Table.Briefing: Europe

EU-Gipfel + Carbon Farming + Meta gegen „Fair Share“

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Diskussionen über das Verbrenner-Aus haben derzeit fast schon Seifenoper-Charakter. Wer hat hier bitte wem was versprochen? Oder doch nicht? Das hat gestern auch die EU-Staats- und Regierungschefs beschäftigt. Dabei stand das Thema gar nicht auf der Agenda des EU-Gipfels in Brüssel. Da ging es eigentlich um die Ukraine. Ihr wurden weitere Waffenlieferungen zugesagt. Nur: Die Staats- und Regierungschefs sind wichtige Details schuldig geblieben. Und es gibt noch viele weitere offene Fragen, analysieren Till Hoppe und Eric Bonse.

Braucht es einen Zertifikate-Handel, damit regenerative Landwirtschaft rentabel wird? Darum gibt es Streit: Während die einen das für notwendig halten, fürchten Kritiker, dass der Handel die Klimaziele gefährden könnte. Eine neue Studie leistet den kritischen Stimmen nun Vorschub. Sie attestiert: Es brauche die Zertifikate gar nicht, damit Carbon Farming Geld abwirft. Die Methode lohne sich für Landwirte auch so. Timo Landenberger hat mit einem der Autoren gesprochen.

Auch unser nächstes Thema ist, Sie ahnen es schon, ein echter Zankapfel. Es geht um “Fair Share”, die Idee von Thierry Breton, dass die großen Technologiekonzerne an den Kosten für den Ausbau der europäischen Mobilfunk- und Breitband-Netze beteiligt werden sollen. In der Causa hat sich jetzt von prominenter Stelle Kritik geregt. Mehr dazu erfahren Sie in unseren News.

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Alina Leimbach
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Analyse

EU-Gipfel: Diskussion um Verbrenner-Aus

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Brüssel auf der Forderung beharrt, die EU-Kommission solle im Streit um das Verbrenner-Aus einen Vorschlag vorlegen: Es gebe eine “von allen unterschriebene Vorstellung”, dass die Kommission vorschlage, wie auch nach 2035 mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge zugelassen werden könnten, sagte er. “Das ist schon Konsens.”

Anders als Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) pochte Scholz aber nicht darauf, dass die Kommission diesen Vorschlag vor der endgültigen Abstimmung über die Flottengrenzwerte vorlegt. Die Brüsseler Behörde pocht darauf, dies zu keinem Zeitpunkt in den Verhandlungen zugesagt zu haben. Die FDP knüpft ihre Zustimmung zum Trilog-Ergebnis aber an verbindliche Zusagen der Kommission. Wissing und Kommissionsvize Frans Timmermans verhandeln derzeit, wie dies geschehen kann, ohne das Verhandlungsergebnis zu den Flottengrenzwerten infrage zustellen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Abend, es gebe “den Willen auf beiden Seiten, dieses Thema zu lösen, und es im Rahmen der vorläufigen Einigung zwischen Rat und Parlament zu lösen“. Die Verhandlungen würden nun intensiviert. Sie sei “zuversichtlich, dass wir bald eine gute Lösung finden”.

Kritik und Unterstützung für Scholz

Im Kreis der Staats- und Regierungschefs gab es Kritik, aber auch Unterstützung für die deutsche Haltung. Am deutlichsten wurde der lettische Ministerpräsident Krišjānis Kariņš. Er sprach mit Blick auf das deutsche Vorgehen von einem “sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft”, und warnte: “Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun”. Der belgische Premierminister Alexander De Croo mahnte: “Wir haben uns für einen klaren Weg entschieden, um die CO₂-Emissionen von Autos auslaufen zu lassen. Dies ist nicht der Moment, um davon abzuweichen.”

Rückendeckung erhielt Scholz hingegen von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni: “Es gibt einige Technologien, bei denen Italien und Europa die Nase vorn haben”, sagte Meloni über die Automobilindustrie. “Uns an Technologien zu binden, bei denen das Ausland die Nase vorn hat, ist der Wettbewerbsfähigkeit unseres Systems nicht zuträglich.” Die Regierungschefs von Tschechien und der Slowakei, Petr Fiala und Eduard Heger, forderten, die Diskussion auf die geplante Schadstoffemissionsnorm Euro 7 auszuweiten.

Macron verzichtet auf Atomkraft-Debatte

Der Streit prägte die öffentlichen Auftritte der Gipfel-Teilnehmer, stand aber gar nicht auf der offiziellen Agenda. Im Saal wurde das Thema dem Vernehmen nach nur kurz in der Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der EU angesprochen. Die gesamte Debatte verlief dabei ohne große Streitereien. Frankreichs zu Hause unter Druck stehender Präsident Emmanuel Macron verzichtete laut EU-Diplomaten darauf, wie vorher angekündigt, eine strategische Debatte zur Bedeutung der Kernenergie anzuzetteln. Er habe lediglich angemahnt, der Grundsatz der Technologieoffenheit gelte auch für die Atomkraft.

Die Staats- und Regierungschefs nahmen die von ihren Mitarbeitern dazu vorbereiteten Schlussfolgerungen ebenso ohne Änderungen an wie jene zur Energiepolitik. Letztere Diskussion war eigentlich für Freitag vorgesehen, wurde wegen des ungewöhnlich geringen Diskussionsbedarfs aber vorgezogen. Der Ansatz der Kommission, zunächst nur eine vorsichtige Reform des Strommarktes anzugehen, sei von allen Teilnehmern akzeptiert worden, hieß es.

Die Strategie-Diskussion zur Handelspolitik verlief ebenfalls relativ wenig kontrovers. Macron betonte demnach erneut, dass die geplanten Handelsabkommen etwa mit den Mercosur-Staaten mit dem Klima- und Umweltschutz vereinbar sein müssten. Scholz hatte schon vor Beginn des Gipfels erklärt, die EU müsse “klar machen, dass wir ein fairer Partner sind“. Es sei auch im Sinne Europas, wenn etwa in Chile die Rohstoffe auch verarbeitet würden. “Das schafft für viele dieser Länder Wohlstand, aber gewährleistet gleichzeitig auch ein resilienteres und von weniger einzelnen Ländern abhängiges globales Wirtschaftssystem.”

Timmermans, Vestager und Dombrovskis für Bürokratieabbau verantwortlich

Ansonsten stellten sich die Staats- und Regierungschefs im Wesentlichen hinter die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Sie sprachen sich für ein ambitioniertes Handeln zur Vollendung des Binnenmarktes insbesondere für Daten und Dienstleistungen aus, wo der Nachholbedarf am größten ist. Zudem forderten sie die Fachminister und das Europaparlament auf, die geplanten Vorhaben zur Vertiefung der Kapitalmarktunion vor der Europawahl 2024 abzuschließen.

In den Schlussfolgerungen forderten die Gipfel-Teilnehmer zudem “competitiveness checks” für neue Gesetzesvorhaben, wie von der Leyen sie angekündigt hat. Auch der von der Kommissionspräsidentin versprochene Abbau der Berichtspflichten für Unternehmen um ein Viertel wird erwähnt. Von der Leyen hat ihre drei Stellvertreter Timmermans, Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis damit beauftragt, bis zum Herbst entbehrliche Bürokratievorgaben im EU-Recht zu identifizieren.

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Ukraine erhält weitere Unterstützung

Die Staats- und Regierungschefs haben wie erwartet die Lieferung von einer Million Artilleriegeschossen an die Ukraine beschlossen. Sie folgten damit einer Vorlage der Außen- und Verteidigungsminister vom Montag. Die Munition soll innerhalb von zwölf Monaten geliefert werden. In der Gipfelerklärung ist von Boden- und Artilleriemunition und, falls benötigt, auch von Raketen die Rede.

Die Staats- und Regierungschefs bleiben aber wichtige Details schuldig. So ist unklar, wann die ersten Lieferungen erfolgen sollen. Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnte zu Eile. Jede Verzögerung werde ernste Folgen für die Menschen vor Ort haben, sagte er nach Angaben von Gipfel-Teilnehmern in einer zehnminütigen Videoschalte. Die Lage vor Ort sei verheerend.

Neue Finanzierung aus dem EU-Budget

Der EU-Beschluss soll in einer “gemeinsamen Anstrengung” umgesetzt werden, heißt es in der Gipfelerklärung. Allerdings gibt es auch hier Unklarheiten bezüglich der Modalitäten. Während Deutschland auf nationale Beschaffungsverträge setzt, die für andere Mitgliedstaaten geöffnet werden können, zieht die Mehrheit eine gemeinsame Beschaffung über die Europäische Verteidigungsagentur vor. Der Gipfel hält beide Optionen offen.

Ungarn will sich an der Munitionsbeschaffung nicht beteiligen, sie aber auch nicht blockieren. Demgegenüber wollen die Slowakei und Polen auch Kampfflugzeuge vom sowjetischen Typ MiG-29 liefern. Eine gemeinsame Linie zu Kampfjets gibt es nicht.

Es sei eine souveräne Entscheidung der Mitgliedsstaaten, welche Waffen sie senden, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Zugleich kündigte sie einen Legislativvorschlag für die weitere Aufrüstung der Ukraine an. Er ziele darauf ab, Waffen und Munition künftig auch aus dem EU-Budget zu finanzieren. Bisher ist dies nicht möglich. Für die Artilleriemunition werden zwei Milliarden Euro aus der Friedensfazilität verwendet, die außerhalb des Gemeinschaftshaushalts eingerichtet wurde. 

