der Treffpunkt ist nicht zufällig gewählt. Die Staats- und Regierungschefs der 31 Nato-Staaten kommen heute in Vilnius zusammen, wo am Mittag der zweitägige Gipfel des Militärbündnisses beginnt. Die Grenze von Belarus ist ganz in der Nähe, aber auch bis zur sogenannten Suwalki-Lücke ist es nicht weit. Das ist die Stelle mit der russischen Enklave Kaliningrad, an der das Bündnis besonders verwundbar ist. Von Vilnius soll ein Zeichen der Solidarität und Entschlossenheit Richtung Moskau ausgehen.
Bis zuletzt schien es, als wollte Recep Tayyip Erdoğan die Choreografie stören. Am Montagabend dann Entwarnung in Vilnius. Dort war der türkische Präsident auf Initiative von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor Gipfelbeginn zu einem Gespräch mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zusammengekommen. Erdoğan gab danach die Blockade von Schwedens Beitritt auf und erklärte sich bereit, das Ratifizierungsprotokoll an das türkische Parlament weiterzuleiten. Stoltenberg schrieb auf Twitter von einem “historischen Schritt”, der die Verbündeten stärker und sicherer mache.
Möglich, dass Erdoğan heute mit einem bilateralen Treffen mit Joe Biden belohnt wird, von dem er sich klare Unterstützung für den türkischen Kauf von F-16 Kampfflugzeugen erhofft. Eigentlich soll beim Nato-Gipfel die Unterstützung für die Ukraine im Fokus stehen. Auf ein Datum für einen schnellen Nato-Beitritt kann Präsident Wolodymyr Selenskyj allerdings in Vilnius nicht hoffen. Joe Biden hat als Übergangslösung eine Sicherheitspartnerschaft nach dem Israel-Modell ins Gespräch gebracht. Skeptiker weisen allerdings darauf hin, dass dies die Verbündeten sehr teuer zu stehen kommen dürfte und Israel zudem über Atomwaffen zur Abschreckung verfüge.
Apropos Abschreckung: In Vilnius wollen die Verbündeten auch ihr neues Verteidigungskonzept (“New Force Model”) verabschieden. Es sieht die Rückkehr zur Territorialverteidigung vor. Bis zu 300.000 Soldatinnen und Soldaten sollen innerhalb von höchstens 30 Tagen auf dem gesamten Gebiet der Allianz einsatzbereit sein. Aber mehr Übungen, mehr Präsenz und mehr Luftabwehrkapazitäten kosten. Die Nato-Staaten wollen sich in Vilnius daher neu darauf verpflichten, entsprechend ihrer Wirtschaftsleistung mindestens zwei Prozent für Verteidigung auszugeben.
Ich werde Sie aus Vilnius auf dem Laufenden halten.
200 Meter unter dem Meeresspiegel beginnt die Tiefsee, das größte Ökosystem des Planeten und Lebensraum von Millionen Arten. Viele von ihnen sind noch nicht erforscht. In Gestein, Krusten und Knollen lagern in 2.000 bis 6.000 Metern Tiefe noch weitere Schätze: Mangan, Eisen und Metalle wie Kobalt, Nickel und Kupfer – Rohstoffe, die von der EU-Kommission als strategisch bedeutsam eingestuft werden, für Digitalisierung, Energie- und Mobilitätswende als auch für eine stärkere Unabhängigkeit von Importen aus Ländern wie China.
Über den möglichen Abbau dieser Rohstoffe in der Tiefsee verhandelt seit Anfang der Woche erneut die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) in Kingston, Jamaika. 2021 hatte der pazifische Inselstaat Nauru, der gemeinsam mit der kanadischen The Metals Company (TMC) die weltweit erste Lizenz für den Abbau von Manganknollen beantragen will, die sogenannte Zwei-Jahres-Klausel des internationalen Seerechts ausgelöst. Die ISA musste demnach innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk vorlegen. Diese Frist ist nun abgelaufen, mit einer Regulierung noch in diesem Jahr ist jedoch nicht zu rechnen.
Die Versammlung der ISA-Mitglieder – 167 Staaten plus die EU – könnte nun theoretisch ein Moratorium für den Tiefseebergbau implementieren, welches gelten würde, bis die Regeln festgelegt sind. Dies schlägt etwa eine Gruppe um Frankreich und Chile vor. Frankreich fordert ein komplettes Verbot von Tiefseebergbau, die Assemblée Nationale stimmte Anfang des Jahres für ein Verbot in den französischen Gewässern.
Die deutsche Bundesregierung bemüht sich seit vergangenem Jahr um eine “vorsorgliche Pause”. “Tiefseebergbau würde die Meere weiter belasten und Ökosysteme unwiederbringlich zerstören”, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke. “Deshalb werben wir als ersten Schritt für ein Innehalten und keine vorschnellen Entscheidungen auf Kosten der Meeresumwelt.” Deutschland befürworte die weitere Erforschung der Tiefsee, werde aber bis auf Weiteres keine Anträge auf kommerziellen Abbau von Rohstoffen unterstützen, sagte Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Dies entspricht auch der Position der EU: Die Kommission hatte sich 2021 in ihrer Agenda für die internationale Meerespolitik für eine vorsorgliche Pause ausgesprochen. Die EU werde sich für ein Verbot des Tiefseebergbaus einsetzen, bis die wissenschaftlichen Lücken geschlossen, schädliche Auswirkungen ausgeschlossen seien und die ISA Regeln für einen wirksamen Schutz der Meeresumwelt entwickelt habe. Dies hatte auch das EU-Parlament gefordert, unter anderem in seinem Initiativbericht für die EU-Rohstoffstrategie.
Immer mehr Staaten schließen sich dieser Position an, zuletzt Irland, die Schweiz und Schweden. Jedoch nicht alle: Die norwegische Regierung gab Ende Juni bekannt, ein Gebiet in nationalen Gewässern für Bergbauaktivitäten freizugeben und eine Strategie für den Tiefseebergbau zu entwickeln. Ob sich die dort vorhandenen Vorkommen an Massivsulfiden, die zum Beispiel seltene Erden enthalten, als rentabel erweisen und nachhaltig abgebaut werden können, müsse erst noch herausgefunden werden.
Norwegen erhofft sich jedoch die Entwicklung eines neuen Wirtschaftszweigs jenseits der Öl- und Gasindustrie und will “weltweit führend” in einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Bewirtschaftung der Bodenschätze am Meeresboden werden. Über den Vorschlag muss zunächst noch das norwegische Parlament abstimmen.
Angesichts der Prognosen für den weltweit massiv steigenden Bedarf an Rohstoffen für die Energie- und Mobilitätswende scheinen die Schätze am Meeresboden auch für weitere Länder vielversprechend. Nach einem Test zur Ausgrabung einer kobaltreichen Kruste auf dem Meeresboden im Jahr 2020 erklärte die japanische Rohstoffagentur JOGMEC, das untersuchte Gebiet in der japanischen Tiefsee enthalte genügend Kobalt, um Japans Bedarf für 88 Jahre zu decken – und genügend Nickel, um den Bedarf für zwölf Jahre zu decken.
Regeln für die Erkundung der Rohstoffvorkommen in den internationalen Tiefseegewässern hat die ISA bereits etabliert. Die weltweit größten Vorkommen an Manganknollen werden in der Clarion-Clipperton-Zone erforscht, einem mit neun Millionen Quadratkilometern in etwa der Fläche Europas entsprechenden Gebiet im Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko. Dort hat die ISA bislang 17 Explorationslizenzen erteilt, unter anderem an Deutschland, Frankreich, Belgien, Japan, Russland, China und ein osteuropäisches Konsortium.
Manganknollen enthalten neben Mangan, das vor allem in der Stahlproduktion zum Einsatz kommt, vor allem Metalle, die für Batterien verwendet werden – Kupfer, Nickel und Kobalt. Eine Studie des deutschen Öko-Instituts kam kürzlich jedoch zu dem Schluss, dass die Tiefseerohstoffe nicht essenziell für die Energiewende sind.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist von der deutschen Bundesregierung mit der Exploration in zwei Lizenzgebieten beauftragt: seit 2006 in einem circa 75.000 Quadratkilometer großen Sektor in der Clarion-Clipperton-Zone, und zudem seit 2015 im Indischen Ozean, wo der mögliche Abbau von Massivsulfiden erkundet wird. Bei der Exploration geht es einerseits darum, die für den Abbau relevanten Rohstoffe auf ihre Beschaffenheit und ihre Verteilung zu untersuchen. 80 Prozent der Gelder, die der BGR für die Manganknollen-Exploration zur Verfügung stehen, investiert sie mittlerweile in die Erforschung der Ökosysteme, die von dem Bergbau betroffen wären, sagt Annemiek Vink, Meeresbiologin bei der BGR.
Das Argument, die Tiefsee sei noch nicht ausreichend erforscht, sei so nicht richtig, sagt Vink. “Seit dreißig bis vierzig Jahren beschäftigen sich Forscher mit der Tiefsee, es gibt Zehntausende Publikationen, darunter auch viele Hundert zum Thema Tiefseebergbau und dessen mögliche Umweltauswirkungen.” Die Clarion-Clipperton-Zone sei die besterforschte Tiefseezone der Welt. Das Problem sei ein anderes: die Komplexität der Ökosysteme. “Je mehr wir untersuchen, desto mehr finden wir heraus, wie komplex und heterogen der Artenbestand ist.”
Welche Auswirkungen es in einzelnen Regionen des riesigen potenziellen Abbaugebiets hätte, wenn die Manganknollen aus dem Ökosystem unwiederbringlich entfernt würden, könne man noch nicht sagen. Vor zwei Jahren testeten die Forscher im deutschen Lizenzgebiet bereits einen Kollektor, der die Manganknollen am Meeresboden “erntet”. Nun müsse man prüfen, wie sich das Gebiet erholt, sagt Vink. “Das sind Fragen, die Zeit brauchen.” Studien wie das von Deutschland geförderte DISCOL-Projekt im Südostpazifik bei Peru zeigen jedoch, dass sich die Ökosysteme auch Jahrzehnte nach dem Abbau von Manganknollen noch nicht erholt haben.
Bei den bis zum 21. Juli andauernden Verhandlungen der ISA in Jamaika steht nun eine Frage im Mittelpunkt: Wie geht die Behörde mit möglichen Abbauanträgen um, solange noch keine verbindlichen Regeln gelten? Nauru hat zwar bereits erklärt, mit seinem Antrag auf eine kommerzielle Rohstoffförderung zu warten. Da die Frist abgelaufen ist, können ab sofort jedoch theoretisch auch Anträge weiterer Staaten bei der ISA eingehen.
Umweltschützer kritisieren in diesem Zusammenhang auch die Verhandlungen um den EU Critical Raw Materials Act. Das vom Rat der EU verhandelte Mandat enthalte nicht die notwendigen ökologischen und sozialen Schutzmaßnahmen, teilt die Environmental Justice Foundation mit. “Dies könnte die Hintertür für die Gewinnung und Verarbeitung kritischer Rohstoffe, die in der Tiefsee gewonnen werden, durch EU-Länder oder ihre Einfuhr in die EU öffnen”, warnt die NGO.
12.07.2023 – 10:00-15:00 Uhr, online
VDE, Symposium Best of IoT & Industrie 4.0 Day
Expertinnen und Experten werden zu aktuellen Themen der digitalen Transformation und IoT interviewt und zeigen anhand von Praxisbeispielen auf, wie die Digitalisierung in industriellen Anwendungen mit Schwerpunkt auf die OT-Ebene erfolgreich gemeistert werden kann. INFOS & ANMELDUNG
12.07.2023 – 12:00-13:00 Uhr, online
ECFR, Presentation China and Ukraine: The Chinese debate about Russia’s war and its meaning for the world
The European Council on Foreign Relations (ECFR) will present the findings of their recent report “China and Ukraine: The Chinese debate about Russia’s war and its meaning for the world”, and discuss what lessons Europe can learn from China’s relationship to Russia. INFO & REGISTRATION
12.07.2023 – 14:00-15:30 Uhr, Berlin
EBD, Vortrag Briefing zur Spanischen EU-Ratspräsidentschaft
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD), die Vertretung der Europäischen Kommission und die Spanische Botschaft in Deutschland veranstalten ein Briefing zur spanischen EU-Ratspräsidentschaft, bei dem der Botschafter Ricardo Martínez Vázquez das Programm der Ratspräsidentschaft vorstellen wird. INFOS
12.07.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
KAS, Diskussion Geothermie – Gamechanger für die Energiewende?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beleuchtet die Potenziale der Geothermie für die deutsche Energiewende und bespricht Anwendungsbeispiele. INFOS & ANMELDUNG
13.07.-18.07.2023, Dresden
ibai, Conference International Conference on Machine Learning and Data Mining
The Institute of Computer Vision and Applied Computer Sciences (ibai) gathers researchers and representatives who deal with machine learning and data mining to discuss the recent status, ongoing projects, and further developments. INFO & REGISTRATION
13.07.-14.07.2023, Ispra (Italien)/online
JRC, Seminar JRC Summer School on Sustainable Finance
This summer school, hosted by the Joint Research Centre (JRC) of the European Commission, brings together researchers, practitioners, and policymakers to discuss recent developments and innovations in the field of sustainable finance. INFO & REGISTRATION
13.07.2023 – 10:00-12:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
Interreg Europe, Roundtable Stakeholder consultation on the future of cohesion policy post-2027
The co-rapporteurs of the European Committee of the Regions, who are drafting an opinion on the future of cohesion policy, intend to meet representatives of local and regional authorities and other relevant stakeholders for a consultation and exchange of views. INFO & REGISTRATION
13.07.2023 – 18:30-20:00 Uhr, online
FNF, Discussion Global Europe – Global Expectations: EU enlargement scenarios for Southeast Europe and the countries of the Eastern partnership
As part of an event series on the EU’s role in other world regions, this Friedrich Naumann Foundation (FNF) event deals with the question: What might a realistic EU perspective look like for candidate countries in Southeast and East Europe? INFO & REGISTRATION
Lastwagen, die keine Treibhausgase ausstoßen, sowie Lastwagen im intermodalen Einsatz sollen künftig höhere Lasten transportieren dürfen. Da die Technologie bei batterieelektrischen Nutzfahrzeugen besonders schwer ist, soll etwa ein 40-Tonner-Null-Emissionsfahrzeug künftig ein zulässiges Gesamtgewicht von 41-Tonnen haben. Unter bestimmten Bedingungen soll das erlaubte Gesamtgewicht von Nullemissionsfahrzeugen sogar um vier Tonnen erhöht werden. Dies sieht der Vorschlag der Kommission für Maße und Gewichte im Güterverkehr vor, der heute beschlossen werden soll und Table.Media vorliegt.
Die Kommission will zudem die Genehmigungsverfahren für Lkw mit besonders hohen Lasten und langen Ausmaßen (Gigaliner) harmonisieren. Durch die Maßnahmen soll der Anteil an Transporten durch Zero-Emission-Fahrzeuge bis 2050 auf 90 Prozent gesteigert werden. Als Zero-Emission-Fahrzeuge gelten batteriebetriebene Lastwagen, Lastwagen mit Brennstoffzelle sowie mit Wasserstoffverbrennungsmotor.
Unter intermodalem Verkehr wird verstanden, dass Güter von mindestens zwei Verkehrsträgern transportiert werden. Es geht also darum, die Dominanz des Transports auf der Straße zurückzudrängen und den Anteil von Transporten auf der Schiene und per Schiff zu erhöhen. Mit der Richtlinie will die Kommission einen Paradigmenwechsel vom Güterverkehr auf der Straße zum intermodalen Transport erreichen. So sollen 2030 bereits 21 Milliarden Tonnen-Kilometer vom intermodalen Gütertransport erledigt werden. 2050 soll der Wert bei 26 Milliarden Tonnen-Kilometern liegen. mgr
Die EU-Kommission hat die Meldepflichten im Rahmen der Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten erheblich abgeschwächt. Damit reagierte die Behörde auf Kritik aus der Industrie und den Mitgliedstaaten. Die neuen Regeln für die Subventionskontrolle zielen vor allem auf Unternehmen aus Ländern wie China, gelten aber ebenso für europäische Unternehmen, die außerhalb der EU aktiv sind.
Bundesregierung und Industrie begrüßten die Nachbesserungen: Die Kommission habe die deutschen Änderungsvorschläge “im Wesentlichen übernommen”, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf Anfrage. Das Instrument sei hinreichend flexibel, um Fälle erheblicher wettbewerbsverzerrender Subventionen adressieren zu können. Die Meldung von finanziellen Zuwendungen werde damit “handhabbarer, auch wenn weiterhin umfangreiche Meldepflichten bestehen bleiben”, sagte Ulrike Suchsland, Rechtsexpertin beim BDI.
Die Foreign Subsidies Regulation (FSR) war vor einem Jahr von Rat und Europaparlament im Eilverfahren beschlossen worden. Die Verordnung sieht vor, dass Unternehmen geplante Firmenzusammenschlüsse und öffentliche Aufträge der Kommission melden müssen, wenn sie dafür substanzielle finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten erhalten. Das gilt für:
Die Kommission hatte im Februar ihren ersten Entwurf für die Durchführungsverordnung vorgelegt, in der im Einzelnen geregelt wird, welche Informationen die Unternehmen übermitteln müssen. Bundesregierung und Industrie kritisierten aber, der Entwurf bürde multinationalen Firmen überbordende Bürokratie auf. Daraufhin sei man “nochmal zurück ans Reißbrett gegangen”, heißt es in der Kommission.
Tatsächlich hat die Behörde die Meldepflichten in der gestern vorgelegten Durchführungsverordnung stark eingegrenzt:
Die neuen Berichtspflichten greifen ab dem 12. Oktober. Dann dürften auf die Kommission noch immer eine Fülle von Meldungen zukommen. Diese sollen von einer Task-Force der Generaldirektionen Wettbewerb und Binnenmarkt bearbeitet werden. Wie viele Stellen dafür vorgesehen sind, will die Kommission nicht sagen: Man werde aber “sicherstellen, dass die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen”, heißt es lediglich in der Behörde. tho
Die polnische Regierung knüpft ihre Zustimmung zu einer geänderten EU-Finanzplanung an die Freigabe der Mittel aus dem Corona-Aufbauprogramm. Für die Überarbeitung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) sei Einstimmigkeit im Rat erforderlich, sagte gestern der polnische Vertreter Andrzej Sadoś beim Allgemeinen Rat in Brüssel. “Und in diesem Zusammenhang erinnert Polen daran, dass es keinen Zugang zu den EU-Mitteln zur Finanzierung des nationalen Aufbauplans hat.” Daher könne Warschau zum jetzigen Zeitpunkt einen Beschluss nicht unterstützen.
Polen hat Anspruch auf 24 Milliarden Euro an Zuschüssen und 11,5 Milliarden an Krediten aus der Corona-Aufbau- und Resilienzfazilität. Die EU-Kommission hält die Mittel aber zurück, solange die nationalkonservative Regierung nicht Teile ihrer Justizreform rückgängig macht. Eine Einigung ist nicht in Sicht: Erst vergangene Woche hatte die Kommission in ihrem Rechtsstaatsbericht erhebliche Missstände in Polen kritisiert.
Auch Ungarn könnte die Revision des MFR blockieren. Justizministerin Judit Varga erinnerte gestern daran, dass auch Budapest bislang “keinen Penny” aus dem Aufbauprogramm erhalten habe und forderte mehr Informationen zum geplanten Finanzpaket für die Ukraine. Aber die Verhandlungen zum MFR seien noch in einem frühen Stadium, relativierte sie, in der Vergangenheit habe Ungarn bei Themen mit Einstimmigkeit stets Verantwortung übernommen.
Die Kommission hatte Mitte Juni eine Halbzeit-Überprüfung des MFR vorgeschlagen, der von 2021 bis 2027 läuft. Die Behörde fordert dabei 66 Milliarden Euro zusätzlich. Die Gelder seien nötig für die Finanzhilfe für die Ukraine, zur Bewältigung der Migration und für die neue STEP-Plattform zur Förderung von Schlüsseltechnologien. Hinzu kommt im Zuge der Inflation gestiegene Verwaltungskosten und höhere Zinskosten für die Aufbau- und Resilienzfazilität. Haushaltskommissar Johannes Hahn verteidigte die Nachforderungen gestern als “minimalinvasiv”.
Abgesehen von der Ukraine-Hilfe trifft der Vorschlag aber auf wenig Gegenliebe im Rat. Die angespannte Haushaltslage in allen Mitgliedstaaten müsse sich auch in einer klaren Prioritätensetzung im EU-Haushalt widerspiegeln, sagte die deutsche Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne). Daher brauche es weitere Vorschläge für Umschichtungen innerhalb des Budgets. Die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler betonte, ihre Regierung habe “große Vorbehalte” gegen den Vorschlag. Zudem gebe es keinen Zeitdruck für die MFR-Revision.
Ihr Landsmann Hahn widersprach: Bislang sei die Ukraine-Hilfe für das nächste Jahr nicht im Budget abgebildet, daher dränge die Zeit sehr wohl. Mit Blick auf die Forderung mehrerer Nettozahler, Gelder aus anderen EU-Töpfen wie den Kohäsionsfonds umzuwidmen, entgegnete Hahn: “Mir ist nicht bekannt, dass bereits ein Kohäsionsland angeboten hätte, einen Teil seiner Mittel abzutreten.” tho
Die Daten können wieder frei über den Atlantik fließen. Die Kommission hat am Montag den neuen Datenschutzrahmen zwischen der EU und den USA (EU-U.S. Data Privacy Framework) angenommen. Der Beschluss legt fest, dass die USA ein angemessenes Schutzniveau – vergleichbar mit dem der EU – für personenbezogene Daten gewährleisten.
Notwendig wurde der Beschluss, nachdem der Europäische Gerichtshof das bestehende Privacy Shield im Jahr 2020 für ungültig erklärt hatte. Bekannt ist das Urteil unter dem Namen Schrems II. Denn es war bereits das zweite Mal, dass der Jurist und Datenschutzaktivist Max Schrems gegen die Rechtsgrundlage für den transatlantischen Datenverkehr vorging. Der Datenschutzrahmen regelt sowohl den Datentransfer von Unternehmen als auch den Zugang staatlicher Organe wie Nachrichtendienste zu personenbezogenen Daten aus der EU.
Justizkommissar Didier Reynders ist sich sicher, mit der neuen Regelung alle Bedenken der europäischen Richter ausgeräumt zu haben. Der Zugang zu Daten sei auf das zum Schutz der nationalen Sicherheit notwendige und verhältnismäßige Maß beschränkt, sagte Reynders. Er verwies auf das von US-Präsident Joe Biden im Oktober 2022 erlassene Dekret. Dies greife die Kritikpunkte des EuGH auf. Ein unabhängiges und unparteiisches Rechtsbehelfsverfahren soll es zudem Einzelpersonen ermöglichen, Beschwerden untersuchen zu lassen.
Max Schrems überzeugt das nicht. Auch der dritte Versuch der Kommission, ein stabiles Abkommen mit den USA zu erreichen, werde in wenigen Monaten vor dem EuGH landen. Das neue Datenschutzabkommen sei weitgehend eine Kopie des gescheiterten Privacy Shield. Unter anderem bezieht sich Schrems’ Kritik auf das Wort “verhältnismäßig“, das von den USA anders eingeschätzt würde als von Richtern des EuGH.
Schrems sagt, es habe “keine substanzielle Änderung des US-Überwachungsrechts” gegeben, diese sei aber notwendig. “Die bloße Behauptung, etwas sei ,neu’, ,robust’ oder ,wirksam’, reicht vor dem Gerichtshof nicht aus”, sagte Schrems. Sowohl Reynders als auch der Digitalverband Bitkom erwarten, dass der neue Datenschutzrahmen gerichtlich überprüft wird.
Zunächst begrüßte der Bitkom jedoch das Ende der “dreijährigen Hängepartie”. Damit erhielten Unternehmen wieder Rechtssicherheit. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen profitierten davon, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Er wies darauf hin, dass Datentransfers ein zentraler Bestandteil der globalen Wirtschaft seien. Häufig stelle die Be- oder sogar Verhinderung von Datentransfers “die deutschen und europäischen Unternehmen vor ebenso gravierende Herausforderungen wie die Unterbrechung von Lieferketten“. vis
Der niederländische Premierminister Mark Rutte will sich nach dem Bruch der Regierung aus der Politik zurückziehen. Für die Politik in dem Land bedeutet der Abschied des 56-Jährigen nach 13 Jahren an der Macht einen Neuanfang. Rutte war es immer wieder gelungen, die polarisierte Parteienlandschaft zusammenzubringen.
Am Freitag war die Koalition aus Ruttes rechtsliberaler VVD, der linksliberalen D66, den Christdemokraten und der calvinistischen Christenunion nach anderthalb Jahren geplatzt. Rutte kündigte sie auf, weil es keine Einigung über den Familiennachzug von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz gab. Die Personengruppe, um die es geht, ist sehr überschaubar.
Der Ministerpräsident sagte zu Beginn einer Parlamentsdebatte gestern aber, es handele sich um eine persönliche Entscheidung, die von der aktuellen Situation unabhängig sei. “Diese Debatte muss über unser Land gehen.”
Rutte hatte seine Partei VVD 17 Jahre lang geführt. Ohne ihn dürfte die VVD deutlich weniger dominant sein als in den vergangenen Jahren. Viele Wähler haben sich wegen seiner Erfahrung und seiner Führungsstärke für die Partei entschieden. Beobachter erwarten, dass sich die VVD jetzt etwas von Ruttes Kurs der Mitte abwendet und stärker rechtsliberal aufstellt.
Welche politische Kraft vom Scheitern der Regierung profitiert, ist nicht klar. Ein Rechtsschwenk der VVD würde anderen Parteien mehr Luft verschaffen. Die Christdemokraten sind allerdings stark geschrumpft und haben keinen Kandidaten, nachdem auch der bisherige Außenminister Wopke Hoekstra seinen Rückzug angekündigt hat. Die linksliberale D66 steckt ebenfalls in einer Führungskrise.
Bessere Karten haben daher wohl andere Parteien auf der politischen Linken, wenn sie es tatsächlich schaffen, sich auf eine gemeinsame Wahlliste zu einigen. Womöglich öffne sich dadurch sogar eine Tür für EU-Kommissionsvize Frans Timmermans, sagen Beobachter.
Seine Sozialdemokraten (Partij van de Arbeid) waren bei den letzten Wahlen in die politische Bedeutungslosigkeit gefallen, wollen nun aber mit den Grünen eine gemeinsame Liste bei allen anstehenden Wahlen bilden. Sie bitten dafür gerade im Rahmen einer Mitgliederbefragung um die Zustimmung der Basis. Für Timmermans könnte dies eine Gelegenheit bieten, etwa indem er Spitzenkandidat der gemeinsamen Liste wird. Allerdings gilt der weltläufige Timmermans vielen Wählern als abgehoben.
Die Bauern- und Bürgerbewegung BBB, die bei den Regionalwahlen überraschend stärkste Kraft wurde, dürfte auch bei den nationalen Wahlen eine starke Rolle spielen. Ihre Gründerin Caroline van der Plas sagte aber in einem Interview, dass sie nicht für den Posten der Ministerpräsidentin bereitstehe. mgr/tho
Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene gegen ein generelles Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen ab 2029 ein. “Deutschland kann keine Regelung für konventionelle Raumheizungen und Heizkessel unterstützen, die keine Ausnahmen in bestimmten Situationen zulässt”, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Konsultation der EU-Kommission zu neuen Ökodesign-Vorschriften.
Die Stellungnahme der Bundesregierung vom Juni, die Table.Media vorliegt, bezieht sich auf eine geplante Regel, wonach die EU-Kommission ab September 2029 nur noch den Einbau von Gas- und Ölheizungen zulassen will, die eine Energieeffizienz von mindestens 115 Prozent erreichen. Für rein konventionelle Heizkessel wäre dies nicht möglich, die Vorschrift würde deshalb einem Verbot gleichkommen. Erhöht werden könnte die Effizienz laut Öko-Institut aber beispielsweise durch die Kombination mit einer Wärmepumpe oder Solarthermieanlage.
Bei den angestrebten Ausnahmen verweist die Bundesregierung auf jene, die sie auch im Gebäudeenergiegesetz geplant hat, etwa für Härtefälle oder den geplanten Anschluss an ein Wasserstoffnetz. Die Bundesregierung bittet die Kommission außerdem zu prüfen, ob Hersteller von Gas- und Ölheizungen die Effizienzanforderung “nur für einen Teil ihrer ausgelieferten Produkte für einen gewissen Zeitraum” erfüllen müssen.
Mit den Effizienzvorschriften würde die Kommission auch das Heizen mit Wasserstoff unmöglich machen. In ihrer Stellungnahme bittet die Bundesregierung die Kommission nun zu untersuchen, ob sich die Eignung von Gaskesseln für Wasserstoff auf EU-Ebene regulieren lässt: “Ist es möglich, die Wasserstoffverträglichkeit von Heizkesseln durch Ökodesign zu gewährleisten, d. h. zu verlangen, dass neue Kesselmodelle mit Mischungen von 0 Prozent bis 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden können?” Die Wasserstoffquoten könnten laut Bundesregierung zum Beispiel ab September 2025 für neue Heizungsmodelle gelten und ab September 2029 für alle verkauften Gaskessel. ber
Am Montag hat die Aurelia Stiftung, die sich für den Schutz der Bienen einsetzt, eine Klage vor europäischen Gerichten gegen die Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat angekündigt. Zuvor hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereits mit einer Klage gegen die Zulassung des Glyphosat-Produkts Roundup Powerflex noch für Juli angekündigt – mit “fachlicher Unterstützung von Foodwatch”, wie die DUH schreibt.
Hintergrund ist, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) am Donnerstag Glyphosat für unbedenklich eingestuft hat. Die Zulassungsverlängerung muss noch von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat bereits sein Veto angekündigt.
Die EU-Kommission hat der Aurelia-Stiftung kürzlich das Recht auf eine Pestizidrechtsprüfung grundsätzlich bestätigt. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatte dies in einem Schreiben bestätigt. Zuvor war dies nicht möglich gewesen, weil die maßgebliche EU-Verordnung 1367/2006 erst 2021 an die völkerrechtlich verbindliche Aarhus-Konvention angepasst wurde.
Das Verfahren der Aurelia-Stiftung betritt darum juristisches Neuland in der EU. Aurelia-Vorstand Thomas Radetzki begründet seine Klageabsicht damit, dass Glyphosat neben Unkräutern auch Bienen und andere Bestäuber schädige. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch beruft sich auf Forschungsmeinungen, die die Efsa nicht berücksichtigt habe: “Die neue Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu Glyphosat widerspricht der Bewertung durch die Weltgesundheitsorganisation und zahlreichen wissenschaftlichen Studien.” ab
Die EU-Staaten und die EU-Kommission unternehmen aus Sicht des Europäischen Rechnungshofs nicht genug für gesunde Böden. Sie hätten Gelder und gesetzgeberische Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt, teilten die Prüfer am Montag mit. So wurden Schätzungen des Rechnungshofs zufolge im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zwischen 2014 und 2020 rund 85 Milliarden Euro für die Verbesserung der Bodengesundheit bereitgestellt. Auflagen, um an solche Agrargelder zu kommen und mit denen die Belastung von Böden verringert werden sollten, gingen nicht weit genug, hieß es.
Dabei ist die Mehrheit der Böden in Europa in einem schlechten Zustand, wie der Rechnungshof unter Berufung auf eine Analyse mitteilte. Gebiete mit dringenden Problemen hätten zudem nur einen kleinen Teil aus dem Fördertopf für die Entwicklung des ländlichen Raums erhalten, mit denen die freiwillige Anwendung umweltfreundlicher Bewirtschaftungsmethoden unterstützt werden sollte. Untersucht wurden für den Bericht die EU-Länder Deutschland, Irland, Spanien, Frankreich und die Niederlande.
Der schlechte Zustand der betroffenen rund 60 bis 70 Prozent der Böden sei zum Teil auf falsche Methoden der Bodenbewirtschaftung und des Dungmanagements zurückzuführen. Eine übermäßige Düngung in der Landwirtschaft wirkt sich negativ auf die Wasserqualität und die Vielfalt von Pflanzen und Tieren aus. Der schlechte Zustand müsse die EU alarmieren und zum Handeln bewegen, damit sich die Qualität der Böden wieder verbessern könne, hieß es im Bericht.
Die Prüfer betonten zudem, wie wichtig Böden für künftige Generationen sind. Sie liefern Nährstoffe, Wasser und Sauerstoff und bieten Pflanzen eine Wachstumsgrundlage. dpa
Haben Sie den Film “Don´t look up” gesehen? In der Netflix-Produktion geht es um zwei Wissenschaftler:innen, die unablässig vor dem nahenden Einschlag eines Asteroiden warnen – und dabei schlicht nicht ernst genommen werden, ehe sämtliches Leben auf der Erde ausgelöscht wird. Nun mag man von Netflix halten, was man möchte. Auch geht die aktuelle Bedrohung von keinem Gesteinsbrocken aus dem All, sondern von der vermeintlich schleichenden, jedoch unweigerlich spürbaren Natur- und Klimakrise aus. Die Handlung von “Don´t look up!” bewegt sich dabei erschreckend nahe an dem, was wir gerade in der Diskussion zum Nature Restoration Law (NRL) beobachten können.
Mit dem EU-Gesetz sollen eigentlich alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, degradierte Ökosysteme in ihrem Land wiederherzustellen. Ein überlebensnotwendiges Vorhaben, schaut man sich den rasanten Verlust unserer Arten und Ökosysteme und die fatalen Auswirkungen und künftigen Bedrohungen auf unser aller Lebensgrundlage an. Doch die Europäische Volkspartei (EVP) hat das Gesetz in den vergangenen Wochen massiv attackiert – und schreckt dabei auch nicht vor Falschaussagen zurück.
Die zahlreichen EVP-Mythen zu Enteignung, Bedrohung der Ernährungssicherung, Einbruch der europäischen Wirtschaft und Co sind längst entkräftet – unter anderem auch vom litauischen EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei, Virginijus Sinkevičius. Der Ausbau Erneuerbarer Energien und das NRL seien kein Widerspruch, sondern gingen Hand in Hand, sagen Energieunternehmen wie Wind Europe oder Solar Power Europe.
Das NRL sichere unsere Wirtschaftsgrundlage, sagen mehr als 60 der größten europäischen Unternehmen aus den Bereichen Konsum, Finanzen und Energie – darunter Nestlé, Unilever und Ikea. Und mehr als 70 Landwirt:innen und landwirtschaftliche Organisationen aus der EU betonen, wie wichtig das NRL für die Sicherung der Lebensmittelproduktion ist. Dazu kommt breite Unterstützung von Tausenden Wissenschaftler:innen sowie mehr als 900.000 EU-Bürger:innen.
Dass Lügen und Mythen besser verfangen als Tatsachen und komplizierte Zusammenhänge, ist nichts Neues. Dass sie von Abgeordneten kommen, die sich selbst in der Mitte der Gesellschaft verorten, schon. Und gerade das macht es besonders gefährlich: So ist es bereits traurig genug, dass die EVP ein so zentrales Gesetz zur Bewältigung der Natur- und Klimakrise abzuschmettern versucht. Obendrein schüren sie mit einem “Die da oben”-Narrativ auch noch großflächig Misstrauen in Demokratie und die europäischen Institutionen – und das kurz vor einer Europawahl, in der die rechten Parteien in Europa mit ihren Hufen scharren.
Doch es besteht noch Hoffnung. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Noch kann das NRL zum Erfolg werden. Denn längst stehen nicht alle EVP-Abgeordneten hinter dem NRL-feindlichen Kurs ihrer Fraktion. Deutlich wurde das bei der vergangenen Abstimmung im Umweltausschuss: Um sicherzustellen, dass die “Fraktionslinie” genau eingehalten wird, habe die EVP ein Drittel der Mitglieder durch “naturschutzskeptische” Abgeordnete ersetzt – so lautete der Vorwurf des Umweltausschuss-Vorsitzenden Pascal Canfin.
Trotzdem konnte die EVP das NRL im Umweltausschuss nicht verhindern. Und beim Votum im Umweltrat haben sich die EU-Umweltminister:innen klar hinter das Gesetz gestellt. Dabei ist das Parlament erfahrungsgemäß deutlich progressiver als der Rat. Das macht einmal mehr deutlich, in welcher politischen Schieflage wir uns aktuell befinden – und dass es noch deutlichen politischen Spielraum gibt.
Das ist auch wichtig, denn längst ist das Gesetz nicht perfekt. Schon der – mittlerweile verwässerte – Kommissionsvorschlag wies klare Lücken auf: So sollen in Europa nur etwa ein Prozent aller Flüsse renaturiert werden – vor dem Hintergrund unzähliger Überschwemmungen und der sich anbahnenden nächsten Oder-Katastrophe erscheint dieses Ziel nahezu absurd.
Von dem einen Drittel der ursprünglichen europäischen Moore in Agrarökosystemen, die wiederhergestellt werden sollten, soll wiederum nur ein Viertel wiedervernässt werden – also insgesamt rund acht Prozent der ehemaligen Moorflächen. Verschwindend gering, bedenkt man, welches Potenzial intakte Moore beim Klimaschutz entfalten können. Und nicht zuletzt könnte die fehlende Verknüpfung zwischen Meeresschutz und Fischereipolitik dazu führen, dass auch hier die Ziele ins Leere laufen.
Klar ist: Das Renaturierungsgesetz muss nicht nur über die Ziellinie kommen, es braucht auch Ambition und Wirksamkeit. Jetzt kommt es darauf an, dass sich die Abgeordneten bei der bevorstehenden Plenarabstimmung frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet entscheiden. Mit ihrer Stimme können sie die bevorstehende Katastrophe, wie sie das dystopische “Don´t look up!” vorzeichnet, noch abwenden und die Wiederherstellung unserer Wälder, Moore und Meere endlich Realität werden lassen. Packen wir es an.
der Treffpunkt ist nicht zufällig gewählt. Die Staats- und Regierungschefs der 31 Nato-Staaten kommen heute in Vilnius zusammen, wo am Mittag der zweitägige Gipfel des Militärbündnisses beginnt. Die Grenze von Belarus ist ganz in der Nähe, aber auch bis zur sogenannten Suwalki-Lücke ist es nicht weit. Das ist die Stelle mit der russischen Enklave Kaliningrad, an der das Bündnis besonders verwundbar ist. Von Vilnius soll ein Zeichen der Solidarität und Entschlossenheit Richtung Moskau ausgehen.
Bis zuletzt schien es, als wollte Recep Tayyip Erdoğan die Choreografie stören. Am Montagabend dann Entwarnung in Vilnius. Dort war der türkische Präsident auf Initiative von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor Gipfelbeginn zu einem Gespräch mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zusammