in der Auseinandersetzung mit Budapest geht es um viel Geld. Insgesamt mehr als 13 Milliarden Euro aus EU-Mitteln für Ungarn will die Kommission im Streit um die Rechtsstaatlichkeit zurückhalten. Ungarn erhöht zugleich den Druck, indem es die geplante europäische Budgethilfe für die Ukraine blockiert. Die Finanzminister haben nun den Ball an die Kommission zurückgespielt. Die Behörde solle die aktuellen Maßnahmen in Ungarn erneut bewerten. Denn in Brüssel hofft man auf einen Kompromiss, wie Eric Bonse berichtet.
Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz und Kautschuk – diese Produkte dürfen bald nur noch auf dem europäischen Markt verkauft werden, wenn die Importeure nachweisen können, dass für Anbau und Produktion keine Wälder in Ackerfläche umgewandelt wurden. In einer Nachtsitzung haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf die Grundpfeiler einer neuen Verordnung gegen globale Entwaldung geeinigt. Doch dafür waren “schmerzhafte” Kompromisse nötig, wie S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt sagt. Timo Landenberger gibt einen Überblick.
So deutlich war die Haltung der EU nicht immer: Beim Westbalkan-Gipfel haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs deutlich zur Beitrittsperspektive der sechs Länder bekannt. In Tirana beweist die Staatengemeinschaft, dass sie die geopolitische Bedeutung der Region endlich ernst nimmt, schreibt Stephan Israel in seiner Analyse. Doch sie verlangt Reformen – und eine Unterstützung der Sanktionen gegen Russland. Vor allem Serbien tut sich damit schwer.
Die hohen Energiepreise und der Inflation Reduction Act der US-Regierung haben in der EU eine Debatte um eine industriepolitische Antwort ausgelöst. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich beim Gipfel am kommenden Donnerstag voraussichtlich für “gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene” gegen die drohende Abwanderung von Industriebetrieben aussprechen. Mehr lesen Sie in den News.
Nun ist die Kommission wieder am Zug: Die Behörde soll Ungarns Maßnahmen gegen Korruption erneut überprüfen, bevor eine Entscheidung über das Einfrieren von Geldern in Milliardenhöhe gefällt wird, hieß es am Dienstag nach dem Ecofin-Rat in Brüssel. Zugleich gab es Kritik an Ungarns Blockade bei den Hilfen für die Ukraine.
In beiden Fällen geht es um viel Geld. Die Ukraine soll einen Kredit von 18 Milliarden Euro erhalten, den die Kommission mit neuen EU-Schulden finanzieren möchte. Bei Ungarn geht es um mehr als 13 Milliarden Euro aus EU-Mitteln. Die Gelder liegen auf Eis, seitdem die EU-Kommission Ende November festgestellt hatte, dass die vereinbarten “Meilensteine” zur Bekämpfung der Korruption und zum Schutz des Rechtsstaats nicht ausreichend umgesetzt wurden.
“Wir haben heute die Europäische Kommission noch einmal gebeten, die aktuellen Entwicklungen in Ungarn zu bewerten”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). In der ungarischen Politik habe es noch neuere Entwicklungen gegeben, nachdem die EU-Behörde ihren Bericht vorgelegt habe. Der Bericht umfasste nur Maßnahmen bis zum 19. November. Die neue Bewertung solle in “wenigen Tagen” fertig sein, sagte Lindner.
Der Minister kritisierte zugleich die ungarische Blockade bei der Ukraine-Hilfe. “Es ist bedauerlich, dass wir heute keine Entscheidung getroffen haben über die unverzichtbare finanzielle Hilfe für die Ukraine”, sagte er. Die Verantwortung trage die Regierung in Budapest. Sie blockiert auch die globale Mindeststeuer für Unternehmen. Beide Themen wurden wegen des ungarischen Widerstands von der Tagesordnung des Ecofin-Rats genommen.
“Die Annahme des Pakets hängt nun von der Entwicklung der Maßnahmen ab, die Ungarn zum Schutz des EU-Budgets unternimmt”, sagte der tschechische Finanzminister Zbyněk Stanjura, der die Gespräche leitete. Allerdings wollen sich die Finanzminister nicht auf ein Junktim einlassen. Zur Not wollen sie eine Lösung suchen, um der Ukraine auch ohne Ungarn die versprochene Hilfe bereitzustellen.
Dazu müssten die “willigen” Länder ein neues Finanzierungsinstrument schaffen. Als Vorbild gilt der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM, der nach britischem Widerstand 2012 als zwischenstaatliche Organisation in Luxemburg gegründet wurde. Allerdings ist eine solche Gründung auf intergouvernementaler Basis zeitraubend und kompliziert. In Brüssel wird daher ein Kompromiss mit Budapest favorisiert.
Die Brücke dazu soll nun die EU-Kommission bauen – mit einer neuen Bewertung der Lage in Ungarn. Doch dafür bleibt nicht mehr viel Zeit. Zwar will das ungarische Parlament schon am Mittwoch neue Maßnahmen beschließen, mit denen die umstrittenen “Meilensteine” erfüllt werden könnten. Die Finanzminister erwarten die neue Bewertung der Brüsseler Behörde jedoch bereits am Freitag. Dies könne sehr knapp werden, hieß es in EU-Kreisen.
Falls die Neubewertung rechtzeitig kommt und positiv ausfällt, könnte Ungarn das Geld doch noch bekommen. Andernfalls soll ein Sondertreffen der Finanzminister einberufen werden. Das Europaparlament forderte die Kommission auf, hart zu bleiben. “Die Europäische Union darf sich nicht erpressen lassen”, sagte der grüne Abgeordnete Daniel Freund. “Es darf jetzt kein Nachgeben bei den Rechtsstaatssanktionen geben.”
Eigentlich lagen die Positionen von EU-Parlament und Rat am Montag in zu vielen Punkten zu weit auseinander, um in einer nächtlichen Trilog-Sitzung zu einer finalen Einigung zu gelangen. Doch die Beteiligten wollten vor dem heutigen Beginn der UN-Biodiversitätskonferenz in Montréal (Europe.Table berichtete) ein Zeichen setzen und mit einem Regelwerk gegen weltweite Waldvernichtung mit gutem Beispiel vorangehen, heißt es in Brüssel.
S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt spricht von “schmerzhaften Kompromissen”, aber auch von einem “Goldstandard für Sorgfaltspflichten für entwaldungsfreie Lieferketten”. Ähnliche Gesetze stünden in den USA und Großbritannien zur Diskussion, seien aber weniger ambitioniert. So könne die EU in Montréal als glaubwürdiger Vorreiter auftreten, sagt die Europaabgeordnete.
Immerhin gehört die Zerstörung der Wälder zu den größten Treibern beim Verlust der ökologischen Vielfalt. Zwischen 1990 und 2020 ging nach Angaben des EU-Parlaments auf der Welt eine Gesamtwaldfläche in der Größe der EU verloren und nach wie vor verschwinden jährlich weitere zehn Millionen Hektar.
Durch unser Konsumverhalten sind wir allein in der EU für rund zehn Prozent der globalen Entwaldung verantwortlich. Einer WWF-Studie zufolge sind es sogar 16 Prozent, womit die EU hinter China (24 Prozent), aber noch vor den USA (neun Prozent) liegt. Hauptimportgut in diesem Zusammenhang ist Soja, das beispielsweise auf abgeholzten Regenwaldflächen in Südamerika angebaut wird und in Europa überwiegend als Tierfutter zum Einsatz kommt. Aber auch Kaffee und Schokolade tragen zur weltweiten Entwaldung bei.
Das soll sich durch die neue Verordnung ändern. Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz und Kautschuk dürfen bald nur noch auf dem europäischen Markt verkauft werden, wenn die Importeure nachweisen können, dass für Anbau und Produktion keine Wälder in Ackerfläche umgewandelt wurden. Gleiches soll für Produkte gelten, die aus den Rohstoffen hergestellt wurden, darunter Autoreifen oder Druckerzeugnisse.
Mit der Forderung, auch Mais in die Verordnung aufzunehmen, konnte sich das Parlament nicht durchsetzen. Das Getreide wird hauptsächlich als Futtermittel verwendet und erlebte in den vergangenen Monaten eine Preisexplosion. Einige EU-Länder befürchteten deshalb eine zusätzliche Belastung für die Landwirtschaft.
Besonders umkämpft war die Definition von Waldschädigung und Entwaldung. In diesem Punkt war das EP erfolgreich. So soll neben der großflächigen Rodung von Urwäldern auch die Umwandlung kleinerer und sogenannter Sekundarwälder unter die Verordnung fallen. Damit sind auch die europäischen Wälder und die Forst- und Landwirtschaft innerhalb der EU von der Regelung betroffen. Insbesondere die waldreichen Länder kündigten deshalb Widerstand an.
Andere Ökosysteme, wie etwa Buschlandschaften (other wooded land), wurden hingegen nicht in den Text aufgenommen. Im Kommissionsvorschlag war das auch nicht vorgesehen, vom Parlament jedoch gefordert. So sollten nicht nur Wälder, sondern beispielsweise auch die bereits bedrohte südamerikanische Cerrado-Savanne vor der Zerstörung durch landwirtschaftliche Nutzung geschützt werden. Auch Umweltschützer hatten sich dafür eingesetzt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa begrüßte zwar die grundsätzliche Einigung, spricht jedoch von “Teilerfolg”. Ohne den Schutz der Savannen falle “ein Großteil der Entwaldung durch den EU-Konsum von Sojafuttermitteln und Rindfleisch unter den Tisch”, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die Situation dort werde sich eher noch verschlimmern, da Unternehmen von geschützten auf ungeschützte Gebiete ausweichen würden.
Auch das Ausklammern des Finanzsektors wird von Umweltschützern kritisiert. Das Parlament hatte die Einbeziehung von Banken und Versicherungen gefordert, um Investitionen in Entwaldungsrisiken zu unterbinden, musste im Trilog jedoch zumindest vorläufig klein beigeben. Zunächst wird die EU-Kommission prüfen, ob eine Ausweitung des Regelwerks notwendig ist. “Die Finanzbranche wird in irgendeiner Form einbezogen werden müssen. Andernfalls ist eine Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Gesamtpaket kaum vorstellbar“, so Delara Burkhardt.
Allein die Lokalität für den Gipfel zwischen den EU-Staats- und Regierungschefs sowie den sechs Staaten des Westbalkans war eine Premiere. Es sei “historisch”, dass die EU sich außerhalb ihrer Grenzen treffe, betonte der Gastgeber und albanische Premierminister Edi Rama am Dienstag in Tirana. Beide Seiten demonstrierten damit, dass man sich gegenseitig brauche. Man schreibe mit dem ersten Treffen in der Region “Geschichte”, sagte auch EU-Ratspräsident Charles Michel.
“Ich bin absolut überzeugt, dass die Zukunft unserer Kinder mit dem Westbalkan in der EU sicherer und wohlhabender sein wird”, bekräftigte der Belgier die Beitrittsperspektive für Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Albanien und Kosovo.
Das war zuletzt nicht immer selbstverständlich. Bei einem vergangenen Westbalkan-Gipfel hatten sich die EU-Staaten noch erfolgreich dagegen gewehrt, dass das Wort “Erweiterung” überhaupt in der Schlusserklärung vorkam. Ein Treffen im Juni endete mit einem Eklat, weil die EU sich nicht auf den Start der Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien einigen konnte.
Die Misstöne sollen jetzt Vergangenheit sein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem “neuen Schub” für den Beitrittsprozess. Die EU bekennt sich jetzt wieder deutlich zur Beitrittsperspektive der sechs Länder. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine haben auch Erweiterungsskeptiker wie Frankreich oder die Niederlande erkannt, dass ein Beitritt der Balkanländer im geopolitischen Interesse der EU ist.
Nächste Woche beraten die EU-Staaten über den Vorschlag der EU-Kommission, Bosnien und Herzegowina den Kandidatenstatus zu gewähren. Nachdem die Ukraine und Moldawien den Status bekommen haben, gibt es wenig Argumente, die ehemals jugoslawische Republik nicht zu berücksichtigen. Wie die Entscheidung ausgeht, ist noch offen. Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani kündigte beim Gipfel in Tirana an, noch vor Ende des Jahres ebenfalls einen Beitrittsantrag zu stellen. Gut sind die Chancen, dass die EU dem Kosovo als letztem Staat in der Region ab dem 1. Januar 2024 Visafreiheit zugesteht.
Es gibt also Bewegung, aber Abkürzungen auf dem Weg in die EU sind nicht vorgesehen. Schnelle Fortschritte könne es nur auf Grundlage glaubwürdiger Reformen geben, heißt es in einer Erklärung. Die EU pochte in Tirana zudem darauf, dass die Balkanstaaten sich bei der Sanktionspolitik gegenüber Russland einreihen. “Ihr müsst euch entscheiden, auf welcher Seite ihr steht”, sagte Ursula von der Leyen mit Blick auf Serbiens Präsident Aleksandar Vučić. Der weigerte sich auch beim Gipfel, die Sanktionen der EU gegen Russland zu übernehmen. Serbien sei ein unabhängiges Land, das seine nationalen Interessen schütze. Serbiens größter Energiekonzern NIS ist mehrheitlich im Besitz von Gazprom.
Russland und China versuchten, Einfluss auf dem Balkan zu nehmen, warnte die Kommissionschefin. Die EU sei jedoch größter Investor und engster Partner der Balkanstaaten. Bundeskanzler Olaf Scholz räumte nach dem Gipfel ein, dass der Streit vorerst ungelöst bleibe: “Was die Frage der Sanktionen betrifft, haben wir einen Dissens mit Serbien“, sagte Scholz.
Fortschritte gibt es beim Streitpunkt Migration. Die EU drängt darauf, dass die Balkanländer ihre Visapolitik anpassen. Vor allem über Belgrad sind in den vergangenen Monaten viele Migranten aus Ländern eingereist, denen Serbien Visafreiheit gewährt. Die Migranten versuchen dann in der Regel, über die grüne Grenze in die EU zu gelangen. Für Tunesien und Burundi hat Serbien unter Druck aus Brüssel bereits die Visumspflicht wieder eingeführt. Bis Ende des Jahres soll auch Indien folgen, dessen Staatsbürger zuletzt auf der Balkanroute stark vertreten waren.
Druck macht die EU auch, wenn es um den schwierigen Dialog zwischen Belgrad und Pristina geht. Die EU legte am Gipfel einen überarbeiteten Vorschlag zur Normalisierung der Beziehungen vor, der auf einem deutsch-französischen Plan basiert. Demnach müsste Serbien den ehemals von Belgrad kontrollierten Kosovo zwar vorerst nicht formell anerkennen. Belgrad würde aber Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht mehr länger blockieren und würde dafür erhebliche finanzielle Hilfe der EU bekommen.
Der Gipfel sollte aber auch konkrete Ergebnisse bringen: Zum Auftakt unterzeichneten Mobilnetzbetreiber aus der EU und den Balkanstaaten eine gemeinsame Erklärung, ab dem 1. Oktober 2023 schrittweise die Roamingkosten gegenseitig zu reduzieren. Spätestens 2027 sollen die Zusatzkosten für die grenzüberschreitende Handynutzung ganz wegfallen. Die EU will ihre Erfolgsgeschichte des “Roam like at home” exportieren und überhaupt die Balkanstaaten enger an sich binden.
Gastgeber Edi Rama hob als Erfolg hervor, dass Studierende aus den sechs Balkanländern beim Austauschprogramm Erasmus plus voll integriert werden sollen. Die Hochschulen der Region sollen zudem bei Partnerschaften der europäischen Universitäten mitmachen können. Das Europakolleg in Brügge soll ferner auf absehbare Zeit nach einem Ableger in Warschau auch in Tirana einen Campus eröffnen.
Die EU hilft der Region zudem mit einer Milliarde Euro, um die Folgen des russischen Krieges abzumildern. Mit einem Teil des Geldes können die Staaten Familien und Unternehmen unterstützen, die unter den stark gestiegenen Energiepreisen leiden. Zudem sollen Investitionen in die Produktion erneuerbarer Energie unterstützt werden.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich beim Gipfel am kommenden Donnerstag voraussichtlich für “gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene” für die drohende Abwanderung von Industriebetrieben aussprechen. Das geht aus dem aktuellen Entwurf der Schlussfolgerungen hervor, der Europe.Table vorliegt. Darin betonen sie die Bedeutung einer “koordinierten politischen Reaktion, die alle relevanten Instrumente auf nationaler und EU-Ebene mobilisiert, um die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften zu stärken”.
Die hohen Energiepreise und die Förderung der US-Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act haben in der EU eine Debatte um eine industriepolitische Antwort ausgelöst. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich am Sonntag für eine Lockerung der Beihilferegeln aus und schlug vor, einen neuen “Souveränitätsfonds” zu gründen, der aus neuen EU-Mitteln finanziert werden soll. Sie griff damit Forderungen vor allem aus Frankreich auf.
Dagegen aber gibt es Widerstand aus anderen Mitgliedstaaten, in Deutschland besonders von der FDP. Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht sich durch die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts zu gemeinsamen Schulden in der EU bestätigt. Es sei zwar “eine gute Nachricht”, dass der Corona-Aufbaufonds nach dem Urteil der Karlsruher Richter mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Urteil betone aber auch den Ausnahmecharakter des Programms. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme zur generellen Finanzierung politischer Vorhaben sei nicht zulässig.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich optimistisch, dass die EU und die USA ihren Streit über den IRA beilegen können. “Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden, mit der alle gut leben können”, sagte der SPD-Politiker in der albanischen Hauptstadt Tirana. Dort hatte Scholz am Rande des EU-Westbalkan-Gipfels mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte über das Thema gesprochen. Macron hatte zuvor Gespräche in Washington mit US-Präsident Joe Biden über den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) geführt. tho/rtr
Die EU-Mitgliedstaaten wollen den europäischen Gaspreis stärker begrenzen, gleichzeitig aber eine automatische, tägliche Erhöhung des Preisdeckels ermöglichen. Zum einen soll das Limit für Gebote weiter gesenkt werden – auf 220 Euro. So steht es in der zweiten Überarbeitung der tschechischen Ratspräsidentschaft, die Europe.Table gestern vorlag. Die Kommission hatte 275 Euro vorgeschlagen, in einer ersten Überarbeitung wollte der Rat das Limit nur leicht auf 264 Euro absenken.
Die entscheidende Änderung gegenüber dem Kommissionsvorschlag ist aber die Dynamisierung des Deckels, die stärker den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Ende Oktober entsprechen soll. So soll der Deckel automatisch auf ein höheres Limit steigen, falls dieses 220 Euro übersteigt. Das dynamische Höchstgebot soll dann 35 Euro über einem LNG-Referenzpreis liegen.
“Die Veröffentlichung eines täglichen Settlement-Preises ermöglicht es, dass die Obergrenze mit den Entwicklungen auf dem LNG-Markt in Einklang bleibt”, heißt es dazu in den Erwägungsgründen. Hintergrund dürften Befürchtungen sein, dass die EU keine LNG-Lieferungen mehr erhält, falls die Gebote auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Dazu will der Rat den LNG-Referenzpreis anpassen. So soll neben zwei Flüssiggas-Indizes für Süd- und Nordeuropa und einer Preisbewertung von ACER auch der Japan Korea Marker (JKM) berücksichtigt werden.
Die Kommission wollte die internationale Wettbewerbsfähigkeit dagegen nicht über eine automatische Anhebung des Deckels sicherstellen, sondern über die Deaktivierung des Marktkorrekturmechanismus. So sollten höhere Gebote ermöglicht werden, wenn der Preis am europäischen Spotmarkt für eine bestimmte Zahl von Tagen unter den LNG-Referenzpreis fällt. Nach der Ratsfassung soll der Mechanismus dagegen deaktiviert werden, wenn er fünf Tage unter 220 Euro fällt.
Ein anderes Werkzeug zur Preisbegrenzung soll der gemeinsame Gaseinkauf in der EU sein. Dazu solle die EU-Energieplattform schnell in Betrieb gehen, heißt es im Entwurf der Schlussfolgerungen für den Europäischen Rat Mitte Dezember, der Europe.Table gestern vorlag. Weitere Punkte sind die frühzeitige Vorbereitung der Notfallpläne zur Gasversorgung für den Winter 2023/24 und die schnelle Annahme der Erneuerbare-Energien- und der Energieeffizienz-Richtlinien.
Druck machen die Regierungen der Mitgliedstaaten außerdem bei der Reform des Strommarktdesigns, welche die Kommission auf Druck des Rates für das erste Quartal angekündigt hat. Die Reform solle den Strommarkt “vollständig fit” für ein dekarbonisiertes Energiesystem machen. Nach Informationen von Europe.Table hat sich die Kommission aber noch nicht endgültig entschieden, ob sie einen Vorschlag für eine langfristige Reform des Strommarktes oder nur für eine temporäre Anpassung für die Dauer der Energiekrise vorlegen will. ber
Ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht das, was nötig wäre, sagt Markus Pieper (CDU), Berichterstatter des EU-Parlaments für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, über den Kommissionsvorschlag zur Definition von grünem Wasserstoff. Auch damit werde man “die Ziele für die Anteile grünen Wasserstoffs in Industrie und Verkehr nicht erreichen und das Feld ohne echten Grund zum größten Teil den fossilbasierten Wasserstoffproduktionen überlassen”.
Seit vergangener Woche liegt ein Entwurf des delegierten Rechtsakts der Kommission vor (Europe.Table berichtete). Darin heißt es, dass flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs) mit zusätzlichem erneuerbarem Strom hergestellt werden müssen statt mit Strom aus fossilen Kraftwerken. Wasserstoffprodukte dürfen nur dann als grün gelten, wenn der dafür benötigte Strom aus zusätzlich gebauten Anlagen stammt. Allerdings soll es eine Übergangsfrist mit erleichterten Bedingungen für die Produktion von Wasserstoff geben.
Pieper kritisiert, dass die Kommission auf dem Prinzip der Zusätzlichkeit ab 2027 besteht. Er fordert eine Verlängerung der erleichterten Bedingungen bis mindestens 2032. Für die bis dahin gebauten Anlagen soll es seiner Ansicht nach auch danach keine Produktionseinschränkungen geben.
Positiv sieht er, dass Produzenten von grünem Wasserstoff ihre Energiegewinnung laut dem neuen Entwurf nicht mehr stündlich, sondern nun vierteljährlich nachweisen müssen. Dadurch werde während länger andauernder Windflauten auch der Strombezug aus dem Netz ermöglicht, wodurch die Herstellung günstiger werde, so Pieper. luk
Die EU will verstärkt über die Global-Gateway-Strategie Investitionsanreize für Rohstoffprojekte in Partnerländern schaffen und den Zugang für Abnehmer aus der Industrie sichern. Neben dem für März angekündigten Critical Raw Materials Act, der sich auf den Binnenmarkt fokussiert, und der EU-Diplomatie solle dieser Ansatz im globalen Wettbewerb um kritische Rohstoffe die Versorgung der europäischen Industrie sicherstellen. Das sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der DG GROW, gestern auf einer Veranstaltung des European Council on Foreign Relations in Berlin.
Das Programm Global Gateway, mit dem die EU bis 2027 Investitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in weltweite Infrastrukturprojekte mobilisieren will, soll in den Rohstoffpartnerschaften eine Brücke für ein Angleichen der Interessen beider Seiten schlagen, sagte Jorna.
“Das, was wir auf den Tisch legen, muss für unsere Partner im globalen Süden attraktiver sein als das, was sie von anderen bekommen können“, ergänzte Koen Doens, Generaldirektor der GD Internationale Partnerschaften (DG INTPA). Die Global-Gateway-Initiative diene dazu, gemeinsam mit einer Reihe von Akteuren auf der europäischen Seite (Mitgliedstaaten, Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, der private Sektor), den Partnerländern eine strategische Partnerschaft anzubieten, die auch für sie von Vorteil sei.
Eine solche Partnerschaft entstehe zwischen der EU und Namibia. In den vergangenen Monaten haben beide Partner ein breites Paket verhandelt, das sich nicht nur auf den Abbau von Rohstoffen beziehe, sondern auf das gesamte Ökosystem, sagte Doens. Teil des Pakets seien neben dem Rohstoffabbau unter anderem:
Auf europäischer Seite bietet die Europäische Investitionsbank (EIB) staatliche Darlehen und Darlehen für Unternehmen an, die in Namibia aktiv werden wollen. Die EU hat zudem 47 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD) zugesagt und unterstützt die Sektorreform in Namibia außerdem mit vier Millionen Euro.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Rande der COP27 in Ägypten mit dem namibischen Staatspräsidenten Hage Geingob eine Absichtserklärung für die Partnerschaft für nachhaltige Rohstoffe und grünen Wasserstoff unterzeichnet.
Auch Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, forderte auf der Veranstaltung einen gemeinschaftlichen Ansatz für die Schaffung grüner Wertschöpfungsketten. “Wir werden für die Transformation weltweit eine Menge Produktionskapazitäten brauchen”, sagte sie. “Es ist ein Angebot: Lasst uns diese grünen Wertschöpfungsketten gemeinsam schaffen – nicht nur innerhalb der EU, nicht nur innerhalb der USA, sondern gemeinsam und mit unseren Partnern weltweit.” leo
Ein Pilotprojekt zur Lagerung von bis zu 15.000 Tonnen CO2 in einem früheren Ölfeld in der Nordsee hat in Dänemark die behördliche Zustimmung erhalten. Es sei das erste Mal, dass eine Genehmigung für ein CO2-Speicherprojekt in dem skandinavischen EU-Land erteilt worden sei, erklärte die sagte Energiebehörde (Energistyrelsen) am Dienstag. Die Zulassung stelle somit einen wichtigen Meilenstein für das Land dar.
