Ukraine-Krieg, Migration und China – die Außenpolitik dominiert den heute beginnenden EU-Gipfel. Bemerkenswert: Den Wortlaut der Abschlusserklärung haben Diplomaten bereits im Vorfeld weitgehend festgezurrt. Dabei waren gerade die Flüchtlings- und die China-Politik vor nicht allzu langer Zeit noch Themen, über die sich die Staats- und Regierungschefs nächtelang streiten konnten.
Doch mit dem Kompromiss der Innenminister zum Migrationspakt können die meisten Mitgliedstaaten halbwegs leben. Und im Umgang mit Peking gebe es zwar “unterschiedliche Schattierungen, aber keinen Dissens”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat. Die Staats- und Regierungschefs könnten sich weitgehend hinter der Linie versammeln, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zum “De-Risking” vorgegeben habe.
Der Elefant im Raum werden die Vorgänge in Russland vom vergangenen Wochenende sein – die Europäer ringen weiter um Orientierung, was die Meuterei von Wagner-Chef Prigoschin für das Putin’sche Machtgefüge bedeutet. Zum Auftakt des Gipfels diskutieren Bundeskanzler Olaf Scholz und Co mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Mittagessen darüber, anschließend ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet.
Am Freitagmorgen wiederum sind Scholz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zum Frühstück verabredet, um über nötige Reformen im EU-Gefüge zu sprechen. Mehr zu alldem erfahren Sie in unserem Gipfel-Ausblick in dieser Ausgabe.
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Die Lage in Russland nach den jüngsten Turbulenzen werde der “Elefant im Raum” sein, so ein Diplomat vor dem Gipfel heute und morgen in Brüssel: “Die Staats- und Regierungschefs werden ihre Einschätzungen austauschen, einige werden sicher auch Informationen ihrer Dienste beisteuern.” Es bestehe aber Konsens, dass die jüngste Entwicklung die Notwendigkeit noch verstärke, die Ukraine zu unterstützen – unabhängig von den möglichen Szenarien.
Diese Unterstützung steht auch auf diesem Gipfel wieder im Fokus. Kontrovers wird laut EU-Diplomaten die Forderung von Kommissionschefin Ursula von der Leyen gesehen, über 2023 hinaus für die Ukraine weitere 50 Milliarden Euro an Finanzhilfen zu mobilisieren. Die Debatte sei aber noch in einer frühen Phase. Diskussionen dürfte es vor allem um einen Abschnitt der Schlussfolgerungen geben, auf den Frankreich gedrängt hatte und in dem von Sicherheitsgarantien für die Ukraine die Rede ist. Die EU und die Mitgliedstaaten seien bereit, zusammen mit Partnern einen Beitrag zu leisten, um die Ukraine längerfristig vor Angriffen und Destabilisierungsversuchen zu schützen, heißt es im Entwurf.
Alles, was die EU zur Unterstützung beitrage, nütze der Sicherheit und Stabilität ganz Europas, so ein Diplomat. Kurzfristig brauche es mehr Waffen für die Ukraine und Ausbildung von Soldaten, längerfristig aber auch Sicherheitsgarantien. Zum Auftakt der Diskussion wird der amtierende und künftige Nato–Generalsekretär Jens Stoltenberg mit am Tisch sitzen. Das sei auch ein wichtiges Signal mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen und den Gipfel der Allianz am 11. Juli in Vilnius, so ein EU-Diplomat. Der Generalsekretär werde erläutern, was die EU mit Blick auf Sicherheitsgarantien beisteuern könne.
Eine schwierige Debatte zeichnet sich beim Thema Migration ab, die am Donnerstagabend vorgesehen ist. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich einen Überblick über die Lage an den EU-Außengrenzen verschaffen und ihr “tiefes Bedauern” über das Bootsunglück vor der griechischen Küste mit mehreren hundert Toten ausdrücken, heißt es im Entwurf der Schlussfolgerungen. Zudem wollen sie Arbeiten an den “externen Aspekten der Migration und ihren finanziellen Dimensionen” vorantreiben.
Doch der wichtigste Aufhänger dieser Debatte, das geplante Partnerschaftsabkommen mit Tunesien, lässt auf sich warten – soll aber in den nächsten Tagen fertig sein. Der Tunesien-Deal sollte als “Blaupause” für die Zusammenarbeit mit anderen Drittländern wie Ägypten dienen – doch er wurde nicht rechtzeitig vor dem EU-Gipfel fertig. Einer der Streitpunkte ist ausgerechnet die “finanzielle Dimension” – nämlich die Frage, ob EU-Finanzhilfen für Tunesien an ein IWF-Programm mit strengen Spar- und Reformauflagen gebunden werden sollen.
Für Deutschland ist ein solches Programm “entscheidend”, wie es in Berliner Regierungskreisen heißt. Italien fordert dagegen mehr Flexibilität. Die Regierung in Rom fürchtet, dass allzu strenge Auflagen dazu führen könnten, dass sich die Regierung in Tunis nicht zu mehr Unterstützung im Kampf gegen illegale Migration bereit erklärt. Bisher haben Berlin und Rom beim Tunesien-Deal an einem Strang gezogen. Nun könnte es ausgerechnet beim EU-Gipfel zum Streit kommen.
Ärger droht auch mit Ungarn und Polen. Beide EU-Länder lehnen den Kompromiss zur Migrations- und Asylpolitik ab, den die Innenminister Anfang Juni gefunden hatten. Ihr Protest richtet sich nicht nur gegen den geplanten Solidaritätsmechanismus, der sie zur Aufnahme von Asylbewerbern beziehungsweise zu Zahlungen verpflichtet. Warschau und Budapest behaupten auch, dass so weit reichende Entscheidungen nur einstimmig getroffen werden können – und nicht mit qualifizierter Mehrheit, wie im Innenrat.
Diese Streitfragen sollen offen angesprochen werden, sagte ein mit den Gipfelvorbereitungen vertrauter EU-Diplomat. Der Europäische Rat habe sich aber seit Langem auf einen solidarischen Ansatz verpflichtet. Die Gefahr, dass Ungarn und Polen die Reform des Migrations- und Asylpakts blockieren könnten, sei gleich Null.
Ebenfalls zur Sprache kommen soll ein älterer Vorstoß von elf EU-Ländern, darunter Österreich. Sie fordern einen “innovativen Ansatz” beim Umgang mit Asylbewerbern. Gemeint sein dürften Asylverfahren nach dem umstrittenen Ruanda-Modell. Die Gruppe um Österreich habe ihre Vorstellung bisher nicht präzisiert, so ein Diplomat. Es herrsche aber Konsens, dass Modelle im Einklang mit dem internationalen Recht sein müssten, und dies sei beim Ruanda-Modell nicht der Fall.
Für Freitag hat Gastgeber Charles Michel unter anderem eine Debatte zu den Beziehungen zu China angesetzt. Die Schlussfolgerungen dazu sollten ursprünglich nur knapp ausfallen, entwickelten sich in der Vorbereitung aber zu einer Art Stichwortzettel für die China-Politik der EU. Dabei habe man sich eng an der Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und an den Schlussfolgerungen vom jüngsten G7-Gipfel in Japan orientiert, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.
Inzwischen gebe es einen weitgehenden Konsens über den Kurs gegenüber Peking. Ein anderer Diplomat sprach vom Ende der Naivität, man habe sich aufeinander zubewegt. Der gemeinsame Nenner sei größer als vor der Rede von Ursula von der Leyen, deren Sprachregelung als Orientierungspunkt gedient habe.
Im Entwurf der Schlussfolgerungen heißt es nun, die EU wolle kritische Abhängigkeiten in den Lieferketten weiter reduzieren, sich aber nicht abkoppeln. Beide Seiten hätten “ein geteiltes Interesse an konstruktiven und stabilen Beziehungen”. Die Staats- und Regierungschefs zeigen sich besorgt über die wachsenden Spannungen um Taiwan und betonen die Bedeutung des Ost- und Südchinesischen Meeres.
EU-Diplomaten erwarten noch keine vertiefte Diskussion beim Gipfel über die jüngste vorgelegte Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit, die auch auf China zielt. Darin hatte die Kommission bis Jahresende ein neues Instrument zur Kontrolle von Outbound-Investitionen in Drittstaaten angekündigt, ebenso wie eine engere Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bei der Exportkontrolle. Die Ansätze müssten nun zunächst breit diskutiert werden, etwa mit Industrie und Forschern, sagte ein hochrangiger Diplomat.
Unter den Mitgliedstaaten gibt es einige Vorbehalte gegen den Vorstoß der Kommission, der teils in nationale Kompetenzen vordringt. Kanzler Olaf Scholz mahnte vergangene Woche im Bundestag, die EU dürfe nicht auf Protektionismus setzen, sondern müsse vielmehr durch Partnerschaften mit anderen Ländern resiliente Lieferketten aufbauen. In der Bundesregierung heißt es zudem, bei den Initiativen zur Investitions- und Exportkontrolle seien “die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten zu respektieren”. Till Hoppe, Eric Bonse, Stephan Israel
Am Mittwoch hat die Kommission ihren Gesetzesvorschlag für den digitalen Euro vorgelegt. Damit niemand fürchten muss, künftig nicht mehr mit Scheinen und Münzen bezahlen zu können, präsentierte die Kommission im Paket zur einheitlichen Währung gleichzeitig Vorschläge, die den Euro als Bargeld stärken sollen. Da sich jedoch immer mehr Menschen dafür entschieden, digital zu bezahlen, sollte der Euro diese Option auch bieten, sagte Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. “Ein digitaler Euro würde Bargeld ergänzen, nicht ersetzen.”
