Fortsetzung folgt: Ihre Verhandlungen über den Gaspreisdeckel haben die EU-Energieminister gestern wieder nicht abgeschlossen. Am Montag soll es eine letzte Runde zur genauen Höhe des Preisdeckels geben. Auf welche Punkte man sich immerhin schon mal geeinigt hat, lesen Sie in den News.
Viele Mitgliedstaaten befürchten aufgrund der hohen Energiepreise eine schleichende Abwanderung der Industrie. Auf dem anstehenden EU-Gipfel dürften die Staats- und Regierungschefs daher auch intensiv über den Inflation Reduction Act der US-Regierung diskutieren – sowie eine mögliche europäische Antwort auf das milliardenschwere Investitionsprogramm. Einigkeit besteht darüber noch längst nicht. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Souveränitätsfonds stößt auf Widerstand. Von der deutschen Industrie heißt es derweil: “Es geht nicht um Milliardensubventionen, sondern um Einfachheit und Verlässlichkeit der Förderung.” Till Hoppe, Manuel Berkel, Eric Bonse und Stephan Israel geben einen Ausblick auf den Gipfel.
In unserem heutigen Standpunkt beschäftigt sich Bärbel Kofler mit der EU-Lieferkettenrichtlinie. Ziel müsse es sein, dass Gesetze über unternehmerische Sorgfaltspflichten vor Ort wirken, also dort, wo die Verletzungen von Mensch und Umwelt passieren. Damit das gelingt, brauche es eine Reihe an Voraussetzungen, schreibt die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – unter anderem effektive und leicht zugängliche Klagemöglichkeiten für Betroffene.
Einige Großbaustellen konnten die Mitgliedstaaten noch rechtzeitig vor dem Gipfel schließen: So entschärften die EU-Botschafter den Streit mit Ungarn um eingefrorene Gelder, im Gegenzug machte Premier Viktor Orbán den Weg frei für Finanzhilfen an die Ukraine und die Umsetzung der globalen Mindeststeuer.
Dennoch erwarten Diplomaten, dass sich der eintägige Gipfel am Donnerstag bis tief in die Nacht hinziehen könnte. Denn die Energieminister konnten ihren Streit über einen Gaspreisdeckel am Dienstag nicht wie erhofft beilegen (siehe News). Tschechiens Energieminister Jozef Síkela sagte, die Minister wollten selbst am kommenden Montag eine Einigung finden. Trotzdem könnten die Staats- und Regierungschefs das Thema natürlich aus eigener Initiative aufrufen.
Einen möglichen Verhandlungsgegenstand für die Chefs nannte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, nämlich die Auslegung der Gipfelschlussfolgerungen von Ende Oktober. Damals hatten die Staatenlenker erklärt, “exzessive Preise” am Gasmarkt künftig verhindern zu wollen. Eben jene Frage nach der genauen Höhe des Preisdeckels konnte der Ministerrat gestern abermals nicht klären. “Sollte der Rat einen Hinweis geben, was er mit exzessiven Preisen gemeint hat, würde das die Umsetzung hier sicher erleichtern”, sagte Habeck.
Vorher treffen die Staats- und Regierungschefs am Mittwoch noch ihre Kollegen aus den Asean-Staaten. Es geht um die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den zehn südostasiatischen Ländern. Kanzler Olaf Scholz setzt auf Länder wie Thailand, Malaysia oder Vietnam, um die Abhängigkeit der eigenen Wirtschaft von China zu lösen.
Die hohen Energiepreise nähren in vielen Mitgliedstaaten die Sorge um seine “stille Abwanderung” der Industrie, wie ein hochrangiger EU-Diplomat sagt. Die Staats- und Regierungschefs werden daher diskutieren, welche Instrumente sie den Lockrufen der US-Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act und auch anderer Länder entgegensetzen können. Die Meinungen gehen noch erheblich auseinander.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich am Montag für einen Souveränitätsfonds ausgesprochen, der nicht nur aus den bestehenden EU-Töpfen finanziert werden solle. Dagegen gibt es Widerstand der “frugalen” Staaten, einschließlich Deutschlands. Das Corona-Aufbauprogramm Next Generation EU sei “noch randvoll gefüllt”, heißt es in Kreisen der Bundesregierung. “Das heißt, wir leiden nicht an Knappheit an möglichen Finanzierungsmitteln.”
Die Wirtschaft fordert vor allem bessere Standortbedingungen in der EU, auch die Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Patricia Lips, fordert einen “konsequenten Abbau von Bürokratie und Belastungen”.
Die Bundesregierung setzt in erster Linie auf nationale Förderprogramme und will dafür das Korsett des EU-Beihilferechts lockern. Der IRA ermögliche es, die Unternehmen etwa über Steuergutschriften viel direkter und schneller zu fördern. “Diese Art und Weise der Unterstützung wäre in Europa ohne Rechtsänderung schlichtweg nicht möglich.” So schreibe auch der temporäre Beihilferahmen für die Krise etliche Auflagen und Restriktionen vor, die die Auszahlung der Strom- und Gaspreisbremse an Großverbraucher in Deutschland enorm verkompliziere.
In der deutschen Industrie wird ähnlich argumentiert: “Es geht nicht um Milliardensubventionen, sondern um Einfachheit und Verlässlichkeit der Förderung”, sagt der Präsident des VDMA, Karl Haeusgen. “Hier können wir mit Sicherheit von den USA lernen.” Als Beispiel nennt Haeusgen die IPCEI-Förderprogramme: Der Maschinenbauverband habe erwogen, ein IPCEI für die Rohstoffversorgung aufzulegen. Angesichts des aufwändigen Antragsprozesses habe man “die Idee wieder zu Grabe getragen”.
In der Bundesregierung zeigt man sich aber zuversichtlich, in den Verhandlungen mit Washington noch Verbesserungen am IRA für die heimischen Autobauer und die energieintensive Industrie erreichen zu können. Die Gespräche mit der amerikanischen Regierung seien “sehr konstruktiv” und gingen während dieser Woche intensiv weiter. Kanzler Scholz habe darüber ausführlich mit US-Präsident Joe Biden gesprochen und sich intensiv mit vielen europäischen Staats- und Regierungschefs abgestimmt.
Daneben steht erneut die Ukraine ganz oben auf der Agenda. Neue Beschlüsse sind nicht zu erwarten, denn der Rat hat gute Vorarbeit geleistet: So wurde ein Hilfskredit von insgesamt 18 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, der nach der Einigung mit Ungarn voraussichtlich aus dem EU-Haushalt abgesichert werden kann. Außerdem wird die finanzielle Obergrenze für die Europäische Friedensfazilität um zwei Milliarden Euro erhöht. Von dem Geld sollen Waffen finanziert werden.
Ratspräsident Charles Michel will eine eingehende Debatte über die Frage führen, wie die EU ihre finanzielle und militärische Hilfe auf Dauer sicherstellen kann. Für Debatten könnten auch die Sanktionen sorgen. Das neunte Sanktionspaket ist noch nicht verabschiedet, es soll am Mittwoch von den EU-Botschaftern beraten werden.
