in Sachen Wasserstoff hatte Deutschland sich einiges vorgenommen: “Wir wollen bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt werden”, sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im vergangenen Jahr. Doch nun zeigt sich: Die deutsche Industrie tut sich mit Genehmigungen im Rahmen des europäischen Wasserstoff-IPCEI schwer. Für ein Drittel der beantragten Projekte muss die Bundesregierung andere Fördermöglichkeiten suchen. Die Industrie sieht darin allerdings nicht nur Nachteile, wie Manuel Berkel berichtet.
Wir bleiben beim Thema: “Anderswo wird geklotzt, bei uns wird nur diskutiert” – Jorgo Chatzimarkakis, Chef des europäischen Wasserstoff-Verbands Hydrogen Europe, fällt ein hartes Urteil über die europäische Politik, die im Bereich Wasserstoff vor allem durch “lähmende interne Debatten” auffalle. Manuel Berkel und Markus Grabitz haben mit ihm über die geplante Europäische Wasserstoffbank, die größten Konkurrenten und Investitionen außerhalb der EU gesprochen.
Wo vor mehr als 370 Jahren über den Westfälischen Frieden verhandelt wurde, tagen ab heute die Außenminister der G7-Länder. Bei dem zweitägigen Treffen in Münster wird es vor allem um die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gehen, aber auch um den Umgang mit China und dem Iran. Ob in Münster weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen werden, war zunächst offen.
Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war in der Vergangenheit durch nicht gerade zimperliche Kritik an der EU aufgefallen. Ihre erste Auslandsreise als Regierungschefin führt sie nun ausgerechnet nach Brüssel. Heute wird sie nacheinander zu Gesprächen mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel erwartet. Das lässt sich als positives Signal an die EU werten, doch einige blicken dem Besuch mit Skepsis entgegen: “Sie muss erklären, ob sie eine zuverlässige Partnerin sein will”, hieß es im Vorfeld etwa von den deutschen Grünen im Europäischen Parlament.
Die Freude war groß im Mai vergangenen Jahres. “Wir wollen bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt werden”, sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit einer Karte in der Hand. Auf ihr zu sehen: 62 Projekte der deutschen Industrie, die Wirtschafts- und Verkehrsministerium auserwählt hatten. Aus über 230 Anträgen, für acht Milliarden Euro staatliche Fördermittel und Investitionen von insgesamt 33 Milliarden Euro. Ein Prestigeprojekt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, bis Ende des Jahres sollten die Genehmigungen vorliegen. Doch die allermeisten Unternehmen warten bis heute. Bei einigen wurde der Frust zu groß.
Zwei Unternehmen haben ihre Förderanträge inzwischen zurückgezogen. Das geht aus einer Antwort des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium Patrick Graichen an den CDU-Bundestagsabgeordneten Oliver Grundmann hervor, die Europe.Table vorliegt. Für weitaus mehr Unternehmen erwies sich das prestigeträchtige Förderinstrument als falsche Wahl.
“Auf Wunsch der EU-Kommission sollen […] einige der unter IPCEI pränotifizierten Projekte unter anderen Rechtsgrundlagen gefördert werden (nach den EU-Leitlinien für Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen KUEBLL, oder der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung AGVO)”, schreibt Graichen. “Nach derzeitigem Stand sind das 21 der ursprünglich 62 Projekte.” Davon stammten 16 aus dem Geschäftsbereich des Wirtschafts- und fünf aus dem des Verkehrsministeriums. Etwa ein Drittel der Vorhaben hält die Kommission also im ursprünglichen Rahmen gar nicht für förderfähig.
Den Frust der Projektverantwortlichen kann der CDU-Abgeordnete Grundmann sehr gut nachvollziehen. “Das Warten geht weiter. Unklarheit und mangelnde Transparenz sind das Gegenteil von Investitions- und Planungssicherheit”, kritisiert der Wasserstoff-Berichterstatter der Unionsfraktion. “Wenn 21 der ursprünglich 62 deutschen Projekte die IPCEI-Kriterien nicht mehr erfüllen, möchten wir gerne erfahren, warum. In der aktuellen Klima- und Energiekrise brauchen wir keine weiteren bürokratischen Bremsklötze, sondern einen Investitionsturbo!”
Der Chemieverband VCI hatte die IPCEI-Kriterien bereits als zu bürokratisch kritisiert (Europe.Table berichtete). Als überzogen empfindet die Branche zum Beispiel die nötige Beteiligung von vier Mitgliedstaaten. Kleinere Unternehmen haben es da noch schwerer. Für den Mittelstand sei dieses Förderinstrument kaum zugänglich, heißt es im aktuellen Whitepaper zur Wasserstoffwirtschaft des Elektrotechnikverbands VDE.
Für die schleppende Bearbeitung der Anträge machten sich Kommission und Bundesregierung gegenseitig verantwortlich. Als offenes Geheimnis gilt, dass Brüssel viele Anträge schlecht vorbereitet fand. Das mag auch an der hohen Zahl an Anträgen gelegen haben. Allerdings hätten die beteiligten Ministerien und Behörden auch nicht für angemessene Personalausstattung gesorgt, lautet ein Vorwurf aus der Industrie. In den Ministerien vertrat man dagegen die Auffassung, dass die Kommission zu penibel prüfe.
Andere EU-Staaten waren erfolgreicher. Bisher hat die Kommission in zwei sogenannten Wellen 76 Vorhaben nach den IPCEI-Kriterien notifiziert, davon waren bisher aber nur vier Projekte aus Deutschland. Die dritte Welle mit wichtigen Infrastrukturprojekten werde voraussichtlich die größte, heißt es aus der Berliner Koalition – wo man hoffnungsvoll ist, dass dabei auch wieder deutsche Projekte notifiziert werden. Wahrscheinlich würden die Entscheidungen aber nicht mehr innerhalb der nächsten Wochen, sondern erst im ersten Quartal 2023 verkündet.
Bei diesen drei Förderwellen könnte es die Kommission dann möglicherweise belassen. Aktuell sei nicht sicher, ob es wie zunächst erwogen auch eine vierte Welle geben wird, meinen Beobachter.
Die Hoffnungen der Industrie liegen dann auf Genehmigungen nach den Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen (KUEBLL) oder der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO). Nach den KUEBLL hatte die Generaldirektion Wettbewerb Anfang Oktober endlich die beiden ersten wichtigen Projekte aus den deutschen Grundstoffindustrien genehmigt – vom Stahlproduzenten Salzgitter und dem Chemieriesen BASF.
Die Kommission hält naturgemäß nicht viel von dem Vorwurf, sie lege überzogene Maßstäbe an. “Nicht alle Projekte innerhalb der Wasserstoff-Wertschöpfungskette sind als Teil eines IPCEI gedacht”, sagte eine Kommissionssprecherin schon im September. “So können beispielsweise Projekte zur Dekarbonisierung, bei denen neue Technologien angewandt (und nicht entwickelt) werden und die nur eine begrenzte oder gar keine grenzüberschreitende Zusammenarbeit oder Spillover-Effekte haben, besser nach den KUEBLL geprüft werden.”
Immerhin können dank der KUEBLL-Notifizierungen nun Fördergelder von über einer Milliarde Euro endlich investiert werden. Die Industrie sieht den alternativen Verfahrensweg deshalb gar nicht als Nachteil an, sondern fühlt sich sogar ein Stück weit befreit. “Hier stehen nämlich ähnlich hohe Summen an Fördermitteln bereit, teils sogar nicht gedeckelt, die von den staatlichen Behörden geprüft und gehandhabt werden können”, erläutert Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe. “Die EU braucht damit also nicht mehr befasst zu werden, was einen erheblichen Teil an Bürokratie wegfallen lässt. Das ist ein Riesen-Vorteil!”
