27 Tote in 24 Stunden – und eine schnelle Feuerpause. Das war das Lagebild einen Tag nach dem Einmarsch von Soldaten der Armee Aserbaidschans in Berg-Karabach. Ob die Waffen über Nacht wirklich geschwiegen haben, wie von beiden Seiten vereinbart, ist im Moment unklar.
Vor den Verhandlungen am heutigen Donnerstag geben sich die vorläufigen Sieger jedenfalls konziliant: Freies Geleit bei freiwilliger Übergabe schwerer Waffen lautet das Angebot der Regierung in Baku an die von ihr als Separatisten verfolgten ethnisch-armenischen Kämpfer. 5.000 Mann sollen sich in den Dörfern und Gemeinden rund um Stepanakert verschanzt haben.
Die Eskalation in der völkerrechtlich nicht anerkannten Enklave bahnte sich über Monate an – und trotzdem konnten Olaf Scholz und Emmanuel Macron ihren Einfluss gegenüber Aserbaidschans Machthaber Ilham Alijev nicht durchsetzen – eine Schwäche der EU.
Es könne nur eine diplomatische Lösung geben, forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Rande der UN-Vollversammlung. Dafür setzten sich die EU und die Bundesregierung auch in New York ein. “Es wird nur zu einer friedlichen Lösung dieses Konfliktes kommen, wenn die militärischen Aktionen unverzüglich eingestellt werden”, ergänzte Baerbock.
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Die Europäische Kommission hat den EU-Mitgliedsstaaten am gestrigen Mittwoch vorgeschlagen, die Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union um zehn Jahre zu verlängern. Dabei erkennt die EU-Exekutive die von der Europäischen Gesundheitsbehörde (ECDC) festgestellten Risiken und Unsicherheiten an und überlässt es den Staaten, “aufmerksam” auf die Nebenwirkungen von Glyphosat zu achten.
Zehn Jahre sind mehr als die letzte Zulassung, die für fünf Jahre erteilt wurde, aber weniger als das Maximum von 15 Jahren, das im EU-Recht vorgesehen ist. “Wenn innerhalb dieser zehn Jahre Informationen auftauchen, die die Schlussfolgerungen der EFSA oder das, was wir aufgrund unserer Analyse geschlossen haben, infrage stellen, können wir die Zulassung jederzeit erneut prüfen“, fügte ein hochrangiger EU-Beamter hinzu.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte im Juli eine erneute Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters in der Europäischen Union als unkritisch bewertet. Die EFSA wies allerdings auf Datenlücken hin, die die Risiken für Verbraucher und für Wasserpflanzen unzureichend bewerten lassen. Zudem gestand die Behörde ein, dass Informationen über die Toxizität sogenannter “Cocktail-Effekte” fehlten – hier geht es um das Zusammenspiel von Glyphosat und Wirkstoffen, die Bestandteil anderer Pestizide sind.
Auf der Grundlage der Bewertungen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und der EFSA urteilt die Kommission, dass “festgestellt wurde, dass für eine oder mehrere repräsentative Verwendungen […] die Kriterien für die Zulassung erfüllt sind”. Sie erläutert dann aber alle Risiken und Unsicherheiten, auf die die EFSA in ihrer Bewertung hingewiesen hat, insbesondere in Bezug auf Beistoffe, Rückstände in Rotationskulturen, Oberflächenwasser oder pflanzenfressende Kleinsäuger.
In all diesen Punkten gibt die Kommission den Ball an die Staaten zurück, die dann für die Erteilung von Zulassungen auf nationaler Ebene zuständig sind. Sie überlässt ihnen die Verantwortung, bei ihren Bewertungsverfahren auf mögliche Nebenwirkungen “zu achten” und gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen.
Die Kommission hat jedoch entschieden, eine spezielle Verwendung von Glyphosat zu verbieten: die Trocknung, also das Ausbringen von Glyphosat, um eine Kultur vor der Ernte zu trocknen. Diese Praxis, die als nicht mit dem EU-Recht vereinbar angesehen wird, darf von den Staaten ab dem Inkrafttreten des Textes, das für Mitte Dezember geplant ist, nicht mehr erlaubt werden.
“Das ist ein umwelt- und gesundheitspolitischer Skandal, die Faktenlage zur Unbedenklichkeit von Glyphosat ist fragwürdig”, sagte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss. Er unterstreicht, dass die EFSA in ihrer Einschätzung selbst erklärt hat, dass es noch offene Fragen und Datenlücken gibt. Aus seiner Sicht konterkariert die Kommission mit dieser Vorlage ihre eigene Glaubwürdigkeit und Kohärenz. “Man kann nicht das meistverkaufte, hochtoxische Pestizid Glyphosat weiter im Einsatz lassen, wenn erklärtes EU-Ziel die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (SUR) und die Wiederherstellung der Natur ist (Nature Restoration Law),” so Häusling.
Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, begrüßt dagegen die Entscheidung der Kommission. “Dies ist ein wichtiger Schritt für die Landwirtschaft, denn die europäischen Landwirte brauchen Planungssicherheit”, sagte er. “Selten” wurde ein Wirkstoff “so genau” untersucht wie Glyphosat, betont er und erinnert an den Austausch Anfang August zu den vorliegenden Studien mit dem geschäftsführenden Direktor der EFSA. “Bernhard Url hat uns noch einmal erläutert, dass die EFSA in ihrem Peer-Review der Risikobewertung des Wirkstoffs Glyphosat keine kritischen Problembereiche ermittelt hat. Demnach steht der Wiederzulassung aus wissenschaftlicher Sicht nichts entgegen,” so Lins.
“Wir haben Kommentare von insgesamt 17 Mitgliedstaaten erhalten, hauptsächlich technische Kommentare”, fuhr der EU-Beamte fort. “Mehrere” Mitgliedstaaten hätten sich bereits “für” die Erneuerung ausgesprochen, während sich andere nicht geäußert hätten. “Ein Mitgliedstaat hat angegeben, dass er die Verlängerung nicht unterstützen wird”, sagt der Beamte, ohne ihn zu nennen. Deutschland will ab Anfang 2024 Glyphosat nicht mehr zulassen.
Die Europäische Kommission wird den 27 Mitgliedstaaten beim Ständigen Ausschuss der EU-Mitgliedstaaten für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) am Freitag den Entwurf für einen Durchführungsrechtsakt vorlegen. Die Staaten werden beim SCoPAFF – nach bisheriger Planung am 13. Oktober – zur Abstimmung aufgerufen. Dabei ist eine qualifizierte Mehrheit von 15 Mitgliedern, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, erforderlich.
Eine erneute Abstimmung könnte im November stattfinden, wenn die qualifizierte Mehrheit nicht erreicht würde, präzisiert der EU-Beamter. “Die Kommission hat aber die feste Absicht, diesen Entscheidungsprozess vor dem 15. Dezember abzuschließen”, also dem Ablaufdatum der derzeitigen Genehmigung. “Denn jede Verzögerung würde dazu führen, dass die derzeitige Genehmigung um einen weiteren Zeitraum verlängert werden müsste”.
Das Erbe von Silvio Berlusconi ist verteilt. Die fünf Kinder des italienischen Ex-Ministerpräsidenten haben mit ihrer Unterschrift Anfang der Woche zumindest den wirtschaftlichen Nachlass des Cavaliere geklärt. Auf fünf Milliarden Euro soll sich dieser laut der Zeitung “Il Sole 24 ore” beziffern; neben Unternehmensanteilen und Investments in Immobilien soll es sich vor allem um Kunst, Wertpapiere und Bargeld handeln.
Doch was wird aus der politischen Hinterlassenschaft Berlusconis? Was wird aus seiner Partei Forza Italia? Die ist am Tag nach der Erbregelung in den Umfragen mal wieder auf einem Tiefpunkt angelangt: Sie steht aktuell bei 6,4 Prozent. Vor wenigen Tagen hatte sich die Jugendorganisation der Partei zu ihrer Versammlung in Gaeta getroffen. Viele trugen T-Shirts mit dem Konterfei Berlusconis darauf. Mit dabei auch der neue Parteichef: Antonio Tajani. Der 70-Jährige führt die Forza Italia bis zum offiziellen Parteitag Ende Februar 2024 an, wenige Wochen vor den Europawahlen im Juni.
Dass die Fußstapfen Berlusconis eigentlich zu groß sind, als dass sie irgendjemand füllen könnte, zeigt allein der Blick auf das Amt Tajanis. Er ist “Segretario” der Forza Italia und nicht mehr “Presidente”. Denn: “Es konnte nur einen Präsidenten geben”, wie Tajani beim Sonderparteitag am 15. Juli sagte, als er einstimmig zum Interims-Nachfolger des verstorbenen Parteivaters gewählt wurde.
Bis zum Parteitag und zu den Europawahlen hat Tajani nun also nur ein paar Monate Zeit, um der Forza Italia nach dem Tod ihres Gründers wieder ein Profil zu geben. Quasi zum 30. Geburtstag der Partei, denn der Medienunternehmer Berlusconi hatte die Forza Italia Anfang 1994 gegründet. Vordergründig, um “Italien vor den Kommunisten zu retten”. Hintergründig, um sein Imperium weiter zu vergrößern und unliebsame Gesetze aus dem Weg zu räumen. Kurz zuvor waren in Italien die beiden Volksparteien Democrazia Cristiana und Partito Socialista Italiana nach weitreichenden Korruptionsskandalen von der Bildfläche verschwunden.
Berlusconi verfügte über die finanziellen Mittel und die medialen Wege, um das entstandene Macht-Vakuum in Rom zu füllen. Aus dem Stand wurde er 1994 zum ersten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt. Viermal war Berlusconi zwischen 1994 und 2011 Regierungschef Italiens. Doch schon lange vor seinem Tod am 12. Juni dieses Jahres ging es mit der Forza Italia bergab.
In die aktuelle Regierung ist die Forza Italia noch unter ihrem Allzeit-Presidente eingetreten – allerdings als schwächste Kraft der drei Koalitionsparteien. Berlusconis Partei war bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im September letzten Jahres nur noch auf 8,1 Prozent der Stimmen gekommen. Kurz nach dem Tod des Parteichefs stieg die Zustimmung – wohl aus nostalgischer Loyalität – kurzzeitig auf 9,5 Prozent. Um danach auf die jetzigen 6,4 Prozent abzustürzen.
Der Interims-Parteichef Tajani war auf dem Sonderparteitag der einzige Kandidat – und für die Partei auch momentan die einzige Möglichkeit. Er steht für eine Fortführung des politischen Erbes Berlusconis, war von Gründung an Teil der Forza Italia und immer loyal an der Seite des Cavaliere. In dessen erstem Kabinett war er Regierungssprecher.
Später verbrachte Tajani die meiste Zeit seiner Politikerkarriere in Brüssel und Straßburg – was ihm und seiner Partei nun in Rom zum Vorteil werden könnte. Als ehemaliger Europaabgeordneter (1994 bis 2008 und 2014 bis 2022), EU-Kommissar (2008 bis 2010 für Verkehr, 2010 bis 2014 für Industrie) und Präsident des Europaparlaments (2017 bis 2019) kennt er sich in Europa aus, ist bestens vernetzt und genießt einen gewissen politischen Respekt. Inzwischen ist er Außenminister im Kabinett von Giorgia Meloni.
Sowohl in Europa als auch zu Hause braucht Meloni ihren schwachen Koalitionspartner mehr denn je. Während Lega-Chef Matteo Salvini auf EU-Ebene bereits mit den extrem Rechten von Frankreichs Marine Le Pen und der deutschen AfD anbandelt, ist Melonis Wunschpartner in der EU der Christdemokrat Manfred Weber und seine EVP. Tajani ist Vizepräsident der Fraktion. Und in Italien hängt am Fortbestand der Forza Italia quasi der Fortbestand der Regierung: Zerbricht die Partei und suchen sich die 63 Abgeordneten und Senatoren eine neue politische Heimat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich manche von ihnen in Richtung Matteo Renzi orientieren. Der bastelt gerade an seinem Traum einer echten Mitte-Partei.
Den Wählern dürften diese taktischen Überlegungen egal sein. Eine zu starke Nähe zu Meloni oder Salvini könnte die Forza Italia zu nah nach rechts bringen – und so ebenfalls den Weg für Renzis Projekt ebnen. Außer der inhaltlichen und personellen Aufstellung dürften auch die Finanzen der Partei über ihr politisches Überleben entscheiden. Berlusconi war schließlich ein reicher Mann. Von fast 100 Millionen Euro Schulden der Partei hatte Berlusconi für 90 Millionen Euro gebürgt. Bisher ließen seine Kinder nichts darüber verlauten, dass sie diese Unterstützung entziehen wollen. Es könnte aber noch kommen.
Bei den Wählern konnte Berlusconi vor allem mit seiner Persönlichkeit, seinem Charisma und seiner nihilistischen Haltung punkten. Er konnte im Grunde sagen und tun, was er wollte – man verzieh es ihm. Die Ausstrahlung des 70-jährigen Tajani ist dagegen eher einschläfernd. Bei Parteiveranstaltungen der Forza Italia wurde regelmäßig die Hymne “meno male che Silvio c’è” (“ein Glück gibt es Silvio!”) gespielt. Dass jemals inbrünstig eine Hymne mit Tajanis Namen angestimmt wird – undenkbar. Von Almut Siefert
21.09.2023 – 18:30-20:00 Uhr, online
Europe Calling, Seminar Die EU der Zukunft – Der deutsch-französische Expert:innenbericht zur EU-Reform
Europe Calling thematisiert die Ergebnisse einer deutsch-französischen Regierungs-Arbeitsgruppe, die Reformen identifiziert hat, um die EU fit für die Aufnahme neuer Mitgliedsländer zu machen. INFOS & ANMELDUNG
22.09.2023 – 16:00-18:00 Uhr, Berlin
FNF, Podiumsdiskussion Blockchain Open Summit: Potenziale für die öffentliche Verwaltung
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert das Potenzial der Blockchain-Technologie für die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung. INFOS & ANMELDUNG
25.09.-26.09.2023, Berlin
BDI, Konferenz Klimakongress
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nimmt eine Bestandsaufnahme der deutschen und europäischen Energiepolitik vor. INFOS & ANMELDUNG
25.09.-26.09.2023, León (Spanien)
ENISA, Conference 21st CSIRTs Network Meeting
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) intends to contribute to developing confidence and trust between the Member States and to promote swift and effective operational cooperation. INFOS & REGISTRATION
25.09.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Das Ende der China-Illusion: Wie wir mit Pekings Machtanspruch umgehen müssen
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Angelegenheiten (DGAP) diskutiert Möglichkeiten des Umgangs mit Chinas Machtanspruch. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 09:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Conference Small-Scale, Big Impact: Innovative Approaches for Local Food Processing
This conference provides insights into the benefits of 4 small-scale mild processing technologies and explores the relevance of the FOX approach for health and sustainability, short food supply chains and local production hubs, consumer engagement for sustainable consumption, and life cycle costs. INFOS & REGISTRATION
26.09.2023 – 10:00-14:30 Uhr, online
BVMed, Seminar Nachhaltigkeit in der MedTech-Branche
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) widmet sich der Frage, was bereits von Herstellerunternehmen und Kliniken im Hinblick auf ein klimagerechtes Gesundheitswesen unternommen wird und wo weiterhin Potenziale bestehen. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 12:30-13:45 Uhr, online
FES, Diskussion Politik am Mittag: Spanien nach der Wahl
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit dem Ausgang der Parlamentswahl in Spanien vom 23. Juli 2023 und ihren politischen Implikationen. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 13:30-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Projektierung von Freiflächensolar-Projekten
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt einen Praxisbericht aus dem Bereich Projektierung von Freiflächenanlagen zur Solarstromnutzung vor. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 15:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable The Paths to Decarbonized and Sustainable Transport -outline of the second report
The European Council on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) presents the outline of its report that assesses current legislative pathways to decarbonise heavy-duty transport and makes recommendations for new pathways complementary and/or alternative to the existing ones. INFOS & REGISTRATION
26.09.2023 – 17:00-19:00 Uhr, Leipzig
EP, Konferenz Vernetzungstreffen zwischen der Zivilgesellschaft in Sachsen und dem Europaparlament
Das Europäische Parlament (EP) vernetzt die europapolitisch interessierte Zivilgesellschaft in Sachsen. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 19:00-21:30 Uhr, Hamburg
DGAP, Diskussion 17. Außenpolitischer Salon mit Roderich Kiesewetter: Die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert mit Roderich Kiesewetter die möglichen Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen 2024 auf die deutsche und europäische Sicherheitspolitik. INFOS
Die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch, hat am Mittwoch eine entscheidende Hürde auf ihrem Weg an die Spitze der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) genommen. Nach einer öffentlichen Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments (ECON), die zum Teil von sehr unbequemen Fragen geprägt war, stellten sich 29 Abgeordnete hinter die deutsche Finanzexpertin, 23 votierten gegen sie und zwei enthielten sich. Hintergrund für die überaus kritische Haltung der Parlamentarier war, dass sich in einer früheren geheimen ECON-Sitzung die Koordinatoren der Fraktionen für Buchs Konkurrentin Margarita Delgado, Vizepräsidentin der spanischen Notenbank, ausgesprochen hatte.
Der Rat der EZB hatte sich hingegen in seiner Abstimmung darüber hinweggesetzt und sich für die Deutsche Buch entschieden. Nach dem ECON-Votum gelten die weiteren Schritte zur Ernennung der Deutschen nun als Formalie. Buch sollte damit Anfang 2024 die Leitung der EZB-Bankenaufsicht übernehmen können. Sie folgt auf den Italiener Andrea Enria, der Ende Dezember abtritt. Die EZB-Bankenaufsicht ist seit Ende der Finanzkrise für die Überwachung der größten Geldinstitute in der Euro-Zone verantwortlich.
Die Entscheidung für Buch dürfte auch auf eine weitere Personalie in der EU ausstrahlen. Derzeit gelten die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und die spanische Finanzministerin Nadia Calviño als Favoritinnen für die Nachfolge von Werner Hoyer an der Spitze des Europäischen Investitionsbank (EIB). Informierte Kreise sehen Calviño dabei als Kandidatin mit den etwas besseren Karten. Die Spanierin habe den Rückhalt der drei großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien, und besonders die deutsche Seite dürfte sich, nachdem die Spanierin Delgado Buch unterlegen war, jetzt noch zusätzlich für Calviño stark machen.
Allerdings sei eine Entscheidung noch nicht absehbar. Die Dänin Vestager könne auf eine solide Gruppe kleinerer Staaten zählen, hieß es in den Kreisen. Der Versuch des belgischen Finanzministers Vincent Van Peteghem, aktuell Chairman des EIB-Gouverneursrats, eine Konsenslösung hinzubekommen, habe bislang wenig gefruchtet. Das Ziel, auf der nächsten regulären Sitzung der EU-Finanzminister im Oktober eine Entscheidung zu treffen, sei daher kein Selbstläufer. Sollte es zu einer Kampfabstimmung kommen, müssten Vestager oder Calviño 18 Mitgliedstaaten und 68 Prozent des gezeichneten Bankkapitals auf sich vereinigen, um die Nachfolge von Hoyer anzutreten, der zum Jahresende die Bank nach zwölf Jahren verlässt. cr
Die Ukraine drängt darauf, dass die EU die Energiesanktionen gegen Moskau auf russisches LNG-Gas ausweitet. Russland habe den Export von Flüssiggas in einige EU-Staaten massiv ausbauen können, sagte Wladyslaw Wlasjuk. Der Sanktionsberater von Präsident Wolodymyr Zelensky war diese Woche bei einem Koordinationstreffen in Brüssel und drängte dort auf ein Importverbot von russischem LNG. Es gebe genug Flüssiggas von anderen Lieferanten auf dem Markt, so Wladyslaw Wlasjuk.
