Die Qualifikationsrunde für die Berliner Sondierungen ist überstanden: Konstruktiv, konstruktiv und konstruktiv waren die jeweiligen Gesprächsrunden aus Sicht der Unterhändler; die Durchstecherei hingegen nervt, findet aber nur mit der Union statt. Die letzte Partie brachten Grüne, CDU und CSU am Dienstag hinter sich, ob Winfried Kretschmann der Union erklärt hat, dass der Automobilstandort wichtig sei, ist öffentlich nicht überliefert. Jetzt ist es an den jeweiligen Parteigremien, sich zu beraten, wer mit wem weitergehen will – oder eben auch nicht.
Am Vorabend des Westbalkan-Gipfels kamen die EU-Staats- und Regierungschefs noch zu einem Dinner im Renaissanceschloss Brdo nahe Ljubljana zusammen, um über “die Rolle der EU auf der internationalen Bühne” (Ratspräsident Charles Michel) zu sprechen. Sonderlich geglänzt hatten die Europäer in dieser Rolle zuletzt bekanntlich nicht, beim Abzug aus Afghanistan und im Indopazifik (Stichwort: Aukus) wurden sie vom vermeintlichen Verbündeten Amerika übergangen. Künftig soll die EU eigenständiger agieren, ohne die Nato zu untergraben. Wie das gelingen soll bei allen Meinungsunterschiede etwa zwischen Frankreich und osteuropäischen Staaten, will der Außenbeauftragte Josep Borrell im November im Strategischen Kompass darlegen.
Dass die Kosten für den Green Deal enorm sein werden, steht außer Frage. Doch einige Kosten könnten gespart werden, wenn der Energiecharta-Vertrag reformiert würde. Der sollte über internationale Schiedsgerichtsbarkeit dafür sorgen, dass ausländische Anleger nicht geprellt werden, wenn sie in Staaten mit Rechtsstaatsdefiziten investieren. Doch das rechtliche Fossil betrifft auch die EU und deren Mitgliedstaaten, die dringliche Reform verzögert sich weiter, berichtet Charlotte Wirth.
Wenn Facebook vor 15 Jahren ausgefallen wäre, hätte das niemanden wirklich tangiert. Doch der Ausfall gestern hat die Abhängigkeit großer Teile der Weltbevölkerung von einem einzigen Anbieter noch einmal deutlich gemacht. Wasser auf die Mühlen all jener Europaparlamentarier, die diesen und andere digitale Riesenkonzerne per DMA und DSA zu einer weiteren Öffnung ihrer Systeme für Dritte zwingen wollen, berichten Till Hoppe und Jasmin Kohl.
Ein Investitionsvertrag aus den 1990-Jahren erlaubt es Investoren, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn ihre Anlagen etwa aufgrund strengerer Klimagesetze in Gefahr sind. Die Verhandlungen über eine Modernisierung laufen schleppend. Für die EU steht die Umsetzung des Green Deals auf dem Spiel.
Vergangene Woche fand die siebte Verhandlungsrunde zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags (ECT) statt. Große Fortschritte gab es keine. Die Verhandlungen sind mühsam. Damit über 50 Mitglieder auf einen Nenner kommen, braucht es Geduld und Kompromissbereitschaft. Der EU fehlt beides: Der Energiecharta-Vertrag gefährdet die Umsetzung ihrer ambitionierten Klimaziele.
Das multilaterale Abkommen legt die Rahmenbedingungen für die internationale Zusammenarbeit im Energiebereich fest. Es entstand in den 1990er-Jahren, um Investitionen westlicher Energieunternehmen in Projekte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu schützen. Konkret schützt der Energiecharta–Vertrag bis heute vor allem Investitionen in fossile Energien. Er erlaubt es Unternehmen, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten auf Milliardensummen zu verklagen, wenn sie sich unfair behandelt glauben. Sprich: wenn Staaten Regeln beschließen, die ihre Investitionen auf unzulässige Art gefährden könnten.
Der Energiecharta-Vertrag hängt wie ein Damoklesschwert über den europäischen Klimazielen. Unternehmen können auch dann klagen, wenn Staaten ihre Klimagesetze verschärfen. So geschehen etwa, als die Stromkonzerne RWE und Uniper im Februar die Niederlande wegen ihres Kohleausstiegs verklagten, allein RWE fordert 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz.
“Der Energiecharta-Vertrag ist ein Lobby-Instrument“, betont Amandine Van den Berghe von der Umweltorganisation Client Earth. Mitgliedstaaten seien schon dann eingeschüchtert, wenn Konzerne nur mit einer Klage drohten. “Statt Milliarden an Steuergeldern für die Umsetzung der Klimaziele nutzen zu können, riskieren die Gelder im Rahmen von Rechtsstreits an große Konzerne zu fließen”, warnt die Anwältin. Alleine in der EU fallen fossile Infrastrukturen im Wert von 350 Milliarden Euro unter den Energiecharta-Vertrag, deckte das Recherchekonsortium Investigate Europe im Februar auf.
Einerseits Paris, andererseits der Energiecharta-Vertrag: “Wir haben es eigentlich mit zwei Regimen zu tun, die sich gegenseitig ausschließen”, schreiben die Experten des Internationalen Institutes für nachhaltige Entwicklung (IISD) in einer Analyse zur Modernisierung des Vertrags. Es sei eine Pattsituation. Für die Pariser Klimaziele müssen sich die Staaten sehr schnell von fossilen Energien abwenden. Gleichzeitig schützt aber der Energiecharta-Vertrag genau solche Investitionen. Doch während das Pariser Abkommen über kein Vollstreckungsinstrument verfügt, hat der ECT die Schiedsgerichte.
Mit der Ausnahme Italiens, das 2016 aus dem Energiecharta-Vertrag ausgetreten ist, sind alle EU-Staaten Mitglied des Vertrags. Auch die EU als Block ist ECT-Mitglied. Brüssel verhandelt im Auftrag der EU27 die Modernisierung und setzt sich für eine Anpassung des Vertrags an Paris ein. Einfach aus dem Vertrag auszutreten, bringt der EU nichts: Es gilt eine 20-jährige Verfallsklausel. So lange müssen Staaten weiter für Investments haften, die vor dem Austritt getätigt wurden. Italien wurde seit seinem Austritt bereits drei Mal verklagt. Das Gleiche drohe der EU bei einem Rückzug, so ein Diplomat: “Ein Austritt ist absolut kein Ausweg”.
Doch allein das Verhandlungsmandat, auf das sich die Mitgliedstaaten 2019 geeinigt haben, sei ein schwacher Kompromiss, kritisieren Umweltorganisationen. Die EU will den Schutz von fossilen Energieträgern in zehn Jahren auslaufen lassen, mit Ausnahme von Gasinfrastrukturen. Gleichzeitig will sie die Schiedsgerichte transparenter gestalten. Doch lange nicht alle Mitglieder des Energiecharta-Vertrags sind bereit, diesen Weg zu gehen. Nicht einmal die EU-Mitglieder stehen geschlossen hinter dem Mandat: Skandinavien und die Visegrad-Staaten mit der Ausnahme Polens seien sehr glücklich mit dem Vertrag, heißt es aus Verhandlungskreisen. Allein Frankreich setze sich stark für einen EU-Austritt ein, sei dabei aber isoliert.
Die Frage der Investitionen, also ob fossile Energien oder nicht, ist für viele der Vertragsparteien außerhalb der EU nicht einmal ein zentrales Element der Verhandlungen. Wenn die Modernisierung kippe, dann nicht wegen den Wirtschaftssektoren. Das sei den meisten Staaten egal, sagt ein Diplomat. Für Staaten wie Kasachstan oder Aserbaidschan etwa sei der Energietransit ein zentraler Punkt, nicht aber die Energiewende. “Es gibt keinerlei Bewegung. Es deutet nichts darauf hin, dass der EU-Vorschlag zum Rückzug aus den fossilen Energien in den Verhandlungen prioritär ist”, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini.
Inzwischen liegt ein neuer Kompromissvorschlag des Energiecharta-Sekretariats vor, nach dem die Staaten selbst entscheiden sollen, auf welche Energien sich der Vertrag applizieren soll. Das würde der EU vielleicht bei der Umsetzung des Green Deals helfen. Von einer generellen Anpassung des Energiecharta-Vertrags an die Pariser Ziele kann allerdings keine Rede sein.
Hinzu kommt: Keine der Optionen wird der EU einen wirklichen Zeitvorsprung verschaffen. Änderungen am Energiecharta-Vertrag müssen einstimmig angenommen werden und treten erst dann in Kraft, wenn drei Viertel der Staaten sie ratifiziert hat. Bei der letzten Vertragsänderung hat das rund 12 Jahre gedauert. Mit Blick auf die Verfallsklausel wäre demnach nichts gewonnen. “Das dauert viel zu lange”, bedauert Cavazzini.
Das größte Problem für die Umsetzung der Klimaziele sind allerdings die Schiedsgerichte. Doch hier scheint Brüssel dank des Komstroy-Urteils des EUGH Anfang September aufatmen zu können: Der Gerichtshof erklärte Schiedsverfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags für unvereinbar mit dem EU-Recht. Demnach kann sich ein Fall wie die Klage von RWE und Uniper gegen die Niederlande zukünftig nicht wiederholen – so zumindest die Hoffnung.
