Table.Briefing: Europe

Fiskalreform + China als Rivale + Lehren aus Katar-Gate

Liebe Leserin, lieber Leser,

für die Kommission ist klar: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt kann nicht bleiben wie er war. Doch nach lautstarken Forderungen der Ampel, dass es fixe Benchmark-Werte brauche, will Brüssel auf die Berliner Kritik eingehen. Table.Media kennt den Vorschlag, der heute von der Kommission vorgestellt werden wird. Kernpunkte darin: Künftig will man den Ländern nationale Referenzpfade für die Haushaltssanierung vorgeben, dazu soll es einige feste Kriterien geben, berichten Till Hoppe und Christoph Roche.

China, China und nochmals China. Darum ging es bei der großen Table-Media “China-Strategie 2023”. Ein zentraler Punkt: China als Rivale und wie man mit dieser Herausforderung umgehen kann und muss. Für die EU stellt das eine besondere Herausforderung dar, schreibt Michael Radunski.

Katar-Gate ist noch längst nicht aufgeklärt. Und das Europaparlament muss mehr tun, um das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Das mahnte gestern die europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly bei der Vorstellung ihres aktuellen Tätigkeitsberichts an. Welche Versäumnisse sie genau kritisiert lesen Sie in unseren News.

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Alina Leimbach
Bild von Alina  Leimbach

Analyse

Fiskalreform: So will die Kommission die Regierungen zum Sparen anhalten

Die EU-Kommission schlägt eine Abkehr von den bisherigen Haushaltsregeln für die EU-Staaten vor. Die Brüsseler Behörde will den Ländern künftig nationale Referenzpfade für die Haushaltssanierung vorgeben. Diese sollen die Grundlage für Verhandlungen mit den Regierungen über deren mittelfristige Fiskal- und Reformpläne sein. Der Vorschlag wird heute vorgestellt, der Entwurf lag unseren Kollegen von “Contexte” vor.

Die Kommission soll bei den Referenzpfaden einige Kriterien beachten:

  • der Schuldenstand soll nach vier Jahren niedriger sein als zu Beginn der Periode
  • die Nettoprimärausgaben (ohne Zinslasten, Einmalaufwendungen und zyklische Ausgaben für Arbeitslosigkeit) sollen geringer steigen als das Potenzialwachstum der Wirtschaft
  • die Konsolidierung soll nicht innerhalb der Periode nach hinten geschoben werden können (kein Backloading)
  • liegt das erwartete Haushaltsdefizit bei über drei Prozent des BIP, sollen die Ausgaben um mindestens 0,5 Prozent jährlich gesenkt werden – wohl auch ohne Einleitung eines Defizitverfahrens.

“Substanzielle Zugeständnisse” an Berlin

Die Kommission geht damit ein Stück weit auf die Bedenken der Bundesregierung ein. Die Ampel-Koalition fordert feste Kriterien für die nationalen Ausgabepfade und Fiskalpläne, um den Ermessensspielraum der Kommission zu begrenzen. So sollten die Primärausgaben hoch verschuldeter Staaten um mindestens ein Prozent unter dem Potenzialwachstum ihrer Wirtschaft liegen, schrieb die Bundesregierung Anfang April in einem Positionspapier. Zudem sollten diese Länder ihren Schuldenstand um mindestens einen Prozentpunkt pro Jahr reduzieren müssen.

So konkret wird die Kommission in ihrem Vorschlag nicht, über den am Dienstag noch final in der Behörde verhandelt wurde. Der Entwurf enthalte aber deutliche Verbesserungen zu einer früheren Fassung, heißt es in Berlin. Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner hatten in Brüssel interveniert, um noch Verbesserungen aus deutscher Sicht zu erreichen.

Nils Redeker, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre in Berlin, sieht ebenfalls “substanzielle Zugeständnisse” an die Ampel-Koalition. “Es wäre schwer nachzuvollziehen, wenn die Bundesregierung jetzt nicht gesprächsbereit wäre“, sagte er.

Wie verhält sich Lindner?

Bundesfinanzminister Christian Lindner erneuerte am Dienstag allerdings seine Grundsatzkritik an dem neuen Ansatz: “Statt bilateraler Verfahren und Verhandlungen brauchen wir ein funktionierendes System von Fiskalregeln, das zu einer Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten führt”, schrieb der FDP-Chef in einem Gastbeitrag für die “Financial Times”. Eine Reform des Stabilitätspaktes sei nur dann akzeptabel, wenn sie den existierenden Rahmen deutlich verbessere.

Die Kommission hofft, mit dem neuen Regelwerk das Wachstum fördern und gleichzeitig die Schuldentragfähigkeit in den Mitgliedstaaten verbessern zu können. Weiterhin gelten sollen die Obergrenzen für die Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung und 60 Prozent für die Gesamtverschuldung.

Individuelle Pläne statt fester Regeln

Im Unterschied zu den heutigen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sollen die Staaten diese Vorgaben mit individuellen Plänen erreichen. Die Grundlage dafür soll die Kommission mit einer Analyse zur Schuldentragfähigkeit und einem Referenzpfad für die Haushaltssanierung liefern. Pauschale Vorgaben wie die Ein-Zwanzigstel-Regel, die einen Abbau der übermäßigen Schulden um fünf Prozent jährlich vorsieht, sind aus Sicht der Behörde inzwischen unrealistisch.

Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Staaten ihre Haushaltspläne auf vier Jahre anlegen. Der Zeitraum kann um bis zu drei Jahre verlängert werden, wenn sich eine Regierung zu einschlägigen Reformen und öffentlichen Investitionen etwa in den Klimaschutz verpflichtet. Kommission und EU-Rat müssen die nationalen Pläne billigen und verabschieden.

Verstärkte Kontrolle und Transparenz

Die Kommission will zur Überwachung der individuellen nationalen Haushalte erstmals mehrjährige Kontrollkonten einrichten, inwieweit die Länder den Ausgabenpfad einhalten. Dabei werden zum Ende der Periode jährliche Abweichungen vom Ausgabenpfad nach oben und unten zusammengefasst bilanziert.

Ferner wird die Kommission jährliche Fortschrittsberichte veröffentlichen. Für zusätzliche Transparenz sorgen soll, dass Kommission wie Mitgliedstaaten ihre Berechnungen jeweils veröffentlichen sollen. Bei der Erstellung ihrer mehrjährigen Haushalte sollen die Mitgliedstaaten die Meinung einer unabhängigen nationalen Einrichtung mit Fiskalexpertise einbeziehen.

Kommission will strenger durchgreifen

Weichen die Mitgliedstaaten dennoch vom Nettoausgabenpfad ab, will die Kommission künftig strenger durchgreifen. Das reguläre Defizitverfahren bei einem überhöhten Haushaltsfehlbetrag (EDP) soll weiterhin greifen. Bei der Entscheidung soll die Kommission berücksichtigen, ob bei dem Mitgliedstaat eine “substanzielle” Herausforderung bei der Staatsverschuldung vorliegt. Basis dafür soll der aktuelle Debt Sustainability Monitor sein.

Liegt ein Mitgliedstaat über der Drei-Prozent-Grenze, müssen die Regierungen das Defizit pro Jahr um mindestens 0,5 Prozent des BIP verringern. Stellt der Rat einen Verstoß dagegen fest, drohen dem jeweiligen Land Strafzahlungen in Höhe von maximal 0,5 Prozent des BIP. Dies würde allerdings erst über einen Zeitraum von frühestens fünf Jahren erreicht, da die Strafzahlungen maximal 0,05 Prozent des BIP alle sechs Monate erreichen können. Von Till Hoppe und Christof Roche

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China: Europa kann sich geopolitisch nicht wegducken

Michael Roth ließ kein gutes Haar an der gemeinsamen China-Reise von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. “Ich fühle mich verschaukelt. Das war verheerend“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag am Dienstag in Berlin. Es ging um China als Rivale im zweiten Teil der “China-Strategie 2023” von Table.Media mit mehr als 30 hochkarätigen China-Expertinnen und -Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

Roth wies Deutschland eine besondere Rolle im Verhältnis zu China zu: Einerseits werde man als starke Wirtschaftsnation in Peking besonders gut gehört. Andererseits sei man aber auch am meisten verwundbar. Man müsse sich deshalb eng mit den Partnern in Europa abstimmen – und keine Kakofonie wie zwischen von der Leyen und Macron aufkommen lassen.

Kein Widerspruch zwischen Orientierung an Werten und Interessen

Roth sieht hierbei auch keinen Widerspruch zwischen werteorientierter und interessengeleiteter Außenpolitik. “Das führen die alten außenpolitischen Schlachtrösser gerne an. Das finde ich arg old fashioned. Das ist 20. Jahrhundert.”   

Reinhard Bütikofer (Grüne), China-Experte im Europaparlament, gab zu bedenken, dass die EU nun mal eine Organisation sei, die stolz ist auf ihre Einheit in Vielfalt. “Die EU wird nie mit nur einer Stimme sprechen. Aber wir sollten keine Widersprüche aufkommen lassen.” Macron habe sich in Peking auf ein Ästchen locken lassen, mit dem er dann abgebrochen sei. Aber klar ist laut Bütikofer: “Europa kann sich seiner globalen Verantwortung nicht entziehen. Das sollte sich auch der französische Präsident in Erinnerung rufen.”

Patrick Köllner, Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien, nannte den Indo-Pazifik das neue strategische Gravitationszentrum in Asien. Es sei keine natürliche Weltregion. Vielmehr sei der frühere, hauptsächlich durch wirtschaftliche Themen charakterisierte Asien-Pazifik-Raum bewusst auf Indien und den Indischen Ozean erweitert worden, sagte Köllner. Der Übergang von Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik markiert die eigentliche Zeitenwende” in der internationalen Asienpolitik, so der Vizepräsident des German Institute for Global and Area Studies (Giga). Denn durch die Hinzunahme Indiens sei die Gefahr einer Hegemonie Chinas in der Region kleiner.

Köllner führte als Belege des neuen geopolitisch geprägten Indo-Pazifik-Zeitalters neue Allianzen wie Quad oder Aukus an. Hier würden Milliarden für Rüstungsgüter wie Atom-U-Boote investiert. Für Köllner “eine gewagte und teure Wette auf die Zukunft.” Es sei fraglich, ob China sich davon beeinflussen lasse oder als Gegenmaßnahme sogar schnell Fakten schaffen werde, beispielsweise in Bezug auf Taiwan.

Gefahr – für Taiwan und Privatsphäre

May-Britt Stumbaum vom Center for Intelligence and Security Studies (CISS) in München stellte klar: Sollte es zu einem Krieg um Taiwan kommen, würden in Deutschland einige Fließbänder stillstehen und etliche Regale leer bleiben. Taiwan ist nicht nur eine historische Mission oder ein Erbe, das zu Ende gebracht werden muss. Taiwan ist eine ganz knallharte strategische Überlegung.” China gehe es um eine Position auf der ersten Inselkette, mit direktem Zugang zur Tiefsee. Staatschef Xi Jinping bereite derzeit die militärische Option vor, sagte Stumbaum.

Tim Rühlig von der DGAP machte auf ein weiteres Thema aufmerksam: das Setzen von technischen oder Privatssphäre-Standards. Auch hier übernehme China zunehmend eine führende Rolle – mit weitreichenden Konsequenzen: von praktischen Wettbewerbsvorteilen, über Patentgebühren, bis hin zu Auswirkungen auf politische und gesellschaftliche Werte. Derartige Details müssten in der deutschen China-Strategie bedacht werden.

Mehr China-Kompetenz nötig

Doch wer soll diese Strategie formulieren? Marina Rudyak, Sinologin der Universität Heidelberg, mahnte: “In den USA ist es so: Je mehr dort China als Rivale wahrgenommen wird, desto mehr wird in China-Kompetenz investiert. Bei uns in Deutschland ist das Gegenteil der Fall: Je schwieriger das Verhältnis zu China wird, desto weniger wollen wir uns in Deutschland damit auseinandersetzen. Das ist wenig strategisch.”

Cora Jungbluth von der Bertelsmann Stiftung stimmte ihr zu und betonte, dass China-Kompetenz bei Weitem nicht nur in den Bundesministerien fehle. “China-Ausbildung wird auf allen Ebenen benötigt, nicht nur in den Bundesministerien. Da muss man schon in der Ausbildung ansetzen.” Viele chinesische Direktinvestitionen spielten sich auf kommunaler Ebene ab. Gerade dort aber sei China-Kompetenz nicht sonderlich ausgeprägt.

Mikko Huotari versuchte dann, den Fokus zurück in die aktuelle Situation zu holen. Aktuell fehle es nicht am China-Verständnis, sagte der Direktor des Berliner China-Instituts Merics. “Wir haben eine sehr klare Analyse vorliegen, wo die innenpolitische Entwicklung Chinas hingeht, wohin sich das Verhältnis zwischen China und den USA entwickeln wird. Nun gehe es darum, Handlungskompetenz zu erarbeiten. Es ist wichtig, dass wir nicht komplett in die Defensive verfallen, sondern schauen, wo unsere Interessen liegen und dann versuchen, die so gut wie möglich mit den Partnern durchzusetzen.” Von Michael Radunski

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News

Nachhaltige Flugkraftstoffe: SAF-Quoten im Trilog beschlossen

In der Nacht auf Mittwoch haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission erstmals auf verpflichtende Beimischquoten für nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) geeinigt. Dazu gehören auch Unterquoten für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels), deren Verwendung im Flugverkehr unumstritten ist. SAF können sowohl synthetisch hergestellt werden als auch biogenen Ursprungs sein, also aus organischen Abfällen. Ausgeschlossen sind Biokraftstoffe, die aus Lebens- und Futtermittelpflanzen hergestellt werden.

  • Ab 2025 müssen Flugzeuge mindestens 2 Prozent SAF tanken
  • Ab 2030 mindestens 6 Prozent SAF und jährlich mindestens 0,7 Prozent synthetische SAF. Ab 2032 steigt die jährliche Mindestquote für synthetische SAF auf 1,2 Prozent, ab 2034 auf 2 Prozent.
  • Ab 2035 mindestens 20 Prozent SAF, darunter mindestens 5 Prozent synthetische SAF
  • Ab 2040 mindestens 34 Prozent SAF, darunter mindestens 10 Prozent synthetische SAF
  • Ab 2045 mindestens 42 Prozent SAF, darunter mindestens 15 Prozent synthetische SAF
  • Ab 2050 mindestens 70 Prozent SAF, darunter mindestens 35 Prozent synthetische SAF

Offen war noch in den Verhandlungen, ob bei der Herstellung synthetischer SAF auch Kernenergie als “kohlenstoffarm” zugelassen ist. Das Ergebnis macht keine Unterscheidung zwischen erneuerbaren Energiequellen und Kernenergie. Somit hat sich Frankreich durchgesetzt, da es seine Kernkraftwerke nutzen will, um die Quoten zu erreichen.

Das Gesetz Refuel-EU Aviation ist Teil des Fit-for-55-Pakets und das ordnungsrechtliche Instrument zur Erreichung der Klimaziele für den Flugverkehr. Die Emissionsreduktionsziele des Flugsektors wurden ebenfalls angehoben. luk

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Nach Korruptionsskandal: Bürgerbeauftragte mahnt weitreichende Reformen an

Das Europaparlament muss mehr tun, um den immer noch nicht vollständig aufgeklärten Korruptionsskandal um Katar und führende EU-Abgeordnete (“Katar-Gate“) zu überwinden und das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Zu diesem Urteil kommt die europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly in ihrem neuen Tätigkeitsbericht, den sie am Dienstag in Brüssel vorgelegt hat.

Sie habe keinen Grund, am guten Willen von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu zweifeln, die eine vollständige Aufklärung angekündigt hat, sagte O’Reilly. Sie mache sich jedoch Sorgen, weil es Widerstand gegen die angekündigten Reformen gebe. Als Beispiel nannte sie die kürzlich eingeführte sogenannte Abkühlperiode für ehemalige Abgeordnete.

“Sechs Monate sind keine echte Abkühlperiode”

Die EU-Parlamentarier sollen künftig frühestens sechs Monate nach Ende ihres Mandats das Recht erhalten, als Lobbyisten tätig zu werden. Das sei zu kurz, so O’Reilly. “Sechs Monate sind keine echte Abkühlperiode.” Kritik äußerte sie auch an einem geplanten Beratergremium, das mögliche Interessenkonflikte von Abgeordneten untersuchen soll. Die Unabhängigkeit lasse zu wünschen übrig.

Metsola müsse mehr tun, forderte O’Reilly. Der Skandal sei “ein Risiko für den Ruf der gesamten EU“, sagte O’Reilly. Parlamentspräsidentin Metsola hatte sogar von einem “Angriff auf die europäische Demokratie” gesprochen. “Ohne moralische Autorität gibt es keine politische Legitimität”, warnte die Bürgerbeauftragte rund ein Jahr vor der nächsten Europawahl, die im Frühjahr 2024 stattfinden soll.

Parlamentarier sieht Etikettenschwindel

Kritik kam auch aus dem Parlament. Von den angekündigten 14 Reformen sei bisher nur eine umgesetzt worden, sagte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund zu Table.Media. Dass für die Abkühlphase eine “Minimallösung” gewählt wurde, sei auch Metsolas Schuld – denn sie habe die entscheidende Gegenstimme gegen eine ehrgeizigere Reform abgegeben.

“Wenn das die Antwort auf den Korruptionsskandal ist, dann gute Nacht”, sagte Freund. Beunruhigend sei auch, dass die vom Parlament geforderte neue Ethikbehörde, die gegen Interessenkonflikte vorgehen und schärfere Transparenzregeln durchsetzen soll, auf sich warten lasse. Erste Entwürfe der EU-Kommission deuteten auf einen “Etikettenschwindel” hin. Der Vorschlag wird im Mai erwartet. ebo

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Due Diligence: EP beschließt “Director’s Duty”

Der Vorschlag von Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) für das Sorgfaltspflichtengesetz, hat bei der Abstimmung im Rechtsausschuss (JURI) eine deutliche Mehrheit bekommen. 19 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und drei Enthaltungen lautete das Ergebnis am Dienstag. Grüne, Renew und EVP stimmten auch dafür.

Die großen Züge der Parlamentsposition standen schon gestern fest. Allerdings war bis zuletzt unsicher, ob die sogenannte “Director’s Duty”-Klausel es in den finalen Text schafft. Dabei geht es um die Frage, ob die Bezahlung der Vorstände an die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und Klimaübergangspläne gekoppelt sein soll. Nun steht fest: Der Punkt wurde mit knapper Mehrheit (13:12) angenommen. Besonders die EVP wehrte sich bis zuletzt gegen die Klausel. Jener Punkt habe “nichts mit der Gesetzgebung zur Lieferkette zu tun“, kommentierte beispielsweise CDU-Schattenberichterstatter Axel Voss.

Die Abstimmung ist für das Miniplenum in Brüssel am 1. Juni geplant. Obwohl Berichterstatterin Lara Wolters Zugeständnisse machen musste (Ausschluss der KMU, keine umgekehrte Beweispflicht, verzögerte Umsetzung), bleibt ihr Kompromiss deutlich ehrgeiziger als der Kommissionsvorschlag und die Ratsposition. Im Trilog dürften der Geltungsbereich des Gesetzes, die Rolle der Finanzbranche, die zivilrechtliche Haftung und die Bezahlung der Vorstände große Hürden darstellen. cw

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Methan-Verordnung: Paulus schärft Vorschlag

Die Co-Berichterstatterin im Industrieausschuss, Jutta Paulus (Grüne), ist zuversichtlich, dass der Kompromisstext zur Methan-Verordnung heute in den beiden federführenden Ausschüssen angenommen wird. Und dies, obwohl der Text restriktiver ist als der Vorschlag der EU-Kommission. Die Verordnung soll das Austreten von Methan aus Gas- und Ölfeldern sowie der Kohleindustrie regulieren.

Ihr Text ist ehrgeiziger als der Vorschlag der Kommission und die Ratsposition: Sie will der fossilen Industrie strengere Normen auferlegen. “Alle Fraktionen haben für den Text gestimmt, mit Ausnahme der ID-Fraktion und der Linken beim Kohleteil”, so Paulus. Die Abgeordnete unterstreicht die Zusage der anderen Gruppen, bei der Abstimmung im Ausschuss nicht in letzter Minute Änderungsanträge einzubringen. Der Bericht wird heute in den Ausschüssen für Umwelt (ENVI) und Industrie (ITRE) abgestimmt. Wenn er angenommen wird, stimmt das Parlament am 9. Mai ab, danach könnten die Triloge beginnen.

“Klimakiller Methan”

Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, entweicht aus undichten Pipelines, veralteten Ventilen und schlecht gewarteten Gasnetzen. Es wird auch bei der Ölförderung ungenutzt in die Atmosphäre entlassen oder strömt aus den Schächten von Kohleminen. Dabei haben schon geringe Mengen klimaschädigende Wirkung: Über einen Zeitraum von 20 Jahren sind die Schäden durch Methan über 80 Mal so hoch wie die von CO₂, unterstrich Paulus: “Methan ist einen echten Klimakiller.”

Ihr Bericht will, dass bis 2025 verbindliche Ziele für die Reduzierung der Methanemissionen in der EU festgelegt werden. Vor allem aber zielen die Kompromissänderungsanträge darauf ab, Erzeuger aus Drittländern an die neuen EU-Verpflichtungen zu binden. “Der Mechanismus erinnert an CBAM“, erklärte Jutta Paulus. Das heißt im Fall der Methan-Verordnung, dass Importeure von Kohle, Gas und Öl in die EU ab 2026 nachweisen müssen, dass ihre Importe die Maßnahmen der EU-Verordnung zur Schätzung und Reparatur von Methanlecks erfüllen. Die EU-Kommission schätzt, dass 75 bis 90 Prozent der in der EU erfassten Methan-Emissionen durch Importe fossiler Energien aus Drittländern entstehen. cst

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DSA: Breton benennt 19 VLOPS und VLOSE

Welche Plattformen und Suchmaschinenanbieter gelten als so groß, dass sie unmittelbar unter die Kommissionskontrolle nach dem Digital Services Act fallen sollen? Die Antwort darauf hat EU-Digitalkommissar Thierry Breton gestern bekannt gegeben. Er führte aus, welche Anbieter in der EU mehr als 45 Millionen tägliche Nutzer haben und damit unter die Aufsicht der Kommission kommen sollen.

Die Liste entspricht dem, was Europe.Table schon im Februar erwartete: Neben den Suchanbietern Google und Bing (VLOSE) sollen 17 “besonders große Onlineplattformen” (VLOPS) unter die direkte Aufsicht der DG Connect fallen: der chinesische Onlinehändler AliExpress, der Amazon Store, der deutsche Onlinehändler Zalando, Apples App Store und die niederländische Hotelbuchungsplattform Booking zählen dazu. Auch die Google-Dienste Maps, Shopping und Play fallen unter die Aufsicht der Kommission. Außerdem: die sozialen Netzwerke Twitter, Facebook, Instagram, Pinterest, Snapchat, die Videoplattformen TikTok und YouTube sowie die gemeinnützige Wikipedia.

Die benannten Suchmaschinen und Plattformen müssen unter dem DSA ab 25. August zusätzliche Pflichten erfüllen. “Sie können sich nicht länger hinter länglichen Nutzungsbedingungen verstecken”, sagte Breton bei einem Pressegespräch. Als systemisch relevante Anbieter müssen sie Klartext-Zusammenfassungen ihrer Nutzungsbedingungen in allen EU-Sprachen anbieten und ein Opt-Out aus profilbasierten Empfehlungsalgorithmen vorhalten. Bei Anzeigen wird die Verwendung von sensiblen Daten im Sinne der Datenschutzgrundverordnung verboten. KI-generierte Inhalte, die potenziell als Desinformation gelten, müssen als solche gekennzeichnet werden.

Nutzer müssen mit deutlichen Änderungen rechnen

Die wohl größte Veränderung für die Nutzer dürfte es bei den Vorschriften zur Inhaltemoderation liegen. Der DSA schreibt vor, dass Plattformen und Suchmaschinenanbieter gegen alle illegalen Inhalte vorgehen müssen – und damit gegen deutlich mehr Inhalte als etwa unter dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, für das es einen abschließenden Katalog an Straftatbeständen gibt. Ebenfalls relevant für Plattform-Nutzer: der DSA verbietet die Nutzung irreführender Oberflächengestaltung, sogenannte Dark Patterns. Kinder müssen unter dem DSA-Regime besonders geschützt werden – Kontrollsysteme für Eltern und Altersverifikationssysteme werden Pflicht, ausdrücklich an Kinder gerichtete Werbung ist verboten. Für die Umsetzung dieser Verpflichtungen fehlen jedoch vorerst noch Ausführungsbestimmungen.

Breton will Musk und Zuckerberg treffen

Breton nutzt die Aufmerksamkeit rund um die DSA-Einführung auch für Treffen mit den Großen der Branche: Im Juni, schreibt Breton in einem LinkedIn-Posting, wolle er Elon Musk im Twitter-Hauptquartier treffen. Er warte noch auf eine entsprechende Einladung des TikTok-Betreibers Bytedance und sei auch bereit, mit Mark Zuckerberg zu sprechen. Offenbar gibt es auch hier noch keinen Termin. Breton erwartet von den Betreibern, zum 25. August startklar zu sein, um den neuen Verpflichtungen nachzukommen.

Nicht unter den benannten Plattformen zu finden ist einer der umstrittensten Anbieter. Gegen Telegram läuft in Deutschland ein Verfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Pflichten aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. “Sofern Telegram nicht von der Kommission als sehr große Online-Plattform benannt wird, wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterhin bis zum 17. Februar 2024 Anwendung finden und das Bundesamt für Justiz für dessen Durchsetzung zuständig bleiben”, teilte das zuständige Bundesjustizministerium auf Table.Media-Anfrage mit. Telegram könnte auch zu einem späteren Zeitpunkt noch von der Kommission als VLOP klassifiziert werden.

Das deutsche Umsetzungsgesetz zum Digital Services Act, mit dem dann auch die übrigen Plattformen und Suchmaschinenanbieter – wenn auch weniger als die größten Anbieter – weitere Pflichten erfüllen müssen, soll laut Digitalministerium im Juli ins Bundeskabinett eingebracht werden. Dann muss feststehen, welche Behörde die deutsche Aufsicht koordiniert. fst

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AI Act: ChatGPT kein Hochrisikosystem

KI-Systeme für allgemeine Zwecke (General Purpose AI, GPAI), werden im Parlamentsentwurf zum AI Act nicht per se als Hochrisikosysteme eingestuft. Einen entsprechenden Eintrag in Anhang III haben die Berichterstatter wieder gestrichen, wie Table.Media aus Verhandlungskreisen erfuhr.

KI-Systeme für allgemeine Zwecke sind solche, die für ein breites Spektrum von Anwendungen eingesetzt und an diese angepasst werden können, für die sie nicht absichtlich und speziell entwickelt wurden. Darunter fallen auch große Sprachmodelle wie ChatGPT. Viele Beobachter hatten befürchtet, dass sie als Hochrisikosysteme eingestuft werden könnten.

Weitgehende Einigung auf technischer Ebene

Dies widerspricht aber der Systematik des Gesetzes, das eine Regulierung für bestimmte Anwendungsgebiete und dort wiederum für bestimmte Anwendungen vorsieht. GPAI ist aber schon der Definition nach für keinen bestimmten Anwendungsfall entwickelt. Allerdings können Systeme unter die Regulierung fallen, die aufbauend auf GPAI für spezielle Anwendungen weiterentwickelt werden. Wer solche Anwendungen entwickelt und einsetzt, der ist dann an bestimmte Verpflichtungen gebunden. Damit er sie erfüllen kann, sind Entwickler von GPAI verpflichtet, die notwendigen Informationen weiterzugeben.

Mit der Einführung von GPAI in das Gesetzeswerk ist einer der letzten Verhandlungspunkte auf technischer Ebene weitgehend geklärt. Während die Verhandler den Zeitplan der Berichterstatter bisher oft als unrealistisch bezeichnet haben, sind sie nun zuversichtlich, die noch offenen Punkte zeitnah klären zu können.

Tudorache rechnet mit starkem Verhandlungsmandat

“Wir befinden uns in der allerletzten Phase unserer Verhandlungen”, sagte Berichterstatter Dragoș Tudorache (Renew) zu Table.Media. Es sei gelungen, einen ausgewogenen und kohärenten Text vorzulegen, der den Kommissionsvorschlag erheblich verbessere. Als Beispiele nannte er die Ergänzung eines eigenen Artikels zu Foundation Models (Grundmodelle als eine Form von GPAI), um den jüngsten Entwicklungen bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz Rechnung zu tragen. “Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesen letzten Verhandlungen bald abstimmungsbereit sind und ein starkes Mandat des Parlaments für die Verhandlungen mit dem Rat erhalten.”

Die Tagesordnung für das politische Meeting heute ist recht umfangreich. Dennoch hoffen die Berichterstatter, spätestens am Donnerstag eine politische Einigung über das gesamte Dossier zu erzielen. Die Abstimmung in den Ausschüssen soll am 11. Mai stattfinden. vis

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Ernährung: Ausschuss will Importabhängigkeit senken

In einer Resolution fordert der Agrarausschuss des Parlaments (AGRI) eine langfristige Stärkung der Ernährungssicherheit und der landwirtschaftlichen Autonomie der EU. Die Corona-Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine hätten in dieser Hinsicht strukturelle Probleme im europäischen Agrarsektor offenbart, heißt es in dem Initiativbericht, der am Dienstag mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde.

Demnach soll die Kommission einen ganzheitlichen Strategieplan ausarbeiten, der auf die Verringerung der Importabhängigkeit, etwa bei Dünge- und Futtermitteln, abzielt. Unter anderem plädieren die Abgeordneten für den Einsatz neuer Züchtungstechniken, um Pflanzen widerstandsfähiger zu machen und so den Einsatz von synthetischem Dünger und Pestiziden zu verringern. Der Zugang von Kleinbauern zu digitalen Technologien soll ebenso gefördert werden wie eine Verbesserung des Wassermanagements.

Daneben fordert der Ausschuss, die hohe Lebensmittelverschwendung in der EU zu bekämpfen. Etwa durch nationale Kampagnen oder höhere Investitionen in nachhaltigen Transport und Lagerung. Auch sollten dem Bericht zufolge Aufbau und Nutzung strategischer Lebensmittelvorräte in Betracht gezogen werden, um die Versorgung der EU mit Nahrungsmitteln jederzeit zu garantieren.

“Die Sicherung unserer Ernährung ist zur weltweiten Herausforderung geworden und auch in Europa keine Selbstverständlichkeit”, sagt Berichterstatterin Marlene Mortler (CDU). “Der Green Deal darf nicht zu mehr Lebensmitteleinfuhren aus Drittstaaten führen.” In seiner Sitzung im Juni soll das Plenum über den Bericht abstimmen. til

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Rohstoffstrategie: Bundesregierung arbeitet an Fonds und strategischen Reserven

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und das Bundesfinanzministerium (BMF) arbeiten an einem Rohstoff-Fonds, um Rohstoffprojekte im In- und Ausland zu unterstützen. Dies bestätigten beide Ministerien auf Anfrage. Darüber hinaus prüfen sie auch Möglichkeiten, um Anreize für eine strategische Lagerhaltung kritischer Rohstoffe zu schaffen. Beides sind Maßnahmen, die Anfang des Jahres im Eckpunktepapier des BMWK zur deutschen Rohstoffstrategie angekündigt wurden.

Nach Informationen von Table.Media wird es keinen gemeinsamen Fonds Deutschlands und Frankreichs geben, wie ursprünglich angedacht. Beide Länder stimmen ihre Rohstoffstrategien jedoch eng miteinander ab.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor berichtet, der Fonds der Bundesregierung solle im kommenden Jahr anlaufen und mit Mitteln in Höhe von einer bis zwei Milliarden Euro ausgestattet werden. Dies bestätigte keines der beiden Ministerien. Zu den Details der laufenden, internen Abstimmungen könne man sich nicht äußern.

Bundesregierung will Planungssicherheit schaffen

Die Maßnahmen aus dem Eckpunktepapier sollen die Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Rohstoffversorgung unterstützen und würden “Schritt für Schritt entwickelt und umgesetzt“, erklärte eine Sprecherin des BMWK. “Sie sind quasi ein Fahrplan für alle betroffenen Akteure und geben damit Planungssicherheit.” Auch ein Forschungsprogramm, das die Entwicklung nachhaltiger und klimafreundlicher Verfahren und Technologien und die Substitution kritischer Rohstoffe unterstützen soll, sei geplant.

Maßnahmen zur Lagerhaltung von Rohstoffen sind auch ein Ziel des Entwurfs der EU-Kommission für einen Critical Raw Materials Act. Demnach sollen die Mitgliedstaaten größere strategische Reserven anlegen, um gegen kurzfristige Knappheiten gewappnet zu sein. Zu den Plänen der Bundesregierung sagte eine Sprecherin des BMF: “Wir werden eng mit Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zusammenarbeiten, um mit geeigneten Anreizen Unternehmen zu einer strategischeren Lagerhaltung zu bewegen.” leo

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Presseschau

Twitter, Tiktok, Facebook und Co.: EU-Kommission stellt 19 Internetplattformen unter verschärfte Kontrolle TAGESSPIEGEL
Europäischer Green Deal: EU-Staaten bringen entscheidende Klimagesetzgebung auf den Weg EC
Niedrigere Energiepreise das Ziel: EU-Plattform für gemeinsame Gaseinkäufe startet TAGESSCHAU
European Payments Initiative: Neues Zahlungssystem soll 2024 starten TAGESSCHAU
Von der Leyen: 1,5 Milliarden für die Ukraine ZDF
EU plan to ban up to 7,000 dangerous chemicals failing badly, says study THEGUARDIAN
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Spanien beantragt EU-Notfallhilfe wegen Dürre DEUTSCHLANDFUNK
EU firms accused of ‘abhorrent’ export of banned pesticides to Brazil THEGUARDIAN
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EU-Kommission will den Stabilitätspakt retten HANDELSBLATT

Heads

Chantal Kopf – europäisches Wahlrecht reformieren

Chantal Kopf ist europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

Die Worte, die John F. Kennedy wählte, als er 1963 seine berühmte Rede im Westen Berlins hielt, sollten um die Welt gehen. Ich bin ein Berliner, sagte er mit einer Inbrunst, dass die Menschen ihm einfach glauben mussten. Wäre Chantal Kopf heute in einer ähnlichen Position, wären die Worte zwar anders, vermutlich würde sie sagen: Ich bin eine Europäerin. Doch die Überzeugung, die Inbrunst, der tiefe Wille für die richtige Sache zu kämpfen, diese Dinge wären mit Sicherheit genauso vorhanden. Davon dürfte sich jeder schnell überzeugen lassen, der mit Chantal Kopf ins Gespräch kommt und mit ihr über die Liebe zu Europa spricht – und die großen Veränderungen, die sie dort gerade anstoßen will.

An einem Nachmittag im März lächelt sie in die Webcam, hinter sich ein eckiges Bild, blau, darauf goldene Sterne. Wenn sie ihren Kopf neigt, sieht ein Gegenüber, dass es die europäische Flagge ist, die hinter ihr thront. Wie könnte es auch anders sein?

Für transnationale Listen und abgesenktes Wahlalter

Aktuell hat die Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Europapolitik eine mehr als umfassende Reform des europäischen Wahlrechts als ihr Herzensprojekt auserkoren. Zwei Änderungen sind ihr dabei besonders wichtig: “Wir wollen transnationale Listen, sodass zusätzlich zu den nationalen Kandidaturen ein EU-weiter Wahlkreis geschaffen wird, um den Kandidierende länderübergreifend konkurrieren“, sagt Kopf. “Und wir wollen, dass es richtige Spitzenkandidaten gibt, sodass die Menschen direkter darüber entscheiden, wer am Ende an der Spitze der Kommission steht.”

Bereits abgeschlossen ist zudem die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, was bereits bei der kommenden Europawahl 2024 gelten wird. “Mit all diesen Maßnahmen wollen wir Europa für die Menschen nahbarer machen, lebendiger”, sagt Kopf. “Das ist mir unglaublich wichtig.”

2021: Kopf gewinnt das Direktmandat

Die eigene Liebe für die EU entfachte im Jahr 1995 in Baden-Baden, wo sie geboren wurde. Frankreich liegt gleich um die Ecke, sie lernte die Fremdsprache, ist bis heute engagiert in der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern; etwa als Vorstand in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, ein Gremium bestehend aus je 50 Abgeordneten der beiden Länder, das dem gemeinsamen Austausch dienen soll.

Dass sie eines Tages in der Politik landete, war fast schon erwartbar, wenn man ihren Lebenslauf kennt: Ihre Eltern waren politisch interessiert. Später zog Kopf nach Freiburg, wo sie Politik studierte und sich nebenher bei den Grünen engagierte. Warum gerade da? “Meine Interessen waren Europa und Klima. Die Grünen passten daher perfekt”, sagt sie heute. Anschließend stieg sie schnell auf, kandidierte 2021 für den Bundestag – und gewann als eine von wenigen Grünen ein Direktmandat im Wahlkreis Freiburg.

Mit gerade einmal 28 Jahren hat sie den Rekord für die jüngste Abgeordnete zwar verpasst. Doch mindestens ein Rekord ist Chantal Kopf seit der letzten Bundestagswahl nach eigener Aussage sicher: Sie ist die grüne Bundestagsabgeordnete mit der weitesten Anreise. Mehr als 800 Kilometer liegen zwischen ihrem Wahlkreis Freiburg, nahe der französischen Grenze, und dem Bundestag in Berlin. Über acht Stunden sind es mit dem Auto, doch Kopf nimmt – wie es sich das für eine waschechte Grüne gehört – meist den Zug durch Deutschland, um Europa zu erklären: in Berlin, in Freiburg oder irgendwo dazwischen. Es ist kein leichter Job. Doch für Kopf könnte es vermutlich keinen besseren geben. Nils Wischmeyer

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    für die Kommission ist klar: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt kann nicht bleiben wie er war. Doch nach lautstarken Forderungen der Ampel, dass es fixe Benchmark-Werte brauche, will Brüssel auf die Berliner Kritik eingehen. Table.Media kennt den Vorschlag, der heute von der Kommission vorgestellt werden wird. Kernpunkte darin: Künftig will man den Ländern nationale Referenzpfade für die Haushaltssanierung vorgeben, dazu soll es einige feste Kriterien geben, berichten Till Hoppe und Christoph Roche.

    China, China und nochmals China. Darum ging es bei der großen Table-Media “China-Strategie 2023”. Ein zentraler Punkt: China als Rivale und wie man mit dieser Herausforderung umgehen kann und muss. Für die EU stellt das eine besondere Herausforderung dar, schreibt Michael Radunski.

    Katar-Gate ist noch längst nicht aufgeklärt. Und das Europaparlament muss mehr tun, um das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Das mahnte gestern die europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly bei der Vorstellung ihres aktuellen Tätigkeitsberichts an. Welche Versäumnisse sie genau kritisiert lesen Sie in unseren News.

    Ihre
    Alina Leimbach
    Bild von Alina  Leimbach

    Analyse

    Fiskalreform: So will die Kommission die Regierungen zum Sparen anhalten

    Die EU-Kommission schlägt eine Abkehr von den bisherigen Haushaltsregeln für die EU-Staaten vor. Die Brüsseler Behörde will den Ländern künftig nationale Referenzpfade für die Haushaltssanierung vorgeben. Diese sollen die Grundlage für Verhandlungen mit den Regierungen über deren mittelfristige Fiskal- und Reformpläne sein. Der Vorschlag wird heute vorgestellt, der Entwurf lag unseren Kollegen von “Contexte” vor.

    Die Kommission soll bei den Referenzpfaden einige Kriterien beachten:

    • der Schuldenstand soll nach vier Jahren niedriger sein als zu Beginn der Periode
    • die Nettoprimärausgaben (ohne Zinslasten, Einmalaufwendungen und zyklische Ausgaben für Arbeitslosigkeit) sollen geringer steigen als das Potenzialwachstum der Wirtschaft
    • die Konsolidierung soll nicht innerhalb der Periode nach hinten geschoben werden können (kein Backloading)
    • liegt das erwartete Haushaltsdefizit bei über drei Prozent des BIP, sollen die Ausgaben um mindestens 0,5 Prozent jährlich gesenkt werden – wohl auch ohne Einleitung eines Defizitverfahrens.

    “Substanzielle Zugeständnisse” an Berlin

    Die Kommission geht damit ein Stück weit auf die Bedenken der Bundesregierung ein. Die Ampel-Koalition fordert feste Kriterien für die nationalen Ausgabepfade und Fiskalpläne, um den Ermessensspielraum der Kommission zu begrenzen. So sollten die Primärausgaben hoch verschuldeter Staaten um mindestens ein Prozent unter dem Potenzialwachstum ihrer Wirtschaft liegen, schrieb die Bundesregierung Anfang April in einem Positionspapier. Zudem sollten diese Länder ihren Schuldenstand um mindestens einen Prozentpunkt pro Jahr reduzieren müssen.

    So konkret wird die Kommission in ihrem Vorschlag nicht, über den am Dienstag noch final in der Behörde verhandelt wurde. Der Entwurf enthalte aber deutliche Verbesserungen zu einer früheren Fassung, heißt es in Berlin. Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner hatten in Brüssel interveniert, um noch Verbesserungen aus deutscher Sicht zu erreichen.

    Nils Redeker, stellvertretender Direktor des Jacques Delors Centre in Berlin, sieht ebenfalls “substanzielle Zugeständnisse” an die Ampel-Koalition. “Es wäre schwer nachzuvollziehen, wenn die Bundesregierung jetzt nicht gesprächsbereit wäre“, sagte er.

    Wie verhält sich Lindner?

    Bundesfinanzminister Christian Lindner erneuerte am Dienstag allerdings seine Grundsatzkritik an dem neuen Ansatz: “Statt bilateraler Verfahren und Verhandlungen brauchen wir ein funktionierendes System von Fiskalregeln, das zu einer Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten führt”, schrieb der FDP-Chef in einem Gastbeitrag für die “Financial Times”. Eine Reform des Stabilitätspaktes sei nur dann akzeptabel, wenn sie den existierenden Rahmen deutlich verbessere.

    Die Kommission hofft, mit dem neuen Regelwerk das Wachstum fördern und gleichzeitig die Schuldentragfähigkeit in den Mitgliedstaaten verbessern zu können. Weiterhin gelten sollen die Obergrenzen für die Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung und 60 Prozent für die Gesamtverschuldung.

    Individuelle Pläne statt fester Regeln

    Im Unterschied zu den heutigen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sollen die Staaten diese Vorgaben mit individuellen Plänen erreichen. Die Grundlage dafür soll die Kommission mit einer Analyse zur Schuldentragfähigkeit und einem Referenzpfad für die Haushaltssanierung liefern. Pauschale Vorgaben wie die Ein-Zwanzigstel-Regel, die einen Abbau der übermäßigen Schulden um fünf Prozent jährlich vorsieht, sind aus Sicht der Behörde inzwischen unrealistisch.

    Nach den Vorstellungen der Kommission sollen die Staaten ihre Haushaltspläne auf vier Jahre anlegen. Der Zeitraum kann um bis zu drei Jahre verlängert werden, wenn sich eine Regierung zu einschlägigen Reformen und öffentlichen Investitionen etwa in den Klimaschutz verpflichtet. Kommission und EU-Rat müssen die nationalen Pläne billigen und verabschieden.

    Verstärkte Kontrolle und Transparenz

    Die Kommission will zur Überwachung der individuellen nationalen Haushalte erstmals mehrjährige Kontrollkonten einrichten, inwieweit die Länder den Ausgabenpfad einhalten. Dabei werden zum Ende der Periode jährliche Abweichungen vom Ausgabenpfad nach oben und unten zusammengefasst bilanziert.

    Ferner wird die Kommission jährliche Fortschrittsberichte veröffentlichen. Für zusätzliche Transparenz sorgen soll, dass Kommission wie Mitgliedstaaten ihre Berechnungen jeweils veröffentlichen sollen. Bei der Erstellung ihrer mehrjährigen Haushalte sollen die Mitgliedstaaten die Meinung einer unabhängigen nationalen Einrichtung mit Fiskalexpertise einbeziehen.

    Kommission will strenger durchgreifen

    Weichen die Mitgliedstaaten dennoch vom Nettoausgabenpfad ab, will die Kommission künftig strenger durchgreifen. Das reguläre Defizitverfahren bei einem überhöhten Haushaltsfehlbetrag (EDP) soll weiterhin greifen. Bei der Entscheidung soll die Kommission berücksichtigen, ob bei dem Mitgliedstaat eine “substanzielle” Herausforderung bei der Staatsverschuldung vorliegt. Basis dafür soll der aktuelle Debt Sustainability Monitor sein.

    Liegt ein Mitgliedstaat über der Drei-Prozent-Grenze, müssen die Regierungen das Defizit pro Jahr um mindestens 0,5 Prozent des BIP verringern. Stellt der Rat einen Verstoß dagegen fest, drohen dem jeweiligen Land Strafzahlungen in Höhe von maximal 0,5 Prozent des BIP. Dies würde allerdings erst über einen Zeitraum von frühestens fünf Jahren erreicht, da die Strafzahlungen maximal 0,05 Prozent des BIP alle sechs Monate erreichen können. Von Till Hoppe und Christof Roche

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    China: Europa kann sich geopolitisch nicht wegducken

    Michael Roth ließ kein gutes Haar an der gemeinsamen China-Reise von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. “Ich fühle mich verschaukelt. Das war verheerend“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag am Dienstag in Berlin. Es ging um China als Rivale im zweiten Teil der “China-Strategie 2023” von Table.Media mit mehr als 30 hochkarätigen China-Expertinnen und -Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

    Roth wies Deutschland eine besondere Rolle im Verhältnis zu China zu: Einerseits werde man als starke Wirtschaftsnation in Peking besonders gut gehört. Andererseits sei man aber auch am meisten verwundbar. Man müsse sich deshalb eng mit den Partnern in Europa abstimmen – und keine Kakofonie wie zwischen von der Leyen und Macron aufkommen lassen.

    Kein Widerspruch zwischen Orientierung an Werten und Interessen

    Roth sieht hierbei auch keinen Widerspruch zwischen werteorientierter und interessengeleiteter Außenpolitik. “Das führen die alten außenpolitischen Schlachtrösser gerne an. Das finde ich arg old fashioned. Das ist 20. Jahrhundert.”   

    Reinhard Bütikofer (Grüne), China-Experte im Europaparlament, gab zu bedenken, dass die EU nun mal eine Organisation sei, die stolz ist auf ihre Einheit in Vielfalt. “Die EU wird nie mit nur einer Stimme sprechen. Aber wir sollten keine Widersprüche aufkommen lassen.” Macron habe sich in Peking auf ein Ästchen locken lassen, mit dem er dann abgebrochen sei. Aber klar ist laut Bütikofer: “Europa kann sich seiner globalen Verantwortung nicht entziehen. Das sollte sich auch der französische Präsident in Erinnerung rufen.”

    Patrick Köllner, Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien, nannte den Indo-Pazifik das neue strategische Gravitationszentrum in Asien. Es sei keine natürliche Weltregion. Vielmehr sei der frühere, hauptsächlich durch wirtschaftliche Themen charakterisierte Asien-Pazifik-Raum bewusst auf Indien und den Indischen Ozean erweitert worden, sagte Köllner. Der Übergang von Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik markiert die eigentliche Zeitenwende” in der internationalen Asienpolitik, so der Vizepräsident des German Institute for Global and Area Studies (Giga). Denn durch die Hinzunahme Indiens sei die Gefahr einer Hegemonie Chinas in der Region kleiner.

    Köllner führte als Belege des neuen geopolitisch geprägten Indo-Pazifik-Zeitalters neue Allianzen wie Quad oder Aukus an. Hier würden Milliarden für Rüstungsgüter wie Atom-U-Boote investiert. Für Köllner “eine gewagte und teure Wette auf die Zukunft.” Es sei fraglich, ob China sich davon beeinflussen lasse oder als Gegenmaßnahme sogar schnell Fakten schaffen werde, beispielsweise in Bezug auf Taiwan.

    Gefahr – für Taiwan und Privatsphäre

    May-Britt Stumbaum vom Center for Intelligence and Security Studies (CISS) in München stellte klar: Sollte es zu einem Krieg um Taiwan kommen, würden in Deutschland einige Fließbänder stillstehen und etliche Regale leer bleiben. Taiwan ist nicht nur eine historische Mission oder ein Erbe, das zu Ende gebracht werden muss. Taiwan ist eine ganz knallharte strategische Überlegung.” China gehe es um eine Position auf der ersten Inselkette, mit direktem Zugang zur Tiefsee. Staatschef Xi Jinping bereite derzeit die militärische Option vor, sagte Stumbaum.

    Tim Rühlig von der DGAP machte auf ein weiteres Thema aufmerksam: das Setzen von technischen oder Privatssphäre-Standards. Auch hier übernehme China zunehmend eine führende Rolle – mit weitreichenden Konsequenzen: von praktischen Wettbewerbsvorteilen, über Patentgebühren, bis hin zu Auswirkungen auf politische und gesellschaftliche Werte. Derartige Details müssten in der deutschen China-Strategie bedacht werden.

    Mehr China-Kompetenz nötig

    Doch wer soll diese Strategie formulieren? Marina Rudyak, Sinologin der Universität Heidelberg, mahnte: “In den USA ist es so: Je mehr dort China als Rivale wahrgenommen wird, desto mehr wird in China-Kompetenz investiert. Bei uns in Deutschland ist das Gegenteil der Fall: Je schwieriger das Verhältnis zu China wird, desto weniger wollen wir uns in Deutschland damit auseinandersetzen. Das ist wenig strategisch.”

    Cora Jungbluth von der Bertelsmann Stiftung stimmte ihr zu und betonte, dass China-Kompetenz bei Weitem nicht nur in den Bundesministerien fehle. “China-Ausbildung wird auf allen Ebenen benötigt, nicht nur in den Bundesministerien. Da muss man schon in der Ausbildung ansetzen.” Viele chinesische Direktinvestitionen spielten sich auf kommunaler Ebene ab. Gerade dort aber sei China-Kompetenz nicht sonderlich ausgeprägt.

    Mikko Huotari versuchte dann, den Fokus zurück in die aktuelle Situation zu holen. Aktuell fehle es nicht am China-Verständnis, sagte der Direktor des Berliner China-Instituts Merics. “Wir haben eine sehr klare Analyse vorliegen, wo die innenpolitische Entwicklung Chinas hingeht, wohin sich das Verhältnis zwischen China und den USA entwickeln wird. Nun gehe es darum, Handlungskompetenz zu erarbeiten. Es ist wichtig, dass wir nicht komplett in die Defensive verfallen, sondern schauen, wo unsere Interessen liegen und dann versuchen, die so gut wie möglich mit den Partnern durchzusetzen.” Von Michael Radunski

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    Nachhaltige Flugkraftstoffe: SAF-Quoten im Trilog beschlossen

    In der Nacht auf Mittwoch haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission erstmals auf verpflichtende Beimischquoten für nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) geeinigt. Dazu gehören auch Unterquoten für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels), deren Verwendung im Flugverkehr unumstritten ist. SAF können sowohl synthetisch hergestellt werden als auch biogenen Ursprungs sein, also aus organischen Abfällen. Ausgeschlossen sind Biokraftstoffe, die aus Lebens- und Futtermittelpflanzen hergestellt werden.

    • Ab 2025 müssen Flugzeuge mindestens 2 Prozent SAF tanken
    • Ab 2030 mindestens 6 Prozent SAF und jährlich mindestens 0,7 Prozent synthetische SAF. Ab 2032 steigt die jährliche Mindestquote für synthetische SAF auf 1,2 Prozent, ab 2034 auf 2 Prozent.
    • Ab 2035 mindestens 20 Prozent SAF, darunter mindestens 5 Prozent synthetische SAF
    • Ab 2040 mindestens 34 Prozent SAF, darunter mindestens 10 Prozent synthetische SAF
    • Ab 2045 mindestens 42 Prozent SAF, darunter mindestens 15 Prozent synthetische SAF
    • Ab 2050 mindestens 70 Prozent SAF, darunter mindestens 35 Prozent synthetische SAF

    Offen war noch in den Verhandlungen, ob bei der Herstellung synthetischer SAF auch Kernenergie als “kohlenstoffarm” zugelassen ist. Das Ergebnis macht keine Unterscheidung zwischen erneuerbaren Energiequellen und Kernenergie. Somit hat sich Frankreich durchgesetzt, da es seine Kernkraftwerke nutzen will, um die Quoten zu erreichen.

    Das Gesetz Refuel-EU Aviation ist Teil des Fit-for-55-Pakets und das ordnungsrechtliche Instrument zur Erreichung der Klimaziele für den Flugverkehr. Die Emissionsreduktionsziele des Flugsektors wurden ebenfalls angehoben. luk

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    Nach Korruptionsskandal: Bürgerbeauftragte mahnt weitreichende Reformen an

    Das Europaparlament muss mehr tun, um den immer noch nicht vollständig aufgeklärten Korruptionsskandal um Katar und führende EU-Abgeordnete (“Katar-Gate“) zu überwinden und das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. Zu diesem Urteil kommt die europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly in ihrem neuen Tätigkeitsbericht, den sie am Dienstag in Brüssel vorgelegt hat.

    Sie habe keinen Grund, am guten Willen von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu zweifeln, die eine vollständige Aufklärung angekündigt hat, sagte O’Reilly. Sie mache sich jedoch Sorgen, weil es Widerstand gegen die angekündigten Reformen gebe. Als Beispiel nannte sie die kürzlich eingeführte sogenannte Abkühlperiode für ehemalige Abgeordnete.

    “Sechs Monate sind keine echte Abkühlperiode”

    Die EU-Parlamentarier sollen künftig frühestens sechs Monate nach Ende ihres Mandats das Recht erhalten, als Lobbyisten tätig zu werden. Das sei zu kurz, so O’Reilly. “Sechs Monate sind keine echte Abkühlperiode.” Kritik äußerte sie auch an einem geplanten Beratergremium, das mögliche Interessenkonflikte von Abgeordneten untersuchen soll. Die Unabhängigkeit lasse zu wünschen übrig.

    Metsola müsse mehr tun, forderte O’Reilly. Der Skandal sei “ein Risiko für den Ruf der gesamten EU“, sagte O’Reilly. Parlamentspräsidentin Metsola hatte sogar von einem “Angriff auf die europäische Demokratie” gesprochen. “Ohne moralische Autorität gibt es keine politische Legitimität”, warnte die Bürgerbeauftragte rund ein Jahr vor der nächsten Europawahl, die im Frühjahr 2024 stattfinden soll.

    Parlamentarier sieht Etikettenschwindel

    Kritik kam auch aus dem Parlament. Von den angekündigten 14 Reformen sei bisher nur eine umgesetzt worden, sagte der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund zu Table.Media. Dass für die Abkühlphase eine “Minimallösung” gewählt wurde, sei auch Metsolas Schuld – denn sie habe die entscheidende Gegenstimme gegen eine ehrgeizigere Reform abgegeben.

    “Wenn das die Antwort auf den Korruptionsskandal ist, dann gute Nacht”, sagte Freund. Beunruhigend sei auch, dass die vom Parlament geforderte neue Ethikbehörde, die gegen Interessenkonflikte vorgehen und schärfere Transparenzregeln durchsetzen soll, auf sich warten lasse. Erste Entwürfe der EU-Kommission deuteten auf einen “Etikettenschwindel” hin. Der Vorschlag wird im Mai erwartet. ebo

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    Due Diligence: EP beschließt “Director’s Duty”

    Der Vorschlag von Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) für das Sorgfaltspflichtengesetz, hat bei der Abstimmung im Rechtsausschuss (JURI) eine deutliche Mehrheit bekommen. 19 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und drei Enthaltungen lautete das Ergebnis am Dienstag. Grüne, Renew und EVP stimmten auch dafür.

    Die großen Züge der Parlamentsposition standen schon gestern fest. Allerdings war bis zuletzt unsicher, ob die sogenannte “Director’s Duty”-Klausel es in den finalen Text schafft. Dabei geht es um die Frage, ob die Bezahlung der Vorstände an die Einhaltung der Sorgfaltspflichten und Klimaübergangspläne gekoppelt sein soll. Nun steht fest: Der Punkt wurde mit knapper Mehrheit (13:12) angenommen. Besonders die EVP wehrte sich bis zuletzt gegen die Klausel. Jener Punkt habe “nichts mit der Gesetzgebung zur Lieferkette zu tun“, kommentierte beispielsweise CDU-Schattenberichterstatter Axel Voss.

    Die Abstimmung ist für das Miniplenum in Brüssel am 1. Juni geplant. Obwohl Berichterstatterin Lara Wolters Zugeständnisse machen musste (Ausschluss der KMU, keine umgekehrte Beweispflicht, verzögerte Umsetzung), bleibt ihr Kompromiss deutlich ehrgeiziger als der Kommissionsvorschlag und die Ratsposition. Im Trilog dürften der Geltungsbereich des Gesetzes, die Rolle der Finanzbranche, die zivilrechtliche Haftung und die Bezahlung der Vorstände große Hürden darstellen. cw

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    Methan-Verordnung: Paulus schärft Vorschlag

    Die Co-Berichterstatterin im Industrieausschuss, Jutta Paulus (Grüne), ist zuversichtlich, dass der Kompromisstext zur Methan-Verordnung heute in den beiden federführenden Ausschüssen angenommen wird. Und dies, obwohl der Text restriktiver ist als der Vorschlag der EU-Kommission. Die Verordnung soll das Austreten von Methan aus Gas- und Ölfeldern sowie der Kohleindustrie regulieren.

    Ihr Text ist ehrgeiziger als der Vorschlag der Kommission und die Ratsposition: Sie will der fossilen Industrie strengere Normen auferlegen. “Alle Fraktionen haben für den Text gestimmt, mit Ausnahme der ID-Fraktion und der Linken beim Kohleteil”, so Paulus. Die Abgeordnete unterstreicht die Zusage der anderen Gruppen, bei der Abstimmung im Ausschuss nicht in letzter Minute Änderungsanträge einzubringen. Der Bericht wird heute in den Ausschüssen für Umwelt (ENVI) und Industrie (ITRE) abgestimmt. Wenn er angenommen wird, stimmt das Parlament am 9. Mai ab, danach könnten die Triloge beginnen.

    “Klimakiller Methan”

    Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, entweicht aus undichten Pipelines, veralteten Ventilen und schlecht gewarteten Gasnetzen. Es wird auch bei der Ölförderung ungenutzt in die Atmosphäre entlassen oder strömt aus den Schächten von Kohleminen. Dabei haben schon geringe Mengen klimaschädigende Wirkung: Über einen Zeitraum von 20 Jahren sind die Schäden durch Methan über 80 Mal so hoch wie die von CO₂, unterstrich Paulus: “Methan ist einen echten Klimakiller.”

    Ihr Bericht will, dass bis 2025 verbindliche Ziele für die Reduzierung der Methanemissionen in der EU festgelegt werden. Vor allem aber zielen die Kompromissänderungsanträge darauf ab, Erzeuger aus Drittländern an die neuen EU-Verpflichtungen zu binden. “Der Mechanismus erinnert an CBAM“, erklärte Jutta Paulus. Das heißt im Fall der Methan-Verordnung, dass Importeure von Kohle, Gas und Öl in die EU ab 2026 nachweisen müssen, dass ihre Importe die Maßnahmen der EU-Verordnung zur Schätzung und Reparatur von Methanlecks erfüllen. Die EU-Kommission schätzt, dass 75 bis 90 Prozent der in der EU erfassten Methan-Emissionen durch Importe fossiler Energien aus Drittländern entstehen. cst

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    DSA: Breton benennt 19 VLOPS und VLOSE

    Welche Plattformen und Suchmaschinenanbieter gelten als so groß, dass sie unmittelbar unter die Kommissionskontrolle nach dem Digital Services Act fallen sollen? Die Antwort darauf hat EU-Digitalkommissar Thierry Breton gestern bekannt gegeben. Er führte aus, welche Anbieter in der EU mehr als 45 Millionen tägliche Nutzer haben und damit unter die Aufsicht der Kommission kommen sollen.

    Die Liste entspricht dem, was Europe.Table schon im Februar erwartete: Neben den Suchanbietern Google und Bing (VLOSE) sollen 17 “besonders große Onlineplattformen” (VLOPS) unter die direkte Aufsicht der DG Connect fallen: der chinesische Onlinehändler AliExpress, der Amazon Store, der deutsche Onlinehändler Zalando, Apples App Store und die niederländische Hotelbuchungsplattform Booking zählen dazu. Auch die Google-Dienste Maps, Shopping und Play fallen unter die Aufsicht der Kommission. Außerdem: die sozialen Netzwerke Twitter, Facebook, Instagram, Pinterest, Snapchat, die Videoplattformen TikTok und YouTube sowie die gemeinnützige Wikipedia.

    Die benannten Suchmaschinen und Plattformen müssen unter dem DSA ab 25. August zusätzliche Pflichten erfüllen. “Sie können sich nicht länger hinter länglichen Nutzungsbedingungen verstecken”, sagte Breton bei einem Pressegespräch. Als systemisch relevante Anbieter müssen sie Klartext-Zusammenfassungen ihrer Nutzungsbedingungen in allen EU-Sprachen anbieten und ein Opt-Out aus profilbasierten Empfehlungsalgorithmen vorhalten. Bei Anzeigen wird die Verwendung von sensiblen Daten im Sinne der Datenschutzgrundverordnung verboten. KI-generierte Inhalte, die potenziell als Desinformation gelten, müssen als solche gekennzeichnet werden.

    Nutzer müssen mit deutlichen Änderungen rechnen

    Die wohl größte Veränderung für die Nutzer dürfte es bei den Vorschriften zur Inhaltemoderation liegen. Der DSA schreibt vor, dass Plattformen und Suchmaschinenanbieter gegen alle illegalen Inhalte vorgehen müssen – und damit gegen deutlich mehr Inhalte als etwa unter dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, für das es einen abschließenden Katalog an Straftatbeständen gibt. Ebenfalls relevant für Plattform-Nutzer: der DSA verbietet die Nutzung irreführender Oberflächengestaltung, sogenannte Dark Patterns. Kinder müssen unter dem DSA-Regime besonders geschützt werden – Kontrollsysteme für Eltern und Altersverifikationssysteme werden Pflicht, ausdrücklich an Kinder gerichtete Werbung ist verboten. Für die Umsetzung dieser Verpflichtungen fehlen jedoch vorerst noch Ausführungsbestimmungen.

    Breton will Musk und Zuckerberg treffen

    Breton nutzt die Aufmerksamkeit rund um die DSA-Einführung auch für Treffen mit den Großen der Branche: Im Juni, schreibt Breton in einem LinkedIn-Posting, wolle er Elon Musk im Twitter-Hauptquartier treffen. Er warte noch auf eine entsprechende Einladung des TikTok-Betreibers Bytedance und sei auch bereit, mit Mark Zuckerberg zu sprechen. Offenbar gibt es auch hier noch keinen Termin. Breton erwartet von den Betreibern, zum 25. August startklar zu sein, um den neuen Verpflichtungen nachzukommen.

    Nicht unter den benannten Plattformen zu finden ist einer der umstrittensten Anbieter. Gegen Telegram läuft in Deutschland ein Verfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Pflichten aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. “Sofern Telegram nicht von der Kommission als sehr große Online-Plattform benannt wird, wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiterhin bis zum 17. Februar 2024 Anwendung finden und das Bundesamt für Justiz für dessen Durchsetzung zuständig bleiben”, teilte das zuständige Bundesjustizministerium auf Table.Media-Anfrage mit. Telegram könnte auch zu einem späteren Zeitpunkt noch von der Kommission als VLOP klassifiziert werden.

    Das deutsche Umsetzungsgesetz zum Digital Services Act, mit dem dann auch die übrigen Plattformen und Suchmaschinenanbieter – wenn auch weniger als die größten Anbieter – weitere Pflichten erfüllen müssen, soll laut Digitalministerium im Juli ins Bundeskabinett eingebracht werden. Dann muss feststehen, welche Behörde die deutsche Aufsicht koordiniert. fst

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    AI Act: ChatGPT kein Hochrisikosystem

    KI-Systeme für allgemeine Zwecke (General Purpose AI, GPAI), werden im Parlamentsentwurf zum AI Act nicht per se als Hochrisikosysteme eingestuft. Einen entsprechenden Eintrag in Anhang III haben die Berichterstatter wieder gestrichen, wie Table.Media aus Verhandlungskreisen erfuhr.

    KI-Systeme für allgemeine Zwecke sind solche, die für ein breites Spektrum von Anwendungen eingesetzt und an diese angepasst werden können, für die sie nicht absichtlich und speziell entwickelt wurden. Darunter fallen auch große Sprachmodelle wie ChatGPT. Viele Beobachter hatten befürchtet, dass sie als Hochrisikosysteme eingestuft werden könnten.

    Weitgehende Einigung auf technischer Ebene

    Dies widerspricht aber der Systematik des Gesetzes, das eine Regulierung für bestimmte Anwendungsgebiete und dort wiederum für bestimmte Anwendungen vorsieht. GPAI ist aber schon der Definition nach für keinen bestimmten Anwendungsfall entwickelt. Allerdings können Systeme unter die Regulierung fallen, die aufbauend auf GPAI für spezielle Anwendungen weiterentwickelt werden. Wer solche Anwendungen entwickelt und einsetzt, der ist dann an bestimmte Verpflichtungen gebunden. Damit er sie erfüllen kann, sind Entwickler von GPAI verpflichtet, die notwendigen Informationen weiterzugeben.

    Mit der Einführung von GPAI in das Gesetzeswerk ist einer der letzten Verhandlungspunkte auf technischer Ebene weitgehend geklärt. Während die Verhandler den Zeitplan der Berichterstatter bisher oft als unrealistisch bezeichnet haben, sind sie nun zuversichtlich, die noch offenen Punkte zeitnah klären zu können.

    Tudorache rechnet mit starkem Verhandlungsmandat

    “Wir befinden uns in der allerletzten Phase unserer Verhandlungen”, sagte Berichterstatter Dragoș Tudorache (Renew) zu Table.Media. Es sei gelungen, einen ausgewogenen und kohärenten Text vorzulegen, der den Kommissionsvorschlag erheblich verbessere. Als Beispiele nannte er die Ergänzung eines eigenen Artikels zu Foundation Models (Grundmodelle als eine Form von GPAI), um den jüngsten Entwicklungen bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz Rechnung zu tragen. “Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesen letzten Verhandlungen bald abstimmungsbereit sind und ein starkes Mandat des Parlaments für die Verhandlungen mit dem Rat erhalten.”

    Die Tagesordnung für das politische Meeting heute ist recht umfangreich. Dennoch hoffen die Berichterstatter, spätestens am Donnerstag eine politische Einigung über das gesamte Dossier zu erzielen. Die Abstimmung in den Ausschüssen soll am 11. Mai stattfinden. vis

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    Ernährung: Ausschuss will Importabhängigkeit senken

    In einer Resolution fordert der Agrarausschuss des Parlaments (AGRI) eine langfristige Stärkung der Ernährungssicherheit und der landwirtschaftlichen Autonomie der EU. Die Corona-Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine hätten in dieser Hinsicht strukturelle Probleme im europäischen Agrarsektor offenbart, heißt es in dem Initiativbericht, der am Dienstag mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde.

    Demnach soll die Kommission einen ganzheitlichen Strategieplan ausarbeiten, der auf die Verringerung der Importabhängigkeit, etwa bei Dünge- und Futtermitteln, abzielt. Unter anderem plädieren die Abgeordneten für den Einsatz neuer Züchtungstechniken, um Pflanzen widerstandsfähiger zu machen und so den Einsatz von synthetischem Dünger und Pestiziden zu verringern. Der Zugang von Kleinbauern zu digitalen Technologien soll ebenso gefördert werden wie eine Verbesserung des Wassermanagements.

    Daneben fordert der Ausschuss, die hohe Lebensmittelverschwendung in der EU zu bekämpfen. Etwa durch nationale Kampagnen oder höhere Investitionen in nachhaltigen Transport und Lagerung. Auch sollten dem Bericht zufolge Aufbau und Nutzung strategischer Lebensmittelvorräte in Betracht gezogen werden, um die Versorgung der EU mit Nahrungsmitteln jederzeit zu garantieren.

    “Die Sicherung unserer Ernährung ist zur weltweiten Herausforderung geworden und auch in Europa keine Selbstverständlichkeit”, sagt Berichterstatterin Marlene Mortler (CDU). “Der Green Deal darf nicht zu mehr Lebensmitteleinfuhren aus Drittstaaten führen.” In seiner Sitzung im Juni soll das Plenum über den Bericht abstimmen. til

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    Rohstoffstrategie: Bundesregierung arbeitet an Fonds und strategischen Reserven

    Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und das Bundesfinanzministerium (BMF) arbeiten an einem Rohstoff-Fonds, um Rohstoffprojekte im In- und Ausland zu unterstützen. Dies bestätigten beide Ministerien auf Anfrage. Darüber hinaus prüfen sie auch Möglichkeiten, um Anreize für eine strategische Lagerhaltung kritischer Rohstoffe zu schaffen. Beides sind Maßnahmen, die Anfang des Jahres im Eckpunktepapier des BMWK zur deutschen Rohstoffstrategie angekündigt wurden.

    Nach Informationen von Table.Media wird es keinen gemeinsamen Fonds Deutschlands und Frankreichs geben, wie ursprünglich angedacht. Beide Länder stimmen ihre Rohstoffstrategien jedoch eng miteinander ab.

    Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor berichtet, der Fonds der Bundesregierung solle im kommenden Jahr anlaufen und mit Mitteln in Höhe von einer bis zwei Milliarden Euro ausgestattet werden. Dies bestätigte keines der beiden Ministerien. Zu den Details der laufenden, internen Abstimmungen könne man sich nicht äußern.

    Bundesregierung will Planungssicherheit schaffen

    Die Maßnahmen aus dem Eckpunktepapier sollen die Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Rohstoffversorgung unterstützen und würden “Schritt für Schritt entwickelt und umgesetzt“, erklärte eine Sprecherin des BMWK. “Sie sind quasi ein Fahrplan für alle betroffenen Akteure und geben damit Planungssicherheit.” Auch ein Forschungsprogramm, das die Entwicklung nachhaltiger und klimafreundlicher Verfahren und Technologien und die Substitution kritischer Rohstoffe unterstützen soll, sei geplant.

    Maßnahmen zur Lagerhaltung von Rohstoffen sind auch ein Ziel des Entwurfs der EU-Kommission für einen Critical Raw Materials Act. Demnach sollen die Mitgliedstaaten größere strategische Reserven anlegen, um gegen kurzfristige Knappheiten gewappnet zu sein. Zu den Plänen der Bundesregierung sagte eine Sprecherin des BMF: “Wir werden eng mit Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zusammenarbeiten, um mit geeigneten Anreizen Unternehmen zu einer strategischeren Lagerhaltung zu bewegen.” leo

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    • Rohstoffstrategie

    Presseschau

    Twitter, Tiktok, Facebook und Co.: EU-Kommission stellt 19 Internetplattformen unter verschärfte Kontrolle TAGESSPIEGEL
    Europäischer Green Deal: EU-Staaten bringen entscheidende Klimagesetzgebung auf den Weg EC
    Niedrigere Energiepreise das Ziel: EU-Plattform für gemeinsame Gaseinkäufe startet TAGESSCHAU
    European Payments Initiative: Neues Zahlungssystem soll 2024 starten TAGESSCHAU
    Von der Leyen: 1,5 Milliarden für die Ukraine ZDF
    EU plan to ban up to 7,000 dangerous chemicals failing badly, says study THEGUARDIAN
    Brüssel will strengere Standards für Abwasserbehandlung EURONEWS
    Spanien beantragt EU-Notfallhilfe wegen Dürre DEUTSCHLANDFUNK
    EU firms accused of ‘abhorrent’ export of banned pesticides to Brazil THEGUARDIAN
    Vor Insel Borkum: Gericht stoppt geplante Gasbohrungen im Wattenmeer TAGESSCHAU
    Maritime safety: Council adopts legislation for safer journeys with ferries in Europe CONSILIUM
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    Chantal Kopf – europäisches Wahlrecht reformieren

    Chantal Kopf ist europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

    Die Worte, die John F. Kennedy wählte, als er 1963 seine berühmte Rede im Westen Berlins hielt, sollten um die Welt gehen. Ich bin ein Berliner, sagte er mit einer Inbrunst, dass die Menschen ihm einfach glauben mussten. Wäre Chantal Kopf heute in einer ähnlichen Position, wären die Worte zwar anders, vermutlich würde sie sagen: Ich bin eine Europäerin. Doch die Überzeugung, die Inbrunst, der tiefe Wille für die richtige Sache zu kämpfen, diese Dinge wären mit Sicherheit genauso vorhanden. Davon dürfte sich jeder schnell überzeugen lassen, der mit Chantal Kopf ins Gespräch kommt und mit ihr über die Liebe zu Europa spricht – und die großen Veränderungen, die sie dort gerade anstoßen will.

    An einem Nachmittag im März lächelt sie in die Webcam, hinter sich ein eckiges Bild, blau, darauf goldene Sterne. Wenn sie ihren Kopf neigt, sieht ein Gegenüber, dass es die europäische Flagge ist, die hinter ihr thront. Wie könnte es auch anders sein?

    Für transnationale Listen und abgesenktes Wahlalter

    Aktuell hat die Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Europapolitik eine mehr als umfassende Reform des europäischen Wahlrechts als ihr Herzensprojekt auserkoren. Zwei Änderungen sind ihr dabei besonders wichtig: “Wir wollen transnationale Listen, sodass zusätzlich zu den nationalen Kandidaturen ein EU-weiter Wahlkreis geschaffen wird, um den Kandidierende länderübergreifend konkurrieren“, sagt Kopf. “Und wir wollen, dass es richtige Spitzenkandidaten gibt, sodass die Menschen direkter darüber entscheiden, wer am Ende an der Spitze der Kommission steht.”

    Bereits abgeschlossen ist zudem die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, was bereits bei der kommenden Europawahl 2024 gelten wird. “Mit all diesen Maßnahmen wollen wir Europa für die Menschen nahbarer machen, lebendiger”, sagt Kopf. “Das ist mir unglaublich wichtig.”

    2021: Kopf gewinnt das Direktmandat

    Die eigene Liebe für die EU entfachte im Jahr 1995 in Baden-Baden, wo sie geboren wurde. Frankreich liegt gleich um die Ecke, sie lernte die Fremdsprache, ist bis heute engagiert in der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern; etwa als Vorstand in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, ein Gremium bestehend aus je 50 Abgeordneten der beiden Länder, das dem gemeinsamen Austausch dienen soll.

    Dass sie eines Tages in der Politik landete, war fast schon erwartbar, wenn man ihren Lebenslauf kennt: Ihre Eltern waren politisch interessiert. Später zog Kopf nach Freiburg, wo sie Politik studierte und sich nebenher bei den Grünen engagierte. Warum gerade da? “Meine Interessen waren Europa und Klima. Die Grünen passten daher perfekt”, sagt sie heute. Anschließend stieg sie schnell auf, kandidierte 2021 für den Bundestag – und gewann als eine von wenigen Grünen ein Direktmandat im Wahlkreis Freiburg.

    Mit gerade einmal 28 Jahren hat sie den Rekord für die jüngste Abgeordnete zwar verpasst. Doch mindestens ein Rekord ist Chantal Kopf seit der letzten Bundestagswahl nach eigener Aussage sicher: Sie ist die grüne Bundestagsabgeordnete mit der weitesten Anreise. Mehr als 800 Kilometer liegen zwischen ihrem Wahlkreis Freiburg, nahe der französischen Grenze, und dem Bundestag in Berlin. Über acht Stunden sind es mit dem Auto, doch Kopf nimmt – wie es sich das für eine waschechte Grüne gehört – meist den Zug durch Deutschland, um Europa zu erklären: in Berlin, in Freiburg oder irgendwo dazwischen. Es ist kein leichter Job. Doch für Kopf könnte es vermutlich keinen besseren geben. Nils Wischmeyer

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