heute sprechen die Staats- und Regierungschefs beim informellen Gipfel in Budapest über die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Sie werden eine “Budapester Erklärung” verabschieden, in der sie der Kommission und sich selbst wirtschaftspolitisch hohe Ziele stecken. Wie so oft bleiben sie bei den Mitteln zur Zielerreichung vage. Vor allem, wenn es ums Geld geht.
Die Finanzierung ist ein Spaltpilz, der nicht nur auf europäischer Ebene wirkt. Er kann auch nationale Regierungen erledigen, wie wir seit Mittwoch wissen. Doch mit dem Ende der Ampelkoalition in Deutschland sind die Diskussionen um finanzielle Spielräume längst nicht vorbei: Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die EU-Schuldenregeln entscheidend nach seinen Vorstellungen geprägt. In der Interpretation der EU-Kommission verlangen die neuen Regeln für den mittelfristigen Finanzplan Deutschlands mehr Einsparungen oder Reform- und Investitionsbemühungen als die Ampel zu stemmen bereit war.
Der deutsche Finanzplan hätte bereits im Oktober in Brüssel sein sollen, Berlin hat die Deadline verstreichen lassen. Mit dem Aus der Koalition ist klar, dass der Plan auch in diesem Monat nicht kommen wird. Gemeinsam mit Frankreich ist Deutschland jetzt eines der wenigen Länder, das schon im ersten Schritt des neuen Prozesses zur Einhaltung der Schuldenregeln in Verzug kommt.
Das Ende der Ampel könnte aus europäischer Sicht aber auch gute Seiten haben. So kann die Diskussion um den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU im kommenden Jahr mit einer neuen Regierung angegangen werden. Damit könnte sich der Prozess nicht wie befürchtet bis Ende 2025 verzögern.
Erholen Sie sich am Wochenende gut von den politischen Ereignissen der vergangenen Tage!
Donald Trump war der Elefant im Raum, Olaf Scholz der große Abwesende. Die turbulente Lage in Berlin hielt den Bundeskanzler davon ab, zum Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Budapest zu reisen. 42 Staats- und Regierungschefs haben sich am Donnerstag in einem Fußballstadion am Rande der ungarischen Hauptstadt versammelt.
Fast jeder hatte einen Kommentar zum Ende der Koalition in Berlin: So hofft der finnische Regierungschef Petteri Orpo auf eine rasche Neuwahl in Deutschland. Es brauche eine starke und vereinte deutsche Regierung
in Europa. Deutschland sei ein äußerst wichtiges Land in der europäischen Zusammenarbeit, betonte Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson. Er hoffe auf eine deutsche Lösung, und zwar so schnell wie möglich. Ähnlich äußerte sich die dänische Amtskollegin Mette Frederiksen: Ein starkes Deutschland werde gebraucht, um ein starkes Europa aufzubauen.
Hinter den Kulissen gibt es aber auch Stimmen, die dem vorzeitigen Ende der Regierung in Berlin positive Seiten abgewinnen können. Die Koalition sei schon seit Monaten auch in Brüssel nicht mehr handlungsfähig gewesen. Ein früherer Wahltermin sei zudem mit Blick auf die Beratungen über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von Vorteil, da man dann nicht bis September oder länger auf Berlin warten müsse.
Die halbjährlichen EPG-Gipfel sind ein Gesprächsformat auf höchster Ebene, das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einst lanciert hatte. Diesmal hatte ausgerechnet Ungarns Regierungschef als Gastgeber die Regie. Doch Viktor Orbán kann in der großen Runde auch diplomatisch, vermied die Provokation. Europa könne nicht darauf warten, dass die Amerikaner sie beschützten. Nach der Rückkehr von Trump ins Weiße Haus müsse Europa über seine Sicherheitsstruktur reden. Vielleicht hat Orbáns Zurückhaltung damit zu tun, dass Ungarn laut einer Studie der EU-Kommission von Trumps angedrohten neuen Zöllen besonders stark betroffen wäre.
Er habe Donald Trump nach dem Wahlsieg angerufen und eine “gute, produktive Konversation” gehabt, sagte Wolodymyr Selenskyj. “Wir hoffen, dass Amerika stärker wird.” Das sei das Amerika, das Europa brauche. Denn Wladimir Putin habe den Einsatz erhöht: “Nordkoreanische Soldaten sind dabei, unsere Leute auf europäischem Boden zu töten”, sagte Selenskyj.
Sein Land in dieser Situation zu Konzessionen gegenüber Russland zu drängen, sei inakzeptabel für die Ukraine und “selbstmörderisch” für Europa, warnte er und meinte damit wohl auch Gastgeber Orbán. Es sei eine Illusion zu glauben, mit Konzessionen Frieden zu erkaufen. Friede sei die Belohnung für jene, die stark seien. Das dürfte auch Donald Trump gefallen.
Deutliche Worte fand auch Emmanuel Macron: Es sei logisch, dass Donald Trump die Interessen der USA vertrete. Die eigentliche Frage sei, ob die Europäer bereit seien, ihre eigenen Interessen zu verteidigen. Der französische Präsident zeichnete ein düsteres Bild der Welt. Die Europäer könnten in einer von “Fleischfressern” dominierten Welt nicht länger “Vegetarier” bleiben.
Sie müssten zumindest “Allesfresser” werden, um überleben zu können. Macron dürfte versuchen, sich im Schatten des Comebacks von Trump neu zu erfinden und die Rolle des Wortführers Europas zu übernehmen.
Den informellen EU-Gipfel am Freitag wird Olaf Scholz nicht verpassen. Der Bundeskanzler wollte noch am Donnerstagabend anreisen. Viktor Orbán hatte die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Abendessen eingeladen, bei dem es auch um Trumps Comeback und die transatlantischen Beziehungen gehen sollte.
Breit lächelnd und ausladend begrüßte Wopke Hoekstra am Donnerstag die Mitglieder der drei Ausschüsse. Die Stimmung im Raum schien von Anfang an gelassen. Die Umwelt-, Industrie- und Wirtschaftspolitiker (ENVI, ITRE, ECON) des EU-Parlaments legten dem designierten Klimakommissar bei seiner Anhörung keine großen Steine in den Weg.
Das Votum der Koordinatoren verlief dann allerdings etwas ruckelig, was aber nicht an Hoekstra lag, sondern an der designierten Erweiterungskommissarin Marta Kos. Die EVP wollte Kos nach ihrem Hearing ablehnen, woraufhin Renew sich weigerte, Hoekstra grünes Licht zu geben. Schlussendlich wurden beide – Klimakommissar Hoekstra und Erweiterungskommissarin Kos – angenommen. EVP, S&D, Renew, Grüne und EKR stimmten für Hoekstra. Linke, PfE und ESN gegen ihn.
