in Straßburg war gestern kein Feiertag, die Arbeit lief wie gewohnt weiter. Ein wesentliches Thema des Tages: der Schutz europäischen Know-hows vor China. Die Kommission hat eine Liste mit kritischen Technologien vorgestellt, die nicht in falsche Hände geraten sollen. Amelie Richter analysiert, ob der Plan aufgehen kann.
Nicht weiter ging es bei der Frage, ob das Parlament der Ernennung von Wopke Hoekstra als Klimakommissar und Maroš Šefčovič als Green-Deal-Kommissar zustimmt. Nachdem die Abgeordneten im Umweltausschuss in den vergangenen Tagen beide Männer intensiv befragt haben, kamen sie zu dem Schluss: Es reicht noch nicht. Sie wollen weitere Antworten haben – und zwar bis heute, 7 Uhr. Warum es bei den nachträglichen Fragen nicht nur um Inhalt, sondern auch um Parteipolitik geht, lesen Sie in meiner Analyse.
Heute um 8:30 Uhr treffen sich die Koordinatoren erneut und beraten über die Antworten. Stimmen mindestens vier Fraktionen für einen Kandidaten, gilt die Zustimmung des Parlaments als sicher und die Empfehlung des Umweltausschusses wird an die Präsidentenkonferenz der EU – die sogenannte COP – weitergeleitet. Die reicht diese Empfehlung ans Plenum weiter und würde noch am Donnerstag darüber abstimmen lassen.
Bekommt einer oder beide Kandidaten keine Mehrheit, wird die Entscheidung erneut vertagt, sodass wieder mehr Zeit für weitere Fragen und Antworten bliebe. Der Prozess würde sich voraussichtlich bis zum zweiten Oktoberplenum in zehn Tagen hinziehen.
Wie es ausgeht, lesen Sie natürlich im Europe.Table.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Restwoche!
Montagnacht hieß es, man wolle mit der Entscheidung über Wopke Hoekstra bis nach der Anhörung von Maroš Šefčovič warten. Am Dienstagnachmittag, nach der Anhörung von Šefčovič, wurde die Entscheidung noch einmal vertagt. Bis Mittwoch sollen beide noch einmal schriftliche Fragen beantworten, dann kommen die Koordinatoren der Fraktionen im Umweltausschuss (ENVI) erneut zusammen, um diese zu bewerten. Der Plan, am Donnerstag im Plenum über beide Ernennungen abzustimmen, steht weiterhin.
Warum also die Extrarunde? Grüne und Sozialdemokraten waren positiv überrascht von den Ankündigungen des designierten Klimakommissars Hoekstra am Montagabend. Der Niederländer hat die schlimmsten Befürchtungen der Umweltschützer prinzipiell zerstreut und sich eindeutig hinter das Renaturierungsgesetz, ein 2040er-Klimaziel von mindestens minus 90 Prozent sowie einen Fonds für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder (Loss & Damage) gestellt.
Allerdings, betont der klimapolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, fehle Hoekstra nach wie vor die Glaubwürdigkeit als ehemaliger Shell-Mitarbeiter und sparsamer Frugal-Finanzminister. Dieses Vertrauensdefizit müsse durch präzisere Antworten, wie er das Versprochene erreichen will, wettgemacht werden.
Šefčovič präsentierte sich am Dienstag deutlich unkonkreter. Erst auf mehrfache Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Bas Eickhout stellte er sich hinter ein 2040-Ziel von mindestens 90 Prozent. Ob er auch neue, eigene Projekte als Green-Deal-Kommissar anstrebe, darüber gab er keine Auskunft. Er wolle die bisherigen Ambitionen der Kommission weiterführen, betonte er mehrfach. Lediglich einen “grünen Sozialdialog” wolle er auf den Weg bringen.
Auch über die noch ausstehenden Gesetzesvorschläge der Kommission gab er keine befriedigende Antwort für die Abgeordneten. Darunter ist die Überarbeitung der Chemikalienverordnung REACH sowie Vorschläge zu Tiergesundheit, Waldmonitoring, Mikroplastik und nachhaltige Lebensmittelsysteme. Welche Dossiers noch kommen und wann? Man arbeite daran, erwiderte Šefčovič nur.
Nun haben die Abgeordneten einen Brief mit weiteren Fragen zur Beantwortung bis 7 Uhr am Mittwoch geschickt. Die Parlamentarier wollen ein unmissverständliches Bekenntnis von beiden zum EU-Klimaziel für 2040 und konkrete Angaben, welche CO₂-Minderung sie bis dahin anstreben. Hoekstra soll zudem die Projekte offenlegen, an denen er als McKinsey-Berater mitgearbeitet hat. Dies hatte er am Montagabend zugesagt.
Da insbesondere EVP-Abgeordnete mit Šefčovičs Aussagen zu Russland und seiner Vergangenheit als Verbündeter des Linkspopulisten und bekennenden Russlandfreunds Robert Fico unzufrieden waren, fordern sie auch hier ein erneutes Bekenntnis.
Fico – Wahlgewinner am Wochenende in der Slowakei – will Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen und außenpolitisch wieder einen russlandfreundlicheren Weg einschlagen. In früheren Amtszeiten als Regierungschef hatte er mehrfach dafür gesorgt, dass Šefčovič als Kommissar nach Brüssel ging. Ob er das Energieembargo gegen Russland in allen EU-Hauptstädten – insbesondere in Bratislava – verteidigen werde? Das ist eine wesentliche Frage der Parlamentarier.
Zudem wollen sie von Šefčovič einen detaillierten Zeitplan, ob und wann welches der ausstehenden Dossiers vorgestellt wird. Für manche Abgeordnete ist diese Information wichtig, da sie die Vorschläge für zwingend notwendig zu Erfüllung des Green Deal halten. Andere hätten lieber früher als später Gewissheit, dass keine weiteren regulatorischen Maßnahmen mehr für die Industrie kommen.
Pascal Canfin, Renew-Abgeordneter und ENVI-Vorsitzender, machte deutlich, dass die Arbeiten an den Vorschlägen längst abgeschlossen seien. Man wisse, dass die Texte bereitliegen. Es brauche nun die politische Entscheidung, sie vorzulegen. Canfin stellte ebenso klar, dass einige der nachträglichen Fragen speziell auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen adressierten. Er gehe ohnehin davon aus, dass sie die Beantwortung der Fragen beaufsichtige.
Hinter der erneuten Vertagung der Entscheidung steckt auch der parteipolitische Machtkampf über die weitere Linie der EU bei der Umwelt- und Klimapolitik. Auf der einen Seite stehen die Christdemokraten der EVP, auf der anderen die sozialdemokratische S&D sowie die Grünen. Beide Seiten hatten den Preis für ihre Zustimmung für einen der Kandidaten zuletzt immer weiter in die Höhe getrieben.
