wenig begeistert zeigt sich die IG Metall über den Vorschlag der EU-Kommission für die Schadstoffregulierung bei Nutzfahrzeugen (Euro 7). In einem Positionspapier werden die Ansätze der Kommission wahlweise als “misslungen” und “gut gemeint, aber schlecht gemacht” bezeichnet, der Vorschlag der Kommission lasse “den Blick auf die großen Zusammenhänge im Nutzfahrzeugbereich vermissen”. Mit ausgearbeitet hat das IG-Metall-Positionspapier Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef bei Daimler Truck, dem Weltmarktführer bei der Produktion von Nutzfahrzeugen. Markus Grabitz hat mit ihm gesprochen.
Nachdem die EU in den vergangenen Jahren ambitionierte Klimaziele vorgestellt hat, wird 2023 ein Jahr der Umsetzung. Doch einige wenige Verhandlungen über Klimagesetzgebungen sind in diesem Jahr noch zu erwarten. Lukas Scheid kennt die Einzelheiten.
Im Sommer noch hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über die verzögerte Auszahlung von EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe für sein Land beklagt. Nun spricht viel dafür, dass zügiger ausgezahlt wird, Wolodymyr Selenskyj teilte nach einem Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit, dass die erste Tranche der Finanzhilfe der EU noch im Januar zu erwarten sei.
Die IG Metall hat massive Einwände gegen den Vorschlag der EU-Kommission für die Schadstoffregulierung bei Nutzfahrzeugen (Euro 7). “Der Ansatz, den die Kommission am 10. November vorgestellt hat, ist misslungen”, heißt es in einem Positionspapier der IG Metall zu Euro 7, das Europe.Table vorliegt. Die Gewerkschaft fordert die Co-Gesetzgeber auf EU-Ebene, also das Europaparlament und die Mitgliedstaaten, auf, den Euro-7-Vorschlag der Kommission grundlegend zu verändern: “Im Bereich Lkw muss der Euro-7-Vorschlag der Kommission im weiteren Verfahren dringend angepasst werden.”
Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef bei Daimler Truck, hat das Positionspapier mit ausgearbeitet. Brecht sagt im Gespräch mit Europe.Table: “Der Vorschlag der Kommission lässt den Blick auf die großen Zusammenhänge im Nutzfahrzeugbereich vermissen.” Daimler Truck ist Weltmarktführer bei der Produktion von Nutzfahrzeugen.
Brecht kritisiert, dass bei den Nutzfahrzeugen zuerst der Vorschlag für die Regulierung der Schadstoffe vorgelegt wurde, bevor die Kommission im Frühjahr über Flottengrenzwerte und ein Enddatum für den Verbrenner entscheiden werde. Brecht: “Die EU sollte zunächst einmal die Weichen dafür stellen, dass Nutzfahrzeuge möglichst schnell CO₂-frei unterwegs sind.” Erst wenn der Fahrplan für E-Antrieb und Brennstoffzelle stehe, solle sich die Politik um die Schadstoffemissionen kümmern.
Die Einführung von Nullemissionsfahrzeugen in die europäischen Güterverkehrsflotten ist der IG Metall zufolge einer der wichtigsten und größten Hebel des Klimaschutzes im Verkehr, denn Lkw und Straßengüterverkehr verursachen rund ein Drittel der CO₂-Emissionen des Straßenverkehrs. Dieser Bereich könnte somit zu einer der großen Erfolgsgeschichten klimafreundlicher Technologie werden – vorausgesetzt die Rahmenbedingungen stimmen, wie es in dem Positionspapier heißt. Höchste Priorität der deutschen und europäischen Politik sollte nun auf dem schnellen Aufbau eines Lkw-Ladenetzes, einer Rohstoffstrategie für Elektromobilität und auf der Ansiedlung deutscher und europäischer Batterieproduktion inklusive einer Zellfertigung liegen.
In diesem Kontext hält Brecht den Vorschlag für Euro 7 für verfehlt: “Die ohnehin auslaufende Verbrenner-Technologie soll nun noch einmal mit technisch sehr aufwendigen Schadstoffstandards überfrachtet werden.” Die Kommission schlägt vor, die Grenzwerte für Stickoxide, Feinstaub und Lachgas um 80 bis 95 Prozent zu senken. “Um diese Grenzwerte zu erreichen, wäre ein Investitionsaufwand nötig, der in keinem Verhältnis zu der Verbesserung der Luftqualität stünde”, so Brecht weiter. Die Euro-7-Gesetzgebung wäre kontraproduktiv für die Transformation: “Es wären Investitionen in einer Höhe notwendig, wodurch die schnelle Umstellung auf alternative Antriebe behindert würde.” Für Brecht ist klar: “Wenn wir schnell einen CO₂-Effekt erreichen wollen, wäre der beste Schritt ein Verbot von Euro 4 Fahrzeugen.”