Eine Grünen-Abgeordnete beschrieb schon vor der Anhörung das allgemeine Bild über den Niederländer: “Alle lieben Hoekstra.” Das hielt die Abgeordneten jedoch nicht davon ab, dem ehemaligen niederländischen Finanz- und Außenminister einige Versprechen abzunehmen. Hoekstra kündigte an:
Insbesondere stand die Zukunft der Automobilindustrie für viele der Abgeordneten im Zentrum ihrer Fragen. Hoekstra machte keinen Hehl daraus, dass er E-Fuels besser in anderen Industriebereichen als im Straßenverkehr aufgehoben sieht, beispielsweise im Flug- und Schiffsverkehr.
Ob er plane, die Strafzahlungen für Autobauer auszusetzen, die ihre CO₂-Flottengrenzwerte nicht einhalten? Zwar antwortete er nicht mit Ja oder Nein, erinnerte jedoch an 2020 und 2021, als Autobauer sich ebenfalls über Strafzahlungen beklagt hatten, schlussendlich aber nur ein Unternehmen eine vernachlässigbare Summe gezahlt habe.
Hoekstra sagte, dass er gemeinsam mit der Industrie für bessere Wettbewerbsfähigkeit, weniger Bürokratie und einen klaren Pfad für mehr Investitionen arbeiten werde. Zum Bürokratieabbau kündigte er an, sich für einfachere Regeln, beispielsweise bei den Berichtspflichten, einsetzen zu wollen. Zugleich machte er deutlich, dass er nicht an den Dekarbonisierungszielen rütteln werde.
Er äußerte zudem Unterstützung für Vorschläge zur Dekarbonisierung von Dienstwagen, zu sozialen Leasing-Angeboten für E-Autos und der Einbeziehung von Negativemissionen in den europäischen Emissionshandel. Auch zeigte er sich willens, die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, ihre ETS-Einnahmen für die Linderung der Auswirkungen von Klimamaßnahmen auf die Bevölkerung zu verwenden.
Hohe Erwartungen an den alten und neuen Kommissar für die internationalen Klimaverhandlungen existieren bei der Frage, wie Europa den Rest der Welt zu mehr Klimaschutz überzeugen wolle. Insbesondere China und die USA müssten ihre Bemühungen für mehr Klimaschutz erhöhen, forderte Hoekstra. Das könne man mit Instrumenten wie CBAM, etwas Druck und Klimadiplomatie erreichen. Schließlich sei Europa nur für sechs Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich, nun müsse man sicherstellen, dass die 94 Prozent auch angegangen werden.
Nicht zufrieden mit der Antwort war Grünen-Abgeordneter Michael Bloss. “Hoekstra kann sich nicht mehr hinter China und den USA verstecken.” Das gelte insbesondere für das ab kommender Woche in Baku bei der COP29 zu verhandelnde neue Klimafinanzierungsziel. Wenn Europa die Führungsrolle beanspruche, müsse auch Geld auf den Tisch gelegt werden, sagte Bloss. Stillhalten sei keine Option mehr.
Der künftige Haushaltskommissar zeigte sich sparsam – zumindest mit der Zeit. Während andere designierte Kommissare in den Anhörungen die ihnen zustehende zweiminütige Antwortzeit meist bis auf die letzte Sekunde ausnutzten, war Piotr Serafin oft schon nach einer Minute fertig. Das schien die Abgeordneten nicht zu stören: Die Koordinatoren des Haushaltsausschusses (BUDG) und des Haushaltskontrollausschusses (CONT) bestätigten Serafin in dem Amt, das die Kommissionspräsidentin für ihn vorgesehen hatte.
Geholfen hat ihm dabei sicher auch sein guter Ruf als ehemaliger Ständiger Vertreter Polens und Ex-Stabschef von Donald Tusk. “Für mich war schon vor der Anhörung klar, dass Serafin von den 26 designierten Kommissaren der geeignetste für das Haushaltsdossier ist”, sagte Siegfried Mureşan (EVP), Berichterstatter für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), zu Table.Briefings.
In seinen kurzen Antworten vermied Serafin es, sich auf konkrete Vorhaben festzulegen. Dennoch wurden seine Prioritäten deutlich:
Abgeordnete mehrerer Fraktionen äußerten die Befürchtung, dass durch eine stärkere Bindung der EU-Gelder an nationale Reformen die Mitgliedstaaten an Einfluss einbüßen. Die Kommission könnte die zusätzliche politische Macht willkürlich gegen EU-Staaten anwenden, so die Sorge. Serafin versicherte den Abgeordneten, dass es nicht darum gehe, die Ideen der Kommission durchzusetzen, sondern gemeinsame EU-Prioritäten zu verfolgen.
Kritik kam während der Anhörung vor allem von Rechtsaußen. Die PfE-Fraktion, in der auch Orbáns Fidesz-Partei sitzt, beschwerte sich über den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus der EU. Serafin stellte sich aber vorbehaltlos hinter den Mechanismus.
Er war bereits Kommissar für den Euro und den sozialen Dialog (2014 bis 2019), dann Handelskommissar (seit 2019). Im nächsten Mandat soll Valdis Dombrovskis die Portfolios Wirtschaft, Produktivität, Implementierung und Vereinfachung betreuen. Der 53-Jährige, der Teil der christdemokratischen Parteienfamilie EVP ist, wurde von den Ausschüssen Wirtschaft und Recht angehört. Eingeladen waren zudem die Ausschüsse für Haushalt (BUDG), Verfassung (AFCO), Beschäftigung (EMPL), Binnenmarkt (IMCO) und Steuerfragen (FISC).
Von der Koordinatorenrunde wurde Dombrovskis am Abend bestätigt. Er erhielt die Stimmen von EVP, S&D, Renew, Grünen und EKR. Gegen ihn stimmten die beiden rechtsradikalen Fraktionen sowie die Linke.
Der Lette machte eine souveräne Figur. Er kennt die Themen seit Jahren in der Tiefe, und so war es keine erkennbare Herausforderung für ihn, die Vorhaben der Kommission im nächsten Mandat vorzustellen. In seiner 15-minütigen Einführung sprach er in seiner Muttersprache Lettisch. Im Gespräch mit den Abgeordneten wechselte er auf Englisch.
Das Mandat der Kommission stehe unter dem Motto, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, sagte Dombrovskis. Er skizzierte die zentralen Herausforderungen:
In vier Fragerunden, moderiert von den Vorsitzenden der Ausschüsse, Aurore Lalucq (ECON) und Ilhan Kyuchyuk (JURI), kamen die Abgeordneten zu Wort. ECON-Koordinator der EVP, Markus Ferber, wollte wissen, ob der Kandidat eine gleiche Behandlung aller Mitgliedstaaten im Zuge der Überwachung der nationalen Haushalte gewährleisten könne. Außerdem fragte er, ob bei häufigen Regierungswechseln wie etwa jetzt in Deutschland nicht die konsequente Kontrolle leide.
