wenn die EU-Kommission heute die Fortschrittsberichte mit den Empfehlungen formell beschließt, dann sollte der Fokus eigentlich ganz auf der Ukraine liegen. Doch gerungen wurde gestern bis zuletzt auf einem Nebenschauplatz. Die Kabinettschefs der 27 EU-Kommissarinnen und Kommissare konnten sich auch am Dienstag nicht einigen, ob Bosnien-Herzegowina nun ebenfalls grünes Licht für den Start von Beitrittsverhandlungen bekommen soll.
In der Ukraine ist der Überraschungseffekt nach dem Besuch von Ursula von der Leyen am Wochenende in Kiew allerdings längst verpufft. Dort hatte sie die Bemühungen der Ukraine für den EU-Beitritt ausdrücklich gelobt. Wie erwartet, wird die EU-Kommission empfehlen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu starten. Kiew habe zwar nicht alle sieben Bedingungen vollumfänglich abgearbeitet. Insbesondere bei der Korruptionsbekämpfung, der Justizreform und den Minderheitenrechten gebe es noch Defizite. Die Ukraine soll hier aber noch nachliefern können, bevor es im März dann losgehen kann, heißt es.
Die Empfehlung entspreche einem “Ja, aber”, sagen Diplomaten. Das sei ein Zugeständnis an die Mitgliedstaaten, die beim Dezembergipfel zustimmen müssen, bevor es tatsächlich losgehen kann. Im Schlepptau der Ukraine bekommt auch Moldau eine positive Empfehlung und kann also auf einen Start der Beitrittsverhandlungen im Frühjahr hoffen.
Immer noch im Rückstand, aber immerhin ein Feld vorrücken kann Georgien, das den Status als Beitrittskandidat bekommen soll. Die Entscheidung war lange umstritten, da die prorussische Regierung in Tiflis wenig Reformanstrengungen zeigt. Das positive Signal nimmt aber Rücksicht auf die stark proeuropäische Stimmung in der Bevölkerung, die nicht entmutigt werden soll.
Deutlich gemischter ist das Bild bei den Berichten zu den Balkanstaaten, wo es teilweise mehr Rückschritte als Fortschritte gibt und sich die Blockade im Dialog zwischen Serbien und Kosovo negativ niederschlägt. Die Entscheidung zu Bosnien und Herzegowina soll heute im Kollegium getroffen werden. Wäre der Beitrittsprozess rein “merit based”, wie immer betont wird, wäre der Fall klar. Doch die Erweiterungspolitik ist heute auch Geopolitik. Unter anderem Kroatien, Slowenien, Österreich und Italien sollen über ihre Kommissare darauf drängen, das fragmentierte Bosnien-Herzegowina nicht in einem gefährlichen Vakuum zurückzulassen.
Die EU-Finanzminister nehmen am Donnerstag in Brüssel einen erneuten Anlauf, um sich auf die geplanten neuen Schuldenregeln zu einigen. Grundlage für die Gespräche der Minister ist ein überarbeitetes Dokument der spanischen Ratspräsidentschaft, das für die vier “Landungszonen” potenzielle Linien zur Verständigung skizziert und Table.Media vorliegt.
Laut dem Dokument sollen für alle Mitgliedstaaten mehrjährige länderspezifische Haushalte erstellt werden, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Diese sollen so ausgerichtet sein, dass sie über die Periode hinweg eine solide Budgetpolitik und einen glaubwürdigen Schuldenabbau gewährleisten. Darauf pocht vor allem der deutsche Finanzminister Christian Lindner. Dazu schlägt die spanische Präsidentschaft eine Reihe von flankierenden Schutzmaßnahmen vor, darunter zur Schuldentragfähigkeit, zum Mindestschuldenabbau und zum Schutz der Defizitresilienz.
Mit Blick auf eine nachhaltige Tragfähigkeit des Haushalts heißt es in dem Dokument, für Mitgliedstaaten mit einem Defizit von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sei die Konsolidierung mit einer jährlichen strukturellen Primäranpassung von mindestens 0,5 Prozentpunkten des BIP sicherzustellen. Dies halte so lange vor, bis das übermäßige Defizit korrigiert sei und gelte unbeschadet der Bestimmungen der Verordnung über die korrektive Komponente des neuen Fiskalregelwerks.
Mit Blick auf den Mindestschuldenabbau schlägt Madrid vor, solange ein Staat eine Schuldenquote von mehr als 60 Prozent des BIP aufweise, müsse die Haushaltsplanung sicherstellen, dass die Schuldenquote bis zum Ende des Anpassungszeitraums rückläufig ist. Der Abbau der Verschuldung soll dabei über einen jährliche, noch zu definierende Mindestvorgabe in Prozentpunkten des BIP erreicht werden.
Außerdem regt Spanien eine grundsätzliche Sicherheitsmarge für eine solide Haushaltspolitik an, um in der Neuverschuldung einen ausreichenden Abstand zum Grenzwert von drei Prozent des BIP zu gewährleisten. Diese Marge solle für sämtliche Staaten gelten, unabhängig vom Schuldenstand, und damit auch für Länder, die ihre Verschuldung glaubhaft zurückführen oder beim Defizit vorsichtig agieren. Beobachtern zufolge dürfte dies aber nicht jedem Mitgliedsstaat passen, da die Sicherheitsmarge, je nach Umfang, den budgetären Handlungsspielraum massiv einschränken kann.
Mit Blick auf den fiskalischen Spielraum für Investitionen und Reformanreize übernimmt der Vorsitz den Ansatz der Kommission, den mittelfristigen Haushaltsplan von vier auf sieben Jahre strecken zu können. “Reformen und Investitionen, die Wachstum und Resilienz stärken, spielen eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der langfristigen Schuldentragfähigkeit und tragen gleichzeitig den strategischen Prioritäten der EU Rechnung”, heißt es. Zudem geht Madrid explizit auf höhere Verteidigungsausgaben ein. Bei der Einleitung von Defizitverfahren soll ein Anstieg der staatlichen Verteidigungsinvestitionen “ausdrücklich als spezifischer, relevanter Faktor” berücksichtigt werden.
Um das institutionelle Gleichgewicht abzusichern, schlägt Spanien neben erhöhter Transparenz auch die Einrichtung einer speziellen Arbeitsgruppe zur Methodik der Schuldentragfähigkeitsanalyse (DSA) vor. Dieser sollen nationale Sachverständige sowie Vertreter der Kommission, der EZB und des Europäischen Fiskalausschusses angehören. Startschuss für die Arbeitsgruppe soll der DSA-Ansatz der Kommission sein. Die Arbeitsgruppe soll aber mögliche methodische Verbesserungen für spätere Pläne prüfen, einschließlich der zugrunde liegenden Annahmen, und gegebenenfalls Vorschläge unterbreiten.
Außerdem soll der Europäische Fiskalausschuss als ständiges Gremium in der Verordnung über die präventive Komponente verankert werden. Darüber hinaus will Madrid die Unabhängigkeit und den Zugang zu Informationen des Ausschusses stärken.
Keine Änderung gibt es bei der Einleitung von Defizitverfahren. Überschreitet die Neuverschuldung eines Landes die Grenze von drei Prozent des BIP, muss der Korrekturpfad der Nettoausgaben eine jährliche strukturelle Primäranpassung von mindestens 0,5 Prozentpunkten des BIP aufweisen. Die Brüsseler Kommission hatte sich zudem für die Einleitung von Verfahren aufgrund überhöhter Verschuldung starkgemacht. Diese Defizitverfahren sollen jetzt an den neuen Rahmen angepasst werden.
Diplomaten machten im Vorfeld der Ecofin-Tagung deutlich, es sei zuletzt Dynamik in die Verhandlungen gekommen. Man müsse sicherlich die Ausführungen auf dem Ecofin abwarten, aber eine Annäherung der Positionen sei nicht ausgeschlossen, sodass die Ratspräsidentschaft mit den Arbeiten zum Gesetzesentwurf starten könne. Für Deutschland sei besonders wichtig, dass Spanien die Sicherheitsmarge beim Defizit für eine glaubwürdige und nachhaltig solide Haushaltspolitik in das Dokument aufgenommen habe. Mitarbeit: Till Hoppe
Die Einigung kam schneller als erwartet – nach nur vierstündigen Verhandlungen im Trilog-Verfahren. Doch rechte Freude wollte am Dienstag im Europaparlament nicht aufkommen. Denn die nun vereinbarten neuen Regeln für politische Werbung im Internet werden nicht mehr rechtzeitig vor der Europawahl in Kraft treten.
Damit wird ein zentrales Ziel der 2021 von der EU-Kommission vorgelegten Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung verfehlt. Sie sollte die Wahl gegen Manipulationen und äußere Einmischung absichern und Missbrauch wie bei Cambridge Analytica verhindern helfen. Daraus wird nun nichts.
Wenn Parlament und Rat die Einigung wie erwartet billigen, wird die neue Verordnung wohl erst 2025 greifen – 18 Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt. Schneller könnten sich die nationalen Behörden nicht auf die neuen Regeln einstellen, hieß es im Rat. “Eine große Enttäuschung”, beklagen viele im Parlament.
Worauf hat man sich nun geeinigt? Politische Werbung im Internet muss künftig als solche gekennzeichnet werden. Zudem muss transparent gemacht werden, wer sie finanziert hat. Außerdem soll es eine europäische Datenbank geben, in der alle Online-Werbungen erfasst werden. Dies wertet das Europaparlament als großen Erfolg.
Akteure aus Drittstaaten dürfen vor Wahlen oder Referenden keine politische Werbung mehr schalten oder finanzieren. Dafür wurde eine Frist von drei Monaten gesetzt. Damit werde es schwieriger für ausländische Akteure, Falschinformationen in Europa zu verbreiten und in demokratische Prozesse einzugreifen, erklärte der Berichterstatter im Europaparlament, Sandro Gozi (Renew).
Viel Streit gab es über das Targeting – also die Frage, wie genau Werbung auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten werden darf. Hier konnten sich die Mitgliedstaaten durchsetzen. Die EU hält am Einwilligungsprinzip fest. Die User müssen also weiter ihre Zustimmung geben, wenn ihr Daten von politischen Anbietern erfasst werden sollen.
Allerdings werden einige Verbesserungen eingeführt. So wird es ein Verbot für Targeting auf sensible Daten wie sexuelle Orientierung, Gesundheit oder Religion geben. Dieses Verbot soll für alle Akteure in der Lieferkette gelten, und nicht nur für Plattformen wie im DSA.
Daten von Drittanbietern dürfen künftig nicht mehr für politisches Targeting genutzt werden. Wer keine gezielte Werbung von Parteien oder andern politischen Akteuren sehen möchte, muss einfach nur die sogenannte Do-Not-Track-Funktion im Browser einschalten – das reicht. Eine gesonderte Ablehnung ist nicht mehr nötig.
Doch was versteht die EU unter politischer Werbung? Auch darüber gab es lange Diskussionen zwischen den Institutionen. Nach der nun vorliegenden Einigung geht es um alle kommerziellen Botschaften im Auftrag politischer Akteure, die das Wahlverhalten auf kommunaler, nationaler oder europäischer Ebene beeinflussen sollen.
Nicht betroffen sind hingegen politische Meinungen und persönliche Ansichten, wie sie in Online-Foren geäußert werden. Auch journalistische Arbeiten, in denen etwa eine Kandidatur für ein Wahlamt angekündigt wird, sollen nicht als politische Werbung gelten – sofern sie nicht von politischen Akteuren gesponsert werden.
Trotz dieser Klarstellungen bleiben aus Sicht der Industrie noch offene Fragen, die die Umsetzung verzögern könnten. So sei unklar, wie die Regeln zum Targeting implementiert werden könnten, warnt Claudia Canelles Quaroni von der Computer & Communications Industry Association (CCIA).
“Es ist von entscheidender Bedeutung, für ausreichende Klarheit zu sorgen, damit die Herausgeber politischer Werbung die neuen EU-Vorschriften für Werbung ordnungsgemäß umsetzen können, ohne die Meinungsfreiheit bei Wahlen zu beeinträchtigen”, sagte Quaroni. Über die technischen Details müsse in den kommenden Wochen noch einmal geredet werden.
Zufrieden zeigt sich die EU-Kommission. Die neue Verordnung werde die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, “Botschaften zu erkennen, mit denen ihre politischen Ansichten und Entscheidungen beeinflusst werden sollen“, erklärte die Brüsseler Behörde. Auf das Problem, dass das neue EU-Gesetz zu spät für die Europawahl kommt, ging sie nicht ein.
Für den Europaabgeordneten René Repasi von der SPD ist dies ein großer “Wermutstropfen”. Das wichtige Verbot von ausländischer Einmischung werde im Juni 2024 nicht kommen. Die Maßnahmen zur diskriminierungsfreien Bereitstellung grenzüberschreitender politischer Werbung (auch für europäische politische Parteien und Fraktionen) würden hingegen bereits greifen, sagte Repasi.
Seine Kollegin Alexandra Geese von den Grünen blickt bereits auf die nächste Bundestagswahl. “Für die nächste Bundestagswahl werden Wählerinnen und Wähler besser vor Manipulation geschützt sein, denn dann dürfen sensible Daten wie sexuelle Orientierung, Religion oder politische Einstellung nicht mehr genutzt werden, um zielgerichtete politische Werbung auszusenden”, sagte sie Table.Media.
Allerdings gingen die Einschränkungen beim Targeting nicht weit genug, erklärte Geese. So werde es auch künftig möglich sein, dass die gleiche Partei widersprüchliche Werbebotschaften wie “Vorfahrt für Verbrenner” an Männer in ländlichen Regionen und “Wir machen Klimaschutz” an junge Frauen in Großstädten ausspielt. Dennoch sei die neue Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung.
Der portugiesische Regierungschef António Costa ist überraschend wegen Korruptionsermittlungen der Justiz gegen ihn und andere Regierungsmitglieder zurückgetreten. Costa sagte am Dienstag in einer kurzen Erklärung, Präsident Marcelo Rebelo de Sousa habe sein Rücktrittsgesuch angenommen. “Nach meinem Verständnis ist die Position des Regierungschefs nicht mit einem Verdacht auf Integrität oder gutes Benehmen und schon gar nicht mit dem Verdacht, eine Straftat begangen zu haben, vereinbar“, sagte der 62-Jährige. Er sei am Morgen von der Nachricht “überrascht” worden, dass sich die Ermittlungen auch gegen ihn richteten. Er betonte zugleich seine Unschuld. “Ich schließe diese Phase mit gutem Gewissen ab”, sagte der Sozialist.
Die portugiesische Polizei hatte am Morgen mehr als 40 Wohnungen und Büros, darunter auch die Residenz Costas, durchsucht. Medienberichten zufolge wurden fünf Personen festgenommen, darunter Costas Kabinettschef Vítor Escaría. Es gehe um den Verdacht illegaler Praktiken wie Bestechlichkeit und Vorteilsnahme bei der Vergabe von Konzessionen zum Lithiumabbau in Montalegre sowie der Produktion sogenannten Grünen Wasserstoffs bei der Stadt Sines, berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Lusa und der staatliche TV-Sender RTP.
Mit dem Rücktritt Costas wird eine knapp achtjährige Erfolgsstory jäh unterbrochen. Erst im Januar vorigen Jahres hatte Costa mit seiner Sozialistischen Partei (PS) eine absolute Mehrheit im Lissabonner Nationalparlament, der Assembleia da República, errungen. Zuletzt war der Sozialist als möglicher Kandidat für den Posten des Präsidenten des Europäischen Rates für die Zeit nach der Europawahl gehandelt worden.
Viele Wähler schreiben es Costas Politik zu, dass die Wirtschaft in Portugal überdurchschnittlich stark nach der Euro-Krise wuchs. Auch sank unter ihm die Arbeitslosenrate rapide, sie lag zuletzt bei nur gut sechs Prozent. Den monatlichen Mindestlohn erhöhte Costas Regierung von 505 auf aktuell 820 Euro. Costa schaffte dabei den Spagat, soziale Verantwortung zu zeigen und gleichzeitig auch die einst maroden Staatsfinanzen zu konsolidieren. Allein zwischen 2020 und 2022 wurde die relative Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von cirka 135 auf knapp 114 Prozent reduziert.
Rebelo de Sousa kann nun einen Interimsregierungschef ernennen, das Parlament auflösen. Dann muss es eine Neuwahl geben. Deren Ausgang war zunächst schwer vorherzusagen. Bis Dienstagmorgen galt Costa Umfragen zufolge als Favorit bei der nächsten regulären Parlamentswahl, die erst für 2026 erwartet worden war. dpa
Mit großer Mehrheit hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments am Dienstag eine Resolution mit den Forderungen der Abgeordneten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Monats (COP28) angenommen. Darin plädieren sie für ein Ende der direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene “so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 2025” umzusetzen. Auch die Mitgliedstaaten wollen sich in Dubai für ein Ende der Subventionen für Fossile einsetzen, legten jedoch in ihrem Verhandlungsmandat keine Jahreszahl fest.
Die Umwelt- und Klimapolitiker der EU fordern zudem, dass der Fonds für Verluste und Schäden (Loss and Damage) in Dubai einsatzbereit gemacht wird, indem alle großen Emittenten, einschließlich der EU-Länder, Gelder für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder bereitstellen. Darüber hinaus unterstützt sie ein globales Ziel für die Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 und fordern einen “greifbaren Ausstieg aus fossilen Brennstoffen so bald wie möglich”.
An den internationalen Klimaverhandlungen auf der COP28 nimmt eine Delegation aus Europaabgeordneten als Beobachter teil. Verhandelt wird jedoch im Kreise der Staaten, weshalb die Position des Parlaments lediglich den Charakter eines Appelles hat. In Dubai wollen die MEPs jedoch erstmals auch an den täglichen Koordinierungstreffen der EU-Länder teilnehmen, in denen verhandlungsstrategische Entscheidungen während der COP getroffen werden. Die Resolution muss im Novemberplenum (20. bis 23. November) noch bestätigt werden. luk
Gütertransporte, bei denen der Lkw nur einen kleinen Teil der Strecke bewältigt, Schiff und Zug den Rest, sollen künftig stärker gefördert werden. Dies sieht der Gesetzgebungsvorschlag der Kommission für den intermodalen Verkehr vor. Dieser intermodale Verkehr – auch kombinierter Verkehr genannt – soll effizienter und wettbewerbsfähiger werden. Die Kommission schlägt vor, dass der kombinierte Verkehr gefördert wird, wenn die negativen externen Kosten des Straßenverkehrs um mindestens 40 Prozent gesenkt werden. Negative externe Kosten sind etwa Geräusch- und Umweltemissionen.
Die Anbieter müssen auf digitalen Plattformen, die im Rahmen der Verordnung über elektronische Informationen für den Güterverkehr (eFTI) aufgebaut werden, die Senkung der negativen externen Kosten um mindestens 40 Prozent nachweisen. Zudem sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die durchschnittlichen Kosten des kombinierten Verkehrs bei der Haus-zu-Haus-Lieferung in den nächsten sieben Jahre um mindestens zehn Prozent zu senken. Der kombinierte Verkehr soll auch für Spediteure attraktiver werden, indem Lkws im Zubringerverkehr zu Güterumschlagplätzen per Bahn oder Schiff von zeitlich befristeten Fahrverboten ausgenommen werden.
