der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist ein überzeugter Fürsprecher für Beschäftigtenrechte. Noch im November betonte er etwa auf der Konferenz Soziales Europa die Bedeutung starker europäischer Betriebsräte für ein starkes Europa.
Nur: Im Rat der EU-Arbeitsminister, der sich heute zur europäischen Betriebsräte Richtlinie positionieren soll, wird sich Deutschland wohl enthalten. Grund sind erneut Bedenken der Liberalen, die auch schon verhinderten, dass Deutschland die Plattformarbeitsrichtlinie oder das EU-Lieferkettengesetz unterstützte. Genützt hat es in diesen Fällen nichts: Beide Gesetze wurden am Ende ohne Deutschland über die Ziellinie gebracht.
Beobachter rechnen damit, dass es heute ähnlich läuft und im EPSCO in einem ersten Schritt eine allgemeine Ausrichtung zu den Eurobetriebsräten zustande kommen wird. Die Verstimmung über die ausbleibende Positionierung des größten EU-Mitgliedstaats Deutschland ist fast schon physisch greifbar. Die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff etwa kommentiert genervt: Die German Votes im Sozialbereich müssten endlich ein Ende haben, wolle Deutschland seinem Gestaltungsanspruch in Europa gerecht werden.
SPD-Arbeitsminister Heil gegenüber, der nun bei der Abstimmung quasi zuschauen muss, steht auf Seiten des Parlaments ausgerechnet ein einflussreicher, deutscher CDU-MdEP – Dennis Radtke. Er treibt vom Parlament aus wichtige arbeitsmarktpolitische Dossiers voran. Für die europäischen Betriebsräte war er in der vergangenen Legislatur Berichterstatter, half auch der Plattformarbeitsrichtlinie zum Durchbruch.
Auch wenn der Rat nun nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit heute die allgemeine Ausrichtung zu den Eurobetriebsräten beschließt – über den Berg ist das Thema damit noch lange nicht. Dossiers aus den Bereichen Arbeit und Soziales haben es generell schwer auf EU-Ebene. Das mussten auch die Parlamentarier im Beschäftigungsausschuss EMPL merken, die sich im April auf den Text einigen konnten – die Entscheidung über ihr Verhandlungsmandat musste dagegen verschoben werden. Auch hier gibt es noch Potenzial für weiteren Zwist.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!
Es wurde lange erwartet, nun ist es so weit. Die EU-Kommission wendet zum ersten Mal die hart umkämpften, neuen EU-Schuldenregeln an. Am Mittwoch präsentierte die EU-Kommission ihre Empfehlungen für die Wirtschafts- und Budgetpolitik der EU-Mitgliedstaaten. Für Frankreich, Polen, Italien, Belgien, Ungarn, die Slowakei und Malta kündigte die Kommission zudem an, ein Verfahren wegen “exzessiver” Defizite zu starten. Die Länder gesellen sich somit zu Rumänien, das sich bereits in einem Defizitverfahren befindet.
Den offiziellen Vorschlag zur Einleitung des Defizitverfahrens wird die Kommission dem EU-Rat in den ersten Juliwochen unterbreiten. Der Finanzministerrat dürfte dann bereits am 16. Juli entscheiden, ob er dem Antrag der Kommission Folge leisten will.
Mitgliedstaaten, die in einem Defizitverfahren sind, müssen ihr strukturelles Primärdefizit jährlich um mindestens 0,5 Prozentpunkte senken, bis ihr Defizit unter die Drei-Prozent-Grenze der EU-Verträge fällt. Die betroffenen Regierungen werden für ihr Budget von 2025 also signifikante Ausgabenkürzungen oder Zusatzeinnahmen einplanen müssen. Ob sie dies tatsächlich tun werden, ist angesichts der politischen Hindernisse ungewiss.
Speziell in Frankreich ist die Lage unklar. 2023 lag das öffentliche Defizit bei 5,5 Prozent des BIPs. Die Kommission schätzt für 2024 ein Defizit von 5,3 Prozent und für 2025 von 5,0 Prozent – weit über der Drei-Prozent-Marke. Gleichzeitig erhält Frankreich mit den Neuwahlen Anfang Juli eine neue Regierung. Sowohl der rechtspopulistische Front National wie die linke Parteienallianz “Nouveau Front Populaire” werden sich kaum an die Sparvorgaben der EU-Kommission halten wollen.
Im April kommenden Jahres müssen die Staaten im Defizitverfahren einen Fortschrittsbericht über ihre budgetären Anpassungen abgeben. Im Juni 2025 hätte die EU-Kommission dann die Möglichkeit, weitere Maßnahmen vorzuschlagen, wenn Länder im Defizitverfahren die Vorgaben nicht erfüllen. Dann wird sich zeigen, ob der politische Wille besteht, Frankreich und andere große Mitgliedstaaten wie Polen und Italien zur Einhaltung der Regeln zu zwingen. In der Vergangenheit wurde Frankreich wegen seines politischen Gewichts von der EU-Kommission und im EU-Rat geschont, auch wenn es die Defizitgrenze überschritt.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber hofft darauf, dass die EU ihre Regeln dieses Mal durchsetzt. “Wenn der Stabilitäts- und Wachstumspakt glaubhaft sein soll, müssen Verstöße auch Konsequenzen haben“, erklärte er in einer Pressemitteilung. Es handle sich um “nichts weniger als die Feuerprobe für den neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt”.
Für den grünen Europaabgeordneten Rasmus Andresen zeigt die Entscheidung der Kommission hingegen, dass die Reform der EU-Schuldenregeln ein Fehler war. “Wenn die Länder, gegen die nun ein Verfahren angestoßen wurde, die neuen Vorgaben zur Haushaltskonsolidierung befolgen wollen, dann würden sie erheblich an Wirtschaftskraft verlieren”, sagte er in einer Pressemitteilung. Dies würde der gesamteuropäischen Wirtschaft schaden und dringend notwendige Investitionen verhindern. Schon während der Verhandlung der Reform der Schuldenregeln hatten Ökonomen gewarnt, dass die Reform die Notwendigkeit für zusätzliche Investitionen zu wenig berücksichtigt.
Einige Länder, die 2023 die Drei-Prozent-Defizitgrenze überschreiten, werden von einem Defizitverfahren verschont, zum Beispiel Estland, Spanien und Tschechien. Die EU-Kommission kann in den neuen EU-Schuldenregeln von einem Defizitverfahren absehen, wenn das Defizit nahe an der Drei-Prozent-Grenze liegt oder wenn es die Grenze nur temporär oder ausnahmsweise überschreitet.
Die Schuldenregeln betreffen aber nicht nur die Länder, gegen die ein Defizitverfahren eingeleitet wurde. Im neuen Regime müssen alle Mitgliedstaaten mittelfristige Fiskalpläne für die kommenden vier oder sieben Jahre vorlegen. Bei Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand von mehr als sechzig Prozent des BIPs müssen jene Fiskalpläne mittelfristig zu einer Reduktion des Schuldenstands führen.
Die Mitgliedstaaten können beantragen, einen Fiskalplan über sieben statt vier Jahre vorzulegen, wenn sie aufzeigen können, dass sie wachstumsfördernde Reformen und Investitionen tätigen. Zudem sollen die Fiskalpläne nicht nur auf den Budgetzahlen basieren, sondern im Rahmen ganzheitlicher Schuldentragbarkeitsanalysen auch andere wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen.
Nach Angaben von Zsolt Darvas, Senior Research Fellow beim Brüsseler Think Tank Bruegel, werden diese Schuldentragbarkeitsanalysen aber ebenfalls hohe Budgetkonsolidierungen verlangen. Und die sind zum Teil noch höher als die 0,5 Prozentpunkte, die das Defizitverfahren vorsieht.