Die Staats- und Regierungschefs werden zudem Bosnien und Herzegowina als Beitrittskandidat begrüßen. Bevor Beitrittsverhandlungen beginnen können, muss das Land allerdings eine Liste von 14 Schlüsselprioritäten umsetzen – im Fokus stehen die Stärkung des Rechtsstaates, der Kampf gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen.
Die EU hat, auch vor dem Hintergrund russischer Einflussnahme, die strategische Bedeutung der Region wiederentdeckt. Nach einem positiven Entscheid zu Bosnien wäre nur noch Kosovo ohne Status. Präsidentin Vjosa Osmani hat angekündigt, rechtzeitig zum Gipfel ein Beitrittsgesuch zu stellen. mit Manuel Berkel, Eric Bonse und Stephan Israel
Im Fall der Europaabgeordneten Eva Kaili, die der Korruption verdächtigt wird, hat die belgische Polizei 1,5 Millionen Euro sichergestellt. Das Geld wurde bei Razzien am Freitag und Montag in mehreren Wohnungen und Büros in Brüssel beschlagnahmt. Kaili, bislang eine von 14 Vizepräsidenten des Europaparlaments, wurde gestern als Vizepräsidentin mit einer Mehrheit von 625 Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen vom Europaparlament abgesetzt. Ihr Mandat hat sie bislang nicht zurückgegeben. Kaili hat über einen Anwalt erklärt, dass sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Sie wurde von der S&D-Fraktion im Europaparlament ebenso ausgeschlossen wie von der griechischen sozialistischen Partei PASOK.
Kaili ist die prominenteste Beschuldigte in dem Fall, in dem es um Bestechung im großen Stil durch einen nicht von der Staatsanwaltschaft benannten Golfstaat geht. Dem Vernehmen nach handelt es sich um das WM-Gastgeberland Katar. Weitere Beschuldigte sind Mitarbeiter von mehreren NGOs, die sich für Menschenrechte einsetzen. Vier Personen sind in Untersuchungshaft. Am Montag und Dienstag wurden auch am Straßburger Sitz des Parlaments Büros durchsucht. Die Rede ist von zehn Büros, darunter auch das Büro einer Mitarbeiterin des sozialistischen Abgeordneten Pietro Bartolo sowie das Büro der Beamtin Mychelle Rieu. Rieu arbeitet im Unterausschuss für Menschenrechte. Am Mittwoch soll Kaili vor einem Richter in Brüssel aussagen.
Bislang sind die genauen Umstände des Korruptionsfalls nicht klar. Im Europaparlament konzentrieren sich die Vorwürfe auf Kaili sowie den belgischen sozialistischen Abgeordneten Marc Tarabella. Tarabella wurde am Dienstag von der S&D-Fraktion ebenfalls ausgeschlossen. Auch die belgische Sozialistin Maria Arena, die den Unterausschuss für Menschenrechte leitet, lässt ihr Amt vorübergehend ruhen. Hintergrund ist, dass das Büro ihrer Assistentin durchsucht wurde, die früher für die NGO Fight Impunity gearbeitet hat.
Offenbar haben in dem Korruptionsfall NGOs wie Fight Impunity eine Schlüsselrolle. Die NGO Fight Impunity wurde von dem ehemaligen EU-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri gegründet, als er 2019 das Europaparlament verlassen hat. Panzeri war zu seinen Zeiten im Europaparlament Chef des Unterausschusses für Menschenrechte. Sein ehemaliger Mitarbeiter ist der Partner von Kaili, mit dem Kaili eine anderthalbjährige Tochter hat.
Unter der gleichen Adresse in Brüssel, wo die NGO Fight Impunity logiert, haben mehrere weitere NGOs mit Bezug zu Menschenrechten ihren Briefkasten. Auffällig ist, dass in den NGOs mehrere ehemalige EU-Kommissare Funktionen im Vorstand haben, wie etwa Emma Bonino, die ehemalige Außenbeauftragte Federica Mogherini sowie der ehemalige Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Es gibt weitere Verbindungen zwischen der NGO Fight Impunity und dem Europaparlament: Doriano Dragoni, der heute Berater im Europaparlament im Bereich Haushaltskontrolle ist, hat die NGO mitgegründet.
Daniel Caspary (CDU), Chef der deutschen Gruppe, sagt: “Der Fall Kaili zeigt deutlich die Schwachstellen der derzeitigen Regeln für NGOs.” Die Finanzierung und die Finanzstrukturen der NGOs müssten viel transparenter werden. “Wir fordern, dass künftig auch NGOs offenlegen, wie und woher sie finanziert werden und welche Auftraggeber dahinterstehen.” Dass mutmaßlich als Menschenrechtsorganisationen getarnte Nichtregierungsorganisationen gegen Geld offensiv die Interessen von autoritären Drittstaaten vertreten, die wiederum selbst Menschenrechte mit Füßen treten, mache fassungslos, so Caspary weiter.
Zudem rücken inoffizielle Freundschaftsgruppen in den Fokus. Neben den offiziellen Parlamentariergruppen, die etwa auch Beziehungen zu Abgeordneten auf der arabischen Halbinsel unterhalten, gibt es einen Katar-Freundschaftskreis im Europaparlament, dem 14 Abgeordnete aus mehreren Fraktionen angehören. Die Liste ist auf der Internetseite der Botschaft Katars in Belgien einzusehen. Kaili ist hier nicht aufgeführt.
Wenn die Mitglieder der Freundschaftskreise zu Reisen eingeladen werden, gibt es keinerlei Hinweise, wer die Reise bezahlt hat und ob Geschenke ausgetauscht wurden. Abgeordnete müssen nach dem Abgeordnetenstatut jedes Geschenk mit einem Wert von mehr als 150 Euro bei der Parlamentsverwaltung abgeben. Charlotte Wirth und Markus Grabitz
Die Energieminister haben sich gestern auf einige Eckpunkte für den Gaspreisdeckel geeinigt, einen Beschluss erwartet die Ratspräsidentschaft jedoch erst am 19. Dezember. Dort solle noch die Höhe des Preisdeckels geklärt werden, sagte Tschechiens Industrieminister Jozef Síkela am Abend. Erstmals deutete Síkela an, am Montag notfalls eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen zu wollen.
Dies kann als starkes Indiz für den Willen zur Annahme der Verordnung gewertet werden. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte nach dem Treffen, es könne am Montag zu einer Mehrheitsentscheidung kommen. Er bevorzuge allerdings eine Einigung, mit der alle zufrieden sind.
Auf vier bisher strittige Punkte konnten sich die Minister laut Síkela gestern jedoch im Grundsatz verständigen:
Am Dienstag hatte die Ratspräsidentschaft eine weitere Version des Verordnungsentwurfs erarbeitet. Der nötige Zeitraum für das Auslösen des Mechanismus wurde darin laut Síkela auf drei Tage verkürzt und zwar für beide Preislevel, die überschritten werden müssten – also den Derivate-Preis und den Spread zum LNG-Index. Dieser Schritt könnte dazu führen, dass der Mechanismus wesentlich häufiger aktiviert wird.