Projekte, die einst von den Mitgliedstaaten als IPCEI-Vorhaben ausgewählt wurden, aber keinen Zuschlag bekamen, würden von der Kommission bei den KUEBLL-Notifizierungen vorrangig behandelt, erklärt die Behördensprecherin. “Es macht also durchaus Sinn, sich beworben zu haben und jetzt in ein weniger komplexes System verwiesen zu werden”, sagt Chatzimarkakis. Oft seien die Mitgliedstaaten über diese Möglichkeit gar nicht ausreichend informiert. Für Ende November plant Hydrogen Europe deshalb einen Workshop für Mitgliedsunternehmen und Vertreter der EU-Staaten mit der Generaldirektion Wettbewerb. ber
Herr Chatzimarkakis, die Kommission will eine Europäische Wasserstoffbank aufbauen. Was ist darunter zu verstehen?
Über die Ankündigung der Kommissionspräsidentin hinaus wissen wir, dass das Grundkapital bei drei Milliarden Euro liegen soll. Die Kommission will im dritten Quartal 2023 ihren Vorschlag für die Rechtsgrundlage für die Bank vorlegen. Zudem wissen wir, dass auch die zehn Millionen Tonnen Wasserstoff eine Rolle spielen sollen. Jene Mengen, die seitens der Kommission gekauft werden sollen, um die Zielsetzungen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED 3) zu erfüllen. Darin gibt es ja zwei Zielsetzungen, die Wasserstoff betreffen: Mehr als fünf Prozent aller Kraftstoffe und die Hälfte des industriell genutzten Wasserstoffs müssen grün sein. Das sind gewaltige Mengen, insgesamt rund zehn Millionen Tonnen, die jährlich produziert werden müssen. Die Bank soll dafür die Abnahme sichern.
Wie viel Wasserstoff kann man mit den angekündigten drei Milliarden Euro produzieren?
Die drei Milliarden sind bei Weitem nicht genug. Die Bundesregierung stellt im Rahmen ihrer H2-Global-Initiative bereits fünf Milliarden zur Verfügung, um Wasserstoff global anzukaufen. Ein Mitgliedstaat bietet also allein schon viel mehr Mittel auf, als die Bank der EU mobilisieren soll. Das heißt: Die drei Milliarden können nur das Anfangskapital sein. Ich gehe davon aus, dass es sich um die jährlich zur Verfügung stehende Summe handelt. Die EU muss schon jedes Jahr drei Milliarden mobilisieren, sonst wird sie ihre Ziele nicht erreichen. Zumal die USA schwer aktiv sind. Da ist vor allem der Inflation-Reduction-Act. Dieses Gesetz bietet ein viel klareres, leichter verständliches Förderinstrument an. Ich bin fest überzeugt: Von der Leyens Bank ist als Antwort auf die US-Ankündigung zu verstehen. Ein europäischer Wumms soll den US-Staubsauger für Investitionen mildern.
Wie steht Europa mit den drei Milliarden da im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen wie Indien und China?
Die aktuellen Zahlen zur Elektrolyse sind erschreckend: China ist führend bei der Elektrolyse-Kapazität – also bei der Technologie, die man braucht, um Wasserstoff herzustellen. Gefolgt von den USA, und auf dem dritten Platz kommt Europa. Das ist nicht schön. Das besagt nicht, dass die Technologie in China und den USA besser wäre. Es sagt aber, dass andere Räume attraktiver sind, weil sie offensiver unterwegs sind und klarere Fördermechanismen anbieten. Europa war früh dabei mit der umfassenden Wasserstoffstrategie im Juli 2020. Nach großen Ankündigungen sind wir aber durch lähmende interne Debatten wieder zurückgefallen. Andere Spieler kommen: In Indien sind private Investitionen mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar angekündigt. Das entzückt, lässt uns aber auch erschauern. Wir sehen, anderswo wird geklotzt. Bei uns wird dagegen immer noch nur diskutiert.
Warum sind die Rahmenbedingungen anderswo klarer?
Dort gibt es eine klare Ansage: In den USA weiß ich, dass ich für sauberen Wasserstoff drei Dollar pro Kilogramm bekomme. Es müssen auch dort Kriterien eingehalten werden, etwa beim Reinheitsgehalt und den CO2-Emissionen. Bei uns in der EU steht nur die Ankündigung der Wasserstoffbank im Raum. Man fragt sich: “Wie sehen die Details aus?” Achselzucken.
Soll auch die Wasserstoff-Produktion außerhalb der EU gefördert werden?
Nein, das ist ein Problem: Nach europäischem Recht können wir die drei Milliarden nicht außerhalb der EU investieren. Standorte, die bei Wind und Sonne hochattraktiv sind, wie Marokko, Namibia oder Ägypten, scheiden damit aus. Da könnte jetzt die deutsche Initiative H2-Global ins Spiel kommen, die ganz bewusst offen ist für globale Förderung. Warum dockt die EU nicht bei H2-Global an? Da gibt es nun die Bedenken, Ursula von der Leyen könne als Deutsche nicht den Schulterschluss der EU mit der deutschen Initiative machen. Diese Debatte ist überflüssig. Wir müssen das beste Instrument zur Anwendung bringen und nicht die Frage stellen, aus welchem Mitgliedstaat es kommt.
Sind die drei Milliarden hartes Geld oder soll mit Garantien aus dem EU-Haushalt gearbeitet werden?
Das ist Cash. Das Geld kommt aus den Einnahmen des Emissionshandels, also aus dem ETS-Topf, und darf daher nicht für importierten Wasserstoff ausgegeben werden. Wir brauchen daher andere Instrumente. So soll es laut Ankündigung von Kommissionsvize Frans Timmermans schon ab November Contracts for Difference (Differenzverträge) geben. Daneben müssen wir Hebelmechanismen, wie sie die Europäische Investitionsbank (EIB) schon seit dem Juncker-Fonds über Garantien sehr erfolgreich anwendet, wirken lassen. Auch diese Mechanismen sind geplant. Das ganze Konstrukt wird Wasserstoffbank heißen. Sie wird Elemente einer Bank haben, darüber hinaus aber noch andere Säulen, wie ich skizziert habe.
Gibt es schon konkrete Projekte?
Konkret ist etwa die Produktion von grünem Wasserstoff in Ägypten. Die Regierung hat in strategisch günstiger Lage in Nähe des Suez-Kanals dafür ein Gebiet ausgewiesen. Sehr schnell kann von dort per Schiff der Wasserstoff in Form von Ammoniak zum Kunden abtransportiert werden. Die Europäer haben diesen 42-Milliarden-Deal über die EBRD mitfinanziert. Die ersten Abnehmer des grünen Ammoniaks sind jetzt aber keine Unternehmen aus Europa, sondern aus Korea und Japan. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass der Wasserstoff nach Europa geht. Die Europäer zögern, ihnen fehlt der EU-Rechtsrahmen dafür. Ohne delegierte Rechtsakte keine langfristigen Verträge. Ägypten will aber einen langfristigen Vertrag und sucht sich andere Abnehmer. Die Wasserstoff-Bank könnte da als Zwischenhändler auftreten und in die Bresche springen, bis die Rechtssicherheit da ist.
Geht nicht alles zu langsam? Verliert Europa da Terrain?
Frans Timmermans hat sich gerade dazu bekannt, dass wir nicht bis zum dritten Quartal 2023 warten müssen. Er will Geschwindigkeit. Das ist gut und schön. Fest steht aber auch: Der zweijährige Streit um den Delegierten Rechtsakt zur Additionalität zeigt sehr deutlich, dass Europa ein Problem hat: Der irre, völlig unsinnige ideologische Streit innerhalb einer Generaldirektion der Kommission um die Definition von grünem Wasserstoff hat uns massiv zurückgeworfen und lähmt uns bis heute. Wir brauchen Geschwindigkeit, alles andere kostet uns Jobs.
04.11.2022 – 10:00-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
EESC, Conference REPowering our EU
The European Economic and Social Committee (EESC) conference will focus on chances and developments of renewable energies and on how to achieve the REPowerEU targets through an energy shift. INFOS
07.11.2022 – 18:30-21:00 Uhr, online
KAS, Vortrag Pro-Russisches China: Muss Deutschland seine China-Politik überdenken?
