Table.Briefing: Europe

Erneuerbaren-Auktionen + PFAS + Belarus-Sanktionen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die EU verschärft ihre Sanktionen gegen Belarus. Weitere 38 Personen und drei Organisationen wurden mit Sanktionen belegt. Der Grund sind Menschenrechtsverletzungen in dem Land, das den illegalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unterstützt. Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, sagte: Das unrechtmäßige Regime von Alexander Lukaschenko sei verantwortlich für “weitverbreitete und massive Verstöße gegen Menschenrechte und brutale Unterdrückung gegen alle Bereiche der Gesellschaft von Belarus”.

Die Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass die Russland-Sanktionen nicht über das befreundete Nachbarland umgangen werden können. Zusätzlich sind die Ausfuhrverbote nach Belarus auf einige hochsensible Güter und Technologien ausgeweitet worden, die zur militärischen und technologischen Aufrüstung des Aggressors beitragen. Der Rat verhängte außerdem ein zusätzliches Ausfuhrverbot für Schusswaffen und Munition sowie für Güter und Technologien, die für die Verwendung in der Luft- und Raumfahrtindustrie geeignet sind.

Nach der Aufkündigung des Getreidedeals am 17. Juli hat Russland gezielt Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur für den Getreideexport gerichtet. Insgesamt habe es mehr als 100 Attacken auf Hafenanlagen und Lager gegeben. Der Kiewer Generalstaatsanwalt prüft, ob er diese Angriffe als Kriegsverbrechen verfolgt. Verlieren Sie nicht die Zuversicht!

Ihr
Markus Grabitz
Bild von Markus  Grabitz

Analyse

Zweischneidige Erneuerbaren-Auktionen

Nach der Sommerpause stehen die finalen Voten für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie an und damit für die Erhöhung des EU-weit verpflichtenden Ziels auf 42,5 Prozent. Weitere 2,5 Prozentpunkte streben die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis an. Um Letzteres zu erreichen, soll die Kommission notfalls EU-weite Auktionen für Wind- und Solarparks durchführen, die dann auf das gemeinsame EU-Ziel angerechnet werden. So steht es in der ITRE-Position zur Strommarktreform, die der Industrieausschuss kurz vor der Sommerpause beschlossen hat.

Die Initiative der Grünen trifft auch bei der EVP auf Zustimmung. “Die Auktionen sind eine gute Option, um erneuerbare Energien mit Hilfe von Markprämien gemeinsam grenzüberschreitend auszuschreiben”, sagt Markus Pieper (CDU). Als Instrumente für europaweite Auktionen auf Unionsebene nennt der Text insbesondere von der EU abgesicherte Differenzverträge (CfDs) und langfristige, bilaterale Lieferverträge von Unternehmen (PPAs). Selbst nahe gelegene Infrastruktur und Speicher könnten mitgefördert werden.

Bis zu 210 GW Solar- oder 100 GW Windparks

Technisch könnten die Ausschreibungen nach den Vorstellungen der Grünen über den Finanzierungsmechanismus der Union für erneuerbare Energie durchgeführt werden. Er wurde mit der Governance-Verordnung eingeführt und ist seit dem Herbst 2020 nutzbar. Die erste Ausschreibung begann aber erst im April dieses Jahres. Luxemburg zahlt Geld in den Mechanismus ein, damit in Finnland erneuerbare Energien gebaut werden, die dann auf das luxemburgische Erneuerbaren-Ziel angerechnet werden. Unter dem neuen “Europäischen Auktionssystem für erneuerbare Energien” würden die Kapazitäten auf das 2,5-Prozent-Teilziel der EU angerechnet.

Dabei geht es um beachtliche Mengen, wie überschlägige Berechnungen von Agora Energiewende für Table.Media zeigen. Erreichbar wären die Strommengen rein theoretisch mit 210 Gigawatt (GW) Solarparks, 100 GW Wind onshore oder 60 GW Wind offshore, erläutert Strommarktexperte Christian Redl. Dass bisher erst wenige Mitgliedstaaten Interesse an grenzüberschreitenden Ausschreibungen zeigten, sieht er nicht unbedingt als Hindernis: “Wenn Standorte in einigen Staaten zunehmend knapp werden, könnte sich die Bereitstellung von Flächen finanziell stärker lohnen.”