Der Anwärter stellte klar, dass das neue Regelwerk selbstverständlich für alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelte. Alle Beteiligten hätten zudem bei der Einführung der neuen Fiskalregeln gewusst, dass es sehr angespannte Zeitpläne geben würde. Er räumte ein, dass Regierungsbildungen außer der Reihe die Abgabe der Planungen bei der Kommission verzögere.
Irene Tinagli (S&D), Mitglied im Wirtschaftsausschuss, sagte: “Neben den öffentlichen Mitteln braucht es privates Kapital, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.” Dombrovskis stimmte zu: “Zusätzliches Kapital, sowohl privates wie öffentliches, muss mobilisiert werden.” Man könne auch über Hebelinstrumente nachdenken wie etwa beim Juncker-Fonds.
Er legte sich nicht fest, woher die zusätzlichen EU-Mittel kommen sollen. Denkbar seien neue Eigenmittel, höhere Beiträge der Mitgliedstaaten. Darum werde es bei dem Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) gehen. Die Kommission will ihn 2025 vorlegen. Erste konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau werde die Kommission bei der Vorlage ihres neuen Arbeitsprogramms machen.
Eine grüne Abgeordnete wollte wissen, ob die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters den Mitgliedstaaten Vorschläge mache, Subventionen auf fossile Energien abzubauen. Dombrovskis: “Die Kommission hat dies bereits in der Vergangenheit mit Zeitvorgaben getan.” Er plane dies auch in Zukunft im Rahmen der länderspezifischen Empfehlungen.
11.11.-24.11.2024
COP29: UN-Klimakonferenz in Baku 2024
Themen: Die internationale Gemeinschaft kommt zu Beratungen über die Klimapolitik zusammen. Infos
11.11.-12.11.2024
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Entlastung des Gesamthaushaltsplans der EU 2023; ECA Sonderbericht 13/2024 (Inanspruchnahme von Mitteln aus der Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit). Vorläufige Tagesordnung
13.11.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: e-Erklärung für die Entsendung von Arbeitnehmern. Vorläufige Tagesordnung
13.11.2024 – 15:00-20:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, US-Wahlen, COP 29
Themen: Diskussion über die Schlussfolgerungen der Tagungen des Europäischen Rates vom Oktober und November 2024, über die Beziehungen zwischen der EU und den USA vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten und über die Klimakonferenz 2024 der Vereinten Nationen (COP29) in Baku. Vorläufige Tagesordnung
14.11.2024 – 09:00-13:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Russland-Sanktionen, Satzung der EIB, Mehrwertsteuer
Themen: Abstimmungen zu den Maßnahmen der EU gegen russische Schattenflotten und zur Sicherstellung einer vollständigen Durchsetzung der gegen Russland verhängten Sanktionen, zur Änderung der Satzung der EIB und zur elektronischen Bescheinigung über die Befreiung von der Mehrwertsteuer. Vorläufige Tagesordnung
15.11.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Öffentliche Beratung des EU-Haushaltsplans für 2025 (Vorbereitung der Sitzung des
Vermittlungsausschusses mit dem Europäischen Parlament). Vorläufige Tagesordnung
Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Polen zeigen sich besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Georgien. Solange es dort keine Reformen gebe, könnten sie die Eröffnung von EU-Beitrittsgesprächen nicht unterstützen, teilten Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Donnerstag mit. Die im sogenannten Weimarer Dreieck zusammengeschlossenen Länder äußerten sich im Vorfeld des Budapester Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft, zu der neben den EU-Staaten weitere Länder gehören – darunter auch Georgien.
Für eine Zustimmung zu Beitrittsgesprächen müsse Georgien seinen derzeitigen Kurs umkehren und konkrete Reformbemühungen zeigen, führten Scholz, Macron und Tusk aus. In Georgien hatte kürzlich die Regierungspartei Georgischer Traum, die von vielen westlichen Regierungen als zunehmend an Russland orientiert angesehen wird, die Parlamentswahl gewonnen. Die Abstimmung wurde nach Angaben von Wahlbeobachtern von Unregelmäßigkeiten überschattet. Tausende Menschen gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße und protestierten gegen Wahlbetrug.
Deutschland, Frankreich und Polen drangen vor allem darauf, dass Georgien jüngst erlassene Gesetze aufheben müsse, die nach ihrer Einschätzung im Widerspruch zu europäischen Werten und Prinzipien stehen. Die EU-Kommission hatte Georgien bereits vergangene Woche zu einer politischen Kurskorrektur aufgefordert und bekräftigt, dass der Beitrittsprozess Georgiens faktisch gestoppt bleibt. Als Gründe dafür nannte sie unter anderem eine Gesetzgebung, die von teilweise aus dem Ausland finanzierten Organisationen verlangt, sich als sogenannte Agenten ausländischer Einflussnahme zu registrieren. Auch eine starke Anti-EU-Propaganda der Regierung wurde moniert. Die Regierung in Tiflis betont ungeachtet dessen, dass sie der EU beitreten will. rtr
Ein Notfallteam aus Experten soll künftig bereitstehen, um EU-Länder bei Ausbrüchen von Pflanzenkrankheiten und der Ausbreitung von Schädlingen zu unterstützen. Eine entsprechende Einigung von EU-Parlament und Rat billigten die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten am Mittwoch. Das Parlament hatte diese schon im April abgenickt.
Die Expertengruppe für Pflanzengesundheit mit unterschiedlichen Spezialgebieten wird von den Mitgliedstaaten nominiert und von der Kommission ernannt. Auch benachbarte Drittstaaten sollen die Hilfe in Anspruch nehmen können, um zu verhindern, dass Schädlinge in die EU kommen. Vorbild ist das erstmals 2007 eingesetzte Veterinär-Notfallteam, das bei Ausbrüchen von Tierkrankheiten einschreitet.
Teil der Einigung zur Reform der EU-Pflanzengesundheits-Verordnung sind außerdem:
Von einem “entscheidenden Schritt zur Stärkung unserer Abwehr gegen neue Pflanzenschädlinge” spricht die EU-Kommissarin für Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, in Bezug auf die Initiative. Klimawandel und Globalisierung tragen laut EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Ausbreitung von Pflanzenschädlingen in Europa bei. Das könne landwirtschaftliche Erzeugnisse bedrohen. jd
Vertreter von Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft können sich seit Donnerstag für die Teilnahme am Ökodesign-Forum bewerben – die Frist dafür endet am 5. Dezember. Das neue Gremium soll der EU-Kommission bei der Umsetzung der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) helfen. Zu den Aufgaben gehört es, bei der Formulierung von Arbeitsplänen und bei der Entwicklung von Produktanforderungen zu unterstützen. Außerdem sollen die Mitglieder regelmäßig über Entwicklungen im Themenfeld informiert werden.