Der Gewerkschafter bekennt sich zur Transformation und zum Einhalten der Klimaziele im Verkehrssektor: “Bereits heute gibt es in Serie gefertigte batterieelektrische Lkw, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge werden bald serienreif sein.” Wenn Euro 7 so komme, würde aber ein hohes Maß an Ingenieurskapazität von den neuen Technologien abgezogen und der Antriebswandel im Lkw-Bereich verzögert. Brecht: “Das kann nicht im Interesse der klimapolitischen Ziele der Kommission sein.” Nachteile im globalen Wettbewerb drohten: “Zudem würde die Führungsrolle der europäischen Industrie beim Thema klimaneutraler Nutzfahrzeuge durch diese Ablenkung massiv gefährdet.” Es gebe bei der Abgasreinigung von Nutzfahrzeugen durchaus Spielräume für Verbesserungen, die mit verkraftbaren Investitionsmitteln zu erreichen seien.
Brecht warnt die EU zudem davor, dass Zukunftstechnologien abwandern könnten: “Klimafreundliche Mobilität braucht saubere Lkw, und die sollten auch in Europa gebaut werden.” Europa sollte der Industrie vor dem Hintergrund eines “intensiver werdenden globalen Wettbewerbs” das Leben nicht unnötig schwer machen durch eine “gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierung”.
Brecht fordert die Kommission auf, die Regeln für die EU-Förderung von Industrien zu überarbeiten. Am Automobilstandort Baden-Württemberg habe man derzeit keine Chancen, EU-Mittel für die Transformation zu bekommen, weil der Südwesten wirtschaftlich noch gut dastehe. Brecht fragt: “Muss der Südwesten erst absteigen und wirtschaftlich strukturschwach werden, bevor Subventionen fließen können? Das kann es doch nicht sein.”
Derzeit sei absehbar, dass die ersten Batteriefabriken für E-Lkw nicht in Europa, sondern in den USA gebaut werden. “In den USA sind die Fördertöpfe voller, der Förderbescheid wird schneller erteilt, und es gibt keine Debatte über strukturschwach, strukturarm.” Brecht mahnt: “Wir brauchen eine europäische Industriepolitik aus einem Guss, um unsere einzigartige industrielle Substanz zu bewahren.”
Die Jahre der großen Klimaambitionen sind nun erst mal vorbei. Die schwedische Ratspräsidentschaft betont daher in ihrem Programm vor allem die Umsetzung der bestehenden Klimaziele. Man wolle Fit for 55 in die Tat umsetzen und die Energiewende beschleunigen, heißt es aus Stockholm.
Ein paar Verhandlungen zu Klimagesetzgebungen sind allerdings auch 2023 noch offen und werden in den kommenden Monaten auf den Schreibtischen der Schweden liegen:
Entsprechend sieht auch das Arbeitsprogramm der Kommission für 2023 beim Green Deal eher mau aus. Geplant sind:
Nicht im Arbeitsprogramm 2023 steht der Green Claims-Vorschlag der Kommission. Er hätte eigentlich Ende vergangenen Jahres kommen sollen, wurde aber verschoben. Mit dem neuen Gesetz will die Kommission Werbung mit umweltbezogenen Angaben konkreter und besser überprüfbar machen, um Greenwashing der Unternehmen zu unterbinden.
Während der COP27 in Sharm el-Sheikh hieß es, die EU wolle ihr bei der UN hinterlegtes Klimaziel (NDC) entsprechend der Ergebnisse der Fit-for-55-Triloge anpassen. Da die wesentlichen Triloge zu potenziellen Emissionseinsparungen und Erneuerbaren-Ausbaupfade abgeschlossen sind, kann das europäische NDC nun aktualisiert werden.
Ob sich die Mitgliedstaaten dabei tatsächlich auf eine Anhebung des 55-Prozent-Ziels für 2030 einigen, ist allerdings offen. Im Raum stehen zwei Prozentpunkte mehr durch die höheren LULUCF-Ziele. Timmermans sagte in Sharm el-Sheikh aber bereits, dass dies kein neues Klimaziel brauche, da es im aktuellen heißt, dass man die Emissionen um “mindestens” 55 Prozent senken wolle. Möglich wäre also auch nur eine Aktualisierung des Anhangs zum NDC, in dem erklärt werden muss, wie die Länder ihre Klimaziele erreichen wollen.
Zu guter Letzt werden noch die bereits beschlossenen Texte zur finalen Abstimmung in Rat und Parlament vorgelegt werden. Zwar gilt Annahme eines Trilogergebnisses gemeinhin als Formsache, doch gerade bei der ETS-Reform gab es sowohl unter den Mitgliedstaaten als auch im Parlament noch im Dezember immer wieder Zweifel, ob die Kompromisse des Jumbo-Trilogs durchkommen. Der erste Umweltrat und die erste Plenumssitzung 2023 werden Aufschluss darüber geben, ob die Zweifel groß genug sind.
