätzliche 20 Milliarden Euro an Zuschüssen zur Verfügung stehen, die aus dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) finanziert werden.

    Von dieser Summe werden 8 Milliarden Euro (40 Prozent) aus der Vorabausstattung mit nationalen Zertifikaten stammen, die im Rahmen des ETS versteigert werden, während 12 Milliarden Euro (60 Prozent) aus dem Innovationsfonds des Kohlenstoffmarktes entnommen werden, heißt es in einer Erklärung des Europäischen Parlaments.

    Die Europäische Kommission schätzt den Bedarf an zusätzlichen Investitionen bis 2027 auf 210 Milliarden Euro. Andere Fonds, wie z. B. die Kohäsionsfonds, können dafür herangezogen werden. Die Vereinbarung muss nun formalisiert und vom Parlament und vom Rat offiziell angenommen werden. cst

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    EU-Parlament will Genehmigung von Erneuerbaren beschleunigen

    Für Anlagen der erneuerbaren Energien sollen grundsätzlich kürzere Genehmigungsfristen gelten. Spätestens nach anderthalb Jahren sollen Anlagen für Energie aus Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse in Betrieb genommen werden. Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren hat das Europaparlament beschlossen. Sie will die Regelungen in den laufenden Trilog zur Richtlinie für Erneuerbare Energien (RED 3) einfließen lassen und durchsetzen.

    Es soll zwei Instrumente zur Beschleunigung geben:

    • Zum einen will das Parlament dafür sorgen, dass Anlagen automatisch genehmigt sind, wenn die Behörden Fristen für die Genehmigung überschreiten: Das Prinzip wird “positive Stille” genannt. Berichterstatter Markus Pieper (CDU): “Das wird das Problembewusstein in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten schärfen.” Diese Erleichterungen gelten für Wind, Sonne, Wasserkraft und Biomasse. Die Genehmigung von kleinen Anlagen und das Repowering sollen in sechs Monaten genehmigt sein. Die Verfahren für Solaranlagen auf Dächern und Parkplätzen sollen in einem Monat abgeschlossen sein.  
    • Zum anderen soll es die Möglichkeit geben, “Beschleunigungsgebiete” auszuweisen. In ihnen sollen die Genehmigungsfristen noch einmal verkürzt werden. Der Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten nach der FFH-Richtlinie soll hier gelockert werden. Wenn die Art als solche in ihrem Bestand nicht gefährdet ist, soll die Anwesenheit einzelner Exemplare in einem Gebiet, wo eine Anlage gebaut werden soll, kein Hinderungsgrund für die Genehmigung mehr sein. Neue Anlagen sollen innerhalb von neun Monaten genehmigt werden, in Ausnahmen ist eine Verlängerung um drei Monate möglich.

    Auch der Rat will die Verfahren mit einer auf ein Jahr befristeten Verordnung nach Artikel 122 beschleunigen, die von der Kommission entworfen wurde und der nur der Rat zustimmen muss. Die Ratsverordnung könnte Anfang 2023 in Kraft treten. Derzeit ist nicht klar, ob eine Mehrheit dafür zustande kommt. Der Beschluss des Europaparlaments muss im Trilog verhandelt werden und könnte frühestens 2024 in Kraft treten. mgr

    • FFH-Richtlinie

    Deutsche Wirtschaft kritisiert Gaspreisdeckel

    Energiewirtschaft und Industrie kritisieren den sich abzeichnenden Beschluss zum Gaspreisdeckel (Europe.Table berichtete). “Schon jetzt gibt es Meldungen, dass ICE als wichtigste Börse für den Gashandel in Europa die Sicherheitseinlagen um bis zu 80 Prozent anheben würde, sollte der Preisdeckel beschlossen werden”, sagte gestern Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU. “Die bereits hohe Liquiditätsbelastung der Energieversorgungsunternehmen wird dadurch zusätzlich verschärft.”