Keine Senkung des Ölpreisdeckels

Bundeskanzler Scholz sagte der Ukraine dauerhafte Unterstützung zu. Deutschland will allerdings keine Kampfjets liefern. Auch Estland zeigte sich zögerlich. Die Ukrainer bräuchten im Moment vor allem Munition, sagte Ministerpräsidentin Kaja Kallas.

Kallas forderte die EU und die G7-Staaten auf, den Preisdeckel für russisches Öl weiter zu senken, um Moskau das Geld für den Krieg zu entziehen. Sie konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. In der Gipfelerklärung bekundet die EU lediglich ihre Bereitschaft, den Druck auf Russland zu erhöhen, einschließlich möglicher neuer Sanktionen. Die Arbeit am Preisdeckel werde fortgesetzt, hieß es.

UN-Generalsekretär mahnt Kooperation mit China an

Keine Erwähnung finden die Sanktionen gegen Belarus. Uno-Generalsekretär António Guterres hatte die EU aufgefordert, die Sanktionen gegen belarussische Düngerproduzenten zu lockern, um die weltweite Versorgung mit Getreide zu sichern. Dagegen gab es jedoch Widerstand, vor allem aus den baltischen Staaten. Man dürfe die “Dünger-Oligarchen” nicht belohnen, hieß es in Litauen.

Bei einem Arbeitsessen mit den Staats- und Regierungschefs mahnte Guterres zudem eine kooperative Haltung gegenüber China an. Guterres habe deutlich gemacht, dass Peking konstruktiv mit der EU zusammenarbeiten wolle, sagte ein EU-Beamter nach der Aussprache. Zudem habe er darauf hingewiesen, dass es aus seiner Sicht riskant sei, China international zu isolieren.

Sanchez trifft Xi

Darauf arbeiten aber die USA und einige EU-Staaten hin. Demgegenüber sprachen sich Luxemburg und Spanien für Gespräche mit Peking aus. US-Präsident Joe Biden solle mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping einen Friedensplan zur Ukraine aushandeln, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel. 

Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez will in der kommenden Woche bei einem China-Besuch mit Xi über den chinesischen Plan für ein Ende des Ukraine-Kriegs sprechen. Peking könne bei der Vermittlung zwischen Kiew und Moskau eine “sehr wichtige Rolle spielen”, hieß es in Madrid. Mit seinem Besuch will Sánchez auch die im Juli beginnende EU-Ratspräsidentschaft vorbereiten.

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Carbon Farming: Regenerative Landwirtschaft lohnt sich laut Studie

Der Weltklimarat (IPCC) hat es noch einmal deutlich gemacht: Um den Klimawandel aufzuhalten, wird auf lange Sicht kein Weg an Netto-Negativ-Emissionen vorbeiführen. Es muss also mehr CO₂ aus der Atmosphäre gefiltert und gespeichert als ausgestoßen werden. Wichtigste Senke an Land sind die Böden. Doch diese sind in einem schlechten Zustand, emittieren in Europa mehr, als sie speichern.

Lieblingslösung in Brüssel: Carbon Farming. Durch nachhaltigere und regenerative Anbaumethoden sollen die Böden widerstandsfähiger werden, wieder mehr Hummus aufbauen und Treibhausgase speichern. Doch die Umstellung ist aufwendig und teuer, entsprechend dreht sich alles um die Frage der Finanzierung.

Der Europäischen Kommission schwebt ein kontrollierter Zertifikate-Handel vor. Dafür hat die Behörde Ende vergangenen Jahres einen Rechtsrahmen vorgestellt, der nun hitzig diskutiert wird. Der Handel und das damit verbundene Offsetting von Emissionen aus anderen Sektoren könne dem Kampf gegen den Klimawandel einen Bärendienst erweisen und die Ziele gefährden, sagen Kritiker.

Studie: bis zu 60 Prozent mehr Gewinn

Eine Studie des Naturschutzbundes (Nabu) und der Boston Consulting Group zeigt jetzt: Regenerative Landwirtschaft lohnt sich auch ohne den Zertifikate-Handel. Eine Umstellung könne nach sechs bis zehn Jahren für einen durchschnittlichen Ackerbau-Betrieb zu einer Gewinnsteigerung um bis zu 60 Prozent führen, prognostizieren die Autoren. Der Zertifikate-Handel sei hierbei zwar mit 30 Euro pro Tonne CO₂ berücksichtigt, mache aber nur einen kleinen Teil aus, sagt Co-Autor und Nabu-Agrarexperte Simon Krämer.

Denn: Agrar- und Ernährungswirtschaft gehören zu den Hauptverursachern von Klima- und Biodiversitätskrise und sind gleichzeitig mit am stärksten davon betroffen. Gesunde Böden, ökologische Vielfalt, Wassermanagement und Klimaresilienz würden also immer mehr zu entscheidenden Produktionsfaktoren, heißt es in der Studie.

Und ebendiese würden durch die Anwendung regenerativer Anbaumethoden entscheidend gestärkt. Dazu gehört der weitgehende Verzicht auf die übliche Bodenbearbeitung, der Anbau von Unter- und Zwischensaaten, um für ausreichend Bodenbedeckung und Lebensräume zu sorgen sowie der regelmäßige Wechsel beim Anbau der Früchte.

Dadurch würden weniger schwere Traktoren benötigt und die Inputkosten für Energie, Pestizide und Düngemittel könnten gesenkt werden. Doch: Warum findet die regenerative Landwirtschaft dann bislang kaum Beachtung?

Einfluss der Agrarindustrie

Das läge hauptsächlich an den ökonomischen Interessen der Agrarindustrie, die ihren Einfluss in der Landwirtschaft geltend machen würde, sagt Krämer. “Allein auf das Umpflügen der Böden zu verzichten bedeutet 60 Prozent weniger Traktoren-Verkauf. Dazu kommt die Einsparung bei Pestiziden und Dünger.” Auch in der Ausbildung und in der Agrarwissenschaft sei die regenerative Landwirtschaft noch kaum ein Thema.

Außerdem sei die Umstellung sehr aufwendig, koste viel Zeit und Geld, sagt Aaron Scheid, Agrarexperte beim Ecologic Institute. “Wenn ein Landwirt beispielsweise anstatt einer Frucht künftig fünf verschiedene anbaut, dann braucht er dafür neue Abnehmer. Das geht nicht von heute auf morgen.” Allein deshalb würden viele trotz der perspektivischen Vorteile vor einer Umstellung zurückschrecken.

Entsprechend wichtig sei es, einen Weg zu finden, Ökosystemdienstleistungen stärker zu honorieren. Dabei dürfe jedoch keinesfalls nur auf die Speicherung von CO₂ abgezielt werden, so Scheid. Denn entscheidend sei, dass Carbon-Farming-Praktiken auch tatsächlich einen Vorteil für die biologische Vielfalt mitbringen.

Ansatz umdrehen: CO₂-Speicher als Co-Benefit

Der Ansatz müsse also umgedreht werden: Die Verbesserung der Biodiversität, der Bodengesundheit und der Gewässer müssten die zentralen Kriterien für eine Honorierung sein, welche eine höhere CO₂-Speicherung als Co-Benefit zur Folge hätten. Genau das müsse durch das Regelwerk der EU-Kommission sichergestellt werden, fordert Célia Nyssens vom Europäischen Umweltbüro.

Christian Holzleitner von der Generaldirektion Klima verteidigt den Kommissionsvorschlag. Dieser sei schließlich der erste Schritt von vielen. Sinn und Zweck sei es, dem bereits bestehenden Zertifikate-Handel einen Rechtsrahmen mit klaren Kriterien zu geben. “Das ist kein holistischer Ansatz, wir lösen damit nicht alle Probleme. Aber wir müssen auch noch erheblich mehr darüber lernen, wie Monitoring, Berichterstattung und Verifizierung funktionieren, um vorbereitet zu sein für das Ziel der Klimaneutralität.”

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EU-Monitoring

27.03.-28.03.2023
Sitzung des Ausschusses für Haushalt (BUDG)
Themen: Berichtsentwurf zur Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer, Entwurf einer Stellungnahme zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung, Entwurf einer Stellungnahme zur Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten. Vorläufige Tagesordnung

27.03.-28.03.2023
Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
Themen: Öffentliche Anhörung zum Thema Energiederivatemärkte (Herausforderungen für die Aufsicht in Bezug auf Marktintegrität und Risiken für die Finanzstabilität). Vorläufige Tagesordnung

27.03.-28.03.2023
Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE)
Themen: Berichtsentwurf zum Sachstand und zu den künftigen Herausforderungen in Bezug auf kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung, Entwurf einer Stellungnahme zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, Entwurf einer Stellungnahme zur EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien. Vorläufige Tagesordnung

27.03.-28.03.2023
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
Themen: Entwurf einer Stellungnahme zum europäischen Raum für Gesundheitsdaten, Berichtsentwurf zur Normungsstrategie für den Binnenmarkt, Entwurf einer Stellungnahme zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung. Vorläufige Tagesordnung

27.03.-28.03.2023
Sitzung des Ausschusses für Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie und Empfehlungen für die Zukunft (COVI)
Themen: Gedankenaustausch mit Stella Kyriakides (Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit), Meinungsaustausch mit Emer Cooke (Verwaltungsdirektorin der Europäischen Arzneimittelagentur), Covid-19-Pandemie (Erfahrungen und Empfehlungen für die Zukunft). Vorläufige Tagesordnung

27.03.2023
Trilog: Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR)
Themen: Eigentlich sollte der Trilog am Montag der Letzte werden, um die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität in Europa gleichmäßig auf- und auszubauen. Doch die Differenzen zwischen Parlament und der schwedischen Ratspräsidentschaft waren bei einer ganzen Reihe von Themen zuletzt noch so groß, dass sogar eine Verzögerung bis in die zweite Jahreshälfte im Raum stand. Die wichtigsten Knackpunkte im AFIR-Trilog erfahren Sie hier. In jedem Fall dürfte die Trilog-Runde am Montag kompliziert und langwierig für alle Beteiligten werden.