Die Ukraine erwartet die erste Tranche der Finanzhilfe der Europäischen Union noch im Januar. Dies teilt Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter mit. Selenskyj bedankte sich bei von der Leyen für ihre Unterstützung und ergänzte, beide Seiten hätten zudem Schritte für einen Ukraine-EU-Gipfel abgesprochen. Die EU hatte zuletzt Finanzhilfen für die Ukraine in Höhe von 18 Milliarden Euro für das Jahr 2023 beschlossen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigtet die langfristige Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine. Im Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj habe sie “dem ukrainischen Volk meine uneingeschränkte Unterstützung und meine besten Wünsche für 2023 übermittelt”, schrieb die deutsche Politikerin am Montag auf Twitter. “Die EU steht an Ihrer Seite, solange es nötig ist.”
Zugleich deutete von der Leyen eine weitere Reise in die Ukraine an. “Ich freue mich darauf, Sie bald wieder in der Ukraine zu treffen”, schrieb sie an Selenskyj gerichtet. Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine Ende Februar 2022 ist von der Leyen bereits drei Mal in das angegriffene Land gereist. dpa/rtr
Die für 2023 geplante Reform des Strommarktes in der EU soll keine Übergangsmaßnahme werden. Das bekräftigte Energiekommissarin Kadri Simson in Interviews mit europäischen Medien. “Dies ist etwas, das unsere Stromnetze für Jahrzehnte bestimmen wird. Und wir können es nicht als Notmaßnahme behandeln”, sagte Simson der Financial Times vom Montag. Noch Anfang Dezember war in der Generaldirektion nach Informationen von Europe.Table nicht entschieden, wie lang die neuen Bestimmungen für den Strommarkt gelten sollen.
Geplant sei, “das gesamte Design des Strommarktes zu überarbeiten”, hatte die frühere estnische Wirtschaftsministerin kurz nach Weihnachten auch der Zeitung Delfi Ärileht gesagt. Ein erstes Non-Paper mit Reformthemen war kurz vor den Feiertagen bekannt geworden. Die für Ende 2022 angekündigte Konsultation lässt nach wie vor auf sich warten.
Teil der Strommarktreform soll wohl auch eine dauerhafte Senkung von Verbrauchsspitzen werden. Die Kommission spreche derzeit mit den Mitgliedstaaten über Möglichkeiten für Regelungen mit Unternehmen, den Stromverbrauch in bestimmten Zeiten zu senken oder zu verschieben, sagte Simson. Dabei gehe es um eine Verlagerung von fünf Prozent.
Ein ähnliches Ziel hatten die EU-Energieminister als Notfallmaßnahme für diesen Winter vereinbart. Hintergrund sind unter anderem Ausfälle von französischen AKWs, die sich auf die gesamte EU auswirken, sowie die Verstromung von knappem Erdgas in Spitzenzeiten. Auch bei der laufenden Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gibt es bereits Bestrebungen, eine fünfprozentige Verbrauchsverlagerung dauerhaft festzuschreiben. ber
In Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal rund um das Europaparlament haben die belgischen Behörden die Aufhebung der parlamentarischen Immunität zweier Abgeordneter beantragt. Wie das Parlament am Montag mitteilte, hat Präsidentin Roberta Metsola das entsprechende Eilverfahren eingeleitet.
Welche Abgeordneten betroffen sind, teilte das Parlament nicht mit. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich um die beiden Sozialdemokraten Marc Tarabella aus Belgien sowie Andrea Cozzolino aus Italien. Beide wurden in Medienberichten bereits in Verbindung mit dem Skandal um versuchte Einflussnahme aus dem Ausland auf Entscheidungen des Parlaments gebracht.
Tarabellas Anwalt sagte, sein Mandant sei für die Aufhebung seiner Immunität. Zuvor hatte Tarabella ein Fehlverhalten abgestritten und in einer Erklärung erklärt, er habe “absolut nichts zu verbergen” und werde “alle Fragen der Ermittler beantworten”.
Cozzolino hatte im vergangenen Monat gegenüber italienischen Nachrichtenagenturen erklärt, gegen ihn werde nicht ermittelt. “Ich bin nicht befragt worden. Ich wurde nicht durchsucht, und mein Büro wurde nicht versiegelt”, sagte er damals.
Metsola wird den Antrag der belgischen Justizbehörden am 16. Januar im Plenum des Parlaments öffentlich machen. Anschließend muss der Rechtsausschuss des Parlaments sich damit befassen und eine Empfehlung abgeben, über die dann das Plenum mit einfacher Mehrheit entscheidet.
Metsola habe darum gebeten, das Verfahren prioritär zu behandeln und bis zum 13. Februar abzuschließen, hieß es in der Mitteilung. “Das Europäische Parlament hat vom ersten Moment an alles in seiner Macht Stehende getan, um die Ermittlungen zu unterstützen, und wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass es keine Straffreiheit geben wird”, sagte die Malteserin. dpa/rtr
Vertreter der EU-Staaten wollen am Mittwoch über ein einheitliches Vorgehen in ihrer Reaktion auf die Coronavirus-Welle in China beraten. Dies teilte die amtierende schwedische Ratspräsidentschaft am Montag in Brüssel mit. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie mit Einreisenden aus China umgegangen werden soll. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte, man beobachte die Situation genau und stimme sich auch mit den EU-Partnern ab. Es würden “alle Maßnahmen erstmal in Betracht” gezogen.
Die französische Regierung hatte die anderen EU-Staaten am Sonntag aufgefordert, aus China kommende Reisende auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen zu lassen. Verkehrsminister Clement Beaune begründet seine Forderungen damit, dass Passagiere aus China über den Umweg über andere Länder ungetestet nach Frankreich einreisen könnten. “Darum müssen wir uns abstimmen, damit wir effektiver sein können.” An französischen Flughäfen werden Einreisende aus China bereits generell auf das Virus getestet. Auch Italien und Spanien haben mit entsprechenden Regelungen reagiert. Die Bundesregierung sieht dazu bislang keine Veranlassung. Die Regierung in Peking hatte Anfang Dezember unter dem Druck von Protesten und einer schwächelnden Wirtschaft eine abrupte Abkehr von ihrer strikten Null-Covid-Politik verkündet. Seitdem rollt eine Corona-Welle durch das Land mit rund 1,4 Milliarden Bewohnern. rtr
Zu oft noch wird in Deutschland mit dem Wort “Exit” ein unternehmerisches “Ende” verbunden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Ein Exit ist für Start-ups der Schritt in die nächste Entwicklungsphase. Gerade im Wege des Initial Public Offering (IPO), dem Börsengang, können Start-ups nicht nur wichtiges Wachstumskapital mobilisieren, sondern auch die unternehmerische Unabhängigkeit auf ein neues Fundament stellen. Allerdings machen IPOs in Deutschland nur acht Prozent aller Exits aus – erreichen aber 25 Prozent des gesamten Exitvolumens.
Börsengänge haben zudem einen Pull-Effekt auf die Frühphasen-Finanzierung. Vereinfacht gilt: Je besser die Exit-Bedingungen sind, desto attraktiver ist das Investitionsumfeld insgesamt. IPOs beflügeln mittelbar die Entwicklungsdynamiken von Gründungen und leisten einen Beitrag zur Transformation der Wirtschaft.
Und hier setzen die Vorschläge der EU-Kommission zum Listing Act an. Diese sind Teil des Pakets der Europäischen Kommission zur Steigerung der Attraktivität der EU-Kapitalmärkte, das unter anderem auf eine Verbesserung der Exit-Bedingungen zielt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen den übermäßigen Regulierungsaufwand für Emittenten in der Phase vor und nach dem Börsengang verringern, die für Primär- und Sekundärmärkte geltenden Dokumentations- und Offenlegungspflichten effizienter gestalten, die Research- und Analysten-Abdeckung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) wieder stärken sowie eine Flexibilität bei der Verteilung von Stimmrechten ermöglichen.
Konkret umfasst der EU Listing Act folgende Vorschläge:
Diese Vorschläge sind ein guter Anfang, um das europäische Kapitalmarkt-Ökosystem auf- beziehungsweise auszubauen. Viele Anliegen und Empfehlungen von Marktteilnehmern (Emittenten, Börsen, Investoren) sind aufgenommen worden. Ermutigend ist, dass die Maßnahmen in vielen Bereichen eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen werden, die eine flexible Ausgestaltung auf mitgliedstaatlicher Ebene ermöglicht und fördert. Als Beispiele sind hier die Mindestmarktkapitalisierung, Vereinheitlichung und Vereinfachung von Prospektanforderungen (Prospektarten und -umfang, Sprachenregime etc.) und Streubesitzregelungen bei Aktien zu nennen.
Was fehlt sind Elemente, die den europäischen Kapitalmarkt noch weiter stärken würden – Steueranreize für Investitionen in Eigenkapital, eine zeitgemäße KMU-Definition sowie eine einheitliche und gemeinsame Behandlung von Primär- und Sekundärmärkten (MiFIR-Refit).
Konkret könnten hierfür folgende Aspekte eine Lösung darstellen:
Mit den richtigen Rahmenbedingungen ermöglichen wir mehr deutschen und europäischen (Start-up)-Unternehmen einen Börsengang im Heimatmarkt. Wenn wir die Eigenständigkeit der EU fördern wollen, wenn die Abhängigkeit von einzelnen Wirtschaftsräumen verringert werden soll, dann braucht es starke europäische Unternehmen und einen starken europäischen Kapitalmarkt.
Hierfür sind die Vorschläge der Europäischen Kommission ein erster Schritt, aber noch nicht genug. Es ist zu wünschen, dass Deutschland mit den eigenen Vorschlägen für das Zukunftsfinanzierungsgesetz sowie der weiteren Umsetzung der Start-up-Strategie hier die richtigen Lösungen vorantreibt. Dazu gehört auch, Vorschläge einzubringen, die auf europäischer Ebene fehlen. Nicht auf Europa warten, sondern Europa aktiv gestalten – das ist das Motto der Stunde.
wenig begeistert zeigt sich die IG Metall über den Vorschlag der EU-Kommission für die Schadstoffregulierung bei Nutzfahrzeugen (Euro 7). In einem Positionspapier werden die Ansätze der Kommission wahlweise als “misslungen” und “gut gemeint, aber schlecht gemacht” bezeichnet, der Vorschlag der Kommission lasse “den Blick auf die großen Zusammenhänge im Nutzfahrzeugbereich vermissen”. Mit ausgearbeitet hat das IG-Metall-Positionspapier Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef bei Daimler Truck, dem Weltmarktführer bei der Produktion von Nutzfahrzeugen. Markus Grabitz hat mit ihm gesprochen.
Nachdem die EU in den vergangenen Jahren ambitionierte Klimaziele vorgestellt hat, wird 2023 ein Jahr der Umsetzung. Doch einige wenige Verhandlungen über Klimagesetzgebungen sind in diesem Jahr noch zu erwarten. Lukas Scheid kennt die Einzelheiten.
Im Sommer noch hatte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über die verzögerte Auszahlung von EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe für sein Land beklagt. Nun spricht viel dafür, dass zügiger ausgezahlt wird, Wolodymyr Selenskyj teilte nach einem Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit, dass die erste Tranche der Finanzhilfe der EU noch im Januar zu erwarten sei.
Die IG Metall hat massive Einwände gegen den Vorschlag der EU-Kommission für die Schadstoffregulierung bei Nutzfahrzeugen (Euro 7). “Der Ansatz, den die Kommission am 10. November vorgestellt hat, ist misslungen”, heißt es in einem Positionspapier der IG Metall zu Euro 7, das Europe.Table vorliegt. Die Gewerkschaft fordert die Co-Gesetzgeber auf EU-Ebene, also das Europaparlament und die Mitgliedstaaten, auf, den Euro-7-Vorschlag der Kommission grundlegend zu verändern: “Im Bereich Lkw muss der Euro-7-Vorschlag der Kommission im weiteren Verfahren dringend angepasst werden.”
Michael Brecht, Gesamtbetriebsratschef bei Daimler Truck, hat das Positionspapier mit ausgearbeitet. Brecht sagt im Gespräch mit Europe.Table: “Der Vorschlag der Kommission lässt den Blick auf die großen Zusammenhänge im Nutzfahrzeugbereich vermissen.” Daimler Truck ist Weltmarktführer bei der Produktion von Nutzfahrzeugen.
Brecht kritisiert, dass bei den Nutzfahrzeugen zuerst der Vorschlag für die Regulierung der Schadstoffe vorgelegt wurde, bevor die Kommission im Frühjahr über Flottengrenzwerte und ein Enddatum für den Verbrenner entscheiden werde. Brecht: “Die EU sollte zunächst einmal die Weichen dafür stellen, dass Nutzfahrzeuge möglichst schnell CO₂-frei unterwegs sind.” Erst wenn der Fahrplan für E-Antrieb und Brennstoffzelle stehe, solle sich die Politik um die Schadstoffemissionen kümmern.
Die Einführung von Nullemissionsfahrzeugen in die europäischen Güterverkehrsflotten ist der IG Metall zufolge einer der wichtigsten und größten Hebel des Klimaschutzes im Verkehr, denn Lkw und Straßengüterverkehr verursachen rund ein Drittel der CO₂-Emissionen des Straßenverkehrs. Dieser Bereich könnte somit zu einer der großen Erfolgsgeschichten klimafreundlicher Technologie werden – vorausgesetzt die Rahmenbedingungen stimmen, wie es in dem Positionspapier heißt. Höchste Priorität der deutschen und europäischen Politik sollte nun auf dem schnellen Aufbau eines Lkw-Ladenetzes, einer Rohstoffstrategie für Elektromobilität und auf der Ansiedlung deutscher und europäischer Batterieproduktion inklusive einer Zellfertigung liegen.
In diesem Kontext hält Brecht den Vorschlag für Euro 7 für verfehlt: “Die ohnehin auslaufende Verbrenner-Technologie soll nun noch einmal mit technisch sehr aufwendigen Schadstoffstandards überfrachtet werden.” Die Kommission schlägt vor, die Grenzwerte für Stickoxide, Feinstaub und Lachgas um 80 bis 95 Prozent zu senken. “Um diese Grenzwerte zu erreichen, wäre ein Investitionsaufwand nötig, der in keinem Verhältnis zu der Verbesserung der Luftqualität stünde”, so Brecht weiter. Die Euro-7-Gesetzgebung wäre kontraproduktiv für die Transformation: “Es wären Investitionen in einer Höhe notwendig, wodurch die schnelle Umstellung auf alternative Antriebe behindert würde.” Für Brecht ist klar: “Wenn wir schnell einen CO₂-Effekt erreichen wollen, wäre der beste Schritt ein Verbot von Euro 4 Fahrzeugen.”