Simson sagte zudem, es bestehe Einigkeit, den Anwendungsbereich des Mechanismus von Frontmonatskontrakten auch auf Kontrakte von bis zu einem Jahr Laufzeit zu erweitern – was ebenfalls eine deutliche Ausweitung des Preisdeckels wäre. Eine Beschränkung auf den Frontmonat hätte laut Experten neben dem Ausschluss von OTC- und Spot-Geschäften am meisten Umgehungsmöglichkeiten offengelassen.
Ebenfalls am 19. Dezember sollen mit dem Marktkorrekturmechanismus auch die beiden Notfallverordnungen für den gemeinsamen Gaseinkauf und schnellere Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien verabschiedet werden. Eine Sperrminorität unter den Staaten hatte die drei Dossiers miteinander verknüpft. ber
Anfang Dezember waren Kompromissänderungsanträge zu dem Text gefunden worden, der die Einführung erneuerbarer Energien beschleunigen soll. Doch der Berichterstatter, Markus Pieper (EVP), beschloss schließlich, neue Änderungsanträge einzureichen, die auf heftige Kritik stießen. Der Ausgang der Abstimmung am heutigen Mittwoch ist daher ungewiss.
Markus Pieper habe das “Gentlemen’s Agreement” gebrochen, indem er seine eigenen Änderungsanträge eingebracht hat, um die Umweltvorschriften zugunsten der Entwicklung erneuerbarer Energien zu lockern, beklagen Parlamentarier anderer Fraktionen, die Teil der Verhandlungen sind. Er will insbesondere Natura-2000-Gebiete für Erneuerbare-Energien-Projekte zugänglich machen, wenn sie “das Schutzziel des Gebietes nicht wesentlich beeinträchtigen”. Außerdem will er den Ausschluss von Bioenergie in den sogenanten “go-to areas” – den bevorzugten Gebieten für die Einführung erneuerbarer Energien – zurücknehmen.
Die Grünen hingegen wollen nicht nur Biomassekraftwerke, sondern auch neue Wasserkraftanlagen aus den “go-to areas” ausschließen. Einige Fraktionen gaben an, für die alten Kompromissänderungsanträge stimmen zu wollen.
Auch die Kommission ist von den neuen, von Markus Pieper vorgeschlagenen Änderungsanträgen nicht begeistert. “Es gibt einige Änderungsanträge, die uns Sorgen bereiten”, sagte der Vizepräsident der europäischen Kommission, Frans Timmermans, in seiner gestrigen Rede vor dem Plenum. Er betonte, dass Anlagen zur Verbrennung von Biomasse überall errichtet werden können. “Deshalb schlägt die Kommission vor, sie von den günstigen Gebieten auszuschließen, im Gegensatz zu dem, was Sie in einigen Änderungsanträgen fordern”, sagte er.
Derzeit laufen die Trilogverhandlungen für die Überprüfung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED 3). Dabei geht es um Anteilsziele der Erneuerbaren in Industrie, Gebäuden und Verkehr sowie um die Wege dahin (zum Beispiel Wasserstoff oder eben Biomasse).
Mit dem im Mai dieses Jahres vorgeschlagen REPowerEU-Plan machte die Kommission einen Vorschlag für schnellere Genehmigungsverfahren (RED 4), die der Rat mit einer auf den Notfallparagraphen (Artikel 122) basierenden eigenen Verordnung (RED 5) frühzeitiger angegangen wissen möchte. RED 5 – an der das Parlament nicht beteiligt ist – kann schon Anfang nächstes Jahres in Kraft treten, gilt allerdings maximal 12 Monate. cst
Die Vereinten Nationen haben den historischen Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion mit Blick auf die Klimakrise begrüßt. “Es handelt sich um eine äußerst wichtige Entwicklung, die im Kampf gegen den Klimawandel eine große Hilfe sein könnte”, sagte Sprecher Stéphane Dujarric am Dienstag in New York. Dabei betonte er, dass es bis zur regulären Produktion von sauberem Strom mit der Methode der Verschmelzung von Atomkernen noch lange dauern könnte. “Es gibt eine Krise, die jetzt stattfindet.” Deshalb dürften der Privatsektor und Regierungen in keiner Weise ihre Bemühungen bei der Einsparung von CO2 verlangsamen.
Zuvor hatte die US-Regierung erklärt, dass es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals gelungen war, beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen. In Zukunft könnte mithilfe der Kernfusion womöglich klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugt werden. Allerdings dürfte es bis zur kommerziellen Nutzung des Verfahrens wegen weiterhin großer technischer Hürden noch ein weiter, viele Jahre andauernder Weg sein. dpa
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den EU-Kompromiss für eine gemeinsame Umsetzung der globalen Mindeststeuer begrüßt. “Der Weg ist frei für eine Umsetzung in der EU”, sagte der FDP-Vorsitzende am Dienstag in Berlin. Die Arbeiten an einer entsprechenden Richtlinie sollten schnell beginnen. Deutschland plane die Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent für größere Unternehmen 2024 in Kraft zu setzen. In Europa sollte es ebenfalls einen ehrgeizigen Zeitplan geben.
“Sie wird nicht die Belastung unserer Wirtschaft erhöhen”, twitterte Lindner zudem. Es werde mehr Fairness gegenüber Standorten geben, die auf Steuerdumping setzten. Die Mindeststeuer soll weltweit für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, vor allem international tätige und digitale Konzerne stärker in die Pflicht nehmen, die heute aufgrund geschickter Gewinnverlagerungen oft kaum Steuern zahlen.
Die EU hatte sich am späten Montagabend auf einen Kompromiss mit Ungarn geeinigt. Damit wird auch der Weg für weitere Ukraine-Hilfen in Höhe von 18 Milliarden Euro frei. Dafür wurde die Summe der blockierten Milliardenzahlungen an Ungarn im Streit über Verstöße gegen Rechtsstaatsprinzipen reduziert. rtr
Wie bereits angekündigt, hat die tschechische Ratspräsidentschaft bei einem Treffen auf Arbeitsebene am 13. Dezember einen dritten Kompromissvorschlag für den Data Act vorgelegt. Damit geht das Dossier nun an die schwedische Ratspräsidentschaft über.
Die wichtigsten Änderungen im dritten Kompromisspapier zum Data Act sind:
Neben weiteren Änderungen schlägt die tschechische Ratspräsidentschaft vor, die Frist für die Anwendung der künftigen Verordnung von zwölf auf 18 Monate zu verlängern. Außerdem fordert sie die Kommission auf, die Auswirkungen der Verordnung auf Geschäftsgeheimnisse zu prüfen – wie auch die Fähigkeit der zuständigen Behörden, die Umsetzung der neuen Regeln zu gewährleisten. vis
Die EU-Kommission hat gestern Nachmittag ihren Entwurf für einen Angemessenheitsbeschluss für die USA unter dem EU-US Data Privacy Framework vorgelegt. Darin wird ausführlich erläutert, welche Zusicherungen die US-Seite gegeben hat, um einen besseren Schutz personenbezogener Daten in den USA zu gewährleisten, die ursprünglich unter der Datenschutzgrundverordnung erhoben wurden.