Am Freitag wird die EU-Kommission den Mitgliedstaaten ihren Vorschlag für den “technical trajectory” übermitteln – die geplante Entwicklung der Netto-Ausgaben über die kommenden Jahre. Auf Basis dieses Vorschlags werden sich die nationalen Regierungsbeamten und die Kommissionsbeamten auf technischer Ebene über Berechnungsmethoden und Modellannahmen austauschen, bevor die nationalen Regierungen im September dann ihren eigenen Vorschlag für den mehrjährigen Fiskalplan vorlegen.
Die Kommission wird im November mit ihren eigenen Empfehlungen zu den mehrjährigen Fiskalplänen reagieren, die im Dezember vom Finanzministerrat abgesegnet werden müssen. “Hier könnte es zum Konflikt kommen”, sagte Zsolt Darvas zu Table.Briefings. Neben den Ländern im Defizitverfahren dürfte es auch mit Spanien, Finnland und Kroatien im Verlaufe des Herbsts zum Streit kommen.
Noch ist die KI-Verordnung (AI Act) nicht in Kraft. Doch Politiker und Unternehmen drängen darauf, dass die Bundesregierung mit den Vorbereitungen schnell vorankommt. “Der AI Act ist seit Mitte März inhaltlich final beschlossen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie jetzt zügig den Entwurf für ein Umsetzungsgesetz vorlegt“, sagt Digitalpolitikerin Ronja Kemmer (CDU). Ein Verpassen der Frist, wie es die Ampel beim Digitale-Dienste-Gesetz krachend hingelegt habe, dürfe beim AI Act nicht passieren.
Auch die Industrie selbst müsse sich beeilen, die notwendigen Standards zu entwickeln, sagt Robert Kilian, Vorstand beim KI-Bundesverband. Die technische Normierung zum Beispiel im Rahmen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) oder des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) sei ja nicht ureigene Aufgabe der Politik, sondern der Industrievertreter. “Wir müssen alle zusammen ordentlich Gas geben. Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, diese technischen Standards jetzt möglichst schnell herauszubringen.”
Der AI Act tritt 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Diese wird für Juli erwartet. Federführend für die Umsetzung sind das Bundeswirtschafts- und das Bundesjustizministerium. Die Bundesregierung prüfe derzeit Durchführungsbedarfe und -optionen, die sich aus der KI-Verordnung ergeben, heißt es aus dem BMWK. Die Prüfung erfolge unter Beteiligung der übrigen Ressorts und unter Einbeziehung der Länder und relevanter Stakeholder.
Dabei verweist das BMWK auf den Zeitplan der in der KI-Verordnung vorgesehenen Durchführungsfristen. Dieser sehe vor, dass innerhalb von zwölf Monaten ab Inkrafttreten die Behördenstruktur einzusetzen und die Straf- und Bußgeldvorschriften zu regeln sind.
So lange dürfe sich der Staat auf keinen Fall Zeit lassen, sagt Robert Kilian. “Die Unternehmen beklagen erhebliche Rechtsunsicherheit. Der gilt es zu begegnen, auch indem man Ansprechpartner schafft. Und diese Ansprechpartner liegen bei den Behörden.” Die Einführung der entsprechenden Compliance-Systeme, die mögliche Anpassung der Produkte und die Schulung der Mitarbeiter, das alles nehme Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch, meint Robert Kilian. Und dafür brauche es Guidance der zuständigen Behörden.
Angesichts dessen sind die Übergangsfristen vergleichsweise anspruchsvoll. Der AI Act sieht vor, dass
Bis die erste Frist ablaufe, müsse jedes Unternehmen ein AI-Inventory erstellen. “Nur wenn ich weiß, welche KI-Systeme ich eigentlich nutze, kann ich auch sicher ausschließen, dass da nicht irgendwelche verbotenen Anwendungen dabei sind”, sagt Robert Kilian.
Der durch die KI-Verordnung vorgegebene Zeitplan sei ambitioniert, meint auch der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Maximilian Funke-Kaiser. “Aber ich sehe keine Gefahr für dessen Einhaltung. Die verschiedenen Ministerien arbeiten kooperativ zusammen, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, von Verbänden und der Wirtschaft.”
Veränderungen sind nicht nur in den Feldern notwendig, die in die Arbeitsgebiete des BMWK und des BMJ fallen. Praktisch in allen Bereichen sind Anpassungen nötig. Einige Beispiele:
Ebenfalls regeln kann die Bundesregierung auch, wie sie mit der biometrischen Fernerkennung von Personen im öffentlichen Raum (Gegner sprechen von Massenüberwachung) umgehen will. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien festgelegt: “Biometrische Erkennung im öffentlichen Raum sowie automatisierte staatliche Scoring Systeme durch KI sind europarechtlich auszuschließen.”
Das ist nicht gelungen. Der AI Act lässt den Mitgliedstaaten jedoch etwas Spielraum. Zuständig sind hierzulande sowohl das BMJ als auch das BMI. Besonders eindeutig bei der Frage der KI-gestützten biometrischen Fernerkennung ist die FDP: “Als FDP lehnen wir den Aufbau eines Überwachungsstaats ab und werden diese Spielräume nutzen, um die Technologie zu verbieten”, sagt Maximilian Funke-Kaiser. Das sieht auch Justizminister Marco Buschmann so. Innenministerin Nancy Faeser dagegen wünscht sich mehr Zugriffsrechte für Sicherheitsbehörden.
Auch über die Frage, wer die Marktaufsicht führen und wer die notifizierende Behörde sein soll, gibt es verschiedene Meinungen. Im Gespräch ist unter anderem die Bundesnetzagentur, die bereits beim Digital Services Act als Koordinatorin fungiert. Aber auch die Datenschutzbeauftragten kommen infrage.
“Eine erfolgreiche Umsetzung wird maßgeblich davon abhängen, dass wir eine möglichst stark auf Bundesebene gebündelte nationale Aufsichtsstruktur hinbekommen, einen effizienten One-Stop-Shop als Anlaufstelle für die Unternehmen”, fordert etwa Ronja Kemmer. Trotz vieler bisheriger Unkenrufe, dass dies mit Blick auf föderal geteilte Zuständigkeiten nicht gehe, sei bei der Anhörung im Digitalausschuss nochmal deutlich geworden, “dass mit dem nötigen politischen Willen hier durchaus Lösungen möglich sind.”
Zunächst sollte die KI-Aufsicht bei der Bundesnetzagentur angesiedelt werden, schlägt Maximilian Funke-Kaiser vor. “In einem zweiten Schritt sollten wir die gesamte Digitalaufsicht, einschließlich der KI-Behörde und des Digitalen Dienste-Koordinators, aus der Bundesnetzagentur herauslösen und eine eigene Digital-Agentur aufbauen.”
Im Gegensatz dazu spricht sich der Online-Händler Zalando dafür aus, die KI-Aufsicht bei den Landesdatenschutzbehörden zu verankern. Ein wesentlicher Teil der KI-Anwendungsfälle betreffe schon jetzt die Verarbeitung personenbezogener Daten. “Dafür sind die Landesdatenschutzbehörden zuständig, die dadurch bereits Expertise aufgebaut haben”, argumentiert Daniel Enke, Director Public Affairs bei Zalando. “Alternative Lösungen bergen die Gefahr, dass Unternehmen die gleichen Anwendungsfälle mit verschiedenen Behörden besprechen müssen – im schlimmsten Fall mit sich widersprechenden Interpretationen.” Das ist im Grunde das, was alle vermeiden wollen.
21.06.2024 – 09:00-18:00 Uhr, Neapel (Italien)
EC 2nd Conference on Sustainable Banking & Finance CSBF 2024
The European Commission (EC) discusses the bidirectional nature of the relationship between climate change and finance. INFOS & REGISTRATION
21.06.2024 – 10:00-11:30 Uhr, online
FSR, Seminar What’s next for the EU’s Energy and Climate Policy?