Während die EU-Mitgliedstaaten erleichtert auf das Urteil reagierten, warnen Anwälte vor der Übertragbarkeit des Urteils. Am Montag schickten auch Umwelt-NGOs einen Brief an die EU-Kommission, in dem sie davor warnten, dass die Schiedsgerichte das EuGH-Urteil womöglich ignorieren. Die europäischen Verhandlungsführer aber halten das Urteil für wasserdicht: “Schiedsverfahren im europäischen Raum sind passé”, so ein Diplomat.
Der Experte für internationale Schiedsgerichte an der Universität Luxemburg, Matthew Happold, sieht das differenzierter. “Auf Ebene der Mitgliedstaaten ist das Urteil klar. Die nationalen Gerichte werden sich an die Entscheidung des EUGH halten.” Das bedeute aber nicht, dass die ECT-Schiedsgerichte das Urteil anerkennen und sich folglich für nicht zuständig erklären würden, wenn europäische Investoren Klage einreichten.
So ignorierten Schiedsgerichte bisher auch das Achmea-Urteil von 2018, in dem der EUGH Schiedsgerichte innerhalb der EU für rechtswidrig erklärte. Und das, obwohl 22 EU-Mitglieder daraufhin ein Abkommen schlossen, keine Schiedsgericht-Verfahren innerhalb der EU zuzulassen. Offen ist allerdings die Frage, wie die Schiedsgericht-Urteile künftig vollstreckt werden, sprich wie Investoren aus der EU an ihre Gelder kommen. Der Weg über europäische Gerichte bleibt ihnen wohl versperrt.
Doch selbst wenn das EUGH-Urteil transponiert wird, bleiben noch all jene Klagen, die über Drittstaaten laufen. Mit ihrem Einsatz für modernere und transparentere Schiedsgerichte sind die EU-Unterhändler bisher nicht weit gekommen. Staaten wie Japan oder die Türkei seien sehr zufrieden mit dem Status quo, heißt es aus Verhandlungskreisen.
Es scheint daher unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission ihr Verhandlungsmandat umsetzen kann. Eine offizielle Deadline, wann sie ihr Fazit ziehen will, gibt es nicht. In einer Antwort des Handelskommissars Vladis Dombrovskis auf eine parlamentarische Anfrage im vergangenen Dezember hieß es lediglich: Wenn sich herausstelle, dass es nicht möglich sei, den Vertrag in einer “angemessenen Frist” an die Pariser Klimaziele anzupassen, werde man über weitere Schritte nachdenken, darunter einen Austritt. Inoffiziell wird der Juni 2022 als mögliche Deadline gehandelt.
NGOs halten den koordinierten Austritt für die beste und schnellste Option, um den Schiedsgerichten zu entkommen. So verweisen die NGOs auf ein im Auftrag von Client Earth erstelltes Rechtsgutachten, das argumentiert, dass die austretenden Mitgliedstaaten die Verfallsklausel untereinander neutralisieren könnten, indem sie sich beim Austritt dazu verpflichten, keine Klagen zuzulassen.
Auf diese Option berufen sich auch Forscher des IISD in einer Analyse. Sie argumentieren, dass sogar bei einem zehnjährigen Ausschleichen der Investments in fossile Energien noch 61 Kohlekraftwerke unter den Schutz des Energiecharta-Vertrags fielen. Bei einem koordinierten Austritt mit Neutralisierung der Verfallsklausel seien es bloß noch zwölf Kraftwerke, die für die EU-Staaten zum Verhängnis werden könnten.
Aus Verhandlungskreisen heißt es allerdings, ein solches Szenario sei unrealistisch. “Wir glauben, die Modernisierung ist immer noch die beste Option“, sagte etwa Aleksandra Tomczak aus dem Kabinett von Frans Timmermans bei einem Seminar im März.
Doch was lässt durch die Modernisierung erreichen? Der Vertrag sei eine Chance für Investments in erneuerbare Energien, argumentierte Tomczak. Etwa im Bereich grüner Wasserstoff sei eine Zusammenarbeit wichtig, da dieser voraussichtlich größtenteils außerhalb der EU produziert werden müsse. Demnach müssten Investoren im Bereich erneuerbare Energien geschützt werden, damit sie die Energiewende vorantreiben.
Ob es dazu allerdings private Schiedsgerichte braucht, ist fragwürdig. Schließlich verfügt die EU über andere Instrumente, etwa den European Fund for Sustainable Development Plus (EFSD+). Zudem stehen gerade die Vertreter der erneuerbaren Energien dem Energiecharta-Vertrag kritisch gegenüber.
Die EU solle aus dem Vertrag austreten, da dieser die Umsetzung des Green Deals hindere, forderte der europäische Verband erneuerbarer Energien (EREF) im vergangenen Jahr. “Internationale Schiedsverfahren könnten KMUs im Bereich Erneuerbare Energien vielleicht helfen”, sagt EREF-Direktorin Dörte Fouquet. “Doch dazu brauchen wir den Energiecharta-Vertrag nicht.”
Der Blackout dauerte sechs Stunden. So lange benötigten die Facebook-Techniker, um die Dienste des Konzerns nach und nach wiederherzustellen. Verantwortlich für den Totalausfall von Facebook, Instagram und WhatsApp war kein Hackerangriff, sondern ein interner Fehler: Bei einer Änderung der Konfiguration der Router, die den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren steuern, sei das Problem aufgetreten, teilte Facebook am Dienstag mit. Der Fehler habe dann kaskadenartig weitere Rechenzentren lahmgelegt.
Die Panne sorgte dafür, dass für die rund drei Milliarden Kunden des Konzerns wichtige Kommunikationskanäle nicht mehr erreichbar waren. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg entschuldigte sich zwar bei den Nutzern. Der Vorfall bestärkt aber die Verantwortlichen in Brüssel (und Washington) in ihrer Entschlossenheit, die Marktmacht von Facebook und anderen großen Techkonzernen zu beschneiden.
Und er gibt jenen Rückenwind, die über den Digital Markets Act (DMA) die Konzerne verpflichten wollen, ihre Dienste mit alternativen Angeboten kompatibel zu machen. “Das Thema Interoperabilität der Messenger Services wird dadurch sicher an Relevanz gewinnen“, sagte der Berichterstatter des Europaparlaments für den DMA, Andreas Schwab, zu Europe.Table.
Derzeit beraten Mitgliedstaaten und Europaparlament über den Rechtsakt, der den größten Anbietern eine Reihe von Geschäftspraktiken verbieten und sie zu bestimmten Verhaltensweisen zwingen soll. Am 8. November soll der federführende Binnenmarktausschuss über die Position des Parlaments abstimmen. Der Trilog mit dem Rat soll in der ersten Jahreshälfte 2022 abgeschlossen werden.
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sieht sich grundsätzlich bestätigt. “Wir brauchen Alternativen und Wahlmöglichkeiten im Tech-Markt, und dürfen uns nicht auf wenige große Player verlassen”, schrieb Vestager auf Twitter.
Vestager lehnte eine gesetzlich erzwungene Interoperabilität für Messenger-Dienste in der Vergangenheit aber ab. Dies behindere Innovationen, argumentierte sie: “Wenn wir jetzt vorschreiben, dass alle Messenger kompatibel sein müssen, könnte das dazu führen, dass wir eine Art SMS zurückkriegen”.
Der Vorschlag der Kommission zum DMA enthält entsprechend nur eine Vorgabe zur sogenannten vertikalen Interoperabilität: Apple etwa könnte darüber verpflichtet werden, anderen Zahlungsanbietern Zugang zu den nötigen Schnittstellen in seinem Betriebssystem zu geben.
Eine horizontale Kompatibilität hingegen würde es Wettbewerbern ermöglichen, über Schnittstellen den eigenen Nutzern Zugang auf die Systeme der Gatekeeper zu ermöglichen, ohne dass diese dort über ein eigenes Nutzerkonto verfügen müssten. Diskutiert wird eine solche Verpflichtung vor allem für die Messenger-Dienste.
Der CDU-MdEP Schwab schlägt vor, dass die Kommission im Einzelfall einem Gatekeeper die Auflage machen kann, Kompatibilität zu anderen Anbietern zu ermöglichen. Eine allgemeine Verpflichtung aber lehnt der CDU-Europaabgeordnete als weltfremd ab. “Die Gefahr wäre groß, dass der Anbieter mit den geringsten Standards die größten wirtschaftlichen Vorteile hätte”, sagte er im Interview mit Europe.Table.
Anderen geht das nicht weit genug: “Dieser Ausfall zeigt, welche Risiken die Abhängigkeit des gesamten Internets von einem einzigen Unternehmen birgt”, sagte der tschechische Pirat Marcel Kolaja, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion im Binnenmarktausschuss. Das sei ein “weiterer guter Grund” für eine Verpflichtung zur Interoperabilität im DMA.
Auch im neuen Sondergutachten der Monopolkommission zum DMA findet sich Sympathie für den Ansatz. “Die Wechselanreize wären im Falle einer horizontalen Interoperabilität noch größer“, heißt es dort. Die Wettbewerbsexperten sprechen sich dafür aus, solche und andere Vorgaben lediglich auf Plattformen zu beschränken, die nicht nur auf einem Markt stark sind, sondern ganze Ökosysteme betreiben.
Der Facebook-Blackout ist Teil einer ganzen Reihe an Negativ-Schlagzeilen, die innerhalb kürzester Zeit auf das US-Unternehmen einprasseln. Er folgt unmittelbar auf die Enthüllungen der ehemaligen Facebook-Produktmanagerin und Whistleblowerin Frances Haugen. Sie legen dar, dass Facebook gegenüber Investoren und Anzeigekunden seine Reichweite-Zahlen beschönigt und verschwiegen hat, dass besonders die Anzahl von jüngeren Nutzern seit Jahren sinken. Haugen selbst bekräftigte gestern noch einmal bei einer Anhörung vor dem US-Kongress ihre Anschuldigungen. Facebook soll zudem besonders strittige Inhalte in seinem Algorithmus bevorzugt haben, sodass diese zu mehr Werbe-Klickzahlen und so zu mehr Umsatz führten.
Dieser Vorwurf lässt nicht nur die Forderungen nach einer schärferen KI-Verordnung lauter werden (Europe.Table berichtete). Auch die Verhandlungen zum “Digital Services Act” (DSA) könnten von den Enthüllungen beeinflusst werden. Dieser steht zusammen mit dem DMA in knapp einem Monat im Binnenmarkt-Ausschuss (IMCO) zur Abstimmung und unter anderem die alte E-Commerce-Richtlinie ablösen und somit die Grundregeln für alle Anbieter von Dienstleistungen im Netz überarbeiten.
Der Kommissionsvorschlag sieht für Online-Plattformen wie Facebook auch mehr Transparenz und eine Rechenschaftspflicht vor, auch für eingesetzte Algorithmen. Patrick Breyer (Grüne/EFA), Berichterstatter für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), verhandelt den DSA mit und fordert ein ambitionierteres Vorgehen: “Nutzer:innen sollen die Kontrolle über die Algorithmen erhalten, die bestimmen, welche Informationen in ihren Timelines eingespielt werden.”
Konkret würde das bedeuten, dass Online-Plattformen Algorithmen für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur anwenden dürften, wenn der Nutzer seine ausdrückliche Einwilligung dafür gegeben hat. Für sehr große Online-Plattformen soll eine zusätzliche Vorgabe gelten: Sie sollen Nutzern ermöglichen, sich Informationen ausschließlich in chronologischer Reihenfolge anzeigen zu lassen, fordert Breyer. So könne die Verbreitung von problematischen Inhalten eingedämmt werden.
Diese Forderungen findet sich auch in der LIBE-Stellungnahme zum DSA wieder, die Ende Oktober im Binnenmarktausschuss diskutiert wird. Die aktuellen Vorwürfe gegen Facebook sieht der Pirat als Chance für die politische Debatte: “Hoffentlich helfen die Veröffentlichungen klarzumachen, dass es ein Irrweg ist, den Plattformen immer mehr Verantwortlichkeiten und Macht zuweisen zu wollen.” Till Hoppe und Jasmin Kohl
Die erste Sondierungsrunde ist überstanden: Alle potenziellen Partnern haben bilateral miteinander gesprochen. Den Abschluss bildeten am Dienstagmittag drei der vier Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition: Die 15 Unterhändler von CDU und CSU trafen auf zehn Vertreter der Grünen. “Konstruktiv”, “sachlich” und mit der nötigen “Ernsthaftigkeit” seien die Gespräche verlaufen, so die Grünen-Parteivorsitzende Annalena Baerbock. Ihr CDU-Amtskollege Armin Laschet sprach von einem “guten Austausch“.
Erneut wurden aus dieser Sitzung mit der Union angebliche Details der Sondierungen an “Bild” verraten: Die Grünen hätten sich unter anderem für eine Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien ausgesprochen. Bereits vom Gespräch zwischen FDP, CDU und CSU waren Interna nach draußen weitergegeben worden, entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung öffentlichen Stillschweigens über das Gesagte. Dafür gab es erneut öffentliche Ordnungsrufe. Der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, rezitierte gar auf Twitter FDP-Bundesvorstand Johannes Vogel: “Es nervt.”
Heute Morgen berät nun der FDP-Bundesvorstand in einer Videokonferenz intern über das weitere Vorgehen, auch die Grünen entscheiden an diesem Mittwoch über den Fortgang. Damit könnten die eigentlichen Sondierungen bereits an diesem Donnerstag beginnen – ob im Dreierbündnis Ampel oder im Viererbündnis Jamaika. Beide Bündnisse hätten mit 48 beziehungsweise 38 Stimmen über der notwendigen Mehrheit relativ stabile Verhältnisse im Bundestag.
Aber da ist auch der Bundesrat: Viele der größeren Vorhaben einer neuen Bundesregierung benötigen für die Umsetzung auch die Zustimmung der Länderkammer. Die einfache, alte Aufteilung in CDU-regierte B- und SPD-regierte A-Länder ist mit der Vielzahl bunter Koalitionen quer durch Deutschland nicht mehr einschlägig. In den Parteien ist das eine enorme Denksportaufgabe für die Frage, was eine künftige Bundesregierung in welcher Konstellation tatsächlich erreichen könnte. Und die Stimmverteilung könnte sich bald verschieben.
Denn nach den Wahlen zum Bundestag, in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stehen im kommenden Jahr die Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an. Insbesondere NRW mit der hauchdünnen schwarz-gelben Einstimmenmehrheit im Düsseldorfer Landtag und das derzeit rot-schwarze Niedersachsen sind nach der Bundestagswahl potenzielle Kandidaten für andere Regierungskonstellationen – ohne CDU. Mit Jamaika würde sich die FDP vielleicht zu stark an die CDU binden, die Grünen sich mit Jamaika hierfür mehr Flexibilität erarbeiten. Und in den Parteigremien, die nun beraten, spielen immer auch die Landesverbände eine große Rolle.
Ein Glück für die Verhandler, dass sie noch ein Trostpflaster in der Tasche tragen: Eine Sondierungspräferenz pro Ampel oder Jamaika bedeutet noch lange keine gemeinsame Regierungsbildung, wie 2017 eindrücklich aufgezeigt hat. Bei gutem Willen gebe es große Chancen, “solch ein Gespräch fortzusetzen”, hatte CSU-Chef Markus Söder am Dienstag die Gespräche zwischen Unionsschwestern und Grünen beschrieben. Und offengelassen, ob das auch etwas später sein könnte, dann aber vermutlich ohne Armin Laschet.
Deutschland, Frankreich und Polen sollen sich für eine strategische trilaterale Zusammenarbeit in der Klimapolitik einsetzen. Dies fordern insgesamt 14 Umweltorganisationen aus den drei Ländern in einem offenen Brief vor der EU-Umweltratsitzung am Mittwoch in Luxemburg. Sie schlagen vor, dass schon ab kommendem Jahr neue “Koordinierungs- und Austauschformate für einen intensiven Klimadialog zwischen den drei Staaten” entstehen sollen, bei dem neben Politiker:innen auch Thinktanks und die Zivilgesellschaft beteiligt sein sollen. Vorbild für die umweltpolitische Dreistaaten-Gruppe soll das seit 30 Jahren etablierte Weimarer Dreieck sein, das primär der Abstimmung in der Europa- und Außenpolitik dient.
“Zu oft haben die drei Länder in der Vergangenheit beim europäischen Klimaschutz gegeneinander oder nebeneinanderher gearbeitet“, beklagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der NGO Germanwatch, die den Brief mitverfasst hat. Trilaterale Zusammenarbeit sei eine “Riesenchance” für eine ambitionierte, sozial gerechte und solidarische Umsetzung des Europäischen Green Deals.
Die Umweltorganisationen erhoffen sich, dass sich die drei Länder bei den Verhandlungen rund um das Fit for 55-Paket gemeinsam positionieren. Konkret fordern sie den Ausbau des Bahnverkehrs zwischen den drei Hauptstädten, eine trilaterale Initiative für die Einführung einer Kerosinsteuer sowie gemeinsame Ambitionen zur Reduktion fossiler Brennstoffe und der Kernenergie im EU-Energiemix.
Letzteres dürfte aufgrund der unterschiedlichen Hauptenergieträger in Polen, Frankreich und Deutschland besonders viel diplomatisches Geschick erfordern. Deutschlands Atom- und Kohleausstieg sind beschlossene Sache, künftig wird Erdgas durch Nord Stream 2 eine noch größere Rolle spielen. Frankreich setzt auch in Zukunft auf Atomstrom. Polens wichtigster Energieträger ist mit großem Abstand noch immer die Kohle, der 2009 gefasste Plan ein eigenes Kernkraftwerk zu bauen wird bis heute verfolgt, aber bislang nicht umgesetzt. luk
Mehrere Mitgliedstaaten fordern strengere Umwelt- und Sozialauflagen für die Textilindustrie. In einem Brief an die Europäische Kommission fordern sie unter anderem die Einführung von “ehrgeizigen Zielen für das Sammeln, die erneute Nutzung und das Recycling von Textilien”. Unterzeichnet haben das Schreiben, das Europe.Table vorliegt, Vertreter von elf Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und die Benelux-Länder.
Die Regierungen beziehen sich auf die EU-Strategie für nachhaltige Textilien, die die Kommission noch für dieses Jahr angekündigt hat. In EU-Kreisen heißt es jedoch bereits, wahrscheinlicher sei die Vorstellung des Vorschlags Anfang 2022.
In dem Schreiben weisen die Unterzeichner:innen – für Deutschland Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) – auf die Auswirkungen des ressourcenintensiven Textilsektors auf Klima und Umwelt hin. “Große Mengen an nicht nachhaltig produzierten Textilien kommen auf den europäischen Markt”, schreiben sie. Im Rahmen der Initiative für nachhaltige Produkte und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit sollten daher ambitionierte Produktanforderungen und Nachhaltigkeitskriterien formuliert werden.
Problematisch sei auch das “Phänomen des Überkonsums, auch bekannt als Fast Fashion”, so die Minister weiter. Sie fordern eine Studie, um zu untersuchen, wie das Konsumverhalten beeinflusst und nachhaltigere Geschäftsmodelle gefördert werden könnten. Zudem solle die Lebensdauer von Textilien durch gezielte Maßnahmen verlängert werden.
Um die Ziele des Green Deals zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Textilindustrie zu gewährleisten, sei der Übergang zu einer sicheren, kreislauforientierten und klimaneutralen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, heißt es in dem Brief. Die Dringlichkeit, bald zu handeln, sei durch die Corona-Krise noch deutlicher geworden. Auch sei das Bewusstsein der Bevölkerung für verschwenderische Verhaltensmuster gewachsen. tho/chw
Die EU-Kommission untersucht Beschwerden von Mitgliedstaten, dass Russland seine Position als Haupt-Gaslieferant ausnutze und den Preis für Gas in Europa hochtreibe. “Wir prüfen diese Behauptung zusammen mit der für die Wettbewerbsregeln zuständigen Vizepräsidentin Vestager, da es sich natürlich um eine sehr ernste Angelegenheit handelt”, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson zu Reuters.
Nach der ersten Einschätzung halte Russland seine langfristigen Verträge ein, sagte Kadri in schriftlichen Antworten auf Fragen von Europaabgeordneten. EU-Staaten und Europaparlamentarier hatten aber kritisiert, dass der russische Konzern Gazprom keine weiteren Lieferungen vornehme. Gazprom und der Kreml haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Russland seine Kunden entsprechend bestehender Verträge beliefere. Das Land ist Europas größter Gaslieferant: 47 Prozent der Gasimporte im Jahr 2020 kamen aus der Russischen Föderation.
Die Kommission wird nächste Woche eine “Toolbox” vorstellen, wie Mitgliedsstaaten und EU auf die stark gestiegenen Energiepreise reagieren können. Simson sagte, die Toolbox werde auch “Schritte erwägen, die auf EU-Ebene unternommen werden können, damit wir auf ähnliche Situationen in der Zukunft besser vorbereitet sind”. Länder wie Spanien, Frankreich und Polen haben erklärt, dass die EU der Preiskrise etwa mit Reformen der EU-Energiemarktvorschriften oder gemeinsamen Gaseinkäufen begegnen solle. rtr
Wirtschafts- und Forschungsministerium haben eine gemeinsame Förderrichtlinie vorgelegt, die den Markthochlauf für Wasserstoff beschleunigen soll. Adressiert werden insbesondere Projekte außerhalb der EU, die der Erzeugung und Weiterverarbeitung von grünem Wasserstoff sowie der Speicherung und dem Transport dienen.
“Neben einem starken Heimatmarkt setzen wir auch auf Pilotvorhaben unserer Industrie in Partnerländern”, so Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Grüner Wasserstoff könne dort effizient und kostengünstig erzeugt werden.
Mit der Förderung von Wasserstoffprojekten im Ausland soll einerseits der Industriestandort Deutschland durch den Export technologischer Lösungen gestärkt werden. Gleichzeitig soll der Energie-Importabhängigkeit durch den schnellen Aufbau der Wasserstoff-Lieferketten und -infrastruktur begegnet werden.
Für Wirtschaftsunternehmen kann die Förderung pro Antragsteller und Vorhaben bis zu 15 Millionen Euro betragen. Projekte von Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen können jeweils mit bis zu fünf Millionen Euro gefördert werden. til
Weltweit führende Bergbauunternehmen haben sich am Dienstag verpflichtet, bis 2050 oder früher keine Kohlenstoffemissionen mehr zu verursachen. Das teilte der Internationale Rat für Bergbau und Metalle (ICMM) mit. Die Ankündigung erfolgt im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im November, bei der ehrgeizigere Klimamaßnahmen der fast 200 Länder, die das Pariser Abkommen von 2015 zur Begrenzung der globalen Erwärmung unterzeichnet haben, beschlossen werden sollen.
Viele Bergbauunternehmen, darunter Glencore (Europe.Table berichtete), Rio Tinto und BHP, hatten sich unter dem Druck von Umweltaktivisten und Aktionären bereits zuvor verpflichtet, ihre Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren. Die jetzige kollektive Verpflichtung der ICMM-Mitglieder stellt jedoch ein gemeinsames Ziel von Unternehmen dar, die ein Drittel der weltweiten Bergbau- und Metallindustrie ausmachen. rtr
Künstliche Intelligenz ist ein Streitthema. Einerseits verspricht sie zahlreiche gesellschaftliche Probleme zu lösen, andererseits könnte sie zum Nährboden für neue werden. Unumstritten ist aber, dass der Fortschritt dieser Technologie für die Zukunft des digitalen Europas mitentscheidend sein wird. Das Vorhaben der EU sich als Vorreiter und “globales Zentrum für Exzellenz” zu positionieren, scheiterte bisher vor allem an mangelndem Vertrauen in KI.
Die Italienerin Lucilla Sioli – seit 1997 Beamtin in der Europäischen Kommission – will das ändern: Mit transparenten Regeln will sie die EU-Bürger und Unternehmen von der Vertrauenswürdigkeit und Relevanz der Technologien überzeugen.
“Wir müssen uns mit der Vertrauensfrage auseinandersetzen”, sagt Lucilla Sioli als sie im April den weltweit ersten Vorschlag für einen verbindlichen KI-Rechtsrahmen in Brüssel vorstellt. Bereits im vergangenen Jahr hat die EU mit dem Weißbuch zur KI ein klares Ziel vorgelegt: Um die Nutzung von KI zu fördern und mögliche Risiken zu minimieren, bedarf es vertrauenswürdiger KI-Systeme. Gleichzeitig dürfe eine übermäßige Regulierung des technischen Fortschritts die europäische Wettbewerbsfähigkeit nicht schwächen. Die Kommission setzt nun auf einen risikobasierten Ansatz, um die Vertrauenswürdigkeit zu messen.
Zu den minimal riskanten Technologien, die keine Regulierung erfordern, zählen demnach Videospiele oder Spamfilter. Chatbots und andere menschenähnliche KI-Systeme gehören zur Kategorie “begrenztes Risiko”, für die künftig eine Transparenzverpflichtung gelten soll, die die Nutzer aufklärt. Hoch riskant ist laut diesem Ansatz der Einsatz von KI im medizinischen Bereich (roboterassistierte Chirurgie), bei Softwareanwendungen für Personalvermittlung oder zu Strafverfolgungszwecken, z.B. durch Gesichtserkennung und Abgleich mit der Straftäterdatenbank.
Diese Technologien sollen nur nach bestandener EU–Konformitätsbewertung zugelassen werden. Produkte, die eine potenzielle Gefahr für Menschen oder Verletzung von Bürgerrechten darstellen, z.B. KI-Kinderspielzeug oder Tools, die Behörden die Bewertung sozialen Verhaltens (Social Scoring) ermöglichen, gehören zu den unzulässigen Anwendungen.
Sioli ist Volkswirtin, und als solche ist Regulierung bei ihr Teil eines erwarteten oder erwünschten Marktgeschehens. Für sie und die EU-Kommission geht es bei der KI-Verordnung darum, bestimmte technologische Fehlentwicklungen auszuschließen – um Akzeptanz für den Einsatz insgesamt zu erreichen. Die Direktorin ist dabei nicht nur für KI zuständig: Mit Sensorik und Mikroelektronik verantwortet Lucilla Sioli zwei Hardware-Gegenstücke, ohne die hochautomatisierte Geräte im großen Stil nicht denkbar wären.
Bisher werden bereits 25 Prozent aller Industrie- und Haushaltsroboter in der EU produziert. Doch das reicht der Kommission nicht. Ihr Ziel ist es, in diesem Jahrzehnt KI-Investitionen von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr in der EU zu mobilisieren. Dafür verspricht sie den europäischen Bürgern, Unternehmen und Regierungen viele Vorteile, z.B. sauberen und nachhaltigen Verkehr, innovative Produkte im Energie- und Sicherheitssektor oder bessere Gesundheitsfürsorge.
Für letztere setzt sich Sioli besonders ein. Lucilla Sioli betont, “KI und Supercomputer haben dabei geholfen, die Kandidaten für ein Covid19-Medikament zu identifizieren und werden auch zukünftig dem internationalen Gesundheitswesen eine große Stütze sein”. Giorgia Grimaldi
Ganz Europa fragt sich dieser Tage, wie man die steigenden Energiepreise wohl in den Griff bekommt. Dabei hat einer, der es ganz offensichtlich wissen muss, längst die Lösung parat. Statt auf den “grünen Wandel”, sollte man sich auf “die nachhaltige Entwicklung von Öl, Gas und Kohle” konzentrieren. Sagt Wladimir Putin, der Mann mit der Hand am Gashahn und mit dem Loch im Permafrost.
Auf dem europäischen Energiemarkt sei “Hysterie und Verwirrung ausgebrochen”, erklärte der russische Präsident am Dienstag. Hysterie trifft es tatsächlich ganz gut angesichts der steigenden Preise, die einkommensschwache Haushalte besonders belasten. Verwirrung trifft es auch, allerdings weniger wegen des Einflusses des Green Deals auf den Energiepreis. Sondern mehr aufgrund des Einflusses Russlands auf die derzeitige Situation. Lukas Scheid
Die Qualifikationsrunde für die Berliner Sondierungen ist überstanden: Konstruktiv, konstruktiv und konstruktiv waren die jeweiligen Gesprächsrunden aus Sicht der Unterhändler; die Durchstecherei hingegen nervt, findet aber nur mit der Union statt. Die letzte Partie brachten Grüne, CDU und CSU am Dienstag hinter sich, ob Winfried Kretschmann der Union erklärt hat, dass der Automobilstandort wichtig sei, ist öffentlich nicht überliefert. Jetzt ist es an den jeweiligen Parteigremien, sich zu beraten, wer mit wem weitergehen will – oder eben auch nicht.
Am Vorabend des Westbalkan-Gipfels kamen die EU-Staats- und Regierungschefs noch zu einem Dinner im Renaissanceschloss Brdo nahe Ljubljana zusammen, um über “die Rolle der EU auf der internationalen Bühne” (Ratspräsident Charles Michel) zu sprechen. Sonderlich geglänzt hatten die Europäer in dieser Rolle zuletzt bekanntlich nicht, beim Abzug aus Afghanistan und im Indopazifik (Stichwort: Aukus) wurden sie vom vermeintlichen Verbündeten Amerika übergangen. Künftig soll die EU eigenständiger agieren, ohne die Nato zu untergraben. Wie das gelingen soll bei allen Meinungsunterschiede etwa zwischen Frankreich und osteuropäischen Staaten, will der Außenbeauftragte Josep Borrell im November im Strategischen Kompass darlegen.
Dass die Kosten für den Green Deal enorm sein werden, steht außer Frage. Doch einige Kosten könnten gespart werden, wenn der Energiecharta-Vertrag reformiert würde. Der sollte über internationale Schiedsgerichtsbarkeit dafür sorgen, dass ausländische Anleger nicht geprellt werden, wenn sie in Staaten mit Rechtsstaatsdefiziten investieren. Doch das rechtliche Fossil betrifft auch die EU und deren Mitgliedstaaten, die dringliche Reform verzögert sich weiter, berichtet Charlotte Wirth.
Wenn Facebook vor 15 Jahren ausgefallen wäre, hätte das niemanden wirklich tangiert. Doch der Ausfall gestern hat die Abhängigkeit großer Teile der Weltbevölkerung von einem einzigen Anbieter noch einmal deutlich gemacht. Wasser auf die Mühlen all jener Europaparlamentarier, die diesen und andere digitale Riesenkonzerne per DMA und DSA zu einer weiteren Öffnung ihrer Systeme für Dritte zwingen wollen, berichten Till Hoppe und Jasmin Kohl.
Ein Investitionsvertrag aus den 1990-Jahren erlaubt es Investoren, Staaten vor privaten Schiedsgerichten zu verklagen, wenn ihre Anlagen etwa aufgrund strengerer Klimagesetze in Gefahr sind. Die Verhandlungen über eine Modernisierung laufen schleppend. Für die EU steht die Umsetzung des Green Deals auf dem Spiel.
Vergangene Woche fand die siebte Verhandlungsrunde zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags (ECT) statt. Große Fortschritte gab es keine. Die Verhandlungen sind mühsam. Damit über 50 Mitglieder auf einen Nenner kommen, braucht es Geduld und Kompromissbereitschaft. Der EU fehlt beides: Der Energiecharta-Vertrag gefährdet die Umsetzung ihrer ambitionierten Klimaziele.
Das multilaterale Abkommen legt die Rahmenbedingungen für die internationale Zusammenarbeit im Energiebereich fest. Es entstand in den 1990er-Jahren, um Investitionen westlicher Energieunternehmen in Projekte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zu schützen. Konkret schützt der Energiecharta–Vertrag bis heute vor allem Investitionen in fossile Energien. Er erlaubt es Unternehmen, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten auf Milliardensummen zu verklagen, wenn sie sich unfair behandelt glauben. Sprich: wenn Staaten Regeln beschließen, die ihre Investitionen auf unzulässige Art gefährden könnten.
Der Energiecharta-Vertrag hängt wie ein Damoklesschwert über den europäischen Klimazielen. Unternehmen können auch dann klagen, wenn Staaten ihre Klimagesetze verschärfen. So geschehen etwa, als die Stromkonzerne RWE und Uniper im Februar die Niederlande wegen ihres Kohleausstiegs verklagten, allein RWE fordert 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz.
“Der Energiecharta-Vertrag ist ein Lobby-Instrument“, betont Amandine Van den Berghe von der Umweltorganisation Client Earth. Mitgliedstaaten seien schon dann eingeschüchtert, wenn Konzerne nur mit einer Klage drohten. “Statt Milliarden an Steuergeldern für die Umsetzung der Klimaziele nutzen zu können, riskieren die Gelder im Rahmen von Rechtsstreits an große Konzerne zu fließen”, warnt die Anwältin. Alleine in der EU fallen fossile Infrastrukturen im Wert von 350 Milliarden Euro unter den Energiecharta-Vertrag, deckte das Recherchekonsortium Investigate Europe im Februar auf.
Einerseits Paris, andererseits der Energiecharta-Vertrag: “Wir haben es eigentlich mit zwei Regimen zu tun, die sich gegenseitig ausschließen”, schreiben die Experten des Internationalen Institutes für nachhaltige Entwicklung (IISD) in einer Analyse zur Modernisierung des Vertrags. Es sei eine Pattsituation. Für die Pariser Klimaziele müssen sich die Staaten sehr schnell von fossilen Energien abwenden. Gleichzeitig schützt aber der Energiecharta-Vertrag genau solche Investitionen. Doch während das Pariser Abkommen über kein Vollstreckungsinstrument verfügt, hat der ECT die Schiedsgerichte.
Mit der Ausnahme Italiens, das 2016 aus dem Energiecharta-Vertrag ausgetreten ist, sind alle EU-Staaten Mitglied des Vertrags. Auch die EU als Block ist ECT-Mitglied. Brüssel verhandelt im Auftrag der EU27 die Modernisierung und setzt sich für eine Anpassung des Vertrags an Paris ein. Einfach aus dem Vertrag auszutreten, bringt der EU nichts: Es gilt eine 20-jährige Verfallsklausel. So lange müssen Staaten weiter für Investments haften, die vor dem Austritt getätigt wurden. Italien wurde seit seinem Austritt bereits drei Mal verklagt. Das Gleiche drohe der EU bei einem Rückzug, so ein Diplomat: “Ein Austritt ist absolut kein Ausweg”.
Doch allein das Verhandlungsmandat, auf das sich die Mitgliedstaaten 2019 geeinigt haben, sei ein schwacher Kompromiss, kritisieren Umweltorganisationen. Die EU will den Schutz von fossilen Energieträgern in zehn Jahren auslaufen lassen, mit Ausnahme von Gasinfrastrukturen. Gleichzeitig will sie die Schiedsgerichte transparenter gestalten. Doch lange nicht alle Mitglieder des Energiecharta-Vertrags sind bereit, diesen Weg zu gehen. Nicht einmal die EU-Mitglieder stehen geschlossen hinter dem Mandat: Skandinavien und die Visegrad-Staaten mit der Ausnahme Polens seien sehr glücklich mit dem Vertrag, heißt es aus Verhandlungskreisen. Allein Frankreich setze sich stark für einen EU-Austritt ein, sei dabei aber isoliert.
Die Frage der Investitionen, also ob fossile Energien oder nicht, ist für viele der Vertragsparteien außerhalb der EU nicht einmal ein zentrales Element der Verhandlungen. Wenn die Modernisierung kippe, dann nicht wegen den Wirtschaftssektoren. Das sei den meisten Staaten egal, sagt ein Diplomat. Für Staaten wie Kasachstan oder Aserbaidschan etwa sei der Energietransit ein zentraler Punkt, nicht aber die Energiewende. “Es gibt keinerlei Bewegung. Es deutet nichts darauf hin, dass der EU-Vorschlag zum Rückzug aus den fossilen Energien in den Verhandlungen prioritär ist”, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini.
Inzwischen liegt ein neuer Kompromissvorschlag des Energiecharta-Sekretariats vor, nach dem die Staaten selbst entscheiden sollen, auf welche Energien sich der Vertrag applizieren soll. Das würde der EU vielleicht bei der Umsetzung des Green Deals helfen. Von einer generellen Anpassung des Energiecharta-Vertrags an die Pariser Ziele kann allerdings keine Rede sein.
Hinzu kommt: Keine der Optionen wird der EU einen wirklichen Zeitvorsprung verschaffen. Änderungen am Energiecharta-Vertrag müssen einstimmig angenommen werden und treten erst dann in Kraft, wenn drei Viertel der Staaten sie ratifiziert hat. Bei der letzten Vertragsänderung hat das rund 12 Jahre gedauert. Mit Blick auf die Verfallsklausel wäre demnach nichts gewonnen. “Das dauert viel zu lange”, bedauert Cavazzini.
Das größte Problem für die Umsetzung der Klimaziele sind allerdings die Schiedsgerichte. Doch hier scheint Brüssel dank des Komstroy-Urteils des EUGH Anfang September aufatmen zu können: Der Gerichtshof erklärte Schiedsverfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags für unvereinbar mit dem EU-Recht. Demnach kann sich ein Fall wie die Klage von RWE und Uniper gegen die Niederlande zukünftig nicht wiederholen – so zumindest die Hoffnung.