Die Richtlinie für den kombinierten Verkehr stammt aus 1992. Die Kommission war zweimal mit einer Reform gescheitert. Ihre Vorschläge aus 1998 und 2017 musste sie zurückziehen, weil sich die Co-Gesetzgeber nicht einigen konnten.
Markus Ferber (CSU), Mitglied des Verkehrsausschusses: “Was wir jetzt brauchen, das ist Momentum, Tempo und eine schlanke Regulierung.” Nachbesserungen bei der Definition des kombinierten Verkehrs, den Bedingungen zur Wettbewerbsfähigkeit und weniger Grauzonen seien ein guter Ansatz. Ferber lobte auch den Vorschlag, Lkw im kombinierten Verkehr von zeitlichen Fahrverboten auszunehmen: “Weder Verwässerung noch Verbotspolitik helfen, damit der kombinierte Verkehr von der Nische ins Rampenlicht rückt.” mgr
Der Präsident des Verbandes der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) stellt die staatlichen Beihilfen für die Transformation der Stahlhersteller in Deutschland infrage. “Wir müssen das Thema Grundstoffindustrie europäisch denken, und nicht primär deutsch”, sagte Karl Haeusgen am Dienstag in Berlin. In Südspanien oder Skandinavien stehe viel mehr grüne Energie zur Verfügung als in Salzgitter, Duisburg oder Saarlouis, sagte er. Daher könne man die Fragen stellen, “wie angemessen ist es, dass Einzelunternehmen in ihrer grünen Transformation an diesen Standorten gefördert werden”.
Die Bundesregierung will die heimischen Stahlkonzerne wie Thyssen-Krupp bei der Dekarbonisierung ihrer Produktion massiv unterstützen. Die EU-Kommission genehmigte dafür im Juli Beihilfen von bis zu zwei Milliarden Euro, die Thyssen-Krupp am Standort Duisburg bei der Umstellung auf sauberen Wasserstoff helfen sollen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte jüngst in seiner Industriestrategie: “Die Transformation soll hier in Deutschland stattfinden.”
Haeusgen hält dagegen, angesichts der grenzüberschreitenden Lieferketten im EU-Binnenmarkt sei es für die Abnehmer “völlig egal, ob ich diesen Stahl in Nordeuropa, Westeuropa oder Südeuropa kaufe”. Europas große Stärke, die enge Vernetzung der Unternehmen, sei nicht an Deutschland gebunden. Zudem habe ein Stellenabbau an einzelnen Standorten wegen der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes nicht mehr so dramatische Auswirkungen wie in der Vergangenheit. “Deshalb sollte man etwas mehr Mut zum Strukturwandel haben.”
Haeusgen sprach sich zudem dafür aus, Windkraftanlagen als Baustein für die strategische Autonomie der EU und als sicherheitsrelevant zu betrachten. Wenn man keine Bauteile chinesischer Ausrüster wie Huawei mehr in Routern verbauen dürfe, dann “wären chinesische Windkraftanlagen im Energieerzeugungsnetz geradezu grotesk”, argumentierte er. China habe überdies ausländische Hersteller aus dem eigenen Markt gedrängt. tho
Mittelstand und Energiewirtschaft üben heftige Kritik an der angekündigten Verlängerung der europäischen Energiepreisbremsen für Unternehmen. Viele Betriebe hätten ihre Höchstgrenzen möglicher Entlastungen bereits erreicht, sagte gestern der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks zu Table.Media. “Das gilt insbesondere für viele mittelständische Industriebetriebe, die unter den hohen Energiepreisen leiden. Für diese Unternehmen führt eine Verlängerung der Preisbremsen ohne eine europäische Anpassung des Beihilferahmens zu keiner weiteren Entlastung.”
Die EU-Kommission hatte Montag ihre Absicht bekundet, zwei Abschnitte des befristeten Krisenrahmens (TCTF) zu verlängern. Die Mitgliedstaaten sollen demnach bis Ende März 2024 statt nur bis Jahresende Unternehmen unterstützen können, die wirtschaftlich unter den Folgen des russischen Angriffskrieges leiden. Der entsprechende Vorschlag der Kommission lag unseren Kollegen von Contexte vor.
“Das verlängerte TCTF ist unter anderem auch die Grundlage und Voraussetzung für einen Antrag zur Verlängerung der Energiepreisbremsen”, bestätigte gestern eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die Verlängerung der deutschen Energiepreisbremsen selbst müsse die Kommission ebenfalls noch beihilferechtlich genehmigen.
Der Stadtwerke-Verband VKU hält eine fristgerechte bundesweite Umsetzung unterdessen für nicht machbar. Erschwerend komme hinzu, dass sich dem Vorschlag der EU-Kommission nicht entnehmen lasse, ob und welche inhaltlichen Anpassungen es geben wird, sagte gestern VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing in einem Statement. Der Prozess zur Verlängerung werde sich wohl noch bis weit in den Dezember ziehen.
Unklar ist auch, wie viele Unternehmen angesichts der wieder gesunkenen Strom- und Gaspreise von der Bremse überhaupt profitieren würden. Eine Verlängerung wäre für die Breite der Wirtschaft eine Versicherung, um die Risiken hoher Energiepreise über den Winter abzufedern, sagte Dercks. Anders sieht es der Energieexperte Hanns Koenig von Aurora Energy Research: “Ich würde vermuten, dass eine Verlängerung, wenn überhaupt, nur sehr wenigen Unternehmen zugutekäme.”
Der BDI sieht bestimmte Betriebe betroffen. “Unternehmen, deren Verträge zu den im vergangenen Jahr herrschenden Hochpreiszeiten, ausliefen und die teure Folgeverträge abschließen mussten, könnten durchaus weiter signifikanten Kompensationsbedarf ihrer Energiekosten haben“, sagte gestern der Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik, Carsten Rolle.
Allerdings betrifft die Ankündigung der Kommission nicht nur die energieintensive Industrie. Verlängert werden soll auch der TCTF-Abschnitt zu “Begrenzten Beihilfebeträgen”. Darauf stützen sich die deutschen Energiepreisbremsen für KMU mit Beträgen bis zu zwei Millionen Euro. An dieses Segment stellt die Kommission wesentlich geringere Anforderungen als an Großunternehmen. Nach Ansicht des BMWK sind auch die Entlastungen für Haushalte an den TCTF gekoppelt – wobei dazu in Brüssel auch abweichende Einschätzungen kursieren. ber
Mindestens 107 der 425 weltweit größten Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe werden von in der EU ansässigen Unternehmen wie Total Energies, Shell, RWE und ENI betrieben oder von großen europäischen Banken finanziert. Dies zeigt ein Bericht, der am Dienstag von CAN Europe, Friends of the Earth Europe und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht wurde. Sie fordern rechtlich verbindliche Klimaziele für Unternehmen und den EU-Finanzsektor im EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD).
Die 425 als “Kohlenstoffbomben” bekannten Projekte wurden 2022 in einer Studie identifiziert. Sie haben das Potenzial, jeweils mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid (GtCO₂) freizusetzen. Laut dem IPCC-Forschungsstand beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, etwa 500 Gigatonnen Kohlendioxid. Für ein Zwei-Grad-Szenario sind es 1.150 Gigatonnen.
Die Beteiligung von EU-Unternehmen und Banken an diesen Projekten untergrabe das Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, da ein großer Teil der Emissionen als Scope-3-Emissionen in die EU zurückgelange, heißt es in dem Bericht. Allein die prognostizierten Gesamtemissionen der 107 mit der EU verbundenen Projekte betragen nach der Gewinnung und Verbrennung 333,9 Gigatonnen Kohlendioxid. Dies sei das 17-fache der Emissionen, die die EU bis 2030 ausstoßen dürfe.
Zu den genannten Projekten gehört das Athabasca Ölsand-Projekt in Kanada, an dem sich mindestens 15 Unternehmen aus der EU als Investoren beteiligen, darunter BNP Paribas, Shell plc und Total Energies SE. Daneben zählt der Bericht weitere Öl- und Gasfelder in Libyen, Kasachstan, Norwegen und Argentinien auf.
Die NGO fordern, die entsprechenden Projekte zu stoppen. Die Tatsache, dass die Mehrheit dieser Projekte außerhalb Europas angesiedelt ist, dürfe nicht als Entschuldigung für Untätigkeit dienen. Darüber hinaus fordern sie, eine Verpflichtung für Unternehmen in der EU, glaubwürdige Übergangspläne mit konkreten und absoluten Emissionsminderungszielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen im EU-Sorgfaltspflichtengesetz festzulegen.
Das Sorgfaltspflichtengesetz wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Anders als die EU-Kommission und der Rat fordert das Parlament ebenfalls Klimaübergangspläne für Unternehmen. Am 22. November findet das nächste hochrangige Trilog-Treffen statt. Nach Informationen von Table.Media könnte es bei diesem Treffen oder spätestens Anfang Dezember zu einer Einigung kommen. leo
Die europäischen Telekommunikationskonzerne erhoffen sich von dem von Binnenmarktkommissar angekündigten Digital Networks Act (DNA) eine Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation. Sie fürchten aber, dass dieser zu spät kommen wird. Die Kapitalkosten seien höher als die Rendite, sagte Christel Heydemann, CEO von Orange. “Etwas stimmt mit dem Set-up nicht”, ergänzte Telekom-Chef Tim Höttges auf einer Veranstaltung der FT und des Verbands der europäischen Netzbetreiber ETNO zur Lage der Branche in Europa.
Dass die Marktkapitalisierung der europäischen Telekommunikationsfirmen so dramatisch gesunken sei, liege nicht an schlechten Managern, die nicht genug investierten, sagte Höttges. Grund seien die fundamental falschen Rahmenbedingungen. Die USA wiesen eine lebendige digitale Dynamik auf, auch in Asien gebe es einen Masterplan. Europa befinde sich in einer Sandwich-Situation. Es gebe zu viele Player im Wettbewerb, eine überbordende Bürokratie, keine faire Beteiligung der Internetanbieter an den Kosten der Netzwerke (Fair Share) und keine Marktkonsolidierung. Auf dieser Grundlage könne keine zukunftsfähige Infrastruktur entstehen.
Zur Veranschaulichung verwiesen Industrievertreter mehrfach auf das Beispiel Luxemburg (rund 650.000 Einwohner), wo es vier verschiedene Mobilfunkanbieter gebe. In China habe ein Mobilfunkbetreiber im Schnitt etwa 450 Millionen Kunden, in den USA seien es 110 Millionen Kunden und in Europa gerade einmal fünf Millionen, rechnete Mike Fries vor, CEO von Liberty Global. Die 110 Mobilfunknetzbetreiber in Europa kauften alle die gleiche Ausrüstung zum gleichen Preis und errichteten separate Netze. “Es ist unglaublich, wie ineffizient das ist“, sagte Fries. Das Zusammengehen von Anbietern zu erschweren, sei kein durchdachter Regulierungsansatz. “Unserer Meinung nach wäre eine branchenweite Konsolidierung und Skalierung eine mögliche Lösung für diese Herausforderungen.”
Der angekündigte Digital Network Act sei eine gute Sache, sagte Heydemann. “Aber wenn wir zwei Jahre warten müssen, werden so viele Betreiber von ausländischen Investoren übernommen oder aufgeteilt und viele Investitionen finden nicht statt.” Daher sei Geschwindigkeit von entscheidender Bedeutung. Derzeit würden die Netzbetreiber immer noch von 27 verschiedenen Ländern reguliert. Was fehle, sei ein europäischer Binnenmarkt für Telekommunikation, sagte Höttges. Und ein anderes Bewusstsein: Die vermeintlich monopolistischen Netzbetreiber seien nur noch Zwerge im digitalen Zeitalter. vis
Lobbycontrol fordert eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Amazon. Dazu hat der Kölner Verein am Dienstag ein entsprechendes Rechtsgutachten vorgelegt. “Wir halten eine Zerschlagung des Konzerns für notwendig und nach deutschem Kartellrecht auch für möglich”, sagte Max Bank, Campaigner bei Lobbycontrol bei der Vorstellung des Gutachtens.
Die NGO beruft sich auf das Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz, das am Montag in Kraft getreten ist. Diese 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gibt dem deutschen Kartellamt neue Instrumente zur Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs in die Hand. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte sie die größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard. Lobbycontrol plädiert dafür, diese Instrumente nun auf Amazon anzuwenden.
Kim Künstner, Experte für Kartellrecht und Autor des Gutachtens, hält eine Entflechtung von Amazon allein aus wettbewerblicher Sicht für angemessen. Die fünf Geschäftsfelder von Amazon – Einzelhandel, Marketplace, Clouddienste, Smart Home Produkte und Logistik – seien stark miteinander verzahnt. Das führe zu Interessenkonflikten und unfairen Handelspraktiken. Hinzu kämen “gesamtgesellschaftliche Folgen von Amazons Gebaren” wie die große politische Lobbymacht des Konzerns, Datenschutzprobleme, Steuervermeidung und die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren des Konzerns. Lobbycontrol hält das insgesamt für eine “Gefahr für die Demokratie”.
Max Bank von Lobbycontrol sieht einen internationalen Trend zur verschärften Wettbewerbsüberwachung, sodass eine Zerschlagung großer Konzerne “nicht mehr völlig abwegig ist”. Tatsächlich führt die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC derzeit ein Verfahren wegen Marktmanipulation gegen den Konzern. Die Europäische Kommission wiederum hat Amazon im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) als Gatekeeper eingestuft – mit den entsprechenden Verpflichtungen.
Parallelen sieht Gutachter Künstner im Umgang der EU-Kommission mit Google im Bereich der Werbetechnik. Die EU-Kommission stütze ihre Androhung der eigentumsrechtlichen Entflechtung Googles im Bereich des Online-Werbemarktes auf die Notwendigkeit der Beseitigung eines “inhärenten Interessenkonflikts”, heißt es im Gutachten.
Insgesamt sei die europäische Haltung aber zu abwartend, meint Bank. “Das Kartellamt kann eine Vorreiterrolle spielen und damit eine Trendwende in Europa begünstigen.” av, vis
Die Europäische Union hat sich mit dem Unternehmen SpaceX vorläufig darauf geeinigt, dass dessen Falcon 9-Raketen vier Galileo-Navigationssatelliten beim Start helfen sollen. Das teilten europäische Beamte am Dienstag mit. Der Wert des Deals liegt laut EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton bei 180 Millionen.
Die Vereinbarung umfasst zwei Starts, die für April und Juli nächsten Jahres vorgesehen sind und jeweils zwei Satelliten transportieren sollen, sagte Breton gegenüber Reportern im spanischen Sevilla. Dort fanden gestern EU-Ministergespräche über die Wettbewerbsfähigkeit im Weltraum statt. Die Vereinbarung mit SpaceX steht allerdings noch unter Genehmigungsvorbehalt.
Hintergrund für die Einigung sind Kapazitätsprobleme in Europa. Ausgelöst wurden die unter anderem durch Verzögerungen bei der Trägerrakete Ariane 6, ein Startverbot für die kleinere italienische Vega-C nach einem Fehlstart im Jahr 2022 und dem Verlust des Zugangs zu russischen Sojus-Raketen infolge des Ukraine-Konflikts.
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA), zu der die meisten EU-Staaten gehören, hatte sich bereits im vergangenen Jahr an Elon Musks SpaceX gewandt, um ihr Weltraumteleskop Euclid zu starten, das Beweise für dunkle Materie und dunkle Energie im Universum untersuchen soll.
Im Jahr 2024 wird das private US-Unternehmen auch die europäische Forschungssonde Hera starten, eine Nachfolgemission der NASA-Raumsonde DART, der es im vergangenen Jahr gelungen ist, die Bahn eines Mondsatelliten im ersten Test eines künftigen planetarischen Verteidigungssystems zu ändern. rtr
Europäische Telekommunikationsunternehmen haben nach ihrer Ansicht ein Problem: Ihnen fehlt das Geld für den Netzausbau, für den die EU-Kommission bis 2030 ehrgeizige Ziele gesetzt hat. Als Leiter des Brüsseler Büros der Deutschen Telekom vertritt Jakob Greiner die Interessen des umsatzstärksten europäischen Telekommunikationskonzerns – und setzt sich für Reformen in seinem Sektor ein. Aus Sicht des Unternehmens ist der Markt zu fragmentiert und zu stark reguliert, erklärt Greiner. Er hofft auf Änderungen in den kommenden Jahren: “Die Kommission hat das Problem erkannt, jetzt müssen konkrete Maßnahmen folgen”, sagt der 41-Jährige.
Greiner ist Jurist, hat in München und Bayreuth studiert und sich auf Europarecht spezialisiert. 2012 geht es für ihn zum ersten Mal nach Brüssel, als parlamentarischer Mitarbeiter der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier. Ihn fasziniert die Mischung aus Jura und Politik: “Das hätte ich nicht erlebt, wenn ich in einer Kanzlei oder Rechtsabteilung eines Unternehmens gelandet wäre”, sagt Greiner. “Nichts ist politischer als das Europaparlament.”
Nach knapp drei Jahren in der Politik wechselt der Jurist in die Wirtschaft, ins Büro der Deutschen Telekom. In Brüssel bleibt er. “Zuerst geht man für zwei oder drei Jahre nach Brüssel”, sagt Greiner. “Dann bleibt man hängen, weil die Materie so spannend ist.” Heute arbeitet er in der Konzernzentrale in Bonn, ist nur noch alle zwei bis drei Wochen in Brüssel. Dort arbeitet ein halbes Dutzend Beschäftigte für die Interessen der Deutschen Telekom.
EU-Digitalkommissar Thierry Breton hat im Oktober Reformen im Telekommunikationssektor angekündigt. Der Vorschlag für den Digital Networks Act (DNA) liegt zwar noch nicht auf dem Tisch. Breton sprach sich aber für mehr Konzentration im Markt und größere europäische Telekommunikationskonzerne aus, sogenannte European Champions. Großen Unternehmen wie der Telekom käme eine solche Reform zugute. “Es geht auch um die nötige Skalierung, die der Sektor braucht, um die nötigen Investitionen zu stemmen, die wir für den Netzausbau brauchen”, sagt Jakob Greiner.
Bis 2030 sollen alle Haushalte in der EU ans Glasfasernetz angeschlossen sein, das mobile 5G-Netz soll flächendeckend verfügbar sein. Es sei entscheidend, dass Europa nicht den Anschluss an die USA und China verliere, erklärt Greiner: “Wenn wir eine kränkelnde Infrastruktur haben, dann hat das auch direkte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.”
Damit der Netzausbau schneller vorangeht, arbeitet die EU am Gigabit Infrastructure Act, der unter anderem Genehmigungsverfahren beschleunigen soll. Laut Entwurf des Parlaments sollen Behörden künftig nur noch zwei Monate Zeit für eine Genehmigung haben. “Damit wären wir absolut zufrieden”, sagt Jakob Greiner und mahnt: Die Mitgliedsländer dürften bei den Reformen jetzt nicht auf die Bremse treten. Jana Hemmersmeier
wenn die EU-Kommission heute die Fortschrittsberichte mit den Empfehlungen formell beschließt, dann sollte der Fokus eigentlich ganz auf der Ukraine liegen. Doch gerungen wurde gestern bis zuletzt auf einem Nebenschauplatz. Die Kabinettschefs der 27 EU-Kommissarinnen und Kommissare konnten sich auch am Dienstag nicht einigen, ob Bosnien-Herzegowina nun ebenfalls grünes Licht für den Start von Beitrittsverhandlungen bekommen soll.