Das LNG-Verbot sollte nach den Vorstellungen der Ukraine Teil eines 12. Sanktionspakets sein. Zelenskys Sanktionsberater hofft, dass die EU sich auf ein neues Paket noch vor Ende Jahr einigt. Wlasjuk rechnet nicht damit, dass Sanktionen im Nuklearbereich dabei sind, da diese schwierig umzusetzen seien. Bei den russischen Rohdiamanten zeichne sich eine technische Lösung mit Blick auf die Rückverfolgbarkeit auf der Ebene der G7-Staaten ab.
Die gute Nachricht sei, dass die Obergrenze für russisches Rohöl funktioniere, sagte Wladyslaw Wlasjuk mit Blick auf bestehende Energiesanktionen. Moskau müsse an Indien unter der Obergrenze von 60 Dollar pro Barrel verkaufen. Die Wirksamkeit lasse aber nach, weil Russland auf nichteuropäische Redereien beziehungsweise Versicherungen ausweiche. Thema müsse deshalb auch ein Durchfahrverbot für Tanker mit russischem Rohöl sein. Die Obergrenze sollte aus der Sicht der Ukraine zudem in einem nächsten Schritt gesenkt werden, um effektiv zu bleiben, und zwar auf 30 Dollar pro Barrel.
Die Ukraine möchte den Fokus zudem auf Umgehungsgeschäfte und Verstöße gegen das Sanktionsregime lenken. Der neue EU-Sanktionskoordinator David O´Sullivan mache zwar einen guten Job, sagt Wladyslaw Wlasjuk. Der frühere EU-Spitzendiplomat hat seit seinem Amtsantritt im Frühjahr Staaten wie die Türkei, Aserbeidschan, Armenien, Georgien oder die Vereinigten Arabischen Emirate besucht, die als Drehscheiben und Schlupflöcher in der Kritik stehen. Die Mitgliedstaaten müssten nun aber auch die neuen Instrumente nutzen, Sanktionsverstöße zu ahnden, so Wlasjuk.
Ein weiteres Thema des Treffens war westliche Technologie und Dual-Use-Güter: Raketen und iranische Drohnen vom Typ Shahed würden inzwischen alle in Russland produziert, so der Sanktionskoordinator. In den Geschossen würden regelmäßig Teile von westlichen Konzernen gefunden. In den ersten Monaten nach der Invasion habe Moskau zwar Mühe gehabt, an Schlüsselbestandteile zu gelangen. Inzwischen habe Russlands Zugang zu kritischen Bestandteilen aber wieder das Niveau von vor dem Aggressionskrieg erreicht. Nach Darstellung des Beraters von Präsident Zelensky hat Russland im ersten Halbjahr Schlüsselkomponenten für Waffen im Wert von 5,6 Milliarden Euro importieren können. Russland müsse zwar mehr ausgeben, komme aber auf Umwegen immer noch an die gefragte Technologie. sti
Die Europäische Handelskammer in China hofft beim anstehenden Besuch von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis auf klare Worte. “Meine Erwartung wäre, dass das historisch sehr hohe Handelsungleichgewicht zwischen Europa und China zur Sprache gebracht wird”, sagte Kammer-Präsident Jens Eskelund laut DPA bei der Vorstellung ihres aktuellen Positionspapiers am Mittwoch in Peking. Dombrovskis soll vom 23. bis 26. September in Peking sein und unter anderem Chinas Vize-Ministerpräsidenten He Lifeng sprechen.
Eskelund geht davon aus, dass auch die angekündigte EU-Untersuchung chinesischer Subventionen für Hersteller von Elektroautos besprochen wird. “Ich bin sicher, die chinesische Seite wird auch eine Reihe von Fragen an Europa haben”. Die Untersuchung hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt.
Experten erkennen Eskelund zufolge, dass die Produktionskapazitäten in China höher sind als die Nachfrage. Eine Überkapazität habe deutliche Auswirkungen auf den Automarkt. Die Kammer hoffe, dass die Untersuchung genutzt werde, um etwaige Ungleichgewichte oder Mängel an fairen Wettbewerbsbedingungen anzusprechen. ari
Die Abgeordneten des Umweltausschusses im EU-Parlament (ENVI) haben sich mit großer Mehrheit auf ein abgeschwächtes Verursacherprinzip bei der Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser geeinigt. Die Industrie – insbesondere Hersteller von Pharmaprodukten und Kosmetik – soll sich dem Kompromiss nach an 80 Prozent der Kosten für die Säuberung des verschmutzten Wassers beteiligen, und nicht zu 100 Prozent, wie die Kommission vorgeschlagen hatte.
Die deutsche kommunale Wasserwirtschaft begrüßt die Entscheidung für ein Verursacherprinzip zwar, wünscht sich jedoch einen Vollkostenansatz ohne 20-prozentige Co-Finanzierung aus nationalen Mitteln. “Damit das Verursacherprinzip seine lenkende Wirkung tatsächlich entfalten kann, sollte dies aus unserer Sicht konsequent umgesetzt werden”, erklärten Ulrike Franzke und Bernd Fuchs, beide Mitglieder des VKU-Leitausschusses Wasser/Abwasser.
Dennoch halten sie den grundsätzlichen Ansatz der Mitverantwortung der Industrie für einen “überfälligen Paradigmenwechsel”. Richtig umgesetzt werde dies dafür sorgen, dass Hersteller auf Produkte setzen, die weniger gewässerbelastend sind, so Franzke und Fuchs zu Table.Media. Zum anderen sorge die Herstellerverantwortung auch dafür, dass Unternehmen, deren Produkte Gewässer belasten, zur Kasse gebeten werden, um die Umsetzung neuer Vorgaben und Anforderungen an Kläranlagen zu finanzieren.
Der ENVI-Bericht sieht außerdem eine verstärkte Wiederverwendung von behandeltem Abwasser vor. Die Abgeordneten fordern, dass die EU-Länder “Pläne zur Einsparung und Wiederverwendung von Wasser” aufstellen, sofern diese nicht bereits Teil der nationalen Wasserstrategien sind. Auch fordern sie eine bessere Überwachung des Abwasserinhalts. So sollen Mitgliedstaaten an den Zu- und Abflüssen von kommunalen Kläranlagen verstärkt auf zahlreiche Schadstoffe testen, darunter Mikroplastik und sogenannte Ewigkeitschemikalien (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen/PFAS).
Das Plenum soll in der ersten Oktoberwoche über den Bericht abstimmen. Auch der Rat muss seine Allgemeine Ausrichtung noch festlegen. cst
Der Umweltausschuss (ENVI) hat in seiner Stellungnahme zum Net-Zero Industry Act (NZIA) Atomenergie aus der Liste der Netto-Null-Technologien gestrichen. Eine knappe Mehrheit der Ausschussmitglieder stimmte am Mittwoch gegen einen Antrag von EVP, Renew und EKR, Kernenergie in der Liste zu belassen. Federführend ist allerdings der Industrieausschuss (ITRE), der ENVI ist assoziiert.
Der Text fördere grüne Schlüsseltechnologien, schalte bei der Planungsbeschleunigung im Vergleich zum Kommissionsvorschlag in einen noch höheren Gang und erhalte gleichzeitig den Umweltschutz, insbesondere in Naturschutzgebieten, aufrecht, kommentierte Berichterstatter Tiemo Wölken (SPD) das ENVI-Ergebnis.
Bedeutsam für die Industrie ist eine vorgesehene Priorisierung bei der CO₂-Speicherung (CCS). Nach der ENVI-Stellungnahme sollen unvermeidbare Prozessemissionen aus der Industrie Vorrang erhalten. Die Kommission soll außerdem in einem Delegierten Rechtsakt eine Liste von Sektoren mit unvermeidbaren Prozessemissionen definieren, die alle fünf Jahre aktualisiert werden kann. Um als unvermeidbar zu gelten, sollen zuvor die besten verfügbaren Minderungstechnologien ausgeschöpft und Maßnahmen zur Nachfragesenkung berücksichtigt werden. ber
Die Entscheidung über die Schadstoffnorm Euro 7 im AStV-1 wurde auf Freitag verschoben. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte für Mittwochabend einen neuen Kompromissvorschlag angekündigt, der den Forderungen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen soll. Wie zu hören ist, gibt es keine Unterstützung für die Forderung aus Deutschland, E-Fuels in Euro 7 zu regeln. Die Bundesregierung will ihre Zustimmung zudem davon abhängig machen, ob die Mitgliedstaaten bei den Testbedingungen für Nutzfahrzeuge zurück zum Vorschlag der Kommission kommen. Spanien peilt die allgemeine Ausrichtung beim Wettbewerbsfähigkeitsrat kommenden Montag an. mgr
Die Verhandlungen über das interinstitutionelle Ethikgremium der EU sollen aufseiten des Parlaments von den Abgeordneten Salvatore De Meo (EVP), Katarina Barley (SPD) und Daniel Freund (Grüne) geführt werden. Dies hat nach Informationen von Table.Media Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entschieden. Metsola hatte die erste Runde der Gespräche selbst geführt. De Meo ist Vorsitzender des Verfassungsausschusses AFET, Barley ist die für Ethikfragen zuständige Vizepräsidentin des EP und Freund ist Berichterstatter für das Ethikgremium. mgr
In der Nacht auf Mittwoch haben sich EU-Kommission, Rat und Parlament auf die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel geeinigt. Das Gesetzespaket, Teil des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft, soll Verbraucherinnen in die Lage versetzen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen und zu einem nachhaltigeren Konsum beizutragen. Sie sollen vor dem Kauf bessere Informationen über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten erhalten.