WindEurope sieht 42,5 Prozent als Priorität

WindEurope begrüßt das geplante Auktionssystem als “zusätzliche Option”, hält es aber zunächst für vorrangig, den Erneuerbaren-Anteil überhaupt auf 42,5 Prozent zu steigern. “Priorität bleibt, bei der diesjährigen Überarbeitung der nationalen Energie- und Klimapläne für 2030 die Mengen und Details richtig festzulegen”, sagt ein Sprecher. “Im vergangenen Jahr wurde nur die Hälfte der neuen Windenergiekapazitäten installiert, die zur Erreichung der Ziele für 2030 erforderlich sind.”

Zwar wurden mit der RED III neue Beschleunigungsmöglichkeiten für Genehmigungen eingeführt, doch müssen diese auch genutzt werden. “Die Länderverwaltungen steigen uns aufs Dach, weil sie nicht wissen, wie die Bezirksregierungen die neuen Zeitvorgaben einhalten sollen“, sagt RED-Berichterstatter Pieper. Er verweist aber auch auf neue Genehmigungsfiktionen, falls die Behörden Fristen reißen sollten.

NECPs bilden die Grundlage

Die Energie- und Klimapläne bilden auch die Basis für das Tätigwerden der Kommission. Die EU-Ausschreibungen soll sie erst dann in die Wege leiten, wenn das 45-Prozent-Ziel mit Blick auf die NECPs voraussichtlich verfehlt wird. Die endgültigen Versionen müssen die Mitgliedstaaten bis Juni 2024 vorlegen. Wie schnell EU-Ausschreibungen dann tatsächlich kommen, dürfte auch von der Finanzierung abhängen, die bisher noch nicht geregelt ist.

“Eine gesicherte Finanzierung wäre ab 2028 über neue Gelder aus dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen möglich”, sagt Agora-Experte Redl. “Kurzfristig könnten freiwillige nationale Zahlungen aus dem bereits existierenden Renewables Financing Mechanism sowie nationale Mittel aus NextGenerationEU genutzt werden.”

“Der Deal war, Geld für höhere Erneuerbaren-Ziele”

Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss sieht noch weitere kurzfristige Finanzierungsoptionen. “Man kann das über das jährliche Budget regeln, über den Innovation Fund oder die Connecting Europe Facility“, sagt Bloss. Bevorzugen würde er allerdings bereits zugesagte Mittel für die Mitgliedstaaten aus REPowerEU. “Wir haben hier zusätzliche Zertifikate versteigert, es geht also auch um zusätzliche CO₂-Emissionen. Der Deal war, es gibt Geld aus REPowerEU für höhere Erneuerbaren-Ziele“.

Einen negativen Effekt könnten die EU-Ausschreibungen allerdings haben. Wenn wenig ambitionierte Staaten sehen, dass ihnen Brüssel mit EU-Geldern unter die Arme greift, könnten sie versucht sein, selbst wenig zu tun, um zum 2,5-Prozent-Ziel beizutragen. Das könnte sogar ein Grund sein, nicht zu offensiv für die neuen Auktionen zu werben.

  • Energie
  • Energiepolitik
  • Klima & Umwelt
  • Klimaschutz
  • REPowerEU

News

Verbände: Totalverbot von PFAS gefährdet Klimaziele

Große deutsche Industrieverbände warnen vor einer Gefährdung der EU-Klimaziele bei einem umfassenden Verbot sogenannter Ewigkeits-Chemikalien, wie es in der EU diskutiert wird. Kein Windrad, kein E-Auto, kein Energiespeicher, keine Halbleiter – ohne PFAS-Chemikalien ließen sich Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht produzieren, hieß es in einer Mitteilung von Autoindustrie (VDA), Maschinenbau (VDMA) sowie Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Schon zuvor hatten sich Wirtschaftsverbände gegen eine weitreichende Regulierung ausgesprochen.

Die Präsidentin des Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, warnte, ein pauschales PFAS-Verbot drohe zum “Klimaschutz-Boomerang” zu werden. Ohne die Chemikalien seien heute weder die bestehenden Fahrzeuge noch zukünftige Fahrzeugtechnologien denkbar. Maschinenbau-Präsident Karl Haeusgen zufolge wären “viele grüne Technologien, von Windenergieanlagen über die Wasserstofferzeugung bis hin zur Produktion von Brennstoffzellen” gefährdet.