Die EVP betonte immer wieder ihre Probleme mit einem Fico-Mann, obwohl sie ihn bereits mehrfach in die Kommission gewählt hat. Grüne und S&D stellten hohe Anforderungen an die klimapolitische Integrität Hoekstras und waren positiv überrascht, als er deutliche Zugeständnisse machte. Besonders das Bekenntnis des EVP-Mannes zum Renaturierungsgesetz, welches die Christdemokraten im Parlament versucht haben zu blockieren, war wohl ausschlaggebend für die Unterstützung.
Dennoch wollte am Schluss keiner nachgeben und den Weg für die Ernennung der beiden frei machen. S&D und Grüne hatten nach Šefčovičs schlechter Performance bei der Anhörung wenig Argumente, ihn durchzuwinken, bei Hoekstra aber hart zu bleiben. Ihre Skepsis für den Slowaken dürfte größer denn je sein. Die EVP, die sich bereits klar für die Ernennung Hoekstras ausspricht, hatte somit leichtes Spiel, ihre Zustimmung für Šefčovič hinauszuzögern. Der einzige Ausweg: eine weitere Fragerunde.
Die EU-Kommission hat eine Liste kritischer Technologien erstellt, die die Europäische Union vor Rivalen schützen möchte. Digital-Kommissarin Věra Jourová und der Kommissar für Binnenmarkt, Thierry Breton, stellten die Liste am Dienstag in Straßburg vor. Die Aufzählung enthält insgesamt zehn Technologien. Vier davon werden als besonders gefährlich bezeichnet, sollten sie in falsche Hände geraten:
Neben diesen vier Bereichen stehen auch Themen wie die Cybersicherheit auf der Liste, zudem Sensoren, Energie-, Nuklear- und Fusions-Technologie, Robotik und auch Materialien wie Nano- und Smart-Material. “Europa passt sich den neuen geopolitischen Realitäten an, beendet die Ära der Naivität und agiert als echte geopolitische Macht”, sagte Breton bei der Vorstellung.
Die Liste ist, wie auch die Aufzählung zu kritischen Rohstoffen, ein Element der Strategie für wirtschaftliche Sicherheit, die die EU-Kommission im Juni erstmals vorgestellt hatte. Brüssel hat damit erstmals ihrer Wirtschaftspolitik einen Sicherheitsaspekt verpasst – was eine grundlegende Veränderung für die EU darstellt, die bisher auf dem Konzept des Freihandels basierte.
Für die Auswahl der Technologien auf der Listen sind der EU-Kommission drei Kriterien ausschlaggebend. Zum einen der “transformative Charakter” der Technologie. Darunter versteht die EU-Kommission das Potenzial für “radikale Veränderungen für Sektoren” durch die Technologie. Auch das Risiko eines doppelten Verwendungszwecks (auf Englisch Dual Use), also für zivile und militärische Zwecke, ist das zweite Kriterium. Das dritte Merkmal ist das Potenzial für Menschenrechtsverletzungen.
Offen bleibt allerdings die Frage, wie diese Technologien genau beschützt werden sollen. Die EU-Kommission hat bisher nicht genau gesagt, ob es ihr beispielsweise darum geht, den Zugriff aus Drittländern auf die europäische Technik zu verhindern oder auch europäische Investitionen in den Bereichen im Ausland besser prüfen durch ein Outbound Investment Screening. Einen Querschnitt habe man mit der Liste nun gefunden, sagte Breton. Jetzt müsse allerdings noch genauer hingesehen werden, um dann die Abhängigkeiten zu bekämpfen.
Dazu soll eine gemeinsame Risikobewertung mit den 27 Mitgliedsländern durchgeführt werden. “Um ein Player zu sein, brauchen wir eine einheitliche EU-Position, die auf einer gemeinsamen Einschätzung der Risiken basiert”, sagte EU-Kommissarin Jourová.
Die fehlende gemeinsame Position wurde beispielsweise sichtbar, als sich die Niederlande eigenständig Anfang des Jahres mit den USA darauf geeinigt hatte, den Export von hoch entwickelten Maschinen für die Chip-Herstellung nach China zu verbieten. Aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten gab es daraufhin Kritik, dass das eine EU-weite Entscheidung hätten sein sollen.
Während die EU-Kommission ihre Pläne vorstellte, machte das EU-Parlament am Dienstag in einer anderen Sache Nägel mit Köpfen: Das neue Handelswerkzeug gegen wirtschaftlichen Zwang, das Anti-Coercion Tool (ACI), wurde von den Abgeordneten mit einer großen Mehrheit an Stimmen durchgewunken. “Wir haben unseren Werkzeugkasten mit einem zusätzlichen Verteidigungsinstrument gefüllt”, schrieb SPD-Europapolitiker Bernd Lange auf X, vormals Twitter. Dieses werde in einigen Wochen in Kraft treten, so Lange, der dem Handelsausschuss des Parlaments vorsitzt.
Hintergrund für das neue Handelsinstrument waren unter anderem chinesische Handelsbeschränkungen gegen Litauen, nachdem die Regierung in Vilnius die Eröffnung eines “Taiwan-Büros” in Taipeh ermöglicht hatte. In solchen Fällen kann die EU künftig etwa den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen für Firmen aus den betreffenden Ländern beschränken oder den Vertrieb bestimmter Produkte aus Europa blockieren. Derartige Schritte sind allerdings als letztes Mittel vorgesehen, wenn andere, vor allem diplomatische Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis begrüßte den großen Zuspruch für das neue Handelstool. Der Lette beantwortete am Dienstag Fragen der EU-Parlamentarier zur China-Handelspolitik und seiner jüngsten Reise in die Volksrepublik. Zu letzterer und dem dort stattgefundenen Handelsdialog sagte Dombrovskis, dass es keinen Durchbruch, aber sinnvolle Schritte gegeben habe.
Die Abgeordneten stimmten am Dienstag im Parlament in Straßburg dafür, den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) um zusätzlich rund 76 Milliarden Euro zu erhöhen. Damit fordert das Parlament rund zehn Milliarden Euro mehr als die EU-Kommission.
Das Geld sei etwa für Herausforderungen wie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die wachsende Migrationsproblematik vorgesehen. Außerdem solle damit die strategische Autonomie sowie die Krisenreaktionsfähigkeit der Staatengemeinschaft gestärkt werden.