Ein harmonisiertes Label soll zukünftig an die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren erinnern und auf eine freiwillige Verlängerung der Garantie hinweisen. Unlautere Praktiken, die nachhaltige Käufe verhindern, werden verboten. Dazu gehören künftig unter anderem:
“Der heutige Tag markiert das Ende der haarsträubenden und unbegründeten Werbung, die den europäischen Verbrauchern vorgaukelt, sie könnten klimaneutral fliegen, klimaneutrale Kleidung tragen und klimaneutrale Lebensmittel essen”, erklärte Lindsay Otis von der NGO Carbon Market Watch. “Zukünftig können Verbraucherinnen und Verbraucher leichter Angaben zur Nachhaltigkeit von Produkten vergleichen und ihnen vertrauen”, sagte Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses (IMCO) im EU-Parlament.
Rat und Parlament müssen das Ergebnis der Verhandlungen nun formal annehmen. Die Mitgliedsstaaten haben nach Inkrafttreten 24 Monate für die Umsetzung in nationales Recht. Zurzeit werden auf EU-Ebene auch die Richtlinie mit Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren (Recht auf Reparatur) sowie die Green Claims-Richtlinie verhandelt. leo
Deutschland muss sich nach Ansicht des Expertenkreises zur Transformation der Automobilbranche so schnell wie möglich unabhängig von Rohstoffen aus China machen. Die Experten sprachen sich in einem am Mittwoch veröffentlichten Papier für langfristige Strategien aus, die von Politik und Unternehmen erarbeitet werden müssten. Es brauche neue Handelsabkommen, Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern sowie Garantien und Kredite für Rohstoffprojekte. Auch ein Rohstofffonds, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürwortet, sehen die Experten als angebracht.
Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, die die Vorsitzende der Expertenkommission ist, stellte allerdings fest: “So schnell werden wir von China nicht loskommen.” Nötig seien daher langfristig wirkende Maßnahmen. “Es muss jetzt investiert werden.” Dann könnte Deutschland in zehn Jahren davon profitieren. Der Expertenkreis verwies auch auf die Bedeutung von Halbleitern, die einen zunehmenden Teil der Wertschöpfung in Fahrzeugen ausmachten. Ziel müssten hier robuste Lieferketten mit vertretbaren Risiken sein.
Eine Prüfung von Strafzöllen auf chinesische Elektroauto-Importe, wie sie die EU-Kommission angekündigt hat und die auf scharfe Kritik aus Peking stieß, hält Schnitzer dagegen für keine gute Idee. Diese würde Anpassungen in der Branche verzögern. “Es ist wichtiger zu schauen, dass man schneller in die Gänge kommt, um die eigenen Produkte konkurrenzfähiger zu machen”, sagte die Expertin.
Es sei immer ein falscher Weg zu denken, dass man mit Schutzmaßnahmen den Standort retten könne. Die Industrie müsse in die Offensive gehen und schauen, wie man es besser schaffe. “An der Stelle geht es ja in erster Linie um die kleineren E-Autos, die man auf die Weise von unserem Markt fernhalten würde. Bei kleineren Autos bekommen wir die Menge nur auf die Straße, wenn wir sie importieren.” Noch bessere wäre es, sagte Schnitzer, die Autos würden in Deutschland produziert und verwies dabei auf Überlegungen von BYD, in Deutschland zu Produktionsstätten zu errichten. rtr
Internationalen Konzernen mit Niederlassungen in Belgien drohen nach einem Gerichtsurteil Steuernachzahlungen. Belgien gewährleistet seit 2005 Steuererleichterungen für belgische Unternehmen, die zu multinationalen Konzernen gehören, wenn sie dort zum Beispiel Arbeitsplätze schaffen. Das ist allerdings eine rechtswidrige Beihilfe, wie das Gericht der EU am Mittwoch in Luxemburg entschied.
Hintergrund ist ein Beschluss der Wettbewerbshüter der EU-Kommission. Sie entschieden 2016, dass systematische Steuerbefreiungen für sogenannte Gewinnüberschüsse rechtswidrige Beihilfen sind und forderten Rückzahlungen. Gewinnüberschüsse sind zusätzliche Gewinne von internationalen Firmen, die eine eigenständige Firma unter denselben Umständen nicht hätte machen können.
Belgien und mehrere Unternehmen klagten dagegen vor dem Gericht der EU. Das gab ihnen zunächst recht und erklärte den Beschluss der Kommission für nichtig. Dieses Urteil wurde jedoch vom höchsten Gericht der EU, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgehoben und 2021 zurückverwiesen.
Nun musste das Gericht der EU erneut urteilen und entschied, dass die belgischen Steuervergünstigungen rechtswidrig sind. Denn damit würden Unternehmen unterschiedlich behandelt, obwohl sie in einer vergleichbaren Situation seien. Gegen die Entscheidung kann noch vor dem EuGH vorgegangen werden. dpa
Die Energieminister sollen am 17. Oktober zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen, wie ein Sprecher der spanischen Ratspräsidentschaft am Mittwoch bestätigte. Thema wird die Strommarktreform sein, sagte eine Brüsseler Beobachterin. Noch ist über die Tagesordnung aber nicht offiziell entschieden.
Die Verhandlungen sind festgefahren, weil Frankreich seine Atomkraftwerke über Differenzverträge modernisieren und deren gesamten Stromerzeugung über solche CfDs fördern möchte. Vor allem Deutschland wehrt sich dagegen, weil die Regierung in Paris dann Milliarden einnehmen und an die heimische Industrie verteilen könnte. Im Interview mit Table.Media hatte der Präsident von Eurelectric, Leonhard Birnbaum, Paris und Berlin Anfang der Woche zu einer raschen Einigung aufgerufen und vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt.
Als “letztes Mittel” könnte der Artikel zu CfDs von den Verhandlungen ausgeklammert werden, sagte ein EU-Beamter. Noch seien aber nicht alle Kompromissmöglichkeiten ausdiskutiert. ber
Zwar adressierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer diesjährigen Rede zur Lage der Union (SOTEU) das Thema Ernährungssicherheit. Die zentrale Rolle unserer Ernährungsweise beim Kampf gegen die globale Klima- und Biodiversitätskrise klammerte sie jedoch aus. Auch im parallel veröffentlichten Letter of Intent für 2024 fehlt das Sustainable Food System Law (SFS). Eine erstaunliche Entwicklung für ein Gesetzesvorhaben, das als Flaggschiff des European Green Deal gedacht war.
Zur Historie: Im Mai 2020 veröffentlichte die Kommission mit der Farm-to-Fork Strategie ihren Fahrplan für ein nachhaltiges Ernährungs- und Landwirtschaftssystem. Kernstück war ein Rahmenwerk für ein nachhaltiges EU-Lebensmittelsystem. Neue Grundsätze und Ziele sollten künftig in eine nachhaltige Richtung lenken. Eine Reform der lange festgefahrenen EU-Agrarpolitik schien so möglich.
Was wir essen und wie wir Lebensmittel erzeugen, zerstört unsere eigenen Lebensgrundlagen. Lebensmittelerzeugung und Ernährung sind weltweit verantwortlich für 70 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt, 80 Prozent der Entwaldung und 70 Prozent der globalen Wasserentnahme. Rund 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen zurück auf unsere Ernährung. Gleichzeitig ist die Lebensmittelerzeugung unmittelbar von den Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise betroffen. Es ist höchste Zeit für eine systematische Herangehensweise an unsere Konsummuster und ihre ökologischen Auswirkungen.
Anfang 2023 sickerte das Gerüst für die Ausgestaltung des SFS durch. Übergeordnete Ziele sollten für Kohärenz und Nachhaltigkeit der Gesetzgebungen im Sektor Ernährung und Landwirtschaft sorgen. Das hätte eine Überarbeitung zentraler Gesetzgebungen, wie beispielsweise der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bedeutet. Gleichzeitig sollten mittels festgelegter Mindestanforderungen nicht ausreichend nachhaltig operierende Betriebe und deren Produkte vom europäischen Binnenmarkt ausgeschlossen werden. Kriterien in der Gemeinschaftsverpflegung und ein harmonisiertes EU-Label sollten die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln fördern.
Es folgte ein Aderlass im Gesetzesentwurf, zeitgleich zum populistischen Ton, der sich 2023 in Brüssel und Straßburg breit machte. Die EVP-Gruppe kritisierte nun die unter Leitung der eigenen Partei erstellten Kommissionsvorschläge. Mehr Naturschutz gefährde die Ernährungssicherheit, so das faktenferne Narrativ. Im Juni 2023 wurde bei einer Verbändeanhörung ein deutlich beschnittener SFS-Entwurf präsentiert – ohne Nachhaltigkeitsmindestanforderungen entlang der Lieferkette für Unternehmen. Dafür tauchte bei den sektorübergreifenden Zielen “Ernährungssicherheit” an erster Stelle auf.
Dass Ursula von der Leyen die zentrale Rolle unserer Ernährungsweise beim Kampf gegen die globale Klima- und Biodiversitätskrise nicht mehr anspricht, macht sie anschlussfähig an das politische Lager der EVP. Sie entscheidet sich für Wahlkampf statt gestaltender Politik. Fehlt das Sustainable Food System Law im Arbeitsprogramm für 2024, das die Kommission im Oktober vorstellt, setzt Ursula von der Leyen die Ernährungssouveränität künftiger Generationen aufs Spiel. Dabei sollte sie alles tun, damit ein starker Kommissionsvorschlag für das SFS kommt. Die Ernten der Zukunft sichern wir nur mit mehr Klima- und Biodiversitätsschutz vom Acker bis zum Teller.
