nun hat ihn die Kommission doch noch vorgelegt: den Gesetzentwurf zum Gaspreisdeckel. Mehrere Mitgliedstaaten sollen damit gedroht haben, die nächste Notfallverordnung zur Energiekrise zu blockieren, falls den Energieministern vor ihrem Treffen am Donnerstag kein Entwurf vorgelegt wird. Doch die Kommission will eine weitere Bedingung stellen: Wird der market correction mechanism tatsächlich aktiviert, will sie das Gassparziel über März 2023 hinaus verlängern. Noch am Freitag wollten die Ständigen Vertreter dagegen sämtliche Bedingungen für den Preisdeckel streichen, wie Manuel Berkel erfuhr.
Heute findet die Energiecharta-Konferenz in der Mongolei statt. Dass es dort zu einer Reform des Investorenschutzvertrages kommen wird, ist unwahrscheinlich. Bei einem Gutteil der Regierungen in der EU – so wie Deutschland, Frankreich und Niederlande – wie auch bei Klimaschützern stößt sie auf Ablehnung. Folglich fehlt der EU das Mandat, dieser Reform zuzustimmen, berichtet Charlotte Wirth. Der letzte Ausweg der EU-Kommission ist ein Klassiker für den Fall, wenn eigentlich nichts mehr geht: Sie versucht, die Abstimmung zu verschieben.
Ein literarisches Vergnügen der besonderen Art hat sich ein Politologe aus Berlin gegönnt. Christian Rauh vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat rund 45.000 Pressemitteilungen der Kommission aus den Jahren 1985 bis 2020, die in englischer Sprache vorlagen, mithilfe von Algorithmen untersucht. Sein Fazit: Die Kommission habe ein “beachtliches Defizit” in der Kommunikation, berichtet Markus Grabitz. Die Sprache sei sehr komplex, gespickt mit Spezialausdrücken, zudem bevorzuge die Kommission den Nominalstil.
Mit der Notfallverordnung will die Kommission für ein Jahr extrem hohe Gaspreise wie im vergangenen Sommer begrenzen. Über die Eckpunkte des market correction mechanism hatte Europe.Table bereits berichtet. Einen konkreten Wert für den Preisdeckel lässt auch der Gesetzentwurf vom Montag noch offen. Allerdings hat die Kommission gegenüber den Eckpunkten eine Reihe von Änderungen vorgenommen.
Im Sommer hatten sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt, den Gasverbrauch bis März 2023 um 15 Prozent zu senken. Durch einen erneuten Beschluss kann dieses Ziel verpflichtend werden. Mit dem aktuellen Entwurf will die Kommission nun verhindern, dass die EU-Staaten trotz der politisch gesetzten Preisbremse mehr Gas verbrauchen. Falls der Gaspreisdeckel aktiviert wird, sollte die Kommission deshalb einen weiteren Gesetzesvorschlag vorlegen, um das Gassparziel über März hinaus zu verlängern, heißt es in der Begründung.
Innerhalb von zwei Wochen nach Aktivierung des Preisdeckels sollen die Mitgliedstaaten der Kommission außerdem darlegen, welche Maßnahmen sie bereits ergriffen haben, damit der Gas- und der Stromverbrauch nicht ansteigen und die jüngst beschlossenen Gas- und Stromsparziele erreicht werden.
In das Monitoring der Folgen des Gaspreisdeckels sollen nun neben der EZB, der Finanzaufsichtsbehörde ESMA und der Energieaufsichtsbehörde ACER auch Wirtschaftsverbände einbezogen werden – über die Koordinierungsgruppe Gas und die Gasnetzbetreiber-Organisation ENTSOG. In Ersterer ist auch der europäische Verbraucherschutzverband BEUC vertreten.
Die Kommission will zudem die Bedingungen nachschärfen, bei denen sie den Gaspreisdeckel aussetzen kann. “Jede Art von Gasrationierung” soll nun ausreichen, um den Mechanismus zu stoppen. Das soll nun auch gelten, falls “die Gültigkeit bestehender Gaslieferverträge” beeinträchtigt wird – die Eckpunkte bezogen sich lediglich auf Langzeitverträge.
Falls die Stabilität der Energieterminmärkte bedroht ist, sollen ESMA und ENTSOG im Notfall noch am selben Tag eine Einschätzung abgeben, die zum Aussetzen des Gaspreisdeckels führen kann.
In die völlig entgegengesetzte Richtung lief am Freitag allerdings die Debatte im Coreper. Wie Europe.Table erfuhr, wollte eine Mehrheit der Mitgliedstaaten den Artikel mit den Sicherheitsbedingungen für die Einführung des market correction mechanism komplett streichen. Heftige Gegenwehr kam daraufhin vor allem von Deutschland, den Niederlanden und Dänemark. Am Mittwoch beraten die Ständigen Vertreter erneut, bevor am Donnerstag die Energieminister zusammenkommen.
In dem Kommissionsentwurf steht außerdem, bis wann die Kommission über eine Verlängerung der Notfallverordnung entscheiden will. Bis zum 1. November 2023 will sie eine Evaluation vorlegen, die Grundlage für die Entscheidung sein soll.
Der EU fehlt das Mandat, um bei der heutigen Energiecharta-Konferenz in der Mongolei der Modernisierung des umstrittenen Investorenschutzvertrages zuzustimmen. Ist die Reform also gescheitert? “Der Modernisierungsprozess ist vorbei”, drückt es jedenfalls ein EU-Diplomat aus. Ähnlich sieht es der EVP Abgeordnete Christian Ehler (CDU). Die Bundesregierung habe “intellektuellen und politischen Selbstmord begangen“, indem sie ihren Austritt angekündigt und die Reform der Charta blockiert habe.
Die EU-Kommission versucht weiterhin, die Abstimmung zu verschieben, nachdem sich am Freitag im Ausschuss der ständigen Vertreter keine qualifizierte Mehrheit für die Reform des Investorenschutzvertrags finden ließ. Die letzte Chance dazu dürfte heute bei der Annahme der Tagesordnung bestehen. Denn ohne EU-Position steckt man in der Sackgasse.
Die Mitgliedstaaten könnten in Ermanglung eines Rechtsbeschlusses nicht einfach einzeln abstimmen. Die EU kann ihrerseits keine Stimme stellvertretend für die EU26 (Italien ist kein ECT Mitglied mehr) abgeben. Es bleibt ihr also nur, sich zu enthalten. Doch kann es ohne die Stimme von 26 von 53 Vertragsparteien überhaupt zur Abstimmung kommen?
Laut dem Energiechartavertrag nein. Die Abstimmung erfolgt nach dem Konsens-Prinzip. Will heißen: Die Reform scheitert lediglich, wenn jemand dagegen stimmt. Gleichzeitig besagt der Artikel 36(6) des ECT, dass es einer einfachen Mehrheit bedarf. Bei einer Enthaltung der EU bleiben noch 26 ECT-Parteien übrig, denn sowohl die EU als auch die EU26 fallen weg. Belarus ist zudem suspendiert und darf nicht abstimmen. Sogar wenn die restlichen 25 ECT-Parteien allesamt für die Modernisierung stimmen, würde man keine einfache Mehrheit erreichen.
In der Praxis ist ein solches Szenario ohnehin unwahrscheinlich. Es war die EU, die die Reform des umstrittenen Vertrags angestoßen hat. Andere ECT-Parteien, etwa Japan und Kasachstan, zeigten sich von Anfang an nicht von der Reform überzeugt.
Die EU-Kommission hofft also auf eine Vertagung der Abstimmung. Man wolle sich erst mit den EU-Mitgliedstaaten über die nächsten Schritte beraten. Mit einer Verschiebung der Abstimmung schiebt man das Problem aber nur auf: Die Energiecharta-Konferenz tagt nur einmal jährlich. “Dass wir dann im Limbo hängen, hat sich die Kommission selbst zu verschulden. Sie sollte nun den EU-Austritt einleiten”, sagt Christina Eckes, Dozentin für europäisches und öffentliches Recht an der Universität Amsterdam.
Unter EU-Diplomaten ist die Modernisierung des ECT bereits abgeschrieben. Die Stimmung für einen EU-Austritt sei im Rat konstruktiv. Am Donnerstag stimmt das EU-Parlament über seine Position zur Energiecharta ab. Das Votum ist allerdings eher symbolisch zu werten.
Doch ein Austritt aus der Energiecharta birgt ohne Modernisierung einige rechtliche Unsicherheiten, warnt Christian Tietje, Dozent für öffentliches Recht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Halle. Beispiel: Das Zusatzprotokoll, welches die EU, Euratom und die 26 Mitglieder des ETC unabhängig von der Modernisierung untereinander abschließen wollen. In diesem sogenannten inter-se Abkommen wollen sie sich dazu verpflichten, ECT-Klagen innerhalb der EU nicht zuzulassen und von der Verfallsklausel der Energiecharta abzusehen.