2020 hatte die EU sich nach zähen Verhandlungen auf den rund 1,1 Billionen Euro umfassenden Gemeinschaftsetat für die kommenden sieben Jahre verständigt. Ende Juni bat die EU-Kommission nach einer turnusmäßigen Halbzeitüberprüfung mit Blick auf fehlendes Geld im Gemeinschaftsetat die Mitgliedsländer um 66 Milliarden Euro zusätzlich für die kommenden Jahre. Das Geld soll etwa in die Bereiche Migration, Ukraine und Wettbewerb fließen, aber auch für höhere Zinsen und Mehrkosten aufgrund der Inflation aufgewendet werden.
Deutschland und andere Länder hatten die Forderungen der Kommission mit Verweis auf knappe nationale Haushalte kritisiert. Die EU-Kommission solle stattdessen existierende Spielräume und Restrukturierungen im Haushalt in den Blick nehmen, hatte etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gesagt. Aus anderen Ländern kamen ähnliche Äußerungen. Einigkeit besteht dabei, die Ukraine weiter zu unterstützen. Noch gibt es keine gemeinsame Verhandlungsposition der Länder. dpa
Die Kommission zieht offenbar in Betracht, Gelder aus dem EU-Budget für Ungarn freizugeben, die aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit eingefroren sind. Dabei geht es darum, die Zustimmung Budapests für die Unterstützung der Ukraine zu gewinnen.
Ungarn gilt als potenzieller Gegner der im Dezember anstehenden Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Kiew. Dafür ist die einstimmige Unterstützung der 27 Mitglieder der Union erforderlich. Auf dem Spiel steht auch die Forderung der Kommission nach einem höheren EU-Haushalt, um mehr Hilfe für die Ukraine finanzieren zu können. Diese Entscheidung wird ebenfalls noch in diesem Jahr erwartet und erfordert Einstimmigkeit.
Ein hochrangiger EU-Beamter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, zurzeit gehe man davon aus, dass die EU sich mit den Geldern für Ungarn befassen werde. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ungarn zustimmt, ohne dass es vorher eine Lösung für die blockierten Mittel gibt”, sagte er.
Ein weiterer EU-Beamter sagte, dass etwa 13 Milliarden Euro zur Diskussion stünden. Über die Zahl hatte zuvor die “Financial Times” berichtet. Die Quellen betonten jedoch, dass eine Einigung nicht von vornherein feststehe und viel von Ministerpräsident Viktor Orbán abhänge, der mit wirtschaftlicher Stagnation und einem wachsenden Haushaltsdefizit im eigenen Land zu kämpfen habe. Ungarn brauche das Geld dringend, was ein Anreiz für Reformen sei.
Die in diesem Sommer von Ungarn verabschiedeten Gesetze zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz hätten dazu geführt, dass man einer Freigabe eines Teils der insgesamt 22 Milliarden Euro näher gekommen sei. Vergangene Woche hat die Kommission Budapest um mehr Details zur Umsetzung gebeten. rtr/sas
Eine Gruppe von Ländern unter der Führung Frankreichs hat einen Kompromiss zur EU-Strommarktreform vorgelegt. Damit sollen die Versuche einiger Länder verhindert werden, strengere Kontrollen für künftige staatliche Beihilfen für Kraftwerke einzuführen. Das berichtet Reuters und beruft sich dabei auf EU-Quellen und -Dokumente.
Die Verhandlungen um die Reform stecken weiterhin fest. Eine Gruppe von Ländern, angeführt von Deutschland, fordert strengere Regeln für staatliche Unterstützung. Sie befürchten, dass Frankreich einen Wettbewerbsvorteil erlangt, wenn es staatlich geförderte Festpreisverträge für seine Atomkraftwerke anbieten und die dadurch erzielten Einnahmen zur Förderung der französischen Industrie verwenden kann.
Frankreich, das von Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien unterstützt wird, präsentierte nun einen neuen Vorschlag, der die zuvor von der spanischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagenen Schutzklauseln aufheben würde. Deutschland arbeitet separat an einem eigenen Papier.
Ein Beamter des französischen Energieministeriums betonte die Freiheit der Mitgliedstaaten, die Bürgerinnen und Bürger vom Energiemix eines Landes profitieren zu lassen. “Im Falle Frankreichs ist die Kernenergie eine soziale Entscheidung.”
Die spanische Ratspräsidentschaft hat in den vergangenen Monaten mehrere Kompromissvorschläge ausgearbeitet. Sie sehen unter anderem strengere Regeln für die Subventionen und eine Überwachungsfunktion der Kommission vor. In seinem jüngsten Versuch von vergangener Woche hat der spanische Vorsitz sogar die Option erwogen, die Regeln für diese Subventionen vollständig aus der Reform zu streichen.
Die Energieminister sollen am 17. Oktober zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen, um über die Strommarktreform zu beraten. rtr/sas/ber
Nationale Regierungen sollen nach dem Willen des Europaparlaments schwieriger Einfluss auf Medien nehmen können. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Dienstag für das Medienfreiheitsgesetz, durch das unter anderem mehr Transparenz über Besitzverhältnisse von Medienunternehmen sichergestellt werden soll. Zudem sollen Medien darüber informieren, wie viel Geld sie durch staatliche Werbung bekommen. Mit der Abstimmung machten die Politiker den Weg für finale Verhandlungen zur Ausgestaltung des Gesetzes frei.
Das Gesetz geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück, mit dem mehr Transparenz und Unabhängigkeit auf dem Medienmarkt geschaffen werden soll. Der ursprüngliche Vorschlag war auf teils heftige Kritik gestoßen.
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) sehen in der Position des Parlaments zwar Verbesserungen, wesentliche Probleme blieben aber bestehen. Unter anderem wird bemängelt, dass nicht in die interne Arbeitsweise von Medienunternehmen eingegriffen werden dürfe. Auch eine geplante europäische Medienaufsicht sehen die Verbände kritisch.
Die für das Gesetz im Parlament federführend zuständige Abgeordnete Sabine Verheyen sagte nach der Abstimmung, unabhängige Medien dienten als öffentliche Wächter und seien eine entscheidende Säule der Demokratie. “Wir können die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass die Medienfreiheit in mehreren EU-Mitgliedstaaten ernsthaft bedroht ist”, so die CDU-Politikerin. Die Abgeordneten wollen “jegliche Einmischung in die redaktionellen Entscheidungen von Medienunternehmen verbieten”, heißt es in einer Mitteilung des Parlaments.
Dem Grünen-Abgeordneten Daniel Freund geht das Gesetz nicht weit genug. Es sei bedauerlich, dass es für ein umfassendes Verbot für den Einsatz von Spyware gegen Journalistinnen und Journalisten keine Mehrheit gegeben habe. Freund hätte sich auch mehr Kompetenzen für die EU-Kommission gewünscht, um gegen politisch gesteuerte Medien-Imperien vorzugehen.