Bei der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geht es um Chinas Partnerschaft mit Moskau und ihre Konsequenzen für Deutschland und Europa. INFOS & ANMELDUNG
07.11.2022 – 18:30-21:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
KAS, Panel Discussion Reinventing EU economic governance – What will become of the Stability and Growth Pact?
Konrad Adenauer Foundation (KAS) guests will discuss the question of what a reform of the Stability and Growth Pact might entail. INFOS
07.11.-08.11.2022, Berlin
ISWA, Seminar Wasserstoff: Liefert der Hoffnungsträger?
Das Seminar des Instituts für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung (ISWA) beschäftigt sich mit der Umstellung der Wirtschaft auf Wasserstoff sowie mit den damit verbundenen Herausforderungen und Konsequenzen. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 10:00-16:00 Uhr, Berlin
ZIA, Seminar Nachhaltiges Immobilienmanagement – Wirtschaftlichkeit im Einklang mit ESG-Verantwortung
Welche praktischen Konsequenzen die politischen Reformen für das Immobilienmanagement haben und wie sich Nachhaltigkeit im Lebenszyklus von Immobilien frühzeitig mitdenken lässt, wird Thema der Veranstaltung des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) sein. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 12:00-18:00 Uhr, Köln/online
Deutsche Medienakademie, Konferenz 27. Breitband-Forum: Fokuswechsel in Sicht?
Die Veranstaltung befasst sich mit der Frage, welche Aspekte beim Thema Breitband in den kommenden Jahren besonders relevant sein werden. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 13:30-18:00 Uhr, Berlin/online
Konferenz Deutsch-Französischer Wirtschaftstag
Der Deutsch-Französische Wirtschaftstag dreht sich vor allem um energiepolitische Themen, die angesichts des Kriegs in der Ukraine eine besondere Relevanz haben. ANMELDUNG
08.11.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
KAS & DIHK, Seminar Das Single Market Emergency Instrument – Treffer ins Schwarze oder überspannter Bogen?
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nehmen bei dieser Veranstaltung das Single Market Emergency Instrument (SMEI) in den Blick, das das Funktionieren des Binnenmarktes in Krisenzeiten sicherstellen soll. ANMELDUNG
08.11.2022 – 16:00-18:00 Uhr, online
HBS, Seminar Grundkurs Wärmeplanung
Angesichts der aktuellen Erdgaskrise und der steigenden Energiepreise will diese Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) praktische Tipps für die Umsetzung einer Wärmeplanung liefern. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 16:15-17:45 Uhr, online
FNS, Podiumsdiskussion Die US-Zwischenwahlen: Neuauflage von Biden vs. Trump?
Anlässlich der US-Zwischenwahlen am 8. November beschäftigt sich die Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) mit möglichen Kandidaten und den Folgen des Wahlergebnisses für die Demokratie der USA. INFOS & ANMELDUNG
08.11.-09.11.2022, Berlin/online
Handelsblatt, Konferenz Health – The Digital Future 2022
Die fünf Kernthemen dieser Konferenz sind Patient Journey, Innovationsprojekte, Gesundheitsdaten, Kooperationen und Nachhaltigkeit. INFOS & ANMELDUNG
08.11.-09.11.2022, online
Konferenz Projects4GreenEnergy:Connected
Diese Veranstaltung dient dazu, sich mit Projektpartnern für Förderprogramme, wie zum Beispiel Horizon Europe, auszutauschen. INFOS & ANMELDUNG
09.11.2022 – 15:00-16:00 Uhr, online
DIHK, Diskussion Neuer Kongress – Amerika hat die Wahl – Welche Implikationen für die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und der EU?
Bei der Veranstaltung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wird diskutiert, welche Konsequenzen die Wahlen in den USA für Deutschland und die EU mit sich bringen könnten. INFOS & ANMELDUNG
Die Versprechen der Staaten für ihre Klimaneutralität beruhen auf unrealistischen Mengen landbasierter Kohlenstoffspeicherung. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des ersten “Land Gap Report”, der am Donnerstag veröffentlicht wird. Die gesamte Landfläche, die laut Meldungen der UN-Mitgliedstaaten für die geplante biologische Einlagerung von Kohlenstoff benötigt werde, betrage knapp 1,2 Milliarden Hektar, heißt es in der vorab veröffentlichten Zusammenfassung des Reports. Eine Fläche größer als die der USA (983 Millionen Hektar) und in etwa so groß wie die des derzeit global genutzten Ackerlandes.
Die Kritik der Autoren: Klimaneutralitätsversprechen der Länder seien auf ein Netto-Null-Ziel ausgerichtet, das häufig auf CO2-Speicherung durch Biomasse beruhe, statt auf der Vermeidung von CO2-Emissionen. Natürlicher CO2-Abbau würde so zum Ausgleich einer “theoretisch gleichwertigen Menge an Emissionen aus fossilen Brennstoffen in nationalen Treibhausgasinventaren” herangezogen. Das berge die Gefahr, CO2-Minderungsmaßnahmen zu untergraben.
Auch die EU besitzt ein Klimaneutralitätsziel bis 2050 und setzt dabei massiv auf natürliche Kohlenstoffsenken in den LULUCF-Sektoren (Europe.Table berichtete).
Insbesondere fordern die Autoren die Gesetzgeber weltweit auf, die Bilanzierung von Emissionsminderungen und -abbau klarer zu regeln. Aktuell würden die Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe, der industriellen Landwirtschaft und der Holzernte in diesen Programmen allein durch den Wiederaufwuchs von Wäldern ausgeglichen. Dabei könne das Pflanzen neuer Bäume den Verlust bestehender Primärwälder nicht ausgleichen.
“Das Abholzen von ausgewachsenen Bäumen in der Erwartung, dass sie wieder nachwachsen, führt zu einer jahrzehntelangen Kohlenstoffschuld, da der in der Landschaft gespeicherte Kohlenstoff dauerhaft verringert und der Bestand in der Atmosphäre erhöht wird”, schreiben die Autoren. In den Bilanzen auf dem Weg zur Klimaneutralität müssten demnach “klarere und genauere Informationen über die tatsächlichen Auswirkungen der verschiedenen Minderungsmaßnahmen” stehen.
Zudem fordern die Forscherinnen und Forscher, dass auch die Landrechte indigener Völker stärker berücksichtigt werden. Diese seien durch die Flächennutzungspläne zur natürlichen CO2-Speicherung gefährdet, heißt es. Ohnehin sei es erwiesen, dass indigene Völker mit gesicherten Landrechten sowohl staatlichen als auch privaten Landbesitzer bei der Vermeidung von Entwaldung sowie der nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion weit voraus sind.
Der Land Gap Report wurde von Wissenschaftlern, unter anderem der Universitäten in Melbourne, Lund und Kopenhagen sowie dem Center for International Forestry Research und dem Third World Network erstellt. luk
Nach Angaben der Betreibergesellschaft ist eine Röhre der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 auf einer Länge von rund 250 Metern zerstört. Nach vorläufigen Untersuchungsergebnissen gebe es am Meeresboden zwei jeweils drei bis fünf Meter tiefe Krater, teilte die Nord Stream AG am Mittwoch mit. Sie liegen demnach etwa 248 Meter voneinander entfernt. Der dazwischen liegende Abschnitt von Leitung 1 des Doppelstrangs sei zerstört. Trümmer seien mindestens in einem Radius von 250 Metern verstreut.
Der Mitteilung waren nach Angaben der Nord Stream AG erste Untersuchungen der Leitung 1 in der schwedischen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vorausgegangen.
Ende September waren nach Explosionen in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm vier Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden, jeweils zwei davon in den ausschließlichen Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens. Unter anderem die EU und die Nato gehen dabei von Sabotage aus. Beide Doppelstränge verlaufen von Russland bis nach Lubmin im Nordosten Deutschlands.