28.03.2023 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Verkehr, Telekommunikation und Energie
Themen: Allgemeine Ausrichtung der Verordnung über die Binnenmärkte für erneuerbare Gase und Erdgas sowie für Wasserstoff (Neufassung), Orientierungsaussprache zur Gestaltung des Strommarktes, politische Einigung zur Verordnung des Rates über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage, Informationen der Kommission zur Vorbereitung auf den Winter 2023/2024. Vorläufige Tagesordnung

28.03.2023 – 13:30-14:00 Uhr
Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) und des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)
Themen: Berichtsentwurf zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung, Berichtsentwurf zur Errichtung der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Vorläufige Tagesordnung

28.03.2023 – 15:00-18:45 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Steuerfragen (FISC)
Themen: Meinungsaustausch mit Dr. Achim Pross (Stellvertretender Direktor, OECD-Zentrum für Steuerpolitik und -verwaltung), öffentliche Anhörung zum Thema “Fallstudien zur nationalen Steuerpolitik der Mitgliedstaaten – Deutschland: Umgesetzte nationale Steuerreformen und die Bekämpfung aggressiver Steuersysteme”, Gedankenaustausch mit der Europäischen Generalstaatsanwältin Laura Kövesi (Europäische Staatsanwaltschaft EPPO) über die “Verbesserung der verfügbaren Instrumente zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs”. Vorläufige Tagesordnung

29.03.2023
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Vorschlag zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts, Überarbeitung der EU-Arzneimittelvorschriften (Rechtsvorschriften für Arzneimittel für Kinder und seltene Krankheiten, Empfehlung zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen). Vorläufige Tagesordnung

29.03.2023 – 15:00-20:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, fluorierte Gase, allgemeine Produktsicherheit
Themen: Aussprache zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 23./24.03., Aussprache zur Verordnung über fluorierte Gase und zu Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht führen, Aussprache zur Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit. Vorläufige Tagesordnung

29.03.2023 – 16:00 Uhr
Trilog: Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED)
Themen: Geplant ist der Trilog am Mittwoch als letzter zur RED. Allerdings ist nicht ganz ausgeschlossen, dass einzelne Punkte doch noch weiterverhandelt werden müssen. Verhandelt werden etwa noch das Ziel für erneuerbare Energien, die Zukunft der Bioenergie, schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbare, das Verkehrskapitel sowie Definition und Ziele für grünen Wasserstoff.

30.03.2023
EuGH-Schlussanträge zu Geldbußen gegen VW in Italien und in Deutschland
Themen: Volkswagen und die Volkswagen Group Italia beanstanden vor den italienischen Gerichten einen Bescheid der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde vom 4. August 2016, mit dem ihnen eine Geldbuße in Höhe von fünf Millionen Euro wegen Verstoßes gegen das italienische Verbrauchergesetzbuch auferlegt wurde. VW beruft sich im italienischen Gerichtsverfahren unter Hinweis auf einen im Juni 2018 rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig über eine Milliarde Euro auf das Verbot der Doppelbestrafung. Das erstinstanzliche Gericht war der Ansicht, dass die Geldbußen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen und wies die Klage von VW ab. Der von VW im Wege des Rechtsmittels angerufene italienische Staatsrat ersucht den Gerichtshof vor diesem Hintergrund um Präzisierung des unionsrechtlichen Verbots der Doppelbestrafung.

30.03.2023 – 09:00-13:00 Uhr
Plenarsitzung des EU-Parlaments: Gleiches Entgelt, gemeinsame Ermittlungsgruppen, europäisches Jahr der Kompetenzen
Themen: Aussprache zum gleichen Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit (Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen), Abstimmung zur Plattform für die Zusammenarbeit gemeinsamer Ermittlungsgruppen, Abstimmung zum europäischen Jahr der Kompetenzen 2023. Vorläufige Tagesordnung

30.03.2023 – 14:00-16:00 Uhr
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
Themen: Meinungsaustausch mit David O’Sullivan (internationaler Sonderbeauftragter für die Umsetzung von EU-Sanktionen) über die Auswirkungen des Verhaltens von Drittländern auf die Wirksamkeit der EU-Sanktionsregelungen gegen Russland. Vorläufige Tagesordnung

News

Nachhaltige Schiffskraftstoffe: Trilog-Kompromiss mit viel Zähneknirschen

In der Nacht zum Donnerstag haben sich die Verhandler aus EU-Parlament, Rat und Kommission auf einen Kompromiss für neue Kraftstoffnormen für Schiffe (FuelEU Maritime) geeinigt, um den maritimen Sektor zu dekarbonisieren. Schiffe mit einer Bruttoraumzahl über 5.000 müssen ihre Treibhausgasemissionen ab 2025 im Vergleich zum Jahr 2020 um zwei Prozent, ab 2030 um sechs Prozent, ab 2035 um 14,5 Prozent, ab 2040 um 31 Prozent, ab 2045 um 62 Prozent und ab 2050 um 80 Prozent senken. Fahrten, bei denen Start- oder Zielhafen außerhalb der EU liegen, sind nur zur Hälfte von den neuen Regeln betroffen.

Dass für 2050 nur eine Reduktion von 80 Prozent vorgesehen ist, bezeichnete Tiemo Wölken (SPD), Mitglied des Umweltausschusses im EU-Parlament, als enttäuschend. “Mehr war hier aber leider mit den Konservativen im Parlament und dem restriktiven Rat nicht zu erreichen.” Hier werde man bei zukünftigen Überarbeitungen noch mal Hand anlegen müssen, so Wölken.

Erfreulich sei dagegen, dass es zukünftig ein verbindliches Ziel für den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe geben wird. Die Einigung sieht vor, dass ab 2034 mindestens zwei Prozent erneuerbare Kraftstoffe verwendet werden müssen. “Das ist die zentrale Neuerung, die die Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs vorantreiben wird und hart erkämpft wurde.” Das Parlament hatte die Zwei-Prozent-Quote schon ab 2030 gefordert, Rat und Kommission wollten gar keine.

Kritik: Quote für erneuerbare Kraftstoffe “zu niedrig”

Jutta Paulus (Grüne), Schattenberichterstatterin des EU-Parlaments, sieht den Kompromiss als verpasste Chance, Europa führend bei der Forschung und Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe und Schiffsantriebe zu machen. Die niedrige Quote setze keine Anreize für zusätzliche Investitionen in zukunftsfähige synthetische Kraftstoffe. “Dennoch wurde heute Nacht ein Fortschritt gegenüber dem Status quo erreicht: das weltweit erste Gesetz für alternative Kraftstoffe in der internationalen Seeschifffahrt”, so Paulus.

Die E-Fuel Alliance, eine Interessengemeinschaft für synthetische Kraftstoffe, hält die Quote ebenfalls für zu niedrig. Denn sie gilt nur, wenn der Anteil von erneuerbarer Schiffskraftstoffe 2030 unter einem Prozent liegt. Zudem zählen auch kohlenstoffarme Kraftstoffe und Biokraftstoffe dazu. Diese “Verwässerung” der Unterquote sei eine Schwachstelle des Gesetzes, das die Wirksamkeit ausbremse.

Auch Carola Kantz, Expertin für synthetische Kraftstoffe beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), hält die Quote für “recht gering”. Sie sei jedoch ein Signal an den Markt, dass Wasserstoff und E-Fuels schnell gebraucht werden. “Deshalb ist es nötig, nun schnell Produktionskapazitäten aufzubauen”, fordert Kantz. Die Klimaschutzziele für die Schifffahrt seien nur mit alternativen Treibstoffen erreichbar.

Regelungen auch für Hafenlage

Die neuen Regeln für eine nachhaltigere Schifffahrt waren Teil des Fit-for-55-Pakets. Sie verpflichten Fracht- und Passagierschiffe, während sie in großen EU-Häfen liegen, ab 2035 ihren Energiebedarf vollständig durch Landstrom zu beziehen, damit kein fossiler Schiffstreibstoff verbrannt wird. 2035 gelten die Verpflichtungen auch für die Hafenlage in kleineren EU-Häfen.

2028 soll das Gesetz noch einmal überprüft werden hinsichtlich der Frage, ob auch kleinere Schiffe zu den THG-Reduktionszielen verpflichtet werden sollen.