The Florence School of Regulation (FSR) discusses what the priorities for the next Commission’s mandate should be. INFOS & REGISTRATION
21.06.2024 – 11:00-17:00 Uhr, Sevilla (Spanien)
EC, Conference European Innovation Centre for Industrial Transformation and Emissions (INCITE) launch event
The European Commission (EC) addresses the implementation of clean industrial technologies. INFOS & REGISTRATION
23.06.-27.06.2024, Tokio (Japan)
EIT, Conference Connecting the European and Japanese Innovation Ecosystems
The European Institute of Innovation and Technology (EIT) provides insights into the key players and stakeholders driving innovation in the region. INFOS & REGISTRATION
24.06.-28.06.2024, Berlin
EAB, Seminar Europa hat ein neues Parlament gewählt – was nun?
Die Europäische Akademie Berlin (EAB) bespricht Perspektiven für eine weitere friedliche Entwicklung Europas. INFOS & ANMELDUNG
24.06.-25.06.2024, Berlin
BDI, Conference Tag der Industrie
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht der Frage nach, ob der wirtschaftliche Aufbruch gelingt und ob Europa gestärkt aus den Wahlen hervorgeht. INFOS & ANMELDUNG
24.06.2024 – 12:30-13:30 Uhr, online
DGAP, Discussion Hungary’s EU Council Presidency
The German Council on Foreign Relations (DGAP) assesses the prospects for Hungary’s council presidency. INFOS & REGISTRATION
24.06.2024 – 13:00 Uhr, online
FES, Presentation Care Platforms – impacts and challenges from a trade union perspective
The Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) presents a study on the platform-based ‘gig’ economy. INFOS & REGISTRATION
25.06.2024 – 11:00 Uhr, online
EBD De-Briefing EPSCO
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) setzt sich mit den Themen und Ergebnissen des Rats Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz auseinander. INFOS & ANMELDUNG
Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im Europäischen Parlament ist in einer zweiten Beitrittsrunde auf 83 Mitglieder angewachsen. Die europakritische Fraktion verdrängt damit Renew vom dritten Platz im Parlament.
Auf der Fraktionssitzung in Brüssel am Mittwoch wurden die folgenden neuen Abgeordneten formell aufgenommen:
Die konstituierende Sitzung der Gruppe mit der Wahl des Vorsitzenden ist für den 26. Juni geplant. lei
Die EU-Länder haben sich wegen einer Blockade Deutschlands nicht auf ein 14. Sanktionspaket gegen Russland einigen können. Berlin wollte trotz der Streichung einer Klausel dem Paket nicht zustimmen, berichten Diplomaten der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch.
Beamte aus den 27 EU-Ländern haben über einen Monat lang über das Paket debattiert. Zu den neuen Maßnahmen gehören ein Verbot russischer LNG-Transporte und dass “EU-Operator” für Sanktionsverstöße von Tochtergesellschaften und Partnern in Drittländern verantwortlich gemacht werden können.
Das Zögern Deutschlands sei zum Teil auf eine interne Meinungsverschiedenheit zwischen dem Außenministerium und dem Bundeskanzleramt zurückzuführen, sagten Diplomaten und eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle.
Bei der gestrichenen Klausel handelte es sich um eine Ausweitung der so genannten “No-Russia-Klausel” auf Tochtergesellschaften in Drittländern. Die Klausel hätte diese Tochtergesellschaften gezwungen, “die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich zu verbieten”, wie aus einem Entwurf einer früheren Version des Pakets hervorgeht.
Die Klausel unter Artikel 12G wurde in einem Kompromisstext gestrichen, der kurz vor dem Treffen der Botschafter am späten Mittwochnachmittag an die Mitgliedsstaaten verteilt wurde, sagten sie. Die Botschafter wollen ihre Debatte am Donnerstag fortsetzen, berichtet Reuters. rtr
In der Gruppe der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament wird diskutiert, wer die Nachfolge von Rainer Wieland als Vizepräsident des Europaparlaments antritt. Sabine Verheyen, Vize der NRW-CDU, seit 2009 Europaabgeordnete und zuletzt Vorsitzende des Kulturausschusses (CULT), werden Ambitionen nachgesagt, dem langjährigen Vizepräsidenten nachzufolgen.
Mit der Entscheidung zusammen hängt die Frage, in welchen Ausschüssen die 29-köpfige deutsche Delegation den Vorsitz anstrebt. In der Delegation, die von Daniel Caspary geleitet wird, wird gefordert, sich stärker auf legislative Ausschüsse zu konzentrieren. Dies könnte bedeuten, dass die CDU/CSU-Gruppe bei der Verteilung der Ausschussvorsitze nicht mehr in der ersten Runde nach dem Auswärtigen Ausschuss greift. Der Auswärtige Ausschuss (AFET) wurde von David McAllister geleitet, der auch Vize der EVP ist.
Stattdessen könnte die Delegation zunächst den Landwirtschaftsausschuss (AGRI) ziehen, den wieder Norbert Lins leiten würde. Auch der Industrieausschuss (ITRE) ist im Blick, für dessen Leitung Christian Ehler infrage käme. Sollte der Auswärtige Ausschuss nicht gezogen werden, könnte David McAllister auch statt Verheyen als Kandidat für den Vize-Präsidentenposten im Europaparlament antreten, der der deutschen Gruppe zusteht.
In der vergangenen Wahlperiode stellte die deutsche Gruppe vier Ausschussvorsitze (AFET, AGRI, CULT, CONT). Die polnische Delegation hat 23 Abgeordnete und ist nach der deutschen Delegation mit 29 Abgeordneten zweitstärkste nationale Gruppe. Spanien stellt mit 22 MEPs die drittstärkste Delegation. Polen und Spanien haben die Zahl ihrer EVP-Abgeordneten deutlich gesteigert und werden mehr Ansprüche stellen als beim letzten Mal.
Die deutsche Gruppe wählt den Kandidaten für den Vize-Präsidentenposten am 15. Juli in Straßburg. Als Chefs der CDU/CSU-Delegation verhandeln Caspary und Angelika Niebler mit den Chefs der anderen nationalen Delegationen über die Ausschussvorsitze. Caspary hatte bei der Wahl des Vorsitzenden der deutschen Gruppe in der vergangenen Woche Sven Simon als Gegenkandidaten. Simon erhielt elf von 28 Stimmen. Caspary kam auf 16 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Gruppe von jüngeren Abgeordneten rund um Sven Simon fordert, dass sie bei der Vergabe der Posten auch berücksichtigt wird. Sie hofft auf einen Posten als Stellvertreter der deutschen Gruppe.
2019 hatte es eine Absprache von sechs Fraktionen im Europaparlament gegeben, der rechtsradikalen ID-Fraktion den ihr nach D’Hondt zustehenden Ausschuss nicht zu geben. Sie hatten einen sogenannten Cordon sanitaire gebildet, um die Rechtsradikalen von verantwortungsvollen Positionen in den Ausschüssen und im Parlamentspräsidium fernzuhalten. Der AGRI-Vorsitz, der der ID-Fraktion zustand, fiel dann Norbert Lins zu. Es wird damit gerechnet, dass die Fraktionen wieder einen Cordon sanitaire verabreden. Allerdings dürfte die CDU/CSU-Gruppe dennoch statt vier Ausschüssen im vergangenen Mandat künftig nur den Vorsitz in zwei oder drei Ausschüssen stellen dürfen. Im Europaparlament gibt es 14 Vize-Präsidenten.
Die EVP-Fraktion hat Manfred Weber wieder zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Er bekam 161 Ja-Stimmen, bei zwei Enthaltungen und acht Neinstimmen. Weber führt die Fraktion seit 2014. Außerdem wurden zehn Stellvertreter gewählt. Die EVP stellt mit 188 Abgeordneten die stärkste Fraktion. mgr
Die beiden einzigen Kandidaten für den Vorsitz der Fraktion Greens/EFA, Terry Reintke und Bas Eickhout, wurden am Mittwochmorgen von den Abgeordneten ins Amt gewählt. “Wir sind der verlässliche und konstruktive Partner für eine demokratische, proeuropäische Mehrheit”, betonte Reintke. Als Grünen-Fraktion wollen sie den Green Deal voranbringen, in grüne Industrien investieren, die die Europäische Union wettbewerbsfähig machen und Jobs schaffen.
