Table.Briefing: Europe

E-Fuels im Wahlkampf + Chip-Mangel + Pegasus-Spyware

  • E-Fuels: Motor oder Bremse der Dekarbonisierung?
  • Termine der kommenden Wochen
  • Lieferkrise bei Chips hält an
  • Pegasus-Spyware beschäftigt Innenausschuss
  • Ostausschuss fordert mehr Klimakooperationen
  • Standpunkt: DIN-CEO Winterhalter über Standards für die Circular Economy
Liebe Leserin, lieber Leser,

der Chipmangel bremst wichtige Wirtschaftszweige aus, Besserung ist nicht in Sicht – die Krise dürfte sich bis ins nächste Jahr ziehen, berichtet Falk Steiner. Dafür verdichten sich die Anzeichen, dass es Fortschritte an anderer Stelle gibt: bei den Gesprächen zwischen Politik und Chipherstellern über Investitionen in Deutschland und Europa. Wir bleiben für Sie dran.

Was hat ein “Delegated Act” der EU-Kommission mit dem Bundestagswahlkampf zu tun? Beim näheren Hinsehen sehr viel, wie Lukas Scheid zeigt. Die Brüsseler Behörde wird im Herbst definieren, wie hoch die Anforderungen an E-Fuels sein sollen. Davon aber hängt ab, welche Zukunft der Verbrenner in Zeiten des Klimaschutzes noch hat. Der VDA warnt bereits vor zu scharfen Kriterien.

Circular Economy: Auch dazu wird die Kommission noch weitreichende Vorschläge präsentieren. Christoph Winterhalter, CEO des Deutschen Instituts für Normung (DIN), dringt in seinem lesenswerten Beitrag darauf, bereits jetzt die für die Kreislaufwirtschaft nötigen Standards anzugehen: “Sie verbinden Industrien, die bisher nicht miteinander in Berührung gekommen sind, und ermöglichen so erst neue Geschäftsmodelle“.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

E-Fuels: Motor oder Bremse der Dekarbonisierung?

Ein Fünftel der gesamten Treibhausgasemissionen der EU kommt aus dem Straßenverkehr. Die Emissionen zu reduzieren, spielt bei der Erfüllung der EU-Klimaziele daher eine wichtige Rolle. Im “Fit for 55”-Paket hat die EU-Kommission im Juli vorgeschlagen, dass sowohl PKW als auch leichte Nutzfahrzeuge ab 2035 keine Netto-CO2-Emissionen mehr verursachen sollen.

Eine Möglichkeit für die Kommission, den Straßenverkehr zu dekarbonisieren, ist die Förderung von sogenannten “erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs”. Das sind Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis, die durch einen Elektrolyse-Vorgang zu Benzin oder Diesel aufbereitet werden (auch Power-to-Liquid bzw. PtL oder E-Fuels genannt), oder direkt als Wasserstoff eine eigene Brennstoffzelle im Fahrzeug betreiben.

Ein Rechtsakt der EU-Kommission soll noch in diesem Jahr die nötigen Rahmenbedingungen für die Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen schaffen. Dabei geht es vor allem um die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit die Kraftstoffe als vollständig erneuerbar gelten. Die Entscheidung ist hochpolitisch und vor allem für die Autoindustrie relevant, da noch nicht entschieden ist, auf welche Technologie man im Straßenverkehr der Zukunft setzen wird.

Rechtsakt entscheidet über künftige Strategie

Anders als im Flug- und Schiffsverkehr, wo eine Elektrifizierung derzeit technisch noch nicht umsetzbar ist, setzt sich im Straßenverkehr bereits die E-Mobilität durch. Die Frage ist: Setzen die Unternehmen nur auf dieses eine Pferd – oder schließen sie auch andere erneuerbare Kraftstoffe in ihre Strategie ein? Das hängt nicht zuletzt von dem Rechtsakt und der Entscheidung ab, wann Wasserstoff und E-Fuels als erneuerbar gelten.

Sind die Regeln zu streng, könnte es für Autobauer und Kraftstoffhersteller unwirtschaftlich sein, auf E-Fuels und Wasserstoff im Tank zu setzen. Hohe Anforderungen an die emissionsarme Produktion der Kraftstoffe würden die Preise hochtreiben. Sind die Regeln der Kommission zu lasch, wäre das CO2-Einsparungspotenzial geringer, da auch emittierende Kraftstoffe als “erneuerbar” eingestuft werden könnten.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betont zwar, dass der Rechtsakt eine “nachprüfbar erneuerbare Herstellung von E-Fuels” ermöglichen müsse. Allerdings solle er zumindest anfangs nicht zu streng ausgelegt werden und Übergangsfristen erlauben, so ein Sprecher. So könne der Markthochlauf überhaupt ermöglicht werden. Erst wenn die Technologie wettbewerbsfähig ist, sollten die Kriterien zur Herstellung schrittweise verschärft werden.

E-Fuels nur bedingt nachhaltig

Das Problem von Kraftstoffen auf Wasserstoff-Basis ist ihre derzeit ambivalente Ökobilanz, denn sie sind nur unter bestimmten Bedingungen nachhaltiger als fossile. Bezieht man die notwendige Energie für die Produktion von E-Fuels aus den derzeitigen Stromnetzen der EU, sind die Emissionen dreimal höher als bei fossilen Kraftstoffen.

Das liegt daran, dass der Energiemix in nahezu allen EU-Ländern noch immer hauptsächlich auf fossilen Energieträgern beruht. Damit E-Fuels und Wasserstoff-Fahrzeuge also überhaupt eine Chance haben, einen Beitrag für den Klimaschutz und das Erreichen der EU-Klimaziele zu leisten, müssten sie mithilfe der Erneuerbaren produziert werden.

Hinzu kommt: Auch die Herkunft des Kohlenstoffs, welcher für die Elektrolyse benötigt wird, wirkt sich auf die Klimabilanz von E-Fuels aus. Nur wenn dieser aus nicht-fossilen Quellen stammt (etwa durch Direct Air Capture), kann die Herstellung und Verbrennung von E-Fuels zumindest theoretisch CO2-neutral sein. Die folgerichtige Frage, welche Rolle E-Fuels und Wasserstoff überhaupt bei der Dekarbonisierung des Straßenverkehrs spielen sollten, ist deshalb auch Gegenstand des Bundestagswahlkampfes.

Die Grünen setzen voll auf das Elektroauto. Sie wollen Wasserstoff und E-Fuels nur in den Bereichen einsetzen, wo es derzeit noch keine Alternativen gibt – in der Industrie, im Flug- oder Schiffsverkehr. Die FDP fordert dagegen eine Zulassung von E-Fuels, da so auch die Verbrenner-Bestandsflotten dekarbonisiert werden könnten.

Die von der Union geführte Bundesregierung mit der Sozialdemokratin Svenja Schulz im Umweltministerium hat sich bereits im Februar darauf geeinigt, dass 28 Prozent des Energiebedarfs im Verkehrssektor aus Erneuerbaren kommen soll. Sie schließt auf dem Weg dorthin keine Technologie aus. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz unterstützt Mineralölunternehmen sogar bei der Herstellung von E-Fuels, indem diese sich die Produktion für die Erfüllung der Treibhausgasminderungsquote anrechnen lassen können. Grüner Wasserstoff lässt sich sogar doppelt anrechnen.

Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Kirsten Lühmann, machte am Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung allerdings deutlich, dass E-Fuels nur eine Übergangslösung seien: “Auf lange Sicht wird sich, aus meiner jetzigen Perspektive, auf der Straße der Batterieantrieb durchsetzen.”

Unterschiedliche Strategien der Autobauer

Auch die Industrie ist sich uneins, welcher Pfad hin zu einem emissionsfreien Straßenverkehr der richtige ist. Der VDA bevorzugt die mehrgleisige Lösung: “E-Fuels kommt eine besondere Bedeutung bei der Erreichung eines klimaneutralen Verkehrs zu”, teilte ein Sprecher mit.

VW hat aber bereits den rein elektrischen Weg eingeschlagen und will 70 Prozent seines Absatzes bis 2030 aus E-Autos gewinnen. Die VW-Tochter Audi will schon ab 2026 keine Benzin- und Dieselautos mehr entwickeln. BMW dagegen setzt auf Technologiepluralität: Zwar möchte der bayrische Autobauer auch seine Produktpalette elektrifizieren. Allerdings bastelt BMW auch an Wasserstoff-Fahrzeugen und begrüßt die Förderung von E-Fuels, um den Verbrenner zu erhalten.

Die Verkehrs-NGO Transport & Environment (T&E) spricht sich hingegen für ein Ende des Verbrenners im Straßenverkehr aus. E-Fuels betrachtet sie als “Scheinlösung”. Das liegt vor allem an der Energie-Ineffizienz von E-Fuels: Selbst wenn der Kraftstoff komplett mit Energie aus erneuerbaren Quellen hergestellt wird, benötigt er laut einer Analyse von T&E für dieselbe Fahrstrecke annähernd das Fünffache an Energie im Vergleich zum batteriebetriebenen E-Auto. Das eröffnet auch die Frage, wie die noch limitierte Menge an Erneuerbaren am effizientesten genutzt wird, ohne dass Konkurrenz zwischen den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten entsteht.

Dem Klima wäre nicht geholfen, wenn Erneuerbare an Stellen eingesetzt werden, wo es effizientere Methoden gibt. Auch auf die Frage, ob ein Kraftstoff als erneuerbar gilt, wenn der dafür aufgewendete Strom anderweitig besser genutzt wäre, wird die Kommission eine Antwort finden müssen.

  • E-Fuels
  • Elektromobilität
  • Klimaschutz
  • Mobilität
  • Wasserstoff

Termine

26.08.2021 – 16:30-18:00 Uhr, online
DGAP, Discussion Allied Perspective: German Foreign Policy After the Election
The discussion organized by Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) invites international experts to share their views on the German election campaign and to debate possible challenges for German foreign policy in the next 4 years. INFORMATION & REGISTRATION

30.08.2021 – 09:00-09:30 Uhr, online
SE, Seminar Illuminate, Secure, Empower – Managed Detection and Response Launch
This Siemens Energy (SE) webinar outlines key opportunities and challenges in the advanced monitoring service capabilities market. INFOS & REGISTRATION

30.08.2021 – 10:00-12:30 Uhr, online
D21, Diskussion Sitzung der AG Datendemokratie
Die Initiative D21 möchte eine Diskussion darüber eröffnen, wie Daten für eine digitale und nachhaltige Landwirtschaft nutzbar gemacht werden können. INFOS & ANMELDUNG

31.08.-02.09.2021, online
DGLR, Konferenz Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress
Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) setzt auf ihrem Kongress einen besonderen Schwerpunkt auf den Green Deal und beschäftigt sich mit dem Beitrag, der durch saubere Kraftstoffe geleistet werden kann. INFOS & ANMELDUNG

31.08.2021 – 10:00-12:30 Uhr, online
BMU, Diskussion Community-Treff: Nachhaltige Digitalisierung
Die Veranstaltung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) beschäftigt sich mit der EU-Digitalpolitik, insbesondere im Hinblick auf europäische Souveränität und Nachhaltigkeit. ANMELDUNG

31.08.2021 – 10:00-12:00 Uhr, online
Eco, Seminar Security Expert Talk: KI und Machine Learning in der Cybersicherheit
Das Webinar von Eco (Verband der Internetwirtschaft) stellt vor, wie KI bereits heute dafür genutzt wird, Cyber-Angriffe zu entdecken, Schäden zu vermeiden und Risiken im Digitalisierungsprozess zu minimieren. INFOS & ANMELDUNG

01.09.2021 – 18:00-19:00 Uhr
VBW, Vortrag Wahl-Spezial mit Dorothee Bär, MdB
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) lädt Dorothee Bär ein, um über die Zukunft des digitalen Staates in Deutschland zu sprechen. INFOS & ANMELDUNG

02.09.-03.09.2021, Prag (Tschechien)
Conference Pathways into a Sustainable Future
This conference focuses on current innovations in different areas of green technologies and data analysis and provides a platform for exchange between researchers, companies and policy makers from the Czech Republic, Saxony and Bavaria. INFOS & REGISTRATION

02.09.2021 – 14:00-16:15 Uhr, online
Eurogas, Conference European Gas Tech: Delivering on 2050
The Eurogas Conference examines the benefits of renewable and decarbonised gas technologies with a special focus on small and mid-sized towns. Registration

02.09.2021 – 15:00-17:00 Uhr, online
GMF, Panel Discussion Information Manipulation in Germany’s Federal Election
The German Marshall Fund (GMF) addresses the potential threats stemming from domestic and foreign actors seeking to influence and undermine the democratic process during Germany’s election campaign. INFOS & REGISTRATION

06.09.-10.09.2021, online
Gaia-X Hub, Vorträge Gaia-X: Nutzen für den Mittelstand
Hochrangige Expertinnen und Experten stellen bei der Veranstaltung des Gaia-X Hub anhand branchenspezifischer Anwendungsbeispiele vor, was Gaia-X für Unternehmen bedeutet. ANMELDUNG

06.09.2021 – 17:00 Uhr, online
Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union, Diskussion “Fit for 55”-Paket – wird es die Versprechen für ambitionierten Klimaschutz einlösen?
Die Landesvertretung Baden-Württembergs bei der Europäischen Union beschäftigt sich mit dem “Fit for 55”-Paket und bietet die Gelegenheit, Themenkomplexe wie die Rolle des Emissionshandels, die Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten und die Ausgestaltung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

06.09.2021 – 18:00-19:00 Uhr, online
VBW, Podiumsdiskussion Mobilität von morgen – Perspektiven für nachhaltige Verkehrslösungen
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) lädt zur Diskussion über das Verhältnis von wirtschaftlichem Erfolg und nachhaltiger Verkehrswende. INFOS & ANMELDUNG

06.09.-10.09.2021, online
Conference European Photovoltaic Solar Energy Conference
The EU PVSEC gathers the European photovoltaic community to address the new solar momentum in Europe and to discuss the entire range of PV research, technologies, and applications with a special emphasis on the latest scientific, technological, and market-related trends. PROGRAM

29.09.2021 – 10:00-13:00 Uhr, Mailand (Italien)/online
EUSH, Workshop Is climate change really happening? Learning from the past to look into the future
The EU Science Hub interactive event features an interdisciplinary group of scientists presenting on key insights of climate change research and casting a glaze into the coming decades. REGISTRATION UNTIL 31 AUGUST

Lieferkrise: Lösungen so rar wie Chips

Der Chipmangel trifft die Automobilindustrie mitten im Umbruch: Der Aufstieg der Elektromobilität belastet klassische Geschäftsfelder wie Motoren und Getriebe; Wachstum versprechen vor allem intelligentere IT-Lösungen – automatisiertes oder gar autonomes Fahren ist ohne ausgefeilte Sensorik unmöglich. Doch für diese braucht die Industrie vor allem eines: Chips.

Der Kampf um die raren Halbleiter trifft auch andere Branchen: “In allen Segmenten kann es derzeit zu Lieferverzögerungen kommen. Ursächlich für die Engpässe ist, dass die Produktionskapazitäten als Folge der Covid-Pandemie beeinträchtigt sind”, berichtet Werner Scholz, der Fachverbandsgeschäftsführer Elektro-Hausgeräte im Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).

Die globale Nachfrage nach vielen Zulieferteilen oder Materialien könne momentan nicht ausreichend bedient werden. “Das betrifft Mikrochips genauso wie Metalle oder Kunststoffe. Hinzu kommen die nach wie vor knappen Transportkapazitäten, insbesondere von Asien nach Europa”, sagt Scholz. Speziell bei Hausgeräten träfen diese Engpässe auf eine hohe Nachfrage: Menschen, die mehr Zeit zu Hause verbrächten, verlangten auch neue und bessere Geräte.

Wintersturm, Brand, Corona

Ursache für die Chipkrise ist das Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Benötigte Bauteile werden in der Regel mit langen Vorlaufzeiten bei Chip-Fertigern in Auftrag gegeben, die Lagerbestände sind bei vielen Herstellern nur auf kleinere Lieferausfälle ausgelegt. Als die Corona-Krise ausbrach, reduzierten Hersteller Aufträge in Erwartung eines Absatzeinbruchs. Frei gewordene Kapazitäten in den Chipfabriken wurden von anderen Nutzern, nicht zuletzt aus der Unterhaltungselektronik gebucht, die steigende Absätze verzeichnete.

“Der wochenlange Wintersturm in Texas, der Brand im Renesas-Chipwerk im Frühjahr und die coronabedingten Produktionsausfälle in Malaysia haben den Engpass weiter verstärkt”, sagt eine Sprecherin des Verbands der deutschen Automobilindustrie. Der Absatz aber zog sehr schnell wieder an – überall auf der Welt sind Chips nun Mangelware. Seitdem müssen Kunden auf der ganzen Welt auf ihre Produkte warten.