Habeck: “Keine Überregulierung für die Wirtschaft”

Habeck sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: “Bessere Regulierung dort, wo es für den Verbraucherschutz notwendig ist, aber keine Überregulierung für die Wirtschaft, wo es Wachstum und Technologieentwicklung hemmt. Konkret heiße das: Da, wo diese Chemikalien nicht sicher für Mensch und Umwelt verwendet werden und gut durch andere Stoffe ersetzt werden können, sollten wir den schnellen Ausstieg befördern. Das gilt vor allem da, wo sie verbrauchernah eingesetzt werden.”

Zugleich dürfe aber nicht die Erneuerung der Industrie gefährdet werden, warnte der Grünen-Politiker. PFAS spielten eine zentrale Rolle für Technologien der Zukunft wie Halbleiter, Elektrolyseure und elektrische Antriebe. “Hier lassen sich PFAS auch nicht einfach ersetzen und hier dürfen wir die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt.”

Zuspruch erhielt Habeck von der FDP-Bundestagsfraktion. “Statt warmer Worte erwarten wir vom Wirtschaftsminister aber nun auch, dass er seinen Einfluss nutzt und das Umweltministerium in die Pflicht nimmt“, sagte die Sprecherin der Fraktion für Umwelt und Verbraucherschutz, Judith Skudelny, der dpa. “Habeck muss aktiv der bislang einseitig auf potenzielle Umweltrisiken abstellenden Argumentation des bei PFAS in der Bundesregierung federführenden Bundesumweltministeriums entgegenwirken.”

Industrie: Stoffe ohne Alternativen weiter erlauben

Die drei Industrieverbände fordern, Stoffe, für die es zurzeit noch keinen Ersatz gebe, sollten der Industrie weiter zur Verfügung stehen. Das sollte auch für Substanzen gelten, von denen kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgehe. PFAS mit Risiko sollten kontinuierlich ersetzt werden, wie es bereits üblich sei. Die Stoffe müssten differenziert und risikobasiert betrachtet werden, sagte ZVEI-Präsident Gunther Kegel.

In der EU wird über ein mögliches Verbot der Chemikaliengruppe diskutiert. Deutschland und andere Länder hatten vorgeschlagen, die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS fast komplett zu verbieten. Je nach Anwendung seien Übergangsfristen von bis zu dreizehneinhalb Jahren vorgesehen. Für einige wenige Bereiche gäbe es unbegrenzte Ausnahmen. Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen sei ein Großteil der Stoffe bislang noch nicht untersucht. Es gehe also um eine Art Vorsichtsmaßnahme. Die meisten der gut untersuchten Stoffe gelten der Europäische Umweltagentur (EEA) zufolge als mittel- bis hochtoxisch. dpa

  • Industrie
  • Klimapolitik
  • PFAS
  • Robert Habeck
  • Umweltschutz
  • VDMA
  • Verbraucherschutz
  • ZVEI

Baltische Staaten wollen früher ans EU-Stromnetz

Estland, Lettland und Litauen wollen ihre bislang ans russische Energiesystem gekoppelten Stromnetze im Februar 2025 mit dem übrigen in Kontinentaleuropa synchronisieren. Die Regierungschefs der drei baltischen EU- und Nato-Staaten unterzeichneten am Donnerstag eine entsprechende gemeinsame Erklärung – und billigten damit eine tags zuvor getroffene Übereinkunft der baltischen Stromnetzbetreiber. Damit werden sie sich fast ein Jahr früher als ursprünglich geplant an das europäische Stromnetz anbinden. 

“Gemeinsam mit Lettland und Litauen arbeiten wir daran, jegliche Abhängigkeit von russischer Energie zu beenden. Russlands Aggression in der Ukraine und der Einsatz von Energie als Waffe beweisen, dass es ein gefährliches und unberechenbares Land ist”, sagte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Die Einbindung in das russische Stromnetz stellte daher ein Risiko dar. 

EU-Energiekommissar Kadri Simson begrüßte das “historische Abkommen”, das die vollständige Integration der baltischen Staaten in das EU-Stromnetz ermögliche und ein “Symbol der europäischen Solidarität in Aktion” sei.

