Table.Briefing: Europe

Geld für CRMA + China und CAI + Strompreisbremse

Liebe Leserin, lieber Leser,

wirklich warmgeworden miteinander sind Olaf Scholz und Emmanuel Macron bislang nicht. Hier der nüchterne Kanzler, dort der bisweilen zum Theatralischen neigende Präsident. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Am Dienstagabend lädt Scholz seinen Gast zum Abendessen zu sich nach Potsdam ein.

Der Gesprächsstoff sollte ihnen beim Dinner in einem Restaurant jedenfalls nicht ausgehen. Um die Ukraine wird es dem Vernehmen nach gehen – die Europäer brauchen eine Strategie für den weiteren Verlauf des Krieges. Sollen auf die erwartete Offensive der ukrainischen Streitkräfte weitere Waffenlieferungen und/oder Friedensverhandlungen folgen?

Auch das Thema EU-Erweiterung dürfte die beiden beschäftigen und damit wiederum die Fragen des institutionellen Gefüges der EU. Scholz und Macron sind sich weitgehend einig: Ohne Reformen, qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in weiteren Politikfeldern etwa, kann die Gemeinschaft kaum weitere Mitglieder aufnehmen. Allerdings stößt die Idee auf große Skepsis in anderen Mitgliedstaaten. Die Reformdebatte hat daher noch gar nicht richtig begonnen, jedenfalls nicht auf Ebene der Chefs.

Hitziger dürfte die Dinner-Diskussion bei den Finanzthemen werden: der anstehenden Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens und besonders bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Berlin und Paris bilden derzeit bei den Defizitregeln die Pole im Meinungsspektrum der 27. Aber womöglich hilft ein Glas Rotwein ja dabei, die Sichtweise des anderen besser zu verstehen.

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Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag!

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Strategische Rohstoffprojekte: Fragezeichen bei der Finanzierung

Der Critical Raw Materials Act (CRMA) soll Teil der europäischen Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) sein. Doch während die USA mit dem IRA ein massives, mit Hunderten von Milliarden dotiertes Subventionspaket aufgesetzt haben, ranken sich weiterhin Fragezeichen um die Finanzierung der strategischen EU-Rohstoffprojekte. Im Gesetzesentwurf nennt die EU-Kommission private Finanzierungsquellen, Mittel der Europäischen Investitionsbank, Instrumente der Mitgliedstaaten sowie Förder- und Finanzierungsprogramme der EU. Doch kann sie damit den Abstand zu Ländern wie USA, Japan, Kanada oder Australien aufholen, die schon lange massiv investieren?

Nicht nur die Industrie sieht darin ein Problem. Inga Carry, Forscherin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erklärt: “In den USA und in Kanada werden ganz andere Fakten geschaffen, da werden klare Rahmen und Finanzierungsbedingungen gesetzt – das ist ein enormer Anreiz für die Firmen.” Der Bergbau sei extrem kapitalintensiv, risikoreich und vor allem sehr langfristig. “Es handelt sich um Infrastrukturprojekte von dreißig Jahren oder mehr”, sagt Carry. “Deshalb müssen sowohl die Sicherheiten garantiert werden, dass sich ein Projekt auch langfristig lohnt, als auch Anreize geschaffen werden, sei es in Form von Anschubfinanzierungen oder Steuervorteilen.” In Europa herrschten ohnehin sehr viel ungünstigere Bedingungen, alleine wegen der fehlenden Infrastruktur und der hohen Energiepreise.

Möglichkeiten der EU nicht mit USA vergleichbar

Es sei klar, dass der Inflation Reduction Act einen sehr schnellen Einfluss auf die Welt der Investitionen hat, sagt ein EU-Beamter. Das liege daran, dass die US-Regierung mit den Steuervergünstigungen Instrumente nutzen konnte, die extrem einfach zu handhaben seien. “Wäre dies eine perfekte Welt, würde ich mir wahrscheinlich wünschen, dass wir einen ähnlichen Ansatz verfolgen”, erklärt er. “Aber das können wir nicht. Wir arbeiten in gewisser Weise anders.” Der US-amerikanische Ansatz sei das Ergebnis der Unfähigkeit, zu regulieren, “weil sie ähnliche Maßnahmen einfach nicht durch den Kongress bringen konnten“.

Die EU-Kommission fahre in ihrer Antwort zweigleisig: Die Mitteilung vom 1. Februar, der Industrieplan zum Green Deal für das klimaneutrale Zeitalter, habe zunächst eine Reihe von Signalen an die Mitgliedstaaten gesendet, um Maßnahmen zu ergreifen, die auf EU-Ebene nicht möglich seien. Die Ergebnisse: Frankreich richtet einen Investitionsfonds für kritische Metalle ein, der mit zwei Milliarden Euro dotiert ist. Auch in Deutschland gibt es einen solchen Plan.

Als zweites Gleis nennt der Beamte bestehende europäische Fonds und den geplanten Souveränitätsfonds, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im vergangenen Herbst angekündigt hatte. Über dessen Gestalt und Funktion diskutiert die Kommission zurzeit noch. Am 20. Juni will sie ihn dann gemeinsam mit der Revision des Mittelfristigen Finanzrahmens (MFR) vorstellen. Bekannt ist bislang, dass die Gelder vor allem durch Umschichtungen aufgebracht werden sollen – und der Fonds wohl deutlich kleiner ausfallen wird, als zuvor gedacht.

EIB sieht Hindernisse für Investitionen

Ein weiteres Programm, auf das sich die Kommission beruft, ist die Global-Gateway-Strategie, mit der die EU bis 2027 Investitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in weltweite Infrastrukturprojekte mobilisieren will. Darunter könnten dann auch strategische Rohstoffprojekte in Drittländern fallen. Für diese will die EU über Global Gateway Investitionsanreize schaffen und den Zugang für Abnehmer aus der Industrie sichern. Bislang ist allerdings nur sehr wenig über die Initiative bekannt.

Immer wieder fällt auch der Name der Europäischen Investitionsbank (EIB). Diese hat laut eigener Angaben in den letzten sieben Jahren Darlehen im Gesamtbetrag von rund drei Milliarden Euro unterzeichnet, davon rund 1,3 Milliarden Euro für Batteriematerialien. Eine ähnliche Anzahl von Projekten in diesem Bereich sei in Vorbereitung. So finanzierte die EIB etwa mit einem Darlehen über 125 Millionen Euro den Bau des Umicore-Werks zur Produktion von Kathodenmaterial im polnischen Nysa.

In der Vorbereitung des CRMA gab es in den vergangenen Jahren regelmäßige Treffen zwischen der EIB und der Kommission. Der Schwerpunkt dieser Gespräche lag laut EIB auf den Hindernissen für Investitionen und den Zugang zu Finanzmitteln, die CRM-Projekterfahrung sowie die wichtigsten Prioritätsbereiche. Darüber hinaus sind keine konkreten Pläne bekannt.

“Nötiges Investitionsklima fehlt in Europa noch”

“Eine entscheidende Herausforderung ist die Zeit, die Projekte benötigen, um ,bankfähig’ zu werden“, erklärt Laura Piovesan, EIB-Generaldirektorin für Innovation, Umwelt und natürliche Ressourcen, Table.Media. “Damit mehr Investitionen in Rohstoffprojekte ausreichend ausgereift sind, um von Banken finanziert zu werden, ist es wichtig, die regulatorischen Hindernisse anzugehen.” Dazu gehörten langwierige Genehmigungsverfahren sowie regulatorische Standards für die Kreislaufwirtschaft, zwei Aspekte, die im CRMA adressiert werden. Darüber hinaus seien auch die Preisvolatilität, die soziale Akzeptanz von Bergbauprojekten, ESG-Aspekte und die bisher fehlende Definition von kritischen Rohstoffen in der Taxonomie ausschlaggebend.

Auch Schattenberichterstatterin Hildegard Bentele (EVP) hatte diese Hindernisse während der letzten Sitzung des federführenden Industrieausschusses aufgezählt und weitere Gespräche zu der Frage angekündigt. Im Parlament endete vergangene Woche die Frist für Änderungsanträge für den Berichtsentwurf von Berichterstatterin Nicola Beer (Renew).

In den USA sei seit der Ankündigung des Inflation Reduction Acts die Produktionskapazität für Lithium-Ionen-Batteriezellen bereits um 61 Prozent gewachsen. “Man kann also schon sehen, dass schnelle Veränderung möglich ist, wenn eben das entsprechende Investitionsklima geschaffen wird”, sagt Inga Carry. Ob das Ergebnis sich am Ende mit den Zielen des IRAs decke, sei noch mal eine andere Frage. “Aber es ist ein Gefühl aufgekommen: Jetzt kann sich was verändern und jetzt kann richtig was in Gang gebracht werden. Dieses Gefühl habe ich auf europäischer Ebene bislang nicht.”

  • Critical Raw Materials Act
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Forscher Wang: “Europa sollte China Anreize geben”

Herr Wang, wir befinden uns im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs – und China ist mit dem Vorschlag nach Friedensgesprächen vorgetreten. Gleichzeitig unterhält die Führung in Peking allerdings eine “grenzenlose” Freundschaft mit Russland. Wie ernst ist Chinas Initiative gemeint?

Ich glaube, China meint es ziemlich ernst. Es hat sein politisches Gewicht in die Waagschale geworfen und einen Sondergesandten in die Ukraine und fünf weitere Ziele entsandt. Und was das “grenzenlose” Verhältnis zu Russland angeht: Der chinesische Gesandte in Brüssel hat klargestellt, dass es sich dabei lediglich um Rhetorik handele. Ich denke, Peking ist nicht glücklich darüber, was in der Ukraine vor sich geht. 

Aber ist China bereit, seinen Einfluss auf Putin auch zu nutzen? 

Ich verstehe, dass viele im Westen darauf bestehen, China hätte einen enormen Einfluss und könne Moskau unter Druck setzen. Aber die Realität ist viel komplizierter. Die Chinesen haben nicht das Gefühl, dass sie Moskau zu stark in eine Richtung drängen können. 

Andererseits wäre Putin ohne die Unterstützung Chinas in großen Schwierigkeiten. 

Lassen Sie es mich so formulieren: Wann immer ein Chinese auf der Weltkarte auf China schaut, sieht er oder sie ein übermächtiges Russland, ein riesiges Land direkt oberhalb von China. Russland hatte im gesamten 20. Jahrhundert einen enormen Einfluss auf China. Nach vielen Problemen sind die beiden Länder erst in den vergangenen rund zehn Jahren zu engen geopolitischen Partnern geworden – insbesondere im Hinblick auf das, was sie als Eindämmung und Einkreisung durch die USA empfinden. Russlands Wirtschaftsleistung mag inzwischen vielleicht nur noch in etwa so stark sein wie die der Provinz Guangdong, aber in den Augen Chinas handelt es sich immer noch um eine Supermacht mit einem großen Nukleararsenal und hoch entwickelter Technologie. Und vergessen Sie nicht: Die Grenze zwischen China und Russland ist tausende Kilometer lang, die bei guten Beziehungen nicht sonderlich stark bewacht werden muss. 

Russland-Sanktionen: Warum ausbaden, was andere verursacht haben?

Aber um ernsthaft für Friedensgespräche zu werben… 

Was die Initiative für eine politische Lösung betrifft: China hat sich in der Vergangenheit nicht in Krisen eingemischt, schon gar nicht dort, wo China nicht beteiligt ist – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die sich gerne wie der Weltpolizist verhalten. Chinas Außenpolitik basiert seit den 1950er-Jahren auf Nichteinmischung. Daher muss es nun einen eigenen Ansatz entwickeln. 

Durchaus, aber um ein ehrlicher Makler zu sein, bedarf es zumindest ein wenig Distanz zu Russland. 

Derartige Forderungen des Westens bedeuten für China, große Opfer bezüglich seiner eigenen Interessen zu bringen, am Ende gar Russland zu verärgern. Wenn China diesen Forderungen nachkommen und Russland sanktionieren würde, würde das bedeuten, dass China hohe Kosten für etwas tragen müsste, das es nicht verursacht hat. 

Warum ist China so zurückhaltend? 

Nicht nur China. Schauen Sie sich die Abstimmungen bei den Vereinten Nationen an: Mehr als 140 Länder haben Russlands Invasion in der Ukraine verurteilt. Aber wenn man sich ansieht, wer Sanktionen gegen Russland verhängt hat, bleiben im Grunde lediglich etwas mehr als 40 Länder – und 27 davon sind EU-Mitgliedstaaten. Kein Land des Globalen Südens hat sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen, so auch nicht China, Indien und Brasilien. Die überwältigende Mehrheit der Welt, insbesondere die ärmeren Länder, fühlt sich nicht verpflichtet, die Kosten für etwas zu tragen, von dem sie glaubt, dass sie es nicht begonnen haben. 

“Diese Geschichte wird in anderen Teilen der Welt nicht geteilt”

Wie wichtig ist dieser Krieg überhaupt für Länder in Asien und dem Rest der Welt? 

Ich verstehe absolut, dass er für die EU sehr wichtig ist, speziell für die osteuropäischen Länder, die an die Ukraine angrenzen, da sie nach dem ukrainischen Volk die zweitgrößten Opfer sind. Ich habe 29 Monate in Europa gelebt und bewundere das europäische Projekt, es ist ein Friedensprojekt. Aber für weit entfernte Länder ist der Konflikt etwas, was die Leute im Fernsehen und in den sozialen Medien sehen. Hinzu kommt, dass die Europäische Union durch ihre Geschichte und den Kalten Krieg seit vielen Jahren daran gewöhnt ist, sich vor russischen Truppen zu schützen. Aber diese Geschichte wird in anderen Teilen der Welt nicht geteilt. Und zu guter Letzt, was vielleicht noch wichtiger ist: Die Länder des globalen Südens teilen eine gemeinsame Geschichte des Kolonialismus. Sie teilen das Gefühl, dass die entwickelten Länder sich nicht so verhalten haben, wie sie sollten. All das mündet in einem Gefühl der Distanz zu diesem Konflikt. 

Krieg ist überall auf der Welt schlecht, für alle. Deshalb sollte er schnell enden.  

Ja. Aber die USA und Europa üben nur Druck auf China aus. Es ist ihnen bislang nicht gelungen, auch Anreize zu schaffen, um China auf ihre Seite zu ziehen. Gerade für Europa wäre es pragmatischer, Anreize zu setzen. 

Inwiefern Europa? 

Weil zwischen China und den USA ein sehr harter Wettbewerb tobt, der noch eine ganze Weile anhalten wird. Zudem will Peking ganz offensichtlich, dass Europa sich von seinem transatlantischen Partner distanziert und es näher an China heranrückt. Europa verfügt also über einen gewissen Einfluss gegenüber einem darauf erpichten China. 

Was könnte oder sollte Europa anbieten? 

Chinas Botschafter in Brüssel hat bereits mehrmals gesagt, dass China das umfassende Investitionsabkommen CAI wieder auf den Tisch bringen möchte und offen für Vorschläge sei. Ich denke, Europa ist tatsächlich in der Lage, Anreize für China zu schaffen, anstatt China nur unter Druck zu setzen. 

CAI könnte den Unterschied machen? 

Wenn Europa diese Idee in Betracht ziehen würde, gäbe es meiner Meinung nach viele Optionen. 

Was meinen Sie? 

Zum Beispiel die Rücknahme der von den USA initiierten Beschränkungen für Huawei und ZTE. Oder den Verzicht darauf, sich den USA bei Exportkontrollen im Bereich Technologie anzuschließen. Das würde starke strategische Signale der Autonomie aussenden. Das wiederum könnte gut zusammenpassen mit einem China, das sich für die Verwirklichung europäischer und ukrainischer Ziele einsetzt, etwa den Austausch von Kriegsgefangenen, die Einrichtung humanitärer Korridore für Zivilisten, die Rückführung ukrainischer Kinder und letztendlich für einen Waffenstillstand und Frieden. 

Wang Zichen ist stellvertretender Direktor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for China and Globalization (CCG), einem führenden nichtstaatlichen Thinktank in China.

  • China

Termine

07.06.-08.06.2023, Stockholm (Schweden)
ECFR, Conference Annual Council Meeting 2023
The European Council on Foreign Relations (ECFR) offers an opportunity to discuss how Europeans have met the challenge of a war on its soil and a strategic outlook on how Europe should handle the polycrisis of dire economic straits. INFOS

07.06.2023 – 09:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
ENISA, Conference AI Cybersecurity Conference
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) discusses key aspects of cybersecurity in AI systems, as well as challenges associated with implementation and supervision of secure and trustworthy AI. INFOS & REGISTRATION

07.06.2023 – 10:00-17:00 Uhr, Wiesbaden
Hessen 6. Cyber-Sicherheitsgipfel 2023
Das Land Hessen lädt zur Diskussion über aktuelle Entwicklungen und Trends rund um das Thema Cybersicherheit. INFOS & ANMELDUNG

07.06.2023 – 17:30-20:20 Uhr, Brüssel (Belgien)
FZE, Konferenz Welche Impulse gibt die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie?
Das Forum für Zukunftsenergien (FZE) beschäftigt sich mit der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie. INFOS

07.06.2023 – 18:00-20:00 Uhr, Bonn
FNF, Vortrag Der Weltraum als Wirtschafts- und Innovationstreiber
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) analysiert und diskutiert wesentliche Kernfelder des Zukunftsthemas Weltraum als Wirtschafts-, Lebens- und Wettbewerbsraum im 21. Jahrhundert. INFOS & ANMELDUNG

07.06.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
AI, Workshop U.S.-German Forum Future Agriculture
Das Aspen Institute (AI) erarbeitet gemeinsame Handlungsempfehlungen zum Thema Klima und Landwirtschaft. INFOS

07.06.2023 – 19:00-20:15 Uhr, online
FNF, Diskussion Kapert ChatGPT die Demokratie?
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert, was die Entwicklungen rund um ChatGPT für Gesellschaft und Politik bedeutet. INFOS & ANMELDUNG

08.06.2023 – 09:00-20:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
NN, Conference Enabling transformation through and for Nature-based Solutions (NbS)
Network Nature (NN) discusses which transformations are needed in policy, the economic and financing sector, and in science and practice to mainstream NbS. INFOS & REGISTRATION

08.06.2023 – 11:00-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
FES, Roundtable FES Youth Studies: Understanding Political Disillusionment among young people in CEE & the Baltics
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) presents the results of the FES youth studies on how young people in Central and Eastern Europe think about politics and society. INFOS & REGISTRATION

08.06.2023 – 17:00 Uhr, Potsdam
KAS, Podiumsdiskussion Eine neue sicherheitspolitische Strategie der Bundesregierung?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) stellt die neue sicherheitspolitische Strategie der Bundesregierung angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zur Diskussion. INFOS & ANMELDUNG

News

Kommission erklärt Strompreisbremse für gescheitert

Die EU-Kommission hat die 2022 beschlossene Abschöpfung von Zufallsgewinnen im Strommarkt für gescheitert erklärt und spricht sich gegen eine Verlängerung sämtlicher Notfallmaßnahmen im Elektrizitätssektor aus. “Unterschiedliche Umsetzungsstrategien in den Mitgliedstaaten haben Berichten zufolge zu einer erheblichen Verunsicherung der Investoren geführt”, schreibt die Kommission in einer am Montag erschienenen Evaluierung über die vorgesehene EU-weite Erlösobergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde.

Das Cap für inframarginale Erzeugungsanlagen habe sich auch nachteilig auf langfristige Lieferverträge für erneuerbare Energien ausgewirkt, die die Kommission mit der derzeit laufenden Strommarktreform eigentlich fördern will, um die Preise dauerhaft einzudämmen: “Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Obergrenze in einigen Mitgliedstaaten Berichten zufolge den Abschluss von PPA und anderen langfristigen Verträgen beeinträchtigt hat. […] in Anbetracht der gegenwärtigen und vorhersehbaren Marktbedingungen ist die Kommission der Ansicht, dass die Vorteile der derzeitigen inframarginalen Erlösobergrenze die Auswirkungen auf die Sicherheit der Anleger und die Risiken für das Funktionieren des Marktes und die Energiewende nicht aufwiegen würden.”

Berichterstatter im Parlament will dauerhafte Erlösobergrenze

Auch Deutschland ist dem Modell einer einheitlichen Preisobergrenze von 180 Euro nicht gefolgt. Je nach Technologie greift die Erlösabschöpfung schon bei niedrigeren Preisen. Für PPA gelten aber Sonderregeln, die laut Bundeswirtschaftsministerium ein Austrocknen des Marktes verhindern sollen.

Indem die Kommission die nachteiligen Effekte der Erlösobergrenze betont, stellt sie sich auch gegen Bestrebungen aus dem EU-Parlament, den Mechanismus mit der Strommarktreform dauerhaft zu verankern. Der zuständige Berichterstatter Nicolás González Casares (S&D) sieht in seinem Bericht ebenfalls eine Grenze von 180 Euro/MWh für erneute Energiekrisen vor. ber

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NZIA: Wölken will Kernenergie und Biogas ausschließen

Der Berichterstatter des Umweltausschusses, Tiemo Wölken, will die Kernenergie sowie Biogastechnologien von der Förderung des geplanten Net-Zero Industry Act (NZIA) ausschließen. Der SPD-Europaabgeordnete stellte seine Änderungsanträge zum Entwurf der EU-Kommission gestern im Ausschuss vor. Der ENVI hat als mitberatender Ausschuss nur begrenzte Kompetenzen in dem Gesetzgebungsverfahren, federführend ist der Ausschuss für Industrie und Energie (ITRE).

Wölken widerspricht damit ITRE-Berichterstatter Christian Ehler (CDU). Dieser hatte sich dafür ausgesprochen, den Kreis der berechtigen Technologien auszuweitern. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, acht Sektoren (darunter Wind, Solar und Wärmepumpen) als “strategische Netto-Null-Technologien” zu fördern. Bestimmte Kernenergie-Bereiche sollten eingeschränkt von den Vorzügen wie schnelleren Planungsverfahren profitieren. Dies lehnt Wölken ab, ebenso wie die Förderung von Biogas- und Biomethan-Technologien. Stattdessen spricht er sich dafür aus, nachhaltige Kraftstoffe für Schiffe und Flugzeuge in den Anwendungsbereich aufzunehmen.

Projekte zur CO₂-Speicherung sollten nur dann begünstigt werden, wenn sie Restemissionen in energieintensiven Sektoren mit unvermeidbarer CO₂-Erzeugung reduzieren. Projekte von Öl- und Gasproduzenten will Wölken hingegen ausschließen.

Wölken unterstützt das Konzept Ehlers, für die Begünstigung von Industrie-Clustern in den grünen Technologien sogenannte “Net-Zero Industry Valleys” auszuweisen, die Investoren etwa mit zusätzlicher Planungsbeschleunigung und Finanzierungsangeboten anlocken sollen. Auch in diesen Regionen sollten aber strenge Umwelt- und Sozialstandards gewahrt bleiben. In speziellen Schutzgebieten wie Natura-2000-Gebieten sollten keine Projekte zugelassen werden. tho

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Unternehmen sollen von KI generierte Inhalte kennzeichnen

EU-Vizepräsidentin Věra Jourová sieht die Verteidigung der Meinungsfreiheit als Aufgabe der EU an. “Aber wenn es um die Produktion von KI geht, sehe ich kein Recht auf Meinungsfreiheit für die Maschinen“, sagte Jourová am Montag bei der Vorstellung eines verschärften EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation. Die Unterzeichner “sollten Technologien einführen, um KI-Inhalte zu erkennen und sie für die Nutzer klar zu kennzeichnen”, forderte Jourová.

Die EU hatte den Verhaltenskodex gegen Desinformation 2022 vorgestellt. Damals unterzeichneten 44 Unternehmen das Papier. Dazu zählen unter anderem Google, Facebook, Youtube oder Tiktok. Inzwischen sind zwölf weitere Unterzeichner dazugekommen. Twitter hatte das Abkommen jedoch im vergangenen Monat verlassen.

Der Kodex ist zwar freiwillig, er soll jedoch im Rahmen des DSA anerkannt werden. Der DSA verpflichtet sehr große Online-Plattformen wie etwa Twitter, systemische Risiken, einschließlich Desinformation, zu bewerten und zu mindern. Sehr große Plattformen, die wiederholt gegen den DSA verstoßen, riskieren Geldbußen von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes.

Ziel: Desinformation vor den Europawahlen 2024 eindämmen

Die Kommission verschärft nun den Kodex und erwartet stärkere Anstrengungen von den Unternehmen – auch im Hinblick auf die anstehenden Europawahlen 2024:

  • Kampf gegen russische Desinformation, u.a. im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine
  • mehr Faktenchecks und bessere Finanzierung von unabhängigen Teams von Faktencheckern (vor allem in kleineren und mittleren EU-Mitgliedstaaten)
  • besserer Zugang zu Hintergrunddaten für Forscher
  • Schutzmechanismen gegen böswillige Nutzung von KI zur Verbreitung von Desinformation
  • klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten

Die Kommission fordert die Online-Plattformen auf, mit der Kennzeichnung unverzüglich zu beginnen. Maßnahmen zur Kennzeichnung von KI sollen die Unterzeichner schon im Juli in den nächsten Hintergrundberichten zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen darlegen. vis

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ARD-Deutschlandtrend: EU-Kritik wächst

Die Zustimmung der Deutschen zur EU nimmt ab. Nach dem aktuellen ARD-“Deutschlandtrend extra” vom Montag wünschen sich 38 Prozent der von infratest dimap Befragten, die europäischen Länder sollten wieder stärker allein handeln und Zuständigkeiten von der EU zurückholen (+16 im Vergleich zu Juli 2020). Nur noch ein Drittel (34 Prozent) wünscht sich im Gegenteil, dass die europäischen Länder ihre Zusammenarbeit in den kommenden Jahren vertiefen und weitere Zuständigkeiten an die EU abgeben (-20). Vor knapp drei Jahren sagte das noch eine absolute Mehrheit. Jeder Fünfte (20 Prozent) würde an der Zusammenarbeit der EU-Länder derzeit nichts Wesentliches ändern (+1).

Für die repräsentative Umfrage wurden 1.302 Wahlberechtigten im Vorfeld des WDR Europaforums von Dienstag bis Mittwoch letzter Woche befragt. Die unterschiedlichen Vergleichszeitpunkte in der Umfrage seien auf die Aktualität der Ereignisse zurückzuführen, hieß es von einem Sprecher des WDR.

Auch der Blick auf die deutsche EU-Mitgliedschaft wurde in den vergangenen Jahren kritischer. Aktuell finden 26 Prozent der Befragten, Deutschland habe von der Mitgliedschaft in der EU eher Vorteile – das sind 14 Prozentpunkte weniger als 2020. 27 Prozent sagen heute, Deutschland habe von der EU-Mitgliedschaft eher Nachteile (+12). Mit 41 Prozent sieht ein Großteil jedoch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Vor- und Nachteilen.

Mehrheit sieht noch immer Vorteile in Mitgliedschaft

Verschiedene mögliche Vorteile der EU-Mitgliedschaft haben in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger zuletzt an Bedeutung verloren. Allerdings werden sie immer noch mehrheitlich positiv gesehen. So sagen zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent), durch die EU leben wir in Europa sicherer; das sind 10 Prozentpunkte weniger als noch im Vorfeld der jüngsten Europawahl im Mai 2019. Eine knappe Mehrheit von 56 Prozent ist der Meinung, die Mitgliedschaft in der EU sorge dafür, dass es ihnen wirtschaftlich besser geht (-22 im Vergleich zu Mai 2019).

Rund jeder zweite Deutsche befürwortet zudem eine gemeinsame Armee der EU-Staaten. Ein Drittel lehnt diese Idee ab. Im Vorfeld der Europawahl im Mai 2019 waren es noch 62 Prozent, die die Idee einer gemeinsamen Armee der EU-Staaten unterstützten.

Die Zustimmung zu einem möglichen EU-Beitritt der Ukraine bleibt weiter auf hohem Niveau, wenn auch leicht abnehmend. Die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger sind der Meinung, die Ukraine sollte langfristig in die Europäische Union aufgenommen werden, wie aus der Umfrage hervorgeht. Im Februar waren es noch sechs Prozent mehr, die sich für einen Beitritt aussprachen. 37 Prozent der Deutschen sind gegen einen EU-Beitritt des Landes, das seit dem Sommer 2022 offizieller Beitrittskandidat ist. dpa/lei

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Getreideimporte aus der Ukraine: Einschränkungen verlängert

Die Europäische Union verlängert die Einschränkungen für Getreideimporte aus der Ukraine bis Mitte September. Die Kommission beschloss laut eigenen Angaben am Montag, die Handelsbeschränkungen bis zum 15. September aufrechtzuerhalten, wie die Brüsseler Behörde am Montagabend mitteilte. Die Maßnahmen wären sonst in der Nacht zu Dienstag ausgelaufen. Sie seien etwa wegen begrenzter Lagerkapazitäten vor der Erntesaison weiterhin erforderlich, hieß es zur Begründung.

Die EU-Handelsbeschränkungen betreffen konkret die fünf östlichen EU-Länder Bulgarien, Polen, Ungarn, Rumänien und die Slowakei. Dort dürfen Weizen, Mais, Rapssamen und Sonnenblumenkernen aus der Ukraine nicht mehr frei gehandelt werden. Die Kommission entschied aber auch, dass die konkrete Anzahl an Produkten, die Mais, Weizen, Rapssamen und Sonnenblumenkernen enthalten und unter die Beschränkungen fallen, reduziert wird. Der Transit der Waren in andere EU-Länder ist aber gestattet. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte sich deutlich gegen die Einschränkungen und für einen freien Handel mit der Ukraine ausgesprochen.

Auf die ukrainischen Getreidewaren werden aus Solidarität mit dem angegriffenen Land derzeit keine Zölle erhoben. Zudem wurden Handelswege aus der Ukraine in die EU ausgebaut. Die fünf Staaten hatten deutlich gestiegene Importe bemängelt, wodurch ihre eigenen Landwirte auch Probleme bekommen hätten, da die ukrainischen Produkte den Markt verzerrten. Anfang Mai hatte die EU-Kommission daraufhin die Handelsbeschränkungen beschlossen. Neben Deutschland haben sich auch andere EU-Länder gegen die Verlängerung der Einschränkungen ausgesprochen. dpa

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EU-Gericht kippt weitere Teile von Polens Justizreform

Das höchste EU-Gericht hat am Montag weitere Aspekte der umstrittenen polnischen Justizreform als nicht vereinbar mit den Grundwerten der Staatengemeinschaft gekippt. “Die polnische Justizreform vom Dezember 2019 verstößt gegen das EU-Recht”, teilte das Gericht in einer Erklärung mit. “Der Wert der Rechtsstaatlichkeit ist ein integraler Bestandteil der Identität der Europäischen Union.”

Nach Angaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg verstößt unter anderem die Regelung gegen EU-Recht, dass die Mitgliedschaft von Richterinnen und Richtern etwa in Verbänden, Organisationen oder Parteien öffentlich gemacht werden kann. Dabei handele es sich um einen widerrechtlichen Eingriff in die Privatsphäre. Die Richter listeten aber gleich mehrere Punkte der von der PiS umgesetzten Reform als schädlich für die Unabhängigkeit der Justiz auf.

Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta, ein Hardliner der Regierungspartei PiS, wies das Urteil umgehend als “Farce” zurück. Die Klage war von der Europäischen Kommission eingereicht worden und von Belgien, Finnland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden unterstützt worden. Da das Urteil rechtskräftig ist, muss Polen nun die vom EuGH als rechtswidrig eingestuften Elemente seines Justizsystems ändern. Sollte Warschau dies nicht tun, könnte der EuGH weitere Geldstrafen verhängen

Polen zahlt bereits eine Strafe von 500.000 Euro pro Tag, weil es ein im Jahr 2021 getroffenes EuGH-Urteil gegen die Überwachung polnischer Richter nicht vollständig umgesetzt hat. Die EU-Kommission blockiert zudem Warschaus Zugang zu 35,5 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln aus dem Corona-Wiederaufbaufonds und weitere Milliarden sogenannter Kohäsionsmittel, die ärmeren Mitgliedsländern eigentlich helfen sollen, ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen. rtr

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Presseschau

Bundesregierung bekräftigt: keine Vorprüfungen von Asylanträgen bei Familien mit Kindern an EU-Außengrenzen RND
Migration: Vorschlag der EU-Kommission – Wer keinen Flüchtling aufnimmt, der zahlt WELT
EuGH: Justizreform in Polen verstößt gegen Unionsrecht SUEDDEUTSCHE
Polens Justizminister: “Das wichtigste Gericht der EU ist korrupt” BERLINER-ZEITUNG
Russlands Opposition will von Europa Unterstützung im Kampf gegen Putin EURONEWS
Hotspot des Drogenhandels – Treffen am Hotspot Antwerpen: EU-Staaten sagen organisierter Kriminalität den Kampf an RND
Die Green Week der EU: Was macht die Umsetzung der Umweltziele? EURONEWS
Renaturierung: Größte EU-Naturschutzinitiative könnte scheitern SPEKTRUM
ARD-“Deutschlandtrend”: Zustimmung zu Ukraine-Beitritt in EU bröckelt BERLINER-ZEITUNG
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EU aktualisiert Vorschriften für Seeverkehrssicherheit DVZ
EU-Impfnachweis: Die WHO sieht die europäische Lösung als Grundlage für globales Zertifizierungsnetz TAGESSPIEGEL
Google and Facebook urged by EU to label AI-generated content THEGUARDIAN
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Kampf gegen Desinformation: EU sieht Twitter auf “Konfrontationskurs” EURONEWS
Green Deal: Timmermans schließt Klimaschutz-Pause aus EURACTIV

Heads

Johannes Pollak – Analysieren, wie Europa funktioniert

Prof. Dr. Johannes Pollak ist Rektor der Webster University Wien und Vorstandsvorsitzender des Instituts für europäische Politik e. V. Pollak ist begeistert davon, wie gut die EU in der Vergangenheit funktioniert hat. Dennoch wünscht er sich mehr Einigkeit beim Vorgehen gegen den russischen Aggressor. Foto: C.A.N Photography, Carl Anders Nilsson.

Der Arbeitsalltag von Johannes Pollak ist stressig: “Es hilft zu wissen, dass 99 Prozent meiner Arbeitsentscheidungen keine Entscheidungen über Leben und Tod sind”, sagt der 54-Jährige. Pollak ist Rektor an der privaten Webster University in Wien. Gleichzeitig ist er Vorstandsvorsitzender des Instituts für Europäische Politik in Berlin. Sein Terminkalender ist voll und sein Arbeitsalltag durchgetaktet. “Aber es gibt nichts, was mir keinen Spaß macht“, sagt er locker. “Komisch, gell?”

Der Tag des Vaters eines siebenjährigen Sohnes beginnt um 6.30 Uhr. “Ich stehe leise auf, sodass ich meinen Sohn nicht wecke.” Er lebt in Eisenstadt, nahe Wien mit viel Wald. Die Nähe zur Natur sei ihm wichtig, um zur Ruhe zu kommen.

Faszination: Gemeinsame Entscheidungen trotz Differenzen

Im Wiener Büro angekommen, spricht er mit Mitarbeitenden und mit Externen, die etwas von dem Institut wollen oder von denen das Institut etwas will. “Der Tag ist voll gepfercht mit Meetings”, sagt Pollak. Braucht er Zeit, um an einem seiner Bücher zu arbeiten, blockt er diese im Kalender. Derzeit arbeitet er an einem Stück zur geopolitischen Lage Europas. Pollak ist Herausgeber des Buches. Besonders in Zeiten des Ukraine-Krieges ein polarisierendes Thema. Pollak sei zwar beeindruckt, wie gut die EU funktioniert. Gleichzeitig wünscht er sich in der aktuellen Lage mehr Beistand für die Ukraine: “Besonders wegen der finanziellen Ressourcen, die Europa hat, erwarte ich mehr.”

Auf die EU spezialisierte sich Pollak während seines Politikstudiums. “Ich bin fasziniert davon, wie es der Gemeinschaft in der Vergangenheit gelungen ist, relativ gute gemeinsame Entscheidungen zu treffen”, begründet Pollak sein Interesse, “trotz unterschiedlicher Mentalitäten und vor allem Interessen in den Ländern.”

Institut für europäische Integrationsforschung mitaufgebaut

Nach seinem Abschluss in Wien studierte und arbeitete er an der London School of Economics. Zurück in Österreich half er beim Aufbau des Instituts für europäische Integrationsforschung an der Akademie der Wissenschaften, an dem er später arbeitete. Zwischendurch ging er für ein Stipendium nach Florenz. Pollaks Stationen in verschiedenen europäischen Städten zeigen seine Begeisterung für Europa. Er lebt die Freiheiten, die die EU im Bildungssektor bietet. Pollak habe seine Karriere aber nie geplant: “Ich hatte viel Glück und immer Spaß an dem, was ich tue”, sagt er. “Mir dabei eine gewisse Gelassenheit zu bewahren, war hilfreich.” Heute würden junge Menschen ihre Karriere planen.

So auch Studierende an der Webster University. Die Universität mit ihrem Hauptsitz in St. Louis, USA, ist renommiert. Wer hier seinen Abschluss macht, dem steht meist eine steile Karriere bevor. Diese lassen sich die Studierenden, je nach Fach und Abschluss, 18.000 bis 44.000 Euro jährlich kosten.

Pollak hat große Pläne für den Wiener Sitz des Instituts. Er will mehr MINT-Fächer in das bisher stark sozialwissenschaftliche Profil der Universität aufnehmen: etwa Softwareengineering, IT-Security Systems oder Verhaltensökonomie. “Ich möchte Fächer anbieten, mit denen die Studierenden dazu beitragen können, die Probleme der heutigen Gesellschaft zu lösen“, sagt er. Ein hohes Ziel, das viel Druck erzeugen kann – bei den Studierenden und bei Pollak. “Man muss sich der individuellen Unbedeutsamkeit des eigenen privilegierten Lebens im Vergleich zu 99 Prozent der Menschen bewusst sein”, rät Pollak. “Das hilft, den Druck rauszunehmen, Dinge in Perspektive zu rücken und dankbar zu sein.” Franziska Kotthoff

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wirklich warmgeworden miteinander sind Olaf Scholz und Emmanuel Macron bislang nicht. Hier der nüchterne Kanzler, dort der bisweilen zum Theatralischen neigende Präsident. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Am Dienstagabend lädt Scholz seinen Gast zum Abendessen zu sich nach Potsdam ein.

    Der Gesprächsstoff sollte ihnen beim Dinner in einem Restaurant jedenfalls nicht ausgehen. Um die Ukraine wird es dem Vernehmen nach gehen – die Europäer brauchen eine Strategie für den weiteren Verlauf des Krieges. Sollen auf die erwartete Offensive der ukrainischen Streitkräfte weitere Waffenlieferungen und/oder Friedensverhandlungen folgen?

    Auch das Thema EU-Erweiterung dürfte die beiden beschäftigen und damit wiederum die Fragen des institutionellen Gefüges der EU. Scholz und Macron sind sich weitgehend einig: Ohne Reformen, qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in weiteren Politikfeldern etwa, kann die Gemeinschaft kaum weitere Mitglieder aufnehmen. Allerdings stößt die Idee auf große Skepsis in anderen Mitgliedstaaten. Die Reformdebatte hat daher noch gar nicht richtig begonnen, jedenfalls nicht auf Ebene der Chefs.

    Hitziger dürfte die Dinner-Diskussion bei den Finanzthemen werden: der anstehenden Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens und besonders bei der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Berlin und Paris bilden derzeit bei den Defizitregeln die Pole im Meinungsspektrum der 27. Aber womöglich hilft ein Glas Rotwein ja dabei, die Sichtweise des anderen besser zu verstehen.

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    Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag!

    Ihr
    Till Hoppe
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    Analyse

    Strategische Rohstoffprojekte: Fragezeichen bei der Finanzierung

    Der Critical Raw Materials Act (CRMA) soll Teil der europäischen Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) sein. Doch während die USA mit dem IRA ein massives, mit Hunderten von Milliarden dotiertes Subventionspaket aufgesetzt haben, ranken sich weiterhin Fragezeichen um die Finanzierung der strategischen EU-Rohstoffprojekte. Im Gesetzesentwurf nennt die EU-Kommission private Finanzierungsquellen, Mittel der Europäischen Investitionsbank, Instrumente der Mitgliedstaaten sowie Förder- und Finanzierungsprogramme der EU. Doch kann sie damit den Abstand zu Ländern wie USA, Japan, Kanada oder Australien aufholen, die schon lange massiv investieren?

    Nicht nur die Industrie sieht darin ein Problem. Inga Carry, Forscherin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erklärt: “In den USA und in Kanada werden ganz andere Fakten geschaffen, da werden klare Rahmen und Finanzierungsbedingungen gesetzt – das ist ein enormer Anreiz für die Firmen.” Der Bergbau sei extrem kapitalintensiv, risikoreich und vor allem sehr langfristig. “Es handelt sich um Infrastrukturprojekte von dreißig Jahren oder mehr”, sagt Carry. “Deshalb müssen sowohl die Sicherheiten garantiert werden, dass sich ein Projekt auch langfristig lohnt, als auch Anreize geschaffen werden, sei es in Form von Anschubfinanzierungen oder Steuervorteilen.” In Europa herrschten ohnehin sehr viel ungünstigere Bedingungen, alleine wegen der fehlenden Infrastruktur und der hohen Energiepreise.

    Möglichkeiten der EU nicht mit USA vergleichbar

    Es sei klar, dass der Inflation Reduction Act einen sehr schnellen Einfluss auf die Welt der Investitionen hat, sagt ein EU-Beamter. Das liege daran, dass die US-Regierung mit den Steuervergünstigungen Instrumente nutzen konnte, die extrem einfach zu handhaben seien. “Wäre dies eine perfekte Welt, würde ich mir wahrscheinlich wünschen, dass wir einen ähnlichen Ansatz verfolgen”, erklärt er. “Aber das können wir nicht. Wir arbeiten in gewisser Weise anders.” Der US-amerikanische Ansatz sei das Ergebnis der Unfähigkeit, zu regulieren, “weil sie ähnliche Maßnahmen einfach nicht durch den Kongress bringen konnten“.

    Die EU-Kommission fahre in ihrer Antwort zweigleisig: Die Mitteilung vom 1. Februar, der Industrieplan zum Green Deal für das klimaneutrale Zeitalter, habe zunächst eine Reihe von Signalen an die Mitgliedstaaten gesendet, um Maßnahmen zu ergreifen, die auf EU-Ebene nicht möglich seien. Die Ergebnisse: Frankreich richtet einen Investitionsfonds für kritische Metalle ein, der mit zwei Milliarden Euro dotiert ist. Auch in Deutschland gibt es einen solchen Plan.

    Als zweites Gleis nennt der Beamte bestehende europäische Fonds und den geplanten Souveränitätsfonds, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im vergangenen Herbst angekündigt hatte. Über dessen Gestalt und Funktion diskutiert die Kommission zurzeit noch. Am 20. Juni will sie ihn dann gemeinsam mit der Revision des Mittelfristigen Finanzrahmens (MFR) vorstellen. Bekannt ist bislang, dass die Gelder vor allem durch Umschichtungen aufgebracht werden sollen – und der Fonds wohl deutlich kleiner ausfallen wird, als zuvor gedacht.

    EIB sieht Hindernisse für Investitionen

    Ein weiteres Programm, auf das sich die Kommission beruft, ist die Global-Gateway-Strategie, mit der die EU bis 2027 Investitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in weltweite Infrastrukturprojekte mobilisieren will. Darunter könnten dann auch strategische Rohstoffprojekte in Drittländern fallen. Für diese will die EU über Global Gateway Investitionsanreize schaffen und den Zugang für Abnehmer aus der Industrie sichern. Bislang ist allerdings nur sehr wenig über die Initiative bekannt.

    Immer wieder fällt auch der Name der Europäischen Investitionsbank (EIB). Diese hat laut eigener Angaben in den letzten sieben Jahren Darlehen im Gesamtbetrag von rund drei Milliarden Euro unterzeichnet, davon rund 1,3 Milliarden Euro für Batteriematerialien. Eine ähnliche Anzahl von Projekten in diesem Bereich sei in Vorbereitung. So finanzierte die EIB etwa mit einem Darlehen über 125 Millionen Euro den Bau des Umicore-Werks zur Produktion von Kathodenmaterial im polnischen Nysa.

    In der Vorbereitung des CRMA gab es in den vergangenen Jahren regelmäßige Treffen zwischen der EIB und der Kommission. Der Schwerpunkt dieser Gespräche lag laut EIB auf den Hindernissen für Investitionen und den Zugang zu Finanzmitteln, die CRM-Projekterfahrung sowie die wichtigsten Prioritätsbereiche. Darüber hinaus sind keine konkreten Pläne bekannt.

    “Nötiges Investitionsklima fehlt in Europa noch”

    “Eine entscheidende Herausforderung ist die Zeit, die Projekte benötigen, um ,bankfähig’ zu werden“, erklärt Laura Piovesan, EIB-Generaldirektorin für Innovation, Umwelt und natürliche Ressourcen, Table.Media. “Damit mehr Investitionen in Rohstoffprojekte ausreichend ausgereift sind, um von Banken finanziert zu werden, ist es wichtig, die regulatorischen Hindernisse anzugehen.” Dazu gehörten langwierige Genehmigungsverfahren sowie regulatorische Standards für die Kreislaufwirtschaft, zwei Aspekte, die im CRMA adressiert werden. Darüber hinaus seien auch die Preisvolatilität, die soziale Akzeptanz von Bergbauprojekten, ESG-Aspekte und die bisher fehlende Definition von kritischen Rohstoffen in der Taxonomie ausschlaggebend.

    Auch Schattenberichterstatterin Hildegard Bentele (EVP) hatte diese Hindernisse während der letzten Sitzung des federführenden Industrieausschusses aufgezählt und weitere Gespräche zu der Frage angekündigt. Im Parlament endete vergangene Woche die Frist für Änderungsanträge für den Berichtsentwurf von Berichterstatterin Nicola Beer (Renew).

    In den USA sei seit der Ankündigung des Inflation Reduction Acts die Produktionskapazität für Lithium-Ionen-Batteriezellen bereits um 61 Prozent gewachsen. “Man kann also schon sehen, dass schnelle Veränderung möglich ist, wenn eben das entsprechende Investitionsklima geschaffen wird”, sagt Inga Carry. Ob das Ergebnis sich am Ende mit den Zielen des IRAs decke, sei noch mal eine andere Frage. “Aber es ist ein Gefühl aufgekommen: Jetzt kann sich was verändern und jetzt kann richtig was in Gang gebracht werden. Dieses Gefühl habe ich auf europäischer Ebene bislang nicht.”

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    Forscher Wang: “Europa sollte China Anreize geben”

    Herr Wang, wir befinden uns im zweiten Jahr des Ukraine-Kriegs – und China ist mit dem Vorschlag nach Friedensgesprächen vorgetreten. Gleichzeitig unterhält die Führung in Peking allerdings eine “grenzenlose” Freundschaft mit Russland. Wie ernst ist Chinas Initiative gemeint?

    Ich glaube, China meint es ziemlich ernst. Es hat sein politisches Gewicht in die Waagschale geworfen und einen Sondergesandten in die Ukraine und fünf weitere Ziele entsandt. Und was das “grenzenlose” Verhältnis zu Russland angeht: Der chinesische Gesandte in Brüssel hat klargestellt, dass es sich dabei lediglich um Rhetorik handele. Ich denke, Peking ist nicht glücklich darüber, was in der Ukraine vor sich geht. 

    Aber ist China bereit, seinen Einfluss auf Putin auch zu nutzen? 

    Ich verstehe, dass viele im Westen darauf bestehen, China hätte einen enormen Einfluss und könne Moskau unter Druck setzen. Aber die Realität ist viel komplizierter. Die Chinesen haben nicht das Gefühl, dass sie Moskau zu stark in eine Richtung drängen können. 

    Andererseits wäre Putin ohne die Unterstützung Chinas in großen Schwierigkeiten. 

    Lassen Sie es mich so formulieren: Wann immer ein Chinese auf der Weltkarte auf China schaut, sieht er oder sie ein übermächtiges Russland, ein riesiges Land direkt oberhalb von China. Russland hatte im gesamten 20. Jahrhundert einen enormen Einfluss auf China. Nach vielen Problemen sind die beiden Länder erst in den vergangenen rund zehn Jahren zu engen geopolitischen Partnern geworden – insbesondere im Hinblick auf das, was sie als Eindämmung und Einkreisung durch die USA empfinden. Russlands Wirtschaftsleistung mag inzwischen vielleicht nur noch in etwa so stark sein wie die der Provinz Guangdong, aber in den Augen Chinas handelt es sich immer noch um eine Supermacht mit einem großen Nukleararsenal und hoch entwickelter Technologie. Und vergessen Sie nicht: Die Grenze zwischen China und Russland ist tausende Kilometer lang, die bei guten Beziehungen nicht sonderlich stark bewacht werden muss. 

    Russland-Sanktionen: Warum ausbaden, was andere verursacht haben?

    Aber um ernsthaft für Friedensgespräche zu werben… 

    Was die Initiative für eine politische Lösung betrifft: China hat sich in der Vergangenheit nicht in Krisen eingemischt, schon gar nicht dort, wo China nicht beteiligt ist – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die sich gerne wie der Weltpolizist verhalten. Chinas Außenpolitik basiert seit den 1950er-Jahren auf Nichteinmischung. Daher muss es nun einen eigenen Ansatz entwickeln. 

    Durchaus, aber um ein ehrlicher Makler zu sein, bedarf es zumindest ein wenig Distanz zu Russland. 

    Derartige Forderungen des Westens bedeuten für China, große Opfer bezüglich seiner eigenen Interessen zu bringen, am Ende gar Russland zu verärgern. Wenn China diesen Forderungen nachkommen und Russland sanktionieren würde, würde das bedeuten, dass China hohe Kosten für etwas tragen müsste, das es nicht verursacht hat. 

    Warum ist China so zurückhaltend? 

    Nicht nur China. Schauen Sie sich die Abstimmungen bei den Vereinten Nationen an: Mehr als 140 Länder haben Russlands Invasion in der Ukraine verurteilt. Aber wenn man sich ansieht, wer Sanktionen gegen Russland verhängt hat, bleiben im Grunde lediglich etwas mehr als 40 Länder – und 27 davon sind EU-Mitgliedstaaten. Kein Land des Globalen Südens hat sich den Sanktionen gegen Russland angeschlossen, so auch nicht China, Indien und Brasilien. Die überwältigende Mehrheit der Welt, insbesondere die ärmeren Länder, fühlt sich nicht verpflichtet, die Kosten für etwas zu tragen, von dem sie glaubt, dass sie es nicht begonnen haben. 

    “Diese Geschichte wird in anderen Teilen der Welt nicht geteilt”

    Wie wichtig ist dieser Krieg überhaupt für Länder in Asien und dem Rest der Welt? 

    Ich verstehe absolut, dass er für die EU sehr wichtig ist, speziell für die osteuropäischen Länder, die an die Ukraine angrenzen, da sie nach dem ukrainischen Volk die zweitgrößten Opfer sind. Ich habe 29 Monate in Europa gelebt und bewundere das europäische Projekt, es ist ein Friedensprojekt. Aber für weit entfernte Länder ist der Konflikt etwas, was die Leute im Fernsehen und in den sozialen Medien sehen. Hinzu kommt, dass die Europäische Union durch ihre Geschichte und den Kalten Krieg seit vielen Jahren daran gewöhnt ist, sich vor russischen Truppen zu schützen. Aber diese Geschichte wird in anderen Teilen der Welt nicht geteilt. Und zu guter Letzt, was vielleicht noch wichtiger ist: Die Länder des globalen Südens teilen eine gemeinsame Geschichte des Kolonialismus. Sie teilen das Gefühl, dass die entwickelten Länder sich nicht so verhalten haben, wie sie sollten. All das mündet in einem Gefühl der Distanz zu diesem Konflikt. 

    Krieg ist überall auf der Welt schlecht, für alle. Deshalb sollte er schnell enden.  

    Ja. Aber die USA und Europa üben nur Druck auf China aus. Es ist ihnen bislang nicht gelungen, auch Anreize zu schaffen, um China auf ihre Seite zu ziehen. Gerade für Europa wäre es pragmatischer, Anreize zu setzen. 

    Inwiefern Europa? 

    Weil zwischen China und den USA ein sehr harter Wettbewerb tobt, der noch eine ganze Weile anhalten wird. Zudem will Peking ganz offensichtlich, dass Europa sich von seinem transatlantischen Partner distanziert und es näher an China heranrückt. Europa verfügt also über einen gewissen Einfluss gegenüber einem darauf erpichten China. 

    Was könnte oder sollte Europa anbieten? 

    Chinas Botschafter in Brüssel hat bereits mehrmals gesagt, dass China das umfassende Investitionsabkommen CAI wieder auf den Tisch bringen möchte und offen für Vorschläge sei. Ich denke, Europa ist tatsächlich in der Lage, Anreize für China zu schaffen, anstatt China nur unter Druck zu setzen. 

    CAI könnte den Unterschied machen? 

    Wenn Europa diese Idee in Betracht ziehen würde, gäbe es meiner Meinung nach viele Optionen. 

    Was meinen Sie? 

    Zum Beispiel die Rücknahme der von den USA initiierten Beschränkungen für Huawei und ZTE. Oder den Verzicht darauf, sich den USA bei Exportkontrollen im Bereich Technologie anzuschließen. Das würde starke strategische Signale der Autonomie aussenden. Das wiederum könnte gut zusammenpassen mit einem China, das sich für die Verwirklichung europäischer und ukrainischer Ziele einsetzt, etwa den Austausch von Kriegsgefangenen, die Einrichtung humanitärer Korridore für Zivilisten, die Rückführung ukrainischer Kinder und letztendlich für einen Waffenstillstand und Frieden. 

    Wang Zichen ist stellvertretender Direktor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for China and Globalization (CCG), einem führenden nichtstaatlichen Thinktank in China.

    • China

    Termine

    07.06.-08.06.2023, Stockholm (Schweden)
    ECFR, Conference Annual Council Meeting 2023
    The European Council on Foreign Relations (ECFR) offers an opportunity to discuss how Europeans have met the challenge of a war on its soil and a strategic outlook on how Europe should handle the polycrisis of dire economic straits. INFOS

    07.06.2023 – 09:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    ENISA, Conference AI Cybersecurity Conference
    The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) discusses key aspects of cybersecurity in AI systems, as well as challenges associated with implementation and supervision of secure and trustworthy AI. INFOS & REGISTRATION

    07.06.2023 – 10:00-17:00 Uhr, Wiesbaden
    Hessen 6. Cyber-Sicherheitsgipfel 2023
    Das Land Hessen lädt zur Diskussion über aktuelle Entwicklungen und Trends rund um das Thema Cybersicherheit. INFOS & ANMELDUNG

    07.06.2023 – 17:30-20:20 Uhr, Brüssel (Belgien)
    FZE, Konferenz Welche Impulse gibt die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie?
    Das Forum für Zukunftsenergien (FZE) beschäftigt sich mit der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie. INFOS

    07.06.2023 – 18:00-20:00 Uhr, Bonn
    FNF, Vortrag Der Weltraum als Wirtschafts- und Innovationstreiber
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) analysiert und diskutiert wesentliche Kernfelder des Zukunftsthemas Weltraum als Wirtschafts-, Lebens- und Wettbewerbsraum im 21. Jahrhundert. INFOS & ANMELDUNG

    07.06.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
    AI, Workshop U.S.-German Forum Future Agriculture
    Das Aspen Institute (AI) erarbeitet gemeinsame Handlungsempfehlungen zum Thema Klima und Landwirtschaft. INFOS

    07.06.2023 – 19:00-20:15 Uhr, online
    FNF, Diskussion Kapert ChatGPT die Demokratie?
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutiert, was die Entwicklungen rund um ChatGPT für Gesellschaft und Politik bedeutet. INFOS & ANMELDUNG

    08.06.2023 – 09:00-20:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    NN, Conference Enabling transformation through and for Nature-based Solutions (NbS)
    Network Nature (NN) discusses which transformations are needed in policy, the economic and financing sector, and in science and practice to mainstream NbS. INFOS & REGISTRATION

    08.06.2023 – 11:00-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    FES, Roundtable FES Youth Studies: Understanding Political Disillusionment among young people in CEE & the Baltics
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) presents the results of the FES youth studies on how young people in Central and Eastern Europe think about politics and society. INFOS & REGISTRATION

    08.06.2023 – 17:00 Uhr, Potsdam
    KAS, Podiumsdiskussion Eine neue sicherheitspolitische Strategie der Bundesregierung?
    Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) stellt die neue sicherheitspolitische Strategie der Bundesregierung angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zur Diskussion. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Kommission erklärt Strompreisbremse für gescheitert

    Die EU-Kommission hat die 2022 beschlossene Abschöpfung von Zufallsgewinnen im Strommarkt für gescheitert erklärt und spricht sich gegen eine Verlängerung sämtlicher Notfallmaßnahmen im Elektrizitätssektor aus. “Unterschiedliche Umsetzungsstrategien in den Mitgliedstaaten haben Berichten zufolge zu einer erheblichen Verunsicherung der Investoren geführt”, schreibt die Kommission in einer am Montag erschienenen Evaluierung über die vorgesehene EU-weite Erlösobergrenze von 180 Euro pro Megawattstunde.

    Das Cap für inframarginale Erzeugungsanlagen habe sich auch nachteilig auf langfristige Lieferverträge für erneuerbare Energien ausgewirkt, die die Kommission mit der derzeit laufenden Strommarktreform eigentlich fördern will, um die Preise dauerhaft einzudämmen: “Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Obergrenze in einigen Mitgliedstaaten Berichten zufolge den Abschluss von PPA und anderen langfristigen Verträgen beeinträchtigt hat. […] in Anbetracht der gegenwärtigen und vorhersehbaren Marktbedingungen ist die Kommission der Ansicht, dass die Vorteile der derzeitigen inframarginalen Erlösobergrenze die Auswirkungen auf die Sicherheit der Anleger und die Risiken für das Funktionieren des Marktes und die Energiewende nicht aufwiegen würden.”

    Berichterstatter im Parlament will dauerhafte Erlösobergrenze

    Auch Deutschland ist dem Modell einer einheitlichen Preisobergrenze von 180 Euro nicht gefolgt. Je nach Technologie greift die Erlösabschöpfung schon bei niedrigeren Preisen. Für PPA gelten aber Sonderregeln, die laut Bundeswirtschaftsministerium ein Austrocknen des Marktes verhindern sollen.

    Indem die Kommission die nachteiligen Effekte der Erlösobergrenze betont, stellt sie sich auch gegen Bestrebungen aus dem EU-Parlament, den Mechanismus mit der Strommarktreform dauerhaft zu verankern. Der zuständige Berichterstatter Nicolás González Casares (S&D) sieht in seinem Bericht ebenfalls eine Grenze von 180 Euro/MWh für erneute Energiekrisen vor. ber

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    NZIA: Wölken will Kernenergie und Biogas ausschließen

    Der Berichterstatter des Umweltausschusses, Tiemo Wölken, will die Kernenergie sowie Biogastechnologien von der Förderung des geplanten Net-Zero Industry Act (NZIA) ausschließen. Der SPD-Europaabgeordnete stellte seine Änderungsanträge zum Entwurf der EU-Kommission gestern im Ausschuss vor. Der ENVI hat als mitberatender Ausschuss nur begrenzte Kompetenzen in dem Gesetzgebungsverfahren, federführend ist der Ausschuss für Industrie und Energie (ITRE).

    Wölken widerspricht damit ITRE-Berichterstatter Christian Ehler (CDU). Dieser hatte sich dafür ausgesprochen, den Kreis der berechtigen Technologien auszuweitern. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, acht Sektoren (darunter Wind, Solar und Wärmepumpen) als “strategische Netto-Null-Technologien” zu fördern. Bestimmte Kernenergie-Bereiche sollten eingeschränkt von den Vorzügen wie schnelleren Planungsverfahren profitieren. Dies lehnt Wölken ab, ebenso wie die Förderung von Biogas- und Biomethan-Technologien. Stattdessen spricht er sich dafür aus, nachhaltige Kraftstoffe für Schiffe und Flugzeuge in den Anwendungsbereich aufzunehmen.

    Projekte zur CO₂-Speicherung sollten nur dann begünstigt werden, wenn sie Restemissionen in energieintensiven Sektoren mit unvermeidbarer CO₂-Erzeugung reduzieren. Projekte von Öl- und Gasproduzenten will Wölken hingegen ausschließen.

    Wölken unterstützt das Konzept Ehlers, für die Begünstigung von Industrie-Clustern in den grünen Technologien sogenannte “Net-Zero Industry Valleys” auszuweisen, die Investoren etwa mit zusätzlicher Planungsbeschleunigung und Finanzierungsangeboten anlocken sollen. Auch in diesen Regionen sollten aber strenge Umwelt- und Sozialstandards gewahrt bleiben. In speziellen Schutzgebieten wie Natura-2000-Gebieten sollten keine Projekte zugelassen werden. tho

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    Unternehmen sollen von KI generierte Inhalte kennzeichnen

    EU-Vizepräsidentin Věra Jourová sieht die Verteidigung der Meinungsfreiheit als Aufgabe der EU an. “Aber wenn es um die Produktion von KI geht, sehe ich kein Recht auf Meinungsfreiheit für die Maschinen“, sagte Jourová am Montag bei der Vorstellung eines verschärften EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation. Die Unterzeichner “sollten Technologien einführen, um KI-Inhalte zu erkennen und sie für die Nutzer klar zu kennzeichnen”, forderte Jourová.

    Die EU hatte den Verhaltenskodex gegen Desinformation 2022 vorgestellt. Damals unterzeichneten 44 Unternehmen das Papier. Dazu zählen unter anderem Google, Facebook, Youtube oder Tiktok. Inzwischen sind zwölf weitere Unterzeichner dazugekommen. Twitter hatte das Abkommen jedoch im vergangenen Monat verlassen.

    Der Kodex ist zwar freiwillig, er soll jedoch im Rahmen des DSA anerkannt werden. Der DSA verpflichtet sehr große Online-Plattformen wie etwa Twitter, systemische Risiken, einschließlich Desinformation, zu bewerten und zu mindern. Sehr große Plattformen, die wiederholt gegen den DSA verstoßen, riskieren Geldbußen von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes.

    Ziel: Desinformation vor den Europawahlen 2024 eindämmen

    Die Kommission verschärft nun den Kodex und erwartet stärkere Anstrengungen von den Unternehmen – auch im Hinblick auf die anstehenden Europawahlen 2024:

    • Kampf gegen russische Desinformation, u.a. im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine
    • mehr Faktenchecks und bessere Finanzierung von unabhängigen Teams von Faktencheckern (vor allem in kleineren und mittleren EU-Mitgliedstaaten)
    • besserer Zugang zu Hintergrunddaten für Forscher
    • Schutzmechanismen gegen böswillige Nutzung von KI zur Verbreitung von Desinformation
    • klare Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten

    Die Kommission fordert die Online-Plattformen auf, mit der Kennzeichnung unverzüglich zu beginnen. Maßnahmen zur Kennzeichnung von KI sollen die Unterzeichner schon im Juli in den nächsten Hintergrundberichten zur Umsetzung ihrer Verpflichtungen darlegen. vis

    • Desinformation
    • Digital Services Act
    • Digitalpolitik
    • Künstliche Intelligenz

    ARD-Deutschlandtrend: EU-Kritik wächst

    Die Zustimmung der Deutschen zur EU nimmt ab. Nach dem aktuellen ARD-“Deutschlandtrend extra” vom Montag wünschen sich 38 Prozent der von infratest dimap Befragten, die europäischen Länder sollten wieder stärker allein handeln und Zuständigkeiten von der EU zurückholen (+16 im Vergleich zu Juli 2020). Nur noch ein Drittel (34 Prozent) wünscht sich im Gegenteil, dass die europäischen Länder ihre Zusammenarbeit in den kommenden Jahren vertiefen und weitere Zuständigkeiten an die EU abgeben (-20). Vor knapp drei Jahren sagte das noch eine absolute Mehrheit. Jeder Fünfte (20 Prozent) würde an der Zusammenarbeit der EU-Länder derzeit nichts Wesentliches ändern (+1).

    Für die repräsentative Umfrage wurden 1.302 Wahlberechtigten im Vorfeld des WDR Europaforums von Dienstag bis Mittwoch letzter Woche befragt. Die unterschiedlichen Vergleichszeitpunkte in der Umfrage seien auf die Aktualität der Ereignisse zurückzuführen, hieß es von einem Sprecher des WDR.

    Auch der Blick auf die deutsche EU-Mitgliedschaft wurde in den vergangenen Jahren kritischer. Aktuell finden 26 Prozent der Befragten, Deutschland habe von der Mitgliedschaft in der EU eher Vorteile – das sind 14 Prozentpunkte weniger als 2020. 27 Prozent sagen heute, Deutschland habe von der EU-Mitgliedschaft eher Nachteile (+12). Mit 41 Prozent sieht ein Großteil jedoch ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Vor- und Nachteilen.

    Mehrheit sieht noch immer Vorteile in Mitgliedschaft

    Verschiedene mögliche Vorteile der EU-Mitgliedschaft haben in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger zuletzt an Bedeutung verloren. Allerdings werden sie immer noch mehrheitlich positiv gesehen. So sagen zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent), durch die EU leben wir in Europa sicherer; das sind 10 Prozentpunkte weniger als noch im Vorfeld der jüngsten Europawahl im Mai 2019. Eine knappe Mehrheit von 56 Prozent ist der Meinung, die Mitgliedschaft in der EU sorge dafür, dass es ihnen wirtschaftlich besser geht (-22 im Vergleich zu Mai 2019).

    Rund jeder zweite Deutsche befürwortet zudem eine gemeinsame Armee der EU-Staaten. Ein Drittel lehnt diese Idee ab. Im Vorfeld der Europawahl im Mai 2019 waren es noch 62 Prozent, die die Idee einer gemeinsamen Armee der EU-Staaten unterstützten.

    Die Zustimmung zu einem möglichen EU-Beitritt der Ukraine bleibt weiter auf hohem Niveau, wenn auch leicht abnehmend. Die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger sind der Meinung, die Ukraine sollte langfristig in die Europäische Union aufgenommen werden, wie aus der Umfrage hervorgeht. Im Februar waren es noch sechs Prozent mehr, die sich für einen Beitritt aussprachen. 37 Prozent der Deutschen sind gegen einen EU-Beitritt des Landes, das seit dem Sommer 2022 offizieller Beitrittskandidat ist. dpa/lei

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    Getreideimporte aus der Ukraine: Einschränkungen verlängert

    Die Europäische Union verlängert die Einschränkungen für Getreideimporte aus der Ukraine bis Mitte September. Die Kommission beschloss laut eigenen Angaben am Montag, die Handelsbeschränkungen bis zum 15. September aufrechtzuerhalten, wie die Brüsseler Behörde am Montagabend mitteilte. Die Maßnahmen wären sonst in der Nacht zu Dienstag ausgelaufen. Sie seien etwa wegen begrenzter Lagerkapazitäten vor der Erntesaison weiterhin erforderlich, hieß es zur Begründung.

    Die EU-Handelsbeschränkungen betreffen konkret die fünf östlichen EU-Länder Bulgarien, Polen, Ungarn, Rumänien und die Slowakei. Dort dürfen Weizen, Mais, Rapssamen und Sonnenblumenkernen aus der Ukraine nicht mehr frei gehandelt werden. Die Kommission entschied aber auch, dass die konkrete Anzahl an Produkten, die Mais, Weizen, Rapssamen und Sonnenblumenkernen enthalten und unter die Beschränkungen fallen, reduziert wird. Der Transit der Waren in andere EU-Länder ist aber gestattet. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte sich deutlich gegen die Einschränkungen und für einen freien Handel mit der Ukraine ausgesprochen.

    Auf die ukrainischen Getreidewaren werden aus Solidarität mit dem angegriffenen Land derzeit keine Zölle erhoben. Zudem wurden Handelswege aus der Ukraine in die EU ausgebaut. Die fünf Staaten hatten deutlich gestiegene Importe bemängelt, wodurch ihre eigenen Landwirte auch Probleme bekommen hätten, da die ukrainischen Produkte den Markt verzerrten. Anfang Mai hatte die EU-Kommission daraufhin die Handelsbeschränkungen beschlossen. Neben Deutschland haben sich auch andere EU-Länder gegen die Verlängerung der Einschränkungen ausgesprochen. dpa

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    • Landwirtschaft

    EU-Gericht kippt weitere Teile von Polens Justizreform

    Das höchste EU-Gericht hat am Montag weitere Aspekte der umstrittenen polnischen Justizreform als nicht vereinbar mit den Grundwerten der Staatengemeinschaft gekippt. “Die polnische Justizreform vom Dezember 2019 verstößt gegen das EU-Recht”, teilte das Gericht in einer Erklärung mit. “Der Wert der Rechtsstaatlichkeit ist ein integraler Bestandteil der Identität der Europäischen Union.”

    Nach Angaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg verstößt unter anderem die Regelung gegen EU-Recht, dass die Mitgliedschaft von Richterinnen und Richtern etwa in Verbänden, Organisationen oder Parteien öffentlich gemacht werden kann. Dabei handele es sich um einen widerrechtlichen Eingriff in die Privatsphäre. Die Richter listeten aber gleich mehrere Punkte der von der PiS umgesetzten Reform als schädlich für die Unabhängigkeit der Justiz auf.

    Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta, ein Hardliner der Regierungspartei PiS, wies das Urteil umgehend als “Farce” zurück. Die Klage war von der Europäischen Kommission eingereicht worden und von Belgien, Finnland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden unterstützt worden. Da das Urteil rechtskräftig ist, muss Polen nun die vom EuGH als rechtswidrig eingestuften Elemente seines Justizsystems ändern. Sollte Warschau dies nicht tun, könnte der EuGH weitere Geldstrafen verhängen

    Polen zahlt bereits eine Strafe von 500.000 Euro pro Tag, weil es ein im Jahr 2021 getroffenes EuGH-Urteil gegen die Überwachung polnischer Richter nicht vollständig umgesetzt hat. Die EU-Kommission blockiert zudem Warschaus Zugang zu 35,5 Milliarden Euro an EU-Fördermitteln aus dem Corona-Wiederaufbaufonds und weitere Milliarden sogenannter Kohäsionsmittel, die ärmeren Mitgliedsländern eigentlich helfen sollen, ihren Entwicklungsrückstand aufzuholen. rtr

    • Justizpolitik
    • Polen

    Presseschau

    Bundesregierung bekräftigt: keine Vorprüfungen von Asylanträgen bei Familien mit Kindern an EU-Außengrenzen RND
    Migration: Vorschlag der EU-Kommission – Wer keinen Flüchtling aufnimmt, der zahlt WELT
    EuGH: Justizreform in Polen verstößt gegen Unionsrecht SUEDDEUTSCHE
    Polens Justizminister: “Das wichtigste Gericht der EU ist korrupt” BERLINER-ZEITUNG
    Russlands Opposition will von Europa Unterstützung im Kampf gegen Putin EURONEWS
    Hotspot des Drogenhandels – Treffen am Hotspot Antwerpen: EU-Staaten sagen organisierter Kriminalität den Kampf an RND
    Die Green Week der EU: Was macht die Umsetzung der Umweltziele? EURONEWS
    Renaturierung: Größte EU-Naturschutzinitiative könnte scheitern SPEKTRUM
    ARD-“Deutschlandtrend”: Zustimmung zu Ukraine-Beitritt in EU bröckelt BERLINER-ZEITUNG
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    Johannes Pollak – Analysieren, wie Europa funktioniert

    Prof. Dr. Johannes Pollak ist Rektor der Webster University Wien und Vorstandsvorsitzender des Instituts für europäische Politik e. V. Pollak ist begeistert davon, wie gut die EU in der Vergangenheit funktioniert hat. Dennoch wünscht er sich mehr Einigkeit beim Vorgehen gegen den russischen Aggressor. Foto: C.A.N Photography, Carl Anders Nilsson.

    Der Arbeitsalltag von Johannes Pollak ist stressig: “Es hilft zu wissen, dass 99 Prozent meiner Arbeitsentscheidungen keine Entscheidungen über Leben und Tod sind”, sagt der 54-Jährige. Pollak ist Rektor an der privaten Webster University in Wien. Gleichzeitig ist er Vorstandsvorsitzender des Instituts für Europäische Politik in Berlin. Sein Terminkalender ist voll und sein Arbeitsalltag durchgetaktet. “Aber es gibt nichts, was mir keinen Spaß macht“, sagt er locker. “Komisch, gell?”

    Der Tag des Vaters eines siebenjährigen Sohnes beginnt um 6.30 Uhr. “Ich stehe leise auf, sodass ich meinen Sohn nicht wecke.” Er lebt in Eisenstadt, nahe Wien mit viel Wald. Die Nähe zur Natur sei ihm wichtig, um zur Ruhe zu kommen.

    Faszination: Gemeinsame Entscheidungen trotz Differenzen

    Im Wiener Büro angekommen, spricht er mit Mitarbeitenden und mit Externen, die etwas von dem Institut wollen oder von denen das Institut etwas will. “Der Tag ist voll gepfercht mit Meetings”, sagt Pollak. Braucht er Zeit, um an einem seiner Bücher zu arbeiten, blockt er diese im Kalender. Derzeit arbeitet er an einem Stück zur geopolitischen Lage Europas. Pollak ist Herausgeber des Buches. Besonders in Zeiten des Ukraine-Krieges ein polarisierendes Thema. Pollak sei zwar beeindruckt, wie gut die EU funktioniert. Gleichzeitig wünscht er sich in der aktuellen Lage mehr Beistand für die Ukraine: “Besonders wegen der finanziellen Ressourcen, die Europa hat, erwarte ich mehr.”

    Auf die EU spezialisierte sich Pollak während seines Politikstudiums. “Ich bin fasziniert davon, wie es der Gemeinschaft in der Vergangenheit gelungen ist, relativ gute gemeinsame Entscheidungen zu treffen”, begründet Pollak sein Interesse, “trotz unterschiedlicher Mentalitäten und vor allem Interessen in den Ländern.”

    Institut für europäische Integrationsforschung mitaufgebaut

    Nach seinem Abschluss in Wien studierte und arbeitete er an der London School of Economics. Zurück in Österreich half er beim Aufbau des Instituts für europäische Integrationsforschung an der Akademie der Wissenschaften, an dem er später arbeitete. Zwischendurch ging er für ein Stipendium nach Florenz. Pollaks Stationen in verschiedenen europäischen Städten zeigen seine Begeisterung für Europa. Er lebt die Freiheiten, die die EU im Bildungssektor bietet. Pollak habe seine Karriere aber nie geplant: “Ich hatte viel Glück und immer Spaß an dem, was ich tue”, sagt er. “Mir dabei eine gewisse Gelassenheit zu bewahren, war hilfreich.” Heute würden junge Menschen ihre Karriere planen.

    So auch Studierende an der Webster University. Die Universität mit ihrem Hauptsitz in St. Louis, USA, ist renommiert. Wer hier seinen Abschluss macht, dem steht meist eine steile Karriere bevor. Diese lassen sich die Studierenden, je nach Fach und Abschluss, 18.000 bis 44.000 Euro jährlich kosten.

    Pollak hat große Pläne für den Wiener Sitz des Instituts. Er will mehr MINT-Fächer in das bisher stark sozialwissenschaftliche Profil der Universität aufnehmen: etwa Softwareengineering, IT-Security Systems oder Verhaltensökonomie. “Ich möchte Fächer anbieten, mit denen die Studierenden dazu beitragen können, die Probleme der heutigen Gesellschaft zu lösen“, sagt er. Ein hohes Ziel, das viel Druck erzeugen kann – bei den Studierenden und bei Pollak. “Man muss sich der individuellen Unbedeutsamkeit des eigenen privilegierten Lebens im Vergleich zu 99 Prozent der Menschen bewusst sein”, rät Pollak. “Das hilft, den Druck rauszunehmen, Dinge in Perspektive zu rücken und dankbar zu sein.” Franziska Kotthoff

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