Auf 134 Seiten inklusive Anhängen erläutert die Kommission, wie das System künftig funktionieren soll: Wie schon bei Safe Harbor und Privacy Shield, den Vorläufern des EU-US DPF, sollen US-Unternehmen sich bei der Federal Trade Commission registrieren und dabei über US-Recht hinausgehende Zusicherungen abgeben. Komplementär dazu hat die US-Regierung zum einen die Befugnisse der Nachrichtendienste angepasst und ihnen per Präsidialverfügung schärfere Regeln zum Umgang mit personenbezogenen Daten auferlegt sowie die Rechtswegmöglichkeiten für Nicht-US-Bürger beim Verdacht der illegalen Datennutzung erweitert.
Der Entwurf des Angemessenheitsbeschlusses nach Artikel 45 DSGVO wird nun von den Mitgliedstaaten und den Aufsichtsbehörden geprüft, diese geben eine für die Kommission unverbindliche Stellungnahme ab. Das Europaparlament kann den Vorschlag akzeptieren oder mit Mehrheit verwerfen, was aber derzeit als unwahrscheinlich gilt. Kommission und US-Seite hatten fast eineinhalb Jahre darüber verhandelt. fst
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt am 1. Januar 2023 in Kraft – ein Meilenstein für die Stärkung und den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen für eine EU-weite Lieferkettenregulierung – der Corporate Sustainability Due Diligence Directive – auf Hochtouren. Unternehmerische Sorgfaltspflichten werden damit nun endlich verbindlich – ein schon lange überfälliger Schritt.
In der aktuellen Debatte rund um die gesetzlichen Regelungen stehen jedoch vor allem die möglichen Herausforderungen für deutsche und europäische Unternehmen im Fokus. Oft rückt dabei in den Hintergrund, worum es bei den Entwicklungen wirklich geht: die Lebensbedingungen entlang globaler Lieferketten zu verbessern und die Rechte der Betroffenen zu stärken. Diesem Anspruch müssen wir gerecht werden – sowohl mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als auch im Hinblick auf die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie.
Denn die Missstände in den globalen Wertschöpfungsketten mit über 450 Millionen Beschäftigten sind groß. Viele der Produkte und Rohstoffe für den deutschen und europäischen Markt werden unter untragbaren Umwelt- und Arbeitsbedingungen, für Hungerlöhne oder sogar mithilfe ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt oder abgebaut. Laut neuesten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) leisten weltweit 27,6 Millionen Menschen Zwangsarbeit, davon mehr als 3,3 Millionen Kinder.
Vor allem vulnerable und marginalisierte Gruppen wie Frauen und Mädchen erleben in allen Sektoren oftmals mehrfache Diskriminierung und geschlechtsspezifische Formen der Gewalt – ob als Näherinnen in Textilfabriken, als Bäuerinnen auf dem Feld oder im Dienstleistungssektor. Die Covid-19-Pandemie hat diese geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung weiter verschlechtert.
Auch die negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm: Bei der Textilproduktion etwa werden pro Jahr 43 Millionen Tonnen Chemikalien eingesetzt. Leiten Fabriken diese direkt über ihr Abwasser in umliegende Gewässer, gefährden sie damit auch die Gesundheit der Menschen in den angrenzenden Gemeinden. Der Textilsektor verursacht zudem mehr als ein Drittel des Mikroplastiks in den Weltmeeren.
Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden finden aber nicht nur weit entfernt, sondern auch in Europa statt, etwa in Form von Ausbeutung der Arbeitsmigrant*innen in deutschen Schlachthöfen.
Alle diese Beispiele verdeutlichen: Gesetze über unternehmerische Sorgfaltspflichten müssen vor allem dort Wirkung entfalten, wo die Verletzungen von Mensch und Umwelt stattfinden. Doch wie erreichen wir diese gewünschte Effektivität – vor allem mit Blick auf die EU-Richtlinie?
Für das, worum es tatsächlich geht – um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten – brauchen wir also staatliches und unternehmerisches Engagement sowie klare und wirkungsvolle gesetzliche Rahmenbedingungen. Das geht aber natürlich nicht ohne die erforderliche Unterstützung. Das BMZ weitet daher derzeit bestehende nationale Angebote für Unternehmen und Zivilgesellschaft auf die EU-Ebene aus.
Denn sicher ist: Wirksamkeit werden wir nur erzielen, wenn private und freiwillige Instrumente einerseits sowie staatliche und verbindliche Instrumente anderseits ineinandergreifen – ganz im Sinne der Betroffenen in unseren Wertschöpfungsketten.
Der Klimaklub, den Olaf Scholz als G7-Vorsitz am Montag offiziell gegründet hat, bietet offenbar keinen Schutz vor internationalen Handelsbarrieren wie dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Das stellte CBAM-Berichterstatter Mohammed Chahim (S&D) am Dienstag klar. Kurz zuvor kam es im Trilog zu einer Einigung zu Umfang und Wirkungsweise des CBAM (Europe.Table berichtete). Der Klimaklub habe keine Verknüpfung zum CBAM, sagte Chahim. Ausnahmen vom Klimazoll gebe es nur für Länder mit eigenem CO2-Preis.
Damit ist auch die ursprüngliche Idee des scholzschen Wahlkampfschlagers dahin, insbesondere EU-Partnerländern die Angst vor ebenjenem CBAM zu nehmen. Ziel des Klubs war es mal, klimapolitisch ambitionierten Ländern Ausnahmen von klimapolitischen Handelsschranken zu gewähren. Als Scholz die Idee erstmalig aussprach, wurde die Einführung des CBAM bereits unter den 27 EU-Staaten diskutiert. Die Verknüpfung der beiden Ideen war offenkundig.
Jochen Flasbarth, Deutschlands renommiertester Klimapolitiker, sagte als damaliger Staatssekretär im Umweltministerium in einem Interview mit Europe.Table sogar, dass es in einer “idealen Welt” mit Klimaklubs gar keinen CBAM brauche. Nun wissen wir endgültig, dass wir von dieser idealen Welt weit entfernt sind. Denn mittlerweile heißt es aus dem BMWK, wo der Klimaklub inhaltlich angesiedelt ist, dass der Klub nicht das Ziel habe, “spezifische Instrumente (wie bspw. CBAM) zu bewerben oder deren Einsatz zu fördern”.
Der Klimaklub soll seinen Mitgliedern “ein Forum für den allgemeinen Austausch über Risiken von Carbon Leakage und deren Begrenzung” bieten, so eine BMWK-Sprecherin. Ein Forum? Das klingt deutlich schwächer als noch zu Beginn, als die Mitgliedschaft im Klimaklub an hohe Hürden gebunden werden sollte. Darunter: Pläne zur Klimaneutralität und Emissionssenkung sowie die Erfassung und Bepreisung der industriellen Emissionen.
Dass dieser verwässerte Klimaklub dennoch in der Lage ist, die Kritik aus Drittstaaten am europäischen CBAM zu besänftigen, scheint daher mehr als fraglich. Zudem ist längst nicht klar, wie es unter der anstehenden japanischen G7-Präsidentschaft mit dem Klimaklub weitergeht. Gut möglich, dass er als gut gemeinte, aber schlecht umgesetzte Idee einfach versandet. Lukas Scheid
Fortsetzung folgt: Ihre Verhandlungen über den Gaspreisdeckel haben die EU-Energieminister gestern wieder nicht abgeschlossen. Am Montag soll es eine letzte Runde zur genauen Höhe des Preisdeckels geben. Auf welche Punkte man sich immerhin schon mal geeinigt hat, lesen Sie in den News.