Doch ein solches Abkommen verhindert nicht, dass Investoren aus der EU gegen EU-Staaten klagen, warnt Tietje. “Die Schiedsgerichte müssten in jedem einzelnen Fall über die Gültigkeit des Abkommens entscheiden.” Unklar ist auch, ob die berüchtigte 20-jährige Verfallsklausel der Energiecharta mit einem Zusatzprotokoll wirklich aufgehoben werden kann.
Das Risiko einer Klage bliebe also über die Dauer der Verfallsklausel weiter bestehen. Bei Schiedsgerichten gibt es zudem keine Präzedenzfälle: Die Richter entscheiden also jeden Prozess aufs Neue, ob das Abkommen gültig ist.
Würde es zur Reform der Energiecharta kommen, wären zumindest intra-EU Klagen ausgeschlossen. Denn der modernisierte Text enthält eine Klausel, die die diese explizit aufhebt. Zwar dürften solche Klagen spätestens seit dem Komstroy-Urteil von 2021 theoretisch ohnehin obsolet sein, doch halten sich Schiedsgerichte nicht immer ans EU-Recht.
Ob Reform oder nicht: Ohne einheitliche EU-Position ist eine sichere Rechtslage nicht gegeben, warnt Christian Tietje. Tritt Deutschland etwa aus der Charta aus, bleibt es dennoch zu Teilen an die Charta gebunden, solange die EU im ECT verbleibt. Die problematischsten Aspekte des Investorenschutzvertrags, die Schiedsgerichte, sind zudem die Kompetenz der EU.
Das EU-Recht besagt zudem, dass sich Mitgliedstaaten nicht konträr zu EU-Positionen verhalten dürfen. Es besteht außerdem das Risiko, dass sich Schiedsverfahren verschieben: Ein Investor könnte etwa nach Ablauf der Verfallsklausel statt Deutschland die EU verklagen.
Die Kommission benutzt in ihren Pressemitteilungen eine schwer verständliche Sprache. Dieses Fazit zieht Christian Rauh vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, der rund 45.000 Pressemitteilungen der Kommission aus den Jahren 1985 bis 2020, die in englischer Sprache vorlagen, mithilfe von Algorithmen untersucht hat. Die öffentliche Politisierung der europäischen Integration zeige, dass es einen wachsenden Bedarf an Kommunikation in der EU-Politik gebe. “Die Botschaften, die die Kommission an die Bürger sendet, kommen diesem Bedürfnis aber nicht nach”, so Rauh weiter. Der Politologe attestiert der Kommission mit seiner Studie ein “beachtliches Defizit in der Kommunikation”.
Er kritisiert drei Punkte. Die Sprache der Kommission sei:
Rauh hat die Sprache der Kommission mit der Sprache in 92.000 Pressemitteilungen der Regierungen von Großbritannien und von Irland verglichen. Außerdem hat er sie mit journalistischen Artikeln und mit Aufsätzen aus der Wissenschaft in Beziehung gesetzt. Er kommt zu dem Schluss, dass die Sprache in britischen Pressemitteilungen in etwa auf dem Bildungsniveau von Texten aus der Oberstufe ist. Die Kommission benutze dagegen eine Sprache, die dem Bildungsniveau von Hochschulabsolventen angemessen sei. Die Kommission benutze so viele Fachausdrücke (“Jargon”), wie dies eher unter Wissenschaftlern üblich sei. In den Pressemitteilungen der Kommission seien die Sätze im Schnitt länger, auch die durchschnittliche Zahl der Silben von Wörtern sei höher. Was die Kommission in die öffentliche Debatte einspeise, unterscheide sich erheblich von der Sprache, auf die ein EU-Bürger sonst treffe.
Im Satzbau der Kommission kommen zudem auffällig häufig Substantiv-Strukturen vor. Dieser Nominalstil wird unterschieden von einer Sprache, die mehr auf Verben setzt (Verbalstil). Das Urteil der Linguisten: Nominalstil verschleiert eher, wer der Urheber einer Handlung ist, Verbalstil vermittelt eher konkrete Hinweise auf den Urheber. Die Pressemitteilungen der Kommission zeichneten sich aus durch einen “ungewöhnlich ausgeprägten Nominalstil”. Der Stil gebe “abstrakten Prozessen den Vorzug vor zeitlich identifizierbaren Handlungsabläufen”.
Rauh attestiert der Kommission Lernunfähigkeit: “Die technokratische Sprache hat sich im Laufe der letzten 35 Jahre der europäischen Integration so gut wie gar nicht verändert.” Dies gelte, obwohl die Kommission immer wieder einmal “Lippenbekenntnisse” für eine bessere Kommunikation mit dem Bürger abgegeben habe. Auch habe sie Geld investiert, um die Organisation, die Strategie und das Personal in der Kommunikation zu verbessern.
Der technokratische Stil der Kommission sei womöglich geeignet, um die politischen Profis im Rat und Europaparlament sowie bei den Lobbyisten zu erreichen. Der Stil der Sprache sei aber eine verpasste Chance in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit, die von einer zunehmenden politischen Polarisierung, hohen Stimmanteilen für EU-kritische Parteien sowie Politikern in den Mitgliedstaaten geprägt seien, die für Probleme gern Brüssel verantwortlich machten. Die Sprache der Technokraten spiele denjenigen in die Hände, die Brüssel ohnehin gern Bürgerferne attestierten.
23.11.-24.11.2022, Brüssel (Belgien)/online
ENISA, Conference Cybersecurity Market Analysis Conference
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) hosts a a policy debate in the area of cybersecurity market analysis. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 08:30-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Conference Solarplaza
Solarplaza is a conference for the global solar Photovoltaics industry. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 10:00-18:00 Uhr, online
TÜV, Konferenz AI Conference 2022
Der TÜV lädt zur Diskussion über vertrauenswürdige KI in der digitalen und grünen Transformation. INFOS & ANMELDUNG
23.11.2022 – 10:00-12:00 Uhr, online
ASEW, Diskussion Erfahrungsaustausch Wasserstoff
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) beleuchtet die aktuelle Fördersituation sowie Regulatorik von Wasserstoff. INFOS & ANMELDUNG
23.11.2022 – 14:00 Uhr, online
EBD De-Briefing AGRIFISH
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) informiert über die Sitzung des Rats der EU “Landwirtschaft und Fischerei” am 21./22.11. INFOS & ANMELDUNG
23.11.2022 – 14:00-15:00 Uhr, online
BEUC, Discussion The EU Ecolabel: what benefits for retailers?
The European Consumer Organisation (BEUC) discusses how retailers can keep widening the EU Ecolabel offer. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Discussion Does Europe Need a Hydrogen Network?
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the benefits of open energy modelling for infrastructure decision-making. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Hydrogen Europe, Discussion Critical raw materials for hydrogen – Building a resilient and sustainable supply chain
Hydrogen Europe discusses the EU regulatory and policy framework related to CRMs (such as the Critical Raw Materials Act) the eco-design and circularity initiatives, and how those impact the European hydrogen industry. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 19:00-21:30 Uhr, Berlin
Polis 180, Diskussion Tief in der Krise? Wohin steuert Europas Wirtschaft?
Polis 180 geht der Frage nach, ob wir uns aktuell in einer Wirtschaftskrise befinden oder ob uns diese erst bevorsteht. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 08:00-09:00 Uhr, online
BDI, Diskussion Cybersecurity – Sind wir den Cyberkriminellen schutzlos ausgeliefert?
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschäftigt sich mit dem Cyber Resilience Act (CRA) der EU-Kommission. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 09:00-19:00 Uhr, Berlin/online
BMWK, Konferenz Deutsch-französisches Energieforum: EU-Energie- und Klimaziele für 2030
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geht der Frage nach, welche Antworten die EU auf aktuelle geopolitische Problemstellungen im Bereich der Energie- und Klimapolitik liefern kann. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 09:00-16:30 Uhr, Berlin/ online
BSI AI Forum 2022
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sucht den Dialog mit internationalen Experten und allen Interessierten zum aktuellen Stand und den Herausforderungen bei der Auditierbarkeit von KI-Systemen. INFOS & REGISTRATION
24.11.2022 – 09:30-18:00 Uhr, Berlin
VIK Jahrestagung
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) setzt sich mit der unsicheren Gasversorgung und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Industrie, Bevölkerung und unser Klima auseinander. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 12:30-14:00 Uhr, Berlin
EC, Diskussion Die Global-Gateway-Strategie der EU: Mehrwert und Herausforderungen
Die Europäische Kommission (EC) diskutiert das Ziel der Global-Gateway-Strategie, den Ausbau von nachhaltigen Wirtschaftspartnerschaften mit geopolitischen Zielen zu verknüpfen. INFOS & ANMELDUNG
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich dafür ausgesprochen, die Massenfertigung von Solarpaneelen oder Windkraftanlagen in Europa finanziell zu fördern. Die von Berlin vorgeschlagene Europäische Plattform für Transformationstechnologien solle eine “breite Skalierung der Produktion in der Masse erlauben und direkte Zuschüsse ermöglichen“, sagte er am Montag nach einem Treffen mit Industrievertretern. Ein auf Innovationen ausgerichtetes IPCEI sei dafür nicht das bevorzugte Instrument.