27 Tote in 24 Stunden – und eine schnelle Feuerpause. Das war das Lagebild einen Tag nach dem Einmarsch von Soldaten der Armee Aserbaidschans in Berg-Karabach. Ob die Waffen über Nacht wirklich geschwiegen haben, wie von beiden Seiten vereinbart, ist im Moment unklar.
Vor den Verhandlungen am heutigen Donnerstag geben sich die vorläufigen Sieger jedenfalls konziliant: Freies Geleit bei freiwilliger Übergabe schwerer Waffen lautet das Angebot der Regierung in Baku an die von ihr als Separatisten verfolgten ethnisch-armenischen Kämpfer. 5.000 Mann sollen sich in den Dörfern und Gemeinden rund um Stepanakert verschanzt haben.
Die Eskalation in der völkerrechtlich nicht anerkannten Enklave bahnte sich über Monate an – und trotzdem konnten Olaf Scholz und Emmanuel Macron ihren Einfluss gegenüber Aserbaidschans Machthaber Ilham Alijev nicht durchsetzen – eine Schwäche der EU.
Es könne nur eine diplomatische Lösung geben, forderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Rande der UN-Vollversammlung. Dafür setzten sich die EU und die Bundesregierung auch in New York ein. “Es wird nur zu einer friedlichen Lösung dieses Konfliktes kommen, wenn die militärischen Aktionen unverzüglich eingestellt werden”, ergänzte Baerbock.
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Die Europäische Kommission hat den EU-Mitgliedsstaaten am gestrigen Mittwoch vorgeschlagen, die Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union um zehn Jahre zu verlängern. Dabei erkennt die EU-Exekutive die von der Europäischen Gesundheitsbehörde (ECDC) festgestellten Risiken und Unsicherheiten an und überlässt es den Staaten, “aufmerksam” auf die Nebenwirkungen von Glyphosat zu achten.
Zehn Jahre sind mehr als die letzte Zulassung, die für fünf Jahre erteilt wurde, aber weniger als das Maximum von 15 Jahren, das im EU-Recht vorgesehen ist. “Wenn innerhalb dieser zehn Jahre Informationen auftauchen, die die Schlussfolgerungen der EFSA oder das, was wir aufgrund unserer Analyse geschlossen haben, infrage stellen, können wir die Zulassung jederzeit erneut prüfen“, fügte ein hochrangiger EU-Beamter hinzu.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte im Juli eine erneute Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters in der Europäischen Union als unkritisch bewertet. Die EFSA wies allerdings auf Datenlücken hin, die die Risiken für Verbraucher und für Wasserpflanzen unzureichend bewerten lassen. Zudem gestand die Behörde ein, dass Informationen über die Toxizität sogenannter “Cocktail-Effekte” fehlten – hier geht es um das Zusammenspiel von Glyphosat und Wirkstoffen, die Bestandteil anderer Pestizide sind.
Auf der Grundlage der Bewertungen der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und der EFSA urteilt die Kommission, dass “festgestellt wurde, dass für eine oder mehrere repräsentative Verwendungen […] die Kriterien für die Zulassung erfüllt sind”. Sie erläutert dann aber alle Risiken und Unsicherheiten, auf die die EFSA in ihrer Bewertung hingewiesen hat, insbesondere in Bezug auf Beistoffe, Rückstände in Rotationskulturen, Oberflächenwasser oder pflanzenfressende Kleinsäuger.
In all diesen Punkten gibt die Kommission den Ball an die Staaten zurück, die dann für die Erteilung von Zulassungen auf nationaler Ebene zuständig sind. Sie überlässt ihnen die Verantwortung, bei ihren Bewertungsverfahren auf mögliche Nebenwirkungen “zu achten” und gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen.
Die Kommission hat jedoch entschieden, eine spezielle Verwendung von Glyphosat zu verbieten: die Trocknung, also das Ausbringen von Glyphosat, um eine Kultur vor der Ernte zu trocknen. Diese Praxis, die als nicht mit dem EU-Recht vereinbar angesehen wird, darf von den Staaten ab dem Inkrafttreten des Textes, das für Mitte Dezember geplant ist, nicht mehr erlaubt werden.
“Das ist ein umwelt- und gesundheitspolitischer Skandal, die Faktenlage zur Unbedenklichkeit von Glyphosat ist fragwürdig”, sagte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss. Er unterstreicht, dass die EFSA in ihrer Einschätzung selbst erklärt hat, dass es noch offene Fragen und Datenlücken gibt. Aus seiner Sicht konterkariert die Kommission mit dieser Vorlage ihre eigene Glaubwürdigkeit und Kohärenz. “Man kann nicht das meistverkaufte, hochtoxische Pestizid Glyphosat weiter im Einsatz lassen, wenn erklärtes EU-Ziel die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (SUR) und die Wiederherstellung der Natur ist (Nature Restoration Law),” so Häusling.
Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, begrüßt dagegen die Entscheidung der Kommission. “Dies ist ein wichtiger Schritt für die Landwirtschaft, denn die europäischen Landwirte brauchen Planungssicherheit”, sagte er. “Selten” wurde ein Wirkstoff “so genau” untersucht wie Glyphosat, betont er und erinnert an den Austausch Anfang August zu den vorliegenden Studien mit dem geschäftsführenden Direktor der EFSA. “Bernhard Url hat uns noch einmal erläutert, dass die EFSA in ihrem Peer-Review der Risikobewertung des Wirkstoffs Glyphosat keine kritischen Problembereiche ermittelt hat. Demnach steht der Wiederzulassung aus wissenschaftlicher Sicht nichts entgegen,” so Lins.
“Wir haben Kommentare von insgesamt 17 Mitgliedstaaten erhalten, hauptsächlich technische Kommentare”, fuhr der EU-Beamte fort. “Mehrere” Mitgliedstaaten hätten sich bereits “für” die Erneuerung ausgesprochen, während sich andere nicht geäußert hätten. “Ein Mitgliedstaat hat angegeben, dass er die Verlängerung nicht unterstützen wird”, sagt der Beamte, ohne ihn zu nennen. Deutschland will ab Anfang 2024 Glyphosat nicht mehr zulassen.
Die Europäische Kommission wird den 27 Mitgliedstaaten beim Ständigen Ausschuss der EU-Mitgliedstaaten für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) am Freitag den Entwurf für einen Durchführungsrechtsakt vorlegen. Die Staaten werden beim SCoPAFF – nach bisheriger Planung am 13. Oktober – zur Abstimmung aufgerufen. Dabei ist eine qualifizierte Mehrheit von 15 Mitgliedern, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, erforderlich.
Eine erneute Abstimmung könnte im November stattfinden, wenn die qualifizierte Mehrheit nicht erreicht würde, präzisiert der EU-Beamter. “Die Kommission hat aber die feste Absicht, diesen Entscheidungsprozess vor dem 15. Dezember abzuschließen”, also dem Ablaufdatum der derzeitigen Genehmigung. “Denn jede Verzögerung würde dazu führen, dass die derzeitige Genehmigung um einen weiteren Zeitraum verlängert werden müsste”.
Das Erbe von Silvio Berlusconi ist verteilt. Die fünf Kinder des italienischen Ex-Ministerpräsidenten haben mit ihrer Unterschrift Anfang der Woche zumindest den wirtschaftlichen Nachlass des Cavaliere geklärt. Auf fünf Milliarden Euro soll sich dieser laut der Zeitung “Il Sole 24 ore” beziffern; neben Unternehmensanteilen und Investments in Immobilien soll es sich vor allem um Kunst, Wertpapiere und Bargeld handeln.
Doch was wird aus der politischen Hinterlassenschaft Berlusconis? Was wird aus seiner Partei Forza Italia? Die ist am Tag nach der Erbregelung in den Umfragen mal wieder auf einem Tiefpunkt angelangt: Sie steht aktuell bei 6,4 Prozent. Vor wenigen Tagen hatte sich die Jugendorganisation der Partei zu ihrer Versammlung in Gaeta getroffen. Viele trugen T-Shirts mit dem Konterfei Berlusconis darauf. Mit dabei auch der neue Parteichef: Antonio Tajani. Der 70-Jährige führt die Forza Italia bis zum offiziellen Parteitag Ende Februar 2024 an, wenige Wochen vor den Europawahlen im Juni.
Dass die Fußstapfen Berlusconis eigentlich zu groß sind, als dass sie irgendjemand füllen könnte, zeigt allein der Blick auf das Amt Tajanis. Er ist “Segretario” der Forza Italia und nicht mehr “Presidente”. Denn: “Es konnte nur einen Präsidenten geben”, wie Tajani beim Sonderparteitag am 15. Juli sagte, als er einstimmig zum Interims-Nachfolger des verstorbenen Parteivaters gewählt wurde.
Bis zum Parteitag und zu den Europawahlen hat Tajani nun also nur ein paar Monate Zeit, um der Forza Italia nach dem Tod ihres Gründers wieder ein Profil zu geben. Quasi zum 30. Geburtstag der Partei, denn der Medienunternehmer Berlusconi hatte die Forza Italia Anfang 1994 gegründet. Vordergründig, um “Italien vor den Kommunisten zu retten”. Hintergründig, um sein Imperium weiter zu vergrößern und unliebsame Gesetze aus dem Weg zu räumen. Kurz zuvor waren in Italien die beiden Volksparteien Democrazia Cristiana und Partito Socialista Italiana nach weitreichenden Korruptionsskandalen von der Bildfläche verschwunden.
Berlusconi verfügte über die finanziellen Mittel und die medialen Wege, um das entstandene Macht-Vakuum in Rom zu füllen. Aus dem Stand wurde er 1994 zum ersten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt. Viermal war Berlusconi zwischen 1994 und 2011 Regierungschef Italiens. Doch schon lange vor seinem Tod am 12. Juni dieses Jahres ging es mit der Forza Italia bergab.