Die im Juli in Kraft getretene Ökodesign-Verordnung macht Vorgaben für die umweltfreundliche Gestaltung von Produkten. Mit delegierten Rechtsakten will die Kommission in den kommenden Jahren Mindestanforderungen für einzelne Produktgruppen definieren – etwa für Textilien und Schuhe, Möbel oder Stahl und Aluminium. Die entsprechenden Informationen sollen dann für relevante Gruppen, etwa in der Wertschöpfungskette, in einem digitalen Produktpass zugänglich sein.
Die Verordnung war ein wesentlicher Teil des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft der letzten Kommission. In Maßnahmen wie der kreislauffähigen Gestaltung von Produkten sah sie einen wichtigen Hebel, um den Green Deal voranzubringen – bis zu 25 Prozent könnten sie zu ihren Klimazielen beitragen, schätze die Kommission. nh
Die Institutionen der Europäischen Union sind große Arbeitgeber – doch sie haben zunehmend Schwierigkeiten, ihren Bedarf an Personal langfristig zu decken. Das geht aus einem neuen Bericht des Europäischen Rechnungshofes hervor. Besonders groß sei der Anteil befristeter Angestellter mit mehr 20 Prozent im Bereich IT.
Im Laufe der Jahre hätten die EU-Institutionen immer mehr Aufgaben übernommen, ohne dass jedoch mehr Stellen geschaffen worden seien. In der Folge sei Personal dorthin versetzt worden, wo der größte Bedarf bestand. Seit 2019 sei die Zahl der Angestellten auf Zeit deutlich gestiegen. Den größten Anstieg gab es demnach mit 256 Prozent im Rat. Aber auch in der Kommission erhöhte sich die Zahl der befristeten Mitarbeiter um fast 200 Prozent.
Die Einstellung von Bediensteten auf Zeit sei häufig schneller und flexibler, hieß es. Der Rechnungshof identifizierte jedoch auch ein “erhebliches Risiko, dass Wissen verloren geht”. Um den Bedarf zu decken, müssten sich alle Institutionen stärker um Personal bemühen, mahnten die Prüfer.
Nachholbedarf verzeichnet der Bericht auch beim gezielten Anwerben junger Absolventen, bei der Förderung begabter Mitarbeiter und beim Umgang mit schlechten Leistungen. Die Arbeitsbedingungen bei den EU-Institutionen entsprächen jedoch grundsätzlich “den Erwartungen moderner, im Ausland tätiger Arbeitskräfte”.
“Unsere Empfehlungen sollen den EU-Institutionen dabei helfen, ihr Personalmanagement zu verbessern, attraktivere Arbeitgeber zu werden und ihren Mitarbeitern bessere Karrierechancen zu bieten”, sagte Jorg Kristijan Petrovič vom Rechnungshof. Mehr als 50.000 Menschen arbeiten nach Angaben des EuRH für die EU. Größter Arbeitgeber ist demnach mit 30.000 Mitarbeitern die Kommission. dpa
Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wirtschafts-, klima- und außenpolitisch ist er aus auf maximale Konfrontation: Zu den voraussichtlichen Konfliktthemen gehören Zölle, Handelsüberschüsse, der Umgang mit China, die Unterstützung der Ukraine, fossile Energieträger und das europäische CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) – um nur ein paar Beispiele zu nennen. “Die EU nutzt uns aus”, sagt Trump. Oder: “Europa kauft unsere Autos nicht.”
Das Paradoxe: Trotz dieser Konflikte werden europäische Regierungen in den kommenden Jahren versuchen, näher an die USA zu rücken. Trump bringt Chaos – und im Chaos sucht man Sicherheit. Erkennbar ist das bereits in den Währungsmärkten, wo der US-Dollar in der Wahlnacht sprunghaft anstieg.
Die Gefahr ist groß, dass dies auf Kosten des europäischen Zusammenhalts geht. Trump wird versuchen, die EU-Institutionen zu schwächen. Sie stehen für genau jene regelbasierte, multilaterale Welt, die er abreißen möchte.
Aber auch die europäischen Regierungen werden versucht sein, hinter Brüssels Rücken mit Trump zu verhandeln. Polen und das Baltikum haben existenzielle Sicherheitssorgen, gegen die sie auf absehbare Zeit nur die USA verlässlich schützen können. Italien und Ungarn werden von Parteien geführt, die ideologisch nah an Trump stehen. Deutschland braucht Energie und Wachstum. Beides bekommen wir zur Zeit – wenn überhaupt – nur aus den USA.
Groß wird also die Versuchung sein, bilaterale Deals mit Präsident Trump zu schmieden; groß die Gefahr, dabei zerteilt und fremdbestimmt zu werden. Ein abstraktes Hoffen auf europäischen Zusammenhalt wird nicht ausreichen, um sich dagegenzustemmen. Um dieses Risiko abzuwenden, müssen wir die dunkle Schwerkraft anerkennen, die vom Weißen Haus in den nächsten vier Jahren ausgehen wird. Und dann innereuropäisch aushandeln, wie wir dieser Schwerkraft trotzen und unsere gemeinsamen Interessen priorisieren können.
Kern eines innereuropäischen Kuhhandels – und nichts anderes brauchen wir – könnte eine Abmachung im Weimarer Dreieck sein. Frankreich könnte einer marktwirtschaftlich orientierten Reform- und Vertiefungsagenda des Binnenmarktes zustimmen. Polen könnte sich bereit erklären, mehr auf europäische Rüstungskooperation zu setzen. Deutschland könnte Gelder in die Hand nehmen, um in europäische Sicherheit und Energieinfrastruktur zu investieren und damit die Netze seiner Anrainerstaaten zu entlasten und seine Handelsbilanz auszugleichen.
Die jeweiligen Konzessionen wären für sich genommen sinnvoll und in den je anderen Ländern populär. Sie gäben schwachen Regierungen einen Zweck und damit neues Leben.
Möchte Europa weiterhin mit der Welt handeln, so muss es unabhängiger von den Vereinigten Staaten werden. Dies erfordert, dass die Regierungen beherzt investieren, jede für sich und gemeinsam. Finanziell und politisch ist das möglich, wenn Deutschland seiner zentralen Rolle in Europa gerecht wird – und wenn die deutsche Fiskalpolitik bereit ist, sich dieser Aufgabe zu stellen. Erstarren wir götzenhaft vor der jetzigen Ausgestaltung der Schuldenbremse, so ist das Risiko groß, dass Trump Europa teilen wird. Unser Exportmodell wäre existenziell bedroht – die Tragfähigkeit unserer öffentlichen Finanzen auch.
Max Krahé ist politischer Theoretiker und Ökonom. Er forscht zu Ideengeschichte, Arbeitsteilung und der Beziehung zwischen Demokratie und Kapitalismus und ist Mitgründer und Forschungsdirektor des Dezernat Zukunft.
heute sprechen die Staats- und Regierungschefs beim informellen Gipfel in Budapest über die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Sie werden eine “Budapester Erklärung” verabschieden, in der sie der Kommission und sich selbst wirtschaftspolitisch hohe Ziele stecken. Wie so oft bleiben sie bei den Mitteln zur Zielerreichung vage. Vor allem, wenn es ums Geld geht.
Die Finanzierung ist ein Spaltpilz, der nicht nur auf europäischer Ebene wirkt. Er kann auch nationale Regierungen erledigen, wie wir seit Mittwoch wissen. Doch mit dem Ende der Ampelkoalition in Deutschland sind die Diskussionen um finanzielle Spielräume längst nicht vorbei: Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die EU-Schuldenregeln entscheidend nach seinen Vorstellungen geprägt. In der Interpretation der EU-Kommission verlangen die neuen Regeln für den mittelfristigen Finanzplan Deutschlands mehr Einsparungen oder Reform- und Investitionsbemühungen als die Ampel zu stemmen bereit war.
Der deutsche Finanzplan hätte bereits im Oktober in Brüssel sein sollen, Berlin hat die Deadline verstreichen lassen. Mit dem Aus der Koalition ist klar, dass der Plan auch in diesem Monat nicht kommen wird. Gemeinsam mit Frankreich ist Deutschland jetzt eines der wenigen Länder, das schon im ersten Schritt des neuen Prozesses zur Einhaltung der Schuldenregeln in Verzug kommt.
Das Ende der Ampel könnte aus europäischer Sicht aber auch gute Seiten haben. So kann die Diskussion um den neuen mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU im kommenden Jahr mit einer neuen Regierung angegangen werden. Damit könnte sich der Prozess nicht wie befürchtet bis Ende 2025 verzögern.
Erholen Sie sich am Wochenende gut von den politischen Ereignissen der vergangenen Tage!
Donald Trump war der Elefant im Raum, Olaf Scholz der große Abwesende. Die turbulente Lage in Berlin hielt den Bundeskanzler davon ab, zum Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Budapest zu reisen. 42 Staats- und Regierungschefs haben sich am Donnerstag in einem Fußballstadion am Rande der ungarischen Hauptstadt versammelt.
Fast jeder hatte einen Kommentar zum Ende der Koalition in Berlin: So hofft der finnische Regierungschef Petteri Orpo auf eine rasche Neuwahl in Deutschland. Es brauche eine starke und vereinte deutsche Regierung
in Europa. Deutschland sei ein äußerst wichtiges Land in der europäischen Zusammenarbeit, betonte Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson. Er hoffe auf eine deutsche Lösung, und zwar so schnell wie möglich. Ähnlich äußerte sich die dänische Amtskollegin Mette Frederiksen: Ein starkes Deutschland werde gebraucht, um ein starkes Europa aufzubauen.
Hinter den Kulissen gibt es aber auch Stimmen, die dem vorzeitigen Ende der Regierung in Berlin positive Seiten abgewinnen können. Die Koalition sei schon seit Monaten auch in Brüssel nicht mehr handlungsfähig gewesen. Ein früherer Wahltermin sei zudem mit Blick auf die Beratungen über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von Vorteil, da man dann nicht bis September oder länger auf Berlin warten müsse.
Die halbjährlichen EPG-Gipfel sind ein Gesprächsformat auf höchster Ebene, das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einst lanciert hatte. Diesmal hatte ausgerechnet Ungarns Regierungschef als Gastgeber die Regie. Doch Viktor Orbán kann in der großen Runde auch diplomatisch, vermied die Provokation. Europa könne nicht darauf warten, dass die Amerikaner sie beschützten. Nach der Rückkehr von Trump ins Weiße Haus müsse Europa über seine Sicherheitsstruktur reden. Vielleicht hat Orbáns Zurückhaltung damit zu tun, dass Ungarn laut einer Studie der EU-Kommission von Trumps angedrohten neuen Zöllen besonders stark betroffen wäre.
Er habe Donald Trump nach dem Wahlsieg angerufen und eine “gute, produktive Konversation” gehabt, sagte Wolodymyr Selenskyj. “Wir hoffen, dass Amerika stärker wird.” Das sei das Amerika, das Europa brauche. Denn Wladimir Putin habe den Einsatz erhöht: “Nordkoreanische Soldaten sind dabei, unsere Leute auf europäischem Boden zu töten”, sagte Selenskyj.
Sein Land in dieser Situation zu Konzessionen gegenüber Russland zu drängen, sei inakzeptabel für die Ukraine und “selbstmörderisch” für Europa, warnte er und meinte damit wohl auch Gastgeber Orbán. Es sei eine Illusion zu glauben, mit Konzessionen Frieden zu erkaufen. Friede sei die Belohnung für jene, die stark seien. Das dürfte auch Donald Trump gefallen.
Deutliche Worte fand auch Emmanuel Macron: Es sei logisch, dass Donald Trump die Interessen der USA vertrete. Die eigentliche Frage sei, ob die Europäer bereit seien, ihre eigenen Interessen zu verteidigen. Der französische Präsident zeichnete ein düsteres Bild der Welt. Die Europäer könnten in einer von “Fleischfressern” dominierten Welt nicht länger “Vegetarier” bleiben.
Sie müssten zumindest “Allesfresser” werden, um überleben zu können. Macron dürfte versuchen, sich im Schatten des Comebacks von Trump neu zu erfinden und die Rolle des Wortführers Europas zu übernehmen.
Den informellen EU-Gipfel am Freitag wird Olaf Scholz nicht verpassen. Der Bundeskanzler wollte noch am Donnerstagabend anreisen. Viktor Orbán hatte die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Abendessen eingeladen, bei dem es auch um Trumps Comeback und die transatlantischen Beziehungen gehen sollte.
Breit lächelnd und ausladend begrüßte Wopke Hoekstra am Donnerstag die Mitglieder der drei Ausschüsse. Die Stimmung im Raum schien von Anfang an gelassen. Die Umwelt-, Industrie- und Wirtschaftspolitiker (ENVI, ITRE, ECON) des EU-Parlaments legten dem designierten Klimakommissar bei seiner Anhörung keine großen Steine in den Weg.
Das Votum der Koordinatoren verlief dann allerdings etwas ruckelig, was aber nicht an Hoekstra lag, sondern an der designierten Erweiterungskommissarin Marta Kos. Die EVP wollte Kos nach ihrem Hearing ablehnen, woraufhin Renew sich weigerte, Hoekstra grünes Licht zu geben. Schlussendlich wurden beide – Klimakommissar Hoekstra und Erweiterungskommissarin Kos – angenommen. EVP, S&D, Renew, Grüne und EKR stimmten für Hoekstra. Linke, PfE und ESN gegen ihn.