Man diskutiere auf EU-Ebene derzeit, bei der Förderung Nachhaltigkeitskriterien wie den CO₂-Fußabdruck bei der Produktion zu berücksichtigen. Die Konsequenz wäre laut Habeck, “dass wir einen local content hätten, also eine regionalere Produktion, und Windkraftanlagen und Solarpaneele nicht über den halben Globus transportiert werden müssten”. Dadurch könne “eine strategische Umorientierung auf europäische Produktion erfolgen”.
Die Bundesregierung sucht, wie viele andere EU-Staaten, derzeit nach Wegen, den Ausbau der erneuerbaren Energien stark zu beschleunigen. Die neue Plattform soll dabei helfen, die Produktion von Solaranlagen, Windrädern, Wärmepumpen oder Elektrolyseuren in Europa hochzufahren. Der Handlungsdruck ist nochmal gewachsen, seitdem der US-Kongress den Inflation Reduction Act (IRA) beschlossen hat, der eine milliardenschwere Förderung für klimafreundliche Technologien vorsieht.
Die Regierungen in Berlin und Paris befürchten ebenso wie die EU-Kommission, dass Unternehmen lieber in den USA investieren statt in Europa. “Es braucht psychologisch für die Unternehmen eine Antwort, warum es richtig ist, weiter in Europa zu investieren und nicht unbedingt sofort der Einladung des amerikanischen Präsidenten” zu folgen, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Der Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Jörg Ebel, mahnte, an dem Standortwettbewerb nähmen auch China und Indien teil. Deutschland und Europa bräuchten eigene smarte Instrumente zur Unterstützung der Unternehmen. tho
EU-Kommission und US-Regierung wollen beim Handels- und Technologierat (TTC) am 5. Dezember einige konkrete Vorhaben vereinbaren. Das geht aus einem Entwurf der Abschlusserklärung hervor, den das französische Nachrichtenportal “Contexte” veröffentlichte. Das Treffen in Washington wird auf EU-Seite mit Spannung erwartet: Angesichts der Verstimmungen über den Inflation Reduction Act (IRA) sehen viele Beobachter darin einen Test, wie kooperationswillig die US-Regierung tatsächlich ist. Das sind die wesentlichen Projekte:
Im Streit um den Rechtsstaat in Ungarn bahnt sich eine neue Kraftprobe zwischen dem Europaparlament und der EU-Kommission an. Das Parlament will die Brüsseler Behörde auffordern, 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget bis auf Weiteres zurückzuhalten und nicht – wie dies die Kommission erwägt – noch in diesem Jahr freizugeben.
Die im September verhängte Finanzsperre dürfe erst dann aufgehoben werden, wenn “Beweise” für die “nachhaltige” Einhaltung der Rechtsstaats-Regeln vorliegen, fordern die Abgeordneten. Dies geht aus dem Entwurf einer Entschließung des Parlaments hervor, über die am Donnerstag abgestimmt wird und die Europe.Table vorliegt.
“Ursula von der Leyen darf sich von den Versprechen der ungarischen Regierung nicht blenden lassen”, sagte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Ungarns Regierungschef Viktor Orban müsse endlich liefern. “Darum muss das Geld jetzt eingefroren werden. Es darf erst freigegeben werden, wenn sich vor Ort tatsächlich etwas ändert.”
Die Kommission prüft derzeit die Erfüllung von 17 Maßnahmen, mit denen Orban gegen die Korruption kämpfen will. Eine Bewertung wird in der kommenden Woche erwartet. Die meisten Maßnahmen seien nicht umgesetzt worden, hieß es bei einer Aussprache der Europaabgeordneten am Montagabend in Straßburg.
Das letzte Wort haben die EU-Finanzminister. Sie wollen am 6. Dezember über das weitere Vorgehen beraten. Ungarn ist das erste EU-Land, dem Sanktionen nach der neuen Rechtsstaats-Konditionalität drohen. Daher kommt den Beratungen besondere Bedeutung zu. Sollte die EU ein Auge zudrücken, so wäre der Mechanismus wertlos, warnt Freund. ebo
An diesem Donnerstag wird im norditalienischen Bologna ein neuer Supercomputer namens LEONARDO nach seiner Testphase offiziell in Betrieb gehen. Auf der Liste der weltweit schnellsten Rechner steht LEONARDO hinter dem finnischen LUMI auf Platz vier. Die Plätze eins und zwei besetzen Hochleistungsrechner aus den USA (Frontier) und Japan (Fugaku).
LEONARDO ist damit der zweite Supercomputer der Spitzenklasse in Europa mit einer Rechenkapazität von 250 Petaflops (250 Millionen Milliarden Berechnungen pro Sekunde). Die Investition von 120 Millionen Euro kommt zu gleichen Teilen von der EU und einem Konsortium verschiedener Länder unter der Leitung Italiens.
Der Superrechner ermöglicht ein breites Spektrum an Anwendungen. So soll LEONARDO unter anderem einen digitalen Zwilling der Erde erstellen. Dieser soll helfen, die Auswirkungen von Naturkatastrophen besser vorhersagen zu können. Auch die vollständige Modellierung des menschlichen Gehirns sowie Anwendungen künstlicher Intelligenz gehören zu den Aufgaben des Hochleistungsrechners.
LEONARDO ist Teil des gemeinsamen Unternehmens für europäisches Hochleistungsrechnen. Im EuroHPC JU bündeln und koordinieren die EU und die EuroHPC-Teilnehmerländer sowie private Partner ihre Ressourcen, um Europa zu einem weltweit führenden Standort für Supercomputing zu machen. Bislang hat EuroHPC bereits acht Supercomputer in ganz Europa beschafft:
In Deutschland wird es zwei Standorte im Rahmen des EuroHPC geben: Im Jülich Supercomputing Centre entsteht mit Jupiter (Investitionsvolumen 500 Millionen Euro) gerade ein Exascale-Rechner, der mehr als eine Trillion Berechnungen pro Sekunde durchführen kann. Damit wird Jupiter der schnellste Supercomputer weltweit sein. Jupiter geht voraussichtlich 2024 an den Start.
Während Jupiter auf konventionelle Weise funktioniert, arbeiten Forscher parallel in Jülich, aber auch am Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München daran, Quantenprozessoren ins Supercomputing zu integrieren. Bis diese Technologie für reale Anwendungen genutzt werden kann, wird es jedoch voraussichtlich noch mindestens zehn Jahre dauern. vis
Die Europäische Kommission hat den Strategieplan der Bundesregierung zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) genehmigt. Nach einer langen Hängepartie gab die Brüsseler Behörde am Montag grünes Licht für die überarbeiteten Regeln für die Förderperiode ab 2023.
“Mit dem GAP-Strategieplan unterstützen wir den notwendigen Transformationsprozess der Landwirtschaft, stärken die Resilienz der landwirtschaftlichen Betriebe und helfen der Landwirtschaft, die Folgen der Klimakrise zu bewältigen”, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Mit den neuen Regeln soll die ökologische Bewirtschaftung gefördert und eine bessere Honorierung von Umwelt- und Klimaschutzleistungen gesichert werden.
Zur Umsetzung wird ein Begleitausschuss von Wirtschaft-, Sozial- und Umweltpartnern eingerichtet, der im Dezember seine Arbeit aufnehmen soll, kündigte das BMEL an. “Endlich ist diese Hängepartie beendet, das war längst überfällig”, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Für die Anbauplanung komme die Genehmigung jedoch zu spät, die Aussaat von Winterkulturen sei bereits abgeschlossen. Daneben werden durch das Regelwerk “die Bürokratie weiter zunehmen und die finanzielle Attraktivität von Umweltleistungen wie Eco-Schemes abnehmen”.
Durch den genehmigten Strategieplan stehen Deutschland jährlich rund sechs Milliarden Euro an EU-Agrarfördermitteln zur Verfügung. Der Genehmigung waren intensive und langwierige Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und EU-Ebene vorausgegangen. Dem ursprünglichen Text, größtenteils noch aus der Feder der Großen Koalition, erteilte die Kommission eine Absage. Insbesondere beim Klimaschutz und beim Erhalt der Biodiversität musste das BMEL nachjustieren. til
In einer Umbruchphase auf dem europäischen Strommarkt übernimmt der Vorstandsvorsitzende von Eon, Leonhard Birnbaum, übergangsweise die Leitung des wichtigsten europäischen Branchenverbandes Eurelectric. Birnbaum folgt damit auf Jean-Bernard Lévy, dem CEO von EDF, wie der Verband gestern mitteilte. Birnbaum werde die Rolle zunächst bis Juni 2023 ausüben, weil Eurelectric im März ein neues Präsidium wählt.
