die Transformation zu emissionsfreien Antrieben von Nutzfahrzeugen soll bei Stadtbussen am schnellsten gehen. Den gestern präsentierten Vorschlag der Kommission für die CO₂-Flottenregulierung von schweren Nutzfahrzeugen hat Markus Grabitz analysiert.
Der Europäische Rechnungshof will Kommission und Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Aufbauprogramms NextGenerationEU genau auf die Finger schauen. Im Gespräch mit Christof Roche sagt das deutsche Mitglied des Hofs, Klaus-Heiner Lehne, wo er potenziellen Nachbesserungsbedarf sieht.
Die EU-Kommission könnte ihre Vorschläge zur Reform der europäischen Schuldenregeln später vorlegen als bislang geplant. Hintergrund seien die tiefgreifenden Differenzen unter den Mitgliedstaaten, hieß es am Dienstag in Kommissionskreisen. Bislang wollte die Behörde das Paket kurz nach dem EU-Gipfel Ende März vorlegen. Kommissionsvize Valdis Dombrovskis appellierte gestern an die Regierungen, möglichst bis zu dem Gipfel einen weitgehenden Konsens zu erzielen. Mehr lesen Sie in der News von Till Hoppe und Christof Roche.
Heute sitzen die Schattenberichterstatter fünf Stunden zusammen, um endlich zu Entscheidungen beim AI Act zu kommen. Die von der EU vorgeschlagene Verordnung setzt stark auf die Idee, dass Menschen KI-Systeme überwachen, um schädliche Entscheidungen bei Hochrisiko-Anwendungen zu verhindern. Doch dass das nicht in jedem Fall funktioniert, erläutert der KI-Experte Johannes Walter in seinem Standpunkt.
Die Transformation zu emissionsfreien Antrieben von Nutzfahrzeugen soll bei Stadtbussen am schnellsten gehen. Ab 2030 sollen alle neuen Stadtbusse in der EU kein CO₂ mehr emittieren. Dies sieht der Vorschlag für die CO₂-Flottenregulierung von schweren Nutzfahrzeugen vor, den die Kommission gestern beschlossen hat.
Eine Hintertür lässt die Kommission offen: Wenn das Gelände der Kommune bergig ist und die Klimabedingungen besonders ungünstig für E-Busse, kann die Kommission dem Mitgliedstaat Ausnahmen von der 100-Prozent Nullemissionsregel ab 2030 zugestehen.
Busse und leichte Lastwagen werden erstmals ab 2030 der CO₂-Flottenregulierung unterworfen. Bislang gilt das Reglement nur für schwere Lkw. Die Kommission hat folgende Eckwerte für die Reduzierung des CO₂-Flottengrenzwertes je Hersteller, bezogen auf das Referenzjahr 2019, beschlossen:
Auf diese Zahlen haben sich die Kommissare geeinigt. Der für den Green Deal zuständige Vize der Kommission, Frans Timmermans, wollte ein totales Verbrenneraus auch bei schweren Nutzfahrzeugen durchsetzen und ist dem Vernehmen nach am Widerstand von Verkehrskommissarin Adina Valean und Industriekommissar Thierry Breton gescheitert. Timmermans sei mit minus 50 Prozent für 2030 und dem totalen Verbrenneraus 2040 in die Verhandlungen mit seinen Kollegen gegangen.
Als Nullemissionsfahrzeug gilt laut Kommissionsvorschlag, wenn das Nutzfahrzeug weniger als fünf Gramm CO₂ je Tonnenkilometer emittiert. Niedrigemissionsfahrzeuge sind demnach Nutzfahrzeuge, die weniger als die Hälfte des Referenzwertes ausstoßen.
Damit ist klar: Zu den Nullemissionsfahrzeugen zählen die Antriebe Batterie, Brennstoffzelle sowie Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Timmermans hat bei seiner Pressekonferenz erstmals den Wasserstoff-Verbrennungsmotor als Möglichkeit für einen CO₂-freien Antrieb genannt.
Bei dem jetzigen Vorschlag handelt es sich um die Anpassung der bestehenden Gesetzgebung, in der minus 15 Prozent im Jahr 2025 und minus 30 Prozent im Jahr 2030 vorgesehen sind.
Die Flottengrenzwerte gelten individuell für jeden Hersteller. Verfehlt der Hersteller die Vorgaben, dann drohen hohe Strafen. Je Gramm und Tonnenkilometer, die ein Hersteller bei den Flottengrenzwerten die Zielvorgabe verfehlt, ist ab 2035 eine Strafe von 4250 Euro fällig. Ein großer deutscher Hersteller hat ausgerechnet, dass ihn eine Verfehlung der Ziele um fünf Prozent im Jahr einen Milliardenbetrag kosten würde.
Die Branche hat geschockt auf die Vorschläge der Kommission reagiert. Vor allem das 2030-Ziel gilt ihr als “katastrophal”. Durch sparsame Motoren und bessere Aerodynamik sei bis 2030 eine Einsparung von knapp zehn Prozent bei der Dieselflotte zu erreichen. Die dann noch fehlende Einsparung von 35 Prozent müssten die Hersteller über Nullemissionsfahrzeuge erzielen.
Der Branchenverband ACEA rechnet vor, was minus 45 Prozent im Jahr 2030 bedeuten würde: 400.000 Nullemissions-Trucks müssten dafür auf der Straße sein, mindestens 100.000 Nullemissionsfahrzeuge müssten jedes Jahr neu zugelassen werden. Dafür müssten binnen sieben Jahren 50.000 öffentlich zugängliche Ladestationen für Lkw geschaffen werden, davon 35.000 High-Performance-Stationen. “Angesichts der Tatsache, dass es derzeit so gut wie gar keine Ladestationen für Lkw im öffentlichen Raum gibt, ist die Herausforderung sehr ehrgeizig”, sagt Sigrid De Vries von ACEA.
Benjamin Krieger vom EU-Verband der Zulieferer CLEPA sieht es ähnlich: “Die Anhebung der Ziele für 2030 und 2035 ist sehr herausfordernd.” Erst vor vier Jahren habe man das mittlerweile überholte 2030er-Ziel gesetzt, “schon damals war das ehrgeizig”.
Der Verband der Maschinenbauer VDMA begrüßt, dass der Verbrenner nicht komplett verboten wird: “Die EU-Kommission hat bei LKWs den Fehler, den sie bei der Regulierung von PKW-Antrieben gemacht hat, vermieden. Das enge Denk- und Verbrennerverbot ist nun einem offeneren Technologie- und Innovationshandlungsraum gewichen. Das begrüßen wir”, sagt Hartmut Rauen vom VDMA.
Der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke sagt: “Die Einsatzfelder von schweren Nutzfahrzeugen sind so verschieden, dass eine einseitige Wette auf reine Elektromobilität nicht funktionieren kann. Es braucht deshalb den Wettbewerb um die klügsten und effizientesten Lösungen.”
Michael Bloss (Grüne) moniert: “Mit diesem Vorschlag gefährdet die Kommission ihr eigenes Klimaziel, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden.” Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konterkariere damit den Green Deal: “Ohne Enddatum für fossilen LKW-Verkehr wird es noch bis weit über die Mitte des Jahrhunderts klimaschädlichen CO₂-Ausstoß auf Europas Straßen geben.”