Und das wird auch noch eine ganze Weile andauern. Der Zulieferer Conti rechnet nicht mit zeitnahen Lösungen: “Halbleitermangel wird das gesamte Jahr 2021 andauern und uns voraussichtlich auch im kommenden Jahr beschäftigen”, sagt ein Sprecher auf Anfrage. “Die Nachfrage nach Autos ist weltweit sehr hoch, die Verfügbarkeit von Halbleitern bestimmt allerdings den Takt der Produktion.”

Als Reaktion auf den Chipmangel hat der Zulieferer ZF eine eigene Strategie entwickelt: “Wir unternehmen jede Anstrengung, um die Auswirkungen für unsere Kunden so gering wie möglich zu halten”, betont ein Sprecher. “Wo eine Belieferung in den gewünschten Umfängen nicht möglich ist, wenden wir einen sogenannten Fair-Share-Allokationsansatz an.” Aus bisherigen Bedarfen würden Verteilungsschlüssel berechnet und die Kunden entsprechend beliefert.

Weniger Abhängigkeit von Asien

Eine Sprecherin des VDA verwies auf Bemühungen der Chip-Hersteller, das Produktionsvolumen zu erhöhen. Dazu finde ein reger Austausch zwischen Herstellern und Abnehmern statt. Zudem sei es jetzt Zeit, die Abhängigkeit von asiatischen Standorten zu reduzieren: “Es ist im Interesse der europäischen und deutschen Regierungen, dass wir die Produktion wieder mehr über heimische Chipfabriken am Standort Deutschland und in Europa sicherstellen“, betont der VDA. Die entsprechenden Überlegungen und Vorhaben auf Bundes- und europäischer Ebene unterstütze der Verband “ausdrücklich”.

Die politischen Initiativen, sich von regionalen Problemen und politischen Auseinandersetzungen in Asien unabhängiger zu machen, haben bislang wenig gefruchtet. So konnte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zwar im Juli über die Eröffnung eines Bosch-Halbleiterwerkes in Dresden freuen. Doch mit der aktuellen Krise hat dies wenig zu tun: Der Grundstein für das Werk in Klotzsche wurde bereits 2018 gelegt.

Auch die von Altmaier und EU-Industriekommissar Thierry Breton betriebene Ansiedlung einer neuen Chipfabrik eines der großen Fab-Betreiber Samsung, TSMC oder Intel dürfte Jahre dauern. Dort würden dann auch kaum die derzeit noch von der Industrie benötigten Chips gefertigt – sondern um mehrere Generationen modernere. Intel will bis Ende 2021 eine Entscheidung fällen, Konzernchef Pat Gelsinger knüpft die Investition an umfangreiche Subventionszusagen. Derzeit ist aber noch wenig spruchreif. Die Gespräche mit dem taiwanischen Chiphersteller TSMC befinden sich laut dem Unternehmen noch in einem sehr frühen Stadium.

In die Verhandlungen zwischen Politik und Chipindustrie dürfte in den kommenden Wochen aber Bewegung kommen. Die Gespräche werden derzeit auf mehreren Ebenen vorbereitet. Spätestens zur IAA in der zweiten Septemberwoche werden sich einige Akteure auch direkt begegnen: Gelsinger reist dann nach Deutschland, das neben Frankreich, Italien und Spanien ein Kandidat für eine weitere europäische Intel-Fab außerhalb Irlands ist. Die Messe in München in Zeiten stillstehender Bänder steht unter dem Motto “Mobility of the Future”.

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News

Pegasus-Spyware beschäftigt Innenausschuss

Kurz vor der Abschiedsreise der Bundeskanzlerin nach Israel hat die Opposition im Innenausschuss des Bundestages ein potenziell unangenehmes Thema auf die Tagesordnung gehoben: Innenminister Horst Seehofer, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und BSI-Präsident Arne Schönbohm sollen den Parlamentariern am Donnerstagmittag mitteilen, ob auch in Deutschland Fälle der Pegasus-Spyware aufgetreten sind

Der israelische IT-Dienstleister NSO steht seit Wochen in der Kritik (Europe.Table berichtete): Die französische IT-Sicherheitsbehörde ANSSI hatte die Pegasus-Spyware unter anderem auf Mobiltelefonen französischer Journalisten ausfindig gemacht. Auch in Ungarn, Marokko, Mexiko und Indien sollen Medienvertreter betroffen sein. Zudem berichten Journalisten der Organisation Forbidden Stories von Unternehmensvertretern, Politikern, Diplomaten und Aktivisten als Betroffene.

Sicherheitslücken bei Apple

Die NSO-Produkte werden auch von Sicherheitsbehörden verwendet, die für Menschenrechtsverstöße berüchtigt sind. Der Hersteller beruft sich öffentlich darauf, seinen Kunden klare Vorgaben zu machen, was legitime Ziele für den Einsatz seien und was nicht.

Zuletzt hatten Forscher des Citizen Lab der Universität Toronto nach eigenen Angaben die Pegasus-Spyware auf neun Telefonen bahrainischer Aktivisten identifiziert. Dabei wurden dem Citizen-Lab-Institut zufolge bislang unbekannte Sicherheitslücken in Apples Mobilbetriebssystem iOS genutzt, sogenannte Zero-Day-Exploits.

Sicherheitsbehörden weisen immer wieder darauf hin, dass sie derartige Einfallstore benötigten. Lena Rohrbach von Amnesty International Deutschland fordert hingegen: “Die Bundesregierung muss endlich verbieten, dass für eigene Überwachungsmaßnahmen unbekannte Sicherheitslücken ausgenutzt werden, statt sie dem Hersteller zu melden.” Zudem seien auch deutsche Firmen wie der Hersteller des von deutschen Behörden genutzten Produkts FinFisher in problematische Fälle verwickelt gewesen.

Sollte die NSO-Software auf deutschen Endgeräten gefunden worden sein, würde dies die Reise der Kanzlerin überschatten. Die deutsch-israelische Sicherheitskooperation gilt als gut. Angela Merkels Ausspruch “Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht” war zwar auch für den Bundesnachrichtendienst unzutreffend, blieb aber stets politisches Ziel der Kanzlerin. fst

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Ostausschuss fordert mehr Klimakooperationen

Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft fordert eine stärkere Zusammenarbeit mit Ländern in Osteuropa und Zentralasien bei Klimafragen. “Klimaschutz hört nicht an der Ostgrenze der EU auf”, sagte der Vorsitzende Oliver Hermes am Mittwoch. Deutschland müsse seine Handelspartner bei der Dekarbonisierung ihrer Volkswirtschaften besser unterstützen. Keinesfalls dürften neue Mauern errichtet werden.

Einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), wie ihn die Kommission vorgesehen hat, um die europäische Wirtschaft vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen und Carbon Leakage zu verhindern (Europe.Table berichtete), sieht der Ostausschuss kritisch.

“Der Mechanismus ist nichts anderes als ein Importzoll und damit ein protektionistisches Instrument”, sagte Hermes. “Das muss im engen Schulterschluss mit unseren Handelspartnern gelöst werden.” Das gelte gerade vor dem Hintergrund, dass diese Länder Partner etwa beim Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur werden sollten.

Hermes bezweifelt die Wirkung des CBAM: Zumindest ein Teil der Industrie werde dennoch in Länder außerhalb der EU abwandern, um andere Drittländer von dort kostengünstiger bedienen zu können. Und der Aufpreis für Re-Importe in die EU, der dann durch den Grenzausgleich anfalle, werde letztlich an die Verbraucher weitergereicht.

Bundesregierung will Klimaclub

Auch die Bundesregierung hat sich am Mittwoch des Themas Klimakooperation angenommen und sich für die Gründung eines internationalen Klimaclubs ausgesprochen. Auf Initiative von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte das Kabinett die mögliche Kooperation von Ländern diskutiert, die bei der grünen Transformation voranschreiten wollen. Dabei liegt der Fokus besonders auf energieintensiven Industrien, die auf dem Weltmarkt erheblichem Wettbewerb ausgesetzt sind, darunter die Stahl- oder Chemiebranche.

Wenn es gelinge, sich auf gemeinsame, nachprüfbare Ziele zu verständigen, “dann lässt sich wirksam verhindern, dass Klimaschutz zu einem Wettbewerbsnachteil für diejenigen führt, die ihn praktizieren”, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker zeigte sich optimistisch: So seien bereits gute Gespräche mit den USA geführt worden. Mit China müsse der Dialog noch stärker auf Klimafragen ausgerichtet werden. Angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen mit der EU rechnet Altmaier aber auch in der Volksrepublik mit Interesse.

Deutschlands bevorstehende G7-Präsidentschaft im Jahr 2022 biete eine gute Gelegenheit für die Umsetzung der Pläne, so Altmaier. Die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung wolle man nutzen, um “bereits die Pflöcke für den Klimaclub einzuschlagen”. til

Nord Stream 2 unterliegt vor Gericht

Die Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland steht kurz vor der Fertigstellung und soll bald in Betrieb genommen werden. Auch auf deutschem Hoheitsgebiet wird sich der Betreiber dann an die EU-Gasmarktregulierung halten müssen. Zu diesem Ergebnis kam am Mittwoch das Oberlandesgericht Düsseldorf.

Die Projektgesellschaft der umstrittenen Gasleitung hatte zuvor eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur eingelegt, die einen Antrag der Nord Stream 2 AG auf Befreiung von den EU-Regularien abgelehnt hatte. Die Richtlinie, die dem Streit zugrunde liegt, wurde im Dezember 2019 in Deutschland umgesetzt. Sie sieht unter anderem vor, dass Produktion, Transport und Vertrieb voneinander getrennt sein müssen, und dass Dritten Zugang zur Pipeline gewährt werden muss.

Unter Umständen wäre eine Freistellung von den Regularien möglich gewesen, wenn die Leitung bis zum Stichtag im Mai 2019 fertiggestellt worden wäre. Aus Sicht der Nord Stream 2 AG war das der Fall, schließlich seien Investitionen in Milliardenhöhe zu diesem Zeitpunkt bereits unumkehrbar gewesen.

Dieser Argumentation konnte allerdings auch das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht folgen: “Die Pipeline war nicht vollständig errichtet und damit nicht im Sinne des Gesetzes fertiggestellt”, heißt es in der Urteilsbegründung. til

  • Bundesnetzagentur
  • Green Deal
  • Nord Stream 2

Presseschau

Bundestag stimmt Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul zu ZEIT
Sofortprogramm für Gebäudesektor ist unzureichend ZEIT
Bundesregierung will internationalen Klimaclub gründen WELT
Hochwasserkatastrophe: Bundestag bringt Milliardenhilfe auf den Weg TAGESSCHAU
After wildfires, Greek PM says climate crisis demands radical action REUTERS
Grüne Parteiakademie plant tagesaktuelles Onlinemedium STANDARD
EU plant Energielabel und strenge Umweltregeln für Smartphones und Tablets HEISE
Denmark, Costa Rica seek alliance to speed up the end of oil and gas EURACTIV

Standpunkt

Circular Economy: Wer nicht vorangeht, läuft hinterher

Von Christoph Winterhalter
Auf dem Foto ist Christoph Winterhalter zu sehen: Gespräch über Circular Economy
Christoph Winterhalter ist Vorsitzender des Vorstandes bei DIN

Mit dem European Green Deal und verschiedenen nationalen Vorhaben setzen die EU und ihre Mitgliedstaaten ambitionierte Ziele für den Weg zur Klimaneutralität. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Aufbau einer Circular Economy. Zirkuläres Wirtschaften kann die Umwelt schützen und gleichzeitig Europas Wettbewerbsfähigkeit sichern: Allein für die deutsche Wirtschaft wird das Potenzial einer Circular Economy bis 2030 auf bis zu 200 Milliarden Euro geschätzt, so eine Studie der Boston Consulting Group. Damit wir die Ziele des Green Deal und damit die Führung im internationalen Wettbewerb beim Thema Circular Economy erreichen, muss Deutschland in enger Abstimmung mit den anderen europäischen Ländern weiter vorangehen.

Dafür brauchen wir jetzt neue und angepasste technische Regeln. Denn für die Circular Economy sind einheitliche Normen und Standards als Fundament unerlässlich: Sie dienen als gemeinsame Sprache, mit der die verschiedenen Stationen im Kreislauf klar kommunizieren können. Sie verbinden Industrien, die bisher nicht miteinander in Berührung gekommen sind, und ermöglichen so erst neue Geschäftsmodelle. Sie schaffen einheitliche Schnittstellen und klare Anforderungen, außerdem Vertrauen zwischen den Marktakteuren und beim Verbraucher, was wiederum für den Erfolg zirkulärer Angebote entscheidend ist.

Doch diese neuen Regeln entstehen nur, wenn Wirtschaft, Wissenschaft, öffentliche Hand und Zivilgesellschaft sie gemeinsam erarbeiten. Und die Zeit drängt. Nur wenn wir heute mit der Erarbeitung beginnen, können wir die gesteckten Klimaziele in Zukunft erreichen. Das Deutsche Institut für Normung, kurz DIN, stellt als neutrale Netzwerkplattform den runden Tisch dafür.

EU Kommission: Circular Economy Action Plan

Laut dem Circular Economy Action Plan der Europäischen Kommission finden bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen von Produkten ihren Ursprung in der Designphase. Deshalb wird die Kommission Hersteller in die Pflicht nehmen, ihre Produkte kreislaufgerechter zu gestalten. So plant die Kommission, globale Standards für die Nachhaltigkeit von Produkten zu setzen und Einfluss auf Produktdesign und Wertschöpfungskettenmanagement weltweit zu nehmen.

Zudem überarbeitet sie zurzeit unter anderem die Ökodesign-Richtlinie. Künftig soll sie nicht mehr nur für energieverbrauchsrelevante Produkte gelten, sondern für alle Produkte, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Wie die konkreten Anforderungen dann aussehen, wird im Wesentlichen in der europäischen Normung festgelegt werden müssen.

Alle produzierenden Unternehmen sind betroffen

Auch der digitale Produktpass kommt früher oder später. Er hält Produktinformationen digital fest und macht sie nachvollziehbar, einschließlich ihrer Kreislauffähigkeit. In diesem Zusammenhang laufen bereits Normungsarbeiten. Alle produzierenden Unternehmen sind also konkret betroffen und haben ein ganz eigenes Interesse, die relevanten Normen und Standards und damit die Zukunft ihrer Branche proaktiv mitzugestalten. Wer sich heute beim Umbau zur Circular Economy einbringt, wird wirtschaftliche Vorteile daraus ziehen. Wer stillhält, muss sich später Regeln anpassen, die andere geschrieben haben. 

Um die notwendigen Normungsaktivitäten in diesem umfassenden Feld zu strukturieren, strebt DIN gemeinsam mit der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die Erarbeitung einer Normungsroadmap Circular Economy an. Diese wird uns helfen, proaktiv den Normungsbedarf zu ermitteln und die Erarbeitung von Normen und Standards zielgerichtet anzustoßen sowie entlang der gesamten Wertschöpfung zu steuern und abzustimmen.

Die Roadmap beschreibt zunächst die deutsche Position, die dann über DIN in die europäische und internationale Diskussion und Normungsarbeit eingebracht wird. Der Green Deal und der Aufbau einer Circular Economy sind ein gesamteuropäisches Projekt, bei dem alle mitmachen müssen. Daher mein Appell: Nutzen Sie die Chance und bringen Sie sich ein! So gestalten Sie die Regeln für die zirkuläre Wirtschaft von morgen mit. Damit wir gemeinsam eine Circular Economy aufbauen können – und im internationalen Wettbewerb vorangehen, statt hinterherzulaufen.

  • Zirkuläres Wirtschaften

Apéropa

Softbank zapft seit Kurzem für seinen “Vision Fund” eine, nun ja, gut informierte Quelle an: Der frühere Mossad-Direktor Yossi Cohen soll dem größten Venture-Capital-Fonds der Welt dabei helfen, die hoffnungsvollsten unter den israelischen Technologiefirmen zu identifizieren. Das ergibt Sinn: Viele der aufstrebenden Start-ups dort werden schließlich von Ex-Militärangehörigen gegründet.

Cohen, bis Juni Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes, dürfte auch einige nützliche Informationen aus anderen Ländern im Nahen Osten einbringen. Die Staatsfonds von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zählen zu den Investoren des Fonds.