Verheyen betonte nach der Abstimmung, es sei wichtig gewesen, dass das Gesetz rechtlich nicht angreifbar sei, damit Länder wie Polen und Ungarn nicht sofort dagegen vorgehen könnten. dpa
Nach dem Scheitern der konservativen Opposition im Bemühen um eine Parlamentsmehrheit will Spaniens amtierender Regierungschef Pedro Sánchez von der Sozialistischen Partei nun zügig Gespräche mit anderen Parteien zur Regierungsneubildung aufnehmen.
Als Erstes werde er am Mittwoch mit seiner Arbeitsministerin und Chefin der linksgerichteten Sumar, Yolanda Díaz, sprechen, kündigte Sánchez am Dienstag an. Zuvor hatte ihn König Felipe mit der Regierungsbildung beauftragt. Sánchez dürfte nun die Unterstützung der katalanischen Separatisten suchen, die im Gegenzug aber eine Begnadigung Hunderter Mitstreiter und ein neues Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien fordern. Die Mehrheit der spanischen Bevölkerung lehnt dies ab.
Bei der Parlamentswahl am 23. Juli hatte die Partei von Sánchez weniger Sitze erhalten als die Konservativen unter Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo. Dieser verfehlte in der vergangenen Woche im Parlament aber die erforderliche Mehrheit.
Sanchez ist seit 2018 Ministerpräsident und führt seit 2020 eine Minderheitsregierung. Damit er im Amt bleiben kann, wäre er auf Stimmen katalanischer und baskischer Parteien angewiesen, von denen einige für die Unabhängigkeit von der Regierung in Madrid eintreten. Sollte Sánchez bei der Mehrheitsfindung ebenso scheitern, dürfte im Januar erneut gewählt werden. Spanien hat noch bis Ende des Jahres den Vorsitz im Rat der EU. rtr
Während der Trilog zur Entscheidung über die finale Fassung der CSDDD noch läuft, dürfte für die meisten Unternehmen bereits klar sein, dass die Anforderungen an ihre Lieferketten zunehmen werden. Denn der Entwurf für die Richtlinie geht deutlich über die Vorgaben des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hinaus.
Die Abweichungen beginnen bereits beim Anwendungsbereich: Betrifft das LkSG derzeit nur Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden, gilt die CSDDD schon für Betriebe mit 250 oder mehr Angestellten sowie einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro. Zugleich möchte die EU eine zivilrechtliche Haftung einführen und den Sanktionsrahmen erweitern.
Für Unternehmen mit weitverzweigten Lieferantennetzwerken könnte vor allem die ausgeweitete Verantwortung eine Herausforderung werden. Denn dadurch sind neben mittelbaren und unmittelbaren Lieferanten beispielsweise auch der Vertrieb betroffen (Up- und Downstream). Unternehmen müssen ihre Wertschöpfungsketten deshalb deutlich umfassender prüfen als bisher. Das Problem: Die Kapazitäten für den Mehraufwand sind oft gar nicht vorhanden. Im Gegenteil – schon jetzt fehlt es vielen Unternehmen an Ressourcen, um nur die nationalen Vorgaben zu erfüllen.
Hinzu kommt, dass sich die CSDDD neben Unternehmen aus der EU auch auf Nicht-EU-Firmen bezieht, wenn diese einen Umsatz von 150 Millionen Euro innerhalb der EU erzielen. Auch hier kann je nach Lieferantennetzwerk ein Mehraufwand bei der Risikoanalyse entstehen. Diese muss im Gegensatz zum LkSG übrigens fortlaufend statt in festen Intervallen erfolgen, sodass auch in der Berichterstattung mehr zu tun sein wird.
Die gute Nachricht: In vielen anderen Punkten ist die CSDDD an das LkSG angelehnt. Daraus ergeben sich Synergien. Besonders wertvoll ist das im Technologiebereich, denn hier bedeuten Neuanschaffungen in der Regel hohe Investitionen und langwierige Implementierungen. Wer aber bereits über Software verfügt, die Risiken in den Lieferketten sichtbar macht, muss im besten Fall nur noch Anpassungen vornehmen. Vorhandene Systeme für Supply-Chain-Management, Analytics oder Reporting können in Betrieb bleiben. Trotzdem sollten Verantwortliche im Vorfeld prüfen, ob gegebenenfalls Upgrades, neue Module oder anderweitige Anpassungen erforderlich sind.
Auch bei der Berichterstattung ergeben sich starke Synergien – die für den Jahresbericht etablierten Prozesse und Automatismen lassen sich in ihren Grundzügen für das CSDDD-Reporting verwenden. Wichtig: Weil die EU eine fortlaufende Berichterstattung voraussetzt, müssen Unternehmen ihre Dokumentationsprozesse dahingehend anpassen. Außerdem gilt es, neue Dimensionen zu berücksichtigen, zum Beispiel den Schutz der Biodiversität sowie Lieferanten, die bisher nicht erfasst wurden.
Sowohl die Reporting-Intervalle als auch die erweiterte, inhaltliche Ausgestaltung der Berichte haben eine direkte Auswirkung darauf, wie Unternehmen Daten erheben und managen müssen. Damit sind mehr als zuvor automatisierte Lösungen gefragt, die Kennzahlen in Echtzeit verarbeiten und individualisierte Reportings auf Knopfdruck erstellen. Neue KPI-Dimensionen müssen wiederum in die Risikoanalyse einfließen, um valide Berichte erstellen zu können. Und vorhandene Lieferanten-Management-Prozesse helfen nicht zuletzt dabei, die Einhaltung der Anforderungen des Gesetzes sicherzustellen.
Um bereits vorhandene Systeme und Prozesse für die Umsetzung der CSDDD-Anforderungen zu nutzen, müssen Unternehmen ihre bestehenden Compliance- und Risikomanagementsysteme eingehend überprüfen. Dabei kann eine klassische Soll-Ist-Analyse helfen, die den Status quo dem Zielbild gegenüberstellt. Die dabei identifizierten Lücken gilt es schließlich zu priorisieren, sodass problematische Rückstände zügig aufgeholt werden können. Auf diese Weise vermeiden es Unternehmen, umfangreiche Strukturen von Grund auf neu aufbauen zu müssen und dabei viel Zeit und Geld zu verlieren.
Führungskräfte sollten etwaige Veränderungen in den Systemen und Prozessen im letzten Schritt transparent und nachvollziehbar kommunizieren. Nur so stellen sie sicher, dass sich alle Lieferanten ihrer Rolle und Verantwortung bewusst sind. Mitarbeitende können zudem mit Schulungen oder Weiterbildungsmaßnahmen an neue Prozesse herangeführt werden. Denn am Ende zählt, dass alle Beteiligten im Sinne nachhaltigerer Lieferketten an einem Strang ziehen.
in Straßburg war gestern kein Feiertag, die Arbeit lief wie gewohnt weiter. Ein wesentliches Thema des Tages: der Schutz europäischen Know-hows vor China. Die Kommission hat eine Liste mit kritischen Technologien vorgestellt, die nicht in falsche Hände geraten sollen. Amelie Richter analysiert, ob der Plan aufgehen kann.