In die aktuelle Regierung ist die Forza Italia noch unter ihrem Allzeit-Presidente eingetreten – allerdings als schwächste Kraft der drei Koalitionsparteien. Berlusconis Partei war bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im September letzten Jahres nur noch auf 8,1 Prozent der Stimmen gekommen. Kurz nach dem Tod des Parteichefs stieg die Zustimmung – wohl aus nostalgischer Loyalität – kurzzeitig auf 9,5 Prozent. Um danach auf die jetzigen 6,4 Prozent abzustürzen.
Der Interims-Parteichef Tajani war auf dem Sonderparteitag der einzige Kandidat – und für die Partei auch momentan die einzige Möglichkeit. Er steht für eine Fortführung des politischen Erbes Berlusconis, war von Gründung an Teil der Forza Italia und immer loyal an der Seite des Cavaliere. In dessen erstem Kabinett war er Regierungssprecher.
Später verbrachte Tajani die meiste Zeit seiner Politikerkarriere in Brüssel und Straßburg – was ihm und seiner Partei nun in Rom zum Vorteil werden könnte. Als ehemaliger Europaabgeordneter (1994 bis 2008 und 2014 bis 2022), EU-Kommissar (2008 bis 2010 für Verkehr, 2010 bis 2014 für Industrie) und Präsident des Europaparlaments (2017 bis 2019) kennt er sich in Europa aus, ist bestens vernetzt und genießt einen gewissen politischen Respekt. Inzwischen ist er Außenminister im Kabinett von Giorgia Meloni.
Sowohl in Europa als auch zu Hause braucht Meloni ihren schwachen Koalitionspartner mehr denn je. Während Lega-Chef Matteo Salvini auf EU-Ebene bereits mit den extrem Rechten von Frankreichs Marine Le Pen und der deutschen AfD anbandelt, ist Melonis Wunschpartner in der EU der Christdemokrat Manfred Weber und seine EVP. Tajani ist Vizepräsident der Fraktion. Und in Italien hängt am Fortbestand der Forza Italia quasi der Fortbestand der Regierung: Zerbricht die Partei und suchen sich die 63 Abgeordneten und Senatoren eine neue politische Heimat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich manche von ihnen in Richtung Matteo Renzi orientieren. Der bastelt gerade an seinem Traum einer echten Mitte-Partei.
Den Wählern dürften diese taktischen Überlegungen egal sein. Eine zu starke Nähe zu Meloni oder Salvini könnte die Forza Italia zu nah nach rechts bringen – und so ebenfalls den Weg für Renzis Projekt ebnen. Außer der inhaltlichen und personellen Aufstellung dürften auch die Finanzen der Partei über ihr politisches Überleben entscheiden. Berlusconi war schließlich ein reicher Mann. Von fast 100 Millionen Euro Schulden der Partei hatte Berlusconi für 90 Millionen Euro gebürgt. Bisher ließen seine Kinder nichts darüber verlauten, dass sie diese Unterstützung entziehen wollen. Es könnte aber noch kommen.
Bei den Wählern konnte Berlusconi vor allem mit seiner Persönlichkeit, seinem Charisma und seiner nihilistischen Haltung punkten. Er konnte im Grunde sagen und tun, was er wollte – man verzieh es ihm. Die Ausstrahlung des 70-jährigen Tajani ist dagegen eher einschläfernd. Bei Parteiveranstaltungen der Forza Italia wurde regelmäßig die Hymne “meno male che Silvio c’è” (“ein Glück gibt es Silvio!”) gespielt. Dass jemals inbrünstig eine Hymne mit Tajanis Namen angestimmt wird – undenkbar. Von Almut Siefert
21.09.2023 – 18:30-20:00 Uhr, online
Europe Calling, Seminar Die EU der Zukunft – Der deutsch-französische Expert:innenbericht zur EU-Reform
Europe Calling thematisiert die Ergebnisse einer deutsch-französischen Regierungs-Arbeitsgruppe, die Reformen identifiziert hat, um die EU fit für die Aufnahme neuer Mitgliedsländer zu machen. INFOS & ANMELDUNG
22.09.2023 – 16:00-18:00 Uhr, Berlin
FNF, Podiumsdiskussion Blockchain Open Summit: Potenziale für die öffentliche Verwaltung
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert das Potenzial der Blockchain-Technologie für die Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung. INFOS & ANMELDUNG
25.09.-26.09.2023, Berlin
BDI, Konferenz Klimakongress
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nimmt eine Bestandsaufnahme der deutschen und europäischen Energiepolitik vor. INFOS & ANMELDUNG
25.09.-26.09.2023, León (Spanien)
ENISA, Conference 21st CSIRTs Network Meeting
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) intends to contribute to developing confidence and trust between the Member States and to promote swift and effective operational cooperation. INFOS & REGISTRATION
25.09.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Das Ende der China-Illusion: Wie wir mit Pekings Machtanspruch umgehen müssen
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Angelegenheiten (DGAP) diskutiert Möglichkeiten des Umgangs mit Chinas Machtanspruch. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 09:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Conference Small-Scale, Big Impact: Innovative Approaches for Local Food Processing
This conference provides insights into the benefits of 4 small-scale mild processing technologies and explores the relevance of the FOX approach for health and sustainability, short food supply chains and local production hubs, consumer engagement for sustainable consumption, and life cycle costs. INFOS & REGISTRATION
26.09.2023 – 10:00-14:30 Uhr, online
BVMed, Seminar Nachhaltigkeit in der MedTech-Branche
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) widmet sich der Frage, was bereits von Herstellerunternehmen und Kliniken im Hinblick auf ein klimagerechtes Gesundheitswesen unternommen wird und wo weiterhin Potenziale bestehen. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 12:30-13:45 Uhr, online
FES, Diskussion Politik am Mittag: Spanien nach der Wahl
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit dem Ausgang der Parlamentswahl in Spanien vom 23. Juli 2023 und ihren politischen Implikationen. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 13:30-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Projektierung von Freiflächensolar-Projekten
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt einen Praxisbericht aus dem Bereich Projektierung von Freiflächenanlagen zur Solarstromnutzung vor. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 15:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable The Paths to Decarbonized and Sustainable Transport -outline of the second report
The European Council on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) presents the outline of its report that assesses current legislative pathways to decarbonise heavy-duty transport and makes recommendations for new pathways complementary and/or alternative to the existing ones. INFOS & REGISTRATION
26.09.2023 – 17:00-19:00 Uhr, Leipzig
EP, Konferenz Vernetzungstreffen zwischen der Zivilgesellschaft in Sachsen und dem Europaparlament
Das Europäische Parlament (EP) vernetzt die europapolitisch interessierte Zivilgesellschaft in Sachsen. INFOS & ANMELDUNG
26.09.2023 – 19:00-21:30 Uhr, Hamburg
DGAP, Diskussion 17. Außenpolitischer Salon mit Roderich Kiesewetter: Die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert mit Roderich Kiesewetter die möglichen Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen 2024 auf die deutsche und europäische Sicherheitspolitik. INFOS
Die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch, hat am Mittwoch eine entscheidende Hürde auf ihrem Weg an die Spitze der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) genommen. Nach einer öffentlichen Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments (ECON), die zum Teil von sehr unbequemen Fragen geprägt war, stellten sich 29 Abgeordnete hinter die deutsche Finanzexpertin, 23 votierten gegen sie und zwei enthielten sich. Hintergrund für die überaus kritische Haltung der Parlamentarier war, dass sich in einer früheren geheimen ECON-Sitzung die Koordinatoren der Fraktionen für Buchs Konkurrentin Margarita Delgado, Vizepräsidentin der spanischen Notenbank, ausgesprochen hatte.
Der Rat der EZB hatte sich hingegen in seiner Abstimmung darüber hinweggesetzt und sich für die Deutsche Buch entschieden. Nach dem ECON-Votum gelten die weiteren Schritte zur Ernennung der Deutschen nun als Formalie. Buch sollte damit Anfang 2024 die Leitung der EZB-Bankenaufsicht übernehmen können. Sie folgt auf den Italiener Andrea Enria, der Ende Dezember abtritt. Die EZB-Bankenaufsicht ist seit Ende der Finanzkrise für die Überwachung der größten Geldinstitute in der Euro-Zone verantwortlich.
Die Entscheidung für Buch dürfte auch auf eine weitere Personalie in der EU ausstrahlen. Derzeit gelten die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und die spanische Finanzministerin Nadia Calviño als Favoritinnen für die Nachfolge von Werner Hoyer an der Spitze des Europäischen Investitionsbank (EIB). Informierte Kreise sehen Calviño dabei als Kandidatin mit den etwas besseren Karten. Die Spanierin habe den Rückhalt der drei großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien, und besonders die deutsche Seite dürfte sich, nachdem die Spanierin Delgado Buch unterlegen war, jetzt noch zusätzlich für Calviño stark machen.
Allerdings sei eine Entscheidung noch nicht absehbar. Die Dänin Vestager könne auf eine solide Gruppe kleinerer Staaten zählen, hieß es in den Kreisen. Der Versuch des belgischen Finanzministers Vincent Van Peteghem, aktuell Chairman des EIB-Gouverneursrats, eine Konsenslösung hinzubekommen, habe bislang wenig gefruchtet. Das Ziel, auf der nächsten regulären Sitzung der EU-Finanzminister im Oktober eine Entscheidung zu treffen, sei daher kein Selbstläufer. Sollte es zu einer Kampfabstimmung kommen, müssten Vestager oder Calviño 18 Mitgliedstaaten und 68 Prozent des gezeichneten Bankkapitals auf sich vereinigen, um die Nachfolge von Hoyer anzutreten, der zum Jahresende die Bank nach zwölf Jahren verlässt. cr
Die Ukraine drängt darauf, dass die EU die Energiesanktionen gegen Moskau auf russisches LNG-Gas ausweitet. Russland habe den Export von Flüssiggas in einige EU-Staaten massiv ausbauen können, sagte Wladyslaw Wlasjuk. Der Sanktionsberater von Präsident Wolodymyr Zelensky war diese Woche bei einem Koordinationstreffen in Brüssel und drängte dort auf ein Importverbot von russischem LNG. Es gebe genug Flüssiggas von anderen Lieferanten auf dem Markt, so Wladyslaw Wlasjuk.