Das Trilog-Ergebnis muss noch zunächst von den EU-Botschaftern der Mitgliedstaaten angenommen werden. Anschließend folgt die formale Annahme im Parlament und im Ministerrat. luk

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Meta-Manager wettern gegen “Fair Share”

Der Internet-Konzern Meta ist strikt gegen eine Beteiligung große Technologiekonzerne an den Kosten für den Ausbau der europäischen Mobilfunk- und Breitband-Netze. “Die Vorschläge für Netzentgelte beruhen auf falschen Prämissen”, schrieben zwei führende Manager der Facebook-Mutter in einem Blog-Beitrag. Zusätzliche Netzentgelte würden die finanziellen Probleme der Telekom-Konzerne nicht lösen. Meta habe mit seinen Beteiligungen an Transatlantikkabeln seinen Teil zu sinkenden Kosten für Datenverkehre beigetragen, kooperiere mit Telekommunikationsanbietern und miete Glasfaserstrecken in Europa.

Der europäische Telekommunnikations-Branchenverband ETNO verwies auf den erwarteten Anstieg des Datenvolumens und die damit verbundenen Kosten. “Der durchschnittliche Metaverse-Nutzer wird voraussichtlich bis zu 40 Mal mehr Daten verbrauchen als heute.” Der Facebook-Mutterkonzern Meta pumpt Milliarden in die Entwicklung virtueller 3D-Welten. ETNO bezifferte den Investitionsbedarf auf 174 Milliarden Euro. “Die großen Technologieunternehmen sollten ihren Teil dazu beitragen, da ihr Geschäft in hohem Maße vom Verkehr in den europäischen Netzen abhängt.”

Die Idee, die Anbieterseite für Nutzerverkehre zur Kasse zu bitten, ist auch innerhalb der EU-Kommission umstritten. Nachdem im vergangenen Jahr die ersten Äußerungen von Digitalkommissar Thierry Breton und Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager auf lauten Protest stießen, wurde das Vorhaben vom Gigabit Infrastructure Act abgetrennt und die Stakeholder zur Konsultation gebeten. Auf Basis der Konsultation soll dann weiter beraten werden, ob Technologiefirmen zur Übernahme eines Teils der Infrastruktur-Ausgaben in Höhe von rund 50 Milliarden Euro jährlich verpflichtet werden. rtr/fst

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Baerbock wirbt in Nordmazedonien für Fortsetzung der EU-Annäherung

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Regierung und Opposition in Nordmazedonien dazu aufgerufen, eine Verfassungsänderung zugunsten der bulgarischen Minderheit umzusetzen und so den EU-Beitrittsprozess voranzutreiben. Die Verfassungsänderung “darf nicht zu einem politischen Zankapfel werden im Wettbewerb um Beliebtheitswerte in Umfragen oder im Wettstreit darum, welche Partei am Ende bei den Wahlen die Nase vorn haben könnte”, sagte Baerbock am Donnerstag nach einem Treffen mit ihrem nordmazedonischen Kollegen Bujar Osmani in der Hauptstadt Skopje. In Nordmazedonien soll turnusgemäß 2024 neu gewählt werden.

Osmani versicherte, die Regierung wolle die Änderungen umsetzen. Es gebe keine Alternative zu einer weiteren Annäherung an die EU. Die Verfassungsänderung, die das Nachbarland und EU-Mitglied Bulgarien gefordert hat, ist Voraussetzung für die Eröffnung erster Verhandlungskapitel mit der EU. Die Republik Nordmazedonien mit ihren rund 1,8 Millionen Einwohnern soll die etwa 3.000 Menschen starke bulgarische Minderheit in der Verfassung anerkennen. Nordmazedonien ist seit 2005 Beitrittskandidat.

Baerbock verspricht Hilfe beim EU-Beitritt

Die von der Sozialdemokratischen Union (SDSM) geführte Regierung in Skopje steht unter massivem innenpolitischem Druck. Die Verfassungsänderung ist im Land umstritten und unpopulär. Für die notwendige Zweidrittelmehrheit sind Stimmen der Opposition notwendig. Die größte Oppositionspartei VMRO-DPMNE lehnt die Änderung ab und verlangt vorgezogene Neuwahlen.

Angesichts von russischen und chinesischen Einflussversuchen auf dem Westbalkan versprach Baerbock Unterstützung beim EU-Beitrittsprozess: “Gerade in diesen Zeiten, wo andere Akteure versuchen, hitzige Diskussionen in Ländern zu instrumentalisieren und zu spalten, möchte ich an dieser Stelle sagen: Ihr habt mein Wort, wir werden euch nicht im Regen stehen lassen.” Es müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit der Prozess rasch weitergehe. dpa

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Presseschau

EU-Gipfel: Starke Mahnungen von Guterres DW
Munitionspaket für Ukraine beschlossen – Russland weitere Sanktionen angedroht DEUTSCHLANDFUNK
Streit um Verbrenner-Aus: EU-Kommission widerspricht Scholz und Wissing TAGESSPIEGEL
EU-Sanktionen gegen Belarus zeigen Risse in der EU FAZ
EU: Bis 2050 sollen Schiffe 80 Prozent weniger CO2 ausstoßen STERN
“Ihr habt mein Wort” – EU: Baerbock will Nordmazedonien unterstützen ZDF
Papst ruft EU zu mehr Einsatz für Frieden auf VATICANNEWS
Migration: Giorgia Meloni orientiert sich um – die EU sollte mitziehen WELT
Organisationen kritisieren “geleakte” Dokumente über Zusatzvereinbarung zum EU-Mercosur-Vertrag DEUTSCHLANDFUNK
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EU-Kommission will “klimaneutrale” Lebensmittel unter die Lupe nehmen EURACTIV
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EU-Bericht: Fast die Hälfte der importierten Honigproben gefälscht WEB
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Heads

Bernd Weber – klimaneutral durch Marktdynamik

Bernd Weber ist Gründer und Geschäftsführer des Think-Tanks Epico Klimainnovation. (Foto: privat)

Braucht es wirklich noch einen weiteren Thinktank, der sich mit Klima- und Energiepolitik beschäftigt? Diese Frage stellt sich Bernd Weber zu Beginn unseres Gesprächs selbst – und bejaht sie natürlich. “Epico schließt eine Lücke, die ich während meiner beruflichen Laufbahn im vorpolitischen Raum beobachten konnte: ein Thinktank, der eine klimaneutrale Zukunft erreichen will und dabei undogmatisch auf die Dynamik von Markt und Innovationen setzt.

Der Gründer von Epico Klimainnovation kennt den Politikbetrieb. Nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der Promotion über Alternativen zu russischem Gas an den Universitäten Sciences Po in Paris und Oxford ging der heute 38-Jährige zum Wirtschaftsrat. Weber stieg schnell auf. Als Leiter des Bereichs Industrie, Energie und Umwelt erkannte er zum ersten Mal die Möglichkeiten, Klimapolitik gekoppelt an die Marktwirtschaft zu denken. “Diesen holistischen Zugang halte ich heute immer noch für wichtig”, sagt Weber.

Wohlstand und Wachstum nicht ausklammern

Bei Epico versucht er, diesen Ansatz weiterzuverfolgen. “Ich bin überzeugt, dass wir unser Ziel der Klimaneutralität nur erreichen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten und nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen.” Und das ginge nur, wenn das Zusammenspiel der Kräfte des Marktes genutzt und kluge Rahmenbedingungen dafür errichtet werden, glaubt Weber. Dabei stoßen er und sein Team immer wieder auf Barrieren, beobachtet Weber: “In vielen Debatten stecken wir fest in ideologischen Schützengräben.”

Der Pragmatismus, den es laut Epico-Gründer Weber braucht, benötigt Kompromisse. “Sollten wir nur grünen Wasserstoff nutzen oder geht auch blauer Wasserstoff?” – an dieser Frage halte sich die Gesellschaft zu lange auf, findet Weber. “Natürlich brauchen wir erst mal so viel Wasserstoff wie möglich, aber wir müssen auch sicherstellen, dass wir nach einer Übergangszeit den hohen Bedarf nur mit grünem Wasserstoff komplett decken können.” In der Politik werde viel zu oft nur der erste Schritt gedacht und vergessen, den zweiten zu planen.

Digitalisierung und Klimaschutz zusammenbringen

Ein Thema treibt Weber bis heute um: “Wir haben zwei Megatrends: Digitalisierung und Klimaschutz. Aber die beiden werden selten zusammen gedacht.” Webers Vorstellung einer ökologischen Zukunft funktioniert nicht ohne verknüpfte Systeme: “Mein Energiesystem der Zukunft ist ein stark digitalisiertes und sehr flexibles.” Mit Algorithmen und Aggregatoren sei es möglich, auf der Produktions- und Verbraucherseite viele Einheiten zu synchronisieren, Speicher einzubeziehen – und Verbrauchern mehr Transparenz zu verschaffen. “Wie gut wäre es denn zu wissen, wie viel CO₂ in einem Produkt drinsteckt und mich dann als Unternehmen oder Haushalt auf dieser Grundlage zu entscheiden.”