Vergangene Woche hatte die Nord Stream AG Untersuchungen in der schwedischen AWZ angekündigt. Für die Begutachtung der Schäden in der dänischen AWZ fehlten demnach Genehmigungen der Behörden. dpa
Die polnische Regierung hat eine Resolution zum Bau der ersten Kernkraftwerke des Landes verabschiedet. Den Zuschlag für den ersten Standort erhielt der US-Konzern Westinghouse Electric Company, wie die Nachrichtenagentur PAP am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung in Warschau berichtete. Die Grundlage bildet ein Kooperationsabkommen zwischen Washington und Warschau über die zivile Nutzung der Atomkraft aus dem Jahr 2020.
“Wir sehen deutlich, dass wir nicht nur auf bewährte Technik, sondern auch auf bewährte Partner setzen müssen”, sagte der nationalkonservative Regierungschef Mateusz Morawiecki. Der bevorzugte AKW-Standort Lubiatowo-Kopalino liegt an der Ostseeküste in der Woiwodschaft Pommern nordwestlich von Danzig (Gdańsk). Vorgesehen sind drei Druckwasserreaktoren des Typs AP 1000.
Geplant ist zudem ein zweiter AKW-Standort. “Das ist ein Projekt, das den Bau eines Atomkraftwerks in Polen durch ein koreanisches Unternehmen unter Beteiligung polnischer Firmen betrifft”, erläuterte Morawiecki. Zu einem möglichen dritten Projekt in Zentralpolen gibt es noch keine näheren Informationen. Auch Frankreich hatte Interesse an den Aufträgen bekundet.
Der erste polnische Atomreaktor soll 2033 ans Netz gehen. In den 1980er Jahren war in der Nähe von Danzig (Gdańsk) mit dem Bau eines Kernkraftwerks sowjetischer Bauart begonnen worden. Das KKW Żarnowiec wurde nach Protesten nie fertiggestellt. Derzeit decken Kohlekraftwerke rund 70 Prozent des polnischen Strombedarfs ab. dpa
Die zurückgetretene Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat in Dänemark die Aufgabe erhalten, Möglichkeiten zur Bildung einer neuen Regierung auszuloten. Sie werde die Verhandlungen am Freitag einleiten und dafür alle Parteien sowie die Repräsentanten aus Grönland und von den Färöer-Inseln in ihren Amtswohnsitz Marienborg nördlich von Kopenhagen einladen, sagte die 44 Jahre alte Sozialdemokratin am Mittwoch dem Sender TV2. Dort werde sie sich die Wünsche und Prioritäten von allen Parteien anhören.
Obwohl das linksgerichtete Lager um ihre Sozialdemokraten bei der dänischen Parlamentswahl am Dienstag in letzter Minute noch eine hauchdünne Mehrheit errungen hatte, reichte Frederiksen am Mittwoch den Rücktritt ihrer Regierung bei Königin Margrethe II. ein.
Frederiksen will Dänemark künftig nicht mehr wie bislang mit einer rein sozialdemokratischen Minderheitsregierung führen, sondern strebt eine breite Regierungszusammenarbeit über die politische Mitte an. Ob das gelingen wird, ist noch unklar. dpa
Gut eine Woche vor Beginn der UN-Klimakonferenz im ägyptischen Urlaubsort Sharm el-Sheihk dreht Sameh Hassan Shoukry eine Runde über das Konferenzgelände. Pressefotos zeigen den 70-Jährigen im Gespräch mit Arbeitern. Er trägt ein kurzärmeliges, graues Poloshirt, seine linke Hand steckt in der Hosentasche, mit der rechten gestikuliert er. Er wirkt nahbar, interessiert, aufgeschlossen. Wie ein Architekt, der seine Baustelle besucht. “Die ägyptische COP-27-Präsidentschaft ist bereit, die Weltklimagemeinschaft im November in Sharm el-Sheihk zu empfangen”, ist seine Botschaft im Anschluss dieses Besuchs.
Die Erwartungen, die dieser Tage auf ihm ruhen, sind hoch. Das Motto der COP lautet “Together for Implementation – Gemeinsam für die Umsetzung”. Doch selten waren die Umstände so schlecht für weltweite Zusammenarbeit gegen die Klimakrise wie heute. Russlands Krieg gegen die Ukraine, die Energiepreisinflation, die Nahrungsmittelkrise, hohe Schulden nach der Pandemie, die Spannungen zwischen den USA und China – all das erschwert ein gemeinsames und entschlossenes Handeln gegen die Klimabedrohungen.
Vor seiner Ernennung zum COP-Präsidenten zu Beginn dieses Jahres ist Shoukry mit Klimathemen nicht in Erscheinung getreten. “Shoukry ist ein Karrierediplomat mit jahrzehntelanger Erfahrung“, sagt Lutz Weischer von Germanwatch. Das ist allerdings nicht die schlechteste Voraussetzung, findet er.
Die Aufgabe eines COP-Präsidenten sei es, eine gute Verhandlungsatmosphäre zu schaffen und Kompromisse zu ermöglichen, aber auch dafür zu sorgen, dass am Ende nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner übrigbleibe. Die Erfahrung von Jahrzehnten im Dienst der Diplomatie kann da sicher hilfreich sein.
Shoukry spart im Vorfeld der Klimakonferenz nicht mit Kritik an den Industrieländern, die ihre finanziellen Zusagen für Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern bisher nicht eingehalten haben. Die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels hat er zu seiner Priorität gemacht.
“Diese Kritik ist durchaus berechtigt”, sagt Lutz Weischer. Doch um ein erfolgreicher COP-Präsident zu sein, dürfe der Fokus nicht allein auf den Themen Anpassung an den Klimawandel und Wiedergutmachung von Schäden und Verlusten liegen. “Shoukry muss sich noch deutlicher äußern zu den klimapolitischen Ambitionen und ehrgeizige Ziele im Bereich der Emissionsminderung formulieren”, sagt Weischer.
Ein Jahr nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften an der Ain-Shams-Universität in Kairo beginnt Shoukry 1976 seine Karriere als Attaché des Außenministeriums in Kairo. Nach Stationen in London, Buenos Aires und Wien ist er von 2005 bis 2008 ständiger Vertreter Ägyptens bei den Vereinten Nationen in Genf. 2008 schließlich wird er Botschafter Ägyptens in den Vereinigten Staaten.
Während in seiner Heimat der Arabische Frühling den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak 2011 aus dem Amt fegt, bleibt Shoukry noch bis 2012 in Washington. “Während des Aufstands von 2011 war Shoukry der Inbegriff eines ruhigen, pragmatischen Denkens, das die Forderungen nach Demokratie unterstützte. Im gleichen Atemzug sprach er sich jedoch für die Beteiligung des Militärs an der Politik aus, um Chaos zu verhindern”, heißt es in einem Artikel über Shoukry in “The Africa Report”.
“Seine pragmatische Art und sein ruhiger diplomatischer Ansatz verhalfen ihm jedoch nicht zu einem Sitz in der kurzlebigen Post-Mubarak-Regierung von Mohammed Mursi”, heißt es weiter. 2014 schließlich holt Abdel Fattah el-Sisi nach seiner Machtübernahme den erfahrenen Diplomaten Shoukry als Außenminister in die ägyptische Regierung.
Über das Privatleben Shoukrys ist wenig bekannt. Seine Ehefrau Suzy Shoukry ist laut Presseberichten ebenfalls in diplomatischen und karitativen Kreisen aktiv. Gemeinsam haben sie zwei Söhne.
Allein muss Shoukry die COP 27 nicht stemmen. Bei seiner anspruchsvollen Aufgabe kann er etwa auf die Erfahrung von Umweltministerin Yasmine Fouad setzen, die ihm als “Ministerielle Koordinatorin und Gesandte” zur Seite steht. Sie verfügt über mehr als 18 Jahre Erfahrung in den Bereichen Umwelt und internationale Zusammenarbeit. Ulrike Christl
in Sachen Wasserstoff hatte Deutschland sich einiges vorgenommen: “Wir wollen bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt werden”, sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im vergangenen Jahr. Doch nun zeigt sich: Die deutsche Industrie tut sich mit Genehmigungen im Rahmen des europäischen Wasserstoff-IPCEI schwer. Für ein Drittel der beantragten Projekte muss die Bundesregierung andere Fördermöglichkeiten suchen. Die Industrie sieht darin allerdings nicht nur Nachteile, wie Manuel Berkel berichtet.
Wir bleiben beim Thema: “Anderswo wird geklotzt, bei uns wird nur diskutiert” – Jorgo Chatzimarkakis, Chef des europäischen Wasserstoff-Verbands Hydrogen Europe, fällt ein hartes Urteil über die europäische Politik, die im Bereich Wasserstoff vor allem durch “lähmende interne Debatten” auffalle. Manuel Berkel und Markus Grabitz haben mit ihm über die geplante Europäische Wasserstoffbank, die größten Konkurrenten und Investitionen außerhalb der EU gesprochen.
Wo vor mehr als 370 Jahren über den Westfälischen Frieden verhandelt wurde, tagen ab heute die Außenminister der G7-Länder. Bei dem zweitägigen Treffen in Münster wird es vor allem um die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gehen, aber auch um den Umgang mit China und dem Iran. Ob in Münster weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen werden, war zunächst offen.
Italiens neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war in der Vergangenheit durch nicht gerade zimperliche Kritik an der EU aufgefallen. Ihre erste Auslandsreise als Regierungschefin führt sie nun ausgerechnet nach Brüssel. Heute wird sie nacheinander zu Gesprächen mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel erwartet. Das lässt sich als positives Signal an die EU werten, doch einige blicken dem Besuch mit Skepsis entgegen: “Sie muss erklären, ob sie eine zuverlässige Partnerin sein will”, hieß es im Vorfeld etwa von den deutschen Grünen im Europäischen Parlament.
Die Freude war groß im Mai vergangenen Jahres. “Wir wollen bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt werden”, sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit einer Karte in der Hand. Auf ihr zu sehen: 62 Projekte der deutschen Industrie, die Wirtschafts- und Verkehrsministerium auserwählt hatten. Aus über 230 Anträgen, für acht Milliarden Euro staatliche Fördermittel und Investitionen von insgesamt 33 Milliarden Euro. Ein Prestigeprojekt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, bis Ende des Jahres sollten die Genehmigungen vorliegen. Doch die allermeisten Unternehmen warten bis heute. Bei einigen wurde der Frust zu groß.
Zwei Unternehmen haben ihre Förderanträge inzwischen zurückgezogen. Das geht aus einer Antwort des Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium Patrick Graichen an den CDU-Bundestagsabgeordneten Oliver Grundmann hervor, die Europe.Table vorliegt. Für weitaus mehr Unternehmen erwies sich das prestigeträchtige Förderinstrument als falsche Wahl.
“Auf Wunsch der EU-Kommission sollen […] einige der unter IPCEI pränotifizierten Projekte unter anderen Rechtsgrundlagen gefördert werden (nach den EU-Leitlinien für Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen KUEBLL, oder der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung AGVO)”, schreibt Graichen. “Nach derzeitigem Stand sind das 21 der ursprünglich 62 Projekte.” Davon stammten 16 aus dem Geschäftsbereich des Wirtschafts- und fünf aus dem des Verkehrsministeriums. Etwa ein Drittel der Vorhaben hält die Kommission also im ursprünglichen Rahmen gar nicht für förderfähig.
Den Frust der Projektverantwortlichen kann der CDU-Abgeordnete Grundmann sehr gut nachvollziehen. “Das Warten geht weiter. Unklarheit und mangelnde Transparenz sind das Gegenteil von Investitions- und Planungssicherheit”, kritisiert der Wasserstoff-Berichterstatter der Unionsfraktion. “Wenn 21 der ursprünglich 62 deutschen Projekte die IPCEI-Kriterien nicht mehr erfüllen, möchten wir gerne erfahren, warum. In der aktuellen Klima- und Energiekrise brauchen wir keine weiteren bürokratischen Bremsklötze, sondern einen Investitionsturbo!”
Der Chemieverband VCI hatte die IPCEI-Kriterien bereits als zu bürokratisch kritisiert (Europe.Table berichtete). Als überzogen empfindet die Branche zum Beispiel die nötige Beteiligung von vier Mitgliedstaaten. Kleinere Unternehmen haben es da noch schwerer. Für den Mittelstand sei dieses Förderinstrument kaum zugänglich, heißt es im aktuellen Whitepaper zur Wasserstoffwirtschaft des Elektrotechnikverbands VDE.
Für die schleppende Bearbeitung der Anträge machten sich Kommission und Bundesregierung gegenseitig verantwortlich. Als offenes Geheimnis gilt, dass Brüssel viele Anträge schlecht vorbereitet fand. Das mag auch an der hohen Zahl an Anträgen gelegen haben. Allerdings hätten die beteiligten Ministerien und Behörden auch nicht für angemessene Personalausstattung gesorgt, lautet ein Vorwurf aus der Industrie. In den Ministerien vertrat man dagegen die Auffassung, dass die Kommission zu penibel prüfe.
Andere EU-Staaten waren erfolgreicher. Bisher hat die Kommission in zwei sogenannten Wellen 76 Vorhaben nach den IPCEI-Kriterien notifiziert, davon waren bisher aber nur vier Projekte aus Deutschland. Die dritte Welle mit wichtigen Infrastrukturprojekten werde voraussichtlich die größte, heißt es aus der Berliner Koalition – wo man hoffnungsvoll ist, dass dabei auch wieder deutsche Projekte notifiziert werden. Wahrscheinlich würden die Entscheidungen aber nicht mehr innerhalb der nächsten Wochen, sondern erst im ersten Quartal 2023 verkündet.
Bei diesen drei Förderwellen könnte es die Kommission dann möglicherweise belassen. Aktuell sei nicht sicher, ob es wie zunächst erwogen auch eine vierte Welle geben wird, meinen Beobachter.
Die Hoffnungen der Industrie liegen dann auf Genehmigungen nach den Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfen (KUEBLL) oder der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO). Nach den KUEBLL hatte die Generaldirektion Wettbewerb Anfang Oktober endlich die beiden ersten wichtigen Projekte aus den deutschen Grundstoffindustrien genehmigt – vom Stahlproduzenten Salzgitter und dem Chemieriesen BASF.
Die Kommission hält naturgemäß nicht viel von dem Vorwurf, sie lege überzogene Maßstäbe an. “Nicht alle Projekte innerhalb der Wasserstoff-Wertschöpfungskette sind als Teil eines IPCEI gedacht”, sagte eine Kommissionssprecherin schon im September. “So können beispielsweise Projekte zur Dekarbonisierung, bei denen neue Technologien angewandt (und nicht entwickelt) werden und die nur eine begrenzte oder gar keine grenzüberschreitende Zusammenarbeit oder Spillover-Effekte haben, besser nach den KUEBLL geprüft werden.”
Immerhin können dank der KUEBLL-Notifizierungen nun Fördergelder von über einer Milliarde Euro endlich investiert werden. Die Industrie sieht den alternativen Verfahrensweg deshalb gar nicht als Nachteil an, sondern fühlt sich sogar ein Stück weit befreit. “Hier stehen nämlich ähnlich hohe Summen an Fördermitteln bereit, teils sogar nicht gedeckelt, die von den staatlichen Behörden geprüft und gehandhabt werden können”, erläutert Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe. “Die EU braucht damit also nicht mehr befasst zu werden, was einen erheblichen Teil an Bürokratie wegfallen lässt. Das ist ein Riesen-Vorteil!”