Der Europäische Rechnungshof (ECA) schaut sich die Umsetzung des milliardenschweren Aufbau- und Resilienzprogramms NextGenerationEU (NGEU) genau an und schließt Nachbesserungen für das gesetzliche Regelwerk nicht aus. Das deutsche Mitglied des ECA, Klaus-Heiner Lehne, sagte im Gespräch mit Table.Media, der Rechnungshof werde bereits im nächsten Monat einen Bericht zur Überprüfung des Kontrollsystems der Europäischen Kommission vorlegen.
“Der Rechnungshof prüft, wie die Kommission checkt, ob die Mittel in einem Mitgliedstaat auch richtig ausgegeben werden.” Da gebe es im Moment noch Diskussionsbedarf mit der Kommission. “Wenn die Kommission die Mittel überwiesen hat, scheint aus ihrer Sicht der Rest mehr oder weniger Sache der nationalen Regierungen zu sein”, sagte er. Laut Lehne “muss vor allem sichergestellt werden, dass die Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten funktionieren“.
Er unterstrich, der Hof werde sich für die Umsetzung von NGEU zudem nicht allein auf die Überwachung durch die Kommission verlassen. “Wir werden uns auch die nationalen Kontrollsysteme im Zusammenspiel mit NGEU ansehen, um die finanziellen Interessen der EU zu schützen.” Das werde aber einige Zeit beanspruchen. Der entsprechende Bericht solle im März 2024 veröffentlicht werden. Lehne hob hervor, die Möglichkeiten des Rechnungshofes, sich die nationalen Kontrollsysteme anzusehen, seien “sehr weitgehend”.
Ein weiterer Bericht, der noch im laufenden Jahr kommen soll, wird sich laut Lehne das Monitoring der Wirkung der NGEU-Mittel ansehen. Eine erste Stellungnahme des Hofes zu den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen (ARP) hatte zu diesem Punkt Bedenken geäußert. “Wir brauchen klare Überprüfungsmechanismen für die Etappenziele und Zielwerte anhand angemessener Definitionen”, so Lehne.
Darüber hinaus wird der Rechnungshof die NGEU-Umsetzung in seine üblichen Compliance-Prüfungen im Rahmen seiner Jahresberichte einbinden. “Auch wenn das noch nicht final entschieden ist, sollen sich die Compliance-Checks auf die Auszahlungen konzentrieren. Bei den Zielvorgaben, wie etwa die digitale und grüne Transformation, werden wir uns das in Sonderberichten anschauen”, sagte Lehne.
Er verwies auf den Jahresbericht 2022, in dessen Rahmen der Rechnungshof die erste und bis dahin einzige Auszahlung in 2021 überprüft hat, die an Spanien gegangen war. Dort sei festgestellt worden, dass die Auszahlung erfolgt sei, obwohl ein Meilenstein – eine Vorgabe für das Unternehmenssteuerrecht – noch nicht vollständig erfüllt war. “Das war aber marginal und für uns daher akzeptabel.”
Lehne machte noch einmal deutlich, die Kommission müsse bezifferbare Meilensteine und Zielvorgaben für die Mitgliedstaaten festlegen. “Die Kommission muss klar aufzeigen, welche Bedeutung und welchen Wert jede einzelne Reform und jede Investitionsvorgabe für den Mitgliedstaat hat, damit klar ist, was auf diesen bei Nichterfüllung zukommt, etwa mit der Rückholung ausgezahlter Gelder. Hier mangelt es noch, und hier sind wir der Überzeugung, dass die Kommission das jetzt definieren muss.”
Lehne sprach sich in diesem Zusammenhang auch grundsätzlich für eine stärkere Standardisierung der Meilensteine aus, die politische Reformen beinhalten. Er räumte aber ein, dass dies aufgrund der nationalen Ausrichtung der ARP keine einfache Übung sei. “Umweltpolitisch beispielsweise kann eine Maßnahme in einem Staat Sinn machen, in einem anderen aber nicht”.
Gerade im Bereich politischer Reformen für Klima- und Umweltschutz sei die fehlende Zertifizierung aber ein Thema, da die Kommission 30 Prozent der NGEU-Mittel von mehr als 800 Milliarden Euro über die Emission sogenannter grüner Anleihen finanzieren will. “Wir werden untersuchen, ob die Green Bonds, die die Kommission am Kapitalmarkt für NGEU aufnimmt, und die an Reformen zum Klimaschutz gekoppelt sind, möglicherweise mit Risiken behaftet sind, und ob hier eine stärkere Präzisierung nötig ist.”
Potenzielle Probleme sieht der Rechnungshof Lehne zufolge auch bei Überschneidungen der Finanzierungen von Projekten, für die zugleich Mittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU vorgesehen sind. “Wir müssen, gerade auch wegen des hohen Tempos, mit dem enorme Summen in die Länder fließen, sicherstellen, dass die Abstimmung mit den anderen EU-Finanzierungsquellen funktioniert und auch Unregelmäßigkeiten und Betrug unterbunden werden. Hier liegt noch erhebliche Arbeit vor uns.”
Der ehemalige ECA-Präsident verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass weitgehende Prüfrechte des Hofs ausdrücklich in der NGEU-Verordnung verankert wurden. Der ECA habe die Möglichkeit, sich bei der Umsetzung bis zum finalen Begünstigten anzusehen, ob die Ziele erreicht wurden. “Wir können uns von jedem Mitgliedstaat jede Akte im Detail zu jedem Zahlungsvorgang vorlegen lassen“, unterstrich Lehne die Entschlossenheit des Hofs, systemimmanente Fehlerquellen aufzudecken. “Das haben wir auch beim Juncker-Plan so gemacht.”
Lehne betonte in diesem Kontext die bestehende gute und enge Zusammenarbeit mit den nationalen und regionalen Rechnungshöfen. Außerdem wird der ECA mit Blick auf die NGEU-Kontrolle 29 neue Prüfer einstellen. “Wir hatten zwar 40 neue Stellen beim Haushaltskontrollausschuss von EP und Rat beantragt, aber mit den neuen Mitarbeitern und durch interne Umschichtungen sind wir sehr gut gerüstet, unserem Prüfauftrag für NGEU nachzukommen.”
Lehne machte noch einmal deutlich, dass der Ansatz von NGEU mit seinen Meilensteinen und Zielvorgaben “vielleicht das Modell der Zukunft in Europa ist, wenn es funktioniert und Erfolge zeigt.” NGEU sei weniger komplex als der herkömmliche Haushaltsansatz und wirke deshalb unmittelbarer und schneller. Daher hätten alle Beteiligten, allen voran aber die Kommission “ein massives politische Interesse, dass diese Sache ein Erfolg wird.” Kommission und Rechnungshof “ziehen hier an einem Strang”, betonte der frühere ECA-Präsident.
Die EU-Kommission könnte ihre Vorschläge zur Reform der europäischen Schuldenregeln später vorlegen als bislang geplant. Hintergrund seien die tiefgreifenden Differenzen unter den Mitgliedstaaten, hieß es am Dienstag in Kommissionskreisen. Ziel sei es aber, die Legislativvorschläge vor dem Sommer vorzulegen.
Die Kommission hatte im November in einer Mitteilung ihre Vorstellungen zur Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts dargelegt. Bei einer Sitzung der EU-Finanzminister in Brüssel gestern wurde aber deutlich, dass die Positionen teils noch weit auseinanderliegen.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte, die Schwierigkeit sei, die Balance zu finden zwischen individuell ausgearbeiteten Plänen der Mitgliedstaaten zum Schuldenabbau und einer Gleichbehandlung aller Staaten mit der erforderlichen Berechenbarkeit und Transparenz. Er unterstrich aber die Absicht der Brüsseler Behörde, kurz nach dem Europäischen Rat im März ihre legislativen Vorschläge zu unterbreiten.
Der Vizepräsident forderte die Mitgliedstaaten auf, die Verhandlungen für den Umbau des Stabilitäts- und Wachstumspakts energisch voranzutreiben und bis zum Gipfel am 23./24. März einen weitgehenden Konsens zu erzielen. Die schwedische Finanzministerin Elisabeth Svantesson als amtierende EU-Ratsvorsitzende sagte: “Wir werden alles tun, um den Prozess zu beschleunigen”. Am Ende müsse aber jeder Mitgliedstaat zustimmen können.
Bundesfinanzminister Christian Lindner stellte im Vorfeld der Ministerberatungen den Diskussionsbedarf heraus, deutete aber Kompromissbereitschaft an. “Die Vorschläge der Europäischen Kommission bedeuten das Betreten eines unentdeckten Kontinents”, sagte der FDP-Politiker. “Und deshalb sind sie für uns so nicht zustimmungsfähig.”
Die Bundesregierung sei aber bereit anzuerkennen, dass sich die Schuldenstände so erhöht hätten, dass EU-Länder bei einer unveränderten Anwendung der alten Regeln vor teilweise kaum zu bewältigende Aufgaben gestellt würden, betonte Lindner. “Wir sind also offen für eine Veränderung.” Es bestehe dabei aber die Verantwortung, der jungen Generation stabile öffentliche Finanzen zu übergeben.
Die Kommission hatte im November zur Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorgeschlagen, für jeden Mitgliedstaat einen individuellen mittelfristigen Schuldenabbauplan auszuhandeln. Hoch verschuldete Staaten sollen nach dem Willen der Brüsseler Behörde mehr Zeit erhalten, um ihre Schulden zu senken und das Defizit-Ziel zu erreichen. Im Gegenzug soll eine striktere Sanktionierung und Durchsetzung bei Fehlverhalten der Mitgliedstaaten verankert werden. tho/cr
Vor dem Hintergrund des aus Europa stark kritisierten US-Inflation Reduction Acts rechnen weiter weder EU-Kommission noch die Bundesregierung oder die US-Seite mit einem baldigen Versuch eines neuen Freihandelsabkommens zwischen EU und den USA. “Ich wäre zufrieden, ein Freihandelsabkommen zu haben”, sagte David Weiner aus dem Stab des US-Handelsbeauftragten (USTR) bei einer Konferenz des Aspen-Instituts in Berlin. Aber ein Freihandelsabkommen sei herausfordernd: “Politisch und praktisch.”
Es gebe “keinen Grund, warum die EU schlechter als Kanada oder Mexiko behandelt werden sollte”. Ein neues Handelsabkommen sei aber derzeit nicht realistisch, meinte Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Man müsse mit dem Status Quo arbeiten – und mit Foren wie dem Handels- und Technologierat (TTC).
Der TTC sei ein Mechanismus für ein außergewöhnlich breites Spektrum an Themen geworden, sagte USTR-Vertreter Weiner. Dem pflichtete Rupert Schlegelmilch von der EU-Generaldirektion Handel am Beispiel der Auswirkungen von Exportbeschränkungen auch für EU-Güter nach China bei – einem Sicherheitsthema, was so ursprünglich nicht auf der TTC-Agenda stand. Schlegelmilch mahnte Wege zum Ausräumen der existierenden Differenzen an: “Die Gesetze werden nicht über Nacht geändert werden, bei den großen Dingen müssen wir aber zusammenarbeiten.” Der USTR-Vertreter Weiner verwies darauf, dass es bereits gute Fortschritte durch die Arbeit der eingerichteten Task Force gebe und europäische Bedenken bei Steuersubventionen gehört würden.
Tobias Lindner nannte in diesem Kontext als voraussichtlichen Zeitpunkt für die China-Strategie der Bundesregierung die Jahresmitte. Diese würde auf der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung aufbauen, die in den kommenden Wochen finalisiert werden soll und richte sich sowohl nach innen als auch an die Volksrepublik: “Wir verfassen sie auch für die Regierung in China, um klarzustellen, wodurch systemische Konkurrenz definiert ist.” fst
Die EU und China nehmen in dieser Woche ihren seit Jahren ausgesetzten Menschenrechtsdialog wieder auf. Ein Treffen im Rahmen des Dialogs sei für diesen Freitag geplant, bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag. Die EU erwarte, dass die Wiederaufnahme eine “gezielte Diskussionen über ein breites Themenspektrum ermöglichen wird”, sagte sie. “Die EU und China haben in diesem Bereich unterschiedliche Ansichten, aber genau deshalb ist dieser Dialog wichtig: um eine offene Diskussion zu führen.”
Das nun geplante Treffen am Freitag wird das 38. im Rahmen des Dialogs sein. Das letzte in dieser Form hatte im April 2019 stattgefunden. Während der Corona-Pandemie gab es kein Dialogtreffen. Beide Seiten hatten sich bereits nach dem EU-China-Gipfel im vergangenen April darauf verständigt, das Format wiederzubeleben.
Peking fährt derzeit eine Charmeoffensive in Europa und schickt unter anderem Chefdiplomat Wang Yi zur Münchner Sicherheitskonferenz. Den chinesischen Ansichten gegenwirkend sahen Besucher deshalb eine geplante Reise des Gouverneurs von Xinjiang, Erkin Tuniyaz. Dieser soll in dieser Woche mehrere europäische Länder bereisen und dort Politik-Vertreter treffen. Tuniyaz soll zunächst nach Großbritannien reisen. Ob er dort bereits angekommen ist, war lokalen Medienberichten zufolge unklar.
Das Reiseziel Brüssel soll der Gouverneur indes gestrichen haben. Der Besuch sei abgesagt, schrieb unter anderem der Grünen-Europapolitiker und China-Experte Reinhard Bütikofer auf Twitter. Eine offizielle Bestätigung der Absage gab es zunächst nicht. Tuniyaz soll jedoch weiterhin Paris besuchen. Der Gouverneur steht in den USA auf einer schwarzen Liste und darf dort nicht einreisen. Menschenrechtsorganisationen und Politiker fordern auch ein Einreiseverbot für Tuniyaz in Europa. ari
Deutschland und Belgien wollen ihren grenzüberschreitenden Gas- und Stromverbindungen ausbauen. Kanzler Olaf Scholz begrüßte bei einem Besuch im Seehafen Seebrügge am Dienstag, dass Belgien die Kapazitäten in seinem Gasnetz nach den russischen Angriffen auf die Ukraine vergrößert habe. “Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, […] dass wir die entsprechende Leitungskapazitäten in Deutschland auch ausbauen werden“, sagte Scholz nach einem Treffen mit dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo.
Das LNG-Gas, das über Belgien nach Osten gepumpt wird, könne dann in Deutschland oder auch an Länder wie Österreich, Tschechien oder die Slowakei verteilt werden. Zudem solle eine geplante Wasserstoffverbindung möglichst schon 2028 fertiggestellt werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Untersucht werden sollen demnach auch Möglichkeiten zur CO2-Speicherung. Fortan solle jährlich eine Energie-Kontaktgruppe auf Abteilungsleiterebene tagen, um Projekte voranzutreiben.
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und Elia legten zudem eine Absichtserklärung zum Bau einer zweiten grenzüberschreitenden Stromverbindung vor. Mit einer Inbetriebnahme sei aber frühestens 2037 zu rechnen, teilte Amprion mit. rtr/ber
In den Streit um die Aufteilung der Netzkosten zwischen Telekom-Anbietern und Internet-Konzernen kommt Bewegung. Im Rahmen der Branchenmesse Mobile World Congress (MWC) Ende Februar werde er den Start erster Gespräche ankündigen, sagte Industriekommissar Thiery Breton am Dienstag. Die Staatengemeinschaft prüft, ob sie Technologiekonzerne zur Übernahme eines Teils der Infrastruktur-Kosten in Höhe von rund 50 Milliarden Euro jährlich verpflichten kann.
Europäische Telekom-Anbieter wie die Deutsche Telekom, die französische Orange, die spanische Telefonica und die britische Vodafone fordern dies seit längerem. Der Suchmaschinen-Betreiber Google, die Facebook-Mutter Meta oder der Streamingdienst Netflix verursachten schließlich mehr als die Hälfte des Datenverkehrs. Die Angesprochenen hatten solche Forderungen bislang mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass sie bereits in Ausrüstung und Technologien investierten, um Inhalte effizienter bereitzustellen. rtr
Nijeer Parks saß in Untersuchungshaft für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Es ist bereits der dritte bekannte Fall, in dem ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe in den USA auf der Grundlage einer Gesichtserkennung zu Unrecht beschuldigt wurde. Diese falschen Verhaftungen verdeutlichen die geringere Genauigkeit von Gesichtserkennungsalgorithmen bei Gesichtern mit schwarzer Hautfarbe.
Doch Nijeer Parks wurde nicht nur die Technik zum Verhängnis. Hätten die Polizeibeamten die übereinstimmenden Bilder gründlich überprüft, wäre ihnen aufgefallen, dass Nijeer Parks dem Tatverdächtigen nicht einmal ähnlich sah. So trug der Verdächtige auf dem Foto zum Beispiel Ohrringe. Nijeer Parks dagegen hat keinerlei Piercings. Die Polizeibeamten hätten die algorithmisch generierte Verhaftungsempfehlung überwachen müssen, was sie jedoch nicht taten.
Die von der EU vorgeschlagene Verordnung über künstliche Intelligenz (AI Act) setzt stark auf die Idee, dass Menschen KI-Systeme überwachen, um schädliche Entscheidungen bei Hochrisiko-Anwendungen zu verhindern. Algorithmen des maschinellen Lernens unterstützen immer häufiger menschliche Entscheidungsfindung in Bereichen, die für unsere Gesellschaft entscheidend sind: Zum Beispiel im Gesundheitswesen, wenn Algorithmen empfehlen, welche Patienten sich teuren Behandlungen unterziehen sollten; bei Einstellungsentscheidungen, wenn sie vorschlagen, welche Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollten; oder bei Entscheidungen über Finanzkredite. In all diesen Fällen hat ein Mensch das letzte Wort und könnte eine algorithmisch abgeleitete Empfehlung anpassen oder sogar aufheben.
Menschliche Aufsicht über KI-Systeme kann gut funktionieren. Eine Studie im Vereinigten Königreich, die sich mit der Entscheidungsfindung im Bereich der Kinderfürsorge befasste, ergab, dass Menschen tatsächlich in der Lage waren, schlechte algorithmische Empfehlungen zu erkennen. Ein weiteres Beispiel sind große Sprachmodelle wie ChatGPT. Vermutlich haben viele der Leser dieses Meinungsbeitrags in den letzten Wochen selbst solche Sprach-KIs ausprobiert und sind wahrscheinlich bald auf Situationen gestoßen, in denen die Chatbots offensichtlich unsinnige Antworten gaben. Angesichts dieser Beispiele kann man sich leicht Anwendungen vorstellen, bei denen Menschen KI sinnvoll überwachen können.
Doch allzu oft versagt die menschliche Aufsicht auch, wie im Fall von Nijeer Park. In den vergangenen Jahren wurde immer mehr Evidenz erbracht, dass Menschen oft nicht in der Lage sind, KI richtig zu beaufsichtigen. In einem neuen Experiment zeigen wir, dass Menschen die Qualität eines beratenden Algorithmus nicht richtig einschätzen können. Die Teilnehmer des Experiments mussten eine einfache Aufgabe lösen und erhielten Ratschläge von einem unterstützenden Algorithmus.
Ohne dass die Teilnehmer dies wussten, hatten wir den Algorithmus so manipuliert, dass er schlechte Empfehlungen abgab. Trotzdem verließen sich die Teilnehmer weiterhin auf den Algorithmus und erkannten selbst nach mehreren Spielrunden nicht das Ausmaß seiner Ungenauigkeit. Dieses Ergebnis aus dem Labor wird durch verschiedene Feldstudien bestätigt: Richter, Ärzte und Polizisten haben sich als schlechte KI-Aufseher erwiesen.
Die Gründe hierfür sind so faszinierend wie zahlreich. In Situationen, in denen Menschen mit Hilfe von Algorithmen Entscheidungen treffen, wimmelt es von psychologischen Effekten. Zum Beispiel haben die Menschen bis zu einem gewissen Grad das Gefühl, dass sie durch das Vertrauen in die KI von ihrer Verantwortung entbunden werden. Algorithmische Empfehlungen setzten einen scheinbar objektiven Referenzpunkt, von dem man sich nur schwer lösen kann.
Wenn die zu treffende Entscheidung als eher abstrakt und mathematisch wahrgenommen wird, verlässt sich der Mensch oft zu sehr auf Algorithmen, ein Phänomen, das als “algorithmische Wertschätzung” bezeichnet wird. In anderen Fällen, in denen die Aufgabenstellung als eher subjektiv wahrgenommen wird, findet man dagegen “Algorithmus-Aversion”, das heißt, Menschen folgen fälschlicherweise nicht den besseren algorithmischen Ratschlägen.
Die Einsicht, dass Menschen keine unfehlbaren Aufseher von KI sind, hat noch keinen Eingang in den Entwurf für die KI-Verordnung gefunden. Auf der Grundlage unserer Forschung spreche ich daher drei Empfehlungen aus.
Nijeer Parks wurde nach zehn Tagen aus dem Gefängnis entlassen und hat rund 5.000 US-Dollar für seine Verteidigung ausgegeben. Die Einführung einer sorgfältigeren menschlichen KI-Aufsicht hat das Potenzial, ähnliche Ungerechtigkeiten in Zukunft zu verhindern.
Johannes Walter beschäftigt sich in seiner Forschung mit den Bedingungen für den sicheren Einsatz von KI-Systemen, wenn diese gemeinsam mit Menschen Entscheidungen treffen. Das Forschungspapier, auf dem dieser Meinungsbeitrag beruht, entstand größtenteils während eines Forschungsaufenthalts am MIT. Mehr dazu im aktuellen Policy Brief des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
die Transformation zu emissionsfreien Antrieben von Nutzfahrzeugen soll bei Stadtbussen am schnellsten gehen. Den gestern präsentierten Vorschlag der Kommission für die CO₂-Flottenregulierung von schweren Nutzfahrzeugen hat Markus Grabitz analysiert.
Der Europäische Rechnungshof will Kommission und Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Aufbauprogramms NextGenerationEU genau auf die Finger schauen. Im Gespräch mit Christof Roche sagt das deutsche Mitglied des Hofs, Klaus-Heiner Lehne, wo er potenziellen Nachbesserungsbedarf sieht.
Die EU-Kommission könnte ihre Vorschläge zur Reform der europäischen Schuldenregeln später vorlegen als bislang geplant. Hintergrund seien die tiefgreifenden Differenzen unter den Mitgliedstaaten, hieß es am Dienstag in Kommissionskreisen. Bislang wollte die Behörde das Paket kurz nach dem EU-Gipfel Ende März vorlegen. Kommissionsvize Valdis Dombrovskis appellierte gestern an die Regierungen, möglichst bis zu dem Gipfel einen weitgehenden Konsens zu erzielen. Mehr lesen Sie in der News von Till Hoppe und Christof Roche.
Heute sitzen die Schattenberichterstatter fünf Stunden zusammen, um endlich zu Entscheidungen beim AI Act zu kommen. Die von der EU vorgeschlagene Verordnung setzt stark auf die Idee, dass Menschen KI-Systeme überwachen, um schädliche Entscheidungen bei Hochrisiko-Anwendungen zu verhindern. Doch dass das nicht in jedem Fall funktioniert, erläutert der KI-Experte Johannes Walter in seinem Standpunkt.
Die Transformation zu emissionsfreien Antrieben von Nutzfahrzeugen soll bei Stadtbussen am schnellsten gehen. Ab 2030 sollen alle neuen Stadtbusse in der EU kein CO₂ mehr emittieren. Dies sieht der Vorschlag für die CO₂-Flottenregulierung von schweren Nutzfahrzeugen vor, den die Kommission gestern beschlossen hat.
Eine Hintertür lässt die Kommission offen: Wenn das Gelände der Kommune bergig ist und die Klimabedingungen besonders ungünstig für E-Busse, kann die Kommission dem Mitgliedstaat Ausnahmen von der 100-Prozent Nullemissionsregel ab 2030 zugestehen.
Busse und leichte Lastwagen werden erstmals ab 2030 der CO₂-Flottenregulierung unterworfen. Bislang gilt das Reglement nur für schwere Lkw. Die Kommission hat folgende Eckwerte für die Reduzierung des CO₂-Flottengrenzwertes je Hersteller, bezogen auf das Referenzjahr 2019, beschlossen:
Auf diese Zahlen haben sich die Kommissare geeinigt. Der für den Green Deal zuständige Vize der Kommission, Frans Timmermans, wollte ein totales Verbrenneraus auch bei schweren Nutzfahrzeugen durchsetzen und ist dem Vernehmen nach am Widerstand von Verkehrskommissarin Adina Valean und Industriekommissar Thierry Breton gescheitert. Timmermans sei mit minus 50 Prozent für 2030 und dem totalen Verbrenneraus 2040 in die Verhandlungen mit seinen Kollegen gegangen.
Als Nullemissionsfahrzeug gilt laut Kommissionsvorschlag, wenn das Nutzfahrzeug weniger als fünf Gramm CO₂ je Tonnenkilometer emittiert. Niedrigemissionsfahrzeuge sind demnach Nutzfahrzeuge, die weniger als die Hälfte des Referenzwertes ausstoßen.
Damit ist klar: Zu den Nullemissionsfahrzeugen zählen die Antriebe Batterie, Brennstoffzelle sowie Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Timmermans hat bei seiner Pressekonferenz erstmals den Wasserstoff-Verbrennungsmotor als Möglichkeit für einen CO₂-freien Antrieb genannt.
Bei dem jetzigen Vorschlag handelt es sich um die Anpassung der bestehenden Gesetzgebung, in der minus 15 Prozent im Jahr 2025 und minus 30 Prozent im Jahr 2030 vorgesehen sind.
Die Flottengrenzwerte gelten individuell für jeden Hersteller. Verfehlt der Hersteller die Vorgaben, dann drohen hohe Strafen. Je Gramm und Tonnenkilometer, die ein Hersteller bei den Flottengrenzwerten die Zielvorgabe verfehlt, ist ab 2035 eine Strafe von 4250 Euro fällig. Ein großer deutscher Hersteller hat ausgerechnet, dass ihn eine Verfehlung der Ziele um fünf Prozent im Jahr einen Milliardenbetrag kosten würde.
Die Branche hat geschockt auf die Vorschläge der Kommission reagiert. Vor allem das 2030-Ziel gilt ihr als “katastrophal”. Durch sparsame Motoren und bessere Aerodynamik sei bis 2030 eine Einsparung von knapp zehn Prozent bei der Dieselflotte zu erreichen. Die dann noch fehlende Einsparung von 35 Prozent müssten die Hersteller über Nullemissionsfahrzeuge erzielen.
Der Branchenverband ACEA rechnet vor, was minus 45 Prozent im Jahr 2030 bedeuten würde: 400.000 Nullemissions-Trucks müssten dafür auf der Straße sein, mindestens 100.000 Nullemissionsfahrzeuge müssten jedes Jahr neu zugelassen werden. Dafür müssten binnen sieben Jahren 50.000 öffentlich zugängliche Ladestationen für Lkw geschaffen werden, davon 35.000 High-Performance-Stationen. “Angesichts der Tatsache, dass es derzeit so gut wie gar keine Ladestationen für Lkw im öffentlichen Raum gibt, ist die Herausforderung sehr ehrgeizig”, sagt Sigrid De Vries von ACEA.
Benjamin Krieger vom EU-Verband der Zulieferer CLEPA sieht es ähnlich: “Die Anhebung der Ziele für 2030 und 2035 ist sehr herausfordernd.” Erst vor vier Jahren habe man das mittlerweile überholte 2030er-Ziel gesetzt, “schon damals war das ehrgeizig”.
Der Verband der Maschinenbauer VDMA begrüßt, dass der Verbrenner nicht komplett verboten wird: “Die EU-Kommission hat bei LKWs den Fehler, den sie bei der Regulierung von PKW-Antrieben gemacht hat, vermieden. Das enge Denk- und Verbrennerverbot ist nun einem offeneren Technologie- und Innovationshandlungsraum gewichen. Das begrüßen wir”, sagt Hartmut Rauen vom VDMA.
Der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke sagt: “Die Einsatzfelder von schweren Nutzfahrzeugen sind so verschieden, dass eine einseitige Wette auf reine Elektromobilität nicht funktionieren kann. Es braucht deshalb den Wettbewerb um die klügsten und effizientesten Lösungen.”
Michael Bloss (Grüne) moniert: “Mit diesem Vorschlag gefährdet die Kommission ihr eigenes Klimaziel, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden.” Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konterkariere damit den Green Deal: “Ohne Enddatum für fossilen LKW-Verkehr wird es noch bis weit über die Mitte des Jahrhunderts klimaschädlichen CO₂-Ausstoß auf Europas Straßen geben.”
Der Europäische Rechnungshof (ECA) schaut sich die Umsetzung des milliardenschweren Aufbau- und Resilienzprogramms NextGenerationEU (NGEU) genau an und schließt Nachbesserungen für das gesetzliche Regelwerk nicht aus. Das deutsche Mitglied des ECA, Klaus-Heiner Lehne, sagte im Gespräch mit Table.Media, der Rechnungshof werde bereits im nächsten Monat einen Bericht zur Überprüfung des Kontrollsystems der Europäischen Kommission vorlegen.
“Der Rechnungshof prüft, wie die Kommission checkt, ob die Mittel in einem Mitgliedstaat auch richtig ausgegeben werden.” Da gebe es im Moment noch Diskussionsbedarf mit der Kommission. “Wenn die Kommission die Mittel überwiesen hat, scheint aus ihrer Sicht der Rest mehr oder weniger Sache der nationalen Regierungen zu sein”, sagte er. Laut Lehne “muss vor allem sichergestellt werden, dass die Kontrollsysteme in den Mitgliedstaaten funktionieren“.
Er unterstrich, der Hof werde sich für die Umsetzung von NGEU zudem nicht allein auf die Überwachung durch die Kommission verlassen. “Wir werden uns auch die nationalen Kontrollsysteme im Zusammenspiel mit NGEU ansehen, um die finanziellen Interessen der EU zu schützen.” Das werde aber einige Zeit beanspruchen. Der entsprechende Bericht solle im März 2024 veröffentlicht werden. Lehne hob hervor, die Möglichkeiten des Rechnungshofes, sich die nationalen Kontrollsysteme anzusehen, seien “sehr weitgehend”.
Ein weiterer Bericht, der noch im laufenden Jahr kommen soll, wird sich laut Lehne das Monitoring der Wirkung der NGEU-Mittel ansehen. Eine erste Stellungnahme des Hofes zu den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen (ARP) hatte zu diesem Punkt Bedenken geäußert. “Wir brauchen klare Überprüfungsmechanismen für die Etappenziele und Zielwerte anhand angemessener Definitionen”, so Lehne.
Darüber hinaus wird der Rechnungshof die NGEU-Umsetzung in seine üblichen Compliance-Prüfungen im Rahmen seiner Jahresberichte einbinden. “Auch wenn das noch nicht final entschieden ist, sollen sich die Compliance-Checks auf die Auszahlungen konzentrieren. Bei den Zielvorgaben, wie etwa die digitale und grüne Transformation, werden wir uns das in Sonderberichten anschauen”, sagte Lehne.
Er verwies auf den Jahresbericht 2022, in dessen Rahmen der Rechnungshof die erste und bis dahin einzige Auszahlung in 2021 überprüft hat, die an Spanien gegangen war. Dort sei festgestellt worden, dass die Auszahlung erfolgt sei, obwohl ein Meilenstein – eine Vorgabe für das Unternehmenssteuerrecht – noch nicht vollständig erfüllt war. “Das war aber marginal und für uns daher akzeptabel.”
Lehne machte noch einmal deutlich, die Kommission müsse bezifferbare Meilensteine und Zielvorgaben für die Mitgliedstaaten festlegen. “Die Kommission muss klar aufzeigen, welche Bedeutung und welchen Wert jede einzelne Reform und jede Investitionsvorgabe für den Mitgliedstaat hat, damit klar ist, was auf diesen bei Nichterfüllung zukommt, etwa mit der Rückholung ausgezahlter Gelder. Hier mangelt es noch, und hier sind wir der Überzeugung, dass die Kommission das jetzt definieren muss.”
Lehne sprach sich in diesem Zusammenhang auch grundsätzlich für eine stärkere Standardisierung der Meilensteine aus, die politische Reformen beinhalten. Er räumte aber ein, dass dies aufgrund der nationalen Ausrichtung der ARP keine einfache Übung sei. “Umweltpolitisch beispielsweise kann eine Maßnahme in einem Staat Sinn machen, in einem anderen aber nicht”.
Gerade im Bereich politischer Reformen für Klima- und Umweltschutz sei die fehlende Zertifizierung aber ein Thema, da die Kommission 30 Prozent der NGEU-Mittel von mehr als 800 Milliarden Euro über die Emission sogenannter grüner Anleihen finanzieren will. “Wir werden untersuchen, ob die Green Bonds, die die Kommission am Kapitalmarkt für NGEU aufnimmt, und die an Reformen zum Klimaschutz gekoppelt sind, möglicherweise mit Risiken behaftet sind, und ob hier eine stärkere Präzisierung nötig ist.”
Potenzielle Probleme sieht der Rechnungshof Lehne zufolge auch bei Überschneidungen der Finanzierungen von Projekten, für die zugleich Mittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU vorgesehen sind. “Wir müssen, gerade auch wegen des hohen Tempos, mit dem enorme Summen in die Länder fließen, sicherstellen, dass die Abstimmung mit den anderen EU-Finanzierungsquellen funktioniert und auch Unregelmäßigkeiten und Betrug unterbunden werden. Hier liegt noch erhebliche Arbeit vor uns.”
Der ehemalige ECA-Präsident verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass weitgehende Prüfrechte des Hofs ausdrücklich in der NGEU-Verordnung verankert wurden. Der ECA habe die Möglichkeit, sich bei der Umsetzung bis zum finalen Begünstigten anzusehen, ob die Ziele erreicht wurden. “Wir können uns von jedem Mitgliedstaat jede Akte im Detail zu jedem Zahlungsvorgang vorlegen lassen“, unterstrich Lehne die Entschlossenheit des Hofs, systemimmanente Fehlerquellen aufzudecken. “Das haben wir auch beim Juncker-Plan so gemacht.”
Lehne betonte in diesem Kontext die bestehende gute und enge Zusammenarbeit mit den nationalen und regionalen Rechnungshöfen. Außerdem wird der ECA mit Blick auf die NGEU-Kontrolle 29 neue Prüfer einstellen. “Wir hatten zwar 40 neue Stellen beim Haushaltskontrollausschuss von EP und Rat beantragt, aber mit den neuen Mitarbeitern und durch interne Umschichtungen sind wir sehr gut gerüstet, unserem Prüfauftrag für NGEU nachzukommen.”
Lehne machte noch einmal deutlich, dass der Ansatz von NGEU mit seinen Meilensteinen und Zielvorgaben “vielleicht das Modell der Zukunft in Europa ist, wenn es funktioniert und Erfolge zeigt.” NGEU sei weniger komplex als der herkömmliche Haushaltsansatz und wirke deshalb unmittelbarer und schneller. Daher hätten alle Beteiligten, allen voran aber die Kommission “ein massives politische Interesse, dass diese Sache ein Erfolg wird.” Kommission und Rechnungshof “ziehen hier an einem Strang”, betonte der frühere ECA-Präsident.
Die EU-Kommission könnte ihre Vorschläge zur Reform der europäischen Schuldenregeln später vorlegen als bislang geplant. Hintergrund seien die tiefgreifenden Differenzen unter den Mitgliedstaaten, hieß es am Dienstag in Kommissionskreisen. Ziel sei es aber, die Legislativvorschläge vor dem Sommer vorzulegen.
Die Kommission hatte im November in einer Mitteilung ihre Vorstellungen zur Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts dargelegt. Bei einer Sitzung der EU-Finanzminister in Brüssel gestern wurde aber deutlich, dass die Positionen teils noch weit auseinanderliegen.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte, die Schwierigkeit sei, die Balance zu finden zwischen individuell ausgearbeiteten Plänen der Mitgliedstaaten zum Schuldenabbau und einer Gleichbehandlung aller Staaten mit der erforderlichen Berechenbarkeit und Transparenz. Er unterstrich aber die Absicht der Brüsseler Behörde, kurz nach dem Europäischen Rat im März ihre legislativen Vorschläge zu unterbreiten.
Der Vizepräsident forderte die Mitgliedstaaten auf, die Verhandlungen für den Umbau des Stabilitäts- und Wachstumspakts energisch voranzutreiben und bis zum Gipfel am 23./24. März einen weitgehenden Konsens zu erzielen. Die schwedische Finanzministerin Elisabeth Svantesson als amtierende EU-Ratsvorsitzende sagte: “Wir werden alles tun, um den Prozess zu beschleunigen”. Am Ende müsse aber jeder Mitgliedstaat zustimmen können.
Bundesfinanzminister Christian Lindner stellte im Vorfeld der Ministerberatungen den Diskussionsbedarf heraus, deutete aber Kompromissbereitschaft an. “Die Vorschläge der Europäischen Kommission bedeuten das Betreten eines unentdeckten Kontinents”, sagte der FDP-Politiker. “Und deshalb sind sie für uns so nicht zustimmungsfähig.”
Die Bundesregierung sei aber bereit anzuerkennen, dass sich die Schuldenstände so erhöht hätten, dass EU-Länder bei einer unveränderten Anwendung der alten Regeln vor teilweise kaum zu bewältigende Aufgaben gestellt würden, betonte Lindner. “Wir sind also offen für eine Veränderung.” Es bestehe dabei aber die Verantwortung, der jungen Generation stabile öffentliche Finanzen zu übergeben.
Die Kommission hatte im November zur Neuausrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorgeschlagen, für jeden Mitgliedstaat einen individuellen mittelfristigen Schuldenabbauplan auszuhandeln. Hoch verschuldete Staaten sollen nach dem Willen der Brüsseler Behörde mehr Zeit erhalten, um ihre Schulden zu senken und das Defizit-Ziel zu erreichen. Im Gegenzug soll eine striktere Sanktionierung und Durchsetzung bei Fehlverhalten der Mitgliedstaaten verankert werden. tho/cr
Vor dem Hintergrund des aus Europa stark kritisierten US-Inflation Reduction Acts rechnen weiter weder EU-Kommission noch die Bundesregierung oder die US-Seite mit einem baldigen Versuch eines neuen Freihandelsabkommens zwischen EU und den USA. “Ich wäre zufrieden, ein Freihandelsabkommen zu haben”, sagte David Weiner aus dem Stab des US-Handelsbeauftragten (USTR) bei einer Konferenz des Aspen-Instituts in Berlin. Aber ein Freihandelsabkommen sei herausfordernd: “Politisch und praktisch.”
Es gebe “keinen Grund, warum die EU schlechter als Kanada oder Mexiko behandelt werden sollte”. Ein neues Handelsabkommen sei aber derzeit nicht realistisch, meinte Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Man müsse mit dem Status Quo arbeiten – und mit Foren wie dem Handels- und Technologierat (TTC).
Der TTC sei ein Mechanismus für ein außergewöhnlich breites Spektrum an Themen geworden, sagte USTR-Vertreter Weiner. Dem pflichtete Rupert Schlegelmilch von der EU-Generaldirektion Handel am Beispiel der Auswirkungen von Exportbeschränkungen auch für EU-Güter nach China bei – einem Sicherheitsthema, was so ursprünglich nicht auf der TTC-Agenda stand. Schlegelmilch mahnte Wege zum Ausräumen der existierenden Differenzen an: “Die Gesetze werden nicht über Nacht geändert werden, bei den großen Dingen müssen wir aber zusammenarbeiten.” Der USTR-Vertreter Weiner verwies darauf, dass es bereits gute Fortschritte durch die Arbeit der eingerichteten Task Force gebe und europäische Bedenken bei Steuersubventionen gehört würden.
Tobias Lindner nannte in diesem Kontext als voraussichtlichen Zeitpunkt für die China-Strategie der Bundesregierung die Jahresmitte. Diese würde auf der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung aufbauen, die in den kommenden Wochen finalisiert werden soll und richte sich sowohl nach innen als auch an die Volksrepublik: “Wir verfassen sie auch für die Regierung in China, um klarzustellen, wodurch systemische Konkurrenz definiert ist.” fst
Die EU und China nehmen in dieser Woche ihren seit Jahren ausgesetzten Menschenrechtsdialog wieder auf. Ein Treffen im Rahmen des Dialogs sei für diesen Freitag geplant, bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag. Die EU erwarte, dass die Wiederaufnahme eine “gezielte Diskussionen über ein breites Themenspektrum ermöglichen wird”, sagte sie. “Die EU und China haben in diesem Bereich unterschiedliche Ansichten, aber genau deshalb ist dieser Dialog wichtig: um eine offene Diskussion zu führen.”
Das nun geplante Treffen am Freitag wird das 38. im Rahmen des Dialogs sein. Das letzte in dieser Form hatte im April 2019 stattgefunden. Während der Corona-Pandemie gab es kein Dialogtreffen. Beide Seiten hatten sich bereits nach dem EU-China-Gipfel im vergangenen April darauf verständigt, das Format wiederzubeleben.
Peking fährt derzeit eine Charmeoffensive in Europa und schickt unter anderem Chefdiplomat Wang Yi zur Münchner Sicherheitskonferenz. Den chinesischen Ansichten gegenwirkend sahen Besucher deshalb eine geplante Reise des Gouverneurs von Xinjiang, Erkin Tuniyaz. Dieser soll in dieser Woche mehrere europäische Länder bereisen und dort Politik-Vertreter treffen. Tuniyaz soll zunächst nach Großbritannien reisen. Ob er dort bereits angekommen ist, war lokalen Medienberichten zufolge unklar.
Das Reiseziel Brüssel soll der Gouverneur indes gestrichen haben. Der Besuch sei abgesagt, schrieb unter anderem der Grünen-Europapolitiker und China-Experte Reinhard Bütikofer auf Twitter. Eine offizielle Bestätigung der Absage gab es zunächst nicht. Tuniyaz soll jedoch weiterhin Paris besuchen. Der Gouverneur steht in den USA auf einer schwarzen Liste und darf dort nicht einreisen. Menschenrechtsorganisationen und Politiker fordern auch ein Einreiseverbot für Tuniyaz in Europa. ari
Deutschland und Belgien wollen ihren grenzüberschreitenden Gas- und Stromverbindungen ausbauen. Kanzler Olaf Scholz begrüßte bei einem Besuch im Seehafen Seebrügge am Dienstag, dass Belgien die Kapazitäten in seinem Gasnetz nach den russischen Angriffen auf die Ukraine vergrößert habe. “Ich habe klar zum Ausdruck gebracht, […] dass wir die entsprechende Leitungskapazitäten in Deutschland auch ausbauen werden“, sagte Scholz nach einem Treffen mit dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo.
Das LNG-Gas, das über Belgien nach Osten gepumpt wird, könne dann in Deutschland oder auch an Länder wie Österreich, Tschechien oder die Slowakei verteilt werden. Zudem solle eine geplante Wasserstoffverbindung möglichst schon 2028 fertiggestellt werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Untersucht werden sollen demnach auch Möglichkeiten zur CO2-Speicherung. Fortan solle jährlich eine Energie-Kontaktgruppe auf Abteilungsleiterebene tagen, um Projekte voranzutreiben.
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und Elia legten zudem eine Absichtserklärung zum Bau einer zweiten grenzüberschreitenden Stromverbindung vor. Mit einer Inbetriebnahme sei aber frühestens 2037 zu rechnen, teilte Amprion mit. rtr/ber
In den Streit um die Aufteilung der Netzkosten zwischen Telekom-Anbietern und Internet-Konzernen kommt Bewegung. Im Rahmen der Branchenmesse Mobile World Congress (MWC) Ende Februar werde er den Start erster Gespräche ankündigen, sagte Industriekommissar Thiery Breton am Dienstag. Die Staatengemeinschaft prüft, ob sie Technologiekonzerne zur Übernahme eines Teils der Infrastruktur-Kosten in Höhe von rund 50 Milliarden Euro jährlich verpflichten kann.
Europäische Telekom-Anbieter wie die Deutsche Telekom, die französische Orange, die spanische Telefonica und die britische Vodafone fordern dies seit längerem. Der Suchmaschinen-Betreiber Google, die Facebook-Mutter Meta oder der Streamingdienst Netflix verursachten schließlich mehr als die Hälfte des Datenverkehrs. Die Angesprochenen hatten solche Forderungen bislang mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass sie bereits in Ausrüstung und Technologien investierten, um Inhalte effizienter bereitzustellen. rtr
Nijeer Parks saß in Untersuchungshaft für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Es ist bereits der dritte bekannte Fall, in dem ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe in den USA auf der Grundlage einer Gesichtserkennung zu Unrecht beschuldigt wurde. Diese falschen Verhaftungen verdeutlichen die geringere Genauigkeit von Gesichtserkennungsalgorithmen bei Gesichtern mit schwarzer Hautfarbe.
Doch Nijeer Parks wurde nicht nur die Technik zum Verhängnis. Hätten die Polizeibeamten die übereinstimmenden Bilder gründlich überprüft, wäre ihnen aufgefallen, dass Nijeer Parks dem Tatverdächtigen nicht einmal ähnlich sah. So trug der Verdächtige auf dem Foto zum Beispiel Ohrringe. Nijeer Parks dagegen hat keinerlei Piercings. Die Polizeibeamten hätten die algorithmisch generierte Verhaftungsempfehlung überwachen müssen, was sie jedoch nicht taten.
Die von der EU vorgeschlagene Verordnung über künstliche Intelligenz (AI Act) setzt stark auf die Idee, dass Menschen KI-Systeme überwachen, um schädliche Entscheidungen bei Hochrisiko-Anwendungen zu verhindern. Algorithmen des maschinellen Lernens unterstützen immer häufiger menschliche Entscheidungsfindung in Bereichen, die für unsere Gesellschaft entscheidend sind: Zum Beispiel im Gesundheitswesen, wenn Algorithmen empfehlen, welche Patienten sich teuren Behandlungen unterziehen sollten; bei Einstellungsentscheidungen, wenn sie vorschlagen, welche Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden sollten; oder bei Entscheidungen über Finanzkredite. In all diesen Fällen hat ein Mensch das letzte Wort und könnte eine algorithmisch abgeleitete Empfehlung anpassen oder sogar aufheben.
Menschliche Aufsicht über KI-Systeme kann gut funktionieren. Eine Studie im Vereinigten Königreich, die sich mit der Entscheidungsfindung im Bereich der Kinderfürsorge befasste, ergab, dass Menschen tatsächlich in der Lage waren, schlechte algorithmische Empfehlungen zu erkennen. Ein weiteres Beispiel sind große Sprachmodelle wie ChatGPT. Vermutlich haben viele der Leser dieses Meinungsbeitrags in den letzten Wochen selbst solche Sprach-KIs ausprobiert und sind wahrscheinlich bald auf Situationen gestoßen, in denen die Chatbots offensichtlich unsinnige Antworten gaben. Angesichts dieser Beispiele kann man sich leicht Anwendungen vorstellen, bei denen Menschen KI sinnvoll überwachen können.
Doch allzu oft versagt die menschliche Aufsicht auch, wie im Fall von Nijeer Park. In den vergangenen Jahren wurde immer mehr Evidenz erbracht, dass Menschen oft nicht in der Lage sind, KI richtig zu beaufsichtigen. In einem neuen Experiment zeigen wir, dass Menschen die Qualität eines beratenden Algorithmus nicht richtig einschätzen können. Die Teilnehmer des Experiments mussten eine einfache Aufgabe lösen und erhielten Ratschläge von einem unterstützenden Algorithmus.
Ohne dass die Teilnehmer dies wussten, hatten wir den Algorithmus so manipuliert, dass er schlechte Empfehlungen abgab. Trotzdem verließen sich die Teilnehmer weiterhin auf den Algorithmus und erkannten selbst nach mehreren Spielrunden nicht das Ausmaß seiner Ungenauigkeit. Dieses Ergebnis aus dem Labor wird durch verschiedene Feldstudien bestätigt: Richter, Ärzte und Polizisten haben sich als schlechte KI-Aufseher erwiesen.
Die Gründe hierfür sind so faszinierend wie zahlreich. In Situationen, in denen Menschen mit Hilfe von Algorithmen Entscheidungen treffen, wimmelt es von psychologischen Effekten. Zum Beispiel haben die Menschen bis zu einem gewissen Grad das Gefühl, dass sie durch das Vertrauen in die KI von ihrer Verantwortung entbunden werden. Algorithmische Empfehlungen setzten einen scheinbar objektiven Referenzpunkt, von dem man sich nur schwer lösen kann.
Wenn die zu treffende Entscheidung als eher abstrakt und mathematisch wahrgenommen wird, verlässt sich der Mensch oft zu sehr auf Algorithmen, ein Phänomen, das als “algorithmische Wertschätzung” bezeichnet wird. In anderen Fällen, in denen die Aufgabenstellung als eher subjektiv wahrgenommen wird, findet man dagegen “Algorithmus-Aversion”, das heißt, Menschen folgen fälschlicherweise nicht den besseren algorithmischen Ratschlägen.
Die Einsicht, dass Menschen keine unfehlbaren Aufseher von KI sind, hat noch keinen Eingang in den Entwurf für die KI-Verordnung gefunden. Auf der Grundlage unserer Forschung spreche ich daher drei Empfehlungen aus.
Nijeer Parks wurde nach zehn Tagen aus dem Gefängnis entlassen und hat rund 5.000 US-Dollar für seine Verteidigung ausgegeben. Die Einführung einer sorgfältigeren menschlichen KI-Aufsicht hat das Potenzial, ähnliche Ungerechtigkeiten in Zukunft zu verhindern.
Johannes Walter beschäftigt sich in seiner Forschung mit den Bedingungen für den sicheren Einsatz von KI-Systemen, wenn diese gemeinsam mit Menschen Entscheidungen treffen. Das Forschungspapier, auf dem dieser Meinungsbeitrag beruht, entstand größtenteils während eines Forschungsaufenthalts am MIT. Mehr dazu im aktuellen Policy Brief des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.