Reintke hatte den Posten bereits in der vergangenen Legislatur seit dem Rücktritt von Ska Keller inne. Eickhout war bislang stellvertretender Vorsitzender und ist nun Nachfolger des aus dem Europaparlament ausgeschiedenen Belgiers Philippe Lamberts. luk
Der Verband Ecommerce Europe und 16 weitere nationale E-Commerce-Verbände fordern eine faire Wettbewerbssituation und eine effektivere Durchsetzung des EU-Rechts gegenüber nicht in der EU ansässigen Akteuren. In einem offenen Brief verlangen sie, dass “E-Commerce-Akteure, die in der EU tätig sind, aber in Nicht-EU-Ländern ansässig sind, denselben Regeln unterliegen sollten wie Unternehmen mit Sitz in der EU”. Das soll sicherstellen, dass EU-basierte Unternehmen keinen Wettbewerbsnachteil haben.
Hintergrund der Forderungen ist der rapide Erfolg asiatischer E-Commerce-Händler wie Shein und Temu. Diese Unternehmen nutzen erhebliche finanzielle Ressourcen und aggressive Marketingstrategien, um schnell in den europäischen Markt vorzudringen. Zudem profitieren sie nach Angaben der Unterzeichner von staatlichen Subventionen in ihren Heimatländern, was ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter stärke. Im Brief kritisieren sie, dass solche Praktiken zu ungleichem Wettbewerb führen und EU-Unternehmen benachteiligen.
Die Verbände weisen darauf hin, dass EU-basierte Unternehmen umfangreichen Gesetzen und hohen Compliance-Kosten unterliegen. Nicht-EU-basierte Akteure hielten diese Regeln oft nicht ein. Nationale Behörden seien häufig unterbesetzt. Zudem erschwere mangelnde Koordination die Durchsetzung der EU-Regeln. Dies verschaffe nicht-EU-Akteuren, die die Regeln ignorierten, einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Auch werfen die kommerziellen Praktiken dieser Akteure nach Ansicht der Unterzeichner Fragen zur Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Verbraucherschutz, Produktsicherheit, Datenschutz, Privatsphäre, Umwelt- und Steuerrecht auf.
Daher fordern die Verbände Kommission, Mitgliedstaaten und zuständige Behörden auf, alle notwendigen Mittel bereitzustellen, um die Aktivitäten nicht in der EU ansässiger Akteure genauso gründlich zu kontrollieren und bei Verstößen genauso zu sanktionieren wie EU-basierte Akteure. Dafür sei eine tiefere Zusammenarbeit und Koordination zwischen den EU-Mitgliedstaaten und ihren Behörden notwendig. Diese könne eine konsistente Anwendung der Vorschriften gewährleisten und somit echte Chancengleichheit im EU-Binnenmarkt ermöglichen. vis
Die europäischen Billigfluggesellschaften Ryanair, Easyjet und Wizz Air fordern, dass die Nicht-CO₂-Emissionen aller Flüge – auch internationaler Langstreckenflüge – erhoben und ausgewiesen werden sollten. Ab 2025 müssen Airlines in Europa neben dem direkten CO₂-Ausstoß im Emissionshandel erstmals auch Emissionen durch Ruß, Stickoxide und Wasserdampf erheben und ausweisen. Die Europäische Kommission plant jedoch eine Ausnahme von Langstreckenflügen von den Monitoring-Vorschriften von Nicht-CO₂-Emissionen.
Laut der EU-Luftsicherheitsbehörde haben die Nicht-CO₂-Emissionen der Fluggesellschaften einen mindestens ebenso großen Einfluss auf die globale Erwärmung wie ihr CO₂-Ausstoß. Ein von Reuters eingesehener Entwurf eines Kommissionsvorschlags für die neuen Vorschriften sieht vor, internationale Flüge für zwei Jahre von den Vorschriften auszunehmen. “Eine solche Meldepflicht besteht nur für Strecken mit zwei Flugplätzen im Europäischen Wirtschaftsraum”, heißt es in dem Vorschlag. Außerdem sollen Flüge aus dem EWR in die Schweiz oder nach Großbritannien ebenfalls erfasst werden.
Der pauschale Ausschluss von Extra-EWR-Routen erwecke den irreführenden Eindruck, dass auf diesen Routen keine Erwärmungseffekte durch die Nicht-CO₂-Emissionen verursacht würden, erklärten die Billigflieger als Reaktion auf die Kommissionspläne. rtr/luk
Die Regierungsbildung in Belgien macht Fortschritte – jedenfalls auf dem Papier. Am Mittwoch empfing König Philippe den flämischen Nationalisten Bart De Wever im Königspalast in Brüssel, um einen Zwischenbericht über die Sondierungsgespräche entgegenzunehmen.
Zu Inhalten wurde nicht bekannt. Doch offenbar ist De Wever seinem Ziel näher gekommen, auf Bundesebene eine ähnliche Koalition zu bilden wie in Flandern. Sie würde von De Wevers nationalistischer Partei N-VA, aber auch von Liberalen, Christsozialen und den flämischen Sozialdemokraten getragen.
In Brüssel spricht man sogar von einer “Spiegel-Koalition”, denn auch in der französischsprachigen Wallonie verhandeln Liberale und Christsoziale über ein Regierungsbündnis. Es würde dann spiegelbildlich auf der föderalen Ebene abgebildet, was die politische Kohärenz deutlich verstärken dürfte.
König Philippe beauftragte De Wever, die Gespräche voranzutreiben und am 26. Juni einen weiteren Bericht vorzulegen. Überschattet wurde das Treffen von der Entscheidung der EU-Kommission, ein Defizitverfahren gegen Belgien einzuleiten. Es könnte die fiskalpolitischen Spielräume der künftigen Regierung beschneiden und die Regierungsbildung erschweren.
Die EU-Kommission moniert, dass das Königreich mit einer Neuverschuldung von 4,4 Prozent gemessen am BIP und einem Schuldenstand von 105,2 Prozent gegen die Maastricht-Schwellen (3,0 und 60 Prozent) verstößt. Besserung sei nicht in Sicht, so die Brüsseler Behörde. Sie kritisiert die geringe Planungssicherheit und mangelnde Budget-Disziplin in den Regionen – vor allem in der hoch verschuldeten Wallonie.
Wenn die EU-Finanzminister das Defizitverfahren bestätigen, muss Belgien am 20. September einen Budgetplan vorlegen, der einen schrittweisen Abbau der Defizite vorsieht. Allerdings ist unklar, ob es bis dahin eine neue Föderalregierung in Brüssel gibt – und ob sie sich darauf einigen kann, den Gürtel enger zu schnallen.
Nach Berechnungen der Denkfabrik Bruegel müsste Belgien in den nächsten vier Jahren staatliche Ausgaben im Wert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung kürzen. Dies dürfte zu erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Die Gewerkschaften haben bereits “Widerstand” gegen die “Austeritätspolitik” angekündigt. ebo
Urban Keussen wurde am Mittwoch, 19. Juni, zum neuen Präsidenten des europäischen Stadtwerkeverbandes Cedec gewählt. Er folgt damit auf Florian Bieberbach, der Chef der Münchner Stadtwerke (SWM) hatte Cedec seit 2019 geführt. Keussen ist Technikvorstand bei EWE, zuvor war er Manager im Verteilnetzgeschäft von Eon und Chef der deutschen Sparte des Übertragungsnetzbetreibers Tennet.