Das Projekt namens Greensand umfasst den Angaben zufolge die Injektion und Speicherung von CO2 im ehemaligen Ölfeld Nini West in der dänischen Nordsee. In der Pilotphase wird laut der Behörde CO2 in ein Sandsteinreservoir gepumpt, das etwa 1800 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Das Reservoir befindet sich demnach unter einer Reihe von Schieferschichten, sodass das CO2 in den Sandsteinhohlräumen eingeschlossen wird.
Mit dem Projekt sollen vor allem Erfahrungswerte gesammelt werden. Ziel ist es, ab 2025 in dem früheren Ölfeld eine Speicherkapazität von 0,5 bis 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr bereitzustellen. dpa
Unter der tschechischen Ratspräsidentschaft haben die Minister im EU-Telekommunikationsrat am Dienstag eine Reihe von Digitaldossiers vorangebracht. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Annahmen der Allgemeinen Ausrichtungen des Rates zum Gesetzentwurf zur Künstlichen Intelligenz (AI Act) sowie zur europäischen digitalen Identität (eID).
Besprochen wurden außerdem die Fortschrittsberichte zum Datengesetz (Data Act) und zur Cyberresilienz (Cyber Resilience Act). Für den Data Act kündigte die Ratspräsidentschaft ein drittes Kompromisspapier für den 13. Dezember an.
Der Rat hat zwar seine allgemeine Ausrichtung zum AI Act am Dienstag festgelegt. Deutschland hat dazu jedoch eine Protokollerklärung abgeben. Demnach unterstützt die Bundesregierung den vorgelegten Text, sieht allerdings in einzelnen Aspekten noch Verbesserungspotenzial und verweist auf seine Stellungnahme vom 8. November (Europe.Table berichtete).
So wünscht sich Deutschland noch Ausnahmen für Strafverfolgungsbehörden bei den Beschränkungen für die biometrische Fernidentifikation. Weitere Ausnahmen für KI-Anwendungen in den Bereichen Strafverfolgung, Migration, Asyl und Grenzkontrolle sind dagegen innerhalb der Bundesregierung noch umstritten.
Die für das in Deutschland federführende Wirtschaftsministerium wichtigen Themen im Trilog betreffen den Anwendungsbereich der Verordnung (einbezogene KI-Systeme, zum Beispiel maschinelles Lernen, Wissens- und Logiksysteme, Autonomie) und die Konsistenz mit anderen Regulierungsgebieten (wie etwa bei Medizinprodukten und im Verkehr-, Finanz- und Versicherungssektor).
Mit der überarbeiteten Verordnung für eine European Digital Identity (eID) will die EU Menschen und Unternehmen einen universellen Zugang zu einer sicheren und vertrauenswürdigen elektronischen Identifizierung und Authentifizierung geben. Dieser Zugang soll über eine persönliche digitale Brieftasche (digital wallet) auf dem Mobiltelefon erfolgen.
Der Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten nach einer obligatorischen Zertifizierung eine digitale Brieftasche im Rahmen eines notifizierten eID-Systems herausgeben, das auf gemeinsamen technischen Standards beruht. Dazu soll es eine EU-Toolbox geben, in der die technischen Spezifikationen festgelegt werden.
Die eID sei enorm wichtig für Europa, sagte der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP). Sie bringe die Digitalisierung voran und stärke die Souveränität Europas. Die zuletzt eingeführten Änderungen hätten noch einige wichtige Punkte adressiert. Deutschland könne daher einer allgemeinen Ausrichtung in der vorgeschlagenen Form zustimmen. Die eID sei auch “ein wesentliches Instrument unserer nationalen Digitalstrategie“, sagte Wissing. vis
Europas Datenschutzaufsichtsbehörden verschärfen die Gangart im Umgang mit US-Konzernen. Für Aufsehen sorgt eine gestrige Entscheidung des EU-Datenschutzausschusses. Ob der Meta-Konzern mit Facebook, Instagram und WhatsApp gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, ist mittlerweile kaum mehr fraglich. Doch die Art und Weise ist rechtlich entscheidend – unter anderem für die Strafhöhe und die Rechtsfolgen.
Mehrere Datenschutzaufsichtsbehörden waren mit dem von der irischen Datenschutzbehörde DPC eingeschlagenen Weg nicht einverstanden. Für solche Fälle ist eine Entscheidung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDPB) vorgesehen, wie die DSGVO auszulegen ist. Genau diese wurde nun am Dienstag gefällt.
Kritik aus den anderen Aufsichtsbehörden hatte es unter anderem an der Beurteilung der Zustimmung zu personalisierter Werbung gegeben. Die Streitpunkte gehören zu den grundlegenden Auslegungsfragen der DSGVO: Welche Datenverarbeitungen sind bei einem werbefinanzierten Anbieter rechtlich zulässig? Müssen Nutzer eine Verhaltensauswertung akzeptieren? Im Fall von WhatsApp mussten die Aufsichtsbehörden beraten, ob ein Anbieter sich darauf stützen kann, dass Daten für die Verbesserung des Dienstes benötigt würden.
In beiden Fällen entschied sich der Datenschutzausschuss für eine härtere Lesart der DSGVO als die irische Aufsichtsbehörde. Außerdem hatten die Aufsichtsbehörden anderer EU-Staaten das von der irischen Behörde vorgesehene Strafmaß für zu gering erachtet, infolgedessen Facebook Irland dem Datenschutzausschuss rundheraus die Kompetenz abgesprochen hatte.
Binnen eines Monats muss die DPC jetzt ihre Verfügungen im Sinne der EDPB-Entscheidung überarbeiten und Meta zustellen. Das Unternehmen kann Rechtsmittel einlegen und die Klärung dadurch aufschieben. Ein schnelles Ende der Auseinandersetzung, die das Ende von Facebook, Instagram und WhatsApp in der EU bedeuten und Strafzahlungen in Milliardenhöhe mit sich bringen könnte, ist also weiterhin nicht zu erwarten.
Die wohl deutlichste Rechtsfolge hängt dabei von einer anderen Entwicklung ab: Wenn die EU-Kommission dem EU-US-Data-Privacy-Framework nicht attestiert, dass dieses entsprechend der DSGVO ein angemessenes Schutzniveau biete, könnte Meta ab Wirksamkeit der Entscheidung wohl nicht mehr rechtssicher Daten in die USA übertragen. Sollte das EU-US-DPF jedoch vor der endgültigen Entscheidung zu den Verfahren gegen Meta kommen, müssten die Datenschutzaufsichtsbehörden teils neue Verfahren anstrengen. fst
Was ist das nur mit Politikern und ihren Fahrrädern? Nachdem wir gestern an dieser Stelle über Jean Asselborns Leidenschaft für schweißtreibende Radtouren berichtet haben, meldet sich nun ein weiterer Hobby-Radler mit Mission.
Jens Gieseke (CDU) ist bekannt dafür, ein Herz für den Verbrenner zu haben. Im Parlament hat sich der Emsländer einen Namen damit gemacht, dass er die Technologie, mit der die deutsche Automobilindustrie Weltruhm erlangt hat, am Leben halten will. Der 51-Jährige gehört zu den Car Guys, wie die Enthusiasten des guten alten Autos in der Branche genannt werden. Ihnen wird nachgesagt, dass Benzin durch ihre Adern und Venen fließt.
Im Fall Giesekes darf es ruhig auch nicht-fossilen Ursprungs sein: Gieseke hat ebenso leidenschaftlich wie am Ende vergeblich dafür gekämpft, dass E-Fuels dem Verbrenner ein zweites Leben schenken.
Weniger bekannt ist, dass Gieseke gern in die Pedale tritt. Er ist sogar radfahrpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Und er strampelt für die Ukraine. Kurz vor Weihnachten zieht er sich jetzt seine Funktionskleidung an, füllt die Trinkflasche und schwingt sich in den Sattel. Im heimischen Sögel will er starten – und bis nach Brüssel radeln. Das müssen sie ihm erst einmal nachmachen bei den Grünen.
375 Kilometer durch Wind und Wetter. Drei Tage hat er dafür eingeplant. Damit trommelt er für Spenden an den Verein Helping Hands aus Lathen, der mit dem Erlös Heizgeräte und warme Kleidung zu Familien in die Ukraine transportieren will.
Keine Frage: Gieseke setzt bei seiner Tour #cycleforUkraine voll auf Muskelkraft. Ob auf vier oder zwei Rädern – von batterieelektrischer Energie will der Norddeutsche nicht so viel wissen. Ganz besonders ein Graus soll ihm die Spezies Mensch sein, die vornehmlich im Stadtverkehr per E-Lastenrad in den Nahkampf mit Autofahrern steigt. Davon dürfte er bei seinem Ritt über Land wenige treffen. Markus Grabitz
in der Auseinandersetzung mit Budapest geht es um viel Geld. Insgesamt mehr als 13 Milliarden Euro aus EU-Mitteln für Ungarn will die Kommission im Streit um die Rechtsstaatlichkeit zurückhalten. Ungarn erhöht zugleich den Druck, indem es die geplante europäische Budgethilfe für die Ukraine blockiert. Die Finanzminister haben nun den Ball an die Kommission zurückgespielt. Die Behörde solle die aktuellen Maßnahmen in Ungarn erneut bewerten. Denn in Brüssel hofft man auf einen Kompromiss, wie Eric Bonse berichtet.
Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz und Kautschuk – diese Produkte dürfen bald nur noch auf dem europäischen Markt verkauft werden, wenn die Importeure nachweisen können, dass für Anbau und Produktion keine Wälder in Ackerfläche umgewandelt wurden. In einer Nachtsitzung haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf die Grundpfeiler einer neuen Verordnung gegen globale Entwaldung geeinigt. Doch dafür waren “schmerzhafte” Kompromisse nötig, wie S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt sagt. Timo Landenberger gibt einen Überblick.
So deutlich war die Haltung der EU nicht immer: Beim Westbalkan-Gipfel haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs deutlich zur Beitrittsperspektive der sechs Länder bekannt. In Tirana beweist die Staatengemeinschaft, dass sie die geopolitische Bedeutung der Region endlich ernst nimmt, schreibt Stephan Israel in seiner Analyse. Doch sie verlangt Reformen – und eine Unterstützung der Sanktionen gegen Russland. Vor allem Serbien tut sich damit schwer.
Die hohen Energiepreise und der Inflation Reduction Act der US-Regierung haben in der EU eine Debatte um eine industriepolitische Antwort ausgelöst. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich beim Gipfel am kommenden Donnerstag voraussichtlich für “gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene” gegen die drohende Abwanderung von Industriebetrieben aussprechen. Mehr lesen Sie in den News.
Nun ist die Kommission wieder am Zug: Die Behörde soll Ungarns Maßnahmen gegen Korruption erneut überprüfen, bevor eine Entscheidung über das Einfrieren von Geldern in Milliardenhöhe gefällt wird, hieß es am Dienstag nach dem Ecofin-Rat in Brüssel. Zugleich gab es Kritik an Ungarns Blockade bei den Hilfen für die Ukraine.
In beiden Fällen geht es um viel Geld. Die Ukraine soll einen Kredit von 18 Milliarden Euro erhalten, den die Kommission mit neuen EU-Schulden finanzieren möchte. Bei Ungarn geht es um mehr als 13 Milliarden Euro aus EU-Mitteln. Die Gelder liegen auf Eis, seitdem die EU-Kommission Ende November festgestellt hatte, dass die vereinbarten “Meilensteine” zur Bekämpfung der Korruption und zum Schutz des Rechtsstaats nicht ausreichend umgesetzt wurden.
“Wir haben heute die Europäische Kommission noch einmal gebeten, die aktuellen Entwicklungen in Ungarn zu bewerten”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). In der ungarischen Politik habe es noch neuere Entwicklungen gegeben, nachdem die EU-Behörde ihren Bericht vorgelegt habe. Der Bericht umfasste nur Maßnahmen bis zum 19. November. Die neue Bewertung solle in “wenigen Tagen” fertig sein, sagte Lindner.
Der Minister kritisierte zugleich die ungarische Blockade bei der Ukraine-Hilfe. “Es ist bedauerlich, dass wir heute keine Entscheidung getroffen haben über die unverzichtbare finanzielle Hilfe für die Ukraine”, sagte er. Die Verantwortung trage die Regierung in Budapest. Sie blockiert auch die globale Mindeststeuer für Unternehmen. Beide Themen wurden wegen des ungarischen Widerstands von der Tagesordnung des Ecofin-Rats genommen.
“Die Annahme des Pakets hängt nun von der Entwicklung der Maßnahmen ab, die Ungarn zum Schutz des EU-Budgets unternimmt”, sagte der tschechische Finanzminister Zbyněk Stanjura, der die Gespräche leitete. Allerdings wollen sich die Finanzminister nicht auf ein Junktim einlassen. Zur Not wollen sie eine Lösung suchen, um der Ukraine auch ohne Ungarn die versprochene Hilfe bereitzustellen.
Dazu müssten die “willigen” Länder ein neues Finanzierungsinstrument schaffen. Als Vorbild gilt der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM, der nach britischem Widerstand 2012 als zwischenstaatliche Organisation in Luxemburg gegründet wurde. Allerdings ist eine solche Gründung auf intergouvernementaler Basis zeitraubend und kompliziert. In Brüssel wird daher ein Kompromiss mit Budapest favorisiert.
Die Brücke dazu soll nun die EU-Kommission bauen – mit einer neuen Bewertung der Lage in Ungarn. Doch dafür bleibt nicht mehr viel Zeit. Zwar will das ungarische Parlament schon am Mittwoch neue Maßnahmen beschließen, mit denen die umstrittenen “Meilensteine” erfüllt werden könnten. Die Finanzminister erwarten die neue Bewertung der Brüsseler Behörde jedoch bereits am Freitag. Dies könne sehr knapp werden, hieß es in EU-Kreisen.
Falls die Neubewertung rechtzeitig kommt und positiv ausfällt, könnte Ungarn das Geld doch noch bekommen. Andernfalls soll ein Sondertreffen der Finanzminister einberufen werden. Das Europaparlament forderte die Kommission auf, hart zu bleiben. “Die Europäische Union darf sich nicht erpressen lassen”, sagte der grüne Abgeordnete Daniel Freund. “Es darf jetzt kein Nachgeben bei den Rechtsstaatssanktionen geben.”
Eigentlich lagen die Positionen von EU-Parlament und Rat am Montag in zu vielen Punkten zu weit auseinander, um in einer nächtlichen Trilog-Sitzung zu einer finalen Einigung zu gelangen. Doch die Beteiligten wollten vor dem heutigen Beginn der UN-Biodiversitätskonferenz in Montréal (Europe.Table berichtete) ein Zeichen setzen und mit einem Regelwerk gegen weltweite Waldvernichtung mit gutem Beispiel vorangehen, heißt es in Brüssel.
S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt spricht von “schmerzhaften Kompromissen”, aber auch von einem “Goldstandard für Sorgfaltspflichten für entwaldungsfreie Lieferketten”. Ähnliche Gesetze stünden in den USA und Großbritannien zur Diskussion, seien aber weniger ambitioniert. So könne die EU in Montréal als glaubwürdiger Vorreiter auftreten, sagt die Europaabgeordnete.
Immerhin gehört die Zerstörung der Wälder zu den größten Treibern beim Verlust der ökologischen Vielfalt. Zwischen 1990 und 2020 ging nach Angaben des EU-Parlaments auf der Welt eine Gesamtwaldfläche in der Größe der EU verloren und nach wie vor verschwinden jährlich weitere zehn Millionen Hektar.
Durch unser Konsumverhalten sind wir allein in der EU für rund zehn Prozent der globalen Entwaldung verantwortlich. Einer WWF-Studie zufolge sind es sogar 16 Prozent, womit die EU hinter China (24 Prozent), aber noch vor den USA (neun Prozent) liegt. Hauptimportgut in diesem Zusammenhang ist Soja, das beispielsweise auf abgeholzten Regenwaldflächen in Südamerika angebaut wird und in Europa überwiegend als Tierfutter zum Einsatz kommt. Aber auch Kaffee und Schokolade tragen zur weltweiten Entwaldung bei.
Das soll sich durch die neue Verordnung ändern. Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz und Kautschuk dürfen bald nur noch auf dem europäischen Markt verkauft werden, wenn die Importeure nachweisen können, dass für Anbau und Produktion keine Wälder in Ackerfläche umgewandelt wurden. Gleiches soll für Produkte gelten, die aus den Rohstoffen hergestellt wurden, darunter Autoreifen oder Druckerzeugnisse.
Mit der Forderung, auch Mais in die Verordnung aufzunehmen, konnte sich das Parlament nicht durchsetzen. Das Getreide wird hauptsächlich als Futtermittel verwendet und erlebte in den vergangenen Monaten eine Preisexplosion. Einige EU-Länder befürchteten deshalb eine zusätzliche Belastung für die Landwirtschaft.
Besonders umkämpft war die Definition von Waldschädigung und Entwaldung. In diesem Punkt war das EP erfolgreich. So soll neben der großflächigen Rodung von Urwäldern auch die Umwandlung kleinerer und sogenannter Sekundarwälder unter die Verordnung fallen. Damit sind auch die europäischen Wälder und die Forst- und Landwirtschaft innerhalb der EU von der Regelung betroffen. Insbesondere die waldreichen Länder kündigten deshalb Widerstand an.