Nicht weiter ging es bei der Frage, ob das Parlament der Ernennung von Wopke Hoekstra als Klimakommissar und Maroš Šefčovič als Green-Deal-Kommissar zustimmt. Nachdem die Abgeordneten im Umweltausschuss in den vergangenen Tagen beide Männer intensiv befragt haben, kamen sie zu dem Schluss: Es reicht noch nicht. Sie wollen weitere Antworten haben – und zwar bis heute, 7 Uhr. Warum es bei den nachträglichen Fragen nicht nur um Inhalt, sondern auch um Parteipolitik geht, lesen Sie in meiner Analyse.
Heute um 8:30 Uhr treffen sich die Koordinatoren erneut und beraten über die Antworten. Stimmen mindestens vier Fraktionen für einen Kandidaten, gilt die Zustimmung des Parlaments als sicher und die Empfehlung des Umweltausschusses wird an die Präsidentenkonferenz der EU – die sogenannte COP – weitergeleitet. Die reicht diese Empfehlung ans Plenum weiter und würde noch am Donnerstag darüber abstimmen lassen.
Bekommt einer oder beide Kandidaten keine Mehrheit, wird die Entscheidung erneut vertagt, sodass wieder mehr Zeit für weitere Fragen und Antworten bliebe. Der Prozess würde sich voraussichtlich bis zum zweiten Oktoberplenum in zehn Tagen hinziehen.
Wie es ausgeht, lesen Sie natürlich im Europe.Table.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Restwoche!
Montagnacht hieß es, man wolle mit der Entscheidung über Wopke Hoekstra bis nach der Anhörung von Maroš Šefčovič warten. Am Dienstagnachmittag, nach der Anhörung von Šefčovič, wurde die Entscheidung noch einmal vertagt. Bis Mittwoch sollen beide noch einmal schriftliche Fragen beantworten, dann kommen die Koordinatoren der Fraktionen im Umweltausschuss (ENVI) erneut zusammen, um diese zu bewerten. Der Plan, am Donnerstag im Plenum über beide Ernennungen abzustimmen, steht weiterhin.
Warum also die Extrarunde? Grüne und Sozialdemokraten waren positiv überrascht von den Ankündigungen des designierten Klimakommissars Hoekstra am Montagabend. Der Niederländer hat die schlimmsten Befürchtungen der Umweltschützer prinzipiell zerstreut und sich eindeutig hinter das Renaturierungsgesetz, ein 2040er-Klimaziel von mindestens minus 90 Prozent sowie einen Fonds für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder (Loss & Damage) gestellt.
Allerdings, betont der klimapolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss, fehle Hoekstra nach wie vor die Glaubwürdigkeit als ehemaliger Shell-Mitarbeiter und sparsamer Frugal-Finanzminister. Dieses Vertrauensdefizit müsse durch präzisere Antworten, wie er das Versprochene erreichen will, wettgemacht werden.
Šefčovič präsentierte sich am Dienstag deutlich unkonkreter. Erst auf mehrfache Nachfrage des Grünen-Abgeordneten Bas Eickhout stellte er sich hinter ein 2040-Ziel von mindestens 90 Prozent. Ob er auch neue, eigene Projekte als Green-Deal-Kommissar anstrebe, darüber gab er keine Auskunft. Er wolle die bisherigen Ambitionen der Kommission weiterführen, betonte er mehrfach. Lediglich einen “grünen Sozialdialog” wolle er auf den Weg bringen.
Auch über die noch ausstehenden Gesetzesvorschläge der Kommission gab er keine befriedigende Antwort für die Abgeordneten. Darunter ist die Überarbeitung der Chemikalienverordnung REACH sowie Vorschläge zu Tiergesundheit, Waldmonitoring, Mikroplastik und nachhaltige Lebensmittelsysteme. Welche Dossiers noch kommen und wann? Man arbeite daran, erwiderte Šefčovič nur.
Nun haben die Abgeordneten einen Brief mit weiteren Fragen zur Beantwortung bis 7 Uhr am Mittwoch geschickt. Die Parlamentarier wollen ein unmissverständliches Bekenntnis von beiden zum EU-Klimaziel für 2040 und konkrete Angaben, welche CO₂-Minderung sie bis dahin anstreben. Hoekstra soll zudem die Projekte offenlegen, an denen er als McKinsey-Berater mitgearbeitet hat. Dies hatte er am Montagabend zugesagt.
Da insbesondere EVP-Abgeordnete mit Šefčovičs Aussagen zu Russland und seiner Vergangenheit als Verbündeter des Linkspopulisten und bekennenden Russlandfreunds Robert Fico unzufrieden waren, fordern sie auch hier ein erneutes Bekenntnis.
Fico – Wahlgewinner am Wochenende in der Slowakei – will Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen und außenpolitisch wieder einen russlandfreundlicheren Weg einschlagen. In früheren Amtszeiten als Regierungschef hatte er mehrfach dafür gesorgt, dass Šefčovič als Kommissar nach Brüssel ging. Ob er das Energieembargo gegen Russland in allen EU-Hauptstädten – insbesondere in Bratislava – verteidigen werde? Das ist eine wesentliche Frage der Parlamentarier.
Zudem wollen sie von Šefčovič einen detaillierten Zeitplan, ob und wann welches der ausstehenden Dossiers vorgestellt wird. Für manche Abgeordnete ist diese Information wichtig, da sie die Vorschläge für zwingend notwendig zu Erfüllung des Green Deal halten. Andere hätten lieber früher als später Gewissheit, dass keine weiteren regulatorischen Maßnahmen mehr für die Industrie kommen.
Pascal Canfin, Renew-Abgeordneter und ENVI-Vorsitzender, machte deutlich, dass die Arbeiten an den Vorschlägen längst abgeschlossen seien. Man wisse, dass die Texte bereitliegen. Es brauche nun die politische Entscheidung, sie vorzulegen. Canfin stellte ebenso klar, dass einige der nachträglichen Fragen speziell auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen adressierten. Er gehe ohnehin davon aus, dass sie die Beantwortung der Fragen beaufsichtige.
Hinter der erneuten Vertagung der Entscheidung steckt auch der parteipolitische Machtkampf über die weitere Linie der EU bei der Umwelt- und Klimapolitik. Auf der einen Seite stehen die Christdemokraten der EVP, auf der anderen die sozialdemokratische S&D sowie die Grünen. Beide Seiten hatten den Preis für ihre Zustimmung für einen der Kandidaten zuletzt immer weiter in die Höhe getrieben.