Estland, Lettland und Litauen haben vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Noch aber sind sie Teil eines gemeinsamen, synchrongeschalteten Stromnetzes mit Russland und Belarus – des aus Sowjetzeiten stammenden sogenannten BRELL-Ringsystems. Daher sie hatten bereits in den vergangenen Jahren mithilfe der EU-Kommission Schritte unternommen, um ihre Stromnetze bis Ende 2025 mit dem europäischen Netz zu synchronisieren. dpa

  • Energie
  • Energiepolitik
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  • Lettland
  • Litauen
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  • Ukraine-Krieg

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Heads

Eckhard Ruthemeyer: Warum der Bürgermeister von Soest regelmäßig nach Brüssel fährt

Als Eckhard Ruthemeyer zum ersten Mal das Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel betrat, spürte er Ehrfurcht. Er war mit einer Aufgabe gekommen: Seine Heimat, die 50.000-Einwohnerstadt Soest auf der europäischen Bühne vertreten. Der Grund: Der Bürgermeister nordrhein-westfälischen Kreisstadt war gerade in den Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR) gewählt worden.

Eckhard Ruthemeyers politisches Interesse zeichnete sich bereits in seiner Jugend in den 60ern in Georgsmarienhütte bei Osnabrück auf. Ein engagierter Lehrer begeisterte ihn auch außerhalb des Unterrichts für Politik. Mit 20 trat er der Jungen Union bei und Ruthemeyer lernt den CDU-Politiker und Europaabgeordneten Hans-Gert Pöttering kennen, der ihn beeindruckte. “Seine Tatkraft und sein Engagement inspirieren mich bis heute”, sagt Ruthemeyer. Die politische Vision Pötterings eines friedlich-geeinten und wirtschaftlich starken Europas prägt Ruthemeyer bis heute. Nach Jurastudium und Promotion arbeitete er in der Wolfsburger Stadtverwaltung, bis er nach Soest wechselte.

1999 tritt er dort als Kandidat für die CDU zur Bürgermeisterwahl an und wird gewählt. Seitdem hat er das Amt inne – ohne Unterbrechungen, fast schon ein Vierteljahrhundert. In der Lokalpolitik hat er in diesen Jahren einiges erlebt – die Flüchtlingskrise 2015, die Coronapandemie und nun den Ukrainekrieg. “Besonders ist dabei für mich, dass wir als Verwaltung in all den Jahren auf ein starkes Netz an Vereinen und Initiativen in Soest setzen konnten”, erzählt Ruthemeyer. Das sei besonders an der Stadt und unterscheide sie von Großstädten wie etwa Wolfsburg.

“Lokale Themen auf EU-Ebene sichtbar machen”

Seit März 2018 vertritt Soests erster Mann die Zivilgesellschaft im Europäischen Ausschuss der Regionen. Die 1994 gegründete Institution soll die Interessen der Bürger – etwa in den Gemeinden, Provinzen und Kreisen – auf europäischer Ebene sichtbar machen. Dafür finden alle zwei Monate Plenartagungen in Brüssel statt, die Vertreter der verschiedenen Fraktionen beraten dann über Themen und stellen Positionspapiere zusammen. Als Unionspolitiker gehört Ruthemeyer im AdR der EVP-Fraktion an. Vertreter der EU-Kommission nehmen an den Sitzungen teil, um die Themen aus der Lokalpolitik nachzuvollziehen und gegebenenfalls in ihre Gesetzesvorschläge einzuarbeiten. Der Ausschuss hat vor allem eine repräsentative Funktion.

“Zu Beginn meiner Amtszeit war ich immer drei Tage dort, doch als Bürgermeister stehen die Aufgaben vor Ort natürlich an erster Stelle”, sagt Ruthemeyer. Deswegen könne er nicht an jeder Tagung teilnehmen. Dennoch engagiere er sich gerne im AdR. “Für mich bedeutet die Arbeit im Ausschuss, die lokalen Themen auf der EU-Ebene sichtbar zu machen und den Bürgern so Gehör zu verschaffen“, sagt der Bürgermeister. Um die zusätzliche Arbeit im AdR zu stemmen, arbeite er eng mit der Stadtverwaltung zusammen. Zudem helfe es ihm, dass er inzwischen einiges an Erfahrung im Amt mitbringe und so effizienter arbeite als früher, sagt Ruthemeyer.

Für einen vollständigen Wechsel in die EU-Politik sei er aber zu alt, findet der Bürgermeister. Es sei deswegen umso wichtiger, dass sich die kommende Generation dem Thema widme. Angesichts der angespannten Lage auf unserem Kontinent ist es umso wichtiger, junge Menschen für Europa zu begeistern”, sagt er. Und vielleicht erginge es einigen dann so, wie ihm bei seinem ersten Besuch im Europäischen Parlament: Als er das Gebäude damals betrat, entdeckte er in einem Gang ein Foto von Hans-Gert Pöttering, seinem politischen Vorbild. Ein Gänsehautmoment, sagt Eckhard Ruthemeyer. Tim Morgenstern

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die EU verschärft ihre Sanktionen gegen Belarus. Weitere 38 Personen und drei Organisationen wurden mit Sanktionen belegt. Der Grund sind Menschenrechtsverletzungen in dem Land, das den illegalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unterstützt. Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, sagte: Das unrechtmäßige Regime von Alexander Lukaschenko sei verantwortlich für “weitverbreitete und massive Verstöße gegen Menschenrechte und brutale Unterdrückung gegen alle Bereiche der Gesellschaft von Belarus”.