Andere Ökosysteme, wie etwa Buschlandschaften (other wooded land), wurden hingegen nicht in den Text aufgenommen. Im Kommissionsvorschlag war das auch nicht vorgesehen, vom Parlament jedoch gefordert. So sollten nicht nur Wälder, sondern beispielsweise auch die bereits bedrohte südamerikanische Cerrado-Savanne vor der Zerstörung durch landwirtschaftliche Nutzung geschützt werden. Auch Umweltschützer hatten sich dafür eingesetzt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa begrüßte zwar die grundsätzliche Einigung, spricht jedoch von “Teilerfolg”. Ohne den Schutz der Savannen falle “ein Großteil der Entwaldung durch den EU-Konsum von Sojafuttermitteln und Rindfleisch unter den Tisch”, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die Situation dort werde sich eher noch verschlimmern, da Unternehmen von geschützten auf ungeschützte Gebiete ausweichen würden.
Auch das Ausklammern des Finanzsektors wird von Umweltschützern kritisiert. Das Parlament hatte die Einbeziehung von Banken und Versicherungen gefordert, um Investitionen in Entwaldungsrisiken zu unterbinden, musste im Trilog jedoch zumindest vorläufig klein beigeben. Zunächst wird die EU-Kommission prüfen, ob eine Ausweitung des Regelwerks notwendig ist. “Die Finanzbranche wird in irgendeiner Form einbezogen werden müssen. Andernfalls ist eine Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Gesamtpaket kaum vorstellbar“, so Delara Burkhardt.
Allein die Lokalität für den Gipfel zwischen den EU-Staats- und Regierungschefs sowie den sechs Staaten des Westbalkans war eine Premiere. Es sei “historisch”, dass die EU sich außerhalb ihrer Grenzen treffe, betonte der Gastgeber und albanische Premierminister Edi Rama am Dienstag in Tirana. Beide Seiten demonstrierten damit, dass man sich gegenseitig brauche. Man schreibe mit dem ersten Treffen in der Region “Geschichte”, sagte auch EU-Ratspräsident Charles Michel.
“Ich bin absolut überzeugt, dass die Zukunft unserer Kinder mit dem Westbalkan in der EU sicherer und wohlhabender sein wird”, bekräftigte der Belgier die Beitrittsperspektive für Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Albanien und Kosovo.
Das war zuletzt nicht immer selbstverständlich. Bei einem vergangenen Westbalkan-Gipfel hatten sich die EU-Staaten noch erfolgreich dagegen gewehrt, dass das Wort “Erweiterung” überhaupt in der Schlusserklärung vorkam. Ein Treffen im Juni endete mit einem Eklat, weil die EU sich nicht auf den Start der Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien einigen konnte.
Die Misstöne sollen jetzt Vergangenheit sein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem “neuen Schub” für den Beitrittsprozess. Die EU bekennt sich jetzt wieder deutlich zur Beitrittsperspektive der sechs Länder. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine haben auch Erweiterungsskeptiker wie Frankreich oder die Niederlande erkannt, dass ein Beitritt der Balkanländer im geopolitischen Interesse der EU ist.
Nächste Woche beraten die EU-Staaten über den Vorschlag der EU-Kommission, Bosnien und Herzegowina den Kandidatenstatus zu gewähren. Nachdem die Ukraine und Moldawien den Status bekommen haben, gibt es wenig Argumente, die ehemals jugoslawische Republik nicht zu berücksichtigen. Wie die Entscheidung ausgeht, ist noch offen. Kosovos Präsidentin Vjosa Osmani kündigte beim Gipfel in Tirana an, noch vor Ende des Jahres ebenfalls einen Beitrittsantrag zu stellen. Gut sind die Chancen, dass die EU dem Kosovo als letztem Staat in der Region ab dem 1. Januar 2024 Visafreiheit zugesteht.
Es gibt also Bewegung, aber Abkürzungen auf dem Weg in die EU sind nicht vorgesehen. Schnelle Fortschritte könne es nur auf Grundlage glaubwürdiger Reformen geben, heißt es in einer Erklärung. Die EU pochte in Tirana zudem darauf, dass die Balkanstaaten sich bei der Sanktionspolitik gegenüber Russland einreihen. “Ihr müsst euch entscheiden, auf welcher Seite ihr steht”, sagte Ursula von der Leyen mit Blick auf Serbiens Präsident Aleksandar Vučić. Der weigerte sich auch beim Gipfel, die Sanktionen der EU gegen Russland zu übernehmen. Serbien sei ein unabhängiges Land, das seine nationalen Interessen schütze. Serbiens größter Energiekonzern NIS ist mehrheitlich im Besitz von Gazprom.
Russland und China versuchten, Einfluss auf dem Balkan zu nehmen, warnte die Kommissionschefin. Die EU sei jedoch größter Investor und engster Partner der Balkanstaaten. Bundeskanzler Olaf Scholz räumte nach dem Gipfel ein, dass der Streit vorerst ungelöst bleibe: “Was die Frage der Sanktionen betrifft, haben wir einen Dissens mit Serbien“, sagte Scholz.
Fortschritte gibt es beim Streitpunkt Migration. Die EU drängt darauf, dass die Balkanländer ihre Visapolitik anpassen. Vor allem über Belgrad sind in den vergangenen Monaten viele Migranten aus Ländern eingereist, denen Serbien Visafreiheit gewährt. Die Migranten versuchen dann in der Regel, über die grüne Grenze in die EU zu gelangen. Für Tunesien und Burundi hat Serbien unter Druck aus Brüssel bereits die Visumspflicht wieder eingeführt. Bis Ende des Jahres soll auch Indien folgen, dessen Staatsbürger zuletzt auf der Balkanroute stark vertreten waren.
Druck macht die EU auch, wenn es um den schwierigen Dialog zwischen Belgrad und Pristina geht. Die EU legte am Gipfel einen überarbeiteten Vorschlag zur Normalisierung der Beziehungen vor, der auf einem deutsch-französischen Plan basiert. Demnach müsste Serbien den ehemals von Belgrad kontrollierten Kosovo zwar vorerst nicht formell anerkennen. Belgrad würde aber Kosovos Mitgliedschaft in internationalen Organisationen nicht mehr länger blockieren und würde dafür erhebliche finanzielle Hilfe der EU bekommen.
Der Gipfel sollte aber auch konkrete Ergebnisse bringen: Zum Auftakt unterzeichneten Mobilnetzbetreiber aus der EU und den Balkanstaaten eine gemeinsame Erklärung, ab dem 1. Oktober 2023 schrittweise die Roamingkosten gegenseitig zu reduzieren. Spätestens 2027 sollen die Zusatzkosten für die grenzüberschreitende Handynutzung ganz wegfallen. Die EU will ihre Erfolgsgeschichte des “Roam like at home” exportieren und überhaupt die Balkanstaaten enger an sich binden.
Gastgeber Edi Rama hob als Erfolg hervor, dass Studierende aus den sechs Balkanländern beim Austauschprogramm Erasmus plus voll integriert werden sollen. Die Hochschulen der Region sollen zudem bei Partnerschaften der europäischen Universitäten mitmachen können. Das Europakolleg in Brügge soll ferner auf absehbare Zeit nach einem Ableger in Warschau auch in Tirana einen Campus eröffnen.
Die EU hilft der Region zudem mit einer Milliarde Euro, um die Folgen des russischen Krieges abzumildern. Mit einem Teil des Geldes können die Staaten Familien und Unternehmen unterstützen, die unter den stark gestiegenen Energiepreisen leiden. Zudem sollen Investitionen in die Produktion erneuerbarer Energie unterstützt werden.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden sich beim Gipfel am kommenden Donnerstag voraussichtlich für “gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene” für die drohende Abwanderung von Industriebetrieben aussprechen. Das geht aus dem aktuellen Entwurf der Schlussfolgerungen hervor, der Europe.Table vorliegt. Darin betonen sie die Bedeutung einer “koordinierten politischen Reaktion, die alle relevanten Instrumente auf nationaler und EU-Ebene mobilisiert, um die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften zu stärken”.
Die hohen Energiepreise und die Förderung der US-Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act haben in der EU eine Debatte um eine industriepolitische Antwort ausgelöst. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach sich am Sonntag für eine Lockerung der Beihilferegeln aus und schlug vor, einen neuen “Souveränitätsfonds” zu gründen, der aus neuen EU-Mitteln finanziert werden soll. Sie griff damit Forderungen vor allem aus Frankreich auf.