Die Entscheidung, ob und wann es einen digitalen Euro geben wird, fällt die Europäische Zentralbank voraussichtlich im Oktober. Die EZB braucht dafür jedoch einen Rechtsrahmen, dessen Entwurf die Kommission jetzt vorgelegt hat. “Wir stehen erst am Anfang eines langen demokratischen Prozesses“, sagte die für Finanzdienstleistungen zuständige Kommissarin Mairead McGuinness.
Euro-Bargeld ist im Währungsgebiet des Euro gesetzliches Zahlungsmittel. In manchen Mitgliedstaaten haben einige Bürgerinnen und Bürger jedoch inzwischen Schwierigkeiten beim Zugang zu Bargeld, etwa weil Geldautomaten weit entfernt und Bankfilialen geschlossen sind. Die neue Verordnung soll gewährleisten, dass Bargeld im gesamten Euro-Währungsgebiet auch in Zukunft weithin akzeptiert wird und Bürgerinnen und Bürger ausreichend Zugang zu Bargeld haben.
Wenn es nach der Kommission geht, so sollen die Bürgerinnen und Bürger den Euro aber auch als digitales Zahlungsmittel nutzen können. In einem gemeinsamen Artikel erklärten EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta und Kommissions-Vizepräsident Dombrovskis “Warum Europa einen digitalen Euro braucht“. Der digitale Euro sei ein notwendiger Schritt, “um sicherzustellen, dass unser Geldsystem mit dem digitalen Fortschritt mithält”, schreiben sie. “Er wird weithin zugänglich und einfach zu verwenden sein und gleichzeitig die Privatsphäre wahren – genau wie Bargeld.”
Folgende Merkmale des digitalen Euro schlägt die Kommission vor:
Die politischen Reaktionen auf den Vorschlag der Kommission sind gemischt – auch innerhalb der Fraktionen. Stefan Berger (CDU), Berichterstatter für die EU-Kryptoregulierung (MiCA), fordert, “der digitale Euro muss das bieten, was Menschen an Bargeld schätzen”. Nur so werde er gesellschaftlich akzeptiert werden. Daher müsse es einen ausreichenden Schutz der Privatsphäre geben. In Bergers Augen ist der digitale Euro wichtig für Europa. “Ohne den digitalen Euro werden unsere Zahlungsströme in der digitalen Welt nicht europäisch, sondern chinesisch und amerikanisch verwaltet werden.”
Kritisch sieht sein EVP-Fraktionskollege Markus Ferber (CSU) den Vorschlag. Schwammige Konzepte wie “strategische Autonomie” und “monetäre Souveränität” überzeugten die Bürger nicht. “Die Menschen wollen ganz konkret wissen, was man mit dem digitalen Euro machen kann, was heute nicht geht.” In Europa gebe es bereits heute leistungsfähige Zahlungssysteme. Diese zu duplizieren bringe wenig.
Patrick Breyer (Piraten) nannte die Einführung digitalen Bargelds längst überfällig. Der jetzt von der Kommission vorgeschlagene digitale Euro verdiene aber seinen Namen nicht. “Digitale Technologie soll missbraucht werden, um unsere Finanzen in einem bei Bargeld nie gekannten Maß zu überwachen, zu begrenzen und zu kontrollieren“, kritisierte Breyer. Im Gesetzgebungsverfahren müsse ein Weg gefunden werden, “die besten Eigenschaften von Bargeld in die digitale Zukunft mitzunehmen”.
Interessanterweise betonte auch das FDP-geführte Bundesministerium der Finanzen, dass der digitale Euro den gleichen Schutz der Privatsphäre bieten müsse wie Bargeld. Er dürfe auch das Bargeld nur ergänzen. “Unter diesen Prämissen kann er ein wichtiger Motor für Innovation sein, der mehr Sicherheit im digitalen Zahlungsverkehr schafft und Abhängigkeiten reduziert.” Kevin Hackl, Bereichsleiter Digital Banking und Financial Services beim Digitalverband Bitkom, nannte den Gesetzentwurf einen wichtigen Schritt, um Europas digitale Souveränität zu stärken.
29.06.2023 – 08:30-09:30 Uhr
DGAP, Discussion The State of the Franco-German Relationship
The German Council on Foreign Relations (DGAP) brings together experts and high-level guests to discuss the latest developments in geopolitics. INFOS & REGISTRATION
30.06.-01.07.2023, Oberkirch
KAS, Seminar Großbritannien – Kurssuche zwischen Europa und den USA
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geht der Frage nach, wie sich das Vereinigte Königreich zwischen Europa und den USA positioniert. INFOS & ANMELDUNG
30.06.2023 – 09:00-13:30 Uhr, Berlin
EC, Conference Winning the race for talent
The European Commission (EC) discusses what needs to be done to make Europe more attractive to highly qualified workers and entrepreneurs. INFOS & REGISTRATION
30.06.2023 – 10:00-11:30 Uhr, online
DIHK, Seminar EU Verpackungsgesetze – Die Umsetzung der Verpackungsrichtlinie in ausgewählten europäischen Ländern
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) diskutiert die Umsetzung der novellierten EU-Verpackungsrichtlinie. INFOS & ANMELDUNG
30.06.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Seminar Update on energy case law from the Court of Justice of the European Union
The Florence School of Regulation (FSR) offers an overview of the most significant energy cases since the last case law update. INFOS & REGISTRATION
30.06.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
DGAP, Podiumsdiskussion Nachrichtendienste in Zeiten geopolitischer Disruptionen
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert, ob die Nachrichtendienste in Deutschland und Europa angesichts der derzeitigen Gefährdungslagen und vor dem Hintergrund technologischer Veränderungen adäquat aufgestellt, mandatiert und ausgestattet sind. INFOS & ANMELDUNG
03.07.-07.07.2023, Florenz (Italien)
FSR, Seminar Summer School on Regulation of Energy Utilities
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the regulation of distribution, transmission and generation, wholesale and retail markets, demand response and the future of power systems and regulation. INFOS & REGISTRATION
03.07.-07.07.2023, Trier
ERA, Seminar Summer Course on European Antitrust Law
The Academy of European Law (ERA) provides an understanding of the basics of EU antitrust law and an update on the latest developments in each field. INFOS & REGISTRATION
03.07.2023 – 17:30-19:30 Uhr, Berlin/online
DGAP, Panel Discussion Pragmatic Migration Cooperation: Beyond Carrots, Sticks, and Delusions
The German Council on Foreign Relations (DGAP) discusses its report’s findings and recommendations on migration cooperation. INFOS & REGISTRATION
03.07.2023 – 19:00-20:30 Uhr, Stuttgart
FNF, Podiumsdiskussion Die Mission KFOR – Der Kosovo, die Bundeswehr und die Rolle des Balkans in den internationalen Beziehungen
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) geht der Frage nach, wie es um den Kosovo steht. INFOS & ANMELDUNG
04.07.2023 – 13:00-14:30 Uhr
DGAP, Diskussion Gesprächskreis Polen – Die Zukunft der Euro-Atlantischen Sicherheit aus der Perspektive Deutschlands und Polen
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht der Frage nach, wie Deutschland und Polen die zukünftige euro-atlantische Sicherheitsstrategie mit Blick auf den rechtswidrigen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine sehen. INFOS & ANMELDUNG
Es ist die größte Investition, die aus der Halbleiterbranche in Deutschland jemals erfolgt ist. Insgesamt 33 Milliarden Euro soll Intels Aufbau der Chipfabrik in Magdeburg verschlingen. 9,9 Milliarden davon sollen als Subvention fließen. Ziel der Operation aus deutscher und europäischer Sicht: wesentliche Teile der Lieferkette absichern.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe das Vorhaben “stark befürwortet und eng begleitet”, heißt es aus Regierungskreisen. Das Projekt sei “zentral für eine geopolitische Resilienz- und Absicherungsstrategie Deutschlands und Europas”. Für Habeck berge das Intel-Vorhaben “die Chance, ein Chip-Ökosystem zu entwickeln, das zur Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen auch im Umfeld beiträgt”. Doch das mehrfach groß angekündigte Projekt ist alles andere als in trockenen Tüchern – und viele Fragen sind weiter offen.
Das Chip-Ökosystem ist komplex: Vom Rohstoff über die Wafer-Herstellung und die Belichtungsmaschinen bis zur eigentlichen Fabrikation der Chips in Reinraumanlagen und deren Weiterverarbeitung bis zum tatsächlichen Verbauen in einem Computer, Auto, einer Industrieanlage oder Waschmaschine gibt es hunderte Beteiligte. Fällt auch nur einer in der Just-in-Time-Lieferkette aus, ob aus Gründen wie einem querstehenden Containerschiff im Suezkanal, geschlossenen Häfen aufgrund einer Pandemie oder aus geopolitischen Gründen, laufen die Lager leer.
Können die Intel-Chipfabrik in Magdeburg und das ebenfalls angekündigte Intel-Packaging-Werk, also die nächste Weiterverarbeitungsstufe, im polnischen Wrocław daran etwas ändern? Wie wirkt sie im Zusammenspiel mit den neuen oder erweiterten Werken von Infineon in Dresden und Bosch am gleichen Standort und in Reutlingen?
“Zu glauben, dass uns mehr Fabs in Deutschland weniger abhängig von Asien machen, ist ein Trugschluss“, sagt Jan-Peter Kleinhans, der für die Stiftung Neue Verantwortung seit Jahren zu Chip-Lieferketten und Abhängigkeiten forscht. Die Wertschöpfungskette bei Halbleitern bleibe weiterhin transnational. “Die neuen Fabs in Dresden und Magdeburg werden weiterhin auf Chemikalien aus Japan und Taiwan und auf Maschinen aus den USA und Japan angewiesen sein”, sagt Kleinhans.
Sven Baumann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI teilt grundsätzlich die Perspektive, dass auch künftig Abhängigkeiten bestehen werden. Hier sollten gezielt Kooperationen angestrebt werden. Das Ziel aber sei klar: “Europa muss seine Fähigkeiten in allen Wertschöpfungsstufen bei der Herstellung von Chips ausbauen“, sagt Baumann. Denn sonst würde das Wissen um die Mikroelektronik-Herstellung verloren gehen.
Doch ob das geplante Leuchtturmprojekt Intel-Werk dafür der goldene Schlüssel ist, bleibt umstritten. Aus Kreisen der Automobilindustrie ist zu hören, dass auf absehbare Zeit die in Magdeburg angestrebte Generation von Chips für sie keine Rolle spielen werde. Die Autoindustrie – mit Ausnahme von Tesla – verbaut derzeit Halbleiter in höchstens 80 Nanometer-Strukturgrößen, wie sie vor 15 Jahren als neu galten. Das erhöht die Verfügbarkeit und drückt den Stückpreis.
Dazu kommen lange Planungshorizonte im Automotive-Sektor. Bleibt es beim bisherigen Tempo, würden Chipgenerationen, die heute in PCs verbaut werden, 2035 in Autos eine größere Rolle spielen. Intel aber kündigt für Magdeburg an, dass dort ab 2027 die aus heutiger Sicht übernächste Generation von Chips gefertigt werden soll. Die 20-Angström-Chips sind Spitzentechnologie statt Massenware.
Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung hat an der Sinnhaftigkeit der Magdeburger Großinvestition aber noch einen größeren Zweifel: “Wenn es um Versorgungssicherheit geht, sollte man sich lieber das Lieferkettenmanagement der Abnehmerindustrien anschauen, also Automobil- und Industrieanlagen-Hersteller.” Deren Just-in-Time-Lagerhaltung, die oft nur für wenige Tage ausreicht, und die Abhängigkeit von einzelnen Herstellerländern waren im Zuge der Chipkrise vielfach in die Kritik geraten.
Sven Baumann vom ZVEI-Fachverband sieht zwar ebenfalls die Resilienz der Wertschöpfungsketten als wichtig an. Er schätzt die derzeitigen Investitionen aber anders ein: “Europa ist besonders stark in den Abnehmermärkten Automobil- und Elektrofahrzeuge sowie Industrieelektronik und verfügt über großes Know-how in den Bereichen Leistungshalbleiter, Mikroelektronik und Sensorik. Für diese Märkte werden Chips in allen Strukturgrößen benötigt.” Und um technologische Souveränität zu erreichen, müsse Europa “auch in den nächsten Jahrzehnten noch die Mikroelektronik-Herstellung beherrschen“. Er sehe Investitionen in resiliente Wertschöpfungsketten daher positiv.
Ein großer Stolperstein bleibt bei dem Intel-Investment die Finanzierung. Weder das Gemeinschaftsprojekt für Mikroelektronik (IPCEI2) noch allgemeine Subventionstöpfe können oder sollen in der derzeitigen Bundeshaushaltslage für die Beihilfen genutzt werden. Doch woher kann das Geld dann kommen?
Habecks Kniff: Eine hochmoderne, mit Ökostrom betriebene und wassersparende Chipfabrik könnte als Beitrag zur Transformation gesehen werden. Denn § 2a des Gesetzes für den Klima- und Transformationsfonds, der sich aus Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung speist, sieht explizit die Förderung von Investitionen in neue Produktionsanlagen in Industriebranchen mit emissionsintensiven Prozessen über Klimaschutzverträge vor. Kein Zufall, dass das BMWK erst kurz vor dem Besuch von Intel-Chef Pat Gelsinger in Berlin einen Entwurf für eben diese Klimaschutzvertrag-Modalitäten veröffentlichte.
Dort heißt es unter 2.17, dass ein “transformatives Produktionsverfahren” grundlegende technologische Änderungen beinhalte. Zwar ist das eigentlich der Absatz für die Stahl-, Chemie- und andere energieintensive Betriebe, die bereits in Deutschland produzieren. Aber Habeck will ihn offenbar auch auf Intels Produktion anwenden.
Der Standort Magdeburg-Eulenberg bietet dafür gute Möglichkeiten, liegt er doch in unmittelbarer Nähe der Südostlink-Gleichstromleitung, die Windstrom vom Norden in Richtung Bayern transportieren soll. Die Intel-Fördergelder könnten also über Ökostrombezug aus eigenen, zusätzlichen Anlagen gerechtfertigt werden. Starker Rückenwind also aus dem BMWK für das Vorhaben.
Ob der Wind dem Projekt noch einmal stark ins Gesicht bläst, darüber entscheiden am Ende aber das europäische Beihilferecht und seine Hüter in Brüssel. Intel hatte intensiv auf einen günstigen Beihilferahmen hingewirkt. “Die Bundesregierung beabsichtigt, die Ansiedlung von Intel in Magdeburg im Rahmen des European Chips Act zu fördern“, bestätigt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. “Voraussetzung dafür ist eine beihilferechtliche Genehmigung durch die Europäische Kommission. Diese legt Art und Höhe der Förderung abschließend fest.” Doch der Chips Act ist, trotz Einigung im Trilog, immer noch nicht beschlossen und verkündet. Das Europaparlament will ihn nun im Juli verabschieden.
Die hohe Förderung für Intel in Deutschland hat in der EU-Kommission erhebliche Diskussionen ausgelöst. Doch ohne Subventionen käme keine Chipfabrik. Denn der Wettbewerb um die Hersteller und ihre Investitionen ist international. Ob Korea, Japan, USA, China oder Taiwan: Alle haben erkannt, dass die Halbleiter relevant sind.
Wie entscheidend das Ökosystem insgesamt eingeschätzt wird, zeigt eine kleine Meldung aus Japan: Für 6,3 Milliarden US-Dollar steigt der teilweise staatliche, teils von den größten japanischen Konzernen getragene Investitionsfonds JIC beim Spezialmaterialien-Hersteller JSR ein. Ziel der Operation: die Unabhängigkeit der japanischen Industrie möglichst sicherzustellen und die eigene Halbleiterindustrie zu stärken. Der Wettlauf um resiliente Chiplieferketten, er findet auch zwischen den Akteuren im westlichen Block statt.
Wie hart umstritten der Data Act war, zeigt sich auch in den Reaktionen auf den Kompromiss, auf den sich Parlament und Rat im Trilog geeinigt haben. Vor allem fürchten die Unternehmen, dass ihre Geschäftsgeheimnisse in Gefahr sind, wenn sie von Maschinen generierte Daten teilen müssen.
Mit dem Data Act will die Kommission die Datenwirtschaft in der EU ankurbeln. Er soll Industriedaten freischalten, ihre Zugänglichkeit und Nutzung optimieren und einen wettbewerbsfähigen und zuverlässigen europäischen Cloud-Markt fördern.
Die Maschinen- und Anlagenbauer sehen das anders. Die Ergebnisse des Trilogs seien keine gute Nachricht, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hartmut Rauen. Der Data Act stelle einen massiven Eingriff in die bislang gut funktionierende Vertragsfreiheit im Datenaustausch zwischen Unternehmen dar. Das schaffe Verunsicherung, weil die Auswirkungen auf datenbasierte Geschäftsmodelle noch unklar seien, kritisierte Rauen und sprach von einem digitalpolitischen Experiment mit unklarem Ausgang.
Der Data Act verfehle sein Ziel, Rechtssicherheit und ein positives Innovationsumfeld in der EU zu schaffen, kommentierte auch der BDI. “Die zahlreichen gesetzlichen Eingriffe des EU-Data Act behindern die Industrie im Umgang mit Daten.”
Der Bitkom sieht ebenfalls die Gefahr, dass Geschäftsgeheimnisse in die falschen Hände gelangen könnten. Die Regelungen, unter denen Unternehmen ihren Cloudanbieter wechseln können, sieht der Digitalverband dagegen positiv. Bitkom unterstütze das Ziel, das Cloud-Switching zu erleichtern, sagte der neue Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Die Cloud-Anbieter müssten dabei nichts technisch Unmögliches leisten.
Der Data Act breche die Datenmonopole der Hersteller und gebe auch Nutzerinnen und Nutzern Kontrolle über ihre Daten, hob Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD, hervor. Bedauerlich sei dagegen, dass sich die Unternehmenslobby auf den letzten Metern noch mit Ausnahmen durchgesetzt habe, wenn Geschäftsgeheimnisse beeinträchtigt sein könnten. “Das ist ein möglicherweise gefährliches Schlupfloch, mit dem dominante Unternehmen ihren Pflichten zum Datenteilen entgehen könnten”, sagte Wölken.
“Der Data Act war eine Lobbyschlacht”, bilanzierte der Volt-Abgeordnete Damian Boeselager, der als Schattenberichterstatter der Grünen/EFA an den Beratungen beteiligt war. Die Positionen hätten auch innerhalb der Wirtschaft weit auseinander gelegen, etwa zwischen Fluggesellschaften und Flugzeugbauern. Am Ende hätten sich die Hersteller, obwohl zahlenmäßig unterlegen, mit empfindlichen Einschränkungen des Datenzugangsrechts der Nutzer durchgesetzt. Dies wertet Boeselager als Markteintrittsbarriere für innovativere Wettbewerber. “Langfristig schießen wir uns in Europa mit solchen wettbewerbshemmenden Regeln in den Fuß.”
Die politische Einigung muss noch formell vom Rat der Mitgliedstaaten und im Plenum des Europäischen Parlaments bestätigt werden, damit das Gesetz als verabschiedet gilt. Das könnte im November oder Dezember passieren. vis
Die EU-Kommission will bei ihrer außenpolitischen Strategie künftig die Themen Klimawandel und Sicherheit stärker miteinander verknüpfen. Dafür kündigte sie am Mittwoch einen rund 30 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan an. Denn die Folgen des Klimawandels wie etwa Verlust von Lebensgrundlagen durch Dürren oder Überschwemmungen, wachsende Migrationsbewegungen, Gesundheitsrisiken oder der zunehmende Wettbewerb um Ressourcen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit von Mensch und Natur.
Zu den geplanten Maßnahmen zählen:
Neben sicherheitspolitischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel will die Kommission auch die Operationalisierung des militärischen Betriebs überarbeiten. Die durch die Streitkräfte der EU-Staaten verursachten Emissionen unterliegen derzeit noch kaum strengen Reduzierungsanforderungen. Oftmals werden die Emissionen durch militärische Institutionen gar nicht erst erfasst.
Die EU-Kommission will das ändern und kündigt eine “Verbesserung der Klimaanpassungs- und -minderungsmaßnahmen der zivilen und militärischen Operationen und Infrastrukturen der Mitgliedstaaten” an, um Kosten und den CO₂-Fußabdruck zu senken. Die Funktionsfähigkeit des Militärs soll aber erhalten bleiben.
Die hauseigene Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) hatte Anfang Juni Empfehlungen veröffentlicht, um die Auswirkungen des Klimawandels auf verteidigungsrelevante kritische Energieinfrastrukturen zu minimieren. Sie forderte auch neue Leitlinien für die Bewertung von Klimarisiken im Verteidigungsbereich, Einbeziehung von Klimaerwägungen in die militärische Planung sowie Modernisierung der militärischen Infrastruktur. Das griff die Kommission nun auf. Sie will sich auch dafür einsetzen, Aktivitäten wie in der NATO in Einklang mit der europäischen Klima- und Umweltpolitik zu bringen.
Zu den Maßnahmen gehört auch die kritische Bewertung neuer Technologien und Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels und deren sicherheitspolitische Auswirkungen. Insbesondere die künstliche Veränderung der Sonneneinstrahlung durch Geo-Engineering spielt dabei eine Rolle. Dabei kann etwa Sonnenlicht mit gigantischen Spiegeln zurück in die Atmosphäre gelenkt werden oder die Erderwärmung in der Stratosphäre durch Injektionen von Aerosolen verringert werden.
Zwar erkennen Forscherinnen und Forscher des UN-Umweltprogramms (UNEP) solche Methoden an als die “einzige Option, die den Planeten innerhalb weniger Jahre abkühlen könnte”. Doch sie weisen auch auf Gefahren der Technik hin. Darunter: Mögliche Zerstörung der Ozonschicht, lokale Überkompensation des Klimawandels und Risiken für Menschen und Ökosysteme.
Die Kommission will diese Methoden und ihre Risiken frühzeitig bewerten, regulieren und die Ergebnisse in internationale Klimadebatten einbringen. Dafür müssten die Aspekte besser erforscht werden, heißt es von der Brüsseler Behörde. Derzeit fehlten Regeln, Verfahren und Institutionen dafür.
Kommissionsvize und Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans stellte zudem klar, Geo-Engineering dürfe nicht davon ablenken, dass Emissionen reduziert werden müssen. Die einzige Möglichkeit, die globale Erwärmung aufzuhalten und die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern, bestehe darin, die Emissionen auf null zu bringen, so die Kommission. luk
Die schwedische Ratspräsidentschaft hat einen finalen Kompromissvorschlag für das Verhandlungsmandat zum Critical Raw Materials Act erarbeitet, der am morgigen Freitag von den Botschaftern der EU-Mitgliedstaaten (Coreper I) geprüft wird. Möglicherweise einigen sie sich dann bereits auf ein Mandat. Im Vorschlag, den das Nachrichtenportal “Contexte” zuerst veröffentlichte, sind unter anderem die folgenden Änderungen am Gesetzentwurf der Kommission vorgesehen:
Der Industrieausschuss im EU-Parlament wird das nächste Mal am 18. Juli über die Änderungsanträge für den Gesetzentwurf beraten. Die Abstimmung im Ausschuss ist zurzeit für den 7. September geplant; im Oktober stimmt dann das Plenum ab. leo
Der Industrieausschuss des Parlaments hat am Mittwoch dem jüngsten Kompromiss der EU-Staaten zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) zugestimmt. Die Abstimmung im Plenum soll im September folgen.
Im März hatte es zur RED III bereits eine Einigung im Trilog gegeben, die allerdings später von der französischen Regierung wegen der Rolle der Atomenergie wieder infrage gestellt wurde. Der Kompromiss aus dem AStV vom 16. Juni ermöglicht es Frankreich, mehr Atomstrom für die Produktion von Wasserstoff zu nutzen. Von der Kommission hatte Paris die Zusage erhalten, dass einzelne Ammoniak-Werke bei der Berechnung des Unterziels für grünen Wasserstoff in der Industrie ausgenommen werden können, teilte damals Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, mit.
Eigentlich wird mit der RED III ein Ziel für die Nutzung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien nicht-biogenen Ursprungs in der Industrie eingeführt. Die französische Regierung hatte sich jedoch um eine breitere Anrechnung von Wasserstoff aus Kernenergie auf die Erneuerbaren-Ziele der Richtlinie bemüht.
Technisch wird die Regelung für Ammoniak-Werke durch den neuen Erwägungsgrund 22ab umgesetzt, dem der ITRE gestern zustimmte. “Die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie zeigt, dass eine pragmatische, innovative, unbürokratische und technologieoffene Gesetzgebung in Europa möglich ist”, kommentierte Berichterstatter Markus Pieper (CDU) das Ergebnis. ber
Die Bulgarin Iliana Ivanova soll neue EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Bildung werden. Das gab Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern bekannt. Die bisherige Kommissarin Mariya Gabriel hatte ihren Posten aufgegeben, um Teil der neuen Regierungskoalition in Bulgarien zu werden.
Ivanova ist seit 2013 Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Davor war sie von 2009 bis 2012 in der EVP-Fraktion Mitglied des Europäischen Parlaments und stellvertretende Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses.
Ivanovas Erfahrung sei von “entscheidender Bedeutung” bei der Umsetzung des Forschungsprogramms Horizon Europe, sagte von der Leyen. Es gehe darum, die Leistung der EU-Forschungsausgaben zu verbessern und eine bessere Wirkung vor Ort zu erzielen. sas
Es war ein Praktikum in Washington, im Auslandsbüro der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS), das Johanna Hans zu ihrem heutigen Arbeitgeber führte. “Mich hat bei den Auslandsstationen immer die Frage der europäischen Beziehungen zu diesen Ländern interessiert“, erzählt sie im Gespräch. Ab 2016 war sie Referentin für den Europäischen Dialog, seit einem Jahr ist die 33-Jährige Referatsleiterin Europa bei der FNS. Zwei Mitarbeiter arbeiten ihr zu.
“Das Spannende an meiner Arbeit ist, dass ich keinen klassischen Alltag habe.” Als Referatsleiterin koordiniert sie die Arbeit von elf europäischen Auslandsbüros. “Kurz gesagt machen wir politische Bildungsarbeit und wir vernetzten Menschen, vor allem aus der Zivilgesellschaft, mit politischen Entscheidungsträgern.” Unter anderem organisiert sie regelmäßige Runden mit etwa 20 Expertinnen und Experten, die unter Regeln der Vertraulichkeit der Chatham House Rules europäische Fragen diskutieren können.
Darüber hinaus macht sie die Arbeit der Auslandsbüros in Deutschland sichtbar. Aktuell plant sie eine Kinotour für eine Dokumentation über Migration, die das Büro in Madrid gedreht hat. Zuletzt war sie in Timișoara in Rumänien, der aktuellen europäischen Kulturhauptstadt. Dort tagte sie mit den Vertretern der ost- und südosteuropäischen Landesbüros. Hans betreut außerdem die Akademie Alliance of Her, die die FNS gemeinsam mit der ALDE-Partei und dem Think-Tank European Liberal Forum für liberale Frauen in der Politik anbietet.
Zur FDP hat die politische Stiftung ein Distanzgebot. Hans sieht die FNS als “Labor für die Partei”. Handlungsempfehlungen zur Sicherheitspolitik haben es aber sogar einmal in ein Wahlprogramm der österreichischen Liberalen geschafft, berichtet Hans.
Vergangenes und dieses Jahr hat sich die gesamte FNS das Motto “ReshapeEurope” gegeben. Alle Büros in über 60 Ländern und in Deutschland arbeiten zu wichtigen europäischen Fragen. “Uns treibt die Frage um, wie die EU zu einem echten Global Player werden kann, der in der geopolitischen Gemengelage etwas bewirken kann.”
Bisher sei die EU noch zu schwach. “2012 hat die EU den Friedensnobelpreis gewonnen. Damit geht Verantwortung einher und deswegen muss die EU handlungsfähiger werden.” Dafür müsse sie zuerst im Inneren aufräumen. “Die EU muss ihre Werte bestimmter durchsetzen, und zwar gegenüber allen Mitgliedstaaten“, sagt Hans. Aber auch nach außen müsse die Union präsenter und handlungsfähiger werden. Dafür müsse unter anderem das Einstimmigkeitsprinzip bei außenpolitischen Fragen fallen. Eine Forderung, die nicht nur Liberale seit Jahren stellen.
Hans hat Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert, den Master in Internationalen Beziehungen und Internationalem Recht absolvierte sie an der University of Kent, Großbritannien. Dazwischen gab es Stationen in Kalifornien und Costa Rica und ein Praktikum bei einem CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament.
Aufgewachsen ist sie in Recklinghausen im Ruhrpott. Ihr Vater hatte einen großen Einfluss auf ihre Politisierung. “Er hat mir schon früh die Zeitung in die Hand gedrückt und mit mir diskutiert”, sagt Hans. “Meistens waren wir anderer Meinung, aber der Austausch hat mir immer Spaß gemacht.” Nun hat sie das quasi zum Beruf gemacht.Tom Schmidtgen
Ukraine-Krieg, Migration und China – die Außenpolitik dominiert den heute beginnenden EU-Gipfel. Bemerkenswert: Den Wortlaut der Abschlusserklärung haben Diplomaten bereits im Vorfeld weitgehend festgezurrt. Dabei waren gerade die Flüchtlings- und die China-Politik vor nicht allzu langer Zeit noch Themen, über die sich die Staats- und Regierungschefs nächtelang streiten konnten.
Doch mit dem Kompromiss der Innenminister zum Migrationspakt können die meisten Mitgliedstaaten halbwegs leben. Und im Umgang mit Peking gebe es zwar “unterschiedliche Schattierungen, aber keinen Dissens”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat. Die Staats- und Regierungschefs könnten sich weitgehend hinter der Linie versammeln, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zum “De-Risking” vorgegeben habe.
Der Elefant im Raum werden die Vorgänge in Russland vom vergangenen Wochenende sein – die Europäer ringen weiter um Orientierung, was die Meuterei von Wagner-Chef Prigoschin für das Putin’sche Machtgefüge bedeutet. Zum Auftakt des Gipfels diskutieren Bundeskanzler Olaf Scholz und Co mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Mittagessen darüber, anschließend ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet.
Am Freitagmorgen wiederum sind Scholz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zum Frühstück verabredet, um über nötige Reformen im EU-Gefüge zu sprechen. Mehr zu alldem erfahren Sie in unserem Gipfel-Ausblick in dieser Ausgabe.
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Die Lage in Russland nach den jüngsten Turbulenzen werde der “Elefant im Raum” sein, so ein Diplomat vor dem Gipfel heute und morgen in Brüssel: “Die Staats- und Regierungschefs werden ihre Einschätzungen austauschen, einige werden sicher auch Informationen ihrer Dienste beisteuern.” Es bestehe aber Konsens, dass die jüngste Entwicklung die Notwendigkeit noch verstärke, die Ukraine zu unterstützen – unabhängig von den möglichen Szenarien.
Diese Unterstützung steht auch auf diesem Gipfel wieder im Fokus. Kontrovers wird laut EU-Diplomaten die Forderung von Kommissionschefin Ursula von der Leyen gesehen, über 2023 hinaus für die Ukraine weitere 50 Milliarden Euro an Finanzhilfen zu mobilisieren. Die Debatte sei aber noch in einer frühen Phase. Diskussionen dürfte es vor allem um einen Abschnitt der Schlussfolgerungen geben, auf den Frankreich gedrängt hatte und in dem von Sicherheitsgarantien für die Ukraine die Rede ist. Die EU und die Mitgliedstaaten seien bereit, zusammen mit Partnern einen Beitrag zu leisten, um die Ukraine längerfristig vor Angriffen und Destabilisierungsversuchen zu schützen, heißt es im Entwurf.
Alles, was die EU zur Unterstützung beitrage, nütze der Sicherheit und Stabilität ganz Europas, so ein Diplomat. Kurzfristig brauche es mehr Waffen für die Ukraine und Ausbildung von Soldaten, längerfristig aber auch Sicherheitsgarantien. Zum Auftakt der Diskussion wird der amtierende und künftige Nato–Generalsekretär Jens Stoltenberg mit am Tisch sitzen. Das sei auch ein wichtiges Signal mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen und den Gipfel der Allianz am 11. Juli in Vilnius, so ein EU-Diplomat. Der Generalsekretär werde erläutern, was die EU mit Blick auf Sicherheitsgarantien beisteuern könne.
Eine schwierige Debatte zeichnet sich beim Thema Migration ab, die am Donnerstagabend vorgesehen ist. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich einen Überblick über die Lage an den EU-Außengrenzen verschaffen und ihr “tiefes Bedauern” über das Bootsunglück vor der griechischen Küste mit mehreren hundert Toten ausdrücken, heißt es im Entwurf der Schlussfolgerungen. Zudem wollen sie Arbeiten an den “externen Aspekten der Migration und ihren finanziellen Dimensionen” vorantreiben.
Doch der wichtigste Aufhänger dieser Debatte, das geplante Partnerschaftsabkommen mit Tunesien, lässt auf sich warten – soll aber in den nächsten Tagen fertig sein. Der Tunesien-Deal sollte als “Blaupause” für die Zusammenarbeit mit anderen Drittländern wie Ägypten dienen – doch er wurde nicht rechtzeitig vor dem EU-Gipfel fertig. Einer der Streitpunkte ist ausgerechnet die “finanzielle Dimension” – nämlich die Frage, ob EU-Finanzhilfen für Tunesien an ein IWF-Programm mit strengen Spar- und Reformauflagen gebunden werden sollen.
Für Deutschland ist ein solches Programm “entscheidend”, wie es in Berliner Regierungskreisen heißt. Italien fordert dagegen mehr Flexibilität. Die Regierung in Rom fürchtet, dass allzu strenge Auflagen dazu führen könnten, dass sich die Regierung in Tunis nicht zu mehr Unterstützung im Kampf gegen illegale Migration bereit erklärt. Bisher haben Berlin und Rom beim Tunesien-Deal an einem Strang gezogen. Nun könnte es ausgerechnet beim EU-Gipfel zum Streit kommen.
Ärger droht auch mit Ungarn und Polen. Beide EU-Länder lehnen den Kompromiss zur Migrations- und Asylpolitik ab, den die Innenminister Anfang Juni gefunden hatten. Ihr Protest richtet sich nicht nur gegen den geplanten Solidaritätsmechanismus, der sie zur Aufnahme von Asylbewerbern beziehungsweise zu Zahlungen verpflichtet. Warschau und Budapest behaupten auch, dass so weit reichende Entscheidungen nur einstimmig getroffen werden können – und nicht mit qualifizierter Mehrheit, wie im Innenrat.
Diese Streitfragen sollen offen angesprochen werden, sagte ein mit den Gipfelvorbereitungen vertrauter EU-Diplomat. Der Europäische Rat habe sich aber seit Langem auf einen solidarischen Ansatz verpflichtet. Die Gefahr, dass Ungarn und Polen die Reform des Migrations- und Asylpakts blockieren könnten, sei gleich Null.
Ebenfalls zur Sprache kommen soll ein älterer Vorstoß von elf EU-Ländern, darunter Österreich. Sie fordern einen “innovativen Ansatz” beim Umgang mit Asylbewerbern. Gemeint sein dürften Asylverfahren nach dem umstrittenen Ruanda-Modell. Die Gruppe um Österreich habe ihre Vorstellung bisher nicht präzisiert, so ein Diplomat. Es herrsche aber Konsens, dass Modelle im Einklang mit dem internationalen Recht sein müssten, und dies sei beim Ruanda-Modell nicht der Fall.
Für Freitag hat Gastgeber Charles Michel unter anderem eine Debatte zu den Beziehungen zu China angesetzt. Die Schlussfolgerungen dazu sollten ursprünglich nur knapp ausfallen, entwickelten sich in der Vorbereitung aber zu einer Art Stichwortzettel für die China-Politik der EU. Dabei habe man sich eng an der Rede von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und an den Schlussfolgerungen vom jüngsten G7-Gipfel in Japan orientiert, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.
Inzwischen gebe es einen weitgehenden Konsens über den Kurs gegenüber Peking. Ein anderer Diplomat sprach vom Ende der Naivität, man habe sich aufeinander zubewegt. Der gemeinsame Nenner sei größer als vor der Rede von Ursula von der Leyen, deren Sprachregelung als Orientierungspunkt gedient habe.
Im Entwurf der Schlussfolgerungen heißt es nun, die EU wolle kritische Abhängigkeiten in den Lieferketten weiter reduzieren, sich aber nicht abkoppeln. Beide Seiten hätten “ein geteiltes Interesse an konstruktiven und stabilen Beziehungen”. Die Staats- und Regierungschefs zeigen sich besorgt über die wachsenden Spannungen um Taiwan und betonen die Bedeutung des Ost- und Südchinesischen Meeres.
EU-Diplomaten erwarten noch keine vertiefte Diskussion beim Gipfel über die jüngste vorgelegte Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit, die auch auf China zielt. Darin hatte die Kommission bis Jahresende ein neues Instrument zur Kontrolle von Outbound-Investitionen in Drittstaaten angekündigt, ebenso wie eine engere Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bei der Exportkontrolle. Die Ansätze müssten nun zunächst breit diskutiert werden, etwa mit Industrie und Forschern, sagte ein hochrangiger Diplomat.
Unter den Mitgliedstaaten gibt es einige Vorbehalte gegen den Vorstoß der Kommission, der teils in nationale Kompetenzen vordringt. Kanzler Olaf Scholz mahnte vergangene Woche im Bundestag, die EU dürfe nicht auf Protektionismus setzen, sondern müsse vielmehr durch Partnerschaften mit anderen Ländern resiliente Lieferketten aufbauen. In der Bundesregierung heißt es zudem, bei den Initiativen zur Investitions- und Exportkontrolle seien “die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten zu respektieren”. Till Hoppe, Eric Bonse, Stephan Israel
Am Mittwoch hat die Kommission ihren Gesetzesvorschlag für den digitalen Euro vorgelegt. Damit niemand fürchten muss, künftig nicht mehr mit Scheinen und Münzen bezahlen zu können, präsentierte die Kommission im Paket zur einheitlichen Währung gleichzeitig Vorschläge, die den Euro als Bargeld stärken sollen. Da sich jedoch immer mehr Menschen dafür entschieden, digital zu bezahlen, sollte der Euro diese Option auch bieten, sagte Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis. “Ein digitaler Euro würde Bargeld ergänzen, nicht ersetzen.”
Die Entscheidung, ob und wann es einen digitalen Euro geben wird, fällt die Europäische Zentralbank voraussichtlich im Oktober. Die EZB braucht dafür jedoch einen Rechtsrahmen, dessen Entwurf die Kommission jetzt vorgelegt hat. “Wir stehen erst am Anfang eines langen demokratischen Prozesses“, sagte die für Finanzdienstleistungen zuständige Kommissarin Mairead McGuinness.
Euro-Bargeld ist im Währungsgebiet des Euro gesetzliches Zahlungsmittel. In manchen Mitgliedstaaten haben einige Bürgerinnen und Bürger jedoch inzwischen Schwierigkeiten beim Zugang zu Bargeld, etwa weil Geldautomaten weit entfernt und Bankfilialen geschlossen sind. Die neue Verordnung soll gewährleisten, dass Bargeld im gesamten Euro-Währungsgebiet auch in Zukunft weithin akzeptiert wird und Bürgerinnen und Bürger ausreichend Zugang zu Bargeld haben.
Wenn es nach der Kommission geht, so sollen die Bürgerinnen und Bürger den Euro aber auch als digitales Zahlungsmittel nutzen können. In einem gemeinsamen Artikel erklärten EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta und Kommissions-Vizepräsident Dombrovskis “Warum Europa einen digitalen Euro braucht“. Der digitale Euro sei ein notwendiger Schritt, “um sicherzustellen, dass unser Geldsystem mit dem digitalen Fortschritt mithält”, schreiben sie. “Er wird weithin zugänglich und einfach zu verwenden sein und gleichzeitig die Privatsphäre wahren – genau wie Bargeld.”
Folgende Merkmale des digitalen Euro schlägt die Kommission vor:
Die politischen Reaktionen auf den Vorschlag der Kommission sind gemischt – auch innerhalb der Fraktionen. Stefan Berger (CDU), Berichterstatter für die EU-Kryptoregulierung (MiCA), fordert, “der digitale Euro muss das bieten, was Menschen an Bargeld schätzen”. Nur so werde er gesellschaftlich akzeptiert werden. Daher müsse es einen ausreichenden Schutz der Privatsphäre geben. In Bergers Augen ist der digitale Euro wichtig für Europa. “Ohne den digitalen Euro werden unsere Zahlungsströme in der digitalen Welt nicht europäisch, sondern chinesisch und amerikanisch verwaltet werden.”
Kritisch sieht sein EVP-Fraktionskollege Markus Ferber (CSU) den Vorschlag. Schwammige Konzepte wie “strategische Autonomie” und “monetäre Souveränität” überzeugten die Bürger nicht. “Die Menschen wollen ganz konkret wissen, was man mit dem digitalen Euro machen kann, was heute nicht geht.” In Europa gebe es bereits heute leistungsfähige Zahlungssysteme. Diese zu duplizieren bringe wenig.
Patrick Breyer (Piraten) nannte die Einführung digitalen Bargelds längst überfällig. Der jetzt von der Kommission vorgeschlagene digitale Euro verdiene aber seinen Namen nicht. “Digitale Technologie soll missbraucht werden, um unsere Finanzen in einem bei Bargeld nie gekannten Maß zu überwachen, zu begrenzen und zu kontrollieren“, kritisierte Breyer. Im Gesetzgebungsverfahren müsse ein Weg gefunden werden, “die besten Eigenschaften von Bargeld in die digitale Zukunft mitzunehmen”.
Interessanterweise betonte auch das FDP-geführte Bundesministerium der Finanzen, dass der digitale Euro den gleichen Schutz der Privatsphäre bieten müsse wie Bargeld. Er dürfe auch das Bargeld nur ergänzen. “Unter diesen Prämissen kann er ein wichtiger Motor für Innovation sein, der mehr Sicherheit im digitalen Zahlungsverkehr schafft und Abhängigkeiten reduziert.” Kevin Hackl, Bereichsleiter Digital Banking und Financial Services beim Digitalverband Bitkom, nannte den Gesetzentwurf einen wichtigen Schritt, um Europas digitale Souveränität zu stärken.
29.06.2023 – 08:30-09:30 Uhr
DGAP, Discussion The State of the Franco-German Relationship
The German Council on Foreign Relations (DGAP) brings together experts and high-level guests to discuss the latest developments in geopolitics. INFOS & REGISTRATION
30.06.-01.07.2023, Oberkirch
KAS, Seminar Großbritannien – Kurssuche zwischen Europa und den USA
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geht der Frage nach, wie sich das Vereinigte Königreich zwischen Europa und den USA positioniert. INFOS & ANMELDUNG
30.06.2023 – 09:00-13:30 Uhr, Berlin
EC, Conference Winning the race for talent
The European Commission (EC) discusses what needs to be done to make Europe more attractive to highly qualified workers and entrepreneurs. INFOS & REGISTRATION
30.06.2023 – 10:00-11:30 Uhr, online
DIHK, Seminar EU Verpackungsgesetze – Die Umsetzung der Verpackungsrichtlinie in ausgewählten europäischen Ländern
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) diskutiert die Umsetzung der novellierten EU-Verpackungsrichtlinie. INFOS & ANMELDUNG
30.06.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Seminar Update on energy case law from the Court of Justice of the European Union
The Florence School of Regulation (FSR) offers an overview of the most significant energy cases since the last case law update. INFOS & REGISTRATION
30.06.2023 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
DGAP, Podiumsdiskussion Nachrichtendienste in Zeiten geopolitischer Disruptionen
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert, ob die Nachrichtendienste in Deutschland und Europa angesichts der derzeitigen Gefährdungslagen und vor dem Hintergrund technologischer Veränderungen adäquat aufgestellt, mandatiert und ausgestattet sind. INFOS & ANMELDUNG
03.07.-07.07.2023, Florenz (Italien)
FSR, Seminar Summer School on Regulation of Energy Utilities
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the regulation of distribution, transmission and generation, wholesale and retail markets, demand response and the future of power systems and regulation. INFOS & REGISTRATION
03.07.-07.07.2023, Trier
ERA, Seminar Summer Course on European Antitrust Law
The Academy of European Law (ERA) provides an understanding of the basics of EU antitrust law and an update on the latest developments in each field. INFOS & REGISTRATION
03.07.2023 – 17:30-19:30 Uhr, Berlin/online
DGAP, Panel Discussion Pragmatic Migration Cooperation: Beyond Carrots, Sticks, and Delusions
The German Council on Foreign Relations (DGAP) discusses its report’s findings and recommendations on migration cooperation. INFOS & REGISTRATION
03.07.2023 – 19:00-20:30 Uhr, Stuttgart
FNF, Podiumsdiskussion Die Mission KFOR – Der Kosovo, die Bundeswehr und die Rolle des Balkans in den internationalen Beziehungen
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) geht der Frage nach, wie es um den Kosovo steht. INFOS & ANMELDUNG
04.07.2023 – 13:00-14:30 Uhr
DGAP, Diskussion Gesprächskreis Polen – Die Zukunft der Euro-Atlantischen Sicherheit aus der Perspektive Deutschlands und Polen
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht der Frage nach, wie Deutschland und Polen die zukünftige euro-atlantische Sicherheitsstrategie mit Blick auf den rechtswidrigen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine sehen. INFOS & ANMELDUNG
Es ist die größte Investition, die aus der Halbleiterbranche in Deutschland jemals erfolgt ist. Insgesamt 33 Milliarden Euro soll Intels Aufbau der Chipfabrik in Magdeburg verschlingen. 9,9 Milliarden davon sollen als Subvention fließen. Ziel der Operation aus deutscher und europäischer Sicht: wesentliche Teile der Lieferkette absichern.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe das Vorhaben “stark befürwortet und eng begleitet”, heißt es aus Regierungskreisen. Das Projekt sei “zentral für eine geopolitische Resilienz- und Absicherungsstrategie Deutschlands und Europas”. Für Habeck berge das Intel-Vorhaben “die Chance, ein Chip-Ökosystem zu entwickeln, das zur Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen auch im Umfeld beiträgt”. Doch das mehrfach groß angekündigte Projekt ist alles andere als in trockenen Tüchern – und viele Fragen sind weiter offen.
Das Chip-Ökosystem ist komplex: Vom Rohstoff über die Wafer-Herstellung und die Belichtungsmaschinen bis zur eigentlichen Fabrikation der Chips in Reinraumanlagen und deren Weiterverarbeitung bis zum tatsächlichen Verbauen in einem Computer, Auto, einer Industrieanlage oder Waschmaschine gibt es hunderte Beteiligte. Fällt auch nur einer in der Just-in-Time-Lieferkette aus, ob aus Gründen wie einem querstehenden Containerschiff im Suezkanal, geschlossenen Häfen aufgrund einer Pandemie oder aus geopolitischen Gründen, laufen die Lager leer.
Können die Intel-Chipfabrik in Magdeburg und das ebenfalls angekündigte Intel-Packaging-Werk, also die nächste Weiterverarbeitungsstufe, im polnischen Wrocław daran etwas ändern? Wie wirkt sie im Zusammenspiel mit den neuen oder erweiterten Werken von Infineon in Dresden und Bosch am gleichen Standort und in Reutlingen?
“Zu glauben, dass uns mehr Fabs in Deutschland weniger abhängig von Asien machen, ist ein Trugschluss“, sagt Jan-Peter Kleinhans, der für die Stiftung Neue Verantwortung seit Jahren zu Chip-Lieferketten und Abhängigkeiten forscht. Die Wertschöpfungskette bei Halbleitern bleibe weiterhin transnational. “Die neuen Fabs in Dresden und Magdeburg werden weiterhin auf Chemikalien aus Japan und Taiwan und auf Maschinen aus den USA und Japan angewiesen sein”, sagt Kleinhans.
Sven Baumann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI teilt grundsätzlich die Perspektive, dass auch künftig Abhängigkeiten bestehen werden. Hier sollten gezielt Kooperationen angestrebt werden. Das Ziel aber sei klar: “Europa muss seine Fähigkeiten in allen Wertschöpfungsstufen bei der Herstellung von Chips ausbauen“, sagt Baumann. Denn sonst würde das Wissen um die Mikroelektronik-Herstellung verloren gehen.
Doch ob das geplante Leuchtturmprojekt Intel-Werk dafür der goldene Schlüssel ist, bleibt umstritten. Aus Kreisen der Automobilindustrie ist zu hören, dass auf absehbare Zeit die in Magdeburg angestrebte Generation von Chips für sie keine Rolle spielen werde. Die Autoindustrie – mit Ausnahme von Tesla – verbaut derzeit Halbleiter in höchstens 80 Nanometer-Strukturgrößen, wie sie vor 15 Jahren als neu galten. Das erhöht die Verfügbarkeit und drückt den Stückpreis.
Dazu kommen lange Planungshorizonte im Automotive-Sektor. Bleibt es beim bisherigen Tempo, würden Chipgenerationen, die heute in PCs verbaut werden, 2035 in Autos eine größere Rolle spielen. Intel aber kündigt für Magdeburg an, dass dort ab 2027 die aus heutiger Sicht übernächste Generation von Chips gefertigt werden soll. Die 20-Angström-Chips sind Spitzentechnologie statt Massenware.
Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung hat an der Sinnhaftigkeit der Magdeburger Großinvestition aber noch einen größeren Zweifel: “Wenn es um Versorgungssicherheit geht, sollte man sich lieber das Lieferkettenmanagement der Abnehmerindustrien anschauen, also Automobil- und Industrieanlagen-Hersteller.” Deren Just-in-Time-Lagerhaltung, die oft nur für wenige Tage ausreicht, und die Abhängigkeit von einzelnen Herstellerländern waren im Zuge der Chipkrise vielfach in die Kritik geraten.
Sven Baumann vom ZVEI-Fachverband sieht zwar ebenfalls die Resilienz der Wertschöpfungsketten als wichtig an. Er schätzt die derzeitigen Investitionen aber anders ein: “Europa ist besonders stark in den Abnehmermärkten Automobil- und Elektrofahrzeuge sowie Industrieelektronik und verfügt über großes Know-how in den Bereichen Leistungshalbleiter, Mikroelektronik und Sensorik. Für diese Märkte werden Chips in allen Strukturgrößen benötigt.” Und um technologische Souveränität zu erreichen, müsse Europa “auch in den nächsten Jahrzehnten noch die Mikroelektronik-Herstellung beherrschen“. Er sehe Investitionen in resiliente Wertschöpfungsketten daher positiv.
Ein großer Stolperstein bleibt bei dem Intel-Investment die Finanzierung. Weder das Gemeinschaftsprojekt für Mikroelektronik (IPCEI2) noch allgemeine Subventionstöpfe können oder sollen in der derzeitigen Bundeshaushaltslage für die Beihilfen genutzt werden. Doch woher kann das Geld dann kommen?
Habecks Kniff: Eine hochmoderne, mit Ökostrom betriebene und wassersparende Chipfabrik könnte als Beitrag zur Transformation gesehen werden. Denn § 2a des Gesetzes für den Klima- und Transformationsfonds, der sich aus Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung speist, sieht explizit die Förderung von Investitionen in neue Produktionsanlagen in Industriebranchen mit emissionsintensiven Prozessen über Klimaschutzverträge vor. Kein Zufall, dass das BMWK erst kurz vor dem Besuch von Intel-Chef Pat Gelsinger in Berlin einen Entwurf für eben diese Klimaschutzvertrag-Modalitäten veröffentlichte.
Dort heißt es unter 2.17, dass ein “transformatives Produktionsverfahren” grundlegende technologische Änderungen beinhalte. Zwar ist das eigentlich der Absatz für die Stahl-, Chemie- und andere energieintensive Betriebe, die bereits in Deutschland produzieren. Aber Habeck will ihn offenbar auch auf Intels Produktion anwenden.
Der Standort Magdeburg-Eulenberg bietet dafür gute Möglichkeiten, liegt er doch in unmittelbarer Nähe der Südostlink-Gleichstromleitung, die Windstrom vom Norden in Richtung Bayern transportieren soll. Die Intel-Fördergelder könnten also über Ökostrombezug aus eigenen, zusätzlichen Anlagen gerechtfertigt werden. Starker Rückenwind also aus dem BMWK für das Vorhaben.
Ob der Wind dem Projekt noch einmal stark ins Gesicht bläst, darüber entscheiden am Ende aber das europäische Beihilferecht und seine Hüter in Brüssel. Intel hatte intensiv auf einen günstigen Beihilferahmen hingewirkt. “Die Bundesregierung beabsichtigt, die Ansiedlung von Intel in Magdeburg im Rahmen des European Chips Act zu fördern“, bestätigt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. “Voraussetzung dafür ist eine beihilferechtliche Genehmigung durch die Europäische Kommission. Diese legt Art und Höhe der Förderung abschließend fest.” Doch der Chips Act ist, trotz Einigung im Trilog, immer noch nicht beschlossen und verkündet. Das Europaparlament will ihn nun im Juli verabschieden.
Die hohe Förderung für Intel in Deutschland hat in der EU-Kommission erhebliche Diskussionen ausgelöst. Doch ohne Subventionen käme keine Chipfabrik. Denn der Wettbewerb um die Hersteller und ihre Investitionen ist international. Ob Korea, Japan, USA, China oder Taiwan: Alle haben erkannt, dass die Halbleiter relevant sind.
Wie entscheidend das Ökosystem insgesamt eingeschätzt wird, zeigt eine kleine Meldung aus Japan: Für 6,3 Milliarden US-Dollar steigt der teilweise staatliche, teils von den größten japanischen Konzernen getragene Investitionsfonds JIC beim Spezialmaterialien-Hersteller JSR ein. Ziel der Operation: die Unabhängigkeit der japanischen Industrie möglichst sicherzustellen und die eigene Halbleiterindustrie zu stärken. Der Wettlauf um resiliente Chiplieferketten, er findet auch zwischen den Akteuren im westlichen Block statt.
Wie hart umstritten der Data Act war, zeigt sich auch in den Reaktionen auf den Kompromiss, auf den sich Parlament und Rat im Trilog geeinigt haben. Vor allem fürchten die Unternehmen, dass ihre Geschäftsgeheimnisse in Gefahr sind, wenn sie von Maschinen generierte Daten teilen müssen.
Mit dem Data Act will die Kommission die Datenwirtschaft in der EU ankurbeln. Er soll Industriedaten freischalten, ihre Zugänglichkeit und Nutzung optimieren und einen wettbewerbsfähigen und zuverlässigen europäischen Cloud-Markt fördern.
Die Maschinen- und Anlagenbauer sehen das anders. Die Ergebnisse des Trilogs seien keine gute Nachricht, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hartmut Rauen. Der Data Act stelle einen massiven Eingriff in die bislang gut funktionierende Vertragsfreiheit im Datenaustausch zwischen Unternehmen dar. Das schaffe Verunsicherung, weil die Auswirkungen auf datenbasierte Geschäftsmodelle noch unklar seien, kritisierte Rauen und sprach von einem digitalpolitischen Experiment mit unklarem Ausgang.
Der Data Act verfehle sein Ziel, Rechtssicherheit und ein positives Innovationsumfeld in der EU zu schaffen, kommentierte auch der BDI. “Die zahlreichen gesetzlichen Eingriffe des EU-Data Act behindern die Industrie im Umgang mit Daten.”
Der Bitkom sieht ebenfalls die Gefahr, dass Geschäftsgeheimnisse in die falschen Hände gelangen könnten. Die Regelungen, unter denen Unternehmen ihren Cloudanbieter wechseln können, sieht der Digitalverband dagegen positiv. Bitkom unterstütze das Ziel, das Cloud-Switching zu erleichtern, sagte der neue Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Die Cloud-Anbieter müssten dabei nichts technisch Unmögliches leisten.
Der Data Act breche die Datenmonopole der Hersteller und gebe auch Nutzerinnen und Nutzern Kontrolle über ihre Daten, hob Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD, hervor. Bedauerlich sei dagegen, dass sich die Unternehmenslobby auf den letzten Metern noch mit Ausnahmen durchgesetzt habe, wenn Geschäftsgeheimnisse beeinträchtigt sein könnten. “Das ist ein möglicherweise gefährliches Schlupfloch, mit dem dominante Unternehmen ihren Pflichten zum Datenteilen entgehen könnten”, sagte Wölken.
“Der Data Act war eine Lobbyschlacht”, bilanzierte der Volt-Abgeordnete Damian Boeselager, der als Schattenberichterstatter der Grünen/EFA an den Beratungen beteiligt war. Die Positionen hätten auch innerhalb der Wirtschaft weit auseinander gelegen, etwa zwischen Fluggesellschaften und Flugzeugbauern. Am Ende hätten sich die Hersteller, obwohl zahlenmäßig unterlegen, mit empfindlichen Einschränkungen des Datenzugangsrechts der Nutzer durchgesetzt. Dies wertet Boeselager als Markteintrittsbarriere für innovativere Wettbewerber. “Langfristig schießen wir uns in Europa mit solchen wettbewerbshemmenden Regeln in den Fuß.”
Die politische Einigung muss noch formell vom Rat der Mitgliedstaaten und im Plenum des Europäischen Parlaments bestätigt werden, damit das Gesetz als verabschiedet gilt. Das könnte im November oder Dezember passieren. vis
Die EU-Kommission will bei ihrer außenpolitischen Strategie künftig die Themen Klimawandel und Sicherheit stärker miteinander verknüpfen. Dafür kündigte sie am Mittwoch einen rund 30 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan an. Denn die Folgen des Klimawandels wie etwa Verlust von Lebensgrundlagen durch Dürren oder Überschwemmungen, wachsende Migrationsbewegungen, Gesundheitsrisiken oder der zunehmende Wettbewerb um Ressourcen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit von Mensch und Natur.
Zu den geplanten Maßnahmen zählen:
Neben sicherheitspolitischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel will die Kommission auch die Operationalisierung des militärischen Betriebs überarbeiten. Die durch die Streitkräfte der EU-Staaten verursachten Emissionen unterliegen derzeit noch kaum strengen Reduzierungsanforderungen. Oftmals werden die Emissionen durch militärische Institutionen gar nicht erst erfasst.
Die EU-Kommission will das ändern und kündigt eine “Verbesserung der Klimaanpassungs- und -minderungsmaßnahmen der zivilen und militärischen Operationen und Infrastrukturen der Mitgliedstaaten” an, um Kosten und den CO₂-Fußabdruck zu senken. Die Funktionsfähigkeit des Militärs soll aber erhalten bleiben.
Die hauseigene Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) hatte Anfang Juni Empfehlungen veröffentlicht, um die Auswirkungen des Klimawandels auf verteidigungsrelevante kritische Energieinfrastrukturen zu minimieren. Sie forderte auch neue Leitlinien für die Bewertung von Klimarisiken im Verteidigungsbereich, Einbeziehung von Klimaerwägungen in die militärische Planung sowie Modernisierung der militärischen Infrastruktur. Das griff die Kommission nun auf. Sie will sich auch dafür einsetzen, Aktivitäten wie in der NATO in Einklang mit der europäischen Klima- und Umweltpolitik zu bringen.
Zu den Maßnahmen gehört auch die kritische Bewertung neuer Technologien und Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels und deren sicherheitspolitische Auswirkungen. Insbesondere die künstliche Veränderung der Sonneneinstrahlung durch Geo-Engineering spielt dabei eine Rolle. Dabei kann etwa Sonnenlicht mit gigantischen Spiegeln zurück in die Atmosphäre gelenkt werden oder die Erderwärmung in der Stratosphäre durch Injektionen von Aerosolen verringert werden.
Zwar erkennen Forscherinnen und Forscher des UN-Umweltprogramms (UNEP) solche Methoden an als die “einzige Option, die den Planeten innerhalb weniger Jahre abkühlen könnte”. Doch sie weisen auch auf Gefahren der Technik hin. Darunter: Mögliche Zerstörung der Ozonschicht, lokale Überkompensation des Klimawandels und Risiken für Menschen und Ökosysteme.
Die Kommission will diese Methoden und ihre Risiken frühzeitig bewerten, regulieren und die Ergebnisse in internationale Klimadebatten einbringen. Dafür müssten die Aspekte besser erforscht werden, heißt es von der Brüsseler Behörde. Derzeit fehlten Regeln, Verfahren und Institutionen dafür.
Kommissionsvize und Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans stellte zudem klar, Geo-Engineering dürfe nicht davon ablenken, dass Emissionen reduziert werden müssen. Die einzige Möglichkeit, die globale Erwärmung aufzuhalten und die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern, bestehe darin, die Emissionen auf null zu bringen, so die Kommission. luk
Die schwedische Ratspräsidentschaft hat einen finalen Kompromissvorschlag für das Verhandlungsmandat zum Critical Raw Materials Act erarbeitet, der am morgigen Freitag von den Botschaftern der EU-Mitgliedstaaten (Coreper I) geprüft wird. Möglicherweise einigen sie sich dann bereits auf ein Mandat. Im Vorschlag, den das Nachrichtenportal “Contexte” zuerst veröffentlichte, sind unter anderem die folgenden Änderungen am Gesetzentwurf der Kommission vorgesehen:
Der Industrieausschuss im EU-Parlament wird das nächste Mal am 18. Juli über die Änderungsanträge für den Gesetzentwurf beraten. Die Abstimmung im Ausschuss ist zurzeit für den 7. September geplant; im Oktober stimmt dann das Plenum ab. leo
Der Industrieausschuss des Parlaments hat am Mittwoch dem jüngsten Kompromiss der EU-Staaten zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) zugestimmt. Die Abstimmung im Plenum soll im September folgen.
Im März hatte es zur RED III bereits eine Einigung im Trilog gegeben, die allerdings später von der französischen Regierung wegen der Rolle der Atomenergie wieder infrage gestellt wurde. Der Kompromiss aus dem AStV vom 16. Juni ermöglicht es Frankreich, mehr Atomstrom für die Produktion von Wasserstoff zu nutzen. Von der Kommission hatte Paris die Zusage erhalten, dass einzelne Ammoniak-Werke bei der Berechnung des Unterziels für grünen Wasserstoff in der Industrie ausgenommen werden können, teilte damals Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, mit.
Eigentlich wird mit der RED III ein Ziel für die Nutzung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien nicht-biogenen Ursprungs in der Industrie eingeführt. Die französische Regierung hatte sich jedoch um eine breitere Anrechnung von Wasserstoff aus Kernenergie auf die Erneuerbaren-Ziele der Richtlinie bemüht.
Technisch wird die Regelung für Ammoniak-Werke durch den neuen Erwägungsgrund 22ab umgesetzt, dem der ITRE gestern zustimmte. “Die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie zeigt, dass eine pragmatische, innovative, unbürokratische und technologieoffene Gesetzgebung in Europa möglich ist”, kommentierte Berichterstatter Markus Pieper (CDU) das Ergebnis. ber
Die Bulgarin Iliana Ivanova soll neue EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Bildung werden. Das gab Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern bekannt. Die bisherige Kommissarin Mariya Gabriel hatte ihren Posten aufgegeben, um Teil der neuen Regierungskoalition in Bulgarien zu werden.
Ivanova ist seit 2013 Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Davor war sie von 2009 bis 2012 in der EVP-Fraktion Mitglied des Europäischen Parlaments und stellvertretende Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses.
Ivanovas Erfahrung sei von “entscheidender Bedeutung” bei der Umsetzung des Forschungsprogramms Horizon Europe, sagte von der Leyen. Es gehe darum, die Leistung der EU-Forschungsausgaben zu verbessern und eine bessere Wirkung vor Ort zu erzielen. sas
Es war ein Praktikum in Washington, im Auslandsbüro der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS), das Johanna Hans zu ihrem heutigen Arbeitgeber führte. “Mich hat bei den Auslandsstationen immer die Frage der europäischen Beziehungen zu diesen Ländern interessiert“, erzählt sie im Gespräch. Ab 2016 war sie Referentin für den Europäischen Dialog, seit einem Jahr ist die 33-Jährige Referatsleiterin Europa bei der FNS. Zwei Mitarbeiter arbeiten ihr zu.
“Das Spannende an meiner Arbeit ist, dass ich keinen klassischen Alltag habe.” Als Referatsleiterin koordiniert sie die Arbeit von elf europäischen Auslandsbüros. “Kurz gesagt machen wir politische Bildungsarbeit und wir vernetzten Menschen, vor allem aus der Zivilgesellschaft, mit politischen Entscheidungsträgern.” Unter anderem organisiert sie regelmäßige Runden mit etwa 20 Expertinnen und Experten, die unter Regeln der Vertraulichkeit der Chatham House Rules europäische Fragen diskutieren können.
Darüber hinaus macht sie die Arbeit der Auslandsbüros in Deutschland sichtbar. Aktuell plant sie eine Kinotour für eine Dokumentation über Migration, die das Büro in Madrid gedreht hat. Zuletzt war sie in Timișoara in Rumänien, der aktuellen europäischen Kulturhauptstadt. Dort tagte sie mit den Vertretern der ost- und südosteuropäischen Landesbüros. Hans betreut außerdem die Akademie Alliance of Her, die die FNS gemeinsam mit der ALDE-Partei und dem Think-Tank European Liberal Forum für liberale Frauen in der Politik anbietet.
Zur FDP hat die politische Stiftung ein Distanzgebot. Hans sieht die FNS als “Labor für die Partei”. Handlungsempfehlungen zur Sicherheitspolitik haben es aber sogar einmal in ein Wahlprogramm der österreichischen Liberalen geschafft, berichtet Hans.
Vergangenes und dieses Jahr hat sich die gesamte FNS das Motto “ReshapeEurope” gegeben. Alle Büros in über 60 Ländern und in Deutschland arbeiten zu wichtigen europäischen Fragen. “Uns treibt die Frage um, wie die EU zu einem echten Global Player werden kann, der in der geopolitischen Gemengelage etwas bewirken kann.”
Bisher sei die EU noch zu schwach. “2012 hat die EU den Friedensnobelpreis gewonnen. Damit geht Verantwortung einher und deswegen muss die EU handlungsfähiger werden.” Dafür müsse sie zuerst im Inneren aufräumen. “Die EU muss ihre Werte bestimmter durchsetzen, und zwar gegenüber allen Mitgliedstaaten“, sagt Hans. Aber auch nach außen müsse die Union präsenter und handlungsfähiger werden. Dafür müsse unter anderem das Einstimmigkeitsprinzip bei außenpolitischen Fragen fallen. Eine Forderung, die nicht nur Liberale seit Jahren stellen.
Hans hat Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert, den Master in Internationalen Beziehungen und Internationalem Recht absolvierte sie an der University of Kent, Großbritannien. Dazwischen gab es Stationen in Kalifornien und Costa Rica und ein Praktikum bei einem CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament.
Aufgewachsen ist sie in Recklinghausen im Ruhrpott. Ihr Vater hatte einen großen Einfluss auf ihre Politisierung. “Er hat mir schon früh die Zeitung in die Hand gedrückt und mit mir diskutiert”, sagt Hans. “Meistens waren wir anderer Meinung, aber der Austausch hat mir immer Spaß gemacht.” Nun hat sie das quasi zum Beruf gemacht.Tom Schmidtgen