“einen kritischen Meilenstein” nennt ein Bündnis gewichtiger deutscher Wirtschaftsverbände das Treffen des EU-US Trade and Technology Council (TTC), das heute und morgen im nordschwedischen Luleå stattfindet. Die Erwartungen der hiesigen Wirtschaft sind hoch – bislang aber vermissen die Verbände greifbare Ergebnisse. Corinna Visser gibt einen Ausblick.
Am Donnerstag stimmt das EU-Parlament über die Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten ab. Und das könnte ungemütlich werden: Wie Charlotte Wirth erfahren hat, will die CDU/CSU-Gruppe gegen den Bericht von Lara Wolters (S&D) stimmen – und wird dabei voraussichtlich Unterstützung von weiteren EVP-Delegationen bekommen. Es gehe dabei um die grundsätzliche Frage, ob man der Industrie weitere administrative Bürden auferlegen wolle, heißt es aus den Reihen der EVP.
Einen Tag nach der Abstimmung – also am Freitag – diskutiert Charlotte Wirth dann beim Table.Live-Briefing über das EU-Lieferkettengesetz. Mit dabei: der Berichterstatter der EVP, Axel Voss, Dr. Carsten Stender aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Unternehmer Stefan Munsch und Nele Meyer von der European Coalition for Corporate Justice. Anmelden können Sie sich hier.
Nach der Wiederwahl des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan muss sich die EU auf die weitere Zusammenarbeit mit einem schwierigen Partner einstellen. Doch Brüssel ist darauf nicht vorbereitet, wie Eric Bonse analysiert.
Turbulente Wochen liegen vor der amtierenden spanischen Regierung. Nach dem Willen von Ministerpräsident Pedro Sánchez sollen die Neuwahlen schon am 23. Juli stattfinden – nur kurze Zeit, nachdem Spanien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Auch Griechenland wird in wenigen Wochen erneut wählen. Mehr erfahren Sie in den News.
Wenn Ihnen Europe.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Falls Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Ein Neustart für die transatlantischen Handelsbeziehungen – nichts weniger sollte der 2021 gegründete EU-US Trade and Technology Council (TTC) sein. Doch die wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände sehen die Plattform bereits an einem Scheideweg: Das vergangene dritte Ministertreffen (TTC3) sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben und habe nur begrenzte Fortschritte gebracht, heißt es in einer Stellungnahme der Transatlantic Business Initiative (TBI), in der sich BDI, BGA, DIHK und der Bankenverband BdB zusammengeschlossen haben. Da die Fortführung des TTC nach den US-Präsidentschaftswahlen 2024 alles andere als sicher sei, markiere der TTC4 “einen kritischen Meilenstein”.
Der TTC4 findet heute und morgen im nordschwedischen Luleå statt, unter anderem mit US-Außenminister Antony Blinken sowie den beiden Vizepräsidenten der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis und Margrethe Vestager.
Die Erwartungen der Wirtschaft sind auch diesmal hoch – und werden nicht in allen Bereichen erfüllt. Die TBI will den Erfolg des Treffens daran messen, ob beide Seiten sich auf konkrete Ergebnisse einigen, die zum einen wirtschaftlich relevant und zum anderen so angelegt sind, “dass sie einen möglichen Führungswechsel auf beiden Seiten des Atlantiks überdauern” können.
Unbedingt verhindern müsse die Politik nach Auffassung der TBI, dass sich ein Vorgehen wie beim Inflation Reduction Act (IRA) wiederhole, der “mit seinen diskriminierenden Elementen das transatlantische Verhältnis” belaste. Der Fokus beim vierten TTC-Treffen müsse daher darauf liegen, möglichst viele gemeinsame Standards zu schaffen und bei der grünen Transformation an einem Strang zu ziehen. Dazu sei die geplante Transatlantic Initative on Sustainable Trade (TIST) ein wichtiger Hebel.
Die vorläufige Abschlusserklärung, die Table.Media vorliegt, enthält im Anhang ein entsprechendes TIST-Arbeitsprogramm. Im ersten Schritt sieht es für den TTC4 folgende Punkte vor, die gestartet oder diskutiert werden sollen:
Konkrete Ergebnisse sind also hier (noch) nicht zu erwarten.
Von den sieben Forderungen der Verbände zum TIST ist in dem Arbeitsprogramm nicht viel zu lesen. Die Wirtschaft fordert unter anderem, dass beide Seiten in der Elektromobilität noch enger zusammenarbeiten müssen. Besonders hilfreich sei demnach die Entwicklung gemeinsamer Standards in der Batterie- und Ladetechnologie, wie etwa Megawatt-Ladesysteme (MCS) für schwere Nutzfahrzeuge.
Dazu steht im vorläufigen Abschlusspapier: Die EU und die USA hätten zusammengearbeitet, um “eine gemeinsame Vision einer Norm für das Aufladen von Elektrofahrzeugen” zu entwickeln. “Wir erkennen die Annahme des Megawatt-Ladesystems (MCS) durch IEC, SAE und ISO für das Aufladen von Elektrofahrzeugen für den Schwerlastverkehr an”, heißt es dort weiter. Der Satz, in dem steht, dass beide Seiten die Anerkennung kompatibler physischer Steckverbindungen und einer gemeinsamen Fahrzeug-Netz-Kommunikationsschnittstelle begrüßen, steht allerdings noch in Klammern. Das heißt, es ist offen, ob er ins Abschlussdokument gelangt.
Die Forderung der Wirtschaft, die Verbreitung von klimaneutralen Kraftstoffen zu beschleunigen, findet in dem vorläufigen Abschlusspapier keine Erwähnung. Nach Auffassung der TBI erfordert die Dekarbonisierung des Verkehrs eine Umstellung auf kohlenstoffneutrale Kraftstoffe von der Schifffahrt über den Flugverkehr bis zur bestehenden Pkw- und Lkw-Flotte. Zur Erreichung der Klimaziele sei eine enge transatlantische Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung, Produktion und standardisierten Bilanzierungs- und Zertifizierungssystemen unverzichtbar, so die Verbände.
Erwähnt ist im Arbeitsprogramm der TIST dagegen die Forderung der TBI nach dem Ausbau der Zusammenarbeit bei Seltenen Erden und weiteren kritischen Mineralien, die für die grüne Transformation unabdingbar sei. Dass die Konzentration der Exploration und Verarbeitung von Seltenen Erden eine gemeinsame Abhängigkeit und Anfälligkeit für Risiken in der Wertschöpfungskette geschaffen habe, da sind sich Wirtschaft und Politik einigt. “Ein gemeinsames Dokument mit konkreten Vorschlägen zur Aufnahme dieser Zusammenarbeit soll bis zum TTC5 fertiggestellt werden”, heißt es dazu im Arbeitsprogramm.
Das Thema Künstliche Intelligenz (KI), das derzeit die Öffentlichkeit stark beschäftigt, klammert die TBI fast gänzlich aus. Hier fordert sie lediglich, dass beide Seiten gemeinsame Standards erarbeiten sollen. Das TTC4-Abschlusspapier befasst sich dagegen ausführlich mit dem Thema KI. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der generativen KI verdeutlichten das Ausmaß der Chancen und die Notwendigkeit, die damit verbundenen Risiken anzugehen, heißt es darin.
Bereits im Vorfeld hatte EU-Kommissarin Margrethe Vestager angekündigt, dass die EU und die USA bei KI stärker zusammenarbeiten wollen, um Mindeststandards festzulegen, bevor die Gesetzgebung in Kraft tritt. Denn auch wenn der AI Act der EU voraussichtlich die weltweit erste umfassende Gesetzgebung zu KI sein wird, so gibt es dazu noch nicht einmal einen fertigen Text. “Das bedeutet, dass wir etwas brauchen, um diese Zeitspanne zu überbrücken.” Auf dem Ministertreffen soll daher auch über generative KI-Algorithmen wie ChatGPT diskutiert werden, die neue Text-, Bild- oder Toninhalte erzeugen. “Es besteht ein gemeinsames Gefühl der Dringlichkeit“, sagte Vestager.
Auch EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte mit Blick auf den TTC4 die Dringlichkeit der KI-Gesetzgebung. Er forderte das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf, den AI Act bis spätestens Ende des Jahres zu verabschieden. “Wir können es uns aber nicht leisten, uns zurückzulehnen und zu warten, bis die Verordnung in Kraft tritt”, sagte Breton. Er kündigte an, “mit allen KI-Entwicklern in und außerhalb der EU” zusammenzuarbeiten, um sie dabei zu unterstützen, den AI Act auf freiwilliger Basis bereits vor der gesetzlichen Frist vorzubereiten und umzusetzen. “Das ist die Idee des AI Pact.”
Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten hatten in Hiroshima die Entwicklung technischer Standards für vertrauenswürdige KI gefordert. Zu diskutieren seien dabei Themen wie Governance, Urheberrechte, Transparenz und die Gefahr von Desinformation. “Ich denke, dass wir im Rahmen des TTC in einer Weise darüber sprechen können, die dem G7-Prozess hilft, so konkret wie möglich zu werden”, sagte Vestager. Mit rtr
Am kommenden Donnerstag stimmt das Europaparlament über sein Mandat zum Sorgfaltspflichtengesetz ab. Das Votum dürfte knapp ausfallen, denn in der EVP formiert sich breiter Widerstand gegen den Bericht von Lara Wolters (S&D). “Wir als CDU/CSU-Gruppe werden am Donnerstag gegen den Bericht stimmen”, sagt der Co-Vorsitzende Daniel Caspary zu Table.Media. Er empfange auch aus den anderen großen EVP-Delegationen “klare Signale”, dass diese den Entwurf ebenfalls kritisch sähen, so der CDU-Politiker.
Wie geschlossen die größte Fraktion im Europaparlament gegen den Bericht stimmt, dürfte sich erst bei der Fraktionssitzung am Mittwoch zeigen. EVP-Schattenberichterstatter Axel Voss habe in den Verhandlungen zwar große Verbesserungen erreicht, räumt Caspary sein. “Aber auch in der jetzigen Form sehen wir riesige Defizite.” Das Gesetz verbessere so nicht die Bedingungen in ärmeren Ländern, sondern führe dazu, dass sich europäische Unternehmen zurückzögen und etwa chinesischen Konkurrenten das Feld überließen.
Axel Voss (CDU) hatte in den Verhandlungen bis zuletzt versucht, Kompromisse herauszuarbeiten, die auch seine Fraktion mittragen kann – etwa, dass das Gesetz nicht für kleine und mittlere Unternehmen greifen würde und die Richtlinie erst stufenweise angewendet wird. Abstriche musste Voss bei der Verantwortlichkeit der Vorstände machen. Im Rechtsausschuss wurde dieser Punkt separat abgestimmt und ohne die Stimmen der EVP angenommen.
Über etwa 50 Änderungsanträge wird am Donnerstag abgestimmt, so viele wie selten. Axel Voss versucht beispielsweise, die Direktorenklausel doch noch loszuwerden. Von der EVP kommen Änderungsanträge, die die Anwendung des Gesetzes begrenzen würden (Lieferkette statt Wertschöpfungskette, Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern, Force-Majeure-Klausel …). Auf die Umwelt bezogene Sorgfaltspflichten und die zivilrechtliche Haftung würden verwässert.
Vergleichbare Änderungsanträge hatte die EVP bereits in den Ausschüssen eingereicht. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, wenn überhaupt würde die EVP nur für den Bericht stimmen, wenn alle ihre Anträge durchkämen. Man würde also aus rund 15 Anträgen ein sogenanntes “Key Vote” machen: Fallen sie, fällt der Bericht. Werden alle angenommen, setzt man ein Plus hinter den Bericht.
In EVP-Kreisen heißt es aber, um Änderungsanträge oder eine etwaige Abschwächung des Gesetzes gehe es gar nicht mehr. Viel mehr gehe es um die Kernfrage, ob man der Industrie weitere administrative Bürden auferlegen wolle. CDU/CSU wie EVP fordern seit Längerem ein regulatorisches Moratorium. Das Sorgfaltspflichtengesetz könnte demnach als Exempel dienen. Vergangene Woche hatten der Agrar- und der Fischereiausschuss bereits mit Stimmen von EVP, EKR, ID und Renew ein anderes umstrittenes Vorhaben abgelehnt, das Renaturierungsgesetz.
Entscheidend für die Abstimmung zum Sorgfaltspflichtengesetz dürfte sein, wie viele Renew-Abgeordnete den Wolters-Bericht unterstützen. Auch Frankreichs liberaler Präsident Emmanuel Macron hatte zuletzt eine Regulierungspause gefordert, allerdings mit Blick auf die nächste Legislaturperiode. Die Schattenberichterstatter von Renew, darunter der Macron-Vertraute Pascal Canfin, stünden aber weiter hinter dem Kompromisstext, heißt es im Europaparlament. Die FDP und auch nordische Abgeordnete würden den Bericht hingegen ablehnen, heißt es in Renew-Kreisen.
Die S&D-Fraktion wirft der EVP rückwärts gerichtete Politik vor: “Es ist auch eine Richtungsentscheidung für die CDU/CSU. Macht sie gemeinsame Sache mit Neonazis und Faschisten gegen den Schutz von Menschenrechten und Umwelt?”, fragt der Schattenberichterstatter im Umweltausschuss, Tiemo Wölken (SPD).
Es bleibt unklar, ob die S&D genug Unterstützung hat, um den Bericht durchzubringen. In Fraktionskreisen heißt es, dass Berichterstatterin Lara Wolters gegen ihren eigenen Bericht stimmen würde, wenn die EVP ihre Schlüssel-Änderungsanträge durchsetzt.
Der Industrieverband Business Europe kritisierte die von Wolters ausverhandelten Kompromisse in einem Positionspapier. Der Verband fordert unter anderem eine volle Harmonisierung und mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und lehnt die Direktorenklausel ab. Mit Till Hoppe
Als erste gratulierten der Emir von Katar, die Taliban in Afghanistan und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel ließen nicht lange auf sich warten – und beglückwünschten den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu seiner Wiederwahl.
Erdoğan war am Sonntag mit rund 52 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu kam auf 48 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 85 Prozent, die Wahl wurde von Manipulationsvorwürfen überschattet. So beklagte sich Kılıçdaroğlu darüber, dass Erdoğan von den staatstreuen Medien bevorzugt worden sei. Im südosttürkischen Mardin wurden Wahlbeobachter angegriffen. Erdoğan verteilte noch am Wahltag Geldscheine an seine Anhänger.
Doch das hinderte die EU und die Nato nicht daran, das Ergebnis ohne weitere Prüfung anzuerkennen. “Glückwünsche zu Ihrer Wiederwahl, Präsident”, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. “Ich freue mich darauf, die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei weiter auszubauen“, sagte von der Leyen. Es sei von “strategischer Bedeutung”, diese Beziehungen “zum Wohle unserer Völker voranzutreiben”.
Ähnlich äußerten sich der Außenbeauftragte Josep Borrell und der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Olivér Várhelyi. Die EU habe ein “strategisches Interesse” an einer engen Zusammenarbeit, schrieben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Dabei gehe es auch um eine “stabile und sichere Umgebung im östlichen Mittelmeer”.
Doch das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara ist angespannt. Seit dem umstrittenen Flüchtlingsabkommen von 2016 hat es keine Fortschritte mehr gegeben. Der 1999 versprochene EU-Beitritt liegt seit Jahren auf Eis. Auch die “strategische Zusammenarbeit” kommt nicht voran. Erdoğan hat nicht nur den EU-Mitgliedern Finnland und Schweden das Leben schwer gemacht, als sie den Nato-Beitritt begehrten. Schweden hält er weiter hin. Er droht auch regelmäßig Griechenland und Zypern – und unterläuft die westlichen Sanktionen gegen Russland. Einen Bruch will deshalb jedoch niemand wagen. Dafür sei die Türkei zu wichtig, heißt es in Brüssel.
Erdoğan wird noch gebraucht – für den Nato-Beitritt Schwedens, aber auch für die Fortsetzung des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine und für einen Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien.
Gleichzeitig setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Türkei unter Erdoğan weder willens noch in der Lage ist, die Bedingungen für einen EU-Beitritt zu erfüllen. Die Defizite bei Demokratie und Rechtsstaat sind zu groß. Die Wahl hat die Probleme eher noch größer gemacht.