    Die Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass die Russland-Sanktionen nicht über das befreundete Nachbarland umgangen werden können. Zusätzlich sind die Ausfuhrverbote nach Belarus auf einige hochsensible Güter und Technologien ausgeweitet worden, die zur militärischen und technologischen Aufrüstung des Aggressors beitragen. Der Rat verhängte außerdem ein zusätzliches Ausfuhrverbot für Schusswaffen und Munition sowie für Güter und Technologien, die für die Verwendung in der Luft- und Raumfahrtindustrie geeignet sind.

    Nach der Aufkündigung des Getreidedeals am 17. Juli hat Russland gezielt Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur für den Getreideexport gerichtet. Insgesamt habe es mehr als 100 Attacken auf Hafenanlagen und Lager gegeben. Der Kiewer Generalstaatsanwalt prüft, ob er diese Angriffe als Kriegsverbrechen verfolgt. Verlieren Sie nicht die Zuversicht!

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    Markus Grabitz
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    Zweischneidige Erneuerbaren-Auktionen

    Nach der Sommerpause stehen die finalen Voten für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie an und damit für die Erhöhung des EU-weit verpflichtenden Ziels auf 42,5 Prozent. Weitere 2,5 Prozentpunkte streben die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis an. Um Letzteres zu erreichen, soll die Kommission notfalls EU-weite Auktionen für Wind- und Solarparks durchführen, die dann auf das gemeinsame EU-Ziel angerechnet werden. So steht es in der ITRE-Position zur Strommarktreform, die der Industrieausschuss kurz vor der Sommerpause beschlossen hat.

    Die Initiative der Grünen trifft auch bei der EVP auf Zustimmung. “Die Auktionen sind eine gute Option, um erneuerbare Energien mit Hilfe von Markprämien gemeinsam grenzüberschreitend auszuschreiben”, sagt Markus Pieper (CDU). Als Instrumente für europaweite Auktionen auf Unionsebene nennt der Text insbesondere von der EU abgesicherte Differenzverträge (CfDs) und langfristige, bilaterale Lieferverträge von Unternehmen (PPAs). Selbst nahe gelegene Infrastruktur und Speicher könnten mitgefördert werden.

    Bis zu 210 GW Solar- oder 100 GW Windparks

    Technisch könnten die Ausschreibungen nach den Vorstellungen der Grünen über den Finanzierungsmechanismus der Union für erneuerbare Energie durchgeführt werden. Er wurde mit der Governance-Verordnung eingeführt und ist seit dem Herbst 2020 nutzbar. Die erste Ausschreibung begann aber erst im April dieses Jahres. Luxemburg zahlt Geld in den Mechanismus ein, damit in Finnland erneuerbare Energien gebaut werden, die dann auf das luxemburgische Erneuerbaren-Ziel angerechnet werden. Unter dem neuen “Europäischen Auktionssystem für erneuerbare Energien” würden die Kapazitäten auf das 2,5-Prozent-Teilziel der EU angerechnet.

    Dabei geht es um beachtliche Mengen, wie überschlägige Berechnungen von Agora Energiewende für Table.Media zeigen. Erreichbar wären die Strommengen rein theoretisch mit 210 Gigawatt (GW) Solarparks, 100 GW Wind onshore oder 60 GW Wind offshore, erläutert Strommarktexperte Christian Redl. Dass bisher erst wenige Mitgliedstaaten Interesse an grenzüberschreitenden Ausschreibungen zeigten, sieht er nicht unbedingt als Hindernis: “Wenn Standorte in einigen Staaten zunehmend knapp werden, könnte sich die Bereitstellung von Flächen finanziell stärker lohnen.”

    WindEurope sieht 42,5 Prozent als Priorität

    WindEurope begrüßt das geplante Auktionssystem als “zusätzliche Option”, hält es aber zunächst für vorrangig, den Erneuerbaren-Anteil überhaupt auf 42,5 Prozent zu steigern. “Priorität bleibt, bei der diesjährigen Überarbeitung der nationalen Energie- und Klimapläne für 2030 die Mengen und Details richtig festzulegen”, sagt ein Sprecher. “Im vergangenen Jahr wurde nur die Hälfte der neuen Windenergiekapazitäten installiert, die zur Erreichung der Ziele für 2030 erforderlich sind.”

    Zwar wurden mit der RED III neue Beschleunigungsmöglichkeiten für Genehmigungen eingeführt, doch müssen diese auch genutzt werden. “Die Länderverwaltungen steigen uns aufs Dach, weil sie nicht wissen, wie die Bezirksregierungen die neuen Zeitvorgaben einhalten sollen“, sagt RED-Berichterstatter Pieper. Er verweist aber auch auf neue Genehmigungsfiktionen, falls die Behörden Fristen reißen sollten.

    NECPs bilden die Grundlage

    Die Energie- und Klimapläne bilden auch die Basis für das Tätigwerden der Kommission. Die EU-Ausschreibungen soll sie erst dann in die Wege leiten, wenn das 45-Prozent-Ziel mit Blick auf die NECPs voraussichtlich verfehlt wird. Die endgültigen Versionen müssen die Mitgliedstaaten bis Juni 2024 vorlegen. Wie schnell EU-Ausschreibungen dann tatsächlich kommen, dürfte auch von der Finanzierung abhängen, die bisher noch nicht geregelt ist.

    “Eine gesicherte Finanzierung wäre ab 2028 über neue Gelder aus dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen möglich”, sagt Agora-Experte Redl. “Kurzfristig könnten freiwillige nationale Zahlungen aus dem bereits existierenden Renewables Financing Mechanism sowie nationale Mittel aus NextGenerationEU genutzt werden.”

    “Der Deal war, Geld für höhere Erneuerbaren-Ziele”

    Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss sieht noch weitere kurzfristige Finanzierungsoptionen. “Man kann das über das jährliche Budget regeln, über den Innovation Fund oder die Connecting Europe Facility“, sagt Bloss. Bevorzugen würde er allerdings bereits zugesagte Mittel für die Mitgliedstaaten aus REPowerEU. “Wir haben hier zusätzliche Zertifikate versteigert, es geht also auch um zusätzliche CO₂-Emissionen. Der Deal war, es gibt Geld aus REPowerEU für höhere Erneuerbaren-Ziele“.

    Einen negativen Effekt könnten die EU-Ausschreibungen allerdings haben. Wenn wenig ambitionierte Staaten sehen, dass ihnen Brüssel mit EU-Geldern unter die Arme greift, könnten sie versucht sein, selbst wenig zu tun, um zum 2,5-Prozent-Ziel beizutragen. Das könnte sogar ein Grund sein, nicht zu offensiv für die neuen Auktionen zu werben.

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    Verbände: Totalverbot von PFAS gefährdet Klimaziele

    Große deutsche Industrieverbände warnen vor einer Gefährdung der EU-Klimaziele bei einem umfassenden Verbot sogenannter Ewigkeits-Chemikalien, wie es in der EU diskutiert wird. Kein Windrad, kein E-Auto, kein Energiespeicher, keine Halbleiter – ohne PFAS-Chemikalien ließen sich Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht produzieren, hieß es in einer Mitteilung von Autoindustrie (VDA), Maschinenbau (VDMA) sowie Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Schon zuvor hatten sich Wirtschaftsverbände gegen eine weitreichende Regulierung ausgesprochen.

    Die Präsidentin des Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, warnte, ein pauschales PFAS-Verbot drohe zum “Klimaschutz-Boomerang” zu werden. Ohne die Chemikalien seien heute weder die bestehenden Fahrzeuge noch zukünftige Fahrzeugtechnologien denkbar. Maschinenbau-Präsident Karl Haeusgen zufolge wären “viele grüne Technologien, von Windenergieanlagen über die Wasserstofferzeugung bis hin zur Produktion von Brennstoffzellen” gefährdet.

    Habeck: “Keine Überregulierung für die Wirtschaft”

    Habeck sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: “Bessere Regulierung dort, wo es für den Verbraucherschutz notwendig ist, aber keine Überregulierung für die Wirtschaft, wo es Wachstum und Technologieentwicklung hemmt. Konkret heiße das: Da, wo diese Chemikalien nicht sicher für Mensch und Umwelt verwendet werden und gut durch andere Stoffe ersetzt werden können, sollten wir den schnellen Ausstieg befördern. Das gilt vor allem da, wo sie verbrauchernah eingesetzt werden.”