Die EVP betonte immer wieder ihre Probleme mit einem Fico-Mann, obwohl sie ihn bereits mehrfach in die Kommission gewählt hat. Grüne und S&D stellten hohe Anforderungen an die klimapolitische Integrität Hoekstras und waren positiv überrascht, als er deutliche Zugeständnisse machte. Besonders das Bekenntnis des EVP-Mannes zum Renaturierungsgesetz, welches die Christdemokraten im Parlament versucht haben zu blockieren, war wohl ausschlaggebend für die Unterstützung.
Dennoch wollte am Schluss keiner nachgeben und den Weg für die Ernennung der beiden frei machen. S&D und Grüne hatten nach Šefčovičs schlechter Performance bei der Anhörung wenig Argumente, ihn durchzuwinken, bei Hoekstra aber hart zu bleiben. Ihre Skepsis für den Slowaken dürfte größer denn je sein. Die EVP, die sich bereits klar für die Ernennung Hoekstras ausspricht, hatte somit leichtes Spiel, ihre Zustimmung für Šefčovič hinauszuzögern. Der einzige Ausweg: eine weitere Fragerunde.
Die EU-Kommission hat eine Liste kritischer Technologien erstellt, die die Europäische Union vor Rivalen schützen möchte. Digital-Kommissarin Věra Jourová und der Kommissar für Binnenmarkt, Thierry Breton, stellten die Liste am Dienstag in Straßburg vor. Die Aufzählung enthält insgesamt zehn Technologien. Vier davon werden als besonders gefährlich bezeichnet, sollten sie in falsche Hände geraten:
Neben diesen vier Bereichen stehen auch Themen wie die Cybersicherheit auf der Liste, zudem Sensoren, Energie-, Nuklear- und Fusions-Technologie, Robotik und auch Materialien wie Nano- und Smart-Material. “Europa passt sich den neuen geopolitischen Realitäten an, beendet die Ära der Naivität und agiert als echte geopolitische Macht”, sagte Breton bei der Vorstellung.
Die Liste ist, wie auch die Aufzählung zu kritischen Rohstoffen, ein Element der Strategie für wirtschaftliche Sicherheit, die die EU-Kommission im Juni erstmals vorgestellt hatte. Brüssel hat damit erstmals ihrer Wirtschaftspolitik einen Sicherheitsaspekt verpasst – was eine grundlegende Veränderung für die EU darstellt, die bisher auf dem Konzept des Freihandels basierte.
Für die Auswahl der Technologien auf der Listen sind der EU-Kommission drei Kriterien ausschlaggebend. Zum einen der “transformative Charakter” der Technologie. Darunter versteht die EU-Kommission das Potenzial für “radikale Veränderungen für Sektoren” durch die Technologie. Auch das Risiko eines doppelten Verwendungszwecks (auf Englisch Dual Use), also für zivile und militärische Zwecke, ist das zweite Kriterium. Das dritte Merkmal ist das Potenzial für Menschenrechtsverletzungen.
Offen bleibt allerdings die Frage, wie diese Technologien genau beschützt werden sollen. Die EU-Kommission hat bisher nicht genau gesagt, ob es ihr beispielsweise darum geht, den Zugriff aus Drittländern auf die europäische Technik zu verhindern oder auch europäische Investitionen in den Bereichen im Ausland besser prüfen durch ein Outbound Investment Screening. Einen Querschnitt habe man mit der Liste nun gefunden, sagte Breton. Jetzt müsse allerdings noch genauer hingesehen werden, um dann die Abhängigkeiten zu bekämpfen.
Dazu soll eine gemeinsame Risikobewertung mit den 27 Mitgliedsländern durchgeführt werden. “Um ein Player zu sein, brauchen wir eine einheitliche EU-Position, die auf einer gemeinsamen Einschätzung der Risiken basiert”, sagte EU-Kommissarin Jourová.
Die fehlende gemeinsame Position wurde beispielsweise sichtbar, als sich die Niederlande eigenständig Anfang des Jahres mit den USA darauf geeinigt hatte, den Export von hoch entwickelten Maschinen für die Chip-Herstellung nach China zu verbieten. Aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten gab es daraufhin Kritik, dass das eine EU-weite Entscheidung hätten sein sollen.
Während die EU-Kommission ihre Pläne vorstellte, machte das EU-Parlament am Dienstag in einer anderen Sache Nägel mit Köpfen: Das neue Handelswerkzeug gegen wirtschaftlichen Zwang, das Anti-Coercion Tool (ACI), wurde von den Abgeordneten mit einer großen Mehrheit an Stimmen durchgewunken. “Wir haben unseren Werkzeugkasten mit einem zusätzlichen Verteidigungsinstrument gefüllt”, schrieb SPD-Europapolitiker Bernd Lange auf X, vormals Twitter. Dieses werde in einigen Wochen in Kraft treten, so Lange, der dem Handelsausschuss des Parlaments vorsitzt.
Hintergrund für das neue Handelsinstrument waren unter anderem chinesische Handelsbeschränkungen gegen Litauen, nachdem die Regierung in Vilnius die Eröffnung eines “Taiwan-Büros” in Taipeh ermöglicht hatte. In solchen Fällen kann die EU künftig etwa den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen für Firmen aus den betreffenden Ländern beschränken oder den Vertrieb bestimmter Produkte aus Europa blockieren. Derartige Schritte sind allerdings als letztes Mittel vorgesehen, wenn andere, vor allem diplomatische Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.
EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis begrüßte den großen Zuspruch für das neue Handelstool. Der Lette beantwortete am Dienstag Fragen der EU-Parlamentarier zur China-Handelspolitik und seiner jüngsten Reise in die Volksrepublik. Zu letzterer und dem dort stattgefundenen Handelsdialog sagte Dombrovskis, dass es keinen Durchbruch, aber sinnvolle Schritte gegeben habe.
Die Abgeordneten stimmten am Dienstag im Parlament in Straßburg dafür, den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) um zusätzlich rund 76 Milliarden Euro zu erhöhen. Damit fordert das Parlament rund zehn Milliarden Euro mehr als die EU-Kommission.
Das Geld sei etwa für Herausforderungen wie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die wachsende Migrationsproblematik vorgesehen. Außerdem solle damit die strategische Autonomie sowie die Krisenreaktionsfähigkeit der Staatengemeinschaft gestärkt werden.
2020 hatte die EU sich nach zähen Verhandlungen auf den rund 1,1 Billionen Euro umfassenden Gemeinschaftsetat für die kommenden sieben Jahre verständigt. Ende Juni bat die EU-Kommission nach einer turnusmäßigen Halbzeitüberprüfung mit Blick auf fehlendes Geld im Gemeinschaftsetat die Mitgliedsländer um 66 Milliarden Euro zusätzlich für die kommenden Jahre. Das Geld soll etwa in die Bereiche Migration, Ukraine und Wettbewerb fließen, aber auch für höhere Zinsen und Mehrkosten aufgrund der Inflation aufgewendet werden.
Deutschland und andere Länder hatten die Forderungen der Kommission mit Verweis auf knappe nationale Haushalte kritisiert. Die EU-Kommission solle stattdessen existierende Spielräume und Restrukturierungen im Haushalt in den Blick nehmen, hatte etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gesagt. Aus anderen Ländern kamen ähnliche Äußerungen. Einigkeit besteht dabei, die Ukraine weiter zu unterstützen. Noch gibt es keine gemeinsame Verhandlungsposition der Länder. dpa
Die Kommission zieht offenbar in Betracht, Gelder aus dem EU-Budget für Ungarn freizugeben, die aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit eingefroren sind. Dabei geht es darum, die Zustimmung Budapests für die Unterstützung der Ukraine zu gewinnen.
Ungarn gilt als potenzieller Gegner der im Dezember anstehenden Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Kiew. Dafür ist die einstimmige Unterstützung der 27 Mitglieder der Union erforderlich. Auf dem Spiel steht auch die Forderung der Kommission nach einem höheren EU-Haushalt, um mehr Hilfe für die Ukraine finanzieren zu können. Diese Entscheidung wird ebenfalls noch in diesem Jahr erwartet und erfordert Einstimmigkeit.
Ein hochrangiger EU-Beamter sagte der Nachrichtenagentur Reuters, zurzeit gehe man davon aus, dass die EU sich mit den Geldern für Ungarn befassen werde. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ungarn zustimmt, ohne dass es vorher eine Lösung für die blockierten Mittel gibt”, sagte er.
Ein weiterer EU-Beamter sagte, dass etwa 13 Milliarden Euro zur Diskussion stünden. Über die Zahl hatte zuvor die “Financial Times” berichtet. Die Quellen betonten jedoch, dass eine Einigung nicht von vornherein feststehe und viel von Ministerpräsident Viktor Orbán abhänge, der mit wirtschaftlicher Stagnation und einem wachsenden Haushaltsdefizit im eigenen Land zu kämpfen habe. Ungarn brauche das Geld dringend, was ein Anreiz für Reformen sei.
Die in diesem Sommer von Ungarn verabschiedeten Gesetze zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz hätten dazu geführt, dass man einer Freigabe eines Teils der insgesamt 22 Milliarden Euro näher gekommen sei. Vergangene Woche hat die Kommission Budapest um mehr Details zur Umsetzung gebeten. rtr/sas
Eine Gruppe von Ländern unter der Führung Frankreichs hat einen Kompromiss zur EU-Strommarktreform vorgelegt. Damit sollen die Versuche einiger Länder verhindert werden, strengere Kontrollen für künftige staatliche Beihilfen für Kraftwerke einzuführen. Das berichtet Reuters und beruft sich dabei auf EU-Quellen und -Dokumente.
Die Verhandlungen um die Reform stecken weiterhin fest. Eine Gruppe von Ländern, angeführt von Deutschland, fordert strengere Regeln für staatliche Unterstützung. Sie befürchten, dass Frankreich einen Wettbewerbsvorteil erlangt, wenn es staatlich geförderte Festpreisverträge für seine Atomkraftwerke anbieten und die dadurch erzielten Einnahmen zur Förderung der französischen Industrie verwenden kann.
Frankreich, das von Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien unterstützt wird, präsentierte nun einen neuen Vorschlag, der die zuvor von der spanischen Ratspräsidentschaft vorgeschlagenen Schutzklauseln aufheben würde. Deutschland arbeitet separat an einem eigenen Papier.
Ein Beamter des französischen Energieministeriums betonte die Freiheit der Mitgliedstaaten, die Bürgerinnen und Bürger vom Energiemix eines Landes profitieren zu lassen. “Im Falle Frankreichs ist die Kernenergie eine soziale Entscheidung.”
Die spanische Ratspräsidentschaft hat in den vergangenen Monaten mehrere Kompromissvorschläge ausgearbeitet. Sie sehen unter anderem strengere Regeln für die Subventionen und eine Überwachungsfunktion der Kommission vor. In seinem jüngsten Versuch von vergangener Woche hat der spanische Vorsitz sogar die Option erwogen, die Regeln für diese Subventionen vollständig aus der Reform zu streichen.
Die Energieminister sollen am 17. Oktober zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen, um über die Strommarktreform zu beraten. rtr/sas/ber
Nationale Regierungen sollen nach dem Willen des Europaparlaments schwieriger Einfluss auf Medien nehmen können. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Dienstag für das Medienfreiheitsgesetz, durch das unter anderem mehr Transparenz über Besitzverhältnisse von Medienunternehmen sichergestellt werden soll. Zudem sollen Medien darüber informieren, wie viel Geld sie durch staatliche Werbung bekommen. Mit der Abstimmung machten die Politiker den Weg für finale Verhandlungen zur Ausgestaltung des Gesetzes frei.
Das Gesetz geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück, mit dem mehr Transparenz und Unabhängigkeit auf dem Medienmarkt geschaffen werden soll. Der ursprüngliche Vorschlag war auf teils heftige Kritik gestoßen.
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) sehen in der Position des Parlaments zwar Verbesserungen, wesentliche Probleme blieben aber bestehen. Unter anderem wird bemängelt, dass nicht in die interne Arbeitsweise von Medienunternehmen eingegriffen werden dürfe. Auch eine geplante europäische Medienaufsicht sehen die Verbände kritisch.
Die für das Gesetz im Parlament federführend zuständige Abgeordnete Sabine Verheyen sagte nach der Abstimmung, unabhängige Medien dienten als öffentliche Wächter und seien eine entscheidende Säule der Demokratie. “Wir können die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass die Medienfreiheit in mehreren EU-Mitgliedstaaten ernsthaft bedroht ist”, so die CDU-Politikerin. Die Abgeordneten wollen “jegliche Einmischung in die redaktionellen Entscheidungen von Medienunternehmen verbieten”, heißt es in einer Mitteilung des Parlaments.
Dem Grünen-Abgeordneten Daniel Freund geht das Gesetz nicht weit genug. Es sei bedauerlich, dass es für ein umfassendes Verbot für den Einsatz von Spyware gegen Journalistinnen und Journalisten keine Mehrheit gegeben habe. Freund hätte sich auch mehr Kompetenzen für die EU-Kommission gewünscht, um gegen politisch gesteuerte Medien-Imperien vorzugehen.
Verheyen betonte nach der Abstimmung, es sei wichtig gewesen, dass das Gesetz rechtlich nicht angreifbar sei, damit Länder wie Polen und Ungarn nicht sofort dagegen vorgehen könnten. dpa
Nach dem Scheitern der konservativen Opposition im Bemühen um eine Parlamentsmehrheit will Spaniens amtierender Regierungschef Pedro Sánchez von der Sozialistischen Partei nun zügig Gespräche mit anderen Parteien zur Regierungsneubildung aufnehmen.
Als Erstes werde er am Mittwoch mit seiner Arbeitsministerin und Chefin der linksgerichteten Sumar, Yolanda Díaz, sprechen, kündigte Sánchez am Dienstag an. Zuvor hatte ihn König Felipe mit der Regierungsbildung beauftragt. Sánchez dürfte nun die Unterstützung der katalanischen Separatisten suchen, die im Gegenzug aber eine Begnadigung Hunderter Mitstreiter und ein neues Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien fordern. Die Mehrheit der spanischen Bevölkerung lehnt dies ab.
Bei der Parlamentswahl am 23. Juli hatte die Partei von Sánchez weniger Sitze erhalten als die Konservativen unter Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo. Dieser verfehlte in der vergangenen Woche im Parlament aber die erforderliche Mehrheit.
Sanchez ist seit 2018 Ministerpräsident und führt seit 2020 eine Minderheitsregierung. Damit er im Amt bleiben kann, wäre er auf Stimmen katalanischer und baskischer Parteien angewiesen, von denen einige für die Unabhängigkeit von der Regierung in Madrid eintreten. Sollte Sánchez bei der Mehrheitsfindung ebenso scheitern, dürfte im Januar erneut gewählt werden. Spanien hat noch bis Ende des Jahres den Vorsitz im Rat der EU. rtr
Während der Trilog zur Entscheidung über die finale Fassung der CSDDD noch läuft, dürfte für die meisten Unternehmen bereits klar sein, dass die Anforderungen an ihre Lieferketten zunehmen werden. Denn der Entwurf für die Richtlinie geht deutlich über die Vorgaben des nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hinaus.
Die Abweichungen beginnen bereits beim Anwendungsbereich: Betrifft das LkSG derzeit nur Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitenden, gilt die CSDDD schon für Betriebe mit 250 oder mehr Angestellten sowie einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro. Zugleich möchte die EU eine zivilrechtliche Haftung einführen und den Sanktionsrahmen erweitern.
Für Unternehmen mit weitverzweigten Lieferantennetzwerken könnte vor allem die ausgeweitete Verantwortung eine Herausforderung werden. Denn dadurch sind neben mittelbaren und unmittelbaren Lieferanten beispielsweise auch der Vertrieb betroffen (Up- und Downstream). Unternehmen müssen ihre Wertschöpfungsketten deshalb deutlich umfassender prüfen als bisher. Das Problem: Die Kapazitäten für den Mehraufwand sind oft gar nicht vorhanden. Im Gegenteil – schon jetzt fehlt es vielen Unternehmen an Ressourcen, um nur die nationalen Vorgaben zu erfüllen.
Hinzu kommt, dass sich die CSDDD neben Unternehmen aus der EU auch auf Nicht-EU-Firmen bezieht, wenn diese einen Umsatz von 150 Millionen Euro innerhalb der EU erzielen. Auch hier kann je nach Lieferantennetzwerk ein Mehraufwand bei der Risikoanalyse entstehen. Diese muss im Gegensatz zum LkSG übrigens fortlaufend statt in festen Intervallen erfolgen, sodass auch in der Berichterstattung mehr zu tun sein wird.
Die gute Nachricht: In vielen anderen Punkten ist die CSDDD an das LkSG angelehnt. Daraus ergeben sich Synergien. Besonders wertvoll ist das im Technologiebereich, denn hier bedeuten Neuanschaffungen in der Regel hohe Investitionen und langwierige Implementierungen. Wer aber bereits über Software verfügt, die Risiken in den Lieferketten sichtbar macht, muss im besten Fall nur noch Anpassungen vornehmen. Vorhandene Systeme für Supply-Chain-Management, Analytics oder Reporting können in Betrieb bleiben. Trotzdem sollten Verantwortliche im Vorfeld prüfen, ob gegebenenfalls Upgrades, neue Module oder anderweitige Anpassungen erforderlich sind.
Auch bei der Berichterstattung ergeben sich starke Synergien – die für den Jahresbericht etablierten Prozesse und Automatismen lassen sich in ihren Grundzügen für das CSDDD-Reporting verwenden. Wichtig: Weil die EU eine fortlaufende Berichterstattung voraussetzt, müssen Unternehmen ihre Dokumentationsprozesse dahingehend anpassen. Außerdem gilt es, neue Dimensionen zu berücksichtigen, zum Beispiel den Schutz der Biodiversität sowie Lieferanten, die bisher nicht erfasst wurden.
Sowohl die Reporting-Intervalle als auch die erweiterte, inhaltliche Ausgestaltung der Berichte haben eine direkte Auswirkung darauf, wie Unternehmen Daten erheben und managen müssen. Damit sind mehr als zuvor automatisierte Lösungen gefragt, die Kennzahlen in Echtzeit verarbeiten und individualisierte Reportings auf Knopfdruck erstellen. Neue KPI-Dimensionen müssen wiederum in die Risikoanalyse einfließen, um valide Berichte erstellen zu können. Und vorhandene Lieferanten-Management-Prozesse helfen nicht zuletzt dabei, die Einhaltung der Anforderungen des Gesetzes sicherzustellen.
Um bereits vorhandene Systeme und Prozesse für die Umsetzung der CSDDD-Anforderungen zu nutzen, müssen Unternehmen ihre bestehenden Compliance- und Risikomanagementsysteme eingehend überprüfen. Dabei kann eine klassische Soll-Ist-Analyse helfen, die den Status quo dem Zielbild gegenüberstellt. Die dabei identifizierten Lücken gilt es schließlich zu priorisieren, sodass problematische Rückstände zügig aufgeholt werden können. Auf diese Weise vermeiden es Unternehmen, umfangreiche Strukturen von Grund auf neu aufbauen zu müssen und dabei viel Zeit und Geld zu verlieren.
Führungskräfte sollten etwaige Veränderungen in den Systemen und Prozessen im letzten Schritt transparent und nachvollziehbar kommunizieren. Nur so stellen sie sicher, dass sich alle Lieferanten ihrer Rolle und Verantwortung bewusst sind. Mitarbeitende können zudem mit Schulungen oder Weiterbildungsmaßnahmen an neue Prozesse herangeführt werden. Denn am Ende zählt, dass alle Beteiligten im Sinne nachhaltigerer Lieferketten an einem Strang ziehen.