Viele Mitgliedstaaten befürchten aufgrund der hohen Energiepreise eine schleichende Abwanderung der Industrie. Auf dem anstehenden EU-Gipfel dürften die Staats- und Regierungschefs daher auch intensiv über den Inflation Reduction Act der US-Regierung diskutieren – sowie eine mögliche europäische Antwort auf das milliardenschwere Investitionsprogramm. Einigkeit besteht darüber noch längst nicht. Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagene Souveränitätsfonds stößt auf Widerstand. Von der deutschen Industrie heißt es derweil: “Es geht nicht um Milliardensubventionen, sondern um Einfachheit und Verlässlichkeit der Förderung.” Till Hoppe, Manuel Berkel, Eric Bonse und Stephan Israel geben einen Ausblick auf den Gipfel.
In unserem heutigen Standpunkt beschäftigt sich Bärbel Kofler mit der EU-Lieferkettenrichtlinie. Ziel müsse es sein, dass Gesetze über unternehmerische Sorgfaltspflichten vor Ort wirken, also dort, wo die Verletzungen von Mensch und Umwelt passieren. Damit das gelingt, brauche es eine Reihe an Voraussetzungen, schreibt die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – unter anderem effektive und leicht zugängliche Klagemöglichkeiten für Betroffene.
Einige Großbaustellen konnten die Mitgliedstaaten noch rechtzeitig vor dem Gipfel schließen: So entschärften die EU-Botschafter den Streit mit Ungarn um eingefrorene Gelder, im Gegenzug machte Premier Viktor Orbán den Weg frei für Finanzhilfen an die Ukraine und die Umsetzung der globalen Mindeststeuer.
Dennoch erwarten Diplomaten, dass sich der eintägige Gipfel am Donnerstag bis tief in die Nacht hinziehen könnte. Denn die Energieminister konnten ihren Streit über einen Gaspreisdeckel am Dienstag nicht wie erhofft beilegen (siehe News). Tschechiens Energieminister Jozef Síkela sagte, die Minister wollten selbst am kommenden Montag eine Einigung finden. Trotzdem könnten die Staats- und Regierungschefs das Thema natürlich aus eigener Initiative aufrufen.
Einen möglichen Verhandlungsgegenstand für die Chefs nannte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, nämlich die Auslegung der Gipfelschlussfolgerungen von Ende Oktober. Damals hatten die Staatenlenker erklärt, “exzessive Preise” am Gasmarkt künftig verhindern zu wollen. Eben jene Frage nach der genauen Höhe des Preisdeckels konnte der Ministerrat gestern abermals nicht klären. “Sollte der Rat einen Hinweis geben, was er mit exzessiven Preisen gemeint hat, würde das die Umsetzung hier sicher erleichtern”, sagte Habeck.
Vorher treffen die Staats- und Regierungschefs am Mittwoch noch ihre Kollegen aus den Asean-Staaten. Es geht um die Vertiefung der Zusammenarbeit mit den zehn südostasiatischen Ländern. Kanzler Olaf Scholz setzt auf Länder wie Thailand, Malaysia oder Vietnam, um die Abhängigkeit der eigenen Wirtschaft von China zu lösen.
Die hohen Energiepreise nähren in vielen Mitgliedstaaten die Sorge um seine “stille Abwanderung” der Industrie, wie ein hochrangiger EU-Diplomat sagt. Die Staats- und Regierungschefs werden daher diskutieren, welche Instrumente sie den Lockrufen der US-Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Act und auch anderer Länder entgegensetzen können. Die Meinungen gehen noch erheblich auseinander.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich am Montag für einen Souveränitätsfonds ausgesprochen, der nicht nur aus den bestehenden EU-Töpfen finanziert werden solle. Dagegen gibt es Widerstand der “frugalen” Staaten, einschließlich Deutschlands. Das Corona-Aufbauprogramm Next Generation EU sei “noch randvoll gefüllt”, heißt es in Kreisen der Bundesregierung. “Das heißt, wir leiden nicht an Knappheit an möglichen Finanzierungsmitteln.”
Die Wirtschaft fordert vor allem bessere Standortbedingungen in der EU, auch die Vize-Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Patricia Lips, fordert einen “konsequenten Abbau von Bürokratie und Belastungen”.
Die Bundesregierung setzt in erster Linie auf nationale Förderprogramme und will dafür das Korsett des EU-Beihilferechts lockern. Der IRA ermögliche es, die Unternehmen etwa über Steuergutschriften viel direkter und schneller zu fördern. “Diese Art und Weise der Unterstützung wäre in Europa ohne Rechtsänderung schlichtweg nicht möglich.” So schreibe auch der temporäre Beihilferahmen für die Krise etliche Auflagen und Restriktionen vor, die die Auszahlung der Strom- und Gaspreisbremse an Großverbraucher in Deutschland enorm verkompliziere.
In der deutschen Industrie wird ähnlich argumentiert: “Es geht nicht um Milliardensubventionen, sondern um Einfachheit und Verlässlichkeit der Förderung”, sagt der Präsident des VDMA, Karl Haeusgen. “Hier können wir mit Sicherheit von den USA lernen.” Als Beispiel nennt Haeusgen die IPCEI-Förderprogramme: Der Maschinenbauverband habe erwogen, ein IPCEI für die Rohstoffversorgung aufzulegen. Angesichts des aufwändigen Antragsprozesses habe man “die Idee wieder zu Grabe getragen”.
In der Bundesregierung zeigt man sich aber zuversichtlich, in den Verhandlungen mit Washington noch Verbesserungen am IRA für die heimischen Autobauer und die energieintensive Industrie erreichen zu können. Die Gespräche mit der amerikanischen Regierung seien “sehr konstruktiv” und gingen während dieser Woche intensiv weiter. Kanzler Scholz habe darüber ausführlich mit US-Präsident Joe Biden gesprochen und sich intensiv mit vielen europäischen Staats- und Regierungschefs abgestimmt.
Daneben steht erneut die Ukraine ganz oben auf der Agenda. Neue Beschlüsse sind nicht zu erwarten, denn der Rat hat gute Vorarbeit geleistet: So wurde ein Hilfskredit von insgesamt 18 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, der nach der Einigung mit Ungarn voraussichtlich aus dem EU-Haushalt abgesichert werden kann. Außerdem wird die finanzielle Obergrenze für die Europäische Friedensfazilität um zwei Milliarden Euro erhöht. Von dem Geld sollen Waffen finanziert werden.
Ratspräsident Charles Michel will eine eingehende Debatte über die Frage führen, wie die EU ihre finanzielle und militärische Hilfe auf Dauer sicherstellen kann. Für Debatten könnten auch die Sanktionen sorgen. Das neunte Sanktionspaket ist noch nicht verabschiedet, es soll am Mittwoch von den EU-Botschaftern beraten werden.
Die Staats- und Regierungschefs werden zudem Bosnien und Herzegowina als Beitrittskandidat begrüßen. Bevor Beitrittsverhandlungen beginnen können, muss das Land allerdings eine Liste von 14 Schlüsselprioritäten umsetzen – im Fokus stehen die Stärkung des Rechtsstaates, der Kampf gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen.
Die EU hat, auch vor dem Hintergrund russischer Einflussnahme, die strategische Bedeutung der Region wiederentdeckt. Nach einem positiven Entscheid zu Bosnien wäre nur noch Kosovo ohne Status. Präsidentin Vjosa Osmani hat angekündigt, rechtzeitig zum Gipfel ein Beitrittsgesuch zu stellen. mit Manuel Berkel, Eric Bonse und Stephan Israel
Im Fall der Europaabgeordneten Eva Kaili, die der Korruption verdächtigt wird, hat die belgische Polizei 1,5 Millionen Euro sichergestellt. Das Geld wurde bei Razzien am Freitag und Montag in mehreren Wohnungen und Büros in Brüssel beschlagnahmt. Kaili, bislang eine von 14 Vizepräsidenten des Europaparlaments, wurde gestern als Vizepräsidentin mit einer Mehrheit von 625 Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen vom Europaparlament abgesetzt. Ihr Mandat hat sie bislang nicht zurückgegeben. Kaili hat über einen Anwalt erklärt, dass sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Sie wurde von der S&D-Fraktion im Europaparlament ebenso ausgeschlossen wie von der griechischen sozialistischen Partei PASOK.
Kaili ist die prominenteste Beschuldigte in dem Fall, in dem es um Bestechung im großen Stil durch einen nicht von der Staatsanwaltschaft benannten Golfstaat geht. Dem Vernehmen nach handelt es sich um das WM-Gastgeberland Katar. Weitere Beschuldigte sind Mitarbeiter von mehreren NGOs, die sich für Menschenrechte einsetzen. Vier Personen sind in Untersuchungshaft. Am Montag und Dienstag wurden auch am Straßburger Sitz des Parlaments Büros durchsucht. Die Rede ist von zehn Büros, darunter auch das Büro einer Mitarbeiterin des sozialistischen Abgeordneten Pietro Bartolo sowie das Büro der Beamtin Mychelle Rieu. Rieu arbeitet im Unterausschuss für Menschenrechte. Am Mittwoch soll Kaili vor einem Richter in Brüssel aussagen.
Bislang sind die genauen Umstände des Korruptionsfalls nicht klar. Im Europaparlament konzentrieren sich die Vorwürfe auf Kaili sowie den belgischen sozialistischen Abgeordneten Marc Tarabella. Tarabella wurde am Dienstag von der S&D-Fraktion ebenfalls ausgeschlossen. Auch die belgische Sozialistin Maria Arena, die den Unterausschuss für Menschenrechte leitet, lässt ihr Amt vorübergehend ruhen. Hintergrund ist, dass das Büro ihrer Assistentin durchsucht wurde, die früher für die NGO Fight Impunity gearbeitet hat.
Offenbar haben in dem Korruptionsfall NGOs wie Fight Impunity eine Schlüsselrolle. Die NGO Fight Impunity wurde von dem ehemaligen EU-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri gegründet, als er 2019 das Europaparlament verlassen hat. Panzeri war zu seinen Zeiten im Europaparlament Chef des Unterausschusses für Menschenrechte. Sein ehemaliger Mitarbeiter ist der Partner von Kaili, mit dem Kaili eine anderthalbjährige Tochter hat.
Unter der gleichen Adresse in Brüssel, wo die NGO Fight Impunity logiert, haben mehrere weitere NGOs mit Bezug zu Menschenrechten ihren Briefkasten. Auffällig ist, dass in den NGOs mehrere ehemalige EU-Kommissare Funktionen im Vorstand haben, wie etwa Emma Bonino, die ehemalige Außenbeauftragte Federica Mogherini sowie der ehemalige Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Es gibt weitere Verbindungen zwischen der NGO Fight Impunity und dem Europaparlament: Doriano Dragoni, der heute Berater im Europaparlament im Bereich Haushaltskontrolle ist, hat die NGO mitgegründet.
Daniel Caspary (CDU), Chef der deutschen Gruppe, sagt: “Der Fall Kaili zeigt deutlich die Schwachstellen der derzeitigen Regeln für NGOs.” Die Finanzierung und die Finanzstrukturen der NGOs müssten viel transparenter werden. “Wir fordern, dass künftig auch NGOs offenlegen, wie und woher sie finanziert werden und welche Auftraggeber dahinterstehen.” Dass mutmaßlich als Menschenrechtsorganisationen getarnte Nichtregierungsorganisationen gegen Geld offensiv die Interessen von autoritären Drittstaaten vertreten, die wiederum selbst Menschenrechte mit Füßen treten, mache fassungslos, so Caspary weiter.
Zudem rücken inoffizielle Freundschaftsgruppen in den Fokus. Neben den offiziellen Parlamentariergruppen, die etwa auch Beziehungen zu Abgeordneten auf der arabischen Halbinsel unterhalten, gibt es einen Katar-Freundschaftskreis im Europaparlament, dem 14 Abgeordnete aus mehreren Fraktionen angehören. Die Liste ist auf der Internetseite der Botschaft Katars in Belgien einzusehen. Kaili ist hier nicht aufgeführt.
Wenn die Mitglieder der Freundschaftskreise zu Reisen eingeladen werden, gibt es keinerlei Hinweise, wer die Reise bezahlt hat und ob Geschenke ausgetauscht wurden. Abgeordnete müssen nach dem Abgeordnetenstatut jedes Geschenk mit einem Wert von mehr als 150 Euro bei der Parlamentsverwaltung abgeben. Charlotte Wirth und Markus Grabitz
Die Energieminister haben sich gestern auf einige Eckpunkte für den Gaspreisdeckel geeinigt, einen Beschluss erwartet die Ratspräsidentschaft jedoch erst am 19. Dezember. Dort solle noch die Höhe des Preisdeckels geklärt werden, sagte Tschechiens Industrieminister Jozef Síkela am Abend. Erstmals deutete Síkela an, am Montag notfalls eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen zu wollen.
Dies kann als starkes Indiz für den Willen zur Annahme der Verordnung gewertet werden. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte nach dem Treffen, es könne am Montag zu einer Mehrheitsentscheidung kommen. Er bevorzuge allerdings eine Einigung, mit der alle zufrieden sind.
Auf vier bisher strittige Punkte konnten sich die Minister laut Síkela gestern jedoch im Grundsatz verständigen:
Am Dienstag hatte die Ratspräsidentschaft eine weitere Version des Verordnungsentwurfs erarbeitet. Der nötige Zeitraum für das Auslösen des Mechanismus wurde darin laut Síkela auf drei Tage verkürzt und zwar für beide Preislevel, die überschritten werden müssten – also den Derivate-Preis und den Spread zum LNG-Index. Dieser Schritt könnte dazu führen, dass der Mechanismus wesentlich häufiger aktiviert wird.