    Zugleich dürfe aber nicht die Erneuerung der Industrie gefährdet werden, warnte der Grünen-Politiker. PFAS spielten eine zentrale Rolle für Technologien der Zukunft wie Halbleiter, Elektrolyseure und elektrische Antriebe. “Hier lassen sich PFAS auch nicht einfach ersetzen und hier dürfen wir die Entwicklung von Technologien nicht durch Überregulierung verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Produktion erfolgt.”

    Zuspruch erhielt Habeck von der FDP-Bundestagsfraktion. “Statt warmer Worte erwarten wir vom Wirtschaftsminister aber nun auch, dass er seinen Einfluss nutzt und das Umweltministerium in die Pflicht nimmt“, sagte die Sprecherin der Fraktion für Umwelt und Verbraucherschutz, Judith Skudelny, der dpa. “Habeck muss aktiv der bislang einseitig auf potenzielle Umweltrisiken abstellenden Argumentation des bei PFAS in der Bundesregierung federführenden Bundesumweltministeriums entgegenwirken.”

    Industrie: Stoffe ohne Alternativen weiter erlauben

    Die drei Industrieverbände fordern, Stoffe, für die es zurzeit noch keinen Ersatz gebe, sollten der Industrie weiter zur Verfügung stehen. Das sollte auch für Substanzen gelten, von denen kein Risiko für Mensch und Umwelt ausgehe. PFAS mit Risiko sollten kontinuierlich ersetzt werden, wie es bereits üblich sei. Die Stoffe müssten differenziert und risikobasiert betrachtet werden, sagte ZVEI-Präsident Gunther Kegel.

    In der EU wird über ein mögliches Verbot der Chemikaliengruppe diskutiert. Deutschland und andere Länder hatten vorgeschlagen, die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS fast komplett zu verbieten. Je nach Anwendung seien Übergangsfristen von bis zu dreizehneinhalb Jahren vorgesehen. Für einige wenige Bereiche gäbe es unbegrenzte Ausnahmen. Wegen der enormen Vielfalt an Verbindungen sei ein Großteil der Stoffe bislang noch nicht untersucht. Es gehe also um eine Art Vorsichtsmaßnahme. Die meisten der gut untersuchten Stoffe gelten der Europäische Umweltagentur (EEA) zufolge als mittel- bis hochtoxisch. dpa

    • Industrie
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    Baltische Staaten wollen früher ans EU-Stromnetz

    Estland, Lettland und Litauen wollen ihre bislang ans russische Energiesystem gekoppelten Stromnetze im Februar 2025 mit dem übrigen in Kontinentaleuropa synchronisieren. Die Regierungschefs der drei baltischen EU- und Nato-Staaten unterzeichneten am Donnerstag eine entsprechende gemeinsame Erklärung – und billigten damit eine tags zuvor getroffene Übereinkunft der baltischen Stromnetzbetreiber. Damit werden sie sich fast ein Jahr früher als ursprünglich geplant an das europäische Stromnetz anbinden. 

    “Gemeinsam mit Lettland und Litauen arbeiten wir daran, jegliche Abhängigkeit von russischer Energie zu beenden. Russlands Aggression in der Ukraine und der Einsatz von Energie als Waffe beweisen, dass es ein gefährliches und unberechenbares Land ist”, sagte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Die Einbindung in das russische Stromnetz stellte daher ein Risiko dar. 

    EU-Energiekommissar Kadri Simson begrüßte das “historische Abkommen”, das die vollständige Integration der baltischen Staaten in das EU-Stromnetz ermögliche und ein “Symbol der europäischen Solidarität in Aktion” sei.

    Estland, Lettland und Litauen haben vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Noch aber sind sie Teil eines gemeinsamen, synchrongeschalteten Stromnetzes mit Russland und Belarus – des aus Sowjetzeiten stammenden sogenannten BRELL-Ringsystems. Daher sie hatten bereits in den vergangenen Jahren mithilfe der EU-Kommission Schritte unternommen, um ihre Stromnetze bis Ende 2025 mit dem europäischen Netz zu synchronisieren. dpa

    • Energie
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    Bevölkerungsentwicklung: Immer weniger Menschen aus EU-Ländern zieht es nach Berlin RBB24
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    Eckhard Ruthemeyer: Warum der Bürgermeister von Soest regelmäßig nach Brüssel fährt

    Als Eckhard Ruthemeyer zum ersten Mal das Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel betrat, spürte er Ehrfurcht. Er war mit einer Aufgabe gekommen: Seine Heimat, die 50.000-Einwohnerstadt Soest auf der europäischen Bühne vertreten. Der Grund: Der Bürgermeister nordrhein-westfälischen Kreisstadt war gerade in den Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR) gewählt worden.