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der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist ein überzeugter Fürsprecher für Beschäftigtenrechte. Noch im November betonte er etwa auf der Konferenz Soziales Europa die Bedeutung starker europäischer Betriebsräte für ein starkes Europa.
Nur: Im Rat der EU-Arbeitsminister, der sich heute zur europäischen Betriebsräte Richtlinie positionieren soll, wird sich Deutschland wohl enthalten. Grund sind erneut Bedenken der Liberalen, die auch schon verhinderten, dass Deutschland die Plattformarbeitsrichtlinie oder das EU-Lieferkettengesetz unterstützte. Genützt hat es in diesen Fällen nichts: Beide Gesetze wurden am Ende ohne Deutschland über die Ziellinie gebracht.
Beobachter rechnen damit, dass es heute ähnlich läuft und im EPSCO in einem ersten Schritt eine allgemeine Ausrichtung zu den Eurobetriebsräten zustande kommen wird. Die Verstimmung über die ausbleibende Positionierung des größten EU-Mitgliedstaats Deutschland ist fast schon physisch greifbar. Die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff etwa kommentiert genervt: Die German Votes im Sozialbereich müssten endlich ein Ende haben, wolle Deutschland seinem Gestaltungsanspruch in Europa gerecht werden.
SPD-Arbeitsminister Heil gegenüber, der nun bei der Abstimmung quasi zuschauen muss, steht auf Seiten des Parlaments ausgerechnet ein einflussreicher, deutscher CDU-MdEP – Dennis Radtke. Er treibt vom Parlament aus wichtige arbeitsmarktpolitische Dossiers voran. Für die europäischen Betriebsräte war er in der vergangenen Legislatur Berichterstatter, half auch der Plattformarbeitsrichtlinie zum Durchbruch.
Auch wenn der Rat nun nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit heute die allgemeine Ausrichtung zu den Eurobetriebsräten beschließt – über den Berg ist das Thema damit noch lange nicht. Dossiers aus den Bereichen Arbeit und Soziales haben es generell schwer auf EU-Ebene. Das mussten auch die Parlamentarier im Beschäftigungsausschuss EMPL merken, die sich im April auf den Text einigen konnten – die Entscheidung über ihr Verhandlungsmandat musste dagegen verschoben werden. Auch hier gibt es noch Potenzial für weiteren Zwist.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!
Es wurde lange erwartet, nun ist es so weit. Die EU-Kommission wendet zum ersten Mal die hart umkämpften, neuen EU-Schuldenregeln an. Am Mittwoch präsentierte die EU-Kommission ihre Empfehlungen für die Wirtschafts- und Budgetpolitik der EU-Mitgliedstaaten. Für Frankreich, Polen, Italien, Belgien, Ungarn, die Slowakei und Malta kündigte die Kommission zudem an, ein Verfahren wegen “exzessiver” Defizite zu starten. Die Länder gesellen sich somit zu Rumänien, das sich bereits in einem Defizitverfahren befindet.
Den offiziellen Vorschlag zur Einleitung des Defizitverfahrens wird die Kommission dem EU-Rat in den ersten Juliwochen unterbreiten. Der Finanzministerrat dürfte dann bereits am 16. Juli entscheiden, ob er dem Antrag der Kommission Folge leisten will.
Mitgliedstaaten, die in einem Defizitverfahren sind, müssen ihr strukturelles Primärdefizit jährlich um mindestens 0,5 Prozentpunkte senken, bis ihr Defizit unter die Drei-Prozent-Grenze der EU-Verträge fällt. Die betroffenen Regierungen werden für ihr Budget von 2025 also signifikante Ausgabenkürzungen oder Zusatzeinnahmen einplanen müssen. Ob sie dies tatsächlich tun werden, ist angesichts der politischen Hindernisse ungewiss.
Speziell in Frankreich ist die Lage unklar. 2023 lag das öffentliche Defizit bei 5,5 Prozent des BIPs. Die Kommission schätzt für 2024 ein Defizit von 5,3 Prozent und für 2025 von 5,0 Prozent – weit über der Drei-Prozent-Marke. Gleichzeitig erhält Frankreich mit den Neuwahlen Anfang Juli eine neue Regierung. Sowohl der rechtspopulistische Front National wie die linke Parteienallianz “Nouveau Front Populaire” werden sich kaum an die Sparvorgaben der EU-Kommission halten wollen.
Im April kommenden Jahres müssen die Staaten im Defizitverfahren einen Fortschrittsbericht über ihre budgetären Anpassungen abgeben. Im Juni 2025 hätte die EU-Kommission dann die Möglichkeit, weitere Maßnahmen vorzuschlagen, wenn Länder im Defizitverfahren die Vorgaben nicht erfüllen. Dann wird sich zeigen, ob der politische Wille besteht, Frankreich und andere große Mitgliedstaaten wie Polen und Italien zur Einhaltung der Regeln zu zwingen. In der Vergangenheit wurde Frankreich wegen seines politischen Gewichts von der EU-Kommission und im EU-Rat geschont, auch wenn es die Defizitgrenze überschritt.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber hofft darauf, dass die EU ihre Regeln dieses Mal durchsetzt. “Wenn der Stabilitäts- und Wachstumspakt glaubhaft sein soll, müssen Verstöße auch Konsequenzen haben“, erklärte er in einer Pressemitteilung. Es handle sich um “nichts weniger als die Feuerprobe für den neuen Stabilitäts- und Wachstumspakt”.
Für den grünen Europaabgeordneten Rasmus Andresen zeigt die Entscheidung der Kommission hingegen, dass die Reform der EU-Schuldenregeln ein Fehler war. “Wenn die Länder, gegen die nun ein Verfahren angestoßen wurde, die neuen Vorgaben zur Haushaltskonsolidierung befolgen wollen, dann würden sie erheblich an Wirtschaftskraft verlieren”, sagte er in einer Pressemitteilung. Dies würde der gesamteuropäischen Wirtschaft schaden und dringend notwendige Investitionen verhindern. Schon während der Verhandlung der Reform der Schuldenregeln hatten Ökonomen gewarnt, dass die Reform die Notwendigkeit für zusätzliche Investitionen zu wenig berücksichtigt.
Einige Länder, die 2023 die Drei-Prozent-Defizitgrenze überschreiten, werden von einem Defizitverfahren verschont, zum Beispiel Estland, Spanien und Tschechien. Die EU-Kommission kann in den neuen EU-Schuldenregeln von einem Defizitverfahren absehen, wenn das Defizit nahe an der Drei-Prozent-Grenze liegt oder wenn es die Grenze nur temporär oder ausnahmsweise überschreitet.
Die Schuldenregeln betreffen aber nicht nur die Länder, gegen die ein Defizitverfahren eingeleitet wurde. Im neuen Regime müssen alle Mitgliedstaaten mittelfristige Fiskalpläne für die kommenden vier oder sieben Jahre vorlegen. Bei Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand von mehr als sechzig Prozent des BIPs müssen jene Fiskalpläne mittelfristig zu einer Reduktion des Schuldenstands führen.
Die Mitgliedstaaten können beantragen, einen Fiskalplan über sieben statt vier Jahre vorzulegen, wenn sie aufzeigen können, dass sie wachstumsfördernde Reformen und Investitionen tätigen. Zudem sollen die Fiskalpläne nicht nur auf den Budgetzahlen basieren, sondern im Rahmen ganzheitlicher Schuldentragbarkeitsanalysen auch andere wirtschaftliche Faktoren berücksichtigen.
Nach Angaben von Zsolt Darvas, Senior Research Fellow beim Brüsseler Think Tank Bruegel, werden diese Schuldentragbarkeitsanalysen aber ebenfalls hohe Budgetkonsolidierungen verlangen. Und die sind zum Teil noch höher als die 0,5 Prozentpunkte, die das Defizitverfahren vorsieht.
Am Freitag wird die EU-Kommission den Mitgliedstaaten ihren Vorschlag für den “technical trajectory” übermitteln – die geplante Entwicklung der Netto-Ausgaben über die kommenden Jahre. Auf Basis dieses Vorschlags werden sich die nationalen Regierungsbeamten und die Kommissionsbeamten auf technischer Ebene über Berechnungsmethoden und Modellannahmen austauschen, bevor die nationalen Regierungen im September dann ihren eigenen Vorschlag für den mehrjährigen Fiskalplan vorlegen.
Die Kommission wird im November mit ihren eigenen Empfehlungen zu den mehrjährigen Fiskalplänen reagieren, die im Dezember vom Finanzministerrat abgesegnet werden müssen. “Hier könnte es zum Konflikt kommen”, sagte Zsolt Darvas zu Table.Briefings. Neben den Ländern im Defizitverfahren dürfte es auch mit Spanien, Finnland und Kroatien im Verlaufe des Herbsts zum Streit kommen.
Noch ist die KI-Verordnung (AI Act) nicht in Kraft. Doch Politiker und Unternehmen drängen darauf, dass die Bundesregierung mit den Vorbereitungen schnell vorankommt. “Der AI Act ist seit Mitte März inhaltlich final beschlossen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie jetzt zügig den Entwurf für ein Umsetzungsgesetz vorlegt“, sagt Digitalpolitikerin Ronja Kemmer (CDU). Ein Verpassen der Frist, wie es die Ampel beim Digitale-Dienste-Gesetz krachend hingelegt habe, dürfe beim AI Act nicht passieren.
Auch die Industrie selbst müsse sich beeilen, die notwendigen Standards zu entwickeln, sagt Robert Kilian, Vorstand beim KI-Bundesverband. Die technische Normierung zum Beispiel im Rahmen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) oder des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) sei ja nicht ureigene Aufgabe der Politik, sondern der Industrievertreter. “Wir müssen alle zusammen ordentlich Gas geben. Es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, diese technischen Standards jetzt möglichst schnell herauszubringen.”
Der AI Act tritt 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Diese wird für Juli erwartet. Federführend für die Umsetzung sind das Bundeswirtschafts- und das Bundesjustizministerium. Die Bundesregierung prüfe derzeit Durchführungsbedarfe und -optionen, die sich aus der KI-Verordnung ergeben, heißt es aus dem BMWK. Die Prüfung erfolge unter Beteiligung der übrigen Ressorts und unter Einbeziehung der Länder und relevanter Stakeholder.
Dabei verweist das BMWK auf den Zeitplan der in der KI-Verordnung vorgesehenen Durchführungsfristen. Dieser sehe vor, dass innerhalb von zwölf Monaten ab Inkrafttreten die Behördenstruktur einzusetzen und die Straf- und Bußgeldvorschriften zu regeln sind.
So lange dürfe sich der Staat auf keinen Fall Zeit lassen, sagt Robert Kilian. “Die Unternehmen beklagen erhebliche Rechtsunsicherheit. Der gilt es zu begegnen, auch indem man Ansprechpartner schafft. Und diese Ansprechpartner liegen bei den Behörden.” Die Einführung der entsprechenden Compliance-Systeme, die mögliche Anpassung der Produkte und die Schulung der Mitarbeiter, das alles nehme Monate, wenn nicht Jahre in Anspruch, meint Robert Kilian. Und dafür brauche es Guidance der zuständigen Behörden.
Angesichts dessen sind die Übergangsfristen vergleichsweise anspruchsvoll. Der AI Act sieht vor, dass
Bis die erste Frist ablaufe, müsse jedes Unternehmen ein AI-Inventory erstellen. “Nur wenn ich weiß, welche KI-Systeme ich eigentlich nutze, kann ich auch sicher ausschließen, dass da nicht irgendwelche verbotenen Anwendungen dabei sind”, sagt Robert Kilian.
Der durch die KI-Verordnung vorgegebene Zeitplan sei ambitioniert, meint auch der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Maximilian Funke-Kaiser. “Aber ich sehe keine Gefahr für dessen Einhaltung. Die verschiedenen Ministerien arbeiten kooperativ zusammen, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, von Verbänden und der Wirtschaft.”
Veränderungen sind nicht nur in den Feldern notwendig, die in die Arbeitsgebiete des BMWK und des BMJ fallen. Praktisch in allen Bereichen sind Anpassungen nötig. Einige Beispiele:
Ebenfalls regeln kann die Bundesregierung auch, wie sie mit der biometrischen Fernerkennung von Personen im öffentlichen Raum (Gegner sprechen von Massenüberwachung) umgehen will. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien festgelegt: “Biometrische Erkennung im öffentlichen Raum sowie automatisierte staatliche Scoring Systeme durch KI sind europarechtlich auszuschließen.”
Das ist nicht gelungen. Der AI Act lässt den Mitgliedstaaten jedoch etwas Spielraum. Zuständig sind hierzulande sowohl das BMJ als auch das BMI. Besonders eindeutig bei der Frage der KI-gestützten biometrischen Fernerkennung ist die FDP: “Als FDP lehnen wir den Aufbau eines Überwachungsstaats ab und werden diese Spielräume nutzen, um die Technologie zu verbieten”, sagt Maximilian Funke-Kaiser. Das sieht auch Justizminister Marco Buschmann so. Innenministerin Nancy Faeser dagegen wünscht sich mehr Zugriffsrechte für Sicherheitsbehörden.
Auch über die Frage, wer die Marktaufsicht führen und wer die notifizierende Behörde sein soll, gibt es verschiedene Meinungen. Im Gespräch ist unter anderem die Bundesnetzagentur, die bereits beim Digital Services Act als Koordinatorin fungiert. Aber auch die Datenschutzbeauftragten kommen infrage.
“Eine erfolgreiche Umsetzung wird maßgeblich davon abhängen, dass wir eine möglichst stark auf Bundesebene gebündelte nationale Aufsichtsstruktur hinbekommen, einen effizienten One-Stop-Shop als Anlaufstelle für die Unternehmen”, fordert etwa Ronja Kemmer. Trotz vieler bisheriger Unkenrufe, dass dies mit Blick auf föderal geteilte Zuständigkeiten nicht gehe, sei bei der Anhörung im Digitalausschuss nochmal deutlich geworden, “dass mit dem nötigen politischen Willen hier durchaus Lösungen möglich sind.”
Zunächst sollte die KI-Aufsicht bei der Bundesnetzagentur angesiedelt werden, schlägt Maximilian Funke-Kaiser vor. “In einem zweiten Schritt sollten wir die gesamte Digitalaufsicht, einschließlich der KI-Behörde und des Digitalen Dienste-Koordinators, aus der Bundesnetzagentur herauslösen und eine eigene Digital-Agentur aufbauen.”
Im Gegensatz dazu spricht sich der Online-Händler Zalando dafür aus, die KI-Aufsicht bei den Landesdatenschutzbehörden zu verankern. Ein wesentlicher Teil der KI-Anwendungsfälle betreffe schon jetzt die Verarbeitung personenbezogener Daten. “Dafür sind die Landesdatenschutzbehörden zuständig, die dadurch bereits Expertise aufgebaut haben”, argumentiert Daniel Enke, Director Public Affairs bei Zalando. “Alternative Lösungen bergen die Gefahr, dass Unternehmen die gleichen Anwendungsfälle mit verschiedenen Behörden besprechen müssen – im schlimmsten Fall mit sich widersprechenden Interpretationen.” Das ist im Grunde das, was alle vermeiden wollen.
21.06.2024 – 09:00-18:00 Uhr, Neapel (Italien)
EC 2nd Conference on Sustainable Banking & Finance CSBF 2024
The European Commission (EC) discusses the bidirectional nature of the relationship between climate change and finance. INFOS & REGISTRATION
21.06.2024 – 10:00-11:30 Uhr, online
FSR, Seminar What’s next for the EU’s Energy and Climate Policy?