Vielleicht lässt sich das Modell ja auf Deutschland übertragen. Die hiesigen VC-Fonds sind bekanntlich etwas schwach auf der Brust und könnten gute Investmenttipps sicherlich gebrauchen. Und der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes sucht womöglich bald eine Anschlussverwendung. Till Hoppe

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • E-Fuels: Motor oder Bremse der Dekarbonisierung?
    • Termine der kommenden Wochen
    • Lieferkrise bei Chips hält an
    • Pegasus-Spyware beschäftigt Innenausschuss
    • Ostausschuss fordert mehr Klimakooperationen
    • Standpunkt: DIN-CEO Winterhalter über Standards für die Circular Economy
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der Chipmangel bremst wichtige Wirtschaftszweige aus, Besserung ist nicht in Sicht – die Krise dürfte sich bis ins nächste Jahr ziehen, berichtet Falk Steiner. Dafür verdichten sich die Anzeichen, dass es Fortschritte an anderer Stelle gibt: bei den Gesprächen zwischen Politik und Chipherstellern über Investitionen in Deutschland und Europa. Wir bleiben für Sie dran.

    Was hat ein “Delegated Act” der EU-Kommission mit dem Bundestagswahlkampf zu tun? Beim näheren Hinsehen sehr viel, wie Lukas Scheid zeigt. Die Brüsseler Behörde wird im Herbst definieren, wie hoch die Anforderungen an E-Fuels sein sollen. Davon aber hängt ab, welche Zukunft der Verbrenner in Zeiten des Klimaschutzes noch hat. Der VDA warnt bereits vor zu scharfen Kriterien.

    Circular Economy: Auch dazu wird die Kommission noch weitreichende Vorschläge präsentieren. Christoph Winterhalter, CEO des Deutschen Instituts für Normung (DIN), dringt in seinem lesenswerten Beitrag darauf, bereits jetzt die für die Kreislaufwirtschaft nötigen Standards anzugehen: “Sie verbinden Industrien, die bisher nicht miteinander in Berührung gekommen sind, und ermöglichen so erst neue Geschäftsmodelle“.

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    E-Fuels: Motor oder Bremse der Dekarbonisierung?

    Ein Fünftel der gesamten Treibhausgasemissionen der EU kommt aus dem Straßenverkehr. Die Emissionen zu reduzieren, spielt bei der Erfüllung der EU-Klimaziele daher eine wichtige Rolle. Im “Fit for 55”-Paket hat die EU-Kommission im Juli vorgeschlagen, dass sowohl PKW als auch leichte Nutzfahrzeuge ab 2035 keine Netto-CO2-Emissionen mehr verursachen sollen.

    Eine Möglichkeit für die Kommission, den Straßenverkehr zu dekarbonisieren, ist die Förderung von sogenannten “erneuerbaren Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs”. Das sind Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis, die durch einen Elektrolyse-Vorgang zu Benzin oder Diesel aufbereitet werden (auch Power-to-Liquid bzw. PtL oder E-Fuels genannt), oder direkt als Wasserstoff eine eigene Brennstoffzelle im Fahrzeug betreiben.

    Ein Rechtsakt der EU-Kommission soll noch in diesem Jahr die nötigen Rahmenbedingungen für die Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen schaffen. Dabei geht es vor allem um die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit die Kraftstoffe als vollständig erneuerbar gelten. Die Entscheidung ist hochpolitisch und vor allem für die Autoindustrie relevant, da noch nicht entschieden ist, auf welche Technologie man im Straßenverkehr der Zukunft setzen wird.

    Rechtsakt entscheidet über künftige Strategie

    Anders als im Flug- und Schiffsverkehr, wo eine Elektrifizierung derzeit technisch noch nicht umsetzbar ist, setzt sich im Straßenverkehr bereits die E-Mobilität durch. Die Frage ist: Setzen die Unternehmen nur auf dieses eine Pferd – oder schließen sie auch andere erneuerbare Kraftstoffe in ihre Strategie ein? Das hängt nicht zuletzt von dem Rechtsakt und der Entscheidung ab, wann Wasserstoff und E-Fuels als erneuerbar gelten.

    Sind die Regeln zu streng, könnte es für Autobauer und Kraftstoffhersteller unwirtschaftlich sein, auf E-Fuels und Wasserstoff im Tank zu setzen. Hohe Anforderungen an die emissionsarme Produktion der Kraftstoffe würden die Preise hochtreiben. Sind die Regeln der Kommission zu lasch, wäre das CO2-Einsparungspotenzial geringer, da auch emittierende Kraftstoffe als “erneuerbar” eingestuft werden könnten.

    Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betont zwar, dass der Rechtsakt eine “nachprüfbar erneuerbare Herstellung von E-Fuels” ermöglichen müsse. Allerdings solle er zumindest anfangs nicht zu streng ausgelegt werden und Übergangsfristen erlauben, so ein Sprecher. So könne der Markthochlauf überhaupt ermöglicht werden. Erst wenn die Technologie wettbewerbsfähig ist, sollten die Kriterien zur Herstellung schrittweise verschärft werden.

    E-Fuels nur bedingt nachhaltig

    Das Problem von Kraftstoffen auf Wasserstoff-Basis ist ihre derzeit ambivalente Ökobilanz, denn sie sind nur unter bestimmten Bedingungen nachhaltiger als fossile. Bezieht man die notwendige Energie für die Produktion von E-Fuels aus den derzeitigen Stromnetzen der EU, sind die Emissionen dreimal höher als bei fossilen Kraftstoffen.

    Das liegt daran, dass der Energiemix in nahezu allen EU-Ländern noch immer hauptsächlich auf fossilen Energieträgern beruht. Damit E-Fuels und Wasserstoff-Fahrzeuge also überhaupt eine Chance haben, einen Beitrag für den Klimaschutz und das Erreichen der EU-Klimaziele zu leisten, müssten sie mithilfe der Erneuerbaren produziert werden.

    Hinzu kommt: Auch die Herkunft des Kohlenstoffs, welcher für die Elektrolyse benötigt wird, wirkt sich auf die Klimabilanz von E-Fuels aus. Nur wenn dieser aus nicht-fossilen Quellen stammt (etwa durch Direct Air Capture), kann die Herstellung und Verbrennung von E-Fuels zumindest theoretisch CO2-neutral sein. Die folgerichtige Frage, welche Rolle E-Fuels und Wasserstoff überhaupt bei der Dekarbonisierung des Straßenverkehrs spielen sollten, ist deshalb auch Gegenstand des Bundestagswahlkampfes.

    Die Grünen setzen voll auf das Elektroauto. Sie wollen Wasserstoff und E-Fuels nur in den Bereichen einsetzen, wo es derzeit noch keine Alternativen gibt – in der Industrie, im Flug- oder Schiffsverkehr. Die FDP fordert dagegen eine Zulassung von E-Fuels, da so auch die Verbrenner-Bestandsflotten dekarbonisiert werden könnten.

    Die von der Union geführte Bundesregierung mit der Sozialdemokratin Svenja Schulz im Umweltministerium hat sich bereits im Februar darauf geeinigt, dass 28 Prozent des Energiebedarfs im Verkehrssektor aus Erneuerbaren kommen soll. Sie schließt auf dem Weg dorthin keine Technologie aus. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz unterstützt Mineralölunternehmen sogar bei der Herstellung von E-Fuels, indem diese sich die Produktion für die Erfüllung der Treibhausgasminderungsquote anrechnen lassen können. Grüner Wasserstoff lässt sich sogar doppelt anrechnen.

    Die verkehrspolitische Sprecherin der SPD, Kirsten Lühmann, machte am Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung allerdings deutlich, dass E-Fuels nur eine Übergangslösung seien: “Auf lange Sicht wird sich, aus meiner jetzigen Perspektive, auf der Straße der Batterieantrieb durchsetzen.”

    Unterschiedliche Strategien der Autobauer

    Auch die Industrie ist sich uneins, welcher Pfad hin zu einem emissionsfreien Straßenverkehr der richtige ist. Der VDA bevorzugt die mehrgleisige Lösung: “E-Fuels kommt eine besondere Bedeutung bei der Erreichung eines klimaneutralen Verkehrs zu”, teilte ein Sprecher mit.

    VW hat aber bereits den rein elektrischen Weg eingeschlagen und will 70 Prozent seines Absatzes bis 2030 aus E-Autos gewinnen. Die VW-Tochter Audi will schon ab 2026 keine Benzin- und Dieselautos mehr entwickeln. BMW dagegen setzt auf Technologiepluralität: Zwar möchte der bayrische Autobauer auch seine Produktpalette elektrifizieren. Allerdings bastelt BMW auch an Wasserstoff-Fahrzeugen und begrüßt die Förderung von E-Fuels, um den Verbrenner zu erhalten.

    Die Verkehrs-NGO Transport & Environment (T&E) spricht sich hingegen für ein Ende des Verbrenners im Straßenverkehr aus. E-Fuels betrachtet sie als “Scheinlösung”. Das liegt vor allem an der Energie-Ineffizienz von E-Fuels: Selbst wenn der Kraftstoff komplett mit Energie aus erneuerbaren Quellen hergestellt wird, benötigt er laut einer Analyse von T&E für dieselbe Fahrstrecke annähernd das Fünffache an Energie im Vergleich zum batteriebetriebenen E-Auto. Das eröffnet auch die Frage, wie die noch limitierte Menge an Erneuerbaren am effizientesten genutzt wird, ohne dass Konkurrenz zwischen den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten entsteht.

    Dem Klima wäre nicht geholfen, wenn Erneuerbare an Stellen eingesetzt werden, wo es effizientere Methoden gibt. Auch auf die Frage, ob ein Kraftstoff als erneuerbar gilt, wenn der dafür aufgewendete Strom anderweitig besser genutzt wäre, wird die Kommission eine Antwort finden müssen.

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    Termine

    26.08.2021 – 16:30-18:00 Uhr, online
    DGAP, Discussion Allied Perspective: German Foreign Policy After the Election
    The discussion organized by Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) invites international experts to share their views on the German election campaign and to debate possible challenges for German foreign policy in the next 4 years. INFORMATION & REGISTRATION

    30.08.2021 – 09:00-09:30 Uhr, online
    SE, Seminar Illuminate, Secure, Empower – Managed Detection and Response Launch
    This Siemens Energy (SE) webinar outlines key opportunities and challenges in the advanced monitoring service capabilities market. INFOS & REGISTRATION

    30.08.2021 – 10:00-12:30 Uhr, online
    D21, Diskussion Sitzung der AG Datendemokratie
    Die Initiative D21 möchte eine Diskussion darüber eröffnen, wie Daten für eine digitale und nachhaltige Landwirtschaft nutzbar gemacht werden können. INFOS & ANMELDUNG

    31.08.-02.09.2021, online
    DGLR, Konferenz Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress
    Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) setzt auf ihrem Kongress einen besonderen Schwerpunkt auf den Green Deal und beschäftigt sich mit dem Beitrag, der durch saubere Kraftstoffe geleistet werden kann. INFOS & ANMELDUNG

    31.08.2021 – 10:00-12:30 Uhr, online
    BMU, Diskussion Community-Treff: Nachhaltige Digitalisierung
    Die Veranstaltung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) beschäftigt sich mit der EU-Digitalpolitik, insbesondere im Hinblick auf europäische Souveränität und Nachhaltigkeit. ANMELDUNG

    31.08.2021 – 10:00-12:00 Uhr, online
    Eco, Seminar Security Expert Talk: KI und Machine Learning in der Cybersicherheit
    Das Webinar von Eco (Verband der Internetwirtschaft) stellt vor, wie KI bereits heute dafür genutzt wird, Cyber-Angriffe zu entdecken, Schäden zu vermeiden und Risiken im Digitalisierungsprozess zu minimieren. INFOS & ANMELDUNG

    01.09.2021 – 18:00-19:00 Uhr
    VBW, Vortrag Wahl-Spezial mit Dorothee Bär, MdB
    Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) lädt Dorothee Bär ein, um über die Zukunft des digitalen Staates in Deutschland zu sprechen. INFOS & ANMELDUNG

    02.09.-03.09.2021, Prag (Tschechien)
    Conference Pathways into a Sustainable Future
    This conference focuses on current innovations in different areas of green technologies and data analysis and provides a platform for exchange between researchers, companies and policy makers from the Czech Republic, Saxony and Bavaria. INFOS & REGISTRATION

    02.09.2021 – 14:00-16:15 Uhr, online
    Eurogas, Conference European Gas Tech: Delivering on 2050
    The Eurogas Conference examines the benefits of renewable and decarbonised gas technologies with a special focus on small and mid-sized towns. Registration

    02.09.2021 – 15:00-17:00 Uhr, online
    GMF, Panel Discussion Information Manipulation in Germany’s Federal Election
    The German Marshall Fund (GMF) addresses the potential threats stemming from domestic and foreign actors seeking to influence and undermine the democratic process during Germany’s election campaign. INFOS & REGISTRATION

    06.09.-10.09.2021, online
    Gaia-X Hub, Vorträge Gaia-X: Nutzen für den Mittelstand
    Hochrangige Expertinnen und Experten stellen bei der Veranstaltung des Gaia-X Hub anhand branchenspezifischer Anwendungsbeispiele vor, was Gaia-X für Unternehmen bedeutet. ANMELDUNG

    06.09.2021 – 17:00 Uhr, online
    Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union, Diskussion “Fit for 55”-Paket – wird es die Versprechen für ambitionierten Klimaschutz einlösen?
    Die Landesvertretung Baden-Württembergs bei der Europäischen Union beschäftigt sich mit dem “Fit for 55”-Paket und bietet die Gelegenheit, Themenkomplexe wie die Rolle des Emissionshandels, die Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten und die Ausgestaltung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

    06.09.2021 – 18:00-19:00 Uhr, online
    VBW, Podiumsdiskussion Mobilität von morgen – Perspektiven für nachhaltige Verkehrslösungen
    Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) lädt zur Diskussion über das Verhältnis von wirtschaftlichem Erfolg und nachhaltiger Verkehrswende. INFOS & ANMELDUNG

    06.09.-10.09.2021, online
    Conference European Photovoltaic Solar Energy Conference
    The EU PVSEC gathers the European photovoltaic community to address the new solar momentum in Europe and to discuss the entire range of PV research, technologies, and applications with a special emphasis on the latest scientific, technological, and market-related trends. PROGRAM

    29.09.2021 – 10:00-13:00 Uhr, Mailand (Italien)/online
    EUSH, Workshop Is climate change really happening? Learning from the past to look into the future
    The EU Science Hub interactive event features an interdisciplinary group of scientists presenting on key insights of climate change research and casting a glaze into the coming decades. REGISTRATION UNTIL 31 AUGUST

    Lieferkrise: Lösungen so rar wie Chips

    Der Chipmangel trifft die Automobilindustrie mitten im Umbruch: Der Aufstieg der Elektromobilität belastet klassische Geschäftsfelder wie Motoren und Getriebe; Wachstum versprechen vor allem intelligentere IT-Lösungen – automatisiertes oder gar autonomes Fahren ist ohne ausgefeilte Sensorik unmöglich. Doch für diese braucht die Industrie vor allem eines: Chips.

    Der Kampf um die raren Halbleiter trifft auch andere Branchen: “In allen Segmenten kann es derzeit zu Lieferverzögerungen kommen. Ursächlich für die Engpässe ist, dass die Produktionskapazitäten als Folge der Covid-Pandemie beeinträchtigt sind”, berichtet Werner Scholz, der Fachverbandsgeschäftsführer Elektro-Hausgeräte im Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).

    Die globale Nachfrage nach vielen Zulieferteilen oder Materialien könne momentan nicht ausreichend bedient werden. “Das betrifft Mikrochips genauso wie Metalle oder Kunststoffe. Hinzu kommen die nach wie vor knappen Transportkapazitäten, insbesondere von Asien nach Europa”, sagt Scholz. Speziell bei Hausgeräten träfen diese Engpässe auf eine hohe Nachfrage: Menschen, die mehr Zeit zu Hause verbrächten, verlangten auch neue und bessere Geräte.

    Wintersturm, Brand, Corona

    Ursache für die Chipkrise ist das Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Benötigte Bauteile werden in der Regel mit langen Vorlaufzeiten bei Chip-Fertigern in Auftrag gegeben, die Lagerbestände sind bei vielen Herstellern nur auf kleinere Lieferausfälle ausgelegt. Als die Corona-Krise ausbrach, reduzierten Hersteller Aufträge in Erwartung eines Absatzeinbruchs. Frei gewordene Kapazitäten in den Chipfabriken wurden von anderen Nutzern, nicht zuletzt aus der Unterhaltungselektronik gebucht, die steigende Absätze verzeichnete.

    “Der wochenlange Wintersturm in Texas, der Brand im Renesas-Chipwerk im Frühjahr und die coronabedingten Produktionsausfälle in Malaysia haben den Engpass weiter verstärkt”, sagt eine Sprecherin des Verbands der deutschen Automobilindustrie. Der Absatz aber zog sehr schnell wieder an – überall auf der Welt sind Chips nun Mangelware. Seitdem müssen Kunden auf der ganzen Welt auf ihre Produkte warten.

    Und das wird auch noch eine ganze Weile andauern. Der Zulieferer Conti rechnet nicht mit zeitnahen Lösungen: “Halbleitermangel wird das gesamte Jahr 2021 andauern und uns voraussichtlich auch im kommenden Jahr beschäftigen”, sagt ein Sprecher auf Anfrage. “Die Nachfrage nach Autos ist weltweit sehr hoch, die Verfügbarkeit von Halbleitern bestimmt allerdings den Takt der Produktion.”

    Als Reaktion auf den Chipmangel hat der Zulieferer ZF eine eigene Strategie entwickelt: “Wir unternehmen jede Anstrengung, um die Auswirkungen für unsere Kunden so gering wie möglich zu halten”, betont ein Sprecher. “Wo eine Belieferung in den gewünschten Umfängen nicht möglich ist, wenden wir einen sogenannten Fair-Share-Allokationsansatz an.” Aus bisherigen Bedarfen würden Verteilungsschlüssel berechnet und die Kunden entsprechend beliefert.

    Weniger Abhängigkeit von Asien

    Eine Sprecherin des VDA verwies auf Bemühungen der Chip-Hersteller, das Produktionsvolumen zu erhöhen. Dazu finde ein reger Austausch zwischen Herstellern und Abnehmern statt. Zudem sei es jetzt Zeit, die Abhängigkeit von asiatischen Standorten zu reduzieren: “Es ist im Interesse der europäischen und deutschen Regierungen, dass wir die Produktion wieder mehr über heimische Chipfabriken am Standort Deutschland und in Europa sicherstellen“, betont der VDA. Die entsprechenden Überlegungen und Vorhaben auf Bundes- und europäischer Ebene unterstütze der Verband “ausdrücklich”.

    Die politischen Initiativen, sich von regionalen Problemen und politischen Auseinandersetzungen in Asien unabhängiger zu machen, haben bislang wenig gefruchtet. So konnte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zwar im Juli über die Eröffnung eines Bosch-Halbleiterwerkes in Dresden freuen. Doch mit der aktuellen Krise hat dies wenig zu tun: Der Grundstein für das Werk in Klotzsche wurde bereits 2018 gelegt.

    Auch die von Altmaier und EU-Industriekommissar Thierry Breton betriebene Ansiedlung einer neuen Chipfabrik eines der großen Fab-Betreiber Samsung, TSMC oder Intel dürfte Jahre dauern. Dort würden dann auch kaum die derzeit noch von der Industrie benötigten Chips gefertigt – sondern um mehrere Generationen modernere. Intel will bis Ende 2021 eine Entscheidung fällen, Konzernchef Pat Gelsinger knüpft die Investition an umfangreiche Subventionszusagen. Derzeit ist aber noch wenig spruchreif. Die Gespräche mit dem taiwanischen Chiphersteller TSMC befinden sich laut dem Unternehmen noch in einem sehr frühen Stadium.

    In die Verhandlungen zwischen Politik und Chipindustrie dürfte in den kommenden Wochen aber Bewegung kommen. Die Gespräche werden derzeit auf mehreren Ebenen vorbereitet. Spätestens zur IAA in der zweiten Septemberwoche werden sich einige Akteure auch direkt begegnen: Gelsinger reist dann nach Deutschland, das neben Frankreich, Italien und Spanien ein Kandidat für eine weitere europäische Intel-Fab außerhalb Irlands ist. Die Messe in München in Zeiten stillstehender Bänder steht unter dem Motto “Mobility of the Future”.

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    News

    Pegasus-Spyware beschäftigt Innenausschuss

    Kurz vor der Abschiedsreise der Bundeskanzlerin nach Israel hat die Opposition im Innenausschuss des Bundestages ein potenziell unangenehmes Thema auf die Tagesordnung gehoben: Innenminister Horst Seehofer, Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und BSI-Präsident Arne Schönbohm sollen den Parlamentariern am Donnerstagmittag mitteilen, ob auch in Deutschland Fälle der Pegasus-Spyware aufgetreten sind

    Der israelische IT-Dienstleister NSO steht seit Wochen in der Kritik (Europe.Table berichtete): Die französische IT-Sicherheitsbehörde ANSSI hatte die Pegasus-Spyware unter anderem auf Mobiltelefonen französischer Journalisten ausfindig gemacht. Auch in Ungarn, Marokko, Mexiko und Indien sollen Medienvertreter betroffen sein. Zudem berichten Journalisten der Organisation Forbidden Stories von Unternehmensvertretern, Politikern, Diplomaten und Aktivisten als Betroffene.

    Sicherheitslücken bei Apple

    Die NSO-Produkte werden auch von Sicherheitsbehörden verwendet, die für Menschenrechtsverstöße berüchtigt sind. Der Hersteller beruft sich öffentlich darauf, seinen Kunden klare Vorgaben zu machen, was legitime Ziele für den Einsatz seien und was nicht.

    Zuletzt hatten Forscher des Citizen Lab der Universität Toronto nach eigenen Angaben die Pegasus-Spyware auf neun Telefonen bahrainischer Aktivisten identifiziert. Dabei wurden dem Citizen-Lab-Institut zufolge bislang unbekannte Sicherheitslücken in Apples Mobilbetriebssystem iOS genutzt, sogenannte Zero-Day-Exploits.

    Sicherheitsbehörden weisen immer wieder darauf hin, dass sie derartige Einfallstore benötigten. Lena Rohrbach von Amnesty International Deutschland fordert hingegen: “Die Bundesregierung muss endlich verbieten, dass für eigene Überwachungsmaßnahmen unbekannte Sicherheitslücken ausgenutzt werden, statt sie dem Hersteller zu melden.” Zudem seien auch deutsche Firmen wie der Hersteller des von deutschen Behörden genutzten Produkts FinFisher in problematische Fälle verwickelt gewesen.

    Sollte die NSO-Software auf deutschen Endgeräten gefunden worden sein, würde dies die Reise der Kanzlerin überschatten. Die deutsch-israelische Sicherheitskooperation gilt als gut. Angela Merkels Ausspruch “Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht” war zwar auch für den Bundesnachrichtendienst unzutreffend, blieb aber stets politisches Ziel der Kanzlerin. fst

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    Ostausschuss fordert mehr Klimakooperationen

    Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft fordert eine stärkere Zusammenarbeit mit Ländern in Osteuropa und Zentralasien bei Klimafragen. “Klimaschutz hört nicht an der Ostgrenze der EU auf”, sagte der Vorsitzende Oliver Hermes am Mittwoch. Deutschland müsse seine Handelspartner bei der Dekarbonisierung ihrer Volkswirtschaften besser unterstützen. Keinesfalls dürften neue Mauern errichtet werden.

    Einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), wie ihn die Kommission vorgesehen hat, um die europäische Wirtschaft vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen und Carbon Leakage zu verhindern (Europe.Table berichtete), sieht der Ostausschuss kritisch.

    “Der Mechanismus ist nichts anderes als ein Importzoll und damit ein protektionistisches Instrument”, sagte Hermes. “Das muss im engen Schulterschluss mit unseren Handelspartnern gelöst werden.” Das gelte gerade vor dem Hintergrund, dass diese Länder Partner etwa beim Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur werden sollten.

    Hermes bezweifelt die Wirkung des CBAM: Zumindest ein Teil der Industrie werde dennoch in Länder außerhalb der EU abwandern, um andere Drittländer von dort kostengünstiger bedienen zu können. Und der Aufpreis für Re-Importe in die EU, der dann durch den Grenzausgleich anfalle, werde letztlich an die Verbraucher weitergereicht.

    Bundesregierung will Klimaclub

    Auch die Bundesregierung hat sich am Mittwoch des Themas Klimakooperation angenommen und sich für die Gründung eines internationalen Klimaclubs ausgesprochen. Auf Initiative von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte das Kabinett die mögliche Kooperation von Ländern diskutiert, die bei der grünen Transformation voranschreiten wollen. Dabei liegt der Fokus besonders auf energieintensiven Industrien, die auf dem Weltmarkt erheblichem Wettbewerb ausgesetzt sind, darunter die Stahl- oder Chemiebranche.

    Wenn es gelinge, sich auf gemeinsame, nachprüfbare Ziele zu verständigen, “dann lässt sich wirksam verhindern, dass Klimaschutz zu einem Wettbewerbsnachteil für diejenigen führt, die ihn praktizieren”, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker zeigte sich optimistisch: So seien bereits gute Gespräche mit den USA geführt worden. Mit China müsse der Dialog noch stärker auf Klimafragen ausgerichtet werden. Angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen mit der EU rechnet Altmaier aber auch in der Volksrepublik mit Interesse.

    Deutschlands bevorstehende G7-Präsidentschaft im Jahr 2022 biete eine gute Gelegenheit für die Umsetzung der Pläne, so Altmaier. Die Zeit bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung wolle man nutzen, um “bereits die Pflöcke für den Klimaclub einzuschlagen”. til

    Nord Stream 2 unterliegt vor Gericht

    Die Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland steht kurz vor der Fertigstellung und soll bald in Betrieb genommen werden. Auch auf deutschem Hoheitsgebiet wird sich der Betreiber dann an die EU-Gasmarktregulierung halten müssen. Zu diesem Ergebnis kam am Mittwoch das Oberlandesgericht Düsseldorf.

    Die Projektgesellschaft der umstrittenen Gasleitung hatte zuvor eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur eingelegt, die einen Antrag der Nord Stream 2 AG auf Befreiung von den EU-Regularien abgelehnt hatte. Die Richtlinie, die dem Streit zugrunde liegt, wurde im Dezember 2019 in Deutschland umgesetzt. Sie sieht unter anderem vor, dass Produktion, Transport und Vertrieb voneinander getrennt sein müssen, und dass Dritten Zugang zur Pipeline gewährt werden muss.

    Unter Umständen wäre eine Freistellung von den Regularien möglich gewesen, wenn die Leitung bis zum Stichtag im Mai 2019 fertiggestellt worden wäre. Aus Sicht der Nord Stream 2 AG war das der Fall, schließlich seien Investitionen in Milliardenhöhe zu diesem Zeitpunkt bereits unumkehrbar gewesen.

    Dieser Argumentation konnte allerdings auch das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht folgen: “Die Pipeline war nicht vollständig errichtet und damit nicht im Sinne des Gesetzes fertiggestellt”, heißt es in der Urteilsbegründung. til

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    Presseschau

    Bundestag stimmt Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul zu ZEIT
    Sofortprogramm für Gebäudesektor ist unzureichend ZEIT
    Bundesregierung will internationalen Klimaclub gründen WELT
    Hochwasserkatastrophe: Bundestag bringt Milliardenhilfe auf den Weg TAGESSCHAU
    After wildfires, Greek PM says climate crisis demands radical action REUTERS
    Grüne Parteiakademie plant tagesaktuelles Onlinemedium STANDARD
    EU plant Energielabel und strenge Umweltregeln für Smartphones und Tablets HEISE
    Denmark, Costa Rica seek alliance to speed up the end of oil and gas EURACTIV

    Standpunkt

    Circular Economy: Wer nicht vorangeht, läuft hinterher

    Von Christoph Winterhalter
    Auf dem Foto ist Christoph Winterhalter zu sehen: Gespräch über Circular Economy
    Christoph Winterhalter ist Vorsitzender des Vorstandes bei DIN

    Mit dem European Green Deal und verschiedenen nationalen Vorhaben setzen die EU und ihre Mitgliedstaaten ambitionierte Ziele für den Weg zur Klimaneutralität. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Aufbau einer Circular Economy. Zirkuläres Wirtschaften kann die Umwelt schützen und gleichzeitig Europas Wettbewerbsfähigkeit sichern: Allein für die deutsche Wirtschaft wird das Potenzial einer Circular Economy bis 2030 auf bis zu 200 Milliarden Euro geschätzt, so eine Studie der Boston Consulting Group. Damit wir die Ziele des Green Deal und damit die Führung im internationalen Wettbewerb beim Thema Circular Economy erreichen, muss Deutschland in enger Abstimmung mit den anderen europäischen Ländern weiter vorangehen.

    Dafür brauchen wir jetzt neue und angepasste technische Regeln. Denn für die Circular Economy sind einheitliche Normen und Standards als Fundament unerlässlich: Sie dienen als gemeinsame Sprache, mit der die verschiedenen Stationen im Kreislauf klar kommunizieren können. Sie verbinden Industrien, die bisher nicht miteinander in Berührung gekommen sind, und ermöglichen so erst neue Geschäftsmodelle. Sie schaffen einheitliche Schnittstellen und klare Anforderungen, außerdem Vertrauen zwischen den Marktakteuren und beim Verbraucher, was wiederum für den Erfolg zirkulärer Angebote entscheidend ist.

    Doch diese neuen Regeln entstehen nur, wenn Wirtschaft, Wissenschaft, öffentliche Hand und Zivilgesellschaft sie gemeinsam erarbeiten. Und die Zeit drängt. Nur wenn wir heute mit der Erarbeitung beginnen, können wir die gesteckten Klimaziele in Zukunft erreichen. Das Deutsche Institut für Normung, kurz DIN, stellt als neutrale Netzwerkplattform den runden Tisch dafür.

    EU Kommission: Circular Economy Action Plan

    Laut dem Circular Economy Action Plan der Europäischen Kommission finden bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen von Produkten ihren Ursprung in der Designphase. Deshalb wird die Kommission Hersteller in die Pflicht nehmen, ihre Produkte kreislaufgerechter zu gestalten. So plant die Kommission, globale Standards für die Nachhaltigkeit von Produkten zu setzen und Einfluss auf Produktdesign und Wertschöpfungskettenmanagement weltweit zu nehmen.

    Zudem überarbeitet sie zurzeit unter anderem die Ökodesign-Richtlinie. Künftig soll sie nicht mehr nur für energieverbrauchsrelevante Produkte gelten, sondern für alle Produkte, die in der EU in Verkehr gebracht werden. Wie die konkreten Anforderungen dann aussehen, wird im Wesentlichen in der europäischen Normung festgelegt werden müssen.

    Alle produzierenden Unternehmen sind betroffen

    Auch der digitale Produktpass kommt früher oder später. Er hält Produktinformationen digital fest und macht sie nachvollziehbar, einschließlich ihrer Kreislauffähigkeit. In diesem Zusammenhang laufen bereits Normungsarbeiten. Alle produzierenden Unternehmen sind also konkret betroffen und haben ein ganz eigenes Interesse, die relevanten Normen und Standards und damit die Zukunft ihrer Branche proaktiv mitzugestalten. Wer sich heute beim Umbau zur Circular Economy einbringt, wird wirtschaftliche Vorteile daraus ziehen. Wer stillhält, muss sich später Regeln anpassen, die andere geschrieben haben. 

    Um die notwendigen Normungsaktivitäten in diesem umfassenden Feld zu strukturieren, strebt DIN gemeinsam mit der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) die Erarbeitung einer Normungsroadmap Circular Economy an. Diese wird uns helfen, proaktiv den Normungsbedarf zu ermitteln und die Erarbeitung von Normen und Standards zielgerichtet anzustoßen sowie entlang der gesamten Wertschöpfung zu steuern und abzustimmen.

    Die Roadmap beschreibt zunächst die deutsche Position, die dann über DIN in die europäische und internationale Diskussion und Normungsarbeit eingebracht wird. Der Green Deal und der Aufbau einer Circular Economy sind ein gesamteuropäisches Projekt, bei dem alle mitmachen müssen. Daher mein Appell: Nutzen Sie die Chance und bringen Sie sich ein! So gestalten Sie die Regeln für die zirkuläre Wirtschaft von morgen mit. Damit wir gemeinsam eine Circular Economy aufbauen können – und im internationalen Wettbewerb vorangehen, statt hinterherzulaufen.

    • Zirkuläres Wirtschaften

    Apéropa

    Softbank zapft seit Kurzem für seinen “Vision Fund” eine, nun ja, gut informierte Quelle an: Der frühere Mossad-Direktor Yossi Cohen soll dem größten Venture-Capital-Fonds der Welt dabei helfen, die hoffnungsvollsten unter den israelischen Technologiefirmen zu identifizieren. Das ergibt Sinn: Viele der aufstrebenden Start-ups dort werden schließlich von Ex-Militärangehörigen gegründet.

    Cohen, bis Juni Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes, dürfte auch einige nützliche Informationen aus anderen Ländern im Nahen Osten einbringen. Die Staatsfonds von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zählen zu den Investoren des Fonds.

    Vielleicht lässt sich das Modell ja auf Deutschland übertragen. Die hiesigen VC-Fonds sind bekanntlich etwas schwach auf der Brust und könnten gute Investmenttipps sicherlich gebrauchen. Und der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes sucht womöglich bald eine Anschlussverwendung. Till Hoppe

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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