Projekte, die einst von den Mitgliedstaaten als IPCEI-Vorhaben ausgewählt wurden, aber keinen Zuschlag bekamen, würden von der Kommission bei den KUEBLL-Notifizierungen vorrangig behandelt, erklärt die Behördensprecherin. “Es macht also durchaus Sinn, sich beworben zu haben und jetzt in ein weniger komplexes System verwiesen zu werden”, sagt Chatzimarkakis. Oft seien die Mitgliedstaaten über diese Möglichkeit gar nicht ausreichend informiert. Für Ende November plant Hydrogen Europe deshalb einen Workshop für Mitgliedsunternehmen und Vertreter der EU-Staaten mit der Generaldirektion Wettbewerb. ber
Herr Chatzimarkakis, die Kommission will eine Europäische Wasserstoffbank aufbauen. Was ist darunter zu verstehen?
Über die Ankündigung der Kommissionspräsidentin hinaus wissen wir, dass das Grundkapital bei drei Milliarden Euro liegen soll. Die Kommission will im dritten Quartal 2023 ihren Vorschlag für die Rechtsgrundlage für die Bank vorlegen. Zudem wissen wir, dass auch die zehn Millionen Tonnen Wasserstoff eine Rolle spielen sollen. Jene Mengen, die seitens der Kommission gekauft werden sollen, um die Zielsetzungen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED 3) zu erfüllen. Darin gibt es ja zwei Zielsetzungen, die Wasserstoff betreffen: Mehr als fünf Prozent aller Kraftstoffe und die Hälfte des industriell genutzten Wasserstoffs müssen grün sein. Das sind gewaltige Mengen, insgesamt rund zehn Millionen Tonnen, die jährlich produziert werden müssen. Die Bank soll dafür die Abnahme sichern.
Wie viel Wasserstoff kann man mit den angekündigten drei Milliarden Euro produzieren?
Die drei Milliarden sind bei Weitem nicht genug. Die Bundesregierung stellt im Rahmen ihrer H2-Global-Initiative bereits fünf Milliarden zur Verfügung, um Wasserstoff global anzukaufen. Ein Mitgliedstaat bietet also allein schon viel mehr Mittel auf, als die Bank der EU mobilisieren soll. Das heißt: Die drei Milliarden können nur das Anfangskapital sein. Ich gehe davon aus, dass es sich um die jährlich zur Verfügung stehende Summe handelt. Die EU muss schon jedes Jahr drei Milliarden mobilisieren, sonst wird sie ihre Ziele nicht erreichen. Zumal die USA schwer aktiv sind. Da ist vor allem der Inflation-Reduction-Act. Dieses Gesetz bietet ein viel klareres, leichter verständliches Förderinstrument an. Ich bin fest überzeugt: Von der Leyens Bank ist als Antwort auf die US-Ankündigung zu verstehen. Ein europäischer Wumms soll den US-Staubsauger für Investitionen mildern.
Wie steht Europa mit den drei Milliarden da im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen wie Indien und China?
Die aktuellen Zahlen zur Elektrolyse sind erschreckend: China ist führend bei der Elektrolyse-Kapazität – also bei der Technologie, die man braucht, um Wasserstoff herzustellen. Gefolgt von den USA, und auf dem dritten Platz kommt Europa. Das ist nicht schön. Das besagt nicht, dass die Technologie in China und den USA besser wäre. Es sagt aber, dass andere Räume attraktiver sind, weil sie offensiver unterwegs sind und klarere Fördermechanismen anbieten. Europa war früh dabei mit der umfassenden Wasserstoffstrategie im Juli 2020. Nach großen Ankündigungen sind wir aber durch lähmende interne Debatten wieder zurückgefallen. Andere Spieler kommen: In Indien sind private Investitionen mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar angekündigt. Das entzückt, lässt uns aber auch erschauern. Wir sehen, anderswo wird geklotzt. Bei uns wird dagegen immer noch nur diskutiert.
Warum sind die Rahmenbedingungen anderswo klarer?
Dort gibt es eine klare Ansage: In den USA weiß ich, dass ich für sauberen Wasserstoff drei Dollar pro Kilogramm bekomme. Es müssen auch dort Kriterien eingehalten werden, etwa beim Reinheitsgehalt und den CO2-Emissionen. Bei uns in der EU steht nur die Ankündigung der Wasserstoffbank im Raum. Man fragt sich: “Wie sehen die Details aus?” Achselzucken.
Soll auch die Wasserstoff-Produktion außerhalb der EU gefördert werden?
Nein, das ist ein Problem: Nach europäischem Recht können wir die drei Milliarden nicht außerhalb der EU investieren. Standorte, die bei Wind und Sonne hochattraktiv sind, wie Marokko, Namibia oder Ägypten, scheiden damit aus. Da könnte jetzt die deutsche Initiative H2-Global ins Spiel kommen, die ganz bewusst offen ist für globale Förderung. Warum dockt die EU nicht bei H2-Global an? Da gibt es nun die Bedenken, Ursula von der Leyen könne als Deutsche nicht den Schulterschluss der EU mit der deutschen Initiative machen. Diese Debatte ist überflüssig. Wir müssen das beste Instrument zur Anwendung bringen und nicht die Frage stellen, aus welchem Mitgliedstaat es kommt.
Sind die drei Milliarden hartes Geld oder soll mit Garantien aus dem EU-Haushalt gearbeitet werden?
Das ist Cash. Das Geld kommt aus den Einnahmen des Emissionshandels, also aus dem ETS-Topf, und darf daher nicht für importierten Wasserstoff ausgegeben werden. Wir brauchen daher andere Instrumente. So soll es laut Ankündigung von Kommissionsvize Frans Timmermans schon ab November Contracts for Difference (Differenzverträge) geben. Daneben müssen wir Hebelmechanismen, wie sie die Europäische Investitionsbank (EIB) schon seit dem Juncker-Fonds über Garantien sehr erfolgreich anwendet, wirken lassen. Auch diese Mechanismen sind geplant. Das ganze Konstrukt wird Wasserstoffbank heißen. Sie wird Elemente einer Bank haben, darüber hinaus aber noch andere Säulen, wie ich skizziert habe.
Gibt es schon konkrete Projekte?
Konkret ist etwa die Produktion von grünem Wasserstoff in Ägypten. Die Regierung hat in strategisch günstiger Lage in Nähe des Suez-Kanals dafür ein Gebiet ausgewiesen. Sehr schnell kann von dort per Schiff der Wasserstoff in Form von Ammoniak zum Kunden abtransportiert werden. Die Europäer haben diesen 42-Milliarden-Deal über die EBRD mitfinanziert. Die ersten Abnehmer des grünen Ammoniaks sind jetzt aber keine Unternehmen aus Europa, sondern aus Korea und Japan. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass der Wasserstoff nach Europa geht. Die Europäer zögern, ihnen fehlt der EU-Rechtsrahmen dafür. Ohne delegierte Rechtsakte keine langfristigen Verträge. Ägypten will aber einen langfristigen Vertrag und sucht sich andere Abnehmer. Die Wasserstoff-Bank könnte da als Zwischenhändler auftreten und in die Bresche springen, bis die Rechtssicherheit da ist.
Geht nicht alles zu langsam? Verliert Europa da Terrain?
Frans Timmermans hat sich gerade dazu bekannt, dass wir nicht bis zum dritten Quartal 2023 warten müssen. Er will Geschwindigkeit. Das ist gut und schön. Fest steht aber auch: Der zweijährige Streit um den Delegierten Rechtsakt zur Additionalität zeigt sehr deutlich, dass Europa ein Problem hat: Der irre, völlig unsinnige ideologische Streit innerhalb einer Generaldirektion der Kommission um die Definition von grünem Wasserstoff hat uns massiv zurückgeworfen und lähmt uns bis heute. Wir brauchen Geschwindigkeit, alles andere kostet uns Jobs.
04.11.2022 – 10:00-13:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
EESC, Conference REPowering our EU
The European Economic and Social Committee (EESC) conference will focus on chances and developments of renewable energies and on how to achieve the REPowerEU targets through an energy shift. INFOS
07.11.2022 – 18:30-21:00 Uhr, online
KAS, Vortrag Pro-Russisches China: Muss Deutschland seine China-Politik überdenken?