Forderungen nach Verzicht lösen laut Weber nicht das Problem. “Ich glaube nicht, dass wir mit einem Degrowth-Ansatz die Klimaneutralität erreichen werden”, sagt er. “Wir brauchen weiterhin Wirtschaftswachstum, allein schon, um Akzeptanz bei der Bevölkerung sicherzustellen.” Klimaschutz könne man nicht auf dem Rücken des Einzelnen austragen. Sicher, jeder solle sich bei den alltäglichen Entscheidungen immer wieder für klimafreundliche Produkte entscheiden – “aber ohne eine nachhaltige Industrie, entsprechende Politik und notwendige Transparenz geben wir den Menschen nicht den Rahmen, in dem sie sich überhaupt nachhaltig entscheiden können.Svenja Schlicht

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Diskussionen über das Verbrenner-Aus haben derzeit fast schon Seifenoper-Charakter. Wer hat hier bitte wem was versprochen? Oder doch nicht? Das hat gestern auch die EU-Staats- und Regierungschefs beschäftigt. Dabei stand das Thema gar nicht auf der Agenda des EU-Gipfels in Brüssel. Da ging es eigentlich um die Ukraine. Ihr wurden weitere Waffenlieferungen zugesagt. Nur: Die Staats- und Regierungschefs sind wichtige Details schuldig geblieben. Und es gibt noch viele weitere offene Fragen, analysieren Till Hoppe und Eric Bonse.

    Braucht es einen Zertifikate-Handel, damit regenerative Landwirtschaft rentabel wird? Darum gibt es Streit: Während die einen das für notwendig halten, fürchten Kritiker, dass der Handel die Klimaziele gefährden könnte. Eine neue Studie leistet den kritischen Stimmen nun Vorschub. Sie attestiert: Es brauche die Zertifikate gar nicht, damit Carbon Farming Geld abwirft. Die Methode lohne sich für Landwirte auch so. Timo Landenberger hat mit einem der Autoren gesprochen.

    Auch unser nächstes Thema ist, Sie ahnen es schon, ein echter Zankapfel. Es geht um “Fair Share”, die Idee von Thierry Breton, dass die großen Technologiekonzerne an den Kosten für den Ausbau der europäischen Mobilfunk- und Breitband-Netze beteiligt werden sollen. In der Causa hat sich jetzt von prominenter Stelle Kritik geregt. Mehr dazu erfahren Sie in unseren News.

    Ihre
    Alina Leimbach
    Bild von Alina  Leimbach

    Analyse

    EU-Gipfel: Diskussion um Verbrenner-Aus

    Bundeskanzler Olaf Scholz hat in Brüssel auf der Forderung beharrt, die EU-Kommission solle im Streit um das Verbrenner-Aus einen Vorschlag vorlegen: Es gebe eine “von allen unterschriebene Vorstellung”, dass die Kommission vorschlage, wie auch nach 2035 mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge zugelassen werden könnten, sagte er. “Das ist schon Konsens.”

    Anders als Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) pochte Scholz aber nicht darauf, dass die Kommission diesen Vorschlag vor der endgültigen Abstimmung über die Flottengrenzwerte vorlegt. Die Brüsseler Behörde pocht darauf, dies zu keinem Zeitpunkt in den Verhandlungen zugesagt zu haben. Die FDP knüpft ihre Zustimmung zum Trilog-Ergebnis aber an verbindliche Zusagen der Kommission. Wissing und Kommissionsvize Frans Timmermans verhandeln derzeit, wie dies geschehen kann, ohne das Verhandlungsergebnis zu den Flottengrenzwerten infrage zustellen.

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Abend, es gebe “den Willen auf beiden Seiten, dieses Thema zu lösen, und es im Rahmen der vorläufigen Einigung zwischen Rat und Parlament zu lösen“. Die Verhandlungen würden nun intensiviert. Sie sei “zuversichtlich, dass wir bald eine gute Lösung finden”.

    Kritik und Unterstützung für Scholz

    Im Kreis der Staats- und Regierungschefs gab es Kritik, aber auch Unterstützung für die deutsche Haltung. Am deutlichsten wurde der lettische Ministerpräsident Krišjānis Kariņš. Er sprach mit Blick auf das deutsche Vorgehen von einem “sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft”, und warnte: “Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun”. Der belgische Premierminister Alexander De Croo mahnte: “Wir haben uns für einen klaren Weg entschieden, um die CO₂-Emissionen von Autos auslaufen zu lassen. Dies ist nicht der Moment, um davon abzuweichen.”

    Rückendeckung erhielt Scholz hingegen von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni: “Es gibt einige Technologien, bei denen Italien und Europa die Nase vorn haben”, sagte Meloni über die Automobilindustrie. “Uns an Technologien zu binden, bei denen das Ausland die Nase vorn hat, ist der Wettbewerbsfähigkeit unseres Systems nicht zuträglich.” Die Regierungschefs von Tschechien und der Slowakei, Petr Fiala und Eduard Heger, forderten, die Diskussion auf die geplante Schadstoffemissionsnorm Euro 7 auszuweiten.

    Macron verzichtet auf Atomkraft-Debatte

    Der Streit prägte die öffentlichen Auftritte der Gipfel-Teilnehmer, stand aber gar nicht auf der offiziellen Agenda. Im Saal wurde das Thema dem Vernehmen nach nur kurz in der Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit der EU angesprochen. Die gesamte Debatte verlief dabei ohne große Streitereien. Frankreichs zu Hause unter Druck stehender Präsident Emmanuel Macron verzichtete laut EU-Diplomaten darauf, wie vorher angekündigt, eine strategische Debatte zur Bedeutung der Kernenergie anzuzetteln. Er habe lediglich angemahnt, der Grundsatz der Technologieoffenheit gelte auch für die Atomkraft.

    Die Staats- und Regierungschefs nahmen die von ihren Mitarbeitern dazu vorbereiteten Schlussfolgerungen ebenso ohne Änderungen an wie jene zur Energiepolitik. Letztere Diskussion war eigentlich für Freitag vorgesehen, wurde wegen des ungewöhnlich geringen Diskussionsbedarfs aber vorgezogen. Der Ansatz der Kommission, zunächst nur eine vorsichtige Reform des Strommarktes anzugehen, sei von allen Teilnehmern akzeptiert worden, hieß es.

    Die Strategie-Diskussion zur Handelspolitik verlief ebenfalls relativ wenig kontrovers. Macron betonte demnach erneut, dass die geplanten Handelsabkommen etwa mit den Mercosur-Staaten mit dem Klima- und Umweltschutz vereinbar sein müssten. Scholz hatte schon vor Beginn des Gipfels erklärt, die EU müsse “klar machen, dass wir ein fairer Partner sind“. Es sei auch im Sinne Europas, wenn etwa in Chile die Rohstoffe auch verarbeitet würden. “Das schafft für viele dieser Länder Wohlstand, aber gewährleistet gleichzeitig auch ein resilienteres und von weniger einzelnen Ländern abhängiges globales Wirtschaftssystem.”

    Timmermans, Vestager und Dombrovskis für Bürokratieabbau verantwortlich

    Ansonsten stellten sich die Staats- und Regierungschefs im Wesentlichen hinter die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Sie sprachen sich für ein ambitioniertes Handeln zur Vollendung des Binnenmarktes insbesondere für Daten und Dienstleistungen aus, wo der Nachholbedarf am größten ist. Zudem forderten sie die Fachminister und das Europaparlament auf, die geplanten Vorhaben zur Vertiefung der Kapitalmarktunion vor der Europawahl 2024 abzuschließen.

    In den Schlussfolgerungen forderten die Gipfel-Teilnehmer zudem “competitiveness checks” für neue Gesetzesvorhaben, wie von der Leyen sie angekündigt hat. Auch der von der Kommissionspräsidentin versprochene Abbau der Berichtspflichten für Unternehmen um ein Viertel wird erwähnt. Von der Leyen hat ihre drei Stellvertreter Timmermans, Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis damit beauftragt, bis zum Herbst entbehrliche Bürokratievorgaben im EU-Recht zu identifizieren.

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    Ukraine erhält weitere Unterstützung

    Die Staats- und Regierungschefs haben wie erwartet die Lieferung von einer Million Artilleriegeschossen an die Ukraine beschlossen. Sie folgten damit einer Vorlage der Außen- und Verteidigungsminister vom Montag. Die Munition soll innerhalb von zwölf Monaten geliefert werden. In der Gipfelerklärung ist von Boden- und Artilleriemunition und, falls benötigt, auch von Raketen die Rede.

    Die Staats- und Regierungschefs bleiben aber wichtige Details schuldig. So ist unklar, wann die ersten Lieferungen erfolgen sollen. Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnte zu Eile. Jede Verzögerung werde ernste Folgen für die Menschen vor Ort haben, sagte er nach Angaben von Gipfel-Teilnehmern in einer zehnminütigen Videoschalte. Die Lage vor Ort sei verheerend.

    Neue Finanzierung aus dem EU-Budget

    Der EU-Beschluss soll in einer “gemeinsamen Anstrengung” umgesetzt werden, heißt es in der Gipfelerklärung. Allerdings gibt es auch hier Unklarheiten bezüglich der Modalitäten. Während Deutschland auf nationale Beschaffungsverträge setzt, die für andere Mitgliedstaaten geöffnet werden können, zieht die Mehrheit eine gemeinsame Beschaffung über die Europäische Verteidigungsagentur vor. Der Gipfel hält beide Optionen offen.

    Ungarn will sich an der Munitionsbeschaffung nicht beteiligen, sie aber auch nicht blockieren. Demgegenüber wollen die Slowakei und Polen auch Kampfflugzeuge vom sowjetischen Typ MiG-29 liefern. Eine gemeinsame Linie zu Kampfjets gibt es nicht.