So deutlich möchte dies aber kaum ein EU-Politiker sagen. Nur der Chef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, spricht Klartext. Weber fordert, den EU-Beitritt abzublasen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. “Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine enge Partnerschaft wichtig ist, eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU allerdings niemand mehr will“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. “Diesen Prozess müssen wir zu den Akten legen, weil er bessere Beziehungen mehr blockiert als unterstützt.” Vielmehr sei nun der “richtige Zeitpunkt gekommen für einen generellen Neustart zwischen der EU und der Türkei auf einer realistischen Grundlage”, sagte Weber weiter.
Doch wie ein Neustart aussehen soll, ist unklar. Die EU ist schlecht vorbereitet. Sie hat bis zur Präsidentschaftswahl nichts unternommen, um die angespannten Beziehungen neu zu ordnen. Selbst für eine Demokratisierung in der Türkei hat sich Brüssel nicht stark gemacht. Das Europaparlament hat nicht einmal Wahlbeobachter geschickt, wie es sonst üblich ist. Zudem hat sich das Parlament verpflichtet, die Wahl und ihre Ergebnisse nicht zu kommentieren. Offenbar befürchtet man, der Einmischung bezichtigt zu werden.
Auch die EU-Kommission hielt sich zurück. Nach dem ersten Wahlgang begnügte sich Behördenchefin von der Leyen damit, die hohe Wahlbeteiligung zu loben. Für die demokratische Opposition fand sie keine aufmunternden Worte, für die Zukunft entwickelte sie keinen Plan.
Daher bleibt unklar, wie die Beziehungen mit der Türkei ausgebaut werden sollen. Nach 20 Jahren Erdoğan sind sie auf einem Tiefpunkt angelangt. Von der Leyen dürfte schon froh sein, wenn er nicht noch mehr Porzellan zerschlägt – und zunächst seine Hausaufgaben erledigt.
Die sind gewaltig: Die türkische Wirtschaft liegt am Boden, die Inflation und exorbitante Lebenshaltungskosten haben Millionen Türken in die Armut gestürzt. Nach dem Erdbeben im Südosten der Türkei im Februar muss zudem der schleppende Wiederaufbau vorangetrieben werden.
Die EU hat Hilfe zugesagt – nun muss Erdoğan anpacken und seine Wahlversprechen erfüllen. Ein weiterer Prüfstein ist aus Brüsseler Sicht der Nato-Beitritt Schwedens. Erst wenn der türkische Präsident sein Veto aufgibt, wird auch in der EU der Weg für einen Neustart frei sein.
31.05.2023 – 14:30-16:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Discussion The EU Hydrogen Market: Fit for investments?
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) is hosting a hydrogen roundtable to discuss the proposed EU H2 policy and regulatory framework, focusing on whether financial incentives are sufficient for EU companies to lead the transition towards a decarbonized hydrogen market. INFOS
31.05.2023 – 16:00-21:00 Uhr, Leuna
FNF, Vortrag Zukunft Wasserstoff
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) organisiert eine Besichtigung der PEM-Elektrolyse-Anlage und Wasserstoff-Verflüssigungsanlage im Chemiepark Leuna mit anschließenden Expertenvorträgen zum Stand der Wasserstofftechnologie in der Industrie. INFOS & ANMELDUNG
31.05.2023 – 17:00-19:45 Uhr, Halle
Leopoldina, Podiumsdiskussion Nachhaltigkeitsdialog 2023
Experten und Expertinnen aus dem Bereich Medizinethik und -forschung, Gesundheitswesen und Klimaforschung erörtern, wie sich der Klimawandel auf die menschliche Gesundheit auswirkt und wie Wissenschaft in Politik und Öffentlichkeit hineinwirken kann. INFOS & ANMELDUNG
01.06.-02.06.2023, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Media Law
This conference hosted by the Academy of European Law (ERA) aims to keep media law practitioners up-to-date by providing an overview of the latest policy developments, legislative initiatives and case law in this field, such as the European Media Freedom Act. INFOS & ANMELDUNG
01.06.-02.06.2023, Lyon (Frankreich)/online
ENISA, Conference Annual Privacy Forum
The EU Agency for Cybersecurity (ENISA) and DG Connect are bringing together a wide variety of speakers and panelists to examine the EU legal framework on personal data protection, discuss what is at stake and where threats to privacy protection might originate from. INFOS & ANMELDUNG
01.06.-02.06.2023, Bremen
ESPO, Conference ESPO Conference 2023
The European Sea Ports Organisation (ESPO) conference features a series of input speeches on the central theme “Europe’s ports as partners in the race to net-zero” and offers a platform for exchanges between port professionals, port stakeholders, academics, and EU policy makers. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 09:00-10:30 Uhr, online
PtX Lab, Seminar Die Rolle von PtX-Anlagen in einem treibhausgasneutralen Energiesystem
Referenten und Referentinnen vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, der Brandenburgischen Technischen Universität und Enertrag SE sprechen über die Reform des Energiesystems und erörtern, welche Rolle Power-to-X-Anlagen auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität spielen können. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 10:30-11:30 Uhr, online
zvei, Konferenz Die Batterieindustrie 2023 – Trends, Analysen, Marktzahlen
Auf der Pressekonferenz werden Fragen rund um die Bedeutung von Themen wie Energiekrise, Verbrenner-Aus und EU-Förderpolitik für die weitere Entwicklung der Batterieindustrie beantwortet. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 12:15-17:40 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
Digital Europe, Conference Summer Summit 23
The conference gathers high-level policymakers and industry experts to discuss Europe’s digital decade strategy (AI and Data Acts), the 30th anniversary of the Single Market, the year of skills, and more. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 13:00-14:00 Uhr, online
EEN, Seminar Horizont Europa: Der EIC Accelerator für KMU
Enterprise Europe Network (EEN) stellt das Förderprogramm des Europäischen Innovationsrat (EIC Accelerator) vor, das sich an KMU und Start-ups richtet, die hochrisikoreiche Innovationen mit großem Marktpotenzial entwickeln. Ein erfolgreicher Antragsteller berichtet zudem von seinen Erfahrungen.
INFOS & ANMELDUNG
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Montag überraschend angekündigt, die Parlamentswahlen auf den 23. Juli vorzuverlegen. Die Ankündigung kam nur wenige Stunden, nachdem die Linken bei den Regional- und Kommunalwahlen deutlich an Stimmen verloren hatten. Sánchez’ Regierung bereitet sich zurzeit darauf vor, am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen.
Die Regionalwahlen vom Sonntag lassen ein deutliches Votum gegen die Politik der linken Regierungskoalition um Sánchez’ sozialistische Partei PSOE erkennen. “Ich übernehme persönlich die Verantwortung für die Ergebnisse”, sagte Sánchez am Montag in einer Rede an die Nation. Kongress und Senat werden heute aufgelöst.
Die oppositionelle Partei, Partido Popular (PP), hat bei den Regionalwahlen am Sonntag einen überwältigenden Erfolg erzielt und der PSOE einen schweren Schlag versetzt. Die Konservativen haben zahlreiche Comunidades Autónomas erobert, darunter Aragonien, die Balearen, La Rioja sowie die wichtigste Region, die Valencianische Gemeinschaft. Vielerorts wird die PP die Rechtspopulisten von Vox brauchen, um regieren zu können. In Madrid hat die PP sowohl auf regionaler Ebene als auch im Bürgermeisteramt die absolute Mehrheit errungen und kann ohne jegliche Unterstützung allein regieren.
In den drei Jahren der Legislaturperiode gab es mehrere Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsparteien, Zehntausende demonstrierten gegen die Politik der Regierung. Zu den Streitpunkten zwischen der PSOE und ihrem Koalitionspartner Unidas Podemos (UP) gehörten Waffenlieferungen an die Ukraine, das Wohnungsbaugesetz und der große Misserfolg der Gleichstellungsministerin Irene Montero (UP) mit ihrem “Nur Ja ist Ja”-Gesetz, das zur Verringerung der Strafen für mehr als 1.000 Sexualstraftäter geführt hat.
Spanischen Medien zufolge betonen Personen aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten, dass der Entschluss, die Wahlen vorzuziehen, “allein Sánchez’ Entscheidung” sei. iccc
Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Griechenland im Zuge der Parlamentswahl ist die Neuwahl für den 25. Juni festgelegt worden. Am Montag wurden dazu die verfassungsrechtlichen Schritte für den Urnengang formell abgeschlossen, wie das Parlamentspräsidium mitteilte. Die Neuwahlen müssen stattfinden, da nach den Ergebnissen des Wahlgangs vom 21. Mai keine Regierung gebildet werden konnte.
Aus der ersten Runde war die konservative Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mit 40,8 Prozent als klarer Sieger hervorgegangen. Die größte Oppositionspartei, die linke Syriza unter Alexis Tsipras, verlor stark und landete bei 20 Prozent. Die Hürde für einen Einzug ins Parlament nahmen zudem die sozialdemokratische Pasok (11,5 Prozent), die Kommunistische Partei (KKE) mit 7,2 Prozent und die rechtspopulistische Elliniki Lisi (Griechische Lösung) mit 4,5 Prozent.
Eine große Koalition zwischen ND und Syriza galt aus politischen Gründen als ausgeschlossen. Die beiden Parteien liegen thematisch und ideologisch zu weit auseinander. Auch die übrigen Parteien fanden nicht zueinander. Zudem kündigte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis an, alleine regieren zu wollen. dpa
Die EU-Kommission will Anwendungsbereiche, bei denen es keine Alternativen für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) gibt, von einem Pauschalverbot ausnehmen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) konsultiert derzeit mit Experten und Betroffenen ein mögliches Verbot von PFAS, nachdem fünf europäische Länder einen entsprechenden Beschränkungsvorschlag eingereicht hatten.
Auch wenn es noch sehr früh im Prozess sei und man derzeit noch Feedback einhole, wisse man bereits, dass man für einige Anwendungen Ausnahmeregelungen aufgrund mangelnder Substitutionsmöglichkeiten festlegen werde, so ein EU-Beamter. Dies sei unter anderem bei Halbleitern und Elektrolyseuren der Fall. Es handele sich dabei jedoch nicht um eine “Blankoausnahme”. Wenn die chemischen Substanzen nicht unerlässlich seien und ersetzt werden können, würden sie eingeschränkt werden, mahnt der Beamte. Daher sei man auf Rückmeldungen auf die öffentliche Konsultation bis September dieses Jahres angewiesen.
Nachdem alle Rückmeldungen bei der ECHA eingegangen sind, wird die Agentur der Kommission einen Bericht vorlegen. Anschließend würde der Umfang der Beschränkungen mit den Mitgliedstaaten in einem Ausschuss erörtert und nochmals mit betroffenen Unternehmen und Experten konsultiert. Mit einer finalen Entscheidung, welche Stoffe verboten werden sollen, rechnet die Kommission Ende 2024 oder Frühjahr 2025.
Vergangene Woche war Kritik aus Industriekreisen laut geworden, dass das Pauschalverbot auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU einschränken könnte, da ausländische Produzenten weiter PFAS verwenden könnten. Mit der Überarbeitung der Chemikalienverordnung REACH Ende dieses Jahres werde man sicherstellen, dass alle Produkte, die in der EU auf den Markt kommen, dieselben Vorschriften einhalten, die auch für europäische Produzenten gelten, sagte der EU-Beamte. luk
Die Geschichte mit dem Visum liegt fast 40 Jahre zurück. Es war in den 80ern, die heutige Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg besuchte die Schule. Ein Ausflug nach Straßburg stand an. Als Schülerin mit einem türkischen Pass brauchte sie für die Einreise nach Frankreich ein Visum. Ihr Vater, der als Arbeiter bei Thyssen beschäftigt war, musste sich einen Tag freinehmen und auf das Konsulat gehen, damit sie mitfahren konnte.
Aras wurde 1966 in einem Dorf in Ostanatolien geboren. Als sie zwölf war, holte ihr Vater die Familie nach Deutschland. Ihre Jugend verbrachte die heutige Grünen-Politikerin in einem kleinen Dorf oberhalb von Stuttgart. Aras hat die Sache mit dem Visum nicht vergessen. “Ich möchte als überparteiliche Vertreterin des Landtags ins Bewusstsein der Menschen rufen, dass die vier Grundfreiheiten der EU keine Selbstverständlichkeit sind, sondern etwas sehr Wertvolles.”
Aras hob den Finger, als den Grünen im Südwesten die Besetzung eines zweiten ständigen Sitzes im Ausschuss der Regionen (AdR) zustand. Das Gremium ist nicht direkt beteiligt an der EU-Gesetzgebung. Es darf aber Stellungnahmen abgeben bei Gesetzgebungsvorhaben, wenn die Belange von Kommunen und Regionen berührt sind. Aras ist als Landtagspräsidentin das ranghöchste Mitglied in der 24-köpfigen deutschen AdR-Delegation. Mit Florian Hassler (Grüne), Europa-Staatssekretär von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, sind die Südwestgrünen so prominent in dem AdR vertreten wie keine andere politische Kraft aus Deutschland.
Aras hat sich hochgekämpft. Von der Hauptschule ging ihr Weg über das Abitur und ein Studium, für das sie einen Kredit aufnehmen musste, bis zu einer eigenen Steuerberatungskanzlei mit einer zweistelligen Zahl an Mitarbeitenden. Weil ihre Eltern ihr seinerzeit nicht erlaubten, mit ihrem Freund zusammen zu sein, hat Aras noch als Schülerin ihren heutigen Mann geheiratet. Die beiden haben zwei Kinder.
1999 ist Aras für die Grünen in die Kommunalpolitik eingestiegen, 2011 wurde sie erstmals in den Landtag gewählt, 2016 und 2021 wiedergewählt. Als erste Frau und Muslima aus einer alevitischen Familie hat Aras seit 2016 das zweithöchste Staatsamt in Baden-Württemberg inne.
Ihr Amt für Europa nimmt sie ernst. Sie hat jede Plenarsitzung der Zukunftskonferenz mitgemacht und dafür gekämpft, dass der AdR, dem ursprünglich nur 18 Sitze im Plenum der Zukunftskonferenz zustanden, schließlich 30 Sitze bekam. “Wenn ich nicht gerade Sitzungswoche im Landtag habe, verpasse ich keine Plenartagung des AdR”, berichtet die Politikerin in ihrem Büro im Stuttgarter Landtag.
Aras hat die Stellungnahme des AdR zum Notfallinstrument (SMEI) erarbeitet, mit dem die Kommission Konsequenzen aus der Pandemie ziehen will. Damals brach der Binnenmarkt zeitweise zusammen, weil die Mitgliedstaaten nationale Grenzen geschlossen hatten. Die Politikerin hat sich nicht davon beirren lassen, dass der Text keine rechtlich bindende Wirkung hat. Umso mehr habe sie sich gefreut, dass nicht nur der AdR ihre Stellungnahme einstimmig verabschiedet habe, sondern dass sie für ihren Bericht Unterstützung bekommen habe sowohl vom Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schwab (CDU), als auch von den Schattenberichterstattern Anna Cavazzini (Grüne) und René Repasi (SPD).
Aras kritisiert am Vorschlag der Kommission denn auch, dass er zu sehr auf die Befugnisse der Kommission zugeschnitten sei: “Ich würde es gern sehen, wenn dem Europaparlament und der regionalen Ebene im Zuge des Notfallinstruments mehr als nur Beobachterstatus eingeräumt würde.” Sie bemängelt: “Aktuell würden die Maßnahmen des Notfallinstruments ins Leere laufen, weil Mitgliedstaaten weiterhin scharfe Grenzkontrollen einführen könnten.”
Die Grünen-Politikerin macht kein Hehl daraus, dass sie sich von der Bundesregierung, in der die Grünen Schlüsselpositionen der Europapolitik besetzen, mehr Engagement für Europa erwartet hätte: “Ich wünsche mir eine stärkere Positionierung etwa für die Einberufung des Konvents, so wie das im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.”
Sie weiß natürlich, dass die Bundesländer über den Bundesrat eingebunden sind in die EU-Gesetzgebung und dass es schwer ist, den Regionen mehr Einfluss auf die Gesetzgebungsarbeit einzuräumen. Dennoch sagt sie: “Die Länderparlamente haben eine wichtige Brückenfunktion. Ich würde mir daher wünschen, wenn die Stimme des AdR stärker berücksichtigt würde.” Der AdR etwa müsse sich enger mit dem Europaparlament abstimmen.
Aras ist bis 2026 gewählt. So manchen Grünen hat es zu einem fortgeschrittenen Punkt der Karriere nach Europa gezogen. Ob sie sich einen Wechsel nach Brüssel vorstellen könnte? “Ich bin mit meiner jetzigen Position sehr zufrieden”, sagt sie und lächelt. Markus Grabitz
“einen kritischen Meilenstein” nennt ein Bündnis gewichtiger deutscher Wirtschaftsverbände das Treffen des EU-US Trade and Technology Council (TTC), das heute und morgen im nordschwedischen Luleå stattfindet. Die Erwartungen der hiesigen Wirtschaft sind hoch – bislang aber vermissen die Verbände greifbare Ergebnisse. Corinna Visser gibt einen Ausblick.