Der Gewerkschafter bekennt sich zur Transformation und zum Einhalten der Klimaziele im Verkehrssektor: “Bereits heute gibt es in Serie gefertigte batterieelektrische Lkw, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge werden bald serienreif sein.” Wenn Euro 7 so komme, würde aber ein hohes Maß an Ingenieurskapazität von den neuen Technologien abgezogen und der Antriebswandel im Lkw-Bereich verzögert. Brecht: “Das kann nicht im Interesse der klimapolitischen Ziele der Kommission sein.” Nachteile im globalen Wettbewerb drohten: “Zudem würde die Führungsrolle der europäischen Industrie beim Thema klimaneutraler Nutzfahrzeuge durch diese Ablenkung massiv gefährdet.” Es gebe bei der Abgasreinigung von Nutzfahrzeugen durchaus Spielräume für Verbesserungen, die mit verkraftbaren Investitionsmitteln zu erreichen seien.
Brecht warnt die EU zudem davor, dass Zukunftstechnologien abwandern könnten: “Klimafreundliche Mobilität braucht saubere Lkw, und die sollten auch in Europa gebaut werden.” Europa sollte der Industrie vor dem Hintergrund eines “intensiver werdenden globalen Wettbewerbs” das Leben nicht unnötig schwer machen durch eine “gut gemeinte, aber schlecht gemachte Regulierung”.
Brecht fordert die Kommission auf, die Regeln für die EU-Förderung von Industrien zu überarbeiten. Am Automobilstandort Baden-Württemberg habe man derzeit keine Chancen, EU-Mittel für die Transformation zu bekommen, weil der Südwesten wirtschaftlich noch gut dastehe. Brecht fragt: “Muss der Südwesten erst absteigen und wirtschaftlich strukturschwach werden, bevor Subventionen fließen können? Das kann es doch nicht sein.”
Derzeit sei absehbar, dass die ersten Batteriefabriken für E-Lkw nicht in Europa, sondern in den USA gebaut werden. “In den USA sind die Fördertöpfe voller, der Förderbescheid wird schneller erteilt, und es gibt keine Debatte über strukturschwach, strukturarm.” Brecht mahnt: “Wir brauchen eine europäische Industriepolitik aus einem Guss, um unsere einzigartige industrielle Substanz zu bewahren.”
Die Jahre der großen Klimaambitionen sind nun erst mal vorbei. Die schwedische Ratspräsidentschaft betont daher in ihrem Programm vor allem die Umsetzung der bestehenden Klimaziele. Man wolle Fit for 55 in die Tat umsetzen und die Energiewende beschleunigen, heißt es aus Stockholm.
Ein paar Verhandlungen zu Klimagesetzgebungen sind allerdings auch 2023 noch offen und werden in den kommenden Monaten auf den Schreibtischen der Schweden liegen:
Entsprechend sieht auch das Arbeitsprogramm der Kommission für 2023 beim Green Deal eher mau aus. Geplant sind:
Nicht im Arbeitsprogramm 2023 steht der Green Claims-Vorschlag der Kommission. Er hätte eigentlich Ende vergangenen Jahres kommen sollen, wurde aber verschoben. Mit dem neuen Gesetz will die Kommission Werbung mit umweltbezogenen Angaben konkreter und besser überprüfbar machen, um Greenwashing der Unternehmen zu unterbinden.
Während der COP27 in Sharm el-Sheikh hieß es, die EU wolle ihr bei der UN hinterlegtes Klimaziel (NDC) entsprechend der Ergebnisse der Fit-for-55-Triloge anpassen. Da die wesentlichen Triloge zu potenziellen Emissionseinsparungen und Erneuerbaren-Ausbaupfade abgeschlossen sind, kann das europäische NDC nun aktualisiert werden.
Ob sich die Mitgliedstaaten dabei tatsächlich auf eine Anhebung des 55-Prozent-Ziels für 2030 einigen, ist allerdings offen. Im Raum stehen zwei Prozentpunkte mehr durch die höheren LULUCF-Ziele. Timmermans sagte in Sharm el-Sheikh aber bereits, dass dies kein neues Klimaziel brauche, da es im aktuellen heißt, dass man die Emissionen um “mindestens” 55 Prozent senken wolle. Möglich wäre also auch nur eine Aktualisierung des Anhangs zum NDC, in dem erklärt werden muss, wie die Länder ihre Klimaziele erreichen wollen.
Zu guter Letzt werden noch die bereits beschlossenen Texte zur finalen Abstimmung in Rat und Parlament vorgelegt werden. Zwar gilt Annahme eines Trilogergebnisses gemeinhin als Formsache, doch gerade bei der ETS-Reform gab es sowohl unter den Mitgliedstaaten als auch im Parlament noch im Dezember immer wieder Zweifel, ob die Kompromisse des Jumbo-Trilogs durchkommen. Der erste Umweltrat und die erste Plenumssitzung 2023 werden Aufschluss darüber geben, ob die Zweifel groß genug sind.