    Es sei eine souveräne Entscheidung der Mitgliedsstaaten, welche Waffen sie senden, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Zugleich kündigte sie einen Legislativvorschlag für die weitere Aufrüstung der Ukraine an. Er ziele darauf ab, Waffen und Munition künftig auch aus dem EU-Budget zu finanzieren. Bisher ist dies nicht möglich. Für die Artilleriemunition werden zwei Milliarden Euro aus der Friedensfazilität verwendet, die außerhalb des Gemeinschaftshaushalts eingerichtet wurde. 

    Keine Senkung des Ölpreisdeckels

    Bundeskanzler Scholz sagte der Ukraine dauerhafte Unterstützung zu. Deutschland will allerdings keine Kampfjets liefern. Auch Estland zeigte sich zögerlich. Die Ukrainer bräuchten im Moment vor allem Munition, sagte Ministerpräsidentin Kaja Kallas.

    Kallas forderte die EU und die G7-Staaten auf, den Preisdeckel für russisches Öl weiter zu senken, um Moskau das Geld für den Krieg zu entziehen. Sie konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. In der Gipfelerklärung bekundet die EU lediglich ihre Bereitschaft, den Druck auf Russland zu erhöhen, einschließlich möglicher neuer Sanktionen. Die Arbeit am Preisdeckel werde fortgesetzt, hieß es.

    UN-Generalsekretär mahnt Kooperation mit China an

    Keine Erwähnung finden die Sanktionen gegen Belarus. Uno-Generalsekretär António Guterres hatte die EU aufgefordert, die Sanktionen gegen belarussische Düngerproduzenten zu lockern, um die weltweite Versorgung mit Getreide zu sichern. Dagegen gab es jedoch Widerstand, vor allem aus den baltischen Staaten. Man dürfe die “Dünger-Oligarchen” nicht belohnen, hieß es in Litauen.

    Bei einem Arbeitsessen mit den Staats- und Regierungschefs mahnte Guterres zudem eine kooperative Haltung gegenüber China an. Guterres habe deutlich gemacht, dass Peking konstruktiv mit der EU zusammenarbeiten wolle, sagte ein EU-Beamter nach der Aussprache. Zudem habe er darauf hingewiesen, dass es aus seiner Sicht riskant sei, China international zu isolieren.

    Sanchez trifft Xi

    Darauf arbeiten aber die USA und einige EU-Staaten hin. Demgegenüber sprachen sich Luxemburg und Spanien für Gespräche mit Peking aus. US-Präsident Joe Biden solle mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping einen Friedensplan zur Ukraine aushandeln, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel. 

    Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez will in der kommenden Woche bei einem China-Besuch mit Xi über den chinesischen Plan für ein Ende des Ukraine-Kriegs sprechen. Peking könne bei der Vermittlung zwischen Kiew und Moskau eine “sehr wichtige Rolle spielen”, hieß es in Madrid. Mit seinem Besuch will Sánchez auch die im Juli beginnende EU-Ratspräsidentschaft vorbereiten.

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    Carbon Farming: Regenerative Landwirtschaft lohnt sich laut Studie

    Der Weltklimarat (IPCC) hat es noch einmal deutlich gemacht: Um den Klimawandel aufzuhalten, wird auf lange Sicht kein Weg an Netto-Negativ-Emissionen vorbeiführen. Es muss also mehr CO₂ aus der Atmosphäre gefiltert und gespeichert als ausgestoßen werden. Wichtigste Senke an Land sind die Böden. Doch diese sind in einem schlechten Zustand, emittieren in Europa mehr, als sie speichern.

    Lieblingslösung in Brüssel: Carbon Farming. Durch nachhaltigere und regenerative Anbaumethoden sollen die Böden widerstandsfähiger werden, wieder mehr Hummus aufbauen und Treibhausgase speichern. Doch die Umstellung ist aufwendig und teuer, entsprechend dreht sich alles um die Frage der Finanzierung.

    Der Europäischen Kommission schwebt ein kontrollierter Zertifikate-Handel vor. Dafür hat die Behörde Ende vergangenen Jahres einen Rechtsrahmen vorgestellt, der nun hitzig diskutiert wird. Der Handel und das damit verbundene Offsetting von Emissionen aus anderen Sektoren könne dem Kampf gegen den Klimawandel einen Bärendienst erweisen und die Ziele gefährden, sagen Kritiker.

    Studie: bis zu 60 Prozent mehr Gewinn

    Eine Studie des Naturschutzbundes (Nabu) und der Boston Consulting Group zeigt jetzt: Regenerative Landwirtschaft lohnt sich auch ohne den Zertifikate-Handel. Eine Umstellung könne nach sechs bis zehn Jahren für einen durchschnittlichen Ackerbau-Betrieb zu einer Gewinnsteigerung um bis zu 60 Prozent führen, prognostizieren die Autoren. Der Zertifikate-Handel sei hierbei zwar mit 30 Euro pro Tonne CO₂ berücksichtigt, mache aber nur einen kleinen Teil aus, sagt Co-Autor und Nabu-Agrarexperte Simon Krämer.

    Denn: Agrar- und Ernährungswirtschaft gehören zu den Hauptverursachern von Klima- und Biodiversitätskrise und sind gleichzeitig mit am stärksten davon betroffen. Gesunde Böden, ökologische Vielfalt, Wassermanagement und Klimaresilienz würden also immer mehr zu entscheidenden Produktionsfaktoren, heißt es in der Studie.

    Und ebendiese würden durch die Anwendung regenerativer Anbaumethoden entscheidend gestärkt. Dazu gehört der weitgehende Verzicht auf die übliche Bodenbearbeitung, der Anbau von Unter- und Zwischensaaten, um für ausreichend Bodenbedeckung und Lebensräume zu sorgen sowie der regelmäßige Wechsel beim Anbau der Früchte.

    Dadurch würden weniger schwere Traktoren benötigt und die Inputkosten für Energie, Pestizide und Düngemittel könnten gesenkt werden. Doch: Warum findet die regenerative Landwirtschaft dann bislang kaum Beachtung?

    Einfluss der Agrarindustrie

    Das läge hauptsächlich an den ökonomischen Interessen der Agrarindustrie, die ihren Einfluss in der Landwirtschaft geltend machen würde, sagt Krämer. “Allein auf das Umpflügen der Böden zu verzichten bedeutet 60 Prozent weniger Traktoren-Verkauf. Dazu kommt die Einsparung bei Pestiziden und Dünger.” Auch in der Ausbildung und in der Agrarwissenschaft sei die regenerative Landwirtschaft noch kaum ein Thema.

    Außerdem sei die Umstellung sehr aufwendig, koste viel Zeit und Geld, sagt Aaron Scheid, Agrarexperte beim Ecologic Institute. “Wenn ein Landwirt beispielsweise anstatt einer Frucht künftig fünf verschiedene anbaut, dann braucht er dafür neue Abnehmer. Das geht nicht von heute auf morgen.” Allein deshalb würden viele trotz der perspektivischen Vorteile vor einer Umstellung zurückschrecken.

    Entsprechend wichtig sei es, einen Weg zu finden, Ökosystemdienstleistungen stärker zu honorieren. Dabei dürfe jedoch keinesfalls nur auf die Speicherung von CO₂ abgezielt werden, so Scheid. Denn entscheidend sei, dass Carbon-Farming-Praktiken auch tatsächlich einen Vorteil für die biologische Vielfalt mitbringen.

    Ansatz umdrehen: CO₂-Speicher als Co-Benefit

    Der Ansatz müsse also umgedreht werden: Die Verbesserung der Biodiversität, der Bodengesundheit und der Gewässer müssten die zentralen Kriterien für eine Honorierung sein, welche eine höhere CO₂-Speicherung als Co-Benefit zur Folge hätten. Genau das müsse durch das Regelwerk der EU-Kommission sichergestellt werden, fordert Célia Nyssens vom Europäischen Umweltbüro.

    Christian Holzleitner von der Generaldirektion Klima verteidigt den Kommissionsvorschlag. Dieser sei schließlich der erste Schritt von vielen. Sinn und Zweck sei es, dem bereits bestehenden Zertifikate-Handel einen Rechtsrahmen mit klaren Kriterien zu geben. “Das ist kein holistischer Ansatz, wir lösen damit nicht alle Probleme. Aber wir müssen auch noch erheblich mehr darüber lernen, wie Monitoring, Berichterstattung und Verifizierung funktionieren, um vorbereitet zu sein für das Ziel der Klimaneutralität.”