Eine Grünen-Abgeordnete beschrieb schon vor der Anhörung das allgemeine Bild über den Niederländer: “Alle lieben Hoekstra.” Das hielt die Abgeordneten jedoch nicht davon ab, dem ehemaligen niederländischen Finanz- und Außenminister einige Versprechen abzunehmen. Hoekstra kündigte an:
Insbesondere stand die Zukunft der Automobilindustrie für viele der Abgeordneten im Zentrum ihrer Fragen. Hoekstra machte keinen Hehl daraus, dass er E-Fuels besser in anderen Industriebereichen als im Straßenverkehr aufgehoben sieht, beispielsweise im Flug- und Schiffsverkehr.
Ob er plane, die Strafzahlungen für Autobauer auszusetzen, die ihre CO₂-Flottengrenzwerte nicht einhalten? Zwar antwortete er nicht mit Ja oder Nein, erinnerte jedoch an 2020 und 2021, als Autobauer sich ebenfalls über Strafzahlungen beklagt hatten, schlussendlich aber nur ein Unternehmen eine vernachlässigbare Summe gezahlt habe.
Hoekstra sagte, dass er gemeinsam mit der Industrie für bessere Wettbewerbsfähigkeit, weniger Bürokratie und einen klaren Pfad für mehr Investitionen arbeiten werde. Zum Bürokratieabbau kündigte er an, sich für einfachere Regeln, beispielsweise bei den Berichtspflichten, einsetzen zu wollen. Zugleich machte er deutlich, dass er nicht an den Dekarbonisierungszielen rütteln werde.
Er äußerte zudem Unterstützung für Vorschläge zur Dekarbonisierung von Dienstwagen, zu sozialen Leasing-Angeboten für E-Autos und der Einbeziehung von Negativemissionen in den europäischen Emissionshandel. Auch zeigte er sich willens, die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, ihre ETS-Einnahmen für die Linderung der Auswirkungen von Klimamaßnahmen auf die Bevölkerung zu verwenden.
Hohe Erwartungen an den alten und neuen Kommissar für die internationalen Klimaverhandlungen existieren bei der Frage, wie Europa den Rest der Welt zu mehr Klimaschutz überzeugen wolle. Insbesondere China und die USA müssten ihre Bemühungen für mehr Klimaschutz erhöhen, forderte Hoekstra. Das könne man mit Instrumenten wie CBAM, etwas Druck und Klimadiplomatie erreichen. Schließlich sei Europa nur für sechs Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich, nun müsse man sicherstellen, dass die 94 Prozent auch angegangen werden.
Nicht zufrieden mit der Antwort war Grünen-Abgeordneter Michael Bloss. “Hoekstra kann sich nicht mehr hinter China und den USA verstecken.” Das gelte insbesondere für das ab kommender Woche in Baku bei der COP29 zu verhandelnde neue Klimafinanzierungsziel. Wenn Europa die Führungsrolle beanspruche, müsse auch Geld auf den Tisch gelegt werden, sagte Bloss. Stillhalten sei keine Option mehr.
Der künftige Haushaltskommissar zeigte sich sparsam – zumindest mit der Zeit. Während andere designierte Kommissare in den Anhörungen die ihnen zustehende zweiminütige Antwortzeit meist bis auf die letzte Sekunde ausnutzten, war Piotr Serafin oft schon nach einer Minute fertig. Das schien die Abgeordneten nicht zu stören: Die Koordinatoren des Haushaltsausschusses (BUDG) und des Haushaltskontrollausschusses (CONT) bestätigten Serafin in dem Amt, das die Kommissionspräsidentin für ihn vorgesehen hatte.
Geholfen hat ihm dabei sicher auch sein guter Ruf als ehemaliger Ständiger Vertreter Polens und Ex-Stabschef von Donald Tusk. “Für mich war schon vor der Anhörung klar, dass Serafin von den 26 designierten Kommissaren der geeignetste für das Haushaltsdossier ist”, sagte Siegfried Mureşan (EVP), Berichterstatter für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), zu Table.Briefings.
In seinen kurzen Antworten vermied Serafin es, sich auf konkrete Vorhaben festzulegen. Dennoch wurden seine Prioritäten deutlich:
Abgeordnete mehrerer Fraktionen äußerten die Befürchtung, dass durch eine stärkere Bindung der EU-Gelder an nationale Reformen die Mitgliedstaaten an Einfluss einbüßen. Die Kommission könnte die zusätzliche politische Macht willkürlich gegen EU-Staaten anwenden, so die Sorge. Serafin versicherte den Abgeordneten, dass es nicht darum gehe, die Ideen der Kommission durchzusetzen, sondern gemeinsame EU-Prioritäten zu verfolgen.
Kritik kam während der Anhörung vor allem von Rechtsaußen. Die PfE-Fraktion, in der auch Orbáns Fidesz-Partei sitzt, beschwerte sich über den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus der EU. Serafin stellte sich aber vorbehaltlos hinter den Mechanismus.
Er war bereits Kommissar für den Euro und den sozialen Dialog (2014 bis 2019), dann Handelskommissar (seit 2019). Im nächsten Mandat soll Valdis Dombrovskis die Portfolios Wirtschaft, Produktivität, Implementierung und Vereinfachung betreuen. Der 53-Jährige, der Teil der christdemokratischen Parteienfamilie EVP ist, wurde von den Ausschüssen Wirtschaft und Recht angehört. Eingeladen waren zudem die Ausschüsse für Haushalt (BUDG), Verfassung (AFCO), Beschäftigung (EMPL), Binnenmarkt (IMCO) und Steuerfragen (FISC).
Von der Koordinatorenrunde wurde Dombrovskis am Abend bestätigt. Er erhielt die Stimmen von EVP, S&D, Renew, Grünen und EKR. Gegen ihn stimmten die beiden rechtsradikalen Fraktionen sowie die Linke.
Der Lette machte eine souveräne Figur. Er kennt die Themen seit Jahren in der Tiefe, und so war es keine erkennbare Herausforderung für ihn, die Vorhaben der Kommission im nächsten Mandat vorzustellen. In seiner 15-minütigen Einführung sprach er in seiner Muttersprache Lettisch. Im Gespräch mit den Abgeordneten wechselte er auf Englisch.
Das Mandat der Kommission stehe unter dem Motto, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, sagte Dombrovskis. Er skizzierte die zentralen Herausforderungen:
In vier Fragerunden, moderiert von den Vorsitzenden der Ausschüsse, Aurore Lalucq (ECON) und Ilhan Kyuchyuk (JURI), kamen die Abgeordneten zu Wort. ECON-Koordinator der EVP, Markus Ferber, wollte wissen, ob der Kandidat eine gleiche Behandlung aller Mitgliedstaaten im Zuge der Überwachung der nationalen Haushalte gewährleisten könne. Außerdem fragte er, ob bei häufigen Regierungswechseln wie etwa jetzt in Deutschland nicht die konsequente Kontrolle leide.
Der Anwärter stellte klar, dass das neue Regelwerk selbstverständlich für alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelte. Alle Beteiligten hätten zudem bei der Einführung der neuen Fiskalregeln gewusst, dass es sehr angespannte Zeitpläne geben würde. Er räumte ein, dass Regierungsbildungen außer der Reihe die Abgabe der Planungen bei der Kommission verzögere.
Irene Tinagli (S&D), Mitglied im Wirtschaftsausschuss, sagte: “Neben den öffentlichen Mitteln braucht es privates Kapital, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.” Dombrovskis stimmte zu: “Zusätzliches Kapital, sowohl privates wie öffentliches, muss mobilisiert werden.” Man könne auch über Hebelinstrumente nachdenken wie etwa beim Juncker-Fonds.
Er legte sich nicht fest, woher die zusätzlichen EU-Mittel kommen sollen. Denkbar seien neue Eigenmittel, höhere Beiträge der Mitgliedstaaten. Darum werde es bei dem Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) gehen. Die Kommission will ihn 2025 vorlegen. Erste konkrete Vorschläge zum Bürokratieabbau werde die Kommission bei der Vorlage ihres neuen Arbeitsprogramms machen.
Eine grüne Abgeordnete wollte wissen, ob die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters den Mitgliedstaaten Vorschläge mache, Subventionen auf fossile Energien abzubauen. Dombrovskis: “Die Kommission hat dies bereits in der Vergangenheit mit Zeitvorgaben getan.” Er plane dies auch in Zukunft im Rahmen der länderspezifischen Empfehlungen.
11.11.-24.11.2024
COP29: UN-Klimakonferenz in Baku 2024
Themen: Die internationale Gemeinschaft kommt zu Beratungen über die Klimapolitik zusammen. Infos
11.11.-12.11.2024
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle (CONT)
Themen: Entlastung des Gesamthaushaltsplans der EU 2023; ECA Sonderbericht 13/2024 (Inanspruchnahme von Mitteln aus der Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit). Vorläufige Tagesordnung
13.11.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: e-Erklärung für die Entsendung von Arbeitnehmern. Vorläufige Tagesordnung
13.11.2024 – 15:00-20:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, US-Wahlen, COP 29
Themen: Diskussion über die Schlussfolgerungen der Tagungen des Europäischen Rates vom Oktober und November 2024, über die Beziehungen zwischen der EU und den USA vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten und über die Klimakonferenz 2024 der Vereinten Nationen (COP29) in Baku. Vorläufige Tagesordnung
14.11.2024 – 09:00-13:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Russland-Sanktionen, Satzung der EIB, Mehrwertsteuer
Themen: Abstimmungen zu den Maßnahmen der EU gegen russische Schattenflotten und zur Sicherstellung einer vollständigen Durchsetzung der gegen Russland verhängten Sanktionen, zur Änderung der Satzung der EIB und zur elektronischen Bescheinigung über die Befreiung von der Mehrwertsteuer. Vorläufige Tagesordnung
15.11.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
Themen: Öffentliche Beratung des EU-Haushaltsplans für 2025 (Vorbereitung der Sitzung des
Vermittlungsausschusses mit dem Europäischen Parlament). Vorläufige Tagesordnung
Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Polen zeigen sich besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Georgien. Solange es dort keine Reformen gebe, könnten sie die Eröffnung von EU-Beitrittsgesprächen nicht unterstützen, teilten Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Donnerstag mit. Die im sogenannten Weimarer Dreieck zusammengeschlossenen Länder äußerten sich im Vorfeld des Budapester Gipfels der Europäischen Politischen Gemeinschaft, zu der neben den EU-Staaten weitere Länder gehören – darunter auch Georgien.
Für eine Zustimmung zu Beitrittsgesprächen müsse Georgien seinen derzeitigen Kurs umkehren und konkrete Reformbemühungen zeigen, führten Scholz, Macron und Tusk aus. In Georgien hatte kürzlich die Regierungspartei Georgischer Traum, die von vielen westlichen Regierungen als zunehmend an Russland orientiert angesehen wird, die Parlamentswahl gewonnen. Die Abstimmung wurde nach Angaben von Wahlbeobachtern von Unregelmäßigkeiten überschattet. Tausende Menschen gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße und protestierten gegen Wahlbetrug.
Deutschland, Frankreich und Polen drangen vor allem darauf, dass Georgien jüngst erlassene Gesetze aufheben müsse, die nach ihrer Einschätzung im Widerspruch zu europäischen Werten und Prinzipien stehen. Die EU-Kommission hatte Georgien bereits vergangene Woche zu einer politischen Kurskorrektur aufgefordert und bekräftigt, dass der Beitrittsprozess Georgiens faktisch gestoppt bleibt. Als Gründe dafür nannte sie unter anderem eine Gesetzgebung, die von teilweise aus dem Ausland finanzierten Organisationen verlangt, sich als sogenannte Agenten ausländischer Einflussnahme zu registrieren. Auch eine starke Anti-EU-Propaganda der Regierung wurde moniert. Die Regierung in Tiflis betont ungeachtet dessen, dass sie der EU beitreten will. rtr
Ein Notfallteam aus Experten soll künftig bereitstehen, um EU-Länder bei Ausbrüchen von Pflanzenkrankheiten und der Ausbreitung von Schädlingen zu unterstützen. Eine entsprechende Einigung von EU-Parlament und Rat billigten die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten am Mittwoch. Das Parlament hatte diese schon im April abgenickt.
Die Expertengruppe für Pflanzengesundheit mit unterschiedlichen Spezialgebieten wird von den Mitgliedstaaten nominiert und von der Kommission ernannt. Auch benachbarte Drittstaaten sollen die Hilfe in Anspruch nehmen können, um zu verhindern, dass Schädlinge in die EU kommen. Vorbild ist das erstmals 2007 eingesetzte Veterinär-Notfallteam, das bei Ausbrüchen von Tierkrankheiten einschreitet.
Teil der Einigung zur Reform der EU-Pflanzengesundheits-Verordnung sind außerdem:
Von einem “entscheidenden Schritt zur Stärkung unserer Abwehr gegen neue Pflanzenschädlinge” spricht die EU-Kommissarin für Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides, in Bezug auf die Initiative. Klimawandel und Globalisierung tragen laut EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Ausbreitung von Pflanzenschädlingen in Europa bei. Das könne landwirtschaftliche Erzeugnisse bedrohen. jd
Vertreter von Industrie, Zivilgesellschaft und Wissenschaft können sich seit Donnerstag für die Teilnahme am Ökodesign-Forum bewerben – die Frist dafür endet am 5. Dezember. Das neue Gremium soll der EU-Kommission bei der Umsetzung der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) helfen. Zu den Aufgaben gehört es, bei der Formulierung von Arbeitsplänen und bei der Entwicklung von Produktanforderungen zu unterstützen. Außerdem sollen die Mitglieder regelmäßig über Entwicklungen im Themenfeld informiert werden.