    Eckhard Ruthemeyers politisches Interesse zeichnete sich bereits in seiner Jugend in den 60ern in Georgsmarienhütte bei Osnabrück auf. Ein engagierter Lehrer begeisterte ihn auch außerhalb des Unterrichts für Politik. Mit 20 trat er der Jungen Union bei und Ruthemeyer lernt den CDU-Politiker und Europaabgeordneten Hans-Gert Pöttering kennen, der ihn beeindruckte. “Seine Tatkraft und sein Engagement inspirieren mich bis heute”, sagt Ruthemeyer. Die politische Vision Pötterings eines friedlich-geeinten und wirtschaftlich starken Europas prägt Ruthemeyer bis heute. Nach Jurastudium und Promotion arbeitete er in der Wolfsburger Stadtverwaltung, bis er nach Soest wechselte.

    1999 tritt er dort als Kandidat für die CDU zur Bürgermeisterwahl an und wird gewählt. Seitdem hat er das Amt inne – ohne Unterbrechungen, fast schon ein Vierteljahrhundert. In der Lokalpolitik hat er in diesen Jahren einiges erlebt – die Flüchtlingskrise 2015, die Coronapandemie und nun den Ukrainekrieg. “Besonders ist dabei für mich, dass wir als Verwaltung in all den Jahren auf ein starkes Netz an Vereinen und Initiativen in Soest setzen konnten”, erzählt Ruthemeyer. Das sei besonders an der Stadt und unterscheide sie von Großstädten wie etwa Wolfsburg.

    “Lokale Themen auf EU-Ebene sichtbar machen”

    Seit März 2018 vertritt Soests erster Mann die Zivilgesellschaft im Europäischen Ausschuss der Regionen. Die 1994 gegründete Institution soll die Interessen der Bürger – etwa in den Gemeinden, Provinzen und Kreisen – auf europäischer Ebene sichtbar machen. Dafür finden alle zwei Monate Plenartagungen in Brüssel statt, die Vertreter der verschiedenen Fraktionen beraten dann über Themen und stellen Positionspapiere zusammen. Als Unionspolitiker gehört Ruthemeyer im AdR der EVP-Fraktion an. Vertreter der EU-Kommission nehmen an den Sitzungen teil, um die Themen aus der Lokalpolitik nachzuvollziehen und gegebenenfalls in ihre Gesetzesvorschläge einzuarbeiten. Der Ausschuss hat vor allem eine repräsentative Funktion.

    “Zu Beginn meiner Amtszeit war ich immer drei Tage dort, doch als Bürgermeister stehen die Aufgaben vor Ort natürlich an erster Stelle”, sagt Ruthemeyer. Deswegen könne er nicht an jeder Tagung teilnehmen. Dennoch engagiere er sich gerne im AdR. “Für mich bedeutet die Arbeit im Ausschuss, die lokalen Themen auf der EU-Ebene sichtbar zu machen und den Bürgern so Gehör zu verschaffen“, sagt der Bürgermeister. Um die zusätzliche Arbeit im AdR zu stemmen, arbeite er eng mit der Stadtverwaltung zusammen. Zudem helfe es ihm, dass er inzwischen einiges an Erfahrung im Amt mitbringe und so effizienter arbeite als früher, sagt Ruthemeyer.

    Für einen vollständigen Wechsel in die EU-Politik sei er aber zu alt, findet der Bürgermeister. Es sei deswegen umso wichtiger, dass sich die kommende Generation dem Thema widme. Angesichts der angespannten Lage auf unserem Kontinent ist es umso wichtiger, junge Menschen für Europa zu begeistern”, sagt er. Und vielleicht erginge es einigen dann so, wie ihm bei seinem ersten Besuch im Europäischen Parlament: Als er das Gebäude damals betrat, entdeckte er in einem Gang ein Foto von Hans-Gert Pöttering, seinem politischen Vorbild. Ein Gänsehautmoment, sagt Eckhard Ruthemeyer. Tim Morgenstern

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