The Florence School of Regulation (FSR) discusses what the priorities for the next Commission’s mandate should be. INFOS & REGISTRATION
21.06.2024 – 11:00-17:00 Uhr, Sevilla (Spanien)
EC, Conference European Innovation Centre for Industrial Transformation and Emissions (INCITE) launch event
The European Commission (EC) addresses the implementation of clean industrial technologies. INFOS & REGISTRATION
23.06.-27.06.2024, Tokio (Japan)
EIT, Conference Connecting the European and Japanese Innovation Ecosystems
The European Institute of Innovation and Technology (EIT) provides insights into the key players and stakeholders driving innovation in the region. INFOS & REGISTRATION
24.06.-28.06.2024, Berlin
EAB, Seminar Europa hat ein neues Parlament gewählt – was nun?
Die Europäische Akademie Berlin (EAB) bespricht Perspektiven für eine weitere friedliche Entwicklung Europas. INFOS & ANMELDUNG
24.06.-25.06.2024, Berlin
BDI, Conference Tag der Industrie
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geht der Frage nach, ob der wirtschaftliche Aufbruch gelingt und ob Europa gestärkt aus den Wahlen hervorgeht. INFOS & ANMELDUNG
24.06.2024 – 12:30-13:30 Uhr, online
DGAP, Discussion Hungary’s EU Council Presidency
The German Council on Foreign Relations (DGAP) assesses the prospects for Hungary’s council presidency. INFOS & REGISTRATION
24.06.2024 – 13:00 Uhr, online
FES, Presentation Care Platforms – impacts and challenges from a trade union perspective
The Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) presents a study on the platform-based ‘gig’ economy. INFOS & REGISTRATION
25.06.2024 – 11:00 Uhr, online
EBD De-Briefing EPSCO
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) setzt sich mit den Themen und Ergebnissen des Rats Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz auseinander. INFOS & ANMELDUNG
Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im Europäischen Parlament ist in einer zweiten Beitrittsrunde auf 83 Mitglieder angewachsen. Die europakritische Fraktion verdrängt damit Renew vom dritten Platz im Parlament.
Auf der Fraktionssitzung in Brüssel am Mittwoch wurden die folgenden neuen Abgeordneten formell aufgenommen:
Die konstituierende Sitzung der Gruppe mit der Wahl des Vorsitzenden ist für den 26. Juni geplant. lei
Die EU-Länder haben sich wegen einer Blockade Deutschlands nicht auf ein 14. Sanktionspaket gegen Russland einigen können. Berlin wollte trotz der Streichung einer Klausel dem Paket nicht zustimmen, berichten Diplomaten der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch.
Beamte aus den 27 EU-Ländern haben über einen Monat lang über das Paket debattiert. Zu den neuen Maßnahmen gehören ein Verbot russischer LNG-Transporte und dass “EU-Operator” für Sanktionsverstöße von Tochtergesellschaften und Partnern in Drittländern verantwortlich gemacht werden können.
Das Zögern Deutschlands sei zum Teil auf eine interne Meinungsverschiedenheit zwischen dem Außenministerium und dem Bundeskanzleramt zurückzuführen, sagten Diplomaten und eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle.
Bei der gestrichenen Klausel handelte es sich um eine Ausweitung der so genannten “No-Russia-Klausel” auf Tochtergesellschaften in Drittländern. Die Klausel hätte diese Tochtergesellschaften gezwungen, “die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich zu verbieten”, wie aus einem Entwurf einer früheren Version des Pakets hervorgeht.
Die Klausel unter Artikel 12G wurde in einem Kompromisstext gestrichen, der kurz vor dem Treffen der Botschafter am späten Mittwochnachmittag an die Mitgliedsstaaten verteilt wurde, sagten sie. Die Botschafter wollen ihre Debatte am Donnerstag fortsetzen, berichtet Reuters. rtr
In der Gruppe der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament wird diskutiert, wer die Nachfolge von Rainer Wieland als Vizepräsident des Europaparlaments antritt. Sabine Verheyen, Vize der NRW-CDU, seit 2009 Europaabgeordnete und zuletzt Vorsitzende des Kulturausschusses (CULT), werden Ambitionen nachgesagt, dem langjährigen Vizepräsidenten nachzufolgen.
Mit der Entscheidung zusammen hängt die Frage, in welchen Ausschüssen die 29-köpfige deutsche Delegation den Vorsitz anstrebt. In der Delegation, die von Daniel Caspary geleitet wird, wird gefordert, sich stärker auf legislative Ausschüsse zu konzentrieren. Dies könnte bedeuten, dass die CDU/CSU-Gruppe bei der Verteilung der Ausschussvorsitze nicht mehr in der ersten Runde nach dem Auswärtigen Ausschuss greift. Der Auswärtige Ausschuss (AFET) wurde von David McAllister geleitet, der auch Vize der EVP ist.
Stattdessen könnte die Delegation zunächst den Landwirtschaftsausschuss (AGRI) ziehen, den wieder Norbert Lins leiten würde. Auch der Industrieausschuss (ITRE) ist im Blick, für dessen Leitung Christian Ehler infrage käme. Sollte der Auswärtige Ausschuss nicht gezogen werden, könnte David McAllister auch statt Verheyen als Kandidat für den Vize-Präsidentenposten im Europaparlament antreten, der der deutschen Gruppe zusteht.
In der vergangenen Wahlperiode stellte die deutsche Gruppe vier Ausschussvorsitze (AFET, AGRI, CULT, CONT). Die polnische Delegation hat 23 Abgeordnete und ist nach der deutschen Delegation mit 29 Abgeordneten zweitstärkste nationale Gruppe. Spanien stellt mit 22 MEPs die drittstärkste Delegation. Polen und Spanien haben die Zahl ihrer EVP-Abgeordneten deutlich gesteigert und werden mehr Ansprüche stellen als beim letzten Mal.
Die deutsche Gruppe wählt den Kandidaten für den Vize-Präsidentenposten am 15. Juli in Straßburg. Als Chefs der CDU/CSU-Delegation verhandeln Caspary und Angelika Niebler mit den Chefs der anderen nationalen Delegationen über die Ausschussvorsitze. Caspary hatte bei der Wahl des Vorsitzenden der deutschen Gruppe in der vergangenen Woche Sven Simon als Gegenkandidaten. Simon erhielt elf von 28 Stimmen. Caspary kam auf 16 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Gruppe von jüngeren Abgeordneten rund um Sven Simon fordert, dass sie bei der Vergabe der Posten auch berücksichtigt wird. Sie hofft auf einen Posten als Stellvertreter der deutschen Gruppe.
2019 hatte es eine Absprache von sechs Fraktionen im Europaparlament gegeben, der rechtsradikalen ID-Fraktion den ihr nach D’Hondt zustehenden Ausschuss nicht zu geben. Sie hatten einen sogenannten Cordon sanitaire gebildet, um die Rechtsradikalen von verantwortungsvollen Positionen in den Ausschüssen und im Parlamentspräsidium fernzuhalten. Der AGRI-Vorsitz, der der ID-Fraktion zustand, fiel dann Norbert Lins zu. Es wird damit gerechnet, dass die Fraktionen wieder einen Cordon sanitaire verabreden. Allerdings dürfte die CDU/CSU-Gruppe dennoch statt vier Ausschüssen im vergangenen Mandat künftig nur den Vorsitz in zwei oder drei Ausschüssen stellen dürfen. Im Europaparlament gibt es 14 Vize-Präsidenten.
Die EVP-Fraktion hat Manfred Weber wieder zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Er bekam 161 Ja-Stimmen, bei zwei Enthaltungen und acht Neinstimmen. Weber führt die Fraktion seit 2014. Außerdem wurden zehn Stellvertreter gewählt. Die EVP stellt mit 188 Abgeordneten die stärkste Fraktion. mgr
Die beiden einzigen Kandidaten für den Vorsitz der Fraktion Greens/EFA, Terry Reintke und Bas Eickhout, wurden am Mittwochmorgen von den Abgeordneten ins Amt gewählt. “Wir sind der verlässliche und konstruktive Partner für eine demokratische, proeuropäische Mehrheit”, betonte Reintke. Als Grünen-Fraktion wollen sie den Green Deal voranbringen, in grüne Industrien investieren, die die Europäische Union wettbewerbsfähig machen und Jobs schaffen.
Reintke hatte den Posten bereits in der vergangenen Legislatur seit dem Rücktritt von Ska Keller inne. Eickhout war bislang stellvertretender Vorsitzender und ist nun Nachfolger des aus dem Europaparlament ausgeschiedenen Belgiers Philippe Lamberts. luk
Der Verband Ecommerce Europe und 16 weitere nationale E-Commerce-Verbände fordern eine faire Wettbewerbssituation und eine effektivere Durchsetzung des EU-Rechts gegenüber nicht in der EU ansässigen Akteuren. In einem offenen Brief verlangen sie, dass “E-Commerce-Akteure, die in der EU tätig sind, aber in Nicht-EU-Ländern ansässig sind, denselben Regeln unterliegen sollten wie Unternehmen mit Sitz in der EU”. Das soll sicherstellen, dass EU-basierte Unternehmen keinen Wettbewerbsnachteil haben.
Hintergrund der Forderungen ist der rapide Erfolg asiatischer E-Commerce-Händler wie Shein und Temu. Diese Unternehmen nutzen erhebliche finanzielle Ressourcen und aggressive Marketingstrategien, um schnell in den europäischen Markt vorzudringen. Zudem profitieren sie nach Angaben der Unterzeichner von staatlichen Subventionen in ihren Heimatländern, was ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter stärke. Im Brief kritisieren sie, dass solche Praktiken zu ungleichem Wettbewerb führen und EU-Unternehmen benachteiligen.
Die Verbände weisen darauf hin, dass EU-basierte Unternehmen umfangreichen Gesetzen und hohen Compliance-Kosten unterliegen. Nicht-EU-basierte Akteure hielten diese Regeln oft nicht ein. Nationale Behörden seien häufig unterbesetzt. Zudem erschwere mangelnde Koordination die Durchsetzung der EU-Regeln. Dies verschaffe nicht-EU-Akteuren, die die Regeln ignorierten, einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Auch werfen die kommerziellen Praktiken dieser Akteure nach Ansicht der Unterzeichner Fragen zur Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Verbraucherschutz, Produktsicherheit, Datenschutz, Privatsphäre, Umwelt- und Steuerrecht auf.
Daher fordern die Verbände Kommission, Mitgliedstaaten und zuständige Behörden auf, alle notwendigen Mittel bereitzustellen, um die Aktivitäten nicht in der EU ansässiger Akteure genauso gründlich zu kontrollieren und bei Verstößen genauso zu sanktionieren wie EU-basierte Akteure. Dafür sei eine tiefere Zusammenarbeit und Koordination zwischen den EU-Mitgliedstaaten und ihren Behörden notwendig. Diese könne eine konsistente Anwendung der Vorschriften gewährleisten und somit echte Chancengleichheit im EU-Binnenmarkt ermöglichen. vis
Die europäischen Billigfluggesellschaften Ryanair, Easyjet und Wizz Air fordern, dass die Nicht-CO₂-Emissionen aller Flüge – auch internationaler Langstreckenflüge – erhoben und ausgewiesen werden sollten. Ab 2025 müssen Airlines in Europa neben dem direkten CO₂-Ausstoß im Emissionshandel erstmals auch Emissionen durch Ruß, Stickoxide und Wasserdampf erheben und ausweisen. Die Europäische Kommission plant jedoch eine Ausnahme von Langstreckenflügen von den Monitoring-Vorschriften von Nicht-CO₂-Emissionen.
Laut der EU-Luftsicherheitsbehörde haben die Nicht-CO₂-Emissionen der Fluggesellschaften einen mindestens ebenso großen Einfluss auf die globale Erwärmung wie ihr CO₂-Ausstoß. Ein von Reuters eingesehener Entwurf eines Kommissionsvorschlags für die neuen Vorschriften sieht vor, internationale Flüge für zwei Jahre von den Vorschriften auszunehmen. “Eine solche Meldepflicht besteht nur für Strecken mit zwei Flugplätzen im Europäischen Wirtschaftsraum”, heißt es in dem Vorschlag. Außerdem sollen Flüge aus dem EWR in die Schweiz oder nach Großbritannien ebenfalls erfasst werden.
Der pauschale Ausschluss von Extra-EWR-Routen erwecke den irreführenden Eindruck, dass auf diesen Routen keine Erwärmungseffekte durch die Nicht-CO₂-Emissionen verursacht würden, erklärten die Billigflieger als Reaktion auf die Kommissionspläne. rtr/luk
Die Regierungsbildung in Belgien macht Fortschritte – jedenfalls auf dem Papier. Am Mittwoch empfing König Philippe den flämischen Nationalisten Bart De Wever im Königspalast in Brüssel, um einen Zwischenbericht über die Sondierungsgespräche entgegenzunehmen.
Zu Inhalten wurde nicht bekannt. Doch offenbar ist De Wever seinem Ziel näher gekommen, auf Bundesebene eine ähnliche Koalition zu bilden wie in Flandern. Sie würde von De Wevers nationalistischer Partei N-VA, aber auch von Liberalen, Christsozialen und den flämischen Sozialdemokraten getragen.
In Brüssel spricht man sogar von einer “Spiegel-Koalition”, denn auch in der französischsprachigen Wallonie verhandeln Liberale und Christsoziale über ein Regierungsbündnis. Es würde dann spiegelbildlich auf der föderalen Ebene abgebildet, was die politische Kohärenz deutlich verstärken dürfte.
König Philippe beauftragte De Wever, die Gespräche voranzutreiben und am 26. Juni einen weiteren Bericht vorzulegen. Überschattet wurde das Treffen von der Entscheidung der EU-Kommission, ein Defizitverfahren gegen Belgien einzuleiten. Es könnte die fiskalpolitischen Spielräume der künftigen Regierung beschneiden und die Regierungsbildung erschweren.
Die EU-Kommission moniert, dass das Königreich mit einer Neuverschuldung von 4,4 Prozent gemessen am BIP und einem Schuldenstand von 105,2 Prozent gegen die Maastricht-Schwellen (3,0 und 60 Prozent) verstößt. Besserung sei nicht in Sicht, so die Brüsseler Behörde. Sie kritisiert die geringe Planungssicherheit und mangelnde Budget-Disziplin in den Regionen – vor allem in der hoch verschuldeten Wallonie.
Wenn die EU-Finanzminister das Defizitverfahren bestätigen, muss Belgien am 20. September einen Budgetplan vorlegen, der einen schrittweisen Abbau der Defizite vorsieht. Allerdings ist unklar, ob es bis dahin eine neue Föderalregierung in Brüssel gibt – und ob sie sich darauf einigen kann, den Gürtel enger zu schnallen.
Nach Berechnungen der Denkfabrik Bruegel müsste Belgien in den nächsten vier Jahren staatliche Ausgaben im Wert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung kürzen. Dies dürfte zu erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Die Gewerkschaften haben bereits “Widerstand” gegen die “Austeritätspolitik” angekündigt. ebo
Urban Keussen wurde am Mittwoch, 19. Juni, zum neuen Präsidenten des europäischen Stadtwerkeverbandes Cedec gewählt. Er folgt damit auf Florian Bieberbach, der Chef der Münchner Stadtwerke (SWM) hatte Cedec seit 2019 geführt. Keussen ist Technikvorstand bei EWE, zuvor war er Manager im Verteilnetzgeschäft von Eon und Chef der deutschen Sparte des Übertragungsnetzbetreibers Tennet.
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