Das LNG-Verbot sollte nach den Vorstellungen der Ukraine Teil eines 12. Sanktionspakets sein. Zelenskys Sanktionsberater hofft, dass die EU sich auf ein neues Paket noch vor Ende Jahr einigt. Wlasjuk rechnet nicht damit, dass Sanktionen im Nuklearbereich dabei sind, da diese schwierig umzusetzen seien. Bei den russischen Rohdiamanten zeichne sich eine technische Lösung mit Blick auf die Rückverfolgbarkeit auf der Ebene der G7-Staaten ab.
Die gute Nachricht sei, dass die Obergrenze für russisches Rohöl funktioniere, sagte Wladyslaw Wlasjuk mit Blick auf bestehende Energiesanktionen. Moskau müsse an Indien unter der Obergrenze von 60 Dollar pro Barrel verkaufen. Die Wirksamkeit lasse aber nach, weil Russland auf nichteuropäische Redereien beziehungsweise Versicherungen ausweiche. Thema müsse deshalb auch ein Durchfahrverbot für Tanker mit russischem Rohöl sein. Die Obergrenze sollte aus der Sicht der Ukraine zudem in einem nächsten Schritt gesenkt werden, um effektiv zu bleiben, und zwar auf 30 Dollar pro Barrel.
Die Ukraine möchte den Fokus zudem auf Umgehungsgeschäfte und Verstöße gegen das Sanktionsregime lenken. Der neue EU-Sanktionskoordinator David O´Sullivan mache zwar einen guten Job, sagt Wladyslaw Wlasjuk. Der frühere EU-Spitzendiplomat hat seit seinem Amtsantritt im Frühjahr Staaten wie die Türkei, Aserbeidschan, Armenien, Georgien oder die Vereinigten Arabischen Emirate besucht, die als Drehscheiben und Schlupflöcher in der Kritik stehen. Die Mitgliedstaaten müssten nun aber auch die neuen Instrumente nutzen, Sanktionsverstöße zu ahnden, so Wlasjuk.
Ein weiteres Thema des Treffens war westliche Technologie und Dual-Use-Güter: Raketen und iranische Drohnen vom Typ Shahed würden inzwischen alle in Russland produziert, so der Sanktionskoordinator. In den Geschossen würden regelmäßig Teile von westlichen Konzernen gefunden. In den ersten Monaten nach der Invasion habe Moskau zwar Mühe gehabt, an Schlüsselbestandteile zu gelangen. Inzwischen habe Russlands Zugang zu kritischen Bestandteilen aber wieder das Niveau von vor dem Aggressionskrieg erreicht. Nach Darstellung des Beraters von Präsident Zelensky hat Russland im ersten Halbjahr Schlüsselkomponenten für Waffen im Wert von 5,6 Milliarden Euro importieren können. Russland müsse zwar mehr ausgeben, komme aber auf Umwegen immer noch an die gefragte Technologie. sti
Die Europäische Handelskammer in China hofft beim anstehenden Besuch von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis auf klare Worte. “Meine Erwartung wäre, dass das historisch sehr hohe Handelsungleichgewicht zwischen Europa und China zur Sprache gebracht wird”, sagte Kammer-Präsident Jens Eskelund laut DPA bei der Vorstellung ihres aktuellen Positionspapiers am Mittwoch in Peking. Dombrovskis soll vom 23. bis 26. September in Peking sein und unter anderem Chinas Vize-Ministerpräsidenten He Lifeng sprechen.
Eskelund geht davon aus, dass auch die angekündigte EU-Untersuchung chinesischer Subventionen für Hersteller von Elektroautos besprochen wird. “Ich bin sicher, die chinesische Seite wird auch eine Reihe von Fragen an Europa haben”. Die Untersuchung hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt.
Experten erkennen Eskelund zufolge, dass die Produktionskapazitäten in China höher sind als die Nachfrage. Eine Überkapazität habe deutliche Auswirkungen auf den Automarkt. Die Kammer hoffe, dass die Untersuchung genutzt werde, um etwaige Ungleichgewichte oder Mängel an fairen Wettbewerbsbedingungen anzusprechen. ari
Die Abgeordneten des Umweltausschusses im EU-Parlament (ENVI) haben sich mit großer Mehrheit auf ein abgeschwächtes Verursacherprinzip bei der Überarbeitung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser geeinigt. Die Industrie – insbesondere Hersteller von Pharmaprodukten und Kosmetik – soll sich dem Kompromiss nach an 80 Prozent der Kosten für die Säuberung des verschmutzten Wassers beteiligen, und nicht zu 100 Prozent, wie die Kommission vorgeschlagen hatte.
Die deutsche kommunale Wasserwirtschaft begrüßt die Entscheidung für ein Verursacherprinzip zwar, wünscht sich jedoch einen Vollkostenansatz ohne 20-prozentige Co-Finanzierung aus nationalen Mitteln. “Damit das Verursacherprinzip seine lenkende Wirkung tatsächlich entfalten kann, sollte dies aus unserer Sicht konsequent umgesetzt werden”, erklärten Ulrike Franzke und Bernd Fuchs, beide Mitglieder des VKU-Leitausschusses Wasser/Abwasser.
Dennoch halten sie den grundsätzlichen Ansatz der Mitverantwortung der Industrie für einen “überfälligen Paradigmenwechsel”. Richtig umgesetzt werde dies dafür sorgen, dass Hersteller auf Produkte setzen, die weniger gewässerbelastend sind, so Franzke und Fuchs zu Table.Media. Zum anderen sorge die Herstellerverantwortung auch dafür, dass Unternehmen, deren Produkte Gewässer belasten, zur Kasse gebeten werden, um die Umsetzung neuer Vorgaben und Anforderungen an Kläranlagen zu finanzieren.
Der ENVI-Bericht sieht außerdem eine verstärkte Wiederverwendung von behandeltem Abwasser vor. Die Abgeordneten fordern, dass die EU-Länder “Pläne zur Einsparung und Wiederverwendung von Wasser” aufstellen, sofern diese nicht bereits Teil der nationalen Wasserstrategien sind. Auch fordern sie eine bessere Überwachung des Abwasserinhalts. So sollen Mitgliedstaaten an den Zu- und Abflüssen von kommunalen Kläranlagen verstärkt auf zahlreiche Schadstoffe testen, darunter Mikroplastik und sogenannte Ewigkeitschemikalien (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen/PFAS).
Das Plenum soll in der ersten Oktoberwoche über den Bericht abstimmen. Auch der Rat muss seine Allgemeine Ausrichtung noch festlegen. cst
Der Umweltausschuss (ENVI) hat in seiner Stellungnahme zum Net-Zero Industry Act (NZIA) Atomenergie aus der Liste der Netto-Null-Technologien gestrichen. Eine knappe Mehrheit der Ausschussmitglieder stimmte am Mittwoch gegen einen Antrag von EVP, Renew und EKR, Kernenergie in der Liste zu belassen. Federführend ist allerdings der Industrieausschuss (ITRE), der ENVI ist assoziiert.
Der Text fördere grüne Schlüsseltechnologien, schalte bei der Planungsbeschleunigung im Vergleich zum Kommissionsvorschlag in einen noch höheren Gang und erhalte gleichzeitig den Umweltschutz, insbesondere in Naturschutzgebieten, aufrecht, kommentierte Berichterstatter Tiemo Wölken (SPD) das ENVI-Ergebnis.
Bedeutsam für die Industrie ist eine vorgesehene Priorisierung bei der CO₂-Speicherung (CCS). Nach der ENVI-Stellungnahme sollen unvermeidbare Prozessemissionen aus der Industrie Vorrang erhalten. Die Kommission soll außerdem in einem Delegierten Rechtsakt eine Liste von Sektoren mit unvermeidbaren Prozessemissionen definieren, die alle fünf Jahre aktualisiert werden kann. Um als unvermeidbar zu gelten, sollen zuvor die besten verfügbaren Minderungstechnologien ausgeschöpft und Maßnahmen zur Nachfragesenkung berücksichtigt werden. ber
Die Entscheidung über die Schadstoffnorm Euro 7 im AStV-1 wurde auf Freitag verschoben. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte für Mittwochabend einen neuen Kompromissvorschlag angekündigt, der den Forderungen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen soll. Wie zu hören ist, gibt es keine Unterstützung für die Forderung aus Deutschland, E-Fuels in Euro 7 zu regeln. Die Bundesregierung will ihre Zustimmung zudem davon abhängig machen, ob die Mitgliedstaaten bei den Testbedingungen für Nutzfahrzeuge zurück zum Vorschlag der Kommission kommen. Spanien peilt die allgemeine Ausrichtung beim Wettbewerbsfähigkeitsrat kommenden Montag an. mgr
Die Verhandlungen über das interinstitutionelle Ethikgremium der EU sollen aufseiten des Parlaments von den Abgeordneten Salvatore De Meo (EVP), Katarina Barley (SPD) und Daniel Freund (Grüne) geführt werden. Dies hat nach Informationen von Table.Media Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entschieden. Metsola hatte die erste Runde der Gespräche selbst geführt. De Meo ist Vorsitzender des Verfassungsausschusses AFET, Barley ist die für Ethikfragen zuständige Vizepräsidentin des EP und Freund ist Berichterstatter für das Ethikgremium. mgr
In der Nacht auf Mittwoch haben sich EU-Kommission, Rat und Parlament auf die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel geeinigt. Das Gesetzespaket, Teil des Aktionsplans Kreislaufwirtschaft, soll Verbraucherinnen in die Lage versetzen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen und zu einem nachhaltigeren Konsum beizutragen. Sie sollen vor dem Kauf bessere Informationen über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten erhalten.