Die Ukraine erwartet die erste Tranche der Finanzhilfe der Europäischen Union noch im Januar. Dies teilt Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf Twitter mit. Selenskyj bedankte sich bei von der Leyen für ihre Unterstützung und ergänzte, beide Seiten hätten zudem Schritte für einen Ukraine-EU-Gipfel abgesprochen. Die EU hatte zuletzt Finanzhilfen für die Ukraine in Höhe von 18 Milliarden Euro für das Jahr 2023 beschlossen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigtet die langfristige Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine. Im Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj habe sie “dem ukrainischen Volk meine uneingeschränkte Unterstützung und meine besten Wünsche für 2023 übermittelt”, schrieb die deutsche Politikerin am Montag auf Twitter. “Die EU steht an Ihrer Seite, solange es nötig ist.”
Zugleich deutete von der Leyen eine weitere Reise in die Ukraine an. “Ich freue mich darauf, Sie bald wieder in der Ukraine zu treffen”, schrieb sie an Selenskyj gerichtet. Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine Ende Februar 2022 ist von der Leyen bereits drei Mal in das angegriffene Land gereist. dpa/rtr
Die für 2023 geplante Reform des Strommarktes in der EU soll keine Übergangsmaßnahme werden. Das bekräftigte Energiekommissarin Kadri Simson in Interviews mit europäischen Medien. “Dies ist etwas, das unsere Stromnetze für Jahrzehnte bestimmen wird. Und wir können es nicht als Notmaßnahme behandeln”, sagte Simson der Financial Times vom Montag. Noch Anfang Dezember war in der Generaldirektion nach Informationen von Europe.Table nicht entschieden, wie lang die neuen Bestimmungen für den Strommarkt gelten sollen.
Geplant sei, “das gesamte Design des Strommarktes zu überarbeiten”, hatte die frühere estnische Wirtschaftsministerin kurz nach Weihnachten auch der Zeitung Delfi Ärileht gesagt. Ein erstes Non-Paper mit Reformthemen war kurz vor den Feiertagen bekannt geworden. Die für Ende 2022 angekündigte Konsultation lässt nach wie vor auf sich warten.
Teil der Strommarktreform soll wohl auch eine dauerhafte Senkung von Verbrauchsspitzen werden. Die Kommission spreche derzeit mit den Mitgliedstaaten über Möglichkeiten für Regelungen mit Unternehmen, den Stromverbrauch in bestimmten Zeiten zu senken oder zu verschieben, sagte Simson. Dabei gehe es um eine Verlagerung von fünf Prozent.
Ein ähnliches Ziel hatten die EU-Energieminister als Notfallmaßnahme für diesen Winter vereinbart. Hintergrund sind unter anderem Ausfälle von französischen AKWs, die sich auf die gesamte EU auswirken, sowie die Verstromung von knappem Erdgas in Spitzenzeiten. Auch bei der laufenden Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie gibt es bereits Bestrebungen, eine fünfprozentige Verbrauchsverlagerung dauerhaft festzuschreiben. ber
In Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal rund um das Europaparlament haben die belgischen Behörden die Aufhebung der parlamentarischen Immunität zweier Abgeordneter beantragt. Wie das Parlament am Montag mitteilte, hat Präsidentin Roberta Metsola das entsprechende Eilverfahren eingeleitet.
Welche Abgeordneten betroffen sind, teilte das Parlament nicht mit. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich um die beiden Sozialdemokraten Marc Tarabella aus Belgien sowie Andrea Cozzolino aus Italien. Beide wurden in Medienberichten bereits in Verbindung mit dem Skandal um versuchte Einflussnahme aus dem Ausland auf Entscheidungen des Parlaments gebracht.
Tarabellas Anwalt sagte, sein Mandant sei für die Aufhebung seiner Immunität. Zuvor hatte Tarabella ein Fehlverhalten abgestritten und in einer Erklärung erklärt, er habe “absolut nichts zu verbergen” und werde “alle Fragen der Ermittler beantworten”.
Cozzolino hatte im vergangenen Monat gegenüber italienischen Nachrichtenagenturen erklärt, gegen ihn werde nicht ermittelt. “Ich bin nicht befragt worden. Ich wurde nicht durchsucht, und mein Büro wurde nicht versiegelt”, sagte er damals.
Metsola wird den Antrag der belgischen Justizbehörden am 16. Januar im Plenum des Parlaments öffentlich machen. Anschließend muss der Rechtsausschuss des Parlaments sich damit befassen und eine Empfehlung abgeben, über die dann das Plenum mit einfacher Mehrheit entscheidet.
Metsola habe darum gebeten, das Verfahren prioritär zu behandeln und bis zum 13. Februar abzuschließen, hieß es in der Mitteilung. “Das Europäische Parlament hat vom ersten Moment an alles in seiner Macht Stehende getan, um die Ermittlungen zu unterstützen, und wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass es keine Straffreiheit geben wird”, sagte die Malteserin. dpa/rtr
Vertreter der EU-Staaten wollen am Mittwoch über ein einheitliches Vorgehen in ihrer Reaktion auf die Coronavirus-Welle in China beraten. Dies teilte die amtierende schwedische Ratspräsidentschaft am Montag in Brüssel mit. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie mit Einreisenden aus China umgegangen werden soll. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte, man beobachte die Situation genau und stimme sich auch mit den EU-Partnern ab. Es würden “alle Maßnahmen erstmal in Betracht” gezogen.