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    EU-Monitoring

    27.03.-28.03.2023
    Sitzung des Ausschusses für Haushalt (BUDG)
    Themen: Berichtsentwurf zur Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung zugunsten entlassener Arbeitnehmer, Entwurf einer Stellungnahme zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung, Entwurf einer Stellungnahme zur Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten. Vorläufige Tagesordnung

    27.03.-28.03.2023
    Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
    Themen: Öffentliche Anhörung zum Thema Energiederivatemärkte (Herausforderungen für die Aufsicht in Bezug auf Marktintegrität und Risiken für die Finanzstabilität). Vorläufige Tagesordnung

    27.03.-28.03.2023
    Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE)
    Themen: Berichtsentwurf zum Sachstand und zu den künftigen Herausforderungen in Bezug auf kritische Technologien für Sicherheit und Verteidigung, Entwurf einer Stellungnahme zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, Entwurf einer Stellungnahme zur EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien. Vorläufige Tagesordnung

    27.03.-28.03.2023
    Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
    Themen: Entwurf einer Stellungnahme zum europäischen Raum für Gesundheitsdaten, Berichtsentwurf zur Normungsstrategie für den Binnenmarkt, Entwurf einer Stellungnahme zur Einrichtung des Instruments zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch gemeinsame Beschaffung. Vorläufige Tagesordnung

    27.03.-28.03.2023
    Sitzung des Ausschusses für Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie und Empfehlungen für die Zukunft (COVI)
    Themen: Gedankenaustausch mit Stella Kyriakides (Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit), Meinungsaustausch mit Emer Cooke (Verwaltungsdirektorin der Europäischen Arzneimittelagentur), Covid-19-Pandemie (Erfahrungen und Empfehlungen für die Zukunft). Vorläufige Tagesordnung

    27.03.2023
    Trilog: Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR)
    Themen: Eigentlich sollte der Trilog am Montag der Letzte werden, um die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität in Europa gleichmäßig auf- und auszubauen. Doch die Differenzen zwischen Parlament und der schwedischen Ratspräsidentschaft waren bei einer ganzen Reihe von Themen zuletzt noch so groß, dass sogar eine Verzögerung bis in die zweite Jahreshälfte im Raum stand. Die wichtigsten Knackpunkte im AFIR-Trilog erfahren Sie hier. In jedem Fall dürfte die Trilog-Runde am Montag kompliziert und langwierig für alle Beteiligten werden.

    28.03.2023 – 10:00 Uhr
    Rat der EU: Verkehr, Telekommunikation und Energie
    Themen: Allgemeine Ausrichtung der Verordnung über die Binnenmärkte für erneuerbare Gase und Erdgas sowie für Wasserstoff (Neufassung), Orientierungsaussprache zur Gestaltung des Strommarktes, politische Einigung zur Verordnung des Rates über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage, Informationen der Kommission zur Vorbereitung auf den Winter 2023/2024. Vorläufige Tagesordnung

    28.03.2023 – 13:30-14:00 Uhr
    Gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) und des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)
    Themen: Berichtsentwurf zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung, Berichtsentwurf zur Errichtung der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Vorläufige Tagesordnung

    28.03.2023 – 15:00-18:45 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Steuerfragen (FISC)
    Themen: Meinungsaustausch mit Dr. Achim Pross (Stellvertretender Direktor, OECD-Zentrum für Steuerpolitik und -verwaltung), öffentliche Anhörung zum Thema “Fallstudien zur nationalen Steuerpolitik der Mitgliedstaaten – Deutschland: Umgesetzte nationale Steuerreformen und die Bekämpfung aggressiver Steuersysteme”, Gedankenaustausch mit der Europäischen Generalstaatsanwältin Laura Kövesi (Europäische Staatsanwaltschaft EPPO) über die “Verbesserung der verfügbaren Instrumente zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs”. Vorläufige Tagesordnung

    29.03.2023
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: Vorschlag zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts, Überarbeitung der EU-Arzneimittelvorschriften (Rechtsvorschriften für Arzneimittel für Kinder und seltene Krankheiten, Empfehlung zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen). Vorläufige Tagesordnung

    29.03.2023 – 15:00-20:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Europäischer Rat, fluorierte Gase, allgemeine Produktsicherheit
    Themen: Aussprache zu den Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 23./24.03., Aussprache zur Verordnung über fluorierte Gase und zu Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht führen, Aussprache zur Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit. Vorläufige Tagesordnung

    29.03.2023 – 16:00 Uhr
    Trilog: Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED)
    Themen: Geplant ist der Trilog am Mittwoch als letzter zur RED. Allerdings ist nicht ganz ausgeschlossen, dass einzelne Punkte doch noch weiterverhandelt werden müssen. Verhandelt werden etwa noch das Ziel für erneuerbare Energien, die Zukunft der Bioenergie, schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbare, das Verkehrskapitel sowie Definition und Ziele für grünen Wasserstoff.

    30.03.2023
    EuGH-Schlussanträge zu Geldbußen gegen VW in Italien und in Deutschland
    Themen: Volkswagen und die Volkswagen Group Italia beanstanden vor den italienischen Gerichten einen Bescheid der italienischen Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde vom 4. August 2016, mit dem ihnen eine Geldbuße in Höhe von fünf Millionen Euro wegen Verstoßes gegen das italienische Verbrauchergesetzbuch auferlegt wurde. VW beruft sich im italienischen Gerichtsverfahren unter Hinweis auf einen im Juni 2018 rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig über eine Milliarde Euro auf das Verbot der Doppelbestrafung. Das erstinstanzliche Gericht war der Ansicht, dass die Geldbußen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen und wies die Klage von VW ab. Der von VW im Wege des Rechtsmittels angerufene italienische Staatsrat ersucht den Gerichtshof vor diesem Hintergrund um Präzisierung des unionsrechtlichen Verbots der Doppelbestrafung.

    30.03.2023 – 09:00-13:00 Uhr
    Plenarsitzung des EU-Parlaments: Gleiches Entgelt, gemeinsame Ermittlungsgruppen, europäisches Jahr der Kompetenzen
    Themen: Aussprache zum gleichen Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit (Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen), Abstimmung zur Plattform für die Zusammenarbeit gemeinsamer Ermittlungsgruppen, Abstimmung zum europäischen Jahr der Kompetenzen 2023. Vorläufige Tagesordnung

    30.03.2023 – 14:00-16:00 Uhr
    Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
    Themen: Meinungsaustausch mit David O’Sullivan (internationaler Sonderbeauftragter für die Umsetzung von EU-Sanktionen) über die Auswirkungen des Verhaltens von Drittländern auf die Wirksamkeit der EU-Sanktionsregelungen gegen Russland. Vorläufige Tagesordnung

    News

    Nachhaltige Schiffskraftstoffe: Trilog-Kompromiss mit viel Zähneknirschen

    In der Nacht zum Donnerstag haben sich die Verhandler aus EU-Parlament, Rat und Kommission auf einen Kompromiss für neue Kraftstoffnormen für Schiffe (FuelEU Maritime) geeinigt, um den maritimen Sektor zu dekarbonisieren. Schiffe mit einer Bruttoraumzahl über 5.000 müssen ihre Treibhausgasemissionen ab 2025 im Vergleich zum Jahr 2020 um zwei Prozent, ab 2030 um sechs Prozent, ab 2035 um 14,5 Prozent, ab 2040 um 31 Prozent, ab 2045 um 62 Prozent und ab 2050 um 80 Prozent senken. Fahrten, bei denen Start- oder Zielhafen außerhalb der EU liegen, sind nur zur Hälfte von den neuen Regeln betroffen.

    Dass für 2050 nur eine Reduktion von 80 Prozent vorgesehen ist, bezeichnete Tiemo Wölken (SPD), Mitglied des Umweltausschusses im EU-Parlament, als enttäuschend. “Mehr war hier aber leider mit den Konservativen im Parlament und dem restriktiven Rat nicht zu erreichen.” Hier werde man bei zukünftigen Überarbeitungen noch mal Hand anlegen müssen, so Wölken.

    Erfreulich sei dagegen, dass es zukünftig ein verbindliches Ziel für den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe geben wird. Die Einigung sieht vor, dass ab 2034 mindestens zwei Prozent erneuerbare Kraftstoffe verwendet werden müssen. “Das ist die zentrale Neuerung, die die Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs vorantreiben wird und hart erkämpft wurde.” Das Parlament hatte die Zwei-Prozent-Quote schon ab 2030 gefordert, Rat und Kommission wollten gar keine.

    Kritik: Quote für erneuerbare Kraftstoffe “zu niedrig”

    Jutta Paulus (Grüne), Schattenberichterstatterin des EU-Parlaments, sieht den Kompromiss als verpasste Chance, Europa führend bei der Forschung und Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe und Schiffsantriebe zu machen. Die niedrige Quote setze keine Anreize für zusätzliche Investitionen in zukunftsfähige synthetische Kraftstoffe. “Dennoch wurde heute Nacht ein Fortschritt gegenüber dem Status quo erreicht: das weltweit erste Gesetz für alternative Kraftstoffe in der internationalen Seeschifffahrt”, so Paulus.

    Die E-Fuel Alliance, eine Interessengemeinschaft für synthetische Kraftstoffe, hält die Quote ebenfalls für zu niedrig. Denn sie gilt nur, wenn der Anteil von erneuerbarer Schiffskraftstoffe 2030 unter einem Prozent liegt. Zudem zählen auch kohlenstoffarme Kraftstoffe und Biokraftstoffe dazu. Diese “Verwässerung” der Unterquote sei eine Schwachstelle des Gesetzes, das die Wirksamkeit ausbremse.

    Auch Carola Kantz, Expertin für synthetische Kraftstoffe beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), hält die Quote für “recht gering”. Sie sei jedoch ein Signal an den Markt, dass Wasserstoff und E-Fuels schnell gebraucht werden. “Deshalb ist es nötig, nun schnell Produktionskapazitäten aufzubauen”, fordert Kantz. Die Klimaschutzziele für die Schifffahrt seien nur mit alternativen Treibstoffen erreichbar.

    Regelungen auch für Hafenlage

    Die neuen Regeln für eine nachhaltigere Schifffahrt waren Teil des Fit-for-55-Pakets. Sie verpflichten Fracht- und Passagierschiffe, während sie in großen EU-Häfen liegen, ab 2035 ihren Energiebedarf vollständig durch Landstrom zu beziehen, damit kein fossiler Schiffstreibstoff verbrannt wird. 2035 gelten die Verpflichtungen auch für die Hafenlage in kleineren EU-Häfen.