Bei der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geht es um Chinas Partnerschaft mit Moskau und ihre Konsequenzen für Deutschland und Europa. INFOS & ANMELDUNG
07.11.2022 – 18:30-21:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
KAS, Panel Discussion Reinventing EU economic governance – What will become of the Stability and Growth Pact?
Konrad Adenauer Foundation (KAS) guests will discuss the question of what a reform of the Stability and Growth Pact might entail. INFOS
07.11.-08.11.2022, Berlin
ISWA, Seminar Wasserstoff: Liefert der Hoffnungsträger?
Das Seminar des Instituts für Sozial- und Wirtschaftspolitische Ausbildung (ISWA) beschäftigt sich mit der Umstellung der Wirtschaft auf Wasserstoff sowie mit den damit verbundenen Herausforderungen und Konsequenzen. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 10:00-16:00 Uhr, Berlin
ZIA, Seminar Nachhaltiges Immobilienmanagement – Wirtschaftlichkeit im Einklang mit ESG-Verantwortung
Welche praktischen Konsequenzen die politischen Reformen für das Immobilienmanagement haben und wie sich Nachhaltigkeit im Lebenszyklus von Immobilien frühzeitig mitdenken lässt, wird Thema der Veranstaltung des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) sein. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 12:00-18:00 Uhr, Köln/online
Deutsche Medienakademie, Konferenz 27. Breitband-Forum: Fokuswechsel in Sicht?
Die Veranstaltung befasst sich mit der Frage, welche Aspekte beim Thema Breitband in den kommenden Jahren besonders relevant sein werden. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 13:30-18:00 Uhr, Berlin/online
Konferenz Deutsch-Französischer Wirtschaftstag
Der Deutsch-Französische Wirtschaftstag dreht sich vor allem um energiepolitische Themen, die angesichts des Kriegs in der Ukraine eine besondere Relevanz haben. ANMELDUNG
08.11.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
KAS & DIHK, Seminar Das Single Market Emergency Instrument – Treffer ins Schwarze oder überspannter Bogen?
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nehmen bei dieser Veranstaltung das Single Market Emergency Instrument (SMEI) in den Blick, das das Funktionieren des Binnenmarktes in Krisenzeiten sicherstellen soll. ANMELDUNG
08.11.2022 – 16:00-18:00 Uhr, online
HBS, Seminar Grundkurs Wärmeplanung
Angesichts der aktuellen Erdgaskrise und der steigenden Energiepreise will diese Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) praktische Tipps für die Umsetzung einer Wärmeplanung liefern. INFOS & ANMELDUNG
08.11.2022 – 16:15-17:45 Uhr, online
FNS, Podiumsdiskussion Die US-Zwischenwahlen: Neuauflage von Biden vs. Trump?
Anlässlich der US-Zwischenwahlen am 8. November beschäftigt sich die Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) mit möglichen Kandidaten und den Folgen des Wahlergebnisses für die Demokratie der USA. INFOS & ANMELDUNG
08.11.-09.11.2022, Berlin/online
Handelsblatt, Konferenz Health – The Digital Future 2022
Die fünf Kernthemen dieser Konferenz sind Patient Journey, Innovationsprojekte, Gesundheitsdaten, Kooperationen und Nachhaltigkeit. INFOS & ANMELDUNG
08.11.-09.11.2022, online
Konferenz Projects4GreenEnergy:Connected
Diese Veranstaltung dient dazu, sich mit Projektpartnern für Förderprogramme, wie zum Beispiel Horizon Europe, auszutauschen. INFOS & ANMELDUNG
09.11.2022 – 15:00-16:00 Uhr, online
DIHK, Diskussion Neuer Kongress – Amerika hat die Wahl – Welche Implikationen für die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und der EU?
Bei der Veranstaltung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wird diskutiert, welche Konsequenzen die Wahlen in den USA für Deutschland und die EU mit sich bringen könnten. INFOS & ANMELDUNG
Die Versprechen der Staaten für ihre Klimaneutralität beruhen auf unrealistischen Mengen landbasierter Kohlenstoffspeicherung. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des ersten “Land Gap Report”, der am Donnerstag veröffentlicht wird. Die gesamte Landfläche, die laut Meldungen der UN-Mitgliedstaaten für die geplante biologische Einlagerung von Kohlenstoff benötigt werde, betrage knapp 1,2 Milliarden Hektar, heißt es in der vorab veröffentlichten Zusammenfassung des Reports. Eine Fläche größer als die der USA (983 Millionen Hektar) und in etwa so groß wie die des derzeit global genutzten Ackerlandes.
Die Kritik der Autoren: Klimaneutralitätsversprechen der Länder seien auf ein Netto-Null-Ziel ausgerichtet, das häufig auf CO2-Speicherung durch Biomasse beruhe, statt auf der Vermeidung von CO2-Emissionen. Natürlicher CO2-Abbau würde so zum Ausgleich einer “theoretisch gleichwertigen Menge an Emissionen aus fossilen Brennstoffen in nationalen Treibhausgasinventaren” herangezogen. Das berge die Gefahr, CO2-Minderungsmaßnahmen zu untergraben.
Auch die EU besitzt ein Klimaneutralitätsziel bis 2050 und setzt dabei massiv auf natürliche Kohlenstoffsenken in den LULUCF-Sektoren (Europe.Table berichtete).
Insbesondere fordern die Autoren die Gesetzgeber weltweit auf, die Bilanzierung von Emissionsminderungen und -abbau klarer zu regeln. Aktuell würden die Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe, der industriellen Landwirtschaft und der Holzernte in diesen Programmen allein durch den Wiederaufwuchs von Wäldern ausgeglichen. Dabei könne das Pflanzen neuer Bäume den Verlust bestehender Primärwälder nicht ausgleichen.
“Das Abholzen von ausgewachsenen Bäumen in der Erwartung, dass sie wieder nachwachsen, führt zu einer jahrzehntelangen Kohlenstoffschuld, da der in der Landschaft gespeicherte Kohlenstoff dauerhaft verringert und der Bestand in der Atmosphäre erhöht wird”, schreiben die Autoren. In den Bilanzen auf dem Weg zur Klimaneutralität müssten demnach “klarere und genauere Informationen über die tatsächlichen Auswirkungen der verschiedenen Minderungsmaßnahmen” stehen.
Zudem fordern die Forscherinnen und Forscher, dass auch die Landrechte indigener Völker stärker berücksichtigt werden. Diese seien durch die Flächennutzungspläne zur natürlichen CO2-Speicherung gefährdet, heißt es. Ohnehin sei es erwiesen, dass indigene Völker mit gesicherten Landrechten sowohl staatlichen als auch privaten Landbesitzer bei der Vermeidung von Entwaldung sowie der nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion weit voraus sind.
Der Land Gap Report wurde von Wissenschaftlern, unter anderem der Universitäten in Melbourne, Lund und Kopenhagen sowie dem Center for International Forestry Research und dem Third World Network erstellt. luk
Nach Angaben der Betreibergesellschaft ist eine Röhre der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 auf einer Länge von rund 250 Metern zerstört. Nach vorläufigen Untersuchungsergebnissen gebe es am Meeresboden zwei jeweils drei bis fünf Meter tiefe Krater, teilte die Nord Stream AG am Mittwoch mit. Sie liegen demnach etwa 248 Meter voneinander entfernt. Der dazwischen liegende Abschnitt von Leitung 1 des Doppelstrangs sei zerstört. Trümmer seien mindestens in einem Radius von 250 Metern verstreut.
Der Mitteilung waren nach Angaben der Nord Stream AG erste Untersuchungen der Leitung 1 in der schwedischen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vorausgegangen.
Ende September waren nach Explosionen in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm vier Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden, jeweils zwei davon in den ausschließlichen Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens. Unter anderem die EU und die Nato gehen dabei von Sabotage aus. Beide Doppelstränge verlaufen von Russland bis nach Lubmin im Nordosten Deutschlands.