    Einen Tag vor dem Energieministertreffen am Dienstag hatte sich bereits der BDEW ablehnend geäußert. “Sollte eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten dennoch einen Korrekturmechanismus befürworten, sind eine zeitliche Befristung auf maximal ein Jahr, eine einer Extremsituation angemessen hohe Auslöseschwelle, ein genaues Monitoring und ein klares und objektives Verfahren zur Aktivierung und Deaktivierung des Mechanismus unabdingbar”, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

    Zu Beginn der Ratssitzung hatte der BDI vor Engpässen bei Erdgas in den Jahren 2023 und 2024 für die Befüllung der Gasspeicher gewarnt, weil mit einem Preisdeckel wichtige Energieeinsparanreize verloren gehen würden. Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, sagte zudem: “Gaspreisdeckel sind riskant für Europas Versorgungssicherheit. Flüssiggasströme könnten in andere Regionen der Welt umgeleitet werden. Sie sind keine verlässliche Lösung für industrielle Gaskunden.” ber

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    AI Act: Nächste Verhandlungen im Parlament erst 2023

    Der neue Zeitplan für die Verhandlungen des AI Act im Parlament sieht keine Einigung mehr in diesem Jahr vor. Der ursprüngliche Zeitplan, noch im laufenden Jahr zu einem Kompromiss zu kommen, hat sich als zu optimistisch erwiesen. Auch ein weiteres Treffen auf politischer Ebene am Mittwoch führte zu keinen Entscheidungen. Der Rat hatte dagegen bereits am 6. Dezember eine allgemeine Ausrichtung beschlossen.

    Berichterstatter Dragoș Tudorache (Renew, LIBE-Ausschuss) und die Schattenberichterstatter der anderen Fraktionen diskutierten am Mittwoch unter anderem über Artikel 51 (Registrierung) und Artikel 10 (Governance). Thema bei dem Treffen waren auch Allzweck-KI (General Purpose AI, GPAI) sowie Open Source AI und die Frage, inwieweit der AI Act auf sie anzuwenden sei. Berichterstatter Tudorache fragte die Positionen ab und kündigte an, dazu Vorschläge zu machen. Co-Berichterstatter Brando Benifei (S&D, IMCO-Ausschuss) ließ sich vertreten.

    Die nächsten technischen Meetings finden erst wieder ab Mitte Januar statt, das nächste politische Treffen der Schattenberichterstatter ist für den 18. Januar angesetzt. Eine Abstimmung im Parlament ist also nicht vor Februar oder März zu erwarten. vis

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    • Europäisches Parlament
    • Künstliche Intelligenz
    • Künstliche Intelligenz-Verordnung

    Presseschau

    EU-Asean-Treffen: Keine gemeinsame Verurteilung Russlands DEUTSCHLANDFUNK
    Scholz kündigt neue EU-Sanktionen gegen Russland an BOERSEN-ZEITUNG
    Scholz erwartet “früher oder später” Einigung auf EU-Gaspreisdeckel BOERSE
    Unter Korruptionsverdacht stehende EU-Politikerin Kaili bleibt in Untersuchungshaft STERN
    Nach Skandal um Kaili: EU-Parlament will zunächst Arbeit zu Katar aussetzen WELT
    EU-Korruptionsskandal: Fast 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt TAGESSCHAU
    Sacharow-Preis verliehen: EU-Parlament ehrt ukrainisches Volk ZDF
    Westbalkan: Einigung auf Visafreiheit für Kosovo – Antrag Pristinas auf EU-Mitgliedschaft DEUTSCHLANDFUNK
    EU-US-Beziehungen: Jetzt wird zurücksubventioniert SUEDDEUTSCHE
    RePower EU: Mehr EU-Geld für die Energieunabhängigkeit BOERSEN-ZEITUNG
    EU setzt Fördertöpfe von 1,6 Milliarden Euro für Tech-Startups auf T3N
    Vor EU-Konsultation: Netz-NGOs wollen Netzneutralität retten NETZPOLITIK
    Strengere EU-Richtlinie: Bald keine 8K-Fernseher mehr? CHIP
    EU-Kommission genehmigt Milliarden-Förderung für Deutschlandnetz ELECTRIVE
    Fluggesellschaften: EU will mit Passagierdaten die Außengrenze schützen MIGAZIN
    Studie: Steigender Strompreis wird zu Standortproblem in Europa HEISE
    E-Mobilität: EU genehmigt 1,8 Milliarden Euro Förderung für deutsche Ladesäulen HEISE
    App Stores: EU-Kommission begrüßt “proaktive Schritte potentieller Gatekeeper” FAZ

    Standpunkt

    Der Klimaklub kann noch immer etwas bewirken

    Von Lukas Hermwille
    Porträtfoto von Lukas Hermwille im Anzug vor einem neutralen Hintergrund. Im Standpunkt schreibt er über den G7-Klimaklub.
    Lukas Hermwille forscht am Wuppertal Institut zu Fragen der globalen Energie-, Klima- und Verkehrspolitik.

    Die Idee eines Klimaklubs, der das internationale Regime der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) ergänzt, wird in den Wirtschaftswissenschaften schon seit mehr als zehn Jahren diskutiert. Im Jahr 2015 schlug der Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus vor, dass die Mitglieder eines solchen Klubs ihre Emissionshandelssysteme oder CO2-Steuern untereinander koordinieren sollten. Zusätzlich sollten sie gemeinsam Außenzölle auf emissionsintensive Produkte aus Ländern erheben, die keine CO2-Preisinstrumente nutzen, um so etwaige Wettbewerbsnachteile für die heimische Industrie auszugleichen. 

    Olaf Scholz, damals noch deutscher Finanzminister, brachte die Idee 2021 in die politische Debatte ein. Es zeigte sich jedoch, dass sich das Konzept eines Klimaklubs nach dem Modell von Nordhaus, das in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie so elegant klingt, in der politischen Praxis kaum umsetzen lässt. Zwar treibt die EU ihre Pläne für einen CO2-Außenzoll weiter voran.

    Aber die Realität hat gezeigt, wie komplex es ist, verschiedene CO2-Preisinstrumente über die Grenzen von Staaten oder Staatenbündnissen hinweg zu koordinieren. So dauerten beispielsweise allein die bilateralen Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz zur Verknüpfung ihrer Emissionshandelssysteme fast zehn Jahre. Seit 2020 ist das Verknüpfungsabkommen nun in Kraft.

    Kaum politische Resonanz

    Die wesentliche Schwierigkeit aber war, dass die Nordhaussche Idee eines Klimaklubs kaum auf politische Resonanz bei den G7-Partnerländern und darüber hinaus stieß. Schon in der Abschlusserklärung des G7-Gipfels, der im vergangenen Juni auf Schloss Elmau stattfand, spielte sie eine Nebenrolle. Mit den jetzt veröffentlichten Terms of Reference, der Satzung für den G7-Klimaklub, geriet Nordhaus’ Konzept endgültig in die praktische Bedeutungslosigkeit

    In dem Dokument heißt es nur noch, dass die Mitglieder des Klimaklubs “mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Messung und Berichterstattung von Emissionen sondieren und diskutieren” werden. Von einer Koordinierung und Abstimmung der CO2-Bepreisung ist nicht mehr die Rede.

    Der Klimaklub ist nicht gescheitert

    Gescheitert ist der Klimaklub deshalb aber nicht, im Gegenteil. Die jetzt verabschiedete Klimaklub-Satzung ist zwar kein Durchbruch. Aber sie eröffnet die Möglichkeit, die Idee konstruktiv weiterzuentwickeln – hin zu einem Instrument, mit dem die Transformation der Schwerindustrie zu einer klimafreundlichen Produktion ganz konkret unterstützt werden kann.

    Der Fokus ergibt gleich aus mehreren Gründen Sinn. Noch vor wenigen Jahren galten die Zement-, Stahl- und chemische Grundstoffindustrie als “hard to abate“, als Branchen, deren Emissionen nur unter großen Schwierigkeiten auf null gebracht werden könnten. In den vergangenen Jahren hat sich die Industrie aber schon sehr stark bewegt. Zum Beispiel in der Stahlindustrie, wo eine ganze Reihe von großen Konzernen eigene Klimaschutzziele festgelegt und Investitionen in neue klimafreundliche Stahlwerke angekündigt haben.