Die im Juli in Kraft getretene Ökodesign-Verordnung macht Vorgaben für die umweltfreundliche Gestaltung von Produkten. Mit delegierten Rechtsakten will die Kommission in den kommenden Jahren Mindestanforderungen für einzelne Produktgruppen definieren – etwa für Textilien und Schuhe, Möbel oder Stahl und Aluminium. Die entsprechenden Informationen sollen dann für relevante Gruppen, etwa in der Wertschöpfungskette, in einem digitalen Produktpass zugänglich sein.
Die Verordnung war ein wesentlicher Teil des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft der letzten Kommission. In Maßnahmen wie der kreislauffähigen Gestaltung von Produkten sah sie einen wichtigen Hebel, um den Green Deal voranzubringen – bis zu 25 Prozent könnten sie zu ihren Klimazielen beitragen, schätze die Kommission. nh
Die Institutionen der Europäischen Union sind große Arbeitgeber – doch sie haben zunehmend Schwierigkeiten, ihren Bedarf an Personal langfristig zu decken. Das geht aus einem neuen Bericht des Europäischen Rechnungshofes hervor. Besonders groß sei der Anteil befristeter Angestellter mit mehr 20 Prozent im Bereich IT.
Im Laufe der Jahre hätten die EU-Institutionen immer mehr Aufgaben übernommen, ohne dass jedoch mehr Stellen geschaffen worden seien. In der Folge sei Personal dorthin versetzt worden, wo der größte Bedarf bestand. Seit 2019 sei die Zahl der Angestellten auf Zeit deutlich gestiegen. Den größten Anstieg gab es demnach mit 256 Prozent im Rat. Aber auch in der Kommission erhöhte sich die Zahl der befristeten Mitarbeiter um fast 200 Prozent.
Die Einstellung von Bediensteten auf Zeit sei häufig schneller und flexibler, hieß es. Der Rechnungshof identifizierte jedoch auch ein “erhebliches Risiko, dass Wissen verloren geht”. Um den Bedarf zu decken, müssten sich alle Institutionen stärker um Personal bemühen, mahnten die Prüfer.
Nachholbedarf verzeichnet der Bericht auch beim gezielten Anwerben junger Absolventen, bei der Förderung begabter Mitarbeiter und beim Umgang mit schlechten Leistungen. Die Arbeitsbedingungen bei den EU-Institutionen entsprächen jedoch grundsätzlich “den Erwartungen moderner, im Ausland tätiger Arbeitskräfte”.
“Unsere Empfehlungen sollen den EU-Institutionen dabei helfen, ihr Personalmanagement zu verbessern, attraktivere Arbeitgeber zu werden und ihren Mitarbeitern bessere Karrierechancen zu bieten”, sagte Jorg Kristijan Petrovič vom Rechnungshof. Mehr als 50.000 Menschen arbeiten nach Angaben des EuRH für die EU. Größter Arbeitgeber ist demnach mit 30.000 Mitarbeitern die Kommission. dpa
Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wirtschafts-, klima- und außenpolitisch ist er aus auf maximale Konfrontation: Zu den voraussichtlichen Konfliktthemen gehören Zölle, Handelsüberschüsse, der Umgang mit China, die Unterstützung der Ukraine, fossile Energieträger und das europäische CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) – um nur ein paar Beispiele zu nennen. “Die EU nutzt uns aus”, sagt Trump. Oder: “Europa kauft unsere Autos nicht.”
Das Paradoxe: Trotz dieser Konflikte werden europäische Regierungen in den kommenden Jahren versuchen, näher an die USA zu rücken. Trump bringt Chaos – und im Chaos sucht man Sicherheit. Erkennbar ist das bereits in den Währungsmärkten, wo der US-Dollar in der Wahlnacht sprunghaft anstieg.
Die Gefahr ist groß, dass dies auf Kosten des europäischen Zusammenhalts geht. Trump wird versuchen, die EU-Institutionen zu schwächen. Sie stehen für genau jene regelbasierte, multilaterale Welt, die er abreißen möchte.
Aber auch die europäischen Regierungen werden versucht sein, hinter Brüssels Rücken mit Trump zu verhandeln. Polen und das Baltikum haben existenzielle Sicherheitssorgen, gegen die sie auf absehbare Zeit nur die USA verlässlich schützen können. Italien und Ungarn werden von Parteien geführt, die ideologisch nah an Trump stehen. Deutschland braucht Energie und Wachstum. Beides bekommen wir zur Zeit – wenn überhaupt – nur aus den USA.
Groß wird also die Versuchung sein, bilaterale Deals mit Präsident Trump zu schmieden; groß die Gefahr, dabei zerteilt und fremdbestimmt zu werden. Ein abstraktes Hoffen auf europäischen Zusammenhalt wird nicht ausreichen, um sich dagegenzustemmen. Um dieses Risiko abzuwenden, müssen wir die dunkle Schwerkraft anerkennen, die vom Weißen Haus in den nächsten vier Jahren ausgehen wird. Und dann innereuropäisch aushandeln, wie wir dieser Schwerkraft trotzen und unsere gemeinsamen Interessen priorisieren können.
Kern eines innereuropäischen Kuhhandels – und nichts anderes brauchen wir – könnte eine Abmachung im Weimarer Dreieck sein. Frankreich könnte einer marktwirtschaftlich orientierten Reform- und Vertiefungsagenda des Binnenmarktes zustimmen. Polen könnte sich bereit erklären, mehr auf europäische Rüstungskooperation zu setzen. Deutschland könnte Gelder in die Hand nehmen, um in europäische Sicherheit und Energieinfrastruktur zu investieren und damit die Netze seiner Anrainerstaaten zu entlasten und seine Handelsbilanz auszugleichen.
Die jeweiligen Konzessionen wären für sich genommen sinnvoll und in den je anderen Ländern populär. Sie gäben schwachen Regierungen einen Zweck und damit neues Leben.
Möchte Europa weiterhin mit der Welt handeln, so muss es unabhängiger von den Vereinigten Staaten werden. Dies erfordert, dass die Regierungen beherzt investieren, jede für sich und gemeinsam. Finanziell und politisch ist das möglich, wenn Deutschland seiner zentralen Rolle in Europa gerecht wird – und wenn die deutsche Fiskalpolitik bereit ist, sich dieser Aufgabe zu stellen. Erstarren wir götzenhaft vor der jetzigen Ausgestaltung der Schuldenbremse, so ist das Risiko groß, dass Trump Europa teilen wird. Unser Exportmodell wäre existenziell bedroht – die Tragfähigkeit unserer öffentlichen Finanzen auch.
Max Krahé ist politischer Theoretiker und Ökonom. Er forscht zu Ideengeschichte, Arbeitsteilung und der Beziehung zwischen Demokratie und Kapitalismus und ist Mitgründer und Forschungsdirektor des Dezernat Zukunft.