Simson sagte zudem, es bestehe Einigkeit, den Anwendungsbereich des Mechanismus von Frontmonatskontrakten auch auf Kontrakte von bis zu einem Jahr Laufzeit zu erweitern – was ebenfalls eine deutliche Ausweitung des Preisdeckels wäre. Eine Beschränkung auf den Frontmonat hätte laut Experten neben dem Ausschluss von OTC- und Spot-Geschäften am meisten Umgehungsmöglichkeiten offengelassen.
Ebenfalls am 19. Dezember sollen mit dem Marktkorrekturmechanismus auch die beiden Notfallverordnungen für den gemeinsamen Gaseinkauf und schnellere Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien verabschiedet werden. Eine Sperrminorität unter den Staaten hatte die drei Dossiers miteinander verknüpft. ber
Anfang Dezember waren Kompromissänderungsanträge zu dem Text gefunden worden, der die Einführung erneuerbarer Energien beschleunigen soll. Doch der Berichterstatter, Markus Pieper (EVP), beschloss schließlich, neue Änderungsanträge einzureichen, die auf heftige Kritik stießen. Der Ausgang der Abstimmung am heutigen Mittwoch ist daher ungewiss.
Markus Pieper habe das “Gentlemen’s Agreement” gebrochen, indem er seine eigenen Änderungsanträge eingebracht hat, um die Umweltvorschriften zugunsten der Entwicklung erneuerbarer Energien zu lockern, beklagen Parlamentarier anderer Fraktionen, die Teil der Verhandlungen sind. Er will insbesondere Natura-2000-Gebiete für Erneuerbare-Energien-Projekte zugänglich machen, wenn sie “das Schutzziel des Gebietes nicht wesentlich beeinträchtigen”. Außerdem will er den Ausschluss von Bioenergie in den sogenanten “go-to areas” – den bevorzugten Gebieten für die Einführung erneuerbarer Energien – zurücknehmen.
Die Grünen hingegen wollen nicht nur Biomassekraftwerke, sondern auch neue Wasserkraftanlagen aus den “go-to areas” ausschließen. Einige Fraktionen gaben an, für die alten Kompromissänderungsanträge stimmen zu wollen.
Auch die Kommission ist von den neuen, von Markus Pieper vorgeschlagenen Änderungsanträgen nicht begeistert. “Es gibt einige Änderungsanträge, die uns Sorgen bereiten”, sagte der Vizepräsident der europäischen Kommission, Frans Timmermans, in seiner gestrigen Rede vor dem Plenum. Er betonte, dass Anlagen zur Verbrennung von Biomasse überall errichtet werden können. “Deshalb schlägt die Kommission vor, sie von den günstigen Gebieten auszuschließen, im Gegensatz zu dem, was Sie in einigen Änderungsanträgen fordern”, sagte er.
Derzeit laufen die Trilogverhandlungen für die Überprüfung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED 3). Dabei geht es um Anteilsziele der Erneuerbaren in Industrie, Gebäuden und Verkehr sowie um die Wege dahin (zum Beispiel Wasserstoff oder eben Biomasse).
Mit dem im Mai dieses Jahres vorgeschlagen REPowerEU-Plan machte die Kommission einen Vorschlag für schnellere Genehmigungsverfahren (RED 4), die der Rat mit einer auf den Notfallparagraphen (Artikel 122) basierenden eigenen Verordnung (RED 5) frühzeitiger angegangen wissen möchte. RED 5 – an der das Parlament nicht beteiligt ist – kann schon Anfang nächstes Jahres in Kraft treten, gilt allerdings maximal 12 Monate. cst
Die Vereinten Nationen haben den historischen Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion mit Blick auf die Klimakrise begrüßt. “Es handelt sich um eine äußerst wichtige Entwicklung, die im Kampf gegen den Klimawandel eine große Hilfe sein könnte”, sagte Sprecher Stéphane Dujarric am Dienstag in New York. Dabei betonte er, dass es bis zur regulären Produktion von sauberem Strom mit der Methode der Verschmelzung von Atomkernen noch lange dauern könnte. “Es gibt eine Krise, die jetzt stattfindet.” Deshalb dürften der Privatsektor und Regierungen in keiner Weise ihre Bemühungen bei der Einsparung von CO2 verlangsamen.
Zuvor hatte die US-Regierung erklärt, dass es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals gelungen war, beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie zu gewinnen als zu verbrauchen. In Zukunft könnte mithilfe der Kernfusion womöglich klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugt werden. Allerdings dürfte es bis zur kommerziellen Nutzung des Verfahrens wegen weiterhin großer technischer Hürden noch ein weiter, viele Jahre andauernder Weg sein. dpa
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den EU-Kompromiss für eine gemeinsame Umsetzung der globalen Mindeststeuer begrüßt. “Der Weg ist frei für eine Umsetzung in der EU”, sagte der FDP-Vorsitzende am Dienstag in Berlin. Die Arbeiten an einer entsprechenden Richtlinie sollten schnell beginnen. Deutschland plane die Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent für größere Unternehmen 2024 in Kraft zu setzen. In Europa sollte es ebenfalls einen ehrgeizigen Zeitplan geben.
“Sie wird nicht die Belastung unserer Wirtschaft erhöhen”, twitterte Lindner zudem. Es werde mehr Fairness gegenüber Standorten geben, die auf Steuerdumping setzten. Die Mindeststeuer soll weltweit für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, vor allem international tätige und digitale Konzerne stärker in die Pflicht nehmen, die heute aufgrund geschickter Gewinnverlagerungen oft kaum Steuern zahlen.
Die EU hatte sich am späten Montagabend auf einen Kompromiss mit Ungarn geeinigt. Damit wird auch der Weg für weitere Ukraine-Hilfen in Höhe von 18 Milliarden Euro frei. Dafür wurde die Summe der blockierten Milliardenzahlungen an Ungarn im Streit über Verstöße gegen Rechtsstaatsprinzipen reduziert. rtr
Wie bereits angekündigt, hat die tschechische Ratspräsidentschaft bei einem Treffen auf Arbeitsebene am 13. Dezember einen dritten Kompromissvorschlag für den Data Act vorgelegt. Damit geht das Dossier nun an die schwedische Ratspräsidentschaft über.
Die wichtigsten Änderungen im dritten Kompromisspapier zum Data Act sind:
Neben weiteren Änderungen schlägt die tschechische Ratspräsidentschaft vor, die Frist für die Anwendung der künftigen Verordnung von zwölf auf 18 Monate zu verlängern. Außerdem fordert sie die Kommission auf, die Auswirkungen der Verordnung auf Geschäftsgeheimnisse zu prüfen – wie auch die Fähigkeit der zuständigen Behörden, die Umsetzung der neuen Regeln zu gewährleisten. vis
Die EU-Kommission hat gestern Nachmittag ihren Entwurf für einen Angemessenheitsbeschluss für die USA unter dem EU-US Data Privacy Framework vorgelegt. Darin wird ausführlich erläutert, welche Zusicherungen die US-Seite gegeben hat, um einen besseren Schutz personenbezogener Daten in den USA zu gewährleisten, die ursprünglich unter der Datenschutzgrundverordnung erhoben wurden.