    Mehr Sicherheit für Investitionen

    Um ihre Vorhaben in die Praxis umzusetzen, brauchen sie aber staatliche Unterstützung, etwa durch den Aufbau von notwendiger Wasserstoffinfrastruktur. Denn um grünen Stahl herzustellen, ist Wasserstoff nach dem derzeitigen Stand der Technik so gut wie unabdingbar. 

    Eine andere Herausforderung ist, dass beispielsweise grüner Stahl auf absehbare Zeit teurer sein wird als konventionell hergestellter. Um in die klimafreundliche Produktion zu investieren, braucht die Industrie eine gewisse Sicherheit, dass sie auch zu den höheren Preisen Abnehmer finden wird. 

    Wenn sich nun Staaten gemeinsam dazu bekennen, in einen Markt für klimafreundliche Produkte und die nötige Infrastruktur zu investieren, reduziert das die Unsicherheit der Industrie und die Entscheidung, ihrerseits in grüne Produktionsanlagen zu investieren, fällt den Unternehmen leichter. Internationale Abkommen wie der Klimaklub erhöhen die Glaubwürdigkeit der Versprechen.

    Bessere Koordinierung als Aufgabe

    Es gibt bereits eine Reihe von internationalen Initiativen, die in diese Richtung arbeiten. Was fehlt, ist jedoch eine zentrale Institution, die hilft, diese Initiativen aufeinander abzustimmen. Die Satzung definiert genau das als eine Funktion des G7-Klimaklubs. Er soll als “befähigender Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit, eine bessere Koordinierung und mögliche gemeinsame Maßnahmen” dienen. 

    Die jetzt verabschiedeten Terms of Reference sind ein wichtiger Schritt, um den Klimaklub weiter zu operationalisieren. Sie verhindern, dass die Initiative nach dem Ende der deutschen G7-Präsidentschaft einfach im Sande verläuft: So legen sie fest, dass die IEA und die OECD ein Interimssekretariat für den Klimaklub einrichten sollen. Eine Arbeitsgruppe soll die weiteren Details unter Leitung Deutschlands leiten.

    Damit der Klimaklub aber tatsächlich zu einem Erfolg werden kann, muss die Bundesregierung sehr viel konkreter für ihn werben und seinen Mehrwert noch klarer benennen: Er kann auf internationaler Ebene für einen Rahmen sorgen, der allen Beteiligten hilft, die Chancen der Transformation gemeinsam zu nutzen – vorausgesetzt, eine kritische Masse an Ländern schließt sich ihm an, und seine Regeln erreichen ein hinreichendes Maß an Verbindlichkeit. 

    Bislang nur reine G7-Initiative

    In der Vergangenheit lag der Fokus der internationalen Klimapolitik häufig darauf, die Lasten des Klimaschutzes gerecht zu verteilen. Auch die ursprüngliche Idee des Klimaklubs, wie William Nordhaus sie skizziert hat, verfolgt diesen Ansatz. Zuletzt wird jedoch immer deutlicher, dass auch die Frage, wie die Chancen der Transformation verteilt werden sollen, großes Konfliktpotenzial bietet. China ist bereits jetzt Technologieführer in einer ganzen Reihe von zentralen Industrien. Die USA haben mit dem Inflation Reduction Act ebenfalls ein Instrument geschaffen, um grüne Industrien im eigenen Land aufzubauen. 

    Wenn nun alle gemeinsam mithilfe eines Klimaklubs die Chance erhalten sollen, von der Transformation zu profitieren, darf es dabei nicht nur um die Chancen der Industrieländer gehen. Auch die Schwellen- und Entwicklungsländer müssen mit einbezogen werden.

    Hier liegt vielleicht der größte Schwachpunkt in der Satzung des G7-Klimaklubs: Anders als ursprünglich angekündigt ist es offensichtlich nicht gelungen, weitere Partnerländer über die G7 hinaus mit ins Boot zu holen. Das muss sich unbedingt ändern. Denn als reine G7-Initiative hat der Klub keine Überlebenschance. 

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    Europe.Table Redaktion

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