In der Ukraine ist der Überraschungseffekt nach dem Besuch von Ursula von der Leyen am Wochenende in Kiew allerdings längst verpufft. Dort hatte sie die Bemühungen der Ukraine für den EU-Beitritt ausdrücklich gelobt. Wie erwartet, wird die EU-Kommission empfehlen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu starten. Kiew habe zwar nicht alle sieben Bedingungen vollumfänglich abgearbeitet. Insbesondere bei der Korruptionsbekämpfung, der Justizreform und den Minderheitenrechten gebe es noch Defizite. Die Ukraine soll hier aber noch nachliefern können, bevor es im März dann losgehen kann, heißt es.
Die Empfehlung entspreche einem “Ja, aber”, sagen Diplomaten. Das sei ein Zugeständnis an die Mitgliedstaaten, die beim Dezembergipfel zustimmen müssen, bevor es tatsächlich losgehen kann. Im Schlepptau der Ukraine bekommt auch Moldau eine positive Empfehlung und kann also auf einen Start der Beitrittsverhandlungen im Frühjahr hoffen.
Immer noch im Rückstand, aber immerhin ein Feld vorrücken kann Georgien, das den Status als Beitrittskandidat bekommen soll. Die Entscheidung war lange umstritten, da die prorussische Regierung in Tiflis wenig Reformanstrengungen zeigt. Das positive Signal nimmt aber Rücksicht auf die stark proeuropäische Stimmung in der Bevölkerung, die nicht entmutigt werden soll.
Deutlich gemischter ist das Bild bei den Berichten zu den Balkanstaaten, wo es teilweise mehr Rückschritte als Fortschritte gibt und sich die Blockade im Dialog zwischen Serbien und Kosovo negativ niederschlägt. Die Entscheidung zu Bosnien und Herzegowina soll heute im Kollegium getroffen werden. Wäre der Beitrittsprozess rein “merit based”, wie immer betont wird, wäre der Fall klar. Doch die Erweiterungspolitik ist heute auch Geopolitik. Unter anderem Kroatien, Slowenien, Österreich und Italien sollen über ihre Kommissare darauf drängen, das fragmentierte Bosnien-Herzegowina nicht in einem gefährlichen Vakuum zurückzulassen.
Die EU-Finanzminister nehmen am Donnerstag in Brüssel einen erneuten Anlauf, um sich auf die geplanten neuen Schuldenregeln zu einigen. Grundlage für die Gespräche der Minister ist ein überarbeitetes Dokument der spanischen Ratspräsidentschaft, das für die vier “Landungszonen” potenzielle Linien zur Verständigung skizziert und Table.Media vorliegt.
Laut dem Dokument sollen für alle Mitgliedstaaten mehrjährige länderspezifische Haushalte erstellt werden, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. Diese sollen so ausgerichtet sein, dass sie über die Periode hinweg eine solide Budgetpolitik und einen glaubwürdigen Schuldenabbau gewährleisten. Darauf pocht vor allem der deutsche Finanzminister Christian Lindner. Dazu schlägt die spanische Präsidentschaft eine Reihe von flankierenden Schutzmaßnahmen vor, darunter zur Schuldentragfähigkeit, zum Mindestschuldenabbau und zum Schutz der Defizitresilienz.
Mit Blick auf eine nachhaltige Tragfähigkeit des Haushalts heißt es in dem Dokument, für Mitgliedstaaten mit einem Defizit von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sei die Konsolidierung mit einer jährlichen strukturellen Primäranpassung von mindestens 0,5 Prozentpunkten des BIP sicherzustellen. Dies halte so lange vor, bis das übermäßige Defizit korrigiert sei und gelte unbeschadet der Bestimmungen der Verordnung über die korrektive Komponente des neuen Fiskalregelwerks.
Mit Blick auf den Mindestschuldenabbau schlägt Madrid vor, solange ein Staat eine Schuldenquote von mehr als 60 Prozent des BIP aufweise, müsse die Haushaltsplanung sicherstellen, dass die Schuldenquote bis zum Ende des Anpassungszeitraums rückläufig ist. Der Abbau der Verschuldung soll dabei über einen jährliche, noch zu definierende Mindestvorgabe in Prozentpunkten des BIP erreicht werden.
Außerdem regt Spanien eine grundsätzliche Sicherheitsmarge für eine solide Haushaltspolitik an, um in der Neuverschuldung einen ausreichenden Abstand zum Grenzwert von drei Prozent des BIP zu gewährleisten. Diese Marge solle für sämtliche Staaten gelten, unabhängig vom Schuldenstand, und damit auch für Länder, die ihre Verschuldung glaubhaft zurückführen oder beim Defizit vorsichtig agieren. Beobachtern zufolge dürfte dies aber nicht jedem Mitgliedsstaat passen, da die Sicherheitsmarge, je nach Umfang, den budgetären Handlungsspielraum massiv einschränken kann.
Mit Blick auf den fiskalischen Spielraum für Investitionen und Reformanreize übernimmt der Vorsitz den Ansatz der Kommission, den mittelfristigen Haushaltsplan von vier auf sieben Jahre strecken zu können. “Reformen und Investitionen, die Wachstum und Resilienz stärken, spielen eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung der langfristigen Schuldentragfähigkeit und tragen gleichzeitig den strategischen Prioritäten der EU Rechnung”, heißt es. Zudem geht Madrid explizit auf höhere Verteidigungsausgaben ein. Bei der Einleitung von Defizitverfahren soll ein Anstieg der staatlichen Verteidigungsinvestitionen “ausdrücklich als spezifischer, relevanter Faktor” berücksichtigt werden.
Um das institutionelle Gleichgewicht abzusichern, schlägt Spanien neben erhöhter Transparenz auch die Einrichtung einer speziellen Arbeitsgruppe zur Methodik der Schuldentragfähigkeitsanalyse (DSA) vor. Dieser sollen nationale Sachverständige sowie Vertreter der Kommission, der EZB und des Europäischen Fiskalausschusses angehören. Startschuss für die Arbeitsgruppe soll der DSA-Ansatz der Kommission sein. Die Arbeitsgruppe soll aber mögliche methodische Verbesserungen für spätere Pläne prüfen, einschließlich der zugrunde liegenden Annahmen, und gegebenenfalls Vorschläge unterbreiten.
Außerdem soll der Europäische Fiskalausschuss als ständiges Gremium in der Verordnung über die präventive Komponente verankert werden. Darüber hinaus will Madrid die Unabhängigkeit und den Zugang zu Informationen des Ausschusses stärken.
Keine Änderung gibt es bei der Einleitung von Defizitverfahren. Überschreitet die Neuverschuldung eines Landes die Grenze von drei Prozent des BIP, muss der Korrekturpfad der Nettoausgaben eine jährliche strukturelle Primäranpassung von mindestens 0,5 Prozentpunkten des BIP aufweisen. Die Brüsseler Kommission hatte sich zudem für die Einleitung von Verfahren aufgrund überhöhter Verschuldung starkgemacht. Diese Defizitverfahren sollen jetzt an den neuen Rahmen angepasst werden.
Diplomaten machten im Vorfeld der Ecofin-Tagung deutlich, es sei zuletzt Dynamik in die Verhandlungen gekommen. Man müsse sicherlich die Ausführungen auf dem Ecofin abwarten, aber eine Annäherung der Positionen sei nicht ausgeschlossen, sodass die Ratspräsidentschaft mit den Arbeiten zum Gesetzesentwurf starten könne. Für Deutschland sei besonders wichtig, dass Spanien die Sicherheitsmarge beim Defizit für eine glaubwürdige und nachhaltig solide Haushaltspolitik in das Dokument aufgenommen habe. Mitarbeit: Till Hoppe
Die Einigung kam schneller als erwartet – nach nur vierstündigen Verhandlungen im Trilog-Verfahren. Doch rechte Freude wollte am Dienstag im Europaparlament nicht aufkommen. Denn die nun vereinbarten neuen Regeln für politische Werbung im Internet werden nicht mehr rechtzeitig vor der Europawahl in Kraft treten.
Damit wird ein zentrales Ziel der 2021 von der EU-Kommission vorgelegten Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung verfehlt. Sie sollte die Wahl gegen Manipulationen und äußere Einmischung absichern und Missbrauch wie bei Cambridge Analytica verhindern helfen. Daraus wird nun nichts.
Wenn Parlament und Rat die Einigung wie erwartet billigen, wird die neue Verordnung wohl erst 2025 greifen – 18 Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt. Schneller könnten sich die nationalen Behörden nicht auf die neuen Regeln einstellen, hieß es im Rat. “Eine große Enttäuschung”, beklagen viele im Parlament.
Worauf hat man sich nun geeinigt? Politische Werbung im Internet muss künftig als solche gekennzeichnet werden. Zudem muss transparent gemacht werden, wer sie finanziert hat. Außerdem soll es eine europäische Datenbank geben, in der alle Online-Werbungen erfasst werden. Dies wertet das Europaparlament als großen Erfolg.
Akteure aus Drittstaaten dürfen vor Wahlen oder Referenden keine politische Werbung mehr schalten oder finanzieren. Dafür wurde eine Frist von drei Monaten gesetzt. Damit werde es schwieriger für ausländische Akteure, Falschinformationen in Europa zu verbreiten und in demokratische Prozesse einzugreifen, erklärte der Berichterstatter im Europaparlament, Sandro Gozi (Renew).
Viel Streit gab es über das Targeting – also die Frage, wie genau Werbung auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten werden darf. Hier konnten sich die Mitgliedstaaten durchsetzen. Die EU hält am Einwilligungsprinzip fest. Die User müssen also weiter ihre Zustimmung geben, wenn ihr Daten von politischen Anbietern erfasst werden sollen.
Allerdings werden einige Verbesserungen eingeführt. So wird es ein Verbot für Targeting auf sensible Daten wie sexuelle Orientierung, Gesundheit oder Religion geben. Dieses Verbot soll für alle Akteure in der Lieferkette gelten, und nicht nur für Plattformen wie im DSA.
Daten von Drittanbietern dürfen künftig nicht mehr für politisches Targeting genutzt werden. Wer keine gezielte Werbung von Parteien oder andern politischen Akteuren sehen möchte, muss einfach nur die sogenannte Do-Not-Track-Funktion im Browser einschalten – das reicht. Eine gesonderte Ablehnung ist nicht mehr nötig.
Doch was versteht die EU unter politischer Werbung? Auch darüber gab es lange Diskussionen zwischen den Institutionen. Nach der nun vorliegenden Einigung geht es um alle kommerziellen Botschaften im Auftrag politischer Akteure, die das Wahlverhalten auf kommunaler, nationaler oder europäischer Ebene beeinflussen sollen.
Nicht betroffen sind hingegen politische Meinungen und persönliche Ansichten, wie sie in Online-Foren geäußert werden. Auch journalistische Arbeiten, in denen etwa eine Kandidatur für ein Wahlamt angekündigt wird, sollen nicht als politische Werbung gelten – sofern sie nicht von politischen Akteuren gesponsert werden.
Trotz dieser Klarstellungen bleiben aus Sicht der Industrie noch offene Fragen, die die Umsetzung verzögern könnten. So sei unklar, wie die Regeln zum Targeting implementiert werden könnten, warnt Claudia Canelles Quaroni von der Computer & Communications Industry Association (CCIA).
“Es ist von entscheidender Bedeutung, für ausreichende Klarheit zu sorgen, damit die Herausgeber politischer Werbung die neuen EU-Vorschriften für Werbung ordnungsgemäß umsetzen können, ohne die Meinungsfreiheit bei Wahlen zu beeinträchtigen”, sagte Quaroni. Über die technischen Details müsse in den kommenden Wochen noch einmal geredet werden.
Zufrieden zeigt sich die EU-Kommission. Die neue Verordnung werde die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, “Botschaften zu erkennen, mit denen ihre politischen Ansichten und Entscheidungen beeinflusst werden sollen“, erklärte die Brüsseler Behörde. Auf das Problem, dass das neue EU-Gesetz zu spät für die Europawahl kommt, ging sie nicht ein.
Für den Europaabgeordneten René Repasi von der SPD ist dies ein großer “Wermutstropfen”. Das wichtige Verbot von ausländischer Einmischung werde im Juni 2024 nicht kommen. Die Maßnahmen zur diskriminierungsfreien Bereitstellung grenzüberschreitender politischer Werbung (auch für europäische politische Parteien und Fraktionen) würden hingegen bereits greifen, sagte Repasi.
Seine Kollegin Alexandra Geese von den Grünen blickt bereits auf die nächste Bundestagswahl. “Für die nächste Bundestagswahl werden Wählerinnen und Wähler besser vor Manipulation geschützt sein, denn dann dürfen sensible Daten wie sexuelle Orientierung, Religion oder politische Einstellung nicht mehr genutzt werden, um zielgerichtete politische Werbung auszusenden”, sagte sie Table.Media.
Allerdings gingen die Einschränkungen beim Targeting nicht weit genug, erklärte Geese. So werde es auch künftig möglich sein, dass die gleiche Partei widersprüchliche Werbebotschaften wie “Vorfahrt für Verbrenner” an Männer in ländlichen Regionen und “Wir machen Klimaschutz” an junge Frauen in Großstädten ausspielt. Dennoch sei die neue Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung.
Der portugiesische Regierungschef António Costa ist überraschend wegen Korruptionsermittlungen der Justiz gegen ihn und andere Regierungsmitglieder zurückgetreten. Costa sagte am Dienstag in einer kurzen Erklärung, Präsident Marcelo Rebelo de Sousa habe sein Rücktrittsgesuch angenommen. “Nach meinem Verständnis ist die Position des Regierungschefs nicht mit einem Verdacht auf Integrität oder gutes Benehmen und schon gar nicht mit dem Verdacht, eine Straftat begangen zu haben, vereinbar“, sagte der 62-Jährige. Er sei am Morgen von der Nachricht “überrascht” worden, dass sich die Ermittlungen auch gegen ihn richteten. Er betonte zugleich seine Unschuld. “Ich schließe diese Phase mit gutem Gewissen ab”, sagte der Sozialist.
Die portugiesische Polizei hatte am Morgen mehr als 40 Wohnungen und Büros, darunter auch die Residenz Costas, durchsucht. Medienberichten zufolge wurden fünf Personen festgenommen, darunter Costas Kabinettschef Vítor Escaría. Es gehe um den Verdacht illegaler Praktiken wie Bestechlichkeit und Vorteilsnahme bei der Vergabe von Konzessionen zum Lithiumabbau in Montalegre sowie der Produktion sogenannten Grünen Wasserstoffs bei der Stadt Sines, berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Lusa und der staatliche TV-Sender RTP.
Mit dem Rücktritt Costas wird eine knapp achtjährige Erfolgsstory jäh unterbrochen. Erst im Januar vorigen Jahres hatte Costa mit seiner Sozialistischen Partei (PS) eine absolute Mehrheit im Lissabonner Nationalparlament, der Assembleia da República, errungen. Zuletzt war der Sozialist als möglicher Kandidat für den Posten des Präsidenten des Europäischen Rates für die Zeit nach der Europawahl gehandelt worden.
Viele Wähler schreiben es Costas Politik zu, dass die Wirtschaft in Portugal überdurchschnittlich stark nach der Euro-Krise wuchs. Auch sank unter ihm die Arbeitslosenrate rapide, sie lag zuletzt bei nur gut sechs Prozent. Den monatlichen Mindestlohn erhöhte Costas Regierung von 505 auf aktuell 820 Euro. Costa schaffte dabei den Spagat, soziale Verantwortung zu zeigen und gleichzeitig auch die einst maroden Staatsfinanzen zu konsolidieren. Allein zwischen 2020 und 2022 wurde die relative Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt von cirka 135 auf knapp 114 Prozent reduziert.
Rebelo de Sousa kann nun einen Interimsregierungschef ernennen, das Parlament auflösen. Dann muss es eine Neuwahl geben. Deren Ausgang war zunächst schwer vorherzusagen. Bis Dienstagmorgen galt Costa Umfragen zufolge als Favorit bei der nächsten regulären Parlamentswahl, die erst für 2026 erwartet worden war. dpa
Mit großer Mehrheit hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments am Dienstag eine Resolution mit den Forderungen der Abgeordneten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Monats (COP28) angenommen. Darin plädieren sie für ein Ende der direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene “so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 2025” umzusetzen. Auch die Mitgliedstaaten wollen sich in Dubai für ein Ende der Subventionen für Fossile einsetzen, legten jedoch in ihrem Verhandlungsmandat keine Jahreszahl fest.
Die Umwelt- und Klimapolitiker der EU fordern zudem, dass der Fonds für Verluste und Schäden (Loss and Damage) in Dubai einsatzbereit gemacht wird, indem alle großen Emittenten, einschließlich der EU-Länder, Gelder für die am meisten vom Klimawandel betroffenen Länder bereitstellen. Darüber hinaus unterstützt sie ein globales Ziel für die Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030 und fordern einen “greifbaren Ausstieg aus fossilen Brennstoffen so bald wie möglich”.
An den internationalen Klimaverhandlungen auf der COP28 nimmt eine Delegation aus Europaabgeordneten als Beobachter teil. Verhandelt wird jedoch im Kreise der Staaten, weshalb die Position des Parlaments lediglich den Charakter eines Appelles hat. In Dubai wollen die MEPs jedoch erstmals auch an den täglichen Koordinierungstreffen der EU-Länder teilnehmen, in denen verhandlungsstrategische Entscheidungen während der COP getroffen werden. Die Resolution muss im Novemberplenum (20. bis 23. November) noch bestätigt werden. luk
Gütertransporte, bei denen der Lkw nur einen kleinen Teil der Strecke bewältigt, Schiff und Zug den Rest, sollen künftig stärker gefördert werden. Dies sieht der Gesetzgebungsvorschlag der Kommission für den intermodalen Verkehr vor. Dieser intermodale Verkehr – auch kombinierter Verkehr genannt – soll effizienter und wettbewerbsfähiger werden. Die Kommission schlägt vor, dass der kombinierte Verkehr gefördert wird, wenn die negativen externen Kosten des Straßenverkehrs um mindestens 40 Prozent gesenkt werden. Negative externe Kosten sind etwa Geräusch- und Umweltemissionen.
Die Anbieter müssen auf digitalen Plattformen, die im Rahmen der Verordnung über elektronische Informationen für den Güterverkehr (eFTI) aufgebaut werden, die Senkung der negativen externen Kosten um mindestens 40 Prozent nachweisen. Zudem sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die durchschnittlichen Kosten des kombinierten Verkehrs bei der Haus-zu-Haus-Lieferung in den nächsten sieben Jahre um mindestens zehn Prozent zu senken. Der kombinierte Verkehr soll auch für Spediteure attraktiver werden, indem Lkws im Zubringerverkehr zu Güterumschlagplätzen per Bahn oder Schiff von zeitlich befristeten Fahrverboten ausgenommen werden.
Die Richtlinie für den kombinierten Verkehr stammt aus 1992. Die Kommission war zweimal mit einer Reform gescheitert. Ihre Vorschläge aus 1998 und 2017 musste sie zurückziehen, weil sich die Co-Gesetzgeber nicht einigen konnten.
Markus Ferber (CSU), Mitglied des Verkehrsausschusses: “Was wir jetzt brauchen, das ist Momentum, Tempo und eine schlanke Regulierung.” Nachbesserungen bei der Definition des kombinierten Verkehrs, den Bedingungen zur Wettbewerbsfähigkeit und weniger Grauzonen seien ein guter Ansatz. Ferber lobte auch den Vorschlag, Lkw im kombinierten Verkehr von zeitlichen Fahrverboten auszunehmen: “Weder Verwässerung noch Verbotspolitik helfen, damit der kombinierte Verkehr von der Nische ins Rampenlicht rückt.” mgr
Der Präsident des Verbandes der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) stellt die staatlichen Beihilfen für die Transformation der Stahlhersteller in Deutschland infrage. “Wir müssen das Thema Grundstoffindustrie europäisch denken, und nicht primär deutsch”, sagte Karl Haeusgen am Dienstag in Berlin. In Südspanien oder Skandinavien stehe viel mehr grüne Energie zur Verfügung als in Salzgitter, Duisburg oder Saarlouis, sagte er. Daher könne man die Fragen stellen, “wie angemessen ist es, dass Einzelunternehmen in ihrer grünen Transformation an diesen Standorten gefördert werden”.
Die Bundesregierung will die heimischen Stahlkonzerne wie Thyssen-Krupp bei der Dekarbonisierung ihrer Produktion massiv unterstützen. Die EU-Kommission genehmigte dafür im Juli Beihilfen von bis zu zwei Milliarden Euro, die Thyssen-Krupp am Standort Duisburg bei der Umstellung auf sauberen Wasserstoff helfen sollen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte jüngst in seiner Industriestrategie: “Die Transformation soll hier in Deutschland stattfinden.”
Haeusgen hält dagegen, angesichts der grenzüberschreitenden Lieferketten im EU-Binnenmarkt sei es für die Abnehmer “völlig egal, ob ich diesen Stahl in Nordeuropa, Westeuropa oder Südeuropa kaufe”. Europas große Stärke, die enge Vernetzung der Unternehmen, sei nicht an Deutschland gebunden. Zudem habe ein Stellenabbau an einzelnen Standorten wegen der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes nicht mehr so dramatische Auswirkungen wie in der Vergangenheit. “Deshalb sollte man etwas mehr Mut zum Strukturwandel haben.”
Haeusgen sprach sich zudem dafür aus, Windkraftanlagen als Baustein für die strategische Autonomie der EU und als sicherheitsrelevant zu betrachten. Wenn man keine Bauteile chinesischer Ausrüster wie Huawei mehr in Routern verbauen dürfe, dann “wären chinesische Windkraftanlagen im Energieerzeugungsnetz geradezu grotesk”, argumentierte er. China habe überdies ausländische Hersteller aus dem eigenen Markt gedrängt. tho
Mittelstand und Energiewirtschaft üben heftige Kritik an der angekündigten Verlängerung der europäischen Energiepreisbremsen für Unternehmen. Viele Betriebe hätten ihre Höchstgrenzen möglicher Entlastungen bereits erreicht, sagte gestern der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks zu Table.Media. “Das gilt insbesondere für viele mittelständische Industriebetriebe, die unter den hohen Energiepreisen leiden. Für diese Unternehmen führt eine Verlängerung der Preisbremsen ohne eine europäische Anpassung des Beihilferahmens zu keiner weiteren Entlastung.”
Die EU-Kommission hatte Montag ihre Absicht bekundet, zwei Abschnitte des befristeten Krisenrahmens (TCTF) zu verlängern. Die Mitgliedstaaten sollen demnach bis Ende März 2024 statt nur bis Jahresende Unternehmen unterstützen können, die wirtschaftlich unter den Folgen des russischen Angriffskrieges leiden. Der entsprechende Vorschlag der Kommission lag unseren Kollegen von Contexte vor.
“Das verlängerte TCTF ist unter anderem auch die Grundlage und Voraussetzung für einen Antrag zur Verlängerung der Energiepreisbremsen”, bestätigte gestern eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die Verlängerung der deutschen Energiepreisbremsen selbst müsse die Kommission ebenfalls noch beihilferechtlich genehmigen.
Der Stadtwerke-Verband VKU hält eine fristgerechte bundesweite Umsetzung unterdessen für nicht machbar. Erschwerend komme hinzu, dass sich dem Vorschlag der EU-Kommission nicht entnehmen lasse, ob und welche inhaltlichen Anpassungen es geben wird, sagte gestern VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing in einem Statement. Der Prozess zur Verlängerung werde sich wohl noch bis weit in den Dezember ziehen.
Unklar ist auch, wie viele Unternehmen angesichts der wieder gesunkenen Strom- und Gaspreise von der Bremse überhaupt profitieren würden. Eine Verlängerung wäre für die Breite der Wirtschaft eine Versicherung, um die Risiken hoher Energiepreise über den Winter abzufedern, sagte Dercks. Anders sieht es der Energieexperte Hanns Koenig von Aurora Energy Research: “Ich würde vermuten, dass eine Verlängerung, wenn überhaupt, nur sehr wenigen Unternehmen zugutekäme.”
Der BDI sieht bestimmte Betriebe betroffen. “Unternehmen, deren Verträge zu den im vergangenen Jahr herrschenden Hochpreiszeiten, ausliefen und die teure Folgeverträge abschließen mussten, könnten durchaus weiter signifikanten Kompensationsbedarf ihrer Energiekosten haben“, sagte gestern der Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik, Carsten Rolle.
Allerdings betrifft die Ankündigung der Kommission nicht nur die energieintensive Industrie. Verlängert werden soll auch der TCTF-Abschnitt zu “Begrenzten Beihilfebeträgen”. Darauf stützen sich die deutschen Energiepreisbremsen für KMU mit Beträgen bis zu zwei Millionen Euro. An dieses Segment stellt die Kommission wesentlich geringere Anforderungen als an Großunternehmen. Nach Ansicht des BMWK sind auch die Entlastungen für Haushalte an den TCTF gekoppelt – wobei dazu in Brüssel auch abweichende Einschätzungen kursieren. ber
Mindestens 107 der 425 weltweit größten Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe werden von in der EU ansässigen Unternehmen wie Total Energies, Shell, RWE und ENI betrieben oder von großen europäischen Banken finanziert. Dies zeigt ein Bericht, der am Dienstag von CAN Europe, Friends of the Earth Europe und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen veröffentlicht wurde. Sie fordern rechtlich verbindliche Klimaziele für Unternehmen und den EU-Finanzsektor im EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD).
Die 425 als “Kohlenstoffbomben” bekannten Projekte wurden 2022 in einer Studie identifiziert. Sie haben das Potenzial, jeweils mehr als eine Gigatonne Kohlendioxid (GtCO₂) freizusetzen. Laut dem IPCC-Forschungsstand beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, etwa 500 Gigatonnen Kohlendioxid. Für ein Zwei-Grad-Szenario sind es 1.150 Gigatonnen.
Die Beteiligung von EU-Unternehmen und Banken an diesen Projekten untergrabe das Ziel der EU, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, da ein großer Teil der Emissionen als Scope-3-Emissionen in die EU zurückgelange, heißt es in dem Bericht. Allein die prognostizierten Gesamtemissionen der 107 mit der EU verbundenen Projekte betragen nach der Gewinnung und Verbrennung 333,9 Gigatonnen Kohlendioxid. Dies sei das 17-fache der Emissionen, die die EU bis 2030 ausstoßen dürfe.
Zu den genannten Projekten gehört das Athabasca Ölsand-Projekt in Kanada, an dem sich mindestens 15 Unternehmen aus der EU als Investoren beteiligen, darunter BNP Paribas, Shell plc und Total Energies SE. Daneben zählt der Bericht weitere Öl- und Gasfelder in Libyen, Kasachstan, Norwegen und Argentinien auf.
Die NGO fordern, die entsprechenden Projekte zu stoppen. Die Tatsache, dass die Mehrheit dieser Projekte außerhalb Europas angesiedelt ist, dürfe nicht als Entschuldigung für Untätigkeit dienen. Darüber hinaus fordern sie, eine Verpflichtung für Unternehmen in der EU, glaubwürdige Übergangspläne mit konkreten und absoluten Emissionsminderungszielen im Einklang mit dem Pariser Abkommen im EU-Sorgfaltspflichtengesetz festzulegen.
Das Sorgfaltspflichtengesetz wird zurzeit in Brüssel verhandelt. Anders als die EU-Kommission und der Rat fordert das Parlament ebenfalls Klimaübergangspläne für Unternehmen. Am 22. November findet das nächste hochrangige Trilog-Treffen statt. Nach Informationen von Table.Media könnte es bei diesem Treffen oder spätestens Anfang Dezember zu einer Einigung kommen. leo
Die europäischen Telekommunikationskonzerne erhoffen sich von dem von Binnenmarktkommissar angekündigten Digital Networks Act (DNA) eine Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation. Sie fürchten aber, dass dieser zu spät kommen wird. Die Kapitalkosten seien höher als die Rendite, sagte Christel Heydemann, CEO von Orange. “Etwas stimmt mit dem Set-up nicht”, ergänzte Telekom-Chef Tim Höttges auf einer Veranstaltung der FT und des Verbands der europäischen Netzbetreiber ETNO zur Lage der Branche in Europa.
Dass die Marktkapitalisierung der europäischen Telekommunikationsfirmen so dramatisch gesunken sei, liege nicht an schlechten Managern, die nicht genug investierten, sagte Höttges. Grund seien die fundamental falschen Rahmenbedingungen. Die USA wiesen eine lebendige digitale Dynamik auf, auch in Asien gebe es einen Masterplan. Europa befinde sich in einer Sandwich-Situation. Es gebe zu viele Player im Wettbewerb, eine überbordende Bürokratie, keine faire Beteiligung der Internetanbieter an den Kosten der Netzwerke (Fair Share) und keine Marktkonsolidierung. Auf dieser Grundlage könne keine zukunftsfähige Infrastruktur entstehen.
Zur Veranschaulichung verwiesen Industrievertreter mehrfach auf das Beispiel Luxemburg (rund 650.000 Einwohner), wo es vier verschiedene Mobilfunkanbieter gebe. In China habe ein Mobilfunkbetreiber im Schnitt etwa 450 Millionen Kunden, in den USA seien es 110 Millionen Kunden und in Europa gerade einmal fünf Millionen, rechnete Mike Fries vor, CEO von Liberty Global. Die 110 Mobilfunknetzbetreiber in Europa kauften alle die gleiche Ausrüstung zum gleichen Preis und errichteten separate Netze. “Es ist unglaublich, wie ineffizient das ist“, sagte Fries. Das Zusammengehen von Anbietern zu erschweren, sei kein durchdachter Regulierungsansatz. “Unserer Meinung nach wäre eine branchenweite Konsolidierung und Skalierung eine mögliche Lösung für diese Herausforderungen.”
Der angekündigte Digital Network Act sei eine gute Sache, sagte Heydemann. “Aber wenn wir zwei Jahre warten müssen, werden so viele Betreiber von ausländischen Investoren übernommen oder aufgeteilt und viele Investitionen finden nicht statt.” Daher sei Geschwindigkeit von entscheidender Bedeutung. Derzeit würden die Netzbetreiber immer noch von 27 verschiedenen Ländern reguliert. Was fehle, sei ein europäischer Binnenmarkt für Telekommunikation, sagte Höttges. Und ein anderes Bewusstsein: Die vermeintlich monopolistischen Netzbetreiber seien nur noch Zwerge im digitalen Zeitalter. vis
Lobbycontrol fordert eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Amazon. Dazu hat der Kölner Verein am Dienstag ein entsprechendes Rechtsgutachten vorgelegt. “Wir halten eine Zerschlagung des Konzerns für notwendig und nach deutschem Kartellrecht auch für möglich”, sagte Max Bank, Campaigner bei Lobbycontrol bei der Vorstellung des Gutachtens.
Die NGO beruft sich auf das Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz, das am Montag in Kraft getreten ist. Diese 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gibt dem deutschen Kartellamt neue Instrumente zur Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs in die Hand. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte sie die größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard. Lobbycontrol plädiert dafür, diese Instrumente nun auf Amazon anzuwenden.
Kim Künstner, Experte für Kartellrecht und Autor des Gutachtens, hält eine Entflechtung von Amazon allein aus wettbewerblicher Sicht für angemessen. Die fünf Geschäftsfelder von Amazon – Einzelhandel, Marketplace, Clouddienste, Smart Home Produkte und Logistik – seien stark miteinander verzahnt. Das führe zu Interessenkonflikten und unfairen Handelspraktiken. Hinzu kämen “gesamtgesellschaftliche Folgen von Amazons Gebaren” wie die große politische Lobbymacht des Konzerns, Datenschutzprobleme, Steuervermeidung und die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren des Konzerns. Lobbycontrol hält das insgesamt für eine “Gefahr für die Demokratie”.
Max Bank von Lobbycontrol sieht einen internationalen Trend zur verschärften Wettbewerbsüberwachung, sodass eine Zerschlagung großer Konzerne “nicht mehr völlig abwegig ist”. Tatsächlich führt die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC derzeit ein Verfahren wegen Marktmanipulation gegen den Konzern. Die Europäische Kommission wiederum hat Amazon im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) als Gatekeeper eingestuft – mit den entsprechenden Verpflichtungen.
Parallelen sieht Gutachter Künstner im Umgang der EU-Kommission mit Google im Bereich der Werbetechnik. Die EU-Kommission stütze ihre Androhung der eigentumsrechtlichen Entflechtung Googles im Bereich des Online-Werbemarktes auf die Notwendigkeit der Beseitigung eines “inhärenten Interessenkonflikts”, heißt es im Gutachten.
Insgesamt sei die europäische Haltung aber zu abwartend, meint Bank. “Das Kartellamt kann eine Vorreiterrolle spielen und damit eine Trendwende in Europa begünstigen.” av, vis
Die Europäische Union hat sich mit dem Unternehmen SpaceX vorläufig darauf geeinigt, dass dessen Falcon 9-Raketen vier Galileo-Navigationssatelliten beim Start helfen sollen. Das teilten europäische Beamte am Dienstag mit. Der Wert des Deals liegt laut EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton bei 180 Millionen.
Die Vereinbarung umfasst zwei Starts, die für April und Juli nächsten Jahres vorgesehen sind und jeweils zwei Satelliten transportieren sollen, sagte Breton gegenüber Reportern im spanischen Sevilla. Dort fanden gestern EU-Ministergespräche über die Wettbewerbsfähigkeit im Weltraum statt. Die Vereinbarung mit SpaceX steht allerdings noch unter Genehmigungsvorbehalt.
Hintergrund für die Einigung sind Kapazitätsprobleme in Europa. Ausgelöst wurden die unter anderem durch Verzögerungen bei der Trägerrakete Ariane 6, ein Startverbot für die kleinere italienische Vega-C nach einem Fehlstart im Jahr 2022 und dem Verlust des Zugangs zu russischen Sojus-Raketen infolge des Ukraine-Konflikts.
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA), zu der die meisten EU-Staaten gehören, hatte sich bereits im vergangenen Jahr an Elon Musks SpaceX gewandt, um ihr Weltraumteleskop Euclid zu starten, das Beweise für dunkle Materie und dunkle Energie im Universum untersuchen soll.
Im Jahr 2024 wird das private US-Unternehmen auch die europäische Forschungssonde Hera starten, eine Nachfolgemission der NASA-Raumsonde DART, der es im vergangenen Jahr gelungen ist, die Bahn eines Mondsatelliten im ersten Test eines künftigen planetarischen Verteidigungssystems zu ändern. rtr
Europäische Telekommunikationsunternehmen haben nach ihrer Ansicht ein Problem: Ihnen fehlt das Geld für den Netzausbau, für den die EU-Kommission bis 2030 ehrgeizige Ziele gesetzt hat. Als Leiter des Brüsseler Büros der Deutschen Telekom vertritt Jakob Greiner die Interessen des umsatzstärksten europäischen Telekommunikationskonzerns – und setzt sich für Reformen in seinem Sektor ein. Aus Sicht des Unternehmens ist der Markt zu fragmentiert und zu stark reguliert, erklärt Greiner. Er hofft auf Änderungen in den kommenden Jahren: “Die Kommission hat das Problem erkannt, jetzt müssen konkrete Maßnahmen folgen”, sagt der 41-Jährige.
Greiner ist Jurist, hat in München und Bayreuth studiert und sich auf Europarecht spezialisiert. 2012 geht es für ihn zum ersten Mal nach Brüssel, als parlamentarischer Mitarbeiter der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier. Ihn fasziniert die Mischung aus Jura und Politik: “Das hätte ich nicht erlebt, wenn ich in einer Kanzlei oder Rechtsabteilung eines Unternehmens gelandet wäre”, sagt Greiner. “Nichts ist politischer als das Europaparlament.”
Nach knapp drei Jahren in der Politik wechselt der Jurist in die Wirtschaft, ins Büro der Deutschen Telekom. In Brüssel bleibt er. “Zuerst geht man für zwei oder drei Jahre nach Brüssel”, sagt Greiner. “Dann bleibt man hängen, weil die Materie so spannend ist.” Heute arbeitet er in der Konzernzentrale in Bonn, ist nur noch alle zwei bis drei Wochen in Brüssel. Dort arbeitet ein halbes Dutzend Beschäftigte für die Interessen der Deutschen Telekom.
EU-Digitalkommissar Thierry Breton hat im Oktober Reformen im Telekommunikationssektor angekündigt. Der Vorschlag für den Digital Networks Act (DNA) liegt zwar noch nicht auf dem Tisch. Breton sprach sich aber für mehr Konzentration im Markt und größere europäische Telekommunikationskonzerne aus, sogenannte European Champions. Großen Unternehmen wie der Telekom käme eine solche Reform zugute. “Es geht auch um die nötige Skalierung, die der Sektor braucht, um die nötigen Investitionen zu stemmen, die wir für den Netzausbau brauchen”, sagt Jakob Greiner.
Bis 2030 sollen alle Haushalte in der EU ans Glasfasernetz angeschlossen sein, das mobile 5G-Netz soll flächendeckend verfügbar sein. Es sei entscheidend, dass Europa nicht den Anschluss an die USA und China verliere, erklärt Greiner: “Wenn wir eine kränkelnde Infrastruktur haben, dann hat das auch direkte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.”
Damit der Netzausbau schneller vorangeht, arbeitet die EU am Gigabit Infrastructure Act, der unter anderem Genehmigungsverfahren beschleunigen soll. Laut Entwurf des Parlaments sollen Behörden künftig nur noch zwei Monate Zeit für eine Genehmigung haben. “Damit wären wir absolut zufrieden”, sagt Jakob Greiner und mahnt: Die Mitgliedsländer dürften bei den Reformen jetzt nicht auf die Bremse treten. Jana Hemmersmeier