Auf 134 Seiten inklusive Anhängen erläutert die Kommission, wie das System künftig funktionieren soll: Wie schon bei Safe Harbor und Privacy Shield, den Vorläufern des EU-US DPF, sollen US-Unternehmen sich bei der Federal Trade Commission registrieren und dabei über US-Recht hinausgehende Zusicherungen abgeben. Komplementär dazu hat die US-Regierung zum einen die Befugnisse der Nachrichtendienste angepasst und ihnen per Präsidialverfügung schärfere Regeln zum Umgang mit personenbezogenen Daten auferlegt sowie die Rechtswegmöglichkeiten für Nicht-US-Bürger beim Verdacht der illegalen Datennutzung erweitert.
Der Entwurf des Angemessenheitsbeschlusses nach Artikel 45 DSGVO wird nun von den Mitgliedstaaten und den Aufsichtsbehörden geprüft, diese geben eine für die Kommission unverbindliche Stellungnahme ab. Das Europaparlament kann den Vorschlag akzeptieren oder mit Mehrheit verwerfen, was aber derzeit als unwahrscheinlich gilt. Kommission und US-Seite hatten fast eineinhalb Jahre darüber verhandelt. fst
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt am 1. Januar 2023 in Kraft – ein Meilenstein für die Stärkung und den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen für eine EU-weite Lieferkettenregulierung – der Corporate Sustainability Due Diligence Directive – auf Hochtouren. Unternehmerische Sorgfaltspflichten werden damit nun endlich verbindlich – ein schon lange überfälliger Schritt.
In der aktuellen Debatte rund um die gesetzlichen Regelungen stehen jedoch vor allem die möglichen Herausforderungen für deutsche und europäische Unternehmen im Fokus. Oft rückt dabei in den Hintergrund, worum es bei den Entwicklungen wirklich geht: die Lebensbedingungen entlang globaler Lieferketten zu verbessern und die Rechte der Betroffenen zu stärken. Diesem Anspruch müssen wir gerecht werden – sowohl mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als auch im Hinblick auf die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie.
Denn die Missstände in den globalen Wertschöpfungsketten mit über 450 Millionen Beschäftigten sind groß. Viele der Produkte und Rohstoffe für den deutschen und europäischen Markt werden unter untragbaren Umwelt- und Arbeitsbedingungen, für Hungerlöhne oder sogar mithilfe ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt oder abgebaut. Laut neuesten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) leisten weltweit 27,6 Millionen Menschen Zwangsarbeit, davon mehr als 3,3 Millionen Kinder.
Vor allem vulnerable und marginalisierte Gruppen wie Frauen und Mädchen erleben in allen Sektoren oftmals mehrfache Diskriminierung und geschlechtsspezifische Formen der Gewalt – ob als Näherinnen in Textilfabriken, als Bäuerinnen auf dem Feld oder im Dienstleistungssektor. Die Covid-19-Pandemie hat diese geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung weiter verschlechtert.
Auch die negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm: Bei der Textilproduktion etwa werden pro Jahr 43 Millionen Tonnen Chemikalien eingesetzt. Leiten Fabriken diese direkt über ihr Abwasser in umliegende Gewässer, gefährden sie damit auch die Gesundheit der Menschen in den angrenzenden Gemeinden. Der Textilsektor verursacht zudem mehr als ein Drittel des Mikroplastiks in den Weltmeeren.
Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden finden aber nicht nur weit entfernt, sondern auch in Europa statt, etwa in Form von Ausbeutung der Arbeitsmigrant*innen in deutschen Schlachthöfen.
Alle diese Beispiele verdeutlichen: Gesetze über unternehmerische Sorgfaltspflichten müssen vor allem dort Wirkung entfalten, wo die Verletzungen von Mensch und Umwelt stattfinden. Doch wie erreichen wir diese gewünschte Effektivität – vor allem mit Blick auf die EU-Richtlinie?
Für das, worum es tatsächlich geht – um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten – brauchen wir also staatliches und unternehmerisches Engagement sowie klare und wirkungsvolle gesetzliche Rahmenbedingungen. Das geht aber natürlich nicht ohne die erforderliche Unterstützung. Das BMZ weitet daher derzeit bestehende nationale Angebote für Unternehmen und Zivilgesellschaft auf die EU-Ebene aus.
Denn sicher ist: Wirksamkeit werden wir nur erzielen, wenn private und freiwillige Instrumente einerseits sowie staatliche und verbindliche Instrumente anderseits ineinandergreifen – ganz im Sinne der Betroffenen in unseren Wertschöpfungsketten.
Der Klimaklub, den Olaf Scholz als G7-Vorsitz am Montag offiziell gegründet hat, bietet offenbar keinen Schutz vor internationalen Handelsbarrieren wie dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Das stellte CBAM-Berichterstatter Mohammed Chahim (S&D) am Dienstag klar. Kurz zuvor kam es im Trilog zu einer Einigung zu Umfang und Wirkungsweise des CBAM (Europe.Table berichtete). Der Klimaklub habe keine Verknüpfung zum CBAM, sagte Chahim. Ausnahmen vom Klimazoll gebe es nur für Länder mit eigenem CO2-Preis.
Damit ist auch die ursprüngliche Idee des scholzschen Wahlkampfschlagers dahin, insbesondere EU-Partnerländern die Angst vor ebenjenem CBAM zu nehmen. Ziel des Klubs war es mal, klimapolitisch ambitionierten Ländern Ausnahmen von klimapolitischen Handelsschranken zu gewähren. Als Scholz die Idee erstmalig aussprach, wurde die Einführung des CBAM bereits unter den 27 EU-Staaten diskutiert. Die Verknüpfung der beiden Ideen war offenkundig.
Jochen Flasbarth, Deutschlands renommiertester Klimapolitiker, sagte als damaliger Staatssekretär im Umweltministerium in einem Interview mit Europe.Table sogar, dass es in einer “idealen Welt” mit Klimaklubs gar keinen CBAM brauche. Nun wissen wir endgültig, dass wir von dieser idealen Welt weit entfernt sind. Denn mittlerweile heißt es aus dem BMWK, wo der Klimaklub inhaltlich angesiedelt ist, dass der Klub nicht das Ziel habe, “spezifische Instrumente (wie bspw. CBAM) zu bewerben oder deren Einsatz zu fördern”.
Der Klimaklub soll seinen Mitgliedern “ein Forum für den allgemeinen Austausch über Risiken von Carbon Leakage und deren Begrenzung” bieten, so eine BMWK-Sprecherin. Ein Forum? Das klingt deutlich schwächer als noch zu Beginn, als die Mitgliedschaft im Klimaklub an hohe Hürden gebunden werden sollte. Darunter: Pläne zur Klimaneutralität und Emissionssenkung sowie die Erfassung und Bepreisung der industriellen Emissionen.
Dass dieser verwässerte Klimaklub dennoch in der Lage ist, die Kritik aus Drittstaaten am europäischen CBAM zu besänftigen, scheint daher mehr als fraglich. Zudem ist längst nicht klar, wie es unter der anstehenden japanischen G7-Präsidentschaft mit dem Klimaklub weitergeht. Gut möglich, dass er als gut gemeinte, aber schlecht umgesetzte Idee einfach versandet. Lukas Scheid