Dagegen aber gibt es Widerstand aus anderen Mitgliedstaaten, in Deutschland besonders von der FDP. Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht sich durch die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts zu gemeinsamen Schulden in der EU bestätigt. Es sei zwar “eine gute Nachricht”, dass der Corona-Aufbaufonds nach dem Urteil der Karlsruher Richter mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Urteil betone aber auch den Ausnahmecharakter des Programms. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme zur generellen Finanzierung politischer Vorhaben sei nicht zulässig.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich optimistisch, dass die EU und die USA ihren Streit über den IRA beilegen können. “Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden, mit der alle gut leben können”, sagte der SPD-Politiker in der albanischen Hauptstadt Tirana. Dort hatte Scholz am Rande des EU-Westbalkan-Gipfels mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte über das Thema gesprochen. Macron hatte zuvor Gespräche in Washington mit US-Präsident Joe Biden über den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA) geführt. tho/rtr
Die EU-Mitgliedstaaten wollen den europäischen Gaspreis stärker begrenzen, gleichzeitig aber eine automatische, tägliche Erhöhung des Preisdeckels ermöglichen. Zum einen soll das Limit für Gebote weiter gesenkt werden – auf 220 Euro. So steht es in der zweiten Überarbeitung der tschechischen Ratspräsidentschaft, die Europe.Table gestern vorlag. Die Kommission hatte 275 Euro vorgeschlagen, in einer ersten Überarbeitung wollte der Rat das Limit nur leicht auf 264 Euro absenken.
Die entscheidende Änderung gegenüber dem Kommissionsvorschlag ist aber die Dynamisierung des Deckels, die stärker den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Ende Oktober entsprechen soll. So soll der Deckel automatisch auf ein höheres Limit steigen, falls dieses 220 Euro übersteigt. Das dynamische Höchstgebot soll dann 35 Euro über einem LNG-Referenzpreis liegen.
“Die Veröffentlichung eines täglichen Settlement-Preises ermöglicht es, dass die Obergrenze mit den Entwicklungen auf dem LNG-Markt in Einklang bleibt”, heißt es dazu in den Erwägungsgründen. Hintergrund dürften Befürchtungen sein, dass die EU keine LNG-Lieferungen mehr erhält, falls die Gebote auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Dazu will der Rat den LNG-Referenzpreis anpassen. So soll neben zwei Flüssiggas-Indizes für Süd- und Nordeuropa und einer Preisbewertung von ACER auch der Japan Korea Marker (JKM) berücksichtigt werden.
Die Kommission wollte die internationale Wettbewerbsfähigkeit dagegen nicht über eine automatische Anhebung des Deckels sicherstellen, sondern über die Deaktivierung des Marktkorrekturmechanismus. So sollten höhere Gebote ermöglicht werden, wenn der Preis am europäischen Spotmarkt für eine bestimmte Zahl von Tagen unter den LNG-Referenzpreis fällt. Nach der Ratsfassung soll der Mechanismus dagegen deaktiviert werden, wenn er fünf Tage unter 220 Euro fällt.
Ein anderes Werkzeug zur Preisbegrenzung soll der gemeinsame Gaseinkauf in der EU sein. Dazu solle die EU-Energieplattform schnell in Betrieb gehen, heißt es im Entwurf der Schlussfolgerungen für den Europäischen Rat Mitte Dezember, der Europe.Table gestern vorlag. Weitere Punkte sind die frühzeitige Vorbereitung der Notfallpläne zur Gasversorgung für den Winter 2023/24 und die schnelle Annahme der Erneuerbare-Energien- und der Energieeffizienz-Richtlinien.
Druck machen die Regierungen der Mitgliedstaaten außerdem bei der Reform des Strommarktdesigns, welche die Kommission auf Druck des Rates für das erste Quartal angekündigt hat. Die Reform solle den Strommarkt “vollständig fit” für ein dekarbonisiertes Energiesystem machen. Nach Informationen von Europe.Table hat sich die Kommission aber noch nicht endgültig entschieden, ob sie einen Vorschlag für eine langfristige Reform des Strommarktes oder nur für eine temporäre Anpassung für die Dauer der Energiekrise vorlegen will. ber
Ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht das, was nötig wäre, sagt Markus Pieper (CDU), Berichterstatter des EU-Parlaments für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, über den Kommissionsvorschlag zur Definition von grünem Wasserstoff. Auch damit werde man “die Ziele für die Anteile grünen Wasserstoffs in Industrie und Verkehr nicht erreichen und das Feld ohne echten Grund zum größten Teil den fossilbasierten Wasserstoffproduktionen überlassen”.
Seit vergangener Woche liegt ein Entwurf des delegierten Rechtsakts der Kommission vor (Europe.Table berichtete). Darin heißt es, dass flüssige oder gasförmige erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBOs) mit zusätzlichem erneuerbarem Strom hergestellt werden müssen statt mit Strom aus fossilen Kraftwerken. Wasserstoffprodukte dürfen nur dann als grün gelten, wenn der dafür benötigte Strom aus zusätzlich gebauten Anlagen stammt. Allerdings soll es eine Übergangsfrist mit erleichterten Bedingungen für die Produktion von Wasserstoff geben.
Pieper kritisiert, dass die Kommission auf dem Prinzip der Zusätzlichkeit ab 2027 besteht. Er fordert eine Verlängerung der erleichterten Bedingungen bis mindestens 2032. Für die bis dahin gebauten Anlagen soll es seiner Ansicht nach auch danach keine Produktionseinschränkungen geben.
Positiv sieht er, dass Produzenten von grünem Wasserstoff ihre Energiegewinnung laut dem neuen Entwurf nicht mehr stündlich, sondern nun vierteljährlich nachweisen müssen. Dadurch werde während länger andauernder Windflauten auch der Strombezug aus dem Netz ermöglicht, wodurch die Herstellung günstiger werde, so Pieper. luk
Die EU will verstärkt über die Global-Gateway-Strategie Investitionsanreize für Rohstoffprojekte in Partnerländern schaffen und den Zugang für Abnehmer aus der Industrie sichern. Neben dem für März angekündigten Critical Raw Materials Act, der sich auf den Binnenmarkt fokussiert, und der EU-Diplomatie solle dieser Ansatz im globalen Wettbewerb um kritische Rohstoffe die Versorgung der europäischen Industrie sicherstellen. Das sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der DG GROW, gestern auf einer Veranstaltung des European Council on Foreign Relations in Berlin.
Das Programm Global Gateway, mit dem die EU bis 2027 Investitionen von bis zu 300 Milliarden Euro in weltweite Infrastrukturprojekte mobilisieren will, soll in den Rohstoffpartnerschaften eine Brücke für ein Angleichen der Interessen beider Seiten schlagen, sagte Jorna.
“Das, was wir auf den Tisch legen, muss für unsere Partner im globalen Süden attraktiver sein als das, was sie von anderen bekommen können“, ergänzte Koen Doens, Generaldirektor der GD Internationale Partnerschaften (DG INTPA). Die Global-Gateway-Initiative diene dazu, gemeinsam mit einer Reihe von Akteuren auf der europäischen Seite (Mitgliedstaaten, Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, der private Sektor), den Partnerländern eine strategische Partnerschaft anzubieten, die auch für sie von Vorteil sei.
Eine solche Partnerschaft entstehe zwischen der EU und Namibia. In den vergangenen Monaten haben beide Partner ein breites Paket verhandelt, das sich nicht nur auf den Abbau von Rohstoffen beziehe, sondern auf das gesamte Ökosystem, sagte Doens. Teil des Pakets seien neben dem Rohstoffabbau unter anderem:
Auf europäischer Seite bietet die Europäische Investitionsbank (EIB) staatliche Darlehen und Darlehen für Unternehmen an, die in Namibia aktiv werden wollen. Die EU hat zudem 47 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD) zugesagt und unterstützt die Sektorreform in Namibia außerdem mit vier Millionen Euro.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Rande der COP27 in Ägypten mit dem namibischen Staatspräsidenten Hage Geingob eine Absichtserklärung für die Partnerschaft für nachhaltige Rohstoffe und grünen Wasserstoff unterzeichnet.
Auch Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, forderte auf der Veranstaltung einen gemeinschaftlichen Ansatz für die Schaffung grüner Wertschöpfungsketten. “Wir werden für die Transformation weltweit eine Menge Produktionskapazitäten brauchen”, sagte sie. “Es ist ein Angebot: Lasst uns diese grünen Wertschöpfungsketten gemeinsam schaffen – nicht nur innerhalb der EU, nicht nur innerhalb der USA, sondern gemeinsam und mit unseren Partnern weltweit.” leo
Ein Pilotprojekt zur Lagerung von bis zu 15.000 Tonnen CO2 in einem früheren Ölfeld in der Nordsee hat in Dänemark die behördliche Zustimmung erhalten. Es sei das erste Mal, dass eine Genehmigung für ein CO2-Speicherprojekt in dem skandinavischen EU-Land erteilt worden sei, erklärte die sagte Energiebehörde (Energistyrelsen) am Dienstag. Die Zulassung stelle somit einen wichtigen Meilenstein für das Land dar.
Das Projekt namens Greensand umfasst den Angaben zufolge die Injektion und Speicherung von CO2 im ehemaligen Ölfeld Nini West in der dänischen Nordsee. In der Pilotphase wird laut der Behörde CO2 in ein Sandsteinreservoir gepumpt, das etwa 1800 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Das Reservoir befindet sich demnach unter einer Reihe von Schieferschichten, sodass das CO2 in den Sandsteinhohlräumen eingeschlossen wird.
Mit dem Projekt sollen vor allem Erfahrungswerte gesammelt werden. Ziel ist es, ab 2025 in dem früheren Ölfeld eine Speicherkapazität von 0,5 bis 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr bereitzustellen. dpa
Unter der tschechischen Ratspräsidentschaft haben die Minister im EU-Telekommunikationsrat am Dienstag eine Reihe von Digitaldossiers vorangebracht. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Annahmen der Allgemeinen Ausrichtungen des Rates zum Gesetzentwurf zur Künstlichen Intelligenz (AI Act) sowie zur europäischen digitalen Identität (eID).
Besprochen wurden außerdem die Fortschrittsberichte zum Datengesetz (Data Act) und zur Cyberresilienz (Cyber Resilience Act). Für den Data Act kündigte die Ratspräsidentschaft ein drittes Kompromisspapier für den 13. Dezember an.
Der Rat hat zwar seine allgemeine Ausrichtung zum AI Act am Dienstag festgelegt. Deutschland hat dazu jedoch eine Protokollerklärung abgeben. Demnach unterstützt die Bundesregierung den vorgelegten Text, sieht allerdings in einzelnen Aspekten noch Verbesserungspotenzial und verweist auf seine Stellungnahme vom 8. November (Europe.Table berichtete).
So wünscht sich Deutschland noch Ausnahmen für Strafverfolgungsbehörden bei den Beschränkungen für die biometrische Fernidentifikation. Weitere Ausnahmen für KI-Anwendungen in den Bereichen Strafverfolgung, Migration, Asyl und Grenzkontrolle sind dagegen innerhalb der Bundesregierung noch umstritten.
Die für das in Deutschland federführende Wirtschaftsministerium wichtigen Themen im Trilog betreffen den Anwendungsbereich der Verordnung (einbezogene KI-Systeme, zum Beispiel maschinelles Lernen, Wissens- und Logiksysteme, Autonomie) und die Konsistenz mit anderen Regulierungsgebieten (wie etwa bei Medizinprodukten und im Verkehr-, Finanz- und Versicherungssektor).
Mit der überarbeiteten Verordnung für eine European Digital Identity (eID) will die EU Menschen und Unternehmen einen universellen Zugang zu einer sicheren und vertrauenswürdigen elektronischen Identifizierung und Authentifizierung geben. Dieser Zugang soll über eine persönliche digitale Brieftasche (digital wallet) auf dem Mobiltelefon erfolgen.
Der Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten nach einer obligatorischen Zertifizierung eine digitale Brieftasche im Rahmen eines notifizierten eID-Systems herausgeben, das auf gemeinsamen technischen Standards beruht. Dazu soll es eine EU-Toolbox geben, in der die technischen Spezifikationen festgelegt werden.
Die eID sei enorm wichtig für Europa, sagte der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP). Sie bringe die Digitalisierung voran und stärke die Souveränität Europas. Die zuletzt eingeführten Änderungen hätten noch einige wichtige Punkte adressiert. Deutschland könne daher einer allgemeinen Ausrichtung in der vorgeschlagenen Form zustimmen. Die eID sei auch “ein wesentliches Instrument unserer nationalen Digitalstrategie“, sagte Wissing. vis
Europas Datenschutzaufsichtsbehörden verschärfen die Gangart im Umgang mit US-Konzernen. Für Aufsehen sorgt eine gestrige Entscheidung des EU-Datenschutzausschusses. Ob der Meta-Konzern mit Facebook, Instagram und WhatsApp gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt, ist mittlerweile kaum mehr fraglich. Doch die Art und Weise ist rechtlich entscheidend – unter anderem für die Strafhöhe und die Rechtsfolgen.
Mehrere Datenschutzaufsichtsbehörden waren mit dem von der irischen Datenschutzbehörde DPC eingeschlagenen Weg nicht einverstanden. Für solche Fälle ist eine Entscheidung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDPB) vorgesehen, wie die DSGVO auszulegen ist. Genau diese wurde nun am Dienstag gefällt.
Kritik aus den anderen Aufsichtsbehörden hatte es unter anderem an der Beurteilung der Zustimmung zu personalisierter Werbung gegeben. Die Streitpunkte gehören zu den grundlegenden Auslegungsfragen der DSGVO: Welche Datenverarbeitungen sind bei einem werbefinanzierten Anbieter rechtlich zulässig? Müssen Nutzer eine Verhaltensauswertung akzeptieren? Im Fall von WhatsApp mussten die Aufsichtsbehörden beraten, ob ein Anbieter sich darauf stützen kann, dass Daten für die Verbesserung des Dienstes benötigt würden.
In beiden Fällen entschied sich der Datenschutzausschuss für eine härtere Lesart der DSGVO als die irische Aufsichtsbehörde. Außerdem hatten die Aufsichtsbehörden anderer EU-Staaten das von der irischen Behörde vorgesehene Strafmaß für zu gering erachtet, infolgedessen Facebook Irland dem Datenschutzausschuss rundheraus die Kompetenz abgesprochen hatte.
Binnen eines Monats muss die DPC jetzt ihre Verfügungen im Sinne der EDPB-Entscheidung überarbeiten und Meta zustellen. Das Unternehmen kann Rechtsmittel einlegen und die Klärung dadurch aufschieben. Ein schnelles Ende der Auseinandersetzung, die das Ende von Facebook, Instagram und WhatsApp in der EU bedeuten und Strafzahlungen in Milliardenhöhe mit sich bringen könnte, ist also weiterhin nicht zu erwarten.
Die wohl deutlichste Rechtsfolge hängt dabei von einer anderen Entwicklung ab: Wenn die EU-Kommission dem EU-US-Data-Privacy-Framework nicht attestiert, dass dieses entsprechend der DSGVO ein angemessenes Schutzniveau biete, könnte Meta ab Wirksamkeit der Entscheidung wohl nicht mehr rechtssicher Daten in die USA übertragen. Sollte das EU-US-DPF jedoch vor der endgültigen Entscheidung zu den Verfahren gegen Meta kommen, müssten die Datenschutzaufsichtsbehörden teils neue Verfahren anstrengen. fst
Was ist das nur mit Politikern und ihren Fahrrädern? Nachdem wir gestern an dieser Stelle über Jean Asselborns Leidenschaft für schweißtreibende Radtouren berichtet haben, meldet sich nun ein weiterer Hobby-Radler mit Mission.
Jens Gieseke (CDU) ist bekannt dafür, ein Herz für den Verbrenner zu haben. Im Parlament hat sich der Emsländer einen Namen damit gemacht, dass er die Technologie, mit der die deutsche Automobilindustrie Weltruhm erlangt hat, am Leben halten will. Der 51-Jährige gehört zu den Car Guys, wie die Enthusiasten des guten alten Autos in der Branche genannt werden. Ihnen wird nachgesagt, dass Benzin durch ihre Adern und Venen fließt.
Im Fall Giesekes darf es ruhig auch nicht-fossilen Ursprungs sein: Gieseke hat ebenso leidenschaftlich wie am Ende vergeblich dafür gekämpft, dass E-Fuels dem Verbrenner ein zweites Leben schenken.
Weniger bekannt ist, dass Gieseke gern in die Pedale tritt. Er ist sogar radfahrpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Und er strampelt für die Ukraine. Kurz vor Weihnachten zieht er sich jetzt seine Funktionskleidung an, füllt die Trinkflasche und schwingt sich in den Sattel. Im heimischen Sögel will er starten – und bis nach Brüssel radeln. Das müssen sie ihm erst einmal nachmachen bei den Grünen.
375 Kilometer durch Wind und Wetter. Drei Tage hat er dafür eingeplant. Damit trommelt er für Spenden an den Verein Helping Hands aus Lathen, der mit dem Erlös Heizgeräte und warme Kleidung zu Familien in die Ukraine transportieren will.
Keine Frage: Gieseke setzt bei seiner Tour #cycleforUkraine voll auf Muskelkraft. Ob auf vier oder zwei Rädern – von batterieelektrischer Energie will der Norddeutsche nicht so viel wissen. Ganz besonders ein Graus soll ihm die Spezies Mensch sein, die vornehmlich im Stadtverkehr per E-Lastenrad in den Nahkampf mit Autofahrern steigt. Davon dürfte er bei seinem Ritt über Land wenige treffen. Markus Grabitz