Die französische Regierung hatte die anderen EU-Staaten am Sonntag aufgefordert, aus China kommende Reisende auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen zu lassen. Verkehrsminister Clement Beaune begründet seine Forderungen damit, dass Passagiere aus China über den Umweg über andere Länder ungetestet nach Frankreich einreisen könnten. “Darum müssen wir uns abstimmen, damit wir effektiver sein können.” An französischen Flughäfen werden Einreisende aus China bereits generell auf das Virus getestet. Auch Italien und Spanien haben mit entsprechenden Regelungen reagiert. Die Bundesregierung sieht dazu bislang keine Veranlassung. Die Regierung in Peking hatte Anfang Dezember unter dem Druck von Protesten und einer schwächelnden Wirtschaft eine abrupte Abkehr von ihrer strikten Null-Covid-Politik verkündet. Seitdem rollt eine Corona-Welle durch das Land mit rund 1,4 Milliarden Bewohnern. rtr
Zu oft noch wird in Deutschland mit dem Wort “Exit” ein unternehmerisches “Ende” verbunden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Ein Exit ist für Start-ups der Schritt in die nächste Entwicklungsphase. Gerade im Wege des Initial Public Offering (IPO), dem Börsengang, können Start-ups nicht nur wichtiges Wachstumskapital mobilisieren, sondern auch die unternehmerische Unabhängigkeit auf ein neues Fundament stellen. Allerdings machen IPOs in Deutschland nur acht Prozent aller Exits aus – erreichen aber 25 Prozent des gesamten Exitvolumens.
Börsengänge haben zudem einen Pull-Effekt auf die Frühphasen-Finanzierung. Vereinfacht gilt: Je besser die Exit-Bedingungen sind, desto attraktiver ist das Investitionsumfeld insgesamt. IPOs beflügeln mittelbar die Entwicklungsdynamiken von Gründungen und leisten einen Beitrag zur Transformation der Wirtschaft.
Und hier setzen die Vorschläge der EU-Kommission zum Listing Act an. Diese sind Teil des Pakets der Europäischen Kommission zur Steigerung der Attraktivität der EU-Kapitalmärkte, das unter anderem auf eine Verbesserung der Exit-Bedingungen zielt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen den übermäßigen Regulierungsaufwand für Emittenten in der Phase vor und nach dem Börsengang verringern, die für Primär- und Sekundärmärkte geltenden Dokumentations- und Offenlegungspflichten effizienter gestalten, die Research- und Analysten-Abdeckung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) wieder stärken sowie eine Flexibilität bei der Verteilung von Stimmrechten ermöglichen.
Konkret umfasst der EU Listing Act folgende Vorschläge:
Diese Vorschläge sind ein guter Anfang, um das europäische Kapitalmarkt-Ökosystem auf- beziehungsweise auszubauen. Viele Anliegen und Empfehlungen von Marktteilnehmern (Emittenten, Börsen, Investoren) sind aufgenommen worden. Ermutigend ist, dass die Maßnahmen in vielen Bereichen eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen werden, die eine flexible Ausgestaltung auf mitgliedstaatlicher Ebene ermöglicht und fördert. Als Beispiele sind hier die Mindestmarktkapitalisierung, Vereinheitlichung und Vereinfachung von Prospektanforderungen (Prospektarten und -umfang, Sprachenregime etc.) und Streubesitzregelungen bei Aktien zu nennen.
Was fehlt sind Elemente, die den europäischen Kapitalmarkt noch weiter stärken würden – Steueranreize für Investitionen in Eigenkapital, eine zeitgemäße KMU-Definition sowie eine einheitliche und gemeinsame Behandlung von Primär- und Sekundärmärkten (MiFIR-Refit).
Konkret könnten hierfür folgende Aspekte eine Lösung darstellen:
Mit den richtigen Rahmenbedingungen ermöglichen wir mehr deutschen und europäischen (Start-up)-Unternehmen einen Börsengang im Heimatmarkt. Wenn wir die Eigenständigkeit der EU fördern wollen, wenn die Abhängigkeit von einzelnen Wirtschaftsräumen verringert werden soll, dann braucht es starke europäische Unternehmen und einen starken europäischen Kapitalmarkt.
Hierfür sind die Vorschläge der Europäischen Kommission ein erster Schritt, aber noch nicht genug. Es ist zu wünschen, dass Deutschland mit den eigenen Vorschlägen für das Zukunftsfinanzierungsgesetz sowie der weiteren Umsetzung der Start-up-Strategie hier die richtigen Lösungen vorantreibt. Dazu gehört auch, Vorschläge einzubringen, die auf europäischer Ebene fehlen. Nicht auf Europa warten, sondern Europa aktiv gestalten – das ist das Motto der Stunde.