    2028 soll das Gesetz noch einmal überprüft werden hinsichtlich der Frage, ob auch kleinere Schiffe zu den THG-Reduktionszielen verpflichtet werden sollen.

    Das Trilog-Ergebnis muss noch zunächst von den EU-Botschaftern der Mitgliedstaaten angenommen werden. Anschließend folgt die formale Annahme im Parlament und im Ministerrat. luk

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    Meta-Manager wettern gegen “Fair Share”

    Der Internet-Konzern Meta ist strikt gegen eine Beteiligung große Technologiekonzerne an den Kosten für den Ausbau der europäischen Mobilfunk- und Breitband-Netze. “Die Vorschläge für Netzentgelte beruhen auf falschen Prämissen”, schrieben zwei führende Manager der Facebook-Mutter in einem Blog-Beitrag. Zusätzliche Netzentgelte würden die finanziellen Probleme der Telekom-Konzerne nicht lösen. Meta habe mit seinen Beteiligungen an Transatlantikkabeln seinen Teil zu sinkenden Kosten für Datenverkehre beigetragen, kooperiere mit Telekommunikationsanbietern und miete Glasfaserstrecken in Europa.

    Der europäische Telekommunnikations-Branchenverband ETNO verwies auf den erwarteten Anstieg des Datenvolumens und die damit verbundenen Kosten. “Der durchschnittliche Metaverse-Nutzer wird voraussichtlich bis zu 40 Mal mehr Daten verbrauchen als heute.” Der Facebook-Mutterkonzern Meta pumpt Milliarden in die Entwicklung virtueller 3D-Welten. ETNO bezifferte den Investitionsbedarf auf 174 Milliarden Euro. “Die großen Technologieunternehmen sollten ihren Teil dazu beitragen, da ihr Geschäft in hohem Maße vom Verkehr in den europäischen Netzen abhängt.”

    Die Idee, die Anbieterseite für Nutzerverkehre zur Kasse zu bitten, ist auch innerhalb der EU-Kommission umstritten. Nachdem im vergangenen Jahr die ersten Äußerungen von Digitalkommissar Thierry Breton und Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager auf lauten Protest stießen, wurde das Vorhaben vom Gigabit Infrastructure Act abgetrennt und die Stakeholder zur Konsultation gebeten. Auf Basis der Konsultation soll dann weiter beraten werden, ob Technologiefirmen zur Übernahme eines Teils der Infrastruktur-Ausgaben in Höhe von rund 50 Milliarden Euro jährlich verpflichtet werden. rtr/fst

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    Baerbock wirbt in Nordmazedonien für Fortsetzung der EU-Annäherung

    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat Regierung und Opposition in Nordmazedonien dazu aufgerufen, eine Verfassungsänderung zugunsten der bulgarischen Minderheit umzusetzen und so den EU-Beitrittsprozess voranzutreiben. Die Verfassungsänderung “darf nicht zu einem politischen Zankapfel werden im Wettbewerb um Beliebtheitswerte in Umfragen oder im Wettstreit darum, welche Partei am Ende bei den Wahlen die Nase vorn haben könnte”, sagte Baerbock am Donnerstag nach einem Treffen mit ihrem nordmazedonischen Kollegen Bujar Osmani in der Hauptstadt Skopje. In Nordmazedonien soll turnusgemäß 2024 neu gewählt werden.

    Osmani versicherte, die Regierung wolle die Änderungen umsetzen. Es gebe keine Alternative zu einer weiteren Annäherung an die EU. Die Verfassungsänderung, die das Nachbarland und EU-Mitglied Bulgarien gefordert hat, ist Voraussetzung für die Eröffnung erster Verhandlungskapitel mit der EU. Die Republik Nordmazedonien mit ihren rund 1,8 Millionen Einwohnern soll die etwa 3.000 Menschen starke bulgarische Minderheit in der Verfassung anerkennen. Nordmazedonien ist seit 2005 Beitrittskandidat.

    Baerbock verspricht Hilfe beim EU-Beitritt

    Die von der Sozialdemokratischen Union (SDSM) geführte Regierung in Skopje steht unter massivem innenpolitischem Druck. Die Verfassungsänderung ist im Land umstritten und unpopulär. Für die notwendige Zweidrittelmehrheit sind Stimmen der Opposition notwendig. Die größte Oppositionspartei VMRO-DPMNE lehnt die Änderung ab und verlangt vorgezogene Neuwahlen.

    Angesichts von russischen und chinesischen Einflussversuchen auf dem Westbalkan versprach Baerbock Unterstützung beim EU-Beitrittsprozess: “Gerade in diesen Zeiten, wo andere Akteure versuchen, hitzige Diskussionen in Ländern zu instrumentalisieren und zu spalten, möchte ich an dieser Stelle sagen: Ihr habt mein Wort, wir werden euch nicht im Regen stehen lassen.” Es müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit der Prozess rasch weitergehe. dpa

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    Presseschau

    EU-Gipfel: Starke Mahnungen von Guterres DW
    Munitionspaket für Ukraine beschlossen – Russland weitere Sanktionen angedroht DEUTSCHLANDFUNK
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    Bernd Weber – klimaneutral durch Marktdynamik

    Bernd Weber ist Gründer und Geschäftsführer des Think-Tanks Epico Klimainnovation. (Foto: privat)

    Braucht es wirklich noch einen weiteren Thinktank, der sich mit Klima- und Energiepolitik beschäftigt? Diese Frage stellt sich Bernd Weber zu Beginn unseres Gesprächs selbst – und bejaht sie natürlich. “Epico schließt eine Lücke, die ich während meiner beruflichen Laufbahn im vorpolitischen Raum beobachten konnte: ein Thinktank, der eine klimaneutrale Zukunft erreichen will und dabei undogmatisch auf die Dynamik von Markt und Innovationen setzt.

    Der Gründer von Epico Klimainnovation kennt den Politikbetrieb. Nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und der Promotion über Alternativen zu russischem Gas an den Universitäten Sciences Po in Paris und Oxford ging der heute 38-Jährige zum Wirtschaftsrat. Weber stieg schnell auf. Als Leiter des Bereichs Industrie, Energie und Umwelt erkannte er zum ersten Mal die Möglichkeiten, Klimapolitik gekoppelt an die Marktwirtschaft zu denken. “Diesen holistischen Zugang halte ich heute immer noch für wichtig”, sagt Weber.

    Wohlstand und Wachstum nicht ausklammern

    Bei Epico versucht er, diesen Ansatz weiterzuverfolgen. “Ich bin überzeugt, dass wir unser Ziel der Klimaneutralität nur erreichen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten und nachhaltiges Wirtschaftswachstum schaffen.” Und das ginge nur, wenn das Zusammenspiel der Kräfte des Marktes genutzt und kluge Rahmenbedingungen dafür errichtet werden, glaubt Weber. Dabei stoßen er und sein Team immer wieder auf Barrieren, beobachtet Weber: “In vielen Debatten stecken wir fest in ideologischen Schützengräben.”

    Der Pragmatismus, den es laut Epico-Gründer Weber braucht, benötigt Kompromisse. “Sollten wir nur grünen Wasserstoff nutzen oder geht auch blauer Wasserstoff?” – an dieser Frage halte sich die Gesellschaft zu lange auf, findet Weber. “Natürlich brauchen wir erst mal so viel Wasserstoff wie möglich, aber wir müssen auch sicherstellen, dass wir nach einer Übergangszeit den hohen Bedarf nur mit grünem Wasserstoff komplett decken können.” In der Politik werde viel zu oft nur der erste Schritt gedacht und vergessen, den zweiten zu planen.

    Digitalisierung und Klimaschutz zusammenbringen

    Ein Thema treibt Weber bis heute um: “Wir haben zwei Megatrends: Digitalisierung und Klimaschutz. Aber die beiden werden selten zusammen gedacht.” Webers Vorstellung einer ökologischen Zukunft funktioniert nicht ohne verknüpfte Systeme: “Mein Energiesystem der Zukunft ist ein stark digitalisiertes und sehr flexibles.” Mit Algorithmen und Aggregatoren sei es möglich, auf der Produktions- und Verbraucherseite viele Einheiten zu synchronisieren, Speicher einzubeziehen – und Verbrauchern mehr Transparenz zu verschaffen. “Wie gut wäre es denn zu wissen, wie viel CO₂ in einem Produkt drinsteckt und mich dann als Unternehmen oder Haushalt auf dieser Grundlage zu entscheiden.”

    Forderungen nach Verzicht lösen laut Weber nicht das Problem. “Ich glaube nicht, dass wir mit einem Degrowth-Ansatz die Klimaneutralität erreichen werden”, sagt er. “Wir brauchen weiterhin Wirtschaftswachstum, allein schon, um Akzeptanz bei der Bevölkerung sicherzustellen.” Klimaschutz könne man nicht auf dem Rücken des Einzelnen austragen. Sicher, jeder solle sich bei den alltäglichen Entscheidungen immer wieder für klimafreundliche Produkte entscheiden – “aber ohne eine nachhaltige Industrie, entsprechende Politik und notwendige Transparenz geben wir den Menschen nicht den Rahmen, in dem sie sich überhaupt nachhaltig entscheiden können.Svenja Schlicht

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