Am Donnerstag stimmt das EU-Parlament über die Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten ab. Und das könnte ungemütlich werden: Wie Charlotte Wirth erfahren hat, will die CDU/CSU-Gruppe gegen den Bericht von Lara Wolters (S&D) stimmen – und wird dabei voraussichtlich Unterstützung von weiteren EVP-Delegationen bekommen. Es gehe dabei um die grundsätzliche Frage, ob man der Industrie weitere administrative Bürden auferlegen wolle, heißt es aus den Reihen der EVP.
Einen Tag nach der Abstimmung – also am Freitag – diskutiert Charlotte Wirth dann beim Table.Live-Briefing über das EU-Lieferkettengesetz. Mit dabei: der Berichterstatter der EVP, Axel Voss, Dr. Carsten Stender aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Unternehmer Stefan Munsch und Nele Meyer von der European Coalition for Corporate Justice. Anmelden können Sie sich hier.
Nach der Wiederwahl des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan muss sich die EU auf die weitere Zusammenarbeit mit einem schwierigen Partner einstellen. Doch Brüssel ist darauf nicht vorbereitet, wie Eric Bonse analysiert.
Turbulente Wochen liegen vor der amtierenden spanischen Regierung. Nach dem Willen von Ministerpräsident Pedro Sánchez sollen die Neuwahlen schon am 23. Juli stattfinden – nur kurze Zeit, nachdem Spanien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird. Auch Griechenland wird in wenigen Wochen erneut wählen. Mehr erfahren Sie in den News.
Wenn Ihnen Europe.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Falls Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!
Ein Neustart für die transatlantischen Handelsbeziehungen – nichts weniger sollte der 2021 gegründete EU-US Trade and Technology Council (TTC) sein. Doch die wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände sehen die Plattform bereits an einem Scheideweg: Das vergangene dritte Ministertreffen (TTC3) sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben und habe nur begrenzte Fortschritte gebracht, heißt es in einer Stellungnahme der Transatlantic Business Initiative (TBI), in der sich BDI, BGA, DIHK und der Bankenverband BdB zusammengeschlossen haben. Da die Fortführung des TTC nach den US-Präsidentschaftswahlen 2024 alles andere als sicher sei, markiere der TTC4 “einen kritischen Meilenstein”.
Der TTC4 findet heute und morgen im nordschwedischen Luleå statt, unter anderem mit US-Außenminister Antony Blinken sowie den beiden Vizepräsidenten der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis und Margrethe Vestager.
Die Erwartungen der Wirtschaft sind auch diesmal hoch – und werden nicht in allen Bereichen erfüllt. Die TBI will den Erfolg des Treffens daran messen, ob beide Seiten sich auf konkrete Ergebnisse einigen, die zum einen wirtschaftlich relevant und zum anderen so angelegt sind, “dass sie einen möglichen Führungswechsel auf beiden Seiten des Atlantiks überdauern” können.
Unbedingt verhindern müsse die Politik nach Auffassung der TBI, dass sich ein Vorgehen wie beim Inflation Reduction Act (IRA) wiederhole, der “mit seinen diskriminierenden Elementen das transatlantische Verhältnis” belaste. Der Fokus beim vierten TTC-Treffen müsse daher darauf liegen, möglichst viele gemeinsame Standards zu schaffen und bei der grünen Transformation an einem Strang zu ziehen. Dazu sei die geplante Transatlantic Initative on Sustainable Trade (TIST) ein wichtiger Hebel.
Die vorläufige Abschlusserklärung, die Table.Media vorliegt, enthält im Anhang ein entsprechendes TIST-Arbeitsprogramm. Im ersten Schritt sieht es für den TTC4 folgende Punkte vor, die gestartet oder diskutiert werden sollen:
Konkrete Ergebnisse sind also hier (noch) nicht zu erwarten.
Von den sieben Forderungen der Verbände zum TIST ist in dem Arbeitsprogramm nicht viel zu lesen. Die Wirtschaft fordert unter anderem, dass beide Seiten in der Elektromobilität noch enger zusammenarbeiten müssen. Besonders hilfreich sei demnach die Entwicklung gemeinsamer Standards in der Batterie- und Ladetechnologie, wie etwa Megawatt-Ladesysteme (MCS) für schwere Nutzfahrzeuge.
Dazu steht im vorläufigen Abschlusspapier: Die EU und die USA hätten zusammengearbeitet, um “eine gemeinsame Vision einer Norm für das Aufladen von Elektrofahrzeugen” zu entwickeln. “Wir erkennen die Annahme des Megawatt-Ladesystems (MCS) durch IEC, SAE und ISO für das Aufladen von Elektrofahrzeugen für den Schwerlastverkehr an”, heißt es dort weiter. Der Satz, in dem steht, dass beide Seiten die Anerkennung kompatibler physischer Steckverbindungen und einer gemeinsamen Fahrzeug-Netz-Kommunikationsschnittstelle begrüßen, steht allerdings noch in Klammern. Das heißt, es ist offen, ob er ins Abschlussdokument gelangt.
Die Forderung der Wirtschaft, die Verbreitung von klimaneutralen Kraftstoffen zu beschleunigen, findet in dem vorläufigen Abschlusspapier keine Erwähnung. Nach Auffassung der TBI erfordert die Dekarbonisierung des Verkehrs eine Umstellung auf kohlenstoffneutrale Kraftstoffe von der Schifffahrt über den Flugverkehr bis zur bestehenden Pkw- und Lkw-Flotte. Zur Erreichung der Klimaziele sei eine enge transatlantische Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung, Produktion und standardisierten Bilanzierungs- und Zertifizierungssystemen unverzichtbar, so die Verbände.
Erwähnt ist im Arbeitsprogramm der TIST dagegen die Forderung der TBI nach dem Ausbau der Zusammenarbeit bei Seltenen Erden und weiteren kritischen Mineralien, die für die grüne Transformation unabdingbar sei. Dass die Konzentration der Exploration und Verarbeitung von Seltenen Erden eine gemeinsame Abhängigkeit und Anfälligkeit für Risiken in der Wertschöpfungskette geschaffen habe, da sind sich Wirtschaft und Politik einigt. “Ein gemeinsames Dokument mit konkreten Vorschlägen zur Aufnahme dieser Zusammenarbeit soll bis zum TTC5 fertiggestellt werden”, heißt es dazu im Arbeitsprogramm.
Das Thema Künstliche Intelligenz (KI), das derzeit die Öffentlichkeit stark beschäftigt, klammert die TBI fast gänzlich aus. Hier fordert sie lediglich, dass beide Seiten gemeinsame Standards erarbeiten sollen. Das TTC4-Abschlusspapier befasst sich dagegen ausführlich mit dem Thema KI. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der generativen KI verdeutlichten das Ausmaß der Chancen und die Notwendigkeit, die damit verbundenen Risiken anzugehen, heißt es darin.
Bereits im Vorfeld hatte EU-Kommissarin Margrethe Vestager angekündigt, dass die EU und die USA bei KI stärker zusammenarbeiten wollen, um Mindeststandards festzulegen, bevor die Gesetzgebung in Kraft tritt. Denn auch wenn der AI Act der EU voraussichtlich die weltweit erste umfassende Gesetzgebung zu KI sein wird, so gibt es dazu noch nicht einmal einen fertigen Text. “Das bedeutet, dass wir etwas brauchen, um diese Zeitspanne zu überbrücken.” Auf dem Ministertreffen soll daher auch über generative KI-Algorithmen wie ChatGPT diskutiert werden, die neue Text-, Bild- oder Toninhalte erzeugen. “Es besteht ein gemeinsames Gefühl der Dringlichkeit“, sagte Vestager.
Auch EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton betonte mit Blick auf den TTC4 die Dringlichkeit der KI-Gesetzgebung. Er forderte das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf, den AI Act bis spätestens Ende des Jahres zu verabschieden. “Wir können es uns aber nicht leisten, uns zurückzulehnen und zu warten, bis die Verordnung in Kraft tritt”, sagte Breton. Er kündigte an, “mit allen KI-Entwicklern in und außerhalb der EU” zusammenzuarbeiten, um sie dabei zu unterstützen, den AI Act auf freiwilliger Basis bereits vor der gesetzlichen Frist vorzubereiten und umzusetzen. “Das ist die Idee des AI Pact.”
Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten hatten in Hiroshima die Entwicklung technischer Standards für vertrauenswürdige KI gefordert. Zu diskutieren seien dabei Themen wie Governance, Urheberrechte, Transparenz und die Gefahr von Desinformation. “Ich denke, dass wir im Rahmen des TTC in einer Weise darüber sprechen können, die dem G7-Prozess hilft, so konkret wie möglich zu werden”, sagte Vestager. Mit rtr
Am kommenden Donnerstag stimmt das Europaparlament über sein Mandat zum Sorgfaltspflichtengesetz ab. Das Votum dürfte knapp ausfallen, denn in der EVP formiert sich breiter Widerstand gegen den Bericht von Lara Wolters (S&D). “Wir als CDU/CSU-Gruppe werden am Donnerstag gegen den Bericht stimmen”, sagt der Co-Vorsitzende Daniel Caspary zu Table.Media. Er empfange auch aus den anderen großen EVP-Delegationen “klare Signale”, dass diese den Entwurf ebenfalls kritisch sähen, so der CDU-Politiker.
Wie geschlossen die größte Fraktion im Europaparlament gegen den Bericht stimmt, dürfte sich erst bei der Fraktionssitzung am Mittwoch zeigen. EVP-Schattenberichterstatter Axel Voss habe in den Verhandlungen zwar große Verbesserungen erreicht, räumt Caspary sein. “Aber auch in der jetzigen Form sehen wir riesige Defizite.” Das Gesetz verbessere so nicht die Bedingungen in ärmeren Ländern, sondern führe dazu, dass sich europäische Unternehmen zurückzögen und etwa chinesischen Konkurrenten das Feld überließen.
Axel Voss (CDU) hatte in den Verhandlungen bis zuletzt versucht, Kompromisse herauszuarbeiten, die auch seine Fraktion mittragen kann – etwa, dass das Gesetz nicht für kleine und mittlere Unternehmen greifen würde und die Richtlinie erst stufenweise angewendet wird. Abstriche musste Voss bei der Verantwortlichkeit der Vorstände machen. Im Rechtsausschuss wurde dieser Punkt separat abgestimmt und ohne die Stimmen der EVP angenommen.
Über etwa 50 Änderungsanträge wird am Donnerstag abgestimmt, so viele wie selten. Axel Voss versucht beispielsweise, die Direktorenklausel doch noch loszuwerden. Von der EVP kommen Änderungsanträge, die die Anwendung des Gesetzes begrenzen würden (Lieferkette statt Wertschöpfungskette, Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern, Force-Majeure-Klausel …). Auf die Umwelt bezogene Sorgfaltspflichten und die zivilrechtliche Haftung würden verwässert.
Vergleichbare Änderungsanträge hatte die EVP bereits in den Ausschüssen eingereicht. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, wenn überhaupt würde die EVP nur für den Bericht stimmen, wenn alle ihre Anträge durchkämen. Man würde also aus rund 15 Anträgen ein sogenanntes “Key Vote” machen: Fallen sie, fällt der Bericht. Werden alle angenommen, setzt man ein Plus hinter den Bericht.
In EVP-Kreisen heißt es aber, um Änderungsanträge oder eine etwaige Abschwächung des Gesetzes gehe es gar nicht mehr. Viel mehr gehe es um die Kernfrage, ob man der Industrie weitere administrative Bürden auferlegen wolle. CDU/CSU wie EVP fordern seit Längerem ein regulatorisches Moratorium. Das Sorgfaltspflichtengesetz könnte demnach als Exempel dienen. Vergangene Woche hatten der Agrar- und der Fischereiausschuss bereits mit Stimmen von EVP, EKR, ID und Renew ein anderes umstrittenes Vorhaben abgelehnt, das Renaturierungsgesetz.
Entscheidend für die Abstimmung zum Sorgfaltspflichtengesetz dürfte sein, wie viele Renew-Abgeordnete den Wolters-Bericht unterstützen. Auch Frankreichs liberaler Präsident Emmanuel Macron hatte zuletzt eine Regulierungspause gefordert, allerdings mit Blick auf die nächste Legislaturperiode. Die Schattenberichterstatter von Renew, darunter der Macron-Vertraute Pascal Canfin, stünden aber weiter hinter dem Kompromisstext, heißt es im Europaparlament. Die FDP und auch nordische Abgeordnete würden den Bericht hingegen ablehnen, heißt es in Renew-Kreisen.
Die S&D-Fraktion wirft der EVP rückwärts gerichtete Politik vor: “Es ist auch eine Richtungsentscheidung für die CDU/CSU. Macht sie gemeinsame Sache mit Neonazis und Faschisten gegen den Schutz von Menschenrechten und Umwelt?”, fragt der Schattenberichterstatter im Umweltausschuss, Tiemo Wölken (SPD).
Es bleibt unklar, ob die S&D genug Unterstützung hat, um den Bericht durchzubringen. In Fraktionskreisen heißt es, dass Berichterstatterin Lara Wolters gegen ihren eigenen Bericht stimmen würde, wenn die EVP ihre Schlüssel-Änderungsanträge durchsetzt.
Der Industrieverband Business Europe kritisierte die von Wolters ausverhandelten Kompromisse in einem Positionspapier. Der Verband fordert unter anderem eine volle Harmonisierung und mehr Rechtssicherheit für Unternehmen und lehnt die Direktorenklausel ab. Mit Till Hoppe
Als erste gratulierten der Emir von Katar, die Taliban in Afghanistan und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel ließen nicht lange auf sich warten – und beglückwünschten den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu seiner Wiederwahl.
Erdoğan war am Sonntag mit rund 52 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu kam auf 48 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 85 Prozent, die Wahl wurde von Manipulationsvorwürfen überschattet. So beklagte sich Kılıçdaroğlu darüber, dass Erdoğan von den staatstreuen Medien bevorzugt worden sei. Im südosttürkischen Mardin wurden Wahlbeobachter angegriffen. Erdoğan verteilte noch am Wahltag Geldscheine an seine Anhänger.
Doch das hinderte die EU und die Nato nicht daran, das Ergebnis ohne weitere Prüfung anzuerkennen. “Glückwünsche zu Ihrer Wiederwahl, Präsident”, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. “Ich freue mich darauf, die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei weiter auszubauen“, sagte von der Leyen. Es sei von “strategischer Bedeutung”, diese Beziehungen “zum Wohle unserer Völker voranzutreiben”.
Ähnlich äußerten sich der Außenbeauftragte Josep Borrell und der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Olivér Várhelyi. Die EU habe ein “strategisches Interesse” an einer engen Zusammenarbeit, schrieben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Dabei gehe es auch um eine “stabile und sichere Umgebung im östlichen Mittelmeer”.
Doch das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara ist angespannt. Seit dem umstrittenen Flüchtlingsabkommen von 2016 hat es keine Fortschritte mehr gegeben. Der 1999 versprochene EU-Beitritt liegt seit Jahren auf Eis. Auch die “strategische Zusammenarbeit” kommt nicht voran. Erdoğan hat nicht nur den EU-Mitgliedern Finnland und Schweden das Leben schwer gemacht, als sie den Nato-Beitritt begehrten. Schweden hält er weiter hin. Er droht auch regelmäßig Griechenland und Zypern – und unterläuft die westlichen Sanktionen gegen Russland. Einen Bruch will deshalb jedoch niemand wagen. Dafür sei die Türkei zu wichtig, heißt es in Brüssel.
Erdoğan wird noch gebraucht – für den Nato-Beitritt Schwedens, aber auch für die Fortsetzung des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine und für einen Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien.
Gleichzeitig setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Türkei unter Erdoğan weder willens noch in der Lage ist, die Bedingungen für einen EU-Beitritt zu erfüllen. Die Defizite bei Demokratie und Rechtsstaat sind zu groß. Die Wahl hat die Probleme eher noch größer gemacht.
So deutlich möchte dies aber kaum ein EU-Politiker sagen. Nur der Chef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, spricht Klartext. Weber fordert, den EU-Beitritt abzublasen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. “Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine enge Partnerschaft wichtig ist, eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU allerdings niemand mehr will“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. “Diesen Prozess müssen wir zu den Akten legen, weil er bessere Beziehungen mehr blockiert als unterstützt.” Vielmehr sei nun der “richtige Zeitpunkt gekommen für einen generellen Neustart zwischen der EU und der Türkei auf einer realistischen Grundlage”, sagte Weber weiter.
Doch wie ein Neustart aussehen soll, ist unklar. Die EU ist schlecht vorbereitet. Sie hat bis zur Präsidentschaftswahl nichts unternommen, um die angespannten Beziehungen neu zu ordnen. Selbst für eine Demokratisierung in der Türkei hat sich Brüssel nicht stark gemacht. Das Europaparlament hat nicht einmal Wahlbeobachter geschickt, wie es sonst üblich ist. Zudem hat sich das Parlament verpflichtet, die Wahl und ihre Ergebnisse nicht zu kommentieren. Offenbar befürchtet man, der Einmischung bezichtigt zu werden.
Auch die EU-Kommission hielt sich zurück. Nach dem ersten Wahlgang begnügte sich Behördenchefin von der Leyen damit, die hohe Wahlbeteiligung zu loben. Für die demokratische Opposition fand sie keine aufmunternden Worte, für die Zukunft entwickelte sie keinen Plan.
Daher bleibt unklar, wie die Beziehungen mit der Türkei ausgebaut werden sollen. Nach 20 Jahren Erdoğan sind sie auf einem Tiefpunkt angelangt. Von der Leyen dürfte schon froh sein, wenn er nicht noch mehr Porzellan zerschlägt – und zunächst seine Hausaufgaben erledigt.
Die sind gewaltig: Die türkische Wirtschaft liegt am Boden, die Inflation und exorbitante Lebenshaltungskosten haben Millionen Türken in die Armut gestürzt. Nach dem Erdbeben im Südosten der Türkei im Februar muss zudem der schleppende Wiederaufbau vorangetrieben werden.
Die EU hat Hilfe zugesagt – nun muss Erdoğan anpacken und seine Wahlversprechen erfüllen. Ein weiterer Prüfstein ist aus Brüsseler Sicht der Nato-Beitritt Schwedens. Erst wenn der türkische Präsident sein Veto aufgibt, wird auch in der EU der Weg für einen Neustart frei sein.
31.05.2023 – 14:30-16:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
ERCST, Discussion The EU Hydrogen Market: Fit for investments?
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) is hosting a hydrogen roundtable to discuss the proposed EU H2 policy and regulatory framework, focusing on whether financial incentives are sufficient for EU companies to lead the transition towards a decarbonized hydrogen market. INFOS
31.05.2023 – 16:00-21:00 Uhr, Leuna
FNF, Vortrag Zukunft Wasserstoff
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) organisiert eine Besichtigung der PEM-Elektrolyse-Anlage und Wasserstoff-Verflüssigungsanlage im Chemiepark Leuna mit anschließenden Expertenvorträgen zum Stand der Wasserstofftechnologie in der Industrie. INFOS & ANMELDUNG
31.05.2023 – 17:00-19:45 Uhr, Halle
Leopoldina, Podiumsdiskussion Nachhaltigkeitsdialog 2023
Experten und Expertinnen aus dem Bereich Medizinethik und -forschung, Gesundheitswesen und Klimaforschung erörtern, wie sich der Klimawandel auf die menschliche Gesundheit auswirkt und wie Wissenschaft in Politik und Öffentlichkeit hineinwirken kann. INFOS & ANMELDUNG
01.06.-02.06.2023, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Media Law
This conference hosted by the Academy of European Law (ERA) aims to keep media law practitioners up-to-date by providing an overview of the latest policy developments, legislative initiatives and case law in this field, such as the European Media Freedom Act. INFOS & ANMELDUNG
01.06.-02.06.2023, Lyon (Frankreich)/online
ENISA, Conference Annual Privacy Forum
The EU Agency for Cybersecurity (ENISA) and DG Connect are bringing together a wide variety of speakers and panelists to examine the EU legal framework on personal data protection, discuss what is at stake and where threats to privacy protection might originate from. INFOS & ANMELDUNG
01.06.-02.06.2023, Bremen
ESPO, Conference ESPO Conference 2023
The European Sea Ports Organisation (ESPO) conference features a series of input speeches on the central theme “Europe’s ports as partners in the race to net-zero” and offers a platform for exchanges between port professionals, port stakeholders, academics, and EU policy makers. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 09:00-10:30 Uhr, online
PtX Lab, Seminar Die Rolle von PtX-Anlagen in einem treibhausgasneutralen Energiesystem
Referenten und Referentinnen vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, der Brandenburgischen Technischen Universität und Enertrag SE sprechen über die Reform des Energiesystems und erörtern, welche Rolle Power-to-X-Anlagen auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität spielen können. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 10:30-11:30 Uhr, online
zvei, Konferenz Die Batterieindustrie 2023 – Trends, Analysen, Marktzahlen
Auf der Pressekonferenz werden Fragen rund um die Bedeutung von Themen wie Energiekrise, Verbrenner-Aus und EU-Förderpolitik für die weitere Entwicklung der Batterieindustrie beantwortet. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 12:15-17:40 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
Digital Europe, Conference Summer Summit 23
The conference gathers high-level policymakers and industry experts to discuss Europe’s digital decade strategy (AI and Data Acts), the 30th anniversary of the Single Market, the year of skills, and more. INFOS & ANMELDUNG
01.06.2023 – 13:00-14:00 Uhr, online
EEN, Seminar Horizont Europa: Der EIC Accelerator für KMU
Enterprise Europe Network (EEN) stellt das Förderprogramm des Europäischen Innovationsrat (EIC Accelerator) vor, das sich an KMU und Start-ups richtet, die hochrisikoreiche Innovationen mit großem Marktpotenzial entwickeln. Ein erfolgreicher Antragsteller berichtet zudem von seinen Erfahrungen.
INFOS & ANMELDUNG
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Montag überraschend angekündigt, die Parlamentswahlen auf den 23. Juli vorzuverlegen. Die Ankündigung kam nur wenige Stunden, nachdem die Linken bei den Regional- und Kommunalwahlen deutlich an Stimmen verloren hatten. Sánchez’ Regierung bereitet sich zurzeit darauf vor, am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen.
Die Regionalwahlen vom Sonntag lassen ein deutliches Votum gegen die Politik der linken Regierungskoalition um Sánchez’ sozialistische Partei PSOE erkennen. “Ich übernehme persönlich die Verantwortung für die Ergebnisse”, sagte Sánchez am Montag in einer Rede an die Nation. Kongress und Senat werden heute aufgelöst.
Die oppositionelle Partei, Partido Popular (PP), hat bei den Regionalwahlen am Sonntag einen überwältigenden Erfolg erzielt und der PSOE einen schweren Schlag versetzt. Die Konservativen haben zahlreiche Comunidades Autónomas erobert, darunter Aragonien, die Balearen, La Rioja sowie die wichtigste Region, die Valencianische Gemeinschaft. Vielerorts wird die PP die Rechtspopulisten von Vox brauchen, um regieren zu können. In Madrid hat die PP sowohl auf regionaler Ebene als auch im Bürgermeisteramt die absolute Mehrheit errungen und kann ohne jegliche Unterstützung allein regieren.
In den drei Jahren der Legislaturperiode gab es mehrere Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsparteien, Zehntausende demonstrierten gegen die Politik der Regierung. Zu den Streitpunkten zwischen der PSOE und ihrem Koalitionspartner Unidas Podemos (UP) gehörten Waffenlieferungen an die Ukraine, das Wohnungsbaugesetz und der große Misserfolg der Gleichstellungsministerin Irene Montero (UP) mit ihrem “Nur Ja ist Ja”-Gesetz, das zur Verringerung der Strafen für mehr als 1.000 Sexualstraftäter geführt hat.
Spanischen Medien zufolge betonen Personen aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten, dass der Entschluss, die Wahlen vorzuziehen, “allein Sánchez’ Entscheidung” sei. iccc
Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Griechenland im Zuge der Parlamentswahl ist die Neuwahl für den 25. Juni festgelegt worden. Am Montag wurden dazu die verfassungsrechtlichen Schritte für den Urnengang formell abgeschlossen, wie das Parlamentspräsidium mitteilte. Die Neuwahlen müssen stattfinden, da nach den Ergebnissen des Wahlgangs vom 21. Mai keine Regierung gebildet werden konnte.
Aus der ersten Runde war die konservative Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mit 40,8 Prozent als klarer Sieger hervorgegangen. Die größte Oppositionspartei, die linke Syriza unter Alexis Tsipras, verlor stark und landete bei 20 Prozent. Die Hürde für einen Einzug ins Parlament nahmen zudem die sozialdemokratische Pasok (11,5 Prozent), die Kommunistische Partei (KKE) mit 7,2 Prozent und die rechtspopulistische Elliniki Lisi (Griechische Lösung) mit 4,5 Prozent.
Eine große Koalition zwischen ND und Syriza galt aus politischen Gründen als ausgeschlossen. Die beiden Parteien liegen thematisch und ideologisch zu weit auseinander. Auch die übrigen Parteien fanden nicht zueinander. Zudem kündigte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis an, alleine regieren zu wollen. dpa
Die EU-Kommission will Anwendungsbereiche, bei denen es keine Alternativen für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) gibt, von einem Pauschalverbot ausnehmen. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) konsultiert derzeit mit Experten und Betroffenen ein mögliches Verbot von PFAS, nachdem fünf europäische Länder einen entsprechenden Beschränkungsvorschlag eingereicht hatten.
Auch wenn es noch sehr früh im Prozess sei und man derzeit noch Feedback einhole, wisse man bereits, dass man für einige Anwendungen Ausnahmeregelungen aufgrund mangelnder Substitutionsmöglichkeiten festlegen werde, so ein EU-Beamter. Dies sei unter anderem bei Halbleitern und Elektrolyseuren der Fall. Es handele sich dabei jedoch nicht um eine “Blankoausnahme”. Wenn die chemischen Substanzen nicht unerlässlich seien und ersetzt werden können, würden sie eingeschränkt werden, mahnt der Beamte. Daher sei man auf Rückmeldungen auf die öffentliche Konsultation bis September dieses Jahres angewiesen.
Nachdem alle Rückmeldungen bei der ECHA eingegangen sind, wird die Agentur der Kommission einen Bericht vorlegen. Anschließend würde der Umfang der Beschränkungen mit den Mitgliedstaaten in einem Ausschuss erörtert und nochmals mit betroffenen Unternehmen und Experten konsultiert. Mit einer finalen Entscheidung, welche Stoffe verboten werden sollen, rechnet die Kommission Ende 2024 oder Frühjahr 2025.
Vergangene Woche war Kritik aus Industriekreisen laut geworden, dass das Pauschalverbot auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU einschränken könnte, da ausländische Produzenten weiter PFAS verwenden könnten. Mit der Überarbeitung der Chemikalienverordnung REACH Ende dieses Jahres werde man sicherstellen, dass alle Produkte, die in der EU auf den Markt kommen, dieselben Vorschriften einhalten, die auch für europäische Produzenten gelten, sagte der EU-Beamte. luk
Die Geschichte mit dem Visum liegt fast 40 Jahre zurück. Es war in den 80ern, die heutige Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg besuchte die Schule. Ein Ausflug nach Straßburg stand an. Als Schülerin mit einem türkischen Pass brauchte sie für die Einreise nach Frankreich ein Visum. Ihr Vater, der als Arbeiter bei Thyssen beschäftigt war, musste sich einen Tag freinehmen und auf das Konsulat gehen, damit sie mitfahren konnte.
Aras wurde 1966 in einem Dorf in Ostanatolien geboren. Als sie zwölf war, holte ihr Vater die Familie nach Deutschland. Ihre Jugend verbrachte die heutige Grünen-Politikerin in einem kleinen Dorf oberhalb von Stuttgart. Aras hat die Sache mit dem Visum nicht vergessen. “Ich möchte als überparteiliche Vertreterin des Landtags ins Bewusstsein der Menschen rufen, dass die vier Grundfreiheiten der EU keine Selbstverständlichkeit sind, sondern etwas sehr Wertvolles.”
Aras hob den Finger, als den Grünen im Südwesten die Besetzung eines zweiten ständigen Sitzes im Ausschuss der Regionen (AdR) zustand. Das Gremium ist nicht direkt beteiligt an der EU-Gesetzgebung. Es darf aber Stellungnahmen abgeben bei Gesetzgebungsvorhaben, wenn die Belange von Kommunen und Regionen berührt sind. Aras ist als Landtagspräsidentin das ranghöchste Mitglied in der 24-köpfigen deutschen AdR-Delegation. Mit Florian Hassler (Grüne), Europa-Staatssekretär von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, sind die Südwestgrünen so prominent in dem AdR vertreten wie keine andere politische Kraft aus Deutschland.
Aras hat sich hochgekämpft. Von der Hauptschule ging ihr Weg über das Abitur und ein Studium, für das sie einen Kredit aufnehmen musste, bis zu einer eigenen Steuerberatungskanzlei mit einer zweistelligen Zahl an Mitarbeitenden. Weil ihre Eltern ihr seinerzeit nicht erlaubten, mit ihrem Freund zusammen zu sein, hat Aras noch als Schülerin ihren heutigen Mann geheiratet. Die beiden haben zwei Kinder.
1999 ist Aras für die Grünen in die Kommunalpolitik eingestiegen, 2011 wurde sie erstmals in den Landtag gewählt, 2016 und 2021 wiedergewählt. Als erste Frau und Muslima aus einer alevitischen Familie hat Aras seit 2016 das zweithöchste Staatsamt in Baden-Württemberg inne.
Ihr Amt für Europa nimmt sie ernst. Sie hat jede Plenarsitzung der Zukunftskonferenz mitgemacht und dafür gekämpft, dass der AdR, dem ursprünglich nur 18 Sitze im Plenum der Zukunftskonferenz zustanden, schließlich 30 Sitze bekam. “Wenn ich nicht gerade Sitzungswoche im Landtag habe, verpasse ich keine Plenartagung des AdR”, berichtet die Politikerin in ihrem Büro im Stuttgarter Landtag.
Aras hat die Stellungnahme des AdR zum Notfallinstrument (SMEI) erarbeitet, mit dem die Kommission Konsequenzen aus der Pandemie ziehen will. Damals brach der Binnenmarkt zeitweise zusammen, weil die Mitgliedstaaten nationale Grenzen geschlossen hatten. Die Politikerin hat sich nicht davon beirren lassen, dass der Text keine rechtlich bindende Wirkung hat. Umso mehr habe sie sich gefreut, dass nicht nur der AdR ihre Stellungnahme einstimmig verabschiedet habe, sondern dass sie für ihren Bericht Unterstützung bekommen habe sowohl vom Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schwab (CDU), als auch von den Schattenberichterstattern Anna Cavazzini (Grüne) und René Repasi (SPD).
Aras kritisiert am Vorschlag der Kommission denn auch, dass er zu sehr auf die Befugnisse der Kommission zugeschnitten sei: “Ich würde es gern sehen, wenn dem Europaparlament und der regionalen Ebene im Zuge des Notfallinstruments mehr als nur Beobachterstatus eingeräumt würde.” Sie bemängelt: “Aktuell würden die Maßnahmen des Notfallinstruments ins Leere laufen, weil Mitgliedstaaten weiterhin scharfe Grenzkontrollen einführen könnten.”
Die Grünen-Politikerin macht kein Hehl daraus, dass sie sich von der Bundesregierung, in der die Grünen Schlüsselpositionen der Europapolitik besetzen, mehr Engagement für Europa erwartet hätte: “Ich wünsche mir eine stärkere Positionierung etwa für die Einberufung des Konvents, so wie das im Koalitionsvertrag vorgesehen ist.”
Sie weiß natürlich, dass die Bundesländer über den Bundesrat eingebunden sind in die EU-Gesetzgebung und dass es schwer ist, den Regionen mehr Einfluss auf die Gesetzgebungsarbeit einzuräumen. Dennoch sagt sie: “Die Länderparlamente haben eine wichtige Brückenfunktion. Ich würde mir daher wünschen, wenn die Stimme des AdR stärker berücksichtigt würde.” Der AdR etwa müsse sich enger mit dem Europaparlament abstimmen.
Aras ist bis 2026 gewählt. So manchen Grünen hat es zu einem fortgeschrittenen Punkt der Karriere nach Europa gezogen. Ob sie sich einen Wechsel nach Brüssel vorstellen könnte? “Ich bin mit meiner jetzigen Position sehr zufrieden”, sagt sie und lächelt. Markus Grabitz