Ein harmonisiertes Label soll zukünftig an die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren erinnern und auf eine freiwillige Verlängerung der Garantie hinweisen. Unlautere Praktiken, die nachhaltige Käufe verhindern, werden verboten. Dazu gehören künftig unter anderem:
“Der heutige Tag markiert das Ende der haarsträubenden und unbegründeten Werbung, die den europäischen Verbrauchern vorgaukelt, sie könnten klimaneutral fliegen, klimaneutrale Kleidung tragen und klimaneutrale Lebensmittel essen”, erklärte Lindsay Otis von der NGO Carbon Market Watch. “Zukünftig können Verbraucherinnen und Verbraucher leichter Angaben zur Nachhaltigkeit von Produkten vergleichen und ihnen vertrauen”, sagte Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses (IMCO) im EU-Parlament.
Rat und Parlament müssen das Ergebnis der Verhandlungen nun formal annehmen. Die Mitgliedsstaaten haben nach Inkrafttreten 24 Monate für die Umsetzung in nationales Recht. Zurzeit werden auf EU-Ebene auch die Richtlinie mit Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren (Recht auf Reparatur) sowie die Green Claims-Richtlinie verhandelt. leo
Deutschland muss sich nach Ansicht des Expertenkreises zur Transformation der Automobilbranche so schnell wie möglich unabhängig von Rohstoffen aus China machen. Die Experten sprachen sich in einem am Mittwoch veröffentlichten Papier für langfristige Strategien aus, die von Politik und Unternehmen erarbeitet werden müssten. Es brauche neue Handelsabkommen, Rohstoffpartnerschaften mit anderen Ländern sowie Garantien und Kredite für Rohstoffprojekte. Auch ein Rohstofffonds, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürwortet, sehen die Experten als angebracht.
Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, die die Vorsitzende der Expertenkommission ist, stellte allerdings fest: “So schnell werden wir von China nicht loskommen.” Nötig seien daher langfristig wirkende Maßnahmen. “Es muss jetzt investiert werden.” Dann könnte Deutschland in zehn Jahren davon profitieren. Der Expertenkreis verwies auch auf die Bedeutung von Halbleitern, die einen zunehmenden Teil der Wertschöpfung in Fahrzeugen ausmachten. Ziel müssten hier robuste Lieferketten mit vertretbaren Risiken sein.
Eine Prüfung von Strafzöllen auf chinesische Elektroauto-Importe, wie sie die EU-Kommission angekündigt hat und die auf scharfe Kritik aus Peking stieß, hält Schnitzer dagegen für keine gute Idee. Diese würde Anpassungen in der Branche verzögern. “Es ist wichtiger zu schauen, dass man schneller in die Gänge kommt, um die eigenen Produkte konkurrenzfähiger zu machen”, sagte die Expertin.
Es sei immer ein falscher Weg zu denken, dass man mit Schutzmaßnahmen den Standort retten könne. Die Industrie müsse in die Offensive gehen und schauen, wie man es besser schaffe. “An der Stelle geht es ja in erster Linie um die kleineren E-Autos, die man auf die Weise von unserem Markt fernhalten würde. Bei kleineren Autos bekommen wir die Menge nur auf die Straße, wenn wir sie importieren.” Noch bessere wäre es, sagte Schnitzer, die Autos würden in Deutschland produziert und verwies dabei auf Überlegungen von BYD, in Deutschland zu Produktionsstätten zu errichten. rtr
Internationalen Konzernen mit Niederlassungen in Belgien drohen nach einem Gerichtsurteil Steuernachzahlungen. Belgien gewährleistet seit 2005 Steuererleichterungen für belgische Unternehmen, die zu multinationalen Konzernen gehören, wenn sie dort zum Beispiel Arbeitsplätze schaffen. Das ist allerdings eine rechtswidrige Beihilfe, wie das Gericht der EU am Mittwoch in Luxemburg entschied.
Hintergrund ist ein Beschluss der Wettbewerbshüter der EU-Kommission. Sie entschieden 2016, dass systematische Steuerbefreiungen für sogenannte Gewinnüberschüsse rechtswidrige Beihilfen sind und forderten Rückzahlungen. Gewinnüberschüsse sind zusätzliche Gewinne von internationalen Firmen, die eine eigenständige Firma unter denselben Umständen nicht hätte machen können.
Belgien und mehrere Unternehmen klagten dagegen vor dem Gericht der EU. Das gab ihnen zunächst recht und erklärte den Beschluss der Kommission für nichtig. Dieses Urteil wurde jedoch vom höchsten Gericht der EU, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgehoben und 2021 zurückverwiesen.
Nun musste das Gericht der EU erneut urteilen und entschied, dass die belgischen Steuervergünstigungen rechtswidrig sind. Denn damit würden Unternehmen unterschiedlich behandelt, obwohl sie in einer vergleichbaren Situation seien. Gegen die Entscheidung kann noch vor dem EuGH vorgegangen werden. dpa
Die Energieminister sollen am 17. Oktober zu einem außerordentlichen Treffen zusammenkommen, wie ein Sprecher der spanischen Ratspräsidentschaft am Mittwoch bestätigte. Thema wird die Strommarktreform sein, sagte eine Brüsseler Beobachterin. Noch ist über die Tagesordnung aber nicht offiziell entschieden.
Die Verhandlungen sind festgefahren, weil Frankreich seine Atomkraftwerke über Differenzverträge modernisieren und deren gesamten Stromerzeugung über solche CfDs fördern möchte. Vor allem Deutschland wehrt sich dagegen, weil die Regierung in Paris dann Milliarden einnehmen und an die heimische Industrie verteilen könnte. Im Interview mit Table.Media hatte der Präsident von Eurelectric, Leonhard Birnbaum, Paris und Berlin Anfang der Woche zu einer raschen Einigung aufgerufen und vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt.
Als “letztes Mittel” könnte der Artikel zu CfDs von den Verhandlungen ausgeklammert werden, sagte ein EU-Beamter. Noch seien aber nicht alle Kompromissmöglichkeiten ausdiskutiert. ber
Zwar adressierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer diesjährigen Rede zur Lage der Union (SOTEU) das Thema Ernährungssicherheit. Die zentrale Rolle unserer Ernährungsweise beim Kampf gegen die globale Klima- und Biodiversitätskrise klammerte sie jedoch aus. Auch im parallel veröffentlichten Letter of Intent für 2024 fehlt das Sustainable Food System Law (SFS). Eine erstaunliche Entwicklung für ein Gesetzesvorhaben, das als Flaggschiff des European Green Deal gedacht war.
Zur Historie: Im Mai 2020 veröffentlichte die Kommission mit der Farm-to-Fork Strategie ihren Fahrplan für ein nachhaltiges Ernährungs- und Landwirtschaftssystem. Kernstück war ein Rahmenwerk für ein nachhaltiges EU-Lebensmittelsystem. Neue Grundsätze und Ziele sollten künftig in eine nachhaltige Richtung lenken. Eine Reform der lange festgefahrenen EU-Agrarpolitik schien so möglich.
Was wir essen und wie wir Lebensmittel erzeugen, zerstört unsere eigenen Lebensgrundlagen. Lebensmittelerzeugung und Ernährung sind weltweit verantwortlich für 70 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt, 80 Prozent der Entwaldung und 70 Prozent der globalen Wasserentnahme. Rund 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen gehen zurück auf unsere Ernährung. Gleichzeitig ist die Lebensmittelerzeugung unmittelbar von den Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise betroffen. Es ist höchste Zeit für eine systematische Herangehensweise an unsere Konsummuster und ihre ökologischen Auswirkungen.
Anfang 2023 sickerte das Gerüst für die Ausgestaltung des SFS durch. Übergeordnete Ziele sollten für Kohärenz und Nachhaltigkeit der Gesetzgebungen im Sektor Ernährung und Landwirtschaft sorgen. Das hätte eine Überarbeitung zentraler Gesetzgebungen, wie beispielsweise der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bedeutet. Gleichzeitig sollten mittels festgelegter Mindestanforderungen nicht ausreichend nachhaltig operierende Betriebe und deren Produkte vom europäischen Binnenmarkt ausgeschlossen werden. Kriterien in der Gemeinschaftsverpflegung und ein harmonisiertes EU-Label sollten die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln fördern.
Es folgte ein Aderlass im Gesetzesentwurf, zeitgleich zum populistischen Ton, der sich 2023 in Brüssel und Straßburg breit machte. Die EVP-Gruppe kritisierte nun die unter Leitung der eigenen Partei erstellten Kommissionsvorschläge. Mehr Naturschutz gefährde die Ernährungssicherheit, so das faktenferne Narrativ. Im Juni 2023 wurde bei einer Verbändeanhörung ein deutlich beschnittener SFS-Entwurf präsentiert – ohne Nachhaltigkeitsmindestanforderungen entlang der Lieferkette für Unternehmen. Dafür tauchte bei den sektorübergreifenden Zielen “Ernährungssicherheit” an erster Stelle auf.
Dass Ursula von der Leyen die zentrale Rolle unserer Ernährungsweise beim Kampf gegen die globale Klima- und Biodiversitätskrise nicht mehr anspricht, macht sie anschlussfähig an das politische Lager der EVP. Sie entscheidet sich für Wahlkampf statt gestaltender Politik. Fehlt das Sustainable Food System Law im Arbeitsprogramm für 2024, das die Kommission im Oktober vorstellt, setzt Ursula von der Leyen die Ernährungssouveränität künftiger Generationen aufs Spiel. Dabei sollte sie alles tun, damit ein starker Kommissionsvorschlag für das SFS kommt. Die Ernten der Zukunft sichern wir nur mit mehr Klima- und Biodiversitätsschutz vom Acker bis zum Teller.