Der Eon-Manager war seit Mitte 2021 bereits Stellvertreter von Lévy. Der EDF-Chef war eigentlich für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt worden, einen Grund für sein vorzeitiges Ausscheiden gab Eurelectric nicht an.
“Der Stromsektor steht vor beispiellosen Herausforderungen”, sagte Birnbaum laut einer Mitteilung. “Wir bewegen uns in einem extremen Umfeld mit hohen Preisen, Versorgungsunterbrechungen und häufigen politischen Eingriffen in den Markt. Eine der wichtigsten Prioritäten wird es sein, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Kunden und der Sicherheit der Investoren zu finden. Die Entscheidungen, die wir in den kommenden Monaten treffen werden, werden für die Zukunft Europas entscheidend sein.” ber
Der amtierende Präsident der Eurogruppe, der irische Finanzminister Paschal Donohoe, hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit als Präsident der Eurogruppe. In diplomatischen Kreisen hieß es, der Ire können auf eine breite Unterstützung unter den Eurostaaten zählen. Donohoe ist bislang der einzige Anwärter auf den Vorsitz, der öffentlich sein Interesse bekundet hat. Die Bewerbungsfrist um das Amt des Präsidenten der Eurogruppe endet an diesem Donnerstag. Die 19 Euro-Finanzminister wollen am 5. Dezember über den Vorsitz abstimmen, die Amtszeit an der Spitze der Eurogruppe beträgt zweieinhalb Jahre.
Donohoe würde sein zweites Mandat Mitte Januar 2023 antreten, dann aber nicht mehr als Finanzminister. Hintergrund ist die für Dezember geplante Kabinettsumbildung der Regierung in Dublin. Danach soll Michael McGrath das Amt des Finanzministers übernehmen und Donohoe laut interner Absprache das Ministeramt für öffentliche Ausgaben und Reformen. An den Sitzungen der Eurogruppe würden dann Donohoe und McGrath teilnehmen. Das weicht von der Norm ab – in der Regel übernimmt ein Finanzminister eines Landes der Währungsunion den Vorsitz -, aber es gab in der Vergangenheit bereits eine Ausnahmeregelung.
In der Zeit von 2009 bis 2012 hatte Luxemburg ebenfalls zwei Vertreter in der Eurogruppe. Jean-Claude Juncker, in dieser Zeit Premier des Landes, war “Mr. Euro” und übte den Vorsitz aus. Luc Frieden vertrat als Finanzminister die Interessen des Großherzogtums in der Eurogruppe. Auf Luxemburg beruft sich Irland jetzt bei seinem Vorgehen.
Die zentrale Aufgabe der Eurogruppe ist es, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten des Euro-Gebiets eng zu koordinieren und abzustimmen. Donohoe hatte sein erstes Mandat als Präsident der Eurogruppe am 13. Juli 2020 angetreten. Der Ire hatte sich damals überraschend gegen seine spanische Kollegin Nadia Calviño durchgesetzt. cr
Bei einer Debatte zur EU-Waldstrategie kritisierte der Agrarrat die fortschreitende Fragmentierung der waldbezogenen Politikfelder der EU (Europe.Table berichtete). Auch die Zusammenarbeit zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und Interessengruppen müsse verbessert werden, um einen kohärenten Rahmen für die Forstpolitik in der EU zu garantieren, hieß es aus den Reihen der Minister bei ihrer Sitzung am Montag in Brüssel.
“Welches Verständnis hat die Kommission von einer gemeinsamen Strategie?”, fragte Botschafterin Helen Winter, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vertrat, und forderte von der Brüsseler Behörde weitere konkrete Vorschläge zur Umsetzung sowie verstärkte Anstrengungen für eine intensivere Zusammenarbeit.
Die Einsetzung einer Arbeitsgruppe unter dem Dach des ständigen Forstausschusses sowie eine Reform desselben sei zu begrüßen. Dazu müsse der Ausschuss öfter einberufen werden, um die von der Kommission für das zweite Quartal 2023 angekündigte Verordnung zur Waldüberwachung vorzubereiten. “Die große Anzahl parallel laufender Regularien, die den Wald betreffen, stellen auch Deutschland vor große Herausforderungen”, so Winter.
Im Juli vergangenen Jahres legte die Kommission eine neue EU-Waldstrategie bis 2030 vor, die mit den Zielen des Green Deal und der Biodiversitätsstrategie im Einklang stehen soll. Als Energiequelle, Rohstofflieferant, CO₂-Speicher und als Lebensraum für unzählige Arten muss der Wald eine Vielzahl an Aufgaben erfüllen. Gleichzeitig steht er aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse und Schädlinge enorm unter Druck und die Situation ist von Region zu Region unterschiedlich. til
Eigentlich wollte Christiane Barth Journalistin werden. Sie studierte Politikwissenschaft und Anglistik in Mannheim, arbeitete für die Allgemeine Zeitung, hospitierte bei der Süddeutschen Zeitung und dem ZDF. Doch während eines Praktikums beim Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer packte sie die Begeisterung. “Brüssel ist ein sehr junges, internationales und dynamisches Umfeld”, sagt Barth. “Das hat mich nicht mehr losgelassen.” Andere im Europäischen Parlament studierten Europäische Politik in Maastricht oder Brügge. Für den Master entschied sie sich deshalb für Maastricht.
Danach arbeitete sie ein paar Monate im Verbindungsbüro der grünen Bundestagsfraktion in Brüssel, bevor sie 2017 zum VKU wechselte. Dort legte Barth eine steile Karriere hin: Vor fünf Jahren wurde sie Referentin im Brüsseler VKU-Büro, vor zwei Jahren stieg sie zur Büroleiterin auf – mit gerade einmal 28 Jahren. Das Brüssel-Fieber hat sie nicht mehr losgelassen. “Ich wollte nur ein bis zwei Jahre hier arbeiten. Jetzt bin ich seit sechs Jahren in Brüssel und will auch bleiben”, sagt Barth.
Der VKU ist die deutsche Interessenvertretung der kommunalen Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft, mit mehr als 1500 Mitgliedsunternehmen. Das System von Stadtwerken und Wasserversorgern gibt es in dieser Form europaweit sonst nur in Österreich. In anderen EU-Staaten wurde die Daseinsvorsorge privatisiert. Deshalb richtet sich Barth mit ihren vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Brüssel vor allem an die deutschen Abgeordneten. “Jeder Abgeordneter hat auch ein kommunales Unternehmen zu Hause im Wahlkreis”, sagt sie. Deshalb sei das Verständnis für die Probleme der Mitgliedsunternehmen in der Regel größer.
Aktuell bewegen sie und ihr Team die von der Kommission im Oktober vorgestellten Notfallmaßnahmen für die Energiekrise. 15 Mitgliedsstaaten haben zuletzt einen Gaspreisdeckel gefordert. Es sei gut, dass die EU-Kommission sehr vorsichtig ist bei einem generellen Preisdeckel, sagt Barth. “Ein Deckel könnte die EU-Position im internationalen Wettbewerb um knappes Gas schwächen. Wir sorgen uns, dass Europa kein Gas mehr bekommt.” Dass Brüssel für die EU gemeinsam Gas einkaufen will, würde Europa stärken. Doch in der Umsetzung der Maßnahmen fordert der VKU mehr Flexibilität, weil das deutsche System einzigartig ist.
Eine Forderung des VKU hat die Kommission jetzt angestoßen: Die Beihilferegelung soll zeitlich befristet geändert werden, damit nationale Hilfen zugelassen werden können. Davon könnten hiesige Stadtwerke profitieren. “Wir prüfen gerade, ob dieser zeitlich befristete Rahmen der Kommission ausreicht”, sagt Barth.
Als kleine Lobby-Gruppe in Brüssel vernetzen sich Barth und ihr Team mit anderen, darunter der Dachverband SGI Europe, einer der von der Kommission anerkannter Sozialpartner. “Wir haben einen sehr regelmäßigen Austausch mit der kommunalen Familie, also mit dem Städtetag, Städte- und Gemeindebund und Landkreistag.” Und natürlich mit dem Verband kommunaler Unternehmen Österreichs (VKOE), sowie je nach Thema mit Umwelt- und Industrieverbänden.
Knapp viermal im Jahr lädt das Brüsseler VKU-Büro zum “Wasser-Frühstück”, das sich an alle richtet, die sich mit der Wasserwirtschaft beschäftigen. Knapp 15 bis 20 Personen nehmen daran regelmäßig teil. Für die Mitgliedsunternehmen hat der VKU einen besonderen Service. Sie können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Woche lang zum Hospitieren nach Brüssel schicken. Tom Schmidtgen
nun hat ihn die Kommission doch noch vorgelegt: den Gesetzentwurf zum Gaspreisdeckel. Mehrere Mitgliedstaaten sollen damit gedroht haben, die nächste Notfallverordnung zur Energiekrise zu blockieren, falls den Energieministern vor ihrem Treffen am Donnerstag kein Entwurf vorgelegt wird. Doch die Kommission will eine weitere Bedingung stellen: Wird der market correction mechanism tatsächlich aktiviert, will sie das Gassparziel über März 2023 hinaus verlängern. Noch am Freitag wollten die Ständigen Vertreter dagegen sämtliche Bedingungen für den Preisdeckel streichen, wie Manuel Berkel erfuhr.
Heute findet die Energiecharta-Konferenz in der Mongolei statt. Dass es dort zu einer Reform des Investorenschutzvertrages kommen wird, ist unwahrscheinlich. Bei einem Gutteil der Regierungen in der EU – so wie Deutschland, Frankreich und Niederlande – wie auch bei Klimaschützern stößt sie auf Ablehnung. Folglich fehlt der EU das Mandat, dieser Reform zuzustimmen, berichtet Charlotte Wirth. Der letzte Ausweg der EU-Kommission ist ein Klassiker für den Fall, wenn eigentlich nichts mehr geht: Sie versucht, die Abstimmung zu verschieben.
Ein literarisches Vergnügen der besonderen Art hat sich ein Politologe aus Berlin gegönnt. Christian Rauh vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat rund 45.000 Pressemitteilungen der Kommission aus den Jahren 1985 bis 2020, die in englischer Sprache vorlagen, mithilfe von Algorithmen untersucht. Sein Fazit: Die Kommission habe ein “beachtliches Defizit” in der Kommunikation, berichtet Markus Grabitz. Die Sprache sei sehr komplex, gespickt mit Spezialausdrücken, zudem bevorzuge die Kommission den Nominalstil.
Mit der Notfallverordnung will die Kommission für ein Jahr extrem hohe Gaspreise wie im vergangenen Sommer begrenzen. Über die Eckpunkte des market correction mechanism hatte Europe.Table bereits berichtet. Einen konkreten Wert für den Preisdeckel lässt auch der Gesetzentwurf vom Montag noch offen. Allerdings hat die Kommission gegenüber den Eckpunkten eine Reihe von Änderungen vorgenommen.
Im Sommer hatten sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt, den Gasverbrauch bis März 2023 um 15 Prozent zu senken. Durch einen erneuten Beschluss kann dieses Ziel verpflichtend werden. Mit dem aktuellen Entwurf will die Kommission nun verhindern, dass die EU-Staaten trotz der politisch gesetzten Preisbremse mehr Gas verbrauchen. Falls der Gaspreisdeckel aktiviert wird, sollte die Kommission deshalb einen weiteren Gesetzesvorschlag vorlegen, um das Gassparziel über März hinaus zu verlängern, heißt es in der Begründung.
Innerhalb von zwei Wochen nach Aktivierung des Preisdeckels sollen die Mitgliedstaaten der Kommission außerdem darlegen, welche Maßnahmen sie bereits ergriffen haben, damit der Gas- und der Stromverbrauch nicht ansteigen und die jüngst beschlossenen Gas- und Stromsparziele erreicht werden.
In das Monitoring der Folgen des Gaspreisdeckels sollen nun neben der EZB, der Finanzaufsichtsbehörde ESMA und der Energieaufsichtsbehörde ACER auch Wirtschaftsverbände einbezogen werden – über die Koordinierungsgruppe Gas und die Gasnetzbetreiber-Organisation ENTSOG. In Ersterer ist auch der europäische Verbraucherschutzverband BEUC vertreten.
Die Kommission will zudem die Bedingungen nachschärfen, bei denen sie den Gaspreisdeckel aussetzen kann. “Jede Art von Gasrationierung” soll nun ausreichen, um den Mechanismus zu stoppen. Das soll nun auch gelten, falls “die Gültigkeit bestehender Gaslieferverträge” beeinträchtigt wird – die Eckpunkte bezogen sich lediglich auf Langzeitverträge.
Falls die Stabilität der Energieterminmärkte bedroht ist, sollen ESMA und ENTSOG im Notfall noch am selben Tag eine Einschätzung abgeben, die zum Aussetzen des Gaspreisdeckels führen kann.
In die völlig entgegengesetzte Richtung lief am Freitag allerdings die Debatte im Coreper. Wie Europe.Table erfuhr, wollte eine Mehrheit der Mitgliedstaaten den Artikel mit den Sicherheitsbedingungen für die Einführung des market correction mechanism komplett streichen. Heftige Gegenwehr kam daraufhin vor allem von Deutschland, den Niederlanden und Dänemark. Am Mittwoch beraten die Ständigen Vertreter erneut, bevor am Donnerstag die Energieminister zusammenkommen.
In dem Kommissionsentwurf steht außerdem, bis wann die Kommission über eine Verlängerung der Notfallverordnung entscheiden will. Bis zum 1. November 2023 will sie eine Evaluation vorlegen, die Grundlage für die Entscheidung sein soll.
Der EU fehlt das Mandat, um bei der heutigen Energiecharta-Konferenz in der Mongolei der Modernisierung des umstrittenen Investorenschutzvertrages zuzustimmen. Ist die Reform also gescheitert? “Der Modernisierungsprozess ist vorbei”, drückt es jedenfalls ein EU-Diplomat aus. Ähnlich sieht es der EVP Abgeordnete Christian Ehler (CDU). Die Bundesregierung habe “intellektuellen und politischen Selbstmord begangen“, indem sie ihren Austritt angekündigt und die Reform der Charta blockiert habe.
Die EU-Kommission versucht weiterhin, die Abstimmung zu verschieben, nachdem sich am Freitag im Ausschuss der ständigen Vertreter keine qualifizierte Mehrheit für die Reform des Investorenschutzvertrags finden ließ. Die letzte Chance dazu dürfte heute bei der Annahme der Tagesordnung bestehen. Denn ohne EU-Position steckt man in der Sackgasse.
Die Mitgliedstaaten könnten in Ermanglung eines Rechtsbeschlusses nicht einfach einzeln abstimmen. Die EU kann ihrerseits keine Stimme stellvertretend für die EU26 (Italien ist kein ECT Mitglied mehr) abgeben. Es bleibt ihr also nur, sich zu enthalten. Doch kann es ohne die Stimme von 26 von 53 Vertragsparteien überhaupt zur Abstimmung kommen?
Laut dem Energiechartavertrag nein. Die Abstimmung erfolgt nach dem Konsens-Prinzip. Will heißen: Die Reform scheitert lediglich, wenn jemand dagegen stimmt. Gleichzeitig besagt der Artikel 36(6) des ECT, dass es einer einfachen Mehrheit bedarf. Bei einer Enthaltung der EU bleiben noch 26 ECT-Parteien übrig, denn sowohl die EU als auch die EU26 fallen weg. Belarus ist zudem suspendiert und darf nicht abstimmen. Sogar wenn die restlichen 25 ECT-Parteien allesamt für die Modernisierung stimmen, würde man keine einfache Mehrheit erreichen.
In der Praxis ist ein solches Szenario ohnehin unwahrscheinlich. Es war die EU, die die Reform des umstrittenen Vertrags angestoßen hat. Andere ECT-Parteien, etwa Japan und Kasachstan, zeigten sich von Anfang an nicht von der Reform überzeugt.
Die EU-Kommission hofft also auf eine Vertagung der Abstimmung. Man wolle sich erst mit den EU-Mitgliedstaaten über die nächsten Schritte beraten. Mit einer Verschiebung der Abstimmung schiebt man das Problem aber nur auf: Die Energiecharta-Konferenz tagt nur einmal jährlich. “Dass wir dann im Limbo hängen, hat sich die Kommission selbst zu verschulden. Sie sollte nun den EU-Austritt einleiten”, sagt Christina Eckes, Dozentin für europäisches und öffentliches Recht an der Universität Amsterdam.
Unter EU-Diplomaten ist die Modernisierung des ECT bereits abgeschrieben. Die Stimmung für einen EU-Austritt sei im Rat konstruktiv. Am Donnerstag stimmt das EU-Parlament über seine Position zur Energiecharta ab. Das Votum ist allerdings eher symbolisch zu werten.
Doch ein Austritt aus der Energiecharta birgt ohne Modernisierung einige rechtliche Unsicherheiten, warnt Christian Tietje, Dozent für öffentliches Recht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Halle. Beispiel: Das Zusatzprotokoll, welches die EU, Euratom und die 26 Mitglieder des ETC unabhängig von der Modernisierung untereinander abschließen wollen. In diesem sogenannten inter-se Abkommen wollen sie sich dazu verpflichten, ECT-Klagen innerhalb der EU nicht zuzulassen und von der Verfallsklausel der Energiecharta abzusehen.
Doch ein solches Abkommen verhindert nicht, dass Investoren aus der EU gegen EU-Staaten klagen, warnt Tietje. “Die Schiedsgerichte müssten in jedem einzelnen Fall über die Gültigkeit des Abkommens entscheiden.” Unklar ist auch, ob die berüchtigte 20-jährige Verfallsklausel der Energiecharta mit einem Zusatzprotokoll wirklich aufgehoben werden kann.
Das Risiko einer Klage bliebe also über die Dauer der Verfallsklausel weiter bestehen. Bei Schiedsgerichten gibt es zudem keine Präzedenzfälle: Die Richter entscheiden also jeden Prozess aufs Neue, ob das Abkommen gültig ist.
Würde es zur Reform der Energiecharta kommen, wären zumindest intra-EU Klagen ausgeschlossen. Denn der modernisierte Text enthält eine Klausel, die die diese explizit aufhebt. Zwar dürften solche Klagen spätestens seit dem Komstroy-Urteil von 2021 theoretisch ohnehin obsolet sein, doch halten sich Schiedsgerichte nicht immer ans EU-Recht.
Ob Reform oder nicht: Ohne einheitliche EU-Position ist eine sichere Rechtslage nicht gegeben, warnt Christian Tietje. Tritt Deutschland etwa aus der Charta aus, bleibt es dennoch zu Teilen an die Charta gebunden, solange die EU im ECT verbleibt. Die problematischsten Aspekte des Investorenschutzvertrags, die Schiedsgerichte, sind zudem die Kompetenz der EU.
Das EU-Recht besagt zudem, dass sich Mitgliedstaaten nicht konträr zu EU-Positionen verhalten dürfen. Es besteht außerdem das Risiko, dass sich Schiedsverfahren verschieben: Ein Investor könnte etwa nach Ablauf der Verfallsklausel statt Deutschland die EU verklagen.
Die Kommission benutzt in ihren Pressemitteilungen eine schwer verständliche Sprache. Dieses Fazit zieht Christian Rauh vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, der rund 45.000 Pressemitteilungen der Kommission aus den Jahren 1985 bis 2020, die in englischer Sprache vorlagen, mithilfe von Algorithmen untersucht hat. Die öffentliche Politisierung der europäischen Integration zeige, dass es einen wachsenden Bedarf an Kommunikation in der EU-Politik gebe. “Die Botschaften, die die Kommission an die Bürger sendet, kommen diesem Bedürfnis aber nicht nach”, so Rauh weiter. Der Politologe attestiert der Kommission mit seiner Studie ein “beachtliches Defizit in der Kommunikation”.
Er kritisiert drei Punkte. Die Sprache der Kommission sei:
Rauh hat die Sprache der Kommission mit der Sprache in 92.000 Pressemitteilungen der Regierungen von Großbritannien und von Irland verglichen. Außerdem hat er sie mit journalistischen Artikeln und mit Aufsätzen aus der Wissenschaft in Beziehung gesetzt. Er kommt zu dem Schluss, dass die Sprache in britischen Pressemitteilungen in etwa auf dem Bildungsniveau von Texten aus der Oberstufe ist. Die Kommission benutze dagegen eine Sprache, die dem Bildungsniveau von Hochschulabsolventen angemessen sei. Die Kommission benutze so viele Fachausdrücke (“Jargon”), wie dies eher unter Wissenschaftlern üblich sei. In den Pressemitteilungen der Kommission seien die Sätze im Schnitt länger, auch die durchschnittliche Zahl der Silben von Wörtern sei höher. Was die Kommission in die öffentliche Debatte einspeise, unterscheide sich erheblich von der Sprache, auf die ein EU-Bürger sonst treffe.
Im Satzbau der Kommission kommen zudem auffällig häufig Substantiv-Strukturen vor. Dieser Nominalstil wird unterschieden von einer Sprache, die mehr auf Verben setzt (Verbalstil). Das Urteil der Linguisten: Nominalstil verschleiert eher, wer der Urheber einer Handlung ist, Verbalstil vermittelt eher konkrete Hinweise auf den Urheber. Die Pressemitteilungen der Kommission zeichneten sich aus durch einen “ungewöhnlich ausgeprägten Nominalstil”. Der Stil gebe “abstrakten Prozessen den Vorzug vor zeitlich identifizierbaren Handlungsabläufen”.
Rauh attestiert der Kommission Lernunfähigkeit: “Die technokratische Sprache hat sich im Laufe der letzten 35 Jahre der europäischen Integration so gut wie gar nicht verändert.” Dies gelte, obwohl die Kommission immer wieder einmal “Lippenbekenntnisse” für eine bessere Kommunikation mit dem Bürger abgegeben habe. Auch habe sie Geld investiert, um die Organisation, die Strategie und das Personal in der Kommunikation zu verbessern.
Der technokratische Stil der Kommission sei womöglich geeignet, um die politischen Profis im Rat und Europaparlament sowie bei den Lobbyisten zu erreichen. Der Stil der Sprache sei aber eine verpasste Chance in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit, die von einer zunehmenden politischen Polarisierung, hohen Stimmanteilen für EU-kritische Parteien sowie Politikern in den Mitgliedstaaten geprägt seien, die für Probleme gern Brüssel verantwortlich machten. Die Sprache der Technokraten spiele denjenigen in die Hände, die Brüssel ohnehin gern Bürgerferne attestierten.
23.11.-24.11.2022, Brüssel (Belgien)/online
ENISA, Conference Cybersecurity Market Analysis Conference
The European Union Agency for Cybersecurity (ENISA) hosts a a policy debate in the area of cybersecurity market analysis. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 08:30-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Conference Solarplaza
Solarplaza is a conference for the global solar Photovoltaics industry. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 10:00-18:00 Uhr, online
TÜV, Konferenz AI Conference 2022
Der TÜV lädt zur Diskussion über vertrauenswürdige KI in der digitalen und grünen Transformation. INFOS & ANMELDUNG
23.11.2022 – 10:00-12:00 Uhr, online
ASEW, Diskussion Erfahrungsaustausch Wasserstoff
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) beleuchtet die aktuelle Fördersituation sowie Regulatorik von Wasserstoff. INFOS & ANMELDUNG
23.11.2022 – 14:00 Uhr, online
EBD De-Briefing AGRIFISH
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) informiert über die Sitzung des Rats der EU “Landwirtschaft und Fischerei” am 21./22.11. INFOS & ANMELDUNG
23.11.2022 – 14:00-15:00 Uhr, online
BEUC, Discussion The EU Ecolabel: what benefits for retailers?
The European Consumer Organisation (BEUC) discusses how retailers can keep widening the EU Ecolabel offer. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Discussion Does Europe Need a Hydrogen Network?
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the benefits of open energy modelling for infrastructure decision-making. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
Hydrogen Europe, Discussion Critical raw materials for hydrogen – Building a resilient and sustainable supply chain
Hydrogen Europe discusses the EU regulatory and policy framework related to CRMs (such as the Critical Raw Materials Act) the eco-design and circularity initiatives, and how those impact the European hydrogen industry. INFOS & REGISTRATION
23.11.2022 – 19:00-21:30 Uhr, Berlin
Polis 180, Diskussion Tief in der Krise? Wohin steuert Europas Wirtschaft?
Polis 180 geht der Frage nach, ob wir uns aktuell in einer Wirtschaftskrise befinden oder ob uns diese erst bevorsteht. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 08:00-09:00 Uhr, online
BDI, Diskussion Cybersecurity – Sind wir den Cyberkriminellen schutzlos ausgeliefert?
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beschäftigt sich mit dem Cyber Resilience Act (CRA) der EU-Kommission. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 09:00-19:00 Uhr, Berlin/online
BMWK, Konferenz Deutsch-französisches Energieforum: EU-Energie- und Klimaziele für 2030
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geht der Frage nach, welche Antworten die EU auf aktuelle geopolitische Problemstellungen im Bereich der Energie- und Klimapolitik liefern kann. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 09:00-16:30 Uhr, Berlin/ online
BSI AI Forum 2022
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sucht den Dialog mit internationalen Experten und allen Interessierten zum aktuellen Stand und den Herausforderungen bei der Auditierbarkeit von KI-Systemen. INFOS & REGISTRATION
24.11.2022 – 09:30-18:00 Uhr, Berlin
VIK Jahrestagung
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) setzt sich mit der unsicheren Gasversorgung und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Industrie, Bevölkerung und unser Klima auseinander. INFOS & ANMELDUNG
24.11.2022 – 12:30-14:00 Uhr, Berlin
EC, Diskussion Die Global-Gateway-Strategie der EU: Mehrwert und Herausforderungen
Die Europäische Kommission (EC) diskutiert das Ziel der Global-Gateway-Strategie, den Ausbau von nachhaltigen Wirtschaftspartnerschaften mit geopolitischen Zielen zu verknüpfen. INFOS & ANMELDUNG
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat sich dafür ausgesprochen, die Massenfertigung von Solarpaneelen oder Windkraftanlagen in Europa finanziell zu fördern. Die von Berlin vorgeschlagene Europäische Plattform für Transformationstechnologien solle eine “breite Skalierung der Produktion in der Masse erlauben und direkte Zuschüsse ermöglichen“, sagte er am Montag nach einem Treffen mit Industrievertretern. Ein auf Innovationen ausgerichtetes IPCEI sei dafür nicht das bevorzugte Instrument.
Man diskutiere auf EU-Ebene derzeit, bei der Förderung Nachhaltigkeitskriterien wie den CO₂-Fußabdruck bei der Produktion zu berücksichtigen. Die Konsequenz wäre laut Habeck, “dass wir einen local content hätten, also eine regionalere Produktion, und Windkraftanlagen und Solarpaneele nicht über den halben Globus transportiert werden müssten”. Dadurch könne “eine strategische Umorientierung auf europäische Produktion erfolgen”.
Die Bundesregierung sucht, wie viele andere EU-Staaten, derzeit nach Wegen, den Ausbau der erneuerbaren Energien stark zu beschleunigen. Die neue Plattform soll dabei helfen, die Produktion von Solaranlagen, Windrädern, Wärmepumpen oder Elektrolyseuren in Europa hochzufahren. Der Handlungsdruck ist nochmal gewachsen, seitdem der US-Kongress den Inflation Reduction Act (IRA) beschlossen hat, der eine milliardenschwere Förderung für klimafreundliche Technologien vorsieht.
Die Regierungen in Berlin und Paris befürchten ebenso wie die EU-Kommission, dass Unternehmen lieber in den USA investieren statt in Europa. “Es braucht psychologisch für die Unternehmen eine Antwort, warum es richtig ist, weiter in Europa zu investieren und nicht unbedingt sofort der Einladung des amerikanischen Präsidenten” zu folgen, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. Der Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Jörg Ebel, mahnte, an dem Standortwettbewerb nähmen auch China und Indien teil. Deutschland und Europa bräuchten eigene smarte Instrumente zur Unterstützung der Unternehmen. tho
EU-Kommission und US-Regierung wollen beim Handels- und Technologierat (TTC) am 5. Dezember einige konkrete Vorhaben vereinbaren. Das geht aus einem Entwurf der Abschlusserklärung hervor, den das französische Nachrichtenportal “Contexte” veröffentlichte. Das Treffen in Washington wird auf EU-Seite mit Spannung erwartet: Angesichts der Verstimmungen über den Inflation Reduction Act (IRA) sehen viele Beobachter darin einen Test, wie kooperationswillig die US-Regierung tatsächlich ist. Das sind die wesentlichen Projekte:
Im Streit um den Rechtsstaat in Ungarn bahnt sich eine neue Kraftprobe zwischen dem Europaparlament und der EU-Kommission an. Das Parlament will die Brüsseler Behörde auffordern, 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget bis auf Weiteres zurückzuhalten und nicht – wie dies die Kommission erwägt – noch in diesem Jahr freizugeben.
Die im September verhängte Finanzsperre dürfe erst dann aufgehoben werden, wenn “Beweise” für die “nachhaltige” Einhaltung der Rechtsstaats-Regeln vorliegen, fordern die Abgeordneten. Dies geht aus dem Entwurf einer Entschließung des Parlaments hervor, über die am Donnerstag abgestimmt wird und die Europe.Table vorliegt.
“Ursula von der Leyen darf sich von den Versprechen der ungarischen Regierung nicht blenden lassen”, sagte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Ungarns Regierungschef Viktor Orban müsse endlich liefern. “Darum muss das Geld jetzt eingefroren werden. Es darf erst freigegeben werden, wenn sich vor Ort tatsächlich etwas ändert.”
Die Kommission prüft derzeit die Erfüllung von 17 Maßnahmen, mit denen Orban gegen die Korruption kämpfen will. Eine Bewertung wird in der kommenden Woche erwartet. Die meisten Maßnahmen seien nicht umgesetzt worden, hieß es bei einer Aussprache der Europaabgeordneten am Montagabend in Straßburg.
Das letzte Wort haben die EU-Finanzminister. Sie wollen am 6. Dezember über das weitere Vorgehen beraten. Ungarn ist das erste EU-Land, dem Sanktionen nach der neuen Rechtsstaats-Konditionalität drohen. Daher kommt den Beratungen besondere Bedeutung zu. Sollte die EU ein Auge zudrücken, so wäre der Mechanismus wertlos, warnt Freund. ebo
An diesem Donnerstag wird im norditalienischen Bologna ein neuer Supercomputer namens LEONARDO nach seiner Testphase offiziell in Betrieb gehen. Auf der Liste der weltweit schnellsten Rechner steht LEONARDO hinter dem finnischen LUMI auf Platz vier. Die Plätze eins und zwei besetzen Hochleistungsrechner aus den USA (Frontier) und Japan (Fugaku).
LEONARDO ist damit der zweite Supercomputer der Spitzenklasse in Europa mit einer Rechenkapazität von 250 Petaflops (250 Millionen Milliarden Berechnungen pro Sekunde). Die Investition von 120 Millionen Euro kommt zu gleichen Teilen von der EU und einem Konsortium verschiedener Länder unter der Leitung Italiens.
Der Superrechner ermöglicht ein breites Spektrum an Anwendungen. So soll LEONARDO unter anderem einen digitalen Zwilling der Erde erstellen. Dieser soll helfen, die Auswirkungen von Naturkatastrophen besser vorhersagen zu können. Auch die vollständige Modellierung des menschlichen Gehirns sowie Anwendungen künstlicher Intelligenz gehören zu den Aufgaben des Hochleistungsrechners.
LEONARDO ist Teil des gemeinsamen Unternehmens für europäisches Hochleistungsrechnen. Im EuroHPC JU bündeln und koordinieren die EU und die EuroHPC-Teilnehmerländer sowie private Partner ihre Ressourcen, um Europa zu einem weltweit führenden Standort für Supercomputing zu machen. Bislang hat EuroHPC bereits acht Supercomputer in ganz Europa beschafft:
In Deutschland wird es zwei Standorte im Rahmen des EuroHPC geben: Im Jülich Supercomputing Centre entsteht mit Jupiter (Investitionsvolumen 500 Millionen Euro) gerade ein Exascale-Rechner, der mehr als eine Trillion Berechnungen pro Sekunde durchführen kann. Damit wird Jupiter der schnellste Supercomputer weltweit sein. Jupiter geht voraussichtlich 2024 an den Start.
Während Jupiter auf konventionelle Weise funktioniert, arbeiten Forscher parallel in Jülich, aber auch am Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München daran, Quantenprozessoren ins Supercomputing zu integrieren. Bis diese Technologie für reale Anwendungen genutzt werden kann, wird es jedoch voraussichtlich noch mindestens zehn Jahre dauern. vis
Die Europäische Kommission hat den Strategieplan der Bundesregierung zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) genehmigt. Nach einer langen Hängepartie gab die Brüsseler Behörde am Montag grünes Licht für die überarbeiteten Regeln für die Förderperiode ab 2023.
“Mit dem GAP-Strategieplan unterstützen wir den notwendigen Transformationsprozess der Landwirtschaft, stärken die Resilienz der landwirtschaftlichen Betriebe und helfen der Landwirtschaft, die Folgen der Klimakrise zu bewältigen”, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Mit den neuen Regeln soll die ökologische Bewirtschaftung gefördert und eine bessere Honorierung von Umwelt- und Klimaschutzleistungen gesichert werden.
Zur Umsetzung wird ein Begleitausschuss von Wirtschaft-, Sozial- und Umweltpartnern eingerichtet, der im Dezember seine Arbeit aufnehmen soll, kündigte das BMEL an. “Endlich ist diese Hängepartie beendet, das war längst überfällig”, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands. Für die Anbauplanung komme die Genehmigung jedoch zu spät, die Aussaat von Winterkulturen sei bereits abgeschlossen. Daneben werden durch das Regelwerk “die Bürokratie weiter zunehmen und die finanzielle Attraktivität von Umweltleistungen wie Eco-Schemes abnehmen”.
Durch den genehmigten Strategieplan stehen Deutschland jährlich rund sechs Milliarden Euro an EU-Agrarfördermitteln zur Verfügung. Der Genehmigung waren intensive und langwierige Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und EU-Ebene vorausgegangen. Dem ursprünglichen Text, größtenteils noch aus der Feder der Großen Koalition, erteilte die Kommission eine Absage. Insbesondere beim Klimaschutz und beim Erhalt der Biodiversität musste das BMEL nachjustieren. til
In einer Umbruchphase auf dem europäischen Strommarkt übernimmt der Vorstandsvorsitzende von Eon, Leonhard Birnbaum, übergangsweise die Leitung des wichtigsten europäischen Branchenverbandes Eurelectric. Birnbaum folgt damit auf Jean-Bernard Lévy, dem CEO von EDF, wie der Verband gestern mitteilte. Birnbaum werde die Rolle zunächst bis Juni 2023 ausüben, weil Eurelectric im März ein neues Präsidium wählt.
Der Eon-Manager war seit Mitte 2021 bereits Stellvertreter von Lévy. Der EDF-Chef war eigentlich für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt worden, einen Grund für sein vorzeitiges Ausscheiden gab Eurelectric nicht an.
“Der Stromsektor steht vor beispiellosen Herausforderungen”, sagte Birnbaum laut einer Mitteilung. “Wir bewegen uns in einem extremen Umfeld mit hohen Preisen, Versorgungsunterbrechungen und häufigen politischen Eingriffen in den Markt. Eine der wichtigsten Prioritäten wird es sein, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Kunden und der Sicherheit der Investoren zu finden. Die Entscheidungen, die wir in den kommenden Monaten treffen werden, werden für die Zukunft Europas entscheidend sein.” ber
Der amtierende Präsident der Eurogruppe, der irische Finanzminister Paschal Donohoe, hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit als Präsident der Eurogruppe. In diplomatischen Kreisen hieß es, der Ire können auf eine breite Unterstützung unter den Eurostaaten zählen. Donohoe ist bislang der einzige Anwärter auf den Vorsitz, der öffentlich sein Interesse bekundet hat. Die Bewerbungsfrist um das Amt des Präsidenten der Eurogruppe endet an diesem Donnerstag. Die 19 Euro-Finanzminister wollen am 5. Dezember über den Vorsitz abstimmen, die Amtszeit an der Spitze der Eurogruppe beträgt zweieinhalb Jahre.
Donohoe würde sein zweites Mandat Mitte Januar 2023 antreten, dann aber nicht mehr als Finanzminister. Hintergrund ist die für Dezember geplante Kabinettsumbildung der Regierung in Dublin. Danach soll Michael McGrath das Amt des Finanzministers übernehmen und Donohoe laut interner Absprache das Ministeramt für öffentliche Ausgaben und Reformen. An den Sitzungen der Eurogruppe würden dann Donohoe und McGrath teilnehmen. Das weicht von der Norm ab – in der Regel übernimmt ein Finanzminister eines Landes der Währungsunion den Vorsitz -, aber es gab in der Vergangenheit bereits eine Ausnahmeregelung.
In der Zeit von 2009 bis 2012 hatte Luxemburg ebenfalls zwei Vertreter in der Eurogruppe. Jean-Claude Juncker, in dieser Zeit Premier des Landes, war “Mr. Euro” und übte den Vorsitz aus. Luc Frieden vertrat als Finanzminister die Interessen des Großherzogtums in der Eurogruppe. Auf Luxemburg beruft sich Irland jetzt bei seinem Vorgehen.
Die zentrale Aufgabe der Eurogruppe ist es, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten des Euro-Gebiets eng zu koordinieren und abzustimmen. Donohoe hatte sein erstes Mandat als Präsident der Eurogruppe am 13. Juli 2020 angetreten. Der Ire hatte sich damals überraschend gegen seine spanische Kollegin Nadia Calviño durchgesetzt. cr
Bei einer Debatte zur EU-Waldstrategie kritisierte der Agrarrat die fortschreitende Fragmentierung der waldbezogenen Politikfelder der EU (Europe.Table berichtete). Auch die Zusammenarbeit zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und Interessengruppen müsse verbessert werden, um einen kohärenten Rahmen für die Forstpolitik in der EU zu garantieren, hieß es aus den Reihen der Minister bei ihrer Sitzung am Montag in Brüssel.
“Welches Verständnis hat die Kommission von einer gemeinsamen Strategie?”, fragte Botschafterin Helen Winter, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vertrat, und forderte von der Brüsseler Behörde weitere konkrete Vorschläge zur Umsetzung sowie verstärkte Anstrengungen für eine intensivere Zusammenarbeit.
Die Einsetzung einer Arbeitsgruppe unter dem Dach des ständigen Forstausschusses sowie eine Reform desselben sei zu begrüßen. Dazu müsse der Ausschuss öfter einberufen werden, um die von der Kommission für das zweite Quartal 2023 angekündigte Verordnung zur Waldüberwachung vorzubereiten. “Die große Anzahl parallel laufender Regularien, die den Wald betreffen, stellen auch Deutschland vor große Herausforderungen”, so Winter.
Im Juli vergangenen Jahres legte die Kommission eine neue EU-Waldstrategie bis 2030 vor, die mit den Zielen des Green Deal und der Biodiversitätsstrategie im Einklang stehen soll. Als Energiequelle, Rohstofflieferant, CO₂-Speicher und als Lebensraum für unzählige Arten muss der Wald eine Vielzahl an Aufgaben erfüllen. Gleichzeitig steht er aufgrund zunehmender Extremwetterereignisse und Schädlinge enorm unter Druck und die Situation ist von Region zu Region unterschiedlich. til
Eigentlich wollte Christiane Barth Journalistin werden. Sie studierte Politikwissenschaft und Anglistik in Mannheim, arbeitete für die Allgemeine Zeitung, hospitierte bei der Süddeutschen Zeitung und dem ZDF. Doch während eines Praktikums beim Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer packte sie die Begeisterung. “Brüssel ist ein sehr junges, internationales und dynamisches Umfeld”, sagt Barth. “Das hat mich nicht mehr losgelassen.” Andere im Europäischen Parlament studierten Europäische Politik in Maastricht oder Brügge. Für den Master entschied sie sich deshalb für Maastricht.
Danach arbeitete sie ein paar Monate im Verbindungsbüro der grünen Bundestagsfraktion in Brüssel, bevor sie 2017 zum VKU wechselte. Dort legte Barth eine steile Karriere hin: Vor fünf Jahren wurde sie Referentin im Brüsseler VKU-Büro, vor zwei Jahren stieg sie zur Büroleiterin auf – mit gerade einmal 28 Jahren. Das Brüssel-Fieber hat sie nicht mehr losgelassen. “Ich wollte nur ein bis zwei Jahre hier arbeiten. Jetzt bin ich seit sechs Jahren in Brüssel und will auch bleiben”, sagt Barth.
Der VKU ist die deutsche Interessenvertretung der kommunalen Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft, mit mehr als 1500 Mitgliedsunternehmen. Das System von Stadtwerken und Wasserversorgern gibt es in dieser Form europaweit sonst nur in Österreich. In anderen EU-Staaten wurde die Daseinsvorsorge privatisiert. Deshalb richtet sich Barth mit ihren vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Brüssel vor allem an die deutschen Abgeordneten. “Jeder Abgeordneter hat auch ein kommunales Unternehmen zu Hause im Wahlkreis”, sagt sie. Deshalb sei das Verständnis für die Probleme der Mitgliedsunternehmen in der Regel größer.
Aktuell bewegen sie und ihr Team die von der Kommission im Oktober vorgestellten Notfallmaßnahmen für die Energiekrise. 15 Mitgliedsstaaten haben zuletzt einen Gaspreisdeckel gefordert. Es sei gut, dass die EU-Kommission sehr vorsichtig ist bei einem generellen Preisdeckel, sagt Barth. “Ein Deckel könnte die EU-Position im internationalen Wettbewerb um knappes Gas schwächen. Wir sorgen uns, dass Europa kein Gas mehr bekommt.” Dass Brüssel für die EU gemeinsam Gas einkaufen will, würde Europa stärken. Doch in der Umsetzung der Maßnahmen fordert der VKU mehr Flexibilität, weil das deutsche System einzigartig ist.
Eine Forderung des VKU hat die Kommission jetzt angestoßen: Die Beihilferegelung soll zeitlich befristet geändert werden, damit nationale Hilfen zugelassen werden können. Davon könnten hiesige Stadtwerke profitieren. “Wir prüfen gerade, ob dieser zeitlich befristete Rahmen der Kommission ausreicht”, sagt Barth.
Als kleine Lobby-Gruppe in Brüssel vernetzen sich Barth und ihr Team mit anderen, darunter der Dachverband SGI Europe, einer der von der Kommission anerkannter Sozialpartner. “Wir haben einen sehr regelmäßigen Austausch mit der kommunalen Familie, also mit dem Städtetag, Städte- und Gemeindebund und Landkreistag.” Und natürlich mit dem Verband kommunaler Unternehmen Österreichs (VKOE), sowie je nach Thema mit Umwelt- und Industrieverbänden.
Knapp viermal im Jahr lädt das Brüsseler VKU-Büro zum “Wasser-Frühstück”, das sich an alle richtet, die sich mit der Wasserwirtschaft beschäftigen. Knapp 15 bis 20 Personen nehmen daran regelmäßig teil. Für die Mitgliedsunternehmen hat der VKU einen besonderen Service. Sie können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Woche lang zum Hospitieren nach Brüssel schicken. Tom Schmidtgen