Vergangene Woche hatte die Nord Stream AG Untersuchungen in der schwedischen AWZ angekündigt. Für die Begutachtung der Schäden in der dänischen AWZ fehlten demnach Genehmigungen der Behörden. dpa
Die polnische Regierung hat eine Resolution zum Bau der ersten Kernkraftwerke des Landes verabschiedet. Den Zuschlag für den ersten Standort erhielt der US-Konzern Westinghouse Electric Company, wie die Nachrichtenagentur PAP am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung in Warschau berichtete. Die Grundlage bildet ein Kooperationsabkommen zwischen Washington und Warschau über die zivile Nutzung der Atomkraft aus dem Jahr 2020.
“Wir sehen deutlich, dass wir nicht nur auf bewährte Technik, sondern auch auf bewährte Partner setzen müssen”, sagte der nationalkonservative Regierungschef Mateusz Morawiecki. Der bevorzugte AKW-Standort Lubiatowo-Kopalino liegt an der Ostseeküste in der Woiwodschaft Pommern nordwestlich von Danzig (Gdańsk). Vorgesehen sind drei Druckwasserreaktoren des Typs AP 1000.
Geplant ist zudem ein zweiter AKW-Standort. “Das ist ein Projekt, das den Bau eines Atomkraftwerks in Polen durch ein koreanisches Unternehmen unter Beteiligung polnischer Firmen betrifft”, erläuterte Morawiecki. Zu einem möglichen dritten Projekt in Zentralpolen gibt es noch keine näheren Informationen. Auch Frankreich hatte Interesse an den Aufträgen bekundet.
Der erste polnische Atomreaktor soll 2033 ans Netz gehen. In den 1980er Jahren war in der Nähe von Danzig (Gdańsk) mit dem Bau eines Kernkraftwerks sowjetischer Bauart begonnen worden. Das KKW Żarnowiec wurde nach Protesten nie fertiggestellt. Derzeit decken Kohlekraftwerke rund 70 Prozent des polnischen Strombedarfs ab. dpa
Die zurückgetretene Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat in Dänemark die Aufgabe erhalten, Möglichkeiten zur Bildung einer neuen Regierung auszuloten. Sie werde die Verhandlungen am Freitag einleiten und dafür alle Parteien sowie die Repräsentanten aus Grönland und von den Färöer-Inseln in ihren Amtswohnsitz Marienborg nördlich von Kopenhagen einladen, sagte die 44 Jahre alte Sozialdemokratin am Mittwoch dem Sender TV2. Dort werde sie sich die Wünsche und Prioritäten von allen Parteien anhören.
Obwohl das linksgerichtete Lager um ihre Sozialdemokraten bei der dänischen Parlamentswahl am Dienstag in letzter Minute noch eine hauchdünne Mehrheit errungen hatte, reichte Frederiksen am Mittwoch den Rücktritt ihrer Regierung bei Königin Margrethe II. ein.
Frederiksen will Dänemark künftig nicht mehr wie bislang mit einer rein sozialdemokratischen Minderheitsregierung führen, sondern strebt eine breite Regierungszusammenarbeit über die politische Mitte an. Ob das gelingen wird, ist noch unklar. dpa
Gut eine Woche vor Beginn der UN-Klimakonferenz im ägyptischen Urlaubsort Sharm el-Sheihk dreht Sameh Hassan Shoukry eine Runde über das Konferenzgelände. Pressefotos zeigen den 70-Jährigen im Gespräch mit Arbeitern. Er trägt ein kurzärmeliges, graues Poloshirt, seine linke Hand steckt in der Hosentasche, mit der rechten gestikuliert er. Er wirkt nahbar, interessiert, aufgeschlossen. Wie ein Architekt, der seine Baustelle besucht. “Die ägyptische COP-27-Präsidentschaft ist bereit, die Weltklimagemeinschaft im November in Sharm el-Sheihk zu empfangen”, ist seine Botschaft im Anschluss dieses Besuchs.
Die Erwartungen, die dieser Tage auf ihm ruhen, sind hoch. Das Motto der COP lautet “Together for Implementation – Gemeinsam für die Umsetzung”. Doch selten waren die Umstände so schlecht für weltweite Zusammenarbeit gegen die Klimakrise wie heute. Russlands Krieg gegen die Ukraine, die Energiepreisinflation, die Nahrungsmittelkrise, hohe Schulden nach der Pandemie, die Spannungen zwischen den USA und China – all das erschwert ein gemeinsames und entschlossenes Handeln gegen die Klimabedrohungen.
Vor seiner Ernennung zum COP-Präsidenten zu Beginn dieses Jahres ist Shoukry mit Klimathemen nicht in Erscheinung getreten. “Shoukry ist ein Karrierediplomat mit jahrzehntelanger Erfahrung“, sagt Lutz Weischer von Germanwatch. Das ist allerdings nicht die schlechteste Voraussetzung, findet er.
Die Aufgabe eines COP-Präsidenten sei es, eine gute Verhandlungsatmosphäre zu schaffen und Kompromisse zu ermöglichen, aber auch dafür zu sorgen, dass am Ende nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner übrigbleibe. Die Erfahrung von Jahrzehnten im Dienst der Diplomatie kann da sicher hilfreich sein.
Shoukry spart im Vorfeld der Klimakonferenz nicht mit Kritik an den Industrieländern, die ihre finanziellen Zusagen für Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern bisher nicht eingehalten haben. Die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels hat er zu seiner Priorität gemacht.
“Diese Kritik ist durchaus berechtigt”, sagt Lutz Weischer. Doch um ein erfolgreicher COP-Präsident zu sein, dürfe der Fokus nicht allein auf den Themen Anpassung an den Klimawandel und Wiedergutmachung von Schäden und Verlusten liegen. “Shoukry muss sich noch deutlicher äußern zu den klimapolitischen Ambitionen und ehrgeizige Ziele im Bereich der Emissionsminderung formulieren”, sagt Weischer.
Ein Jahr nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften an der Ain-Shams-Universität in Kairo beginnt Shoukry 1976 seine Karriere als Attaché des Außenministeriums in Kairo. Nach Stationen in London, Buenos Aires und Wien ist er von 2005 bis 2008 ständiger Vertreter Ägyptens bei den Vereinten Nationen in Genf. 2008 schließlich wird er Botschafter Ägyptens in den Vereinigten Staaten.
Während in seiner Heimat der Arabische Frühling den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak 2011 aus dem Amt fegt, bleibt Shoukry noch bis 2012 in Washington. “Während des Aufstands von 2011 war Shoukry der Inbegriff eines ruhigen, pragmatischen Denkens, das die Forderungen nach Demokratie unterstützte. Im gleichen Atemzug sprach er sich jedoch für die Beteiligung des Militärs an der Politik aus, um Chaos zu verhindern”, heißt es in einem Artikel über Shoukry in “The Africa Report”.
“Seine pragmatische Art und sein ruhiger diplomatischer Ansatz verhalfen ihm jedoch nicht zu einem Sitz in der kurzlebigen Post-Mubarak-Regierung von Mohammed Mursi”, heißt es weiter. 2014 schließlich holt Abdel Fattah el-Sisi nach seiner Machtübernahme den erfahrenen Diplomaten Shoukry als Außenminister in die ägyptische Regierung.
Über das Privatleben Shoukrys ist wenig bekannt. Seine Ehefrau Suzy Shoukry ist laut Presseberichten ebenfalls in diplomatischen und karitativen Kreisen aktiv. Gemeinsam haben sie zwei Söhne.
Allein muss Shoukry die COP 27 nicht stemmen. Bei seiner anspruchsvollen Aufgabe kann er etwa auf die Erfahrung von Umweltministerin Yasmine Fouad setzen, die ihm als “Ministerielle Koordinatorin und Gesandte” zur Seite steht. Sie verfügt über mehr als 18 Jahre Erfahrung in den Bereichen Umwelt und internationale Zusammenarbeit. Ulrike Christl