Während die EU-Mitgliedstaaten erleichtert auf das Urteil reagierten, warnen Anwälte vor der Übertragbarkeit des Urteils. Am Montag schickten auch Umwelt-NGOs einen Brief an die EU-Kommission, in dem sie davor warnten, dass die Schiedsgerichte das EuGH-Urteil womöglich ignorieren. Die europäischen Verhandlungsführer aber halten das Urteil für wasserdicht: “Schiedsverfahren im europäischen Raum sind passé”, so ein Diplomat.
Der Experte für internationale Schiedsgerichte an der Universität Luxemburg, Matthew Happold, sieht das differenzierter. “Auf Ebene der Mitgliedstaaten ist das Urteil klar. Die nationalen Gerichte werden sich an die Entscheidung des EUGH halten.” Das bedeute aber nicht, dass die ECT-Schiedsgerichte das Urteil anerkennen und sich folglich für nicht zuständig erklären würden, wenn europäische Investoren Klage einreichten.
So ignorierten Schiedsgerichte bisher auch das Achmea-Urteil von 2018, in dem der EUGH Schiedsgerichte innerhalb der EU für rechtswidrig erklärte. Und das, obwohl 22 EU-Mitglieder daraufhin ein Abkommen schlossen, keine Schiedsgericht-Verfahren innerhalb der EU zuzulassen. Offen ist allerdings die Frage, wie die Schiedsgericht-Urteile künftig vollstreckt werden, sprich wie Investoren aus der EU an ihre Gelder kommen. Der Weg über europäische Gerichte bleibt ihnen wohl versperrt.
Doch selbst wenn das EUGH-Urteil transponiert wird, bleiben noch all jene Klagen, die über Drittstaaten laufen. Mit ihrem Einsatz für modernere und transparentere Schiedsgerichte sind die EU-Unterhändler bisher nicht weit gekommen. Staaten wie Japan oder die Türkei seien sehr zufrieden mit dem Status quo, heißt es aus Verhandlungskreisen.
Es scheint daher unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission ihr Verhandlungsmandat umsetzen kann. Eine offizielle Deadline, wann sie ihr Fazit ziehen will, gibt es nicht. In einer Antwort des Handelskommissars Vladis Dombrovskis auf eine parlamentarische Anfrage im vergangenen Dezember hieß es lediglich: Wenn sich herausstelle, dass es nicht möglich sei, den Vertrag in einer “angemessenen Frist” an die Pariser Klimaziele anzupassen, werde man über weitere Schritte nachdenken, darunter einen Austritt. Inoffiziell wird der Juni 2022 als mögliche Deadline gehandelt.
NGOs halten den koordinierten Austritt für die beste und schnellste Option, um den Schiedsgerichten zu entkommen. So verweisen die NGOs auf ein im Auftrag von Client Earth erstelltes Rechtsgutachten, das argumentiert, dass die austretenden Mitgliedstaaten die Verfallsklausel untereinander neutralisieren könnten, indem sie sich beim Austritt dazu verpflichten, keine Klagen zuzulassen.
Auf diese Option berufen sich auch Forscher des IISD in einer Analyse. Sie argumentieren, dass sogar bei einem zehnjährigen Ausschleichen der Investments in fossile Energien noch 61 Kohlekraftwerke unter den Schutz des Energiecharta-Vertrags fielen. Bei einem koordinierten Austritt mit Neutralisierung der Verfallsklausel seien es bloß noch zwölf Kraftwerke, die für die EU-Staaten zum Verhängnis werden könnten.
Aus Verhandlungskreisen heißt es allerdings, ein solches Szenario sei unrealistisch. “Wir glauben, die Modernisierung ist immer noch die beste Option“, sagte etwa Aleksandra Tomczak aus dem Kabinett von Frans Timmermans bei einem Seminar im März.
Doch was lässt durch die Modernisierung erreichen? Der Vertrag sei eine Chance für Investments in erneuerbare Energien, argumentierte Tomczak. Etwa im Bereich grüner Wasserstoff sei eine Zusammenarbeit wichtig, da dieser voraussichtlich größtenteils außerhalb der EU produziert werden müsse. Demnach müssten Investoren im Bereich erneuerbare Energien geschützt werden, damit sie die Energiewende vorantreiben.
Ob es dazu allerdings private Schiedsgerichte braucht, ist fragwürdig. Schließlich verfügt die EU über andere Instrumente, etwa den European Fund for Sustainable Development Plus (EFSD+). Zudem stehen gerade die Vertreter der erneuerbaren Energien dem Energiecharta-Vertrag kritisch gegenüber.
Die EU solle aus dem Vertrag austreten, da dieser die Umsetzung des Green Deals hindere, forderte der europäische Verband erneuerbarer Energien (EREF) im vergangenen Jahr. “Internationale Schiedsverfahren könnten KMUs im Bereich Erneuerbare Energien vielleicht helfen”, sagt EREF-Direktorin Dörte Fouquet. “Doch dazu brauchen wir den Energiecharta-Vertrag nicht.”
Der Blackout dauerte sechs Stunden. So lange benötigten die Facebook-Techniker, um die Dienste des Konzerns nach und nach wiederherzustellen. Verantwortlich für den Totalausfall von Facebook, Instagram und WhatsApp war kein Hackerangriff, sondern ein interner Fehler: Bei einer Änderung der Konfiguration der Router, die den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren steuern, sei das Problem aufgetreten, teilte Facebook am Dienstag mit. Der Fehler habe dann kaskadenartig weitere Rechenzentren lahmgelegt.
Die Panne sorgte dafür, dass für die rund drei Milliarden Kunden des Konzerns wichtige Kommunikationskanäle nicht mehr erreichbar waren. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg entschuldigte sich zwar bei den Nutzern. Der Vorfall bestärkt aber die Verantwortlichen in Brüssel (und Washington) in ihrer Entschlossenheit, die Marktmacht von Facebook und anderen großen Techkonzernen zu beschneiden.
Und er gibt jenen Rückenwind, die über den Digital Markets Act (DMA) die Konzerne verpflichten wollen, ihre Dienste mit alternativen Angeboten kompatibel zu machen. “Das Thema Interoperabilität der Messenger Services wird dadurch sicher an Relevanz gewinnen“, sagte der Berichterstatter des Europaparlaments für den DMA, Andreas Schwab, zu Europe.Table.
Derzeit beraten Mitgliedstaaten und Europaparlament über den Rechtsakt, der den größten Anbietern eine Reihe von Geschäftspraktiken verbieten und sie zu bestimmten Verhaltensweisen zwingen soll. Am 8. November soll der federführende Binnenmarktausschuss über die Position des Parlaments abstimmen. Der Trilog mit dem Rat soll in der ersten Jahreshälfte 2022 abgeschlossen werden.
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sieht sich grundsätzlich bestätigt. “Wir brauchen Alternativen und Wahlmöglichkeiten im Tech-Markt, und dürfen uns nicht auf wenige große Player verlassen”, schrieb Vestager auf Twitter.
Vestager lehnte eine gesetzlich erzwungene Interoperabilität für Messenger-Dienste in der Vergangenheit aber ab. Dies behindere Innovationen, argumentierte sie: “Wenn wir jetzt vorschreiben, dass alle Messenger kompatibel sein müssen, könnte das dazu führen, dass wir eine Art SMS zurückkriegen”.
Der Vorschlag der Kommission zum DMA enthält entsprechend nur eine Vorgabe zur sogenannten vertikalen Interoperabilität: Apple etwa könnte darüber verpflichtet werden, anderen Zahlungsanbietern Zugang zu den nötigen Schnittstellen in seinem Betriebssystem zu geben.
Eine horizontale Kompatibilität hingegen würde es Wettbewerbern ermöglichen, über Schnittstellen den eigenen Nutzern Zugang auf die Systeme der Gatekeeper zu ermöglichen, ohne dass diese dort über ein eigenes Nutzerkonto verfügen müssten. Diskutiert wird eine solche Verpflichtung vor allem für die Messenger-Dienste.
Der CDU-MdEP Schwab schlägt vor, dass die Kommission im Einzelfall einem Gatekeeper die Auflage machen kann, Kompatibilität zu anderen Anbietern zu ermöglichen. Eine allgemeine Verpflichtung aber lehnt der CDU-Europaabgeordnete als weltfremd ab. “Die Gefahr wäre groß, dass der Anbieter mit den geringsten Standards die größten wirtschaftlichen Vorteile hätte”, sagte er im Interview mit Europe.Table.
Anderen geht das nicht weit genug: “Dieser Ausfall zeigt, welche Risiken die Abhängigkeit des gesamten Internets von einem einzigen Unternehmen birgt”, sagte der tschechische Pirat Marcel Kolaja, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion im Binnenmarktausschuss. Das sei ein “weiterer guter Grund” für eine Verpflichtung zur Interoperabilität im DMA.
Auch im neuen Sondergutachten der Monopolkommission zum DMA findet sich Sympathie für den Ansatz. “Die Wechselanreize wären im Falle einer horizontalen Interoperabilität noch größer“, heißt es dort. Die Wettbewerbsexperten sprechen sich dafür aus, solche und andere Vorgaben lediglich auf Plattformen zu beschränken, die nicht nur auf einem Markt stark sind, sondern ganze Ökosysteme betreiben.
Der Facebook-Blackout ist Teil einer ganzen Reihe an Negativ-Schlagzeilen, die innerhalb kürzester Zeit auf das US-Unternehmen einprasseln. Er folgt unmittelbar auf die Enthüllungen der ehemaligen Facebook-Produktmanagerin und Whistleblowerin Frances Haugen. Sie legen dar, dass Facebook gegenüber Investoren und Anzeigekunden seine Reichweite-Zahlen beschönigt und verschwiegen hat, dass besonders die Anzahl von jüngeren Nutzern seit Jahren sinken. Haugen selbst bekräftigte gestern noch einmal bei einer Anhörung vor dem US-Kongress ihre Anschuldigungen. Facebook soll zudem besonders strittige Inhalte in seinem Algorithmus bevorzugt haben, sodass diese zu mehr Werbe-Klickzahlen und so zu mehr Umsatz führten.
Dieser Vorwurf lässt nicht nur die Forderungen nach einer schärferen KI-Verordnung lauter werden (Europe.Table berichtete). Auch die Verhandlungen zum “Digital Services Act” (DSA) könnten von den Enthüllungen beeinflusst werden. Dieser steht zusammen mit dem DMA in knapp einem Monat im Binnenmarkt-Ausschuss (IMCO) zur Abstimmung und unter anderem die alte E-Commerce-Richtlinie ablösen und somit die Grundregeln für alle Anbieter von Dienstleistungen im Netz überarbeiten.
Der Kommissionsvorschlag sieht für Online-Plattformen wie Facebook auch mehr Transparenz und eine Rechenschaftspflicht vor, auch für eingesetzte Algorithmen. Patrick Breyer (Grüne/EFA), Berichterstatter für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), verhandelt den DSA mit und fordert ein ambitionierteres Vorgehen: “Nutzer:innen sollen die Kontrolle über die Algorithmen erhalten, die bestimmen, welche Informationen in ihren Timelines eingespielt werden.”
Konkret würde das bedeuten, dass Online-Plattformen Algorithmen für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nur anwenden dürften, wenn der Nutzer seine ausdrückliche Einwilligung dafür gegeben hat. Für sehr große Online-Plattformen soll eine zusätzliche Vorgabe gelten: Sie sollen Nutzern ermöglichen, sich Informationen ausschließlich in chronologischer Reihenfolge anzeigen zu lassen, fordert Breyer. So könne die Verbreitung von problematischen Inhalten eingedämmt werden.
Diese Forderungen findet sich auch in der LIBE-Stellungnahme zum DSA wieder, die Ende Oktober im Binnenmarktausschuss diskutiert wird. Die aktuellen Vorwürfe gegen Facebook sieht der Pirat als Chance für die politische Debatte: “Hoffentlich helfen die Veröffentlichungen klarzumachen, dass es ein Irrweg ist, den Plattformen immer mehr Verantwortlichkeiten und Macht zuweisen zu wollen.” Till Hoppe und Jasmin Kohl
Die erste Sondierungsrunde ist überstanden: Alle potenziellen Partnern haben bilateral miteinander gesprochen. Den Abschluss bildeten am Dienstagmittag drei der vier Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition: Die 15 Unterhändler von CDU und CSU trafen auf zehn Vertreter der Grünen. “Konstruktiv”, “sachlich” und mit der nötigen “Ernsthaftigkeit” seien die Gespräche verlaufen, so die Grünen-Parteivorsitzende Annalena Baerbock. Ihr CDU-Amtskollege Armin Laschet sprach von einem “guten Austausch“.
Erneut wurden aus dieser Sitzung mit der Union angebliche Details der Sondierungen an “Bild” verraten: Die Grünen hätten sich unter anderem für eine Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien ausgesprochen. Bereits vom Gespräch zwischen FDP, CDU und CSU waren Interna nach draußen weitergegeben worden, entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung öffentlichen Stillschweigens über das Gesagte. Dafür gab es erneut öffentliche Ordnungsrufe. Der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, rezitierte gar auf Twitter FDP-Bundesvorstand Johannes Vogel: “Es nervt.”
Heute Morgen berät nun der FDP-Bundesvorstand in einer Videokonferenz intern über das weitere Vorgehen, auch die Grünen entscheiden an diesem Mittwoch über den Fortgang. Damit könnten die eigentlichen Sondierungen bereits an diesem Donnerstag beginnen – ob im Dreierbündnis Ampel oder im Viererbündnis Jamaika. Beide Bündnisse hätten mit 48 beziehungsweise 38 Stimmen über der notwendigen Mehrheit relativ stabile Verhältnisse im Bundestag.
Aber da ist auch der Bundesrat: Viele der größeren Vorhaben einer neuen Bundesregierung benötigen für die Umsetzung auch die Zustimmung der Länderkammer. Die einfache, alte Aufteilung in CDU-regierte B- und SPD-regierte A-Länder ist mit der Vielzahl bunter Koalitionen quer durch Deutschland nicht mehr einschlägig. In den Parteien ist das eine enorme Denksportaufgabe für die Frage, was eine künftige Bundesregierung in welcher Konstellation tatsächlich erreichen könnte. Und die Stimmverteilung könnte sich bald verschieben.
Denn nach den Wahlen zum Bundestag, in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stehen im kommenden Jahr die Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an. Insbesondere NRW mit der hauchdünnen schwarz-gelben Einstimmenmehrheit im Düsseldorfer Landtag und das derzeit rot-schwarze Niedersachsen sind nach der Bundestagswahl potenzielle Kandidaten für andere Regierungskonstellationen – ohne CDU. Mit Jamaika würde sich die FDP vielleicht zu stark an die CDU binden, die Grünen sich mit Jamaika hierfür mehr Flexibilität erarbeiten. Und in den Parteigremien, die nun beraten, spielen immer auch die Landesverbände eine große Rolle.
Ein Glück für die Verhandler, dass sie noch ein Trostpflaster in der Tasche tragen: Eine Sondierungspräferenz pro Ampel oder Jamaika bedeutet noch lange keine gemeinsame Regierungsbildung, wie 2017 eindrücklich aufgezeigt hat. Bei gutem Willen gebe es große Chancen, “solch ein Gespräch fortzusetzen”, hatte CSU-Chef Markus Söder am Dienstag die Gespräche zwischen Unionsschwestern und Grünen beschrieben. Und offengelassen, ob das auch etwas später sein könnte, dann aber vermutlich ohne Armin Laschet.
Deutschland, Frankreich und Polen sollen sich für eine strategische trilaterale Zusammenarbeit in der Klimapolitik einsetzen. Dies fordern insgesamt 14 Umweltorganisationen aus den drei Ländern in einem offenen Brief vor der EU-Umweltratsitzung am Mittwoch in Luxemburg. Sie schlagen vor, dass schon ab kommendem Jahr neue “Koordinierungs- und Austauschformate für einen intensiven Klimadialog zwischen den drei Staaten” entstehen sollen, bei dem neben Politiker:innen auch Thinktanks und die Zivilgesellschaft beteiligt sein sollen. Vorbild für die umweltpolitische Dreistaaten-Gruppe soll das seit 30 Jahren etablierte Weimarer Dreieck sein, das primär der Abstimmung in der Europa- und Außenpolitik dient.
“Zu oft haben die drei Länder in der Vergangenheit beim europäischen Klimaschutz gegeneinander oder nebeneinanderher gearbeitet“, beklagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der NGO Germanwatch, die den Brief mitverfasst hat. Trilaterale Zusammenarbeit sei eine “Riesenchance” für eine ambitionierte, sozial gerechte und solidarische Umsetzung des Europäischen Green Deals.
Die Umweltorganisationen erhoffen sich, dass sich die drei Länder bei den Verhandlungen rund um das Fit for 55-Paket gemeinsam positionieren. Konkret fordern sie den Ausbau des Bahnverkehrs zwischen den drei Hauptstädten, eine trilaterale Initiative für die Einführung einer Kerosinsteuer sowie gemeinsame Ambitionen zur Reduktion fossiler Brennstoffe und der Kernenergie im EU-Energiemix.
Letzteres dürfte aufgrund der unterschiedlichen Hauptenergieträger in Polen, Frankreich und Deutschland besonders viel diplomatisches Geschick erfordern. Deutschlands Atom- und Kohleausstieg sind beschlossene Sache, künftig wird Erdgas durch Nord Stream 2 eine noch größere Rolle spielen. Frankreich setzt auch in Zukunft auf Atomstrom. Polens wichtigster Energieträger ist mit großem Abstand noch immer die Kohle, der 2009 gefasste Plan ein eigenes Kernkraftwerk zu bauen wird bis heute verfolgt, aber bislang nicht umgesetzt. luk
Mehrere Mitgliedstaaten fordern strengere Umwelt- und Sozialauflagen für die Textilindustrie. In einem Brief an die Europäische Kommission fordern sie unter anderem die Einführung von “ehrgeizigen Zielen für das Sammeln, die erneute Nutzung und das Recycling von Textilien”. Unterzeichnet haben das Schreiben, das Europe.Table vorliegt, Vertreter von elf Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und die Benelux-Länder.
Die Regierungen beziehen sich auf die EU-Strategie für nachhaltige Textilien, die die Kommission noch für dieses Jahr angekündigt hat. In EU-Kreisen heißt es jedoch bereits, wahrscheinlicher sei die Vorstellung des Vorschlags Anfang 2022.
In dem Schreiben weisen die Unterzeichner:innen – für Deutschland Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) – auf die Auswirkungen des ressourcenintensiven Textilsektors auf Klima und Umwelt hin. “Große Mengen an nicht nachhaltig produzierten Textilien kommen auf den europäischen Markt”, schreiben sie. Im Rahmen der Initiative für nachhaltige Produkte und der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit sollten daher ambitionierte Produktanforderungen und Nachhaltigkeitskriterien formuliert werden.
Problematisch sei auch das “Phänomen des Überkonsums, auch bekannt als Fast Fashion”, so die Minister weiter. Sie fordern eine Studie, um zu untersuchen, wie das Konsumverhalten beeinflusst und nachhaltigere Geschäftsmodelle gefördert werden könnten. Zudem solle die Lebensdauer von Textilien durch gezielte Maßnahmen verlängert werden.
Um die Ziele des Green Deals zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Textilindustrie zu gewährleisten, sei der Übergang zu einer sicheren, kreislauforientierten und klimaneutralen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, heißt es in dem Brief. Die Dringlichkeit, bald zu handeln, sei durch die Corona-Krise noch deutlicher geworden. Auch sei das Bewusstsein der Bevölkerung für verschwenderische Verhaltensmuster gewachsen. tho/chw
Die EU-Kommission untersucht Beschwerden von Mitgliedstaten, dass Russland seine Position als Haupt-Gaslieferant ausnutze und den Preis für Gas in Europa hochtreibe. “Wir prüfen diese Behauptung zusammen mit der für die Wettbewerbsregeln zuständigen Vizepräsidentin Vestager, da es sich natürlich um eine sehr ernste Angelegenheit handelt”, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson zu Reuters.
Nach der ersten Einschätzung halte Russland seine langfristigen Verträge ein, sagte Kadri in schriftlichen Antworten auf Fragen von Europaabgeordneten. EU-Staaten und Europaparlamentarier hatten aber kritisiert, dass der russische Konzern Gazprom keine weiteren Lieferungen vornehme. Gazprom und der Kreml haben wiederholt darauf hingewiesen, dass Russland seine Kunden entsprechend bestehender Verträge beliefere. Das Land ist Europas größter Gaslieferant: 47 Prozent der Gasimporte im Jahr 2020 kamen aus der Russischen Föderation.
Die Kommission wird nächste Woche eine “Toolbox” vorstellen, wie Mitgliedsstaaten und EU auf die stark gestiegenen Energiepreise reagieren können. Simson sagte, die Toolbox werde auch “Schritte erwägen, die auf EU-Ebene unternommen werden können, damit wir auf ähnliche Situationen in der Zukunft besser vorbereitet sind”. Länder wie Spanien, Frankreich und Polen haben erklärt, dass die EU der Preiskrise etwa mit Reformen der EU-Energiemarktvorschriften oder gemeinsamen Gaseinkäufen begegnen solle. rtr
Wirtschafts- und Forschungsministerium haben eine gemeinsame Förderrichtlinie vorgelegt, die den Markthochlauf für Wasserstoff beschleunigen soll. Adressiert werden insbesondere Projekte außerhalb der EU, die der Erzeugung und Weiterverarbeitung von grünem Wasserstoff sowie der Speicherung und dem Transport dienen.
“Neben einem starken Heimatmarkt setzen wir auch auf Pilotvorhaben unserer Industrie in Partnerländern”, so Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Grüner Wasserstoff könne dort effizient und kostengünstig erzeugt werden.
Mit der Förderung von Wasserstoffprojekten im Ausland soll einerseits der Industriestandort Deutschland durch den Export technologischer Lösungen gestärkt werden. Gleichzeitig soll der Energie-Importabhängigkeit durch den schnellen Aufbau der Wasserstoff-Lieferketten und -infrastruktur begegnet werden.
Für Wirtschaftsunternehmen kann die Förderung pro Antragsteller und Vorhaben bis zu 15 Millionen Euro betragen. Projekte von Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen können jeweils mit bis zu fünf Millionen Euro gefördert werden. til
Weltweit führende Bergbauunternehmen haben sich am Dienstag verpflichtet, bis 2050 oder früher keine Kohlenstoffemissionen mehr zu verursachen. Das teilte der Internationale Rat für Bergbau und Metalle (ICMM) mit. Die Ankündigung erfolgt im Vorfeld der UN-Klimakonferenz im November, bei der ehrgeizigere Klimamaßnahmen der fast 200 Länder, die das Pariser Abkommen von 2015 zur Begrenzung der globalen Erwärmung unterzeichnet haben, beschlossen werden sollen.
Viele Bergbauunternehmen, darunter Glencore (Europe.Table berichtete), Rio Tinto und BHP, hatten sich unter dem Druck von Umweltaktivisten und Aktionären bereits zuvor verpflichtet, ihre Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren. Die jetzige kollektive Verpflichtung der ICMM-Mitglieder stellt jedoch ein gemeinsames Ziel von Unternehmen dar, die ein Drittel der weltweiten Bergbau- und Metallindustrie ausmachen. rtr
Künstliche Intelligenz ist ein Streitthema. Einerseits verspricht sie zahlreiche gesellschaftliche Probleme zu lösen, andererseits könnte sie zum Nährboden für neue werden. Unumstritten ist aber, dass der Fortschritt dieser Technologie für die Zukunft des digitalen Europas mitentscheidend sein wird. Das Vorhaben der EU sich als Vorreiter und “globales Zentrum für Exzellenz” zu positionieren, scheiterte bisher vor allem an mangelndem Vertrauen in KI.
Die Italienerin Lucilla Sioli – seit 1997 Beamtin in der Europäischen Kommission – will das ändern: Mit transparenten Regeln will sie die EU-Bürger und Unternehmen von der Vertrauenswürdigkeit und Relevanz der Technologien überzeugen.
“Wir müssen uns mit der Vertrauensfrage auseinandersetzen”, sagt Lucilla Sioli als sie im April den weltweit ersten Vorschlag für einen verbindlichen KI-Rechtsrahmen in Brüssel vorstellt. Bereits im vergangenen Jahr hat die EU mit dem Weißbuch zur KI ein klares Ziel vorgelegt: Um die Nutzung von KI zu fördern und mögliche Risiken zu minimieren, bedarf es vertrauenswürdiger KI-Systeme. Gleichzeitig dürfe eine übermäßige Regulierung des technischen Fortschritts die europäische Wettbewerbsfähigkeit nicht schwächen. Die Kommission setzt nun auf einen risikobasierten Ansatz, um die Vertrauenswürdigkeit zu messen.
Zu den minimal riskanten Technologien, die keine Regulierung erfordern, zählen demnach Videospiele oder Spamfilter. Chatbots und andere menschenähnliche KI-Systeme gehören zur Kategorie “begrenztes Risiko”, für die künftig eine Transparenzverpflichtung gelten soll, die die Nutzer aufklärt. Hoch riskant ist laut diesem Ansatz der Einsatz von KI im medizinischen Bereich (roboterassistierte Chirurgie), bei Softwareanwendungen für Personalvermittlung oder zu Strafverfolgungszwecken, z.B. durch Gesichtserkennung und Abgleich mit der Straftäterdatenbank.
Diese Technologien sollen nur nach bestandener EU–Konformitätsbewertung zugelassen werden. Produkte, die eine potenzielle Gefahr für Menschen oder Verletzung von Bürgerrechten darstellen, z.B. KI-Kinderspielzeug oder Tools, die Behörden die Bewertung sozialen Verhaltens (Social Scoring) ermöglichen, gehören zu den unzulässigen Anwendungen.
Sioli ist Volkswirtin, und als solche ist Regulierung bei ihr Teil eines erwarteten oder erwünschten Marktgeschehens. Für sie und die EU-Kommission geht es bei der KI-Verordnung darum, bestimmte technologische Fehlentwicklungen auszuschließen – um Akzeptanz für den Einsatz insgesamt zu erreichen. Die Direktorin ist dabei nicht nur für KI zuständig: Mit Sensorik und Mikroelektronik verantwortet Lucilla Sioli zwei Hardware-Gegenstücke, ohne die hochautomatisierte Geräte im großen Stil nicht denkbar wären.
Bisher werden bereits 25 Prozent aller Industrie- und Haushaltsroboter in der EU produziert. Doch das reicht der Kommission nicht. Ihr Ziel ist es, in diesem Jahrzehnt KI-Investitionen von mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr in der EU zu mobilisieren. Dafür verspricht sie den europäischen Bürgern, Unternehmen und Regierungen viele Vorteile, z.B. sauberen und nachhaltigen Verkehr, innovative Produkte im Energie- und Sicherheitssektor oder bessere Gesundheitsfürsorge.
Für letztere setzt sich Sioli besonders ein. Lucilla Sioli betont, “KI und Supercomputer haben dabei geholfen, die Kandidaten für ein Covid19-Medikament zu identifizieren und werden auch zukünftig dem internationalen Gesundheitswesen eine große Stütze sein”. Giorgia Grimaldi
Ganz Europa fragt sich dieser Tage, wie man die steigenden Energiepreise wohl in den Griff bekommt. Dabei hat einer, der es ganz offensichtlich wissen muss, längst die Lösung parat. Statt auf den “grünen Wandel”, sollte man sich auf “die nachhaltige Entwicklung von Öl, Gas und Kohle” konzentrieren. Sagt Wladimir Putin, der Mann mit der Hand am Gashahn und mit dem Loch im Permafrost.
Auf dem europäischen Energiemarkt sei “Hysterie und Verwirrung ausgebrochen”, erklärte der russische Präsident am Dienstag. Hysterie trifft es tatsächlich ganz gut angesichts der steigenden Preise, die einkommensschwache Haushalte besonders belasten. Verwirrung trifft es auch, allerdings weniger wegen des Einflusses des Green Deals auf den Energiepreis. Sondern mehr aufgrund des Einflusses Russlands auf die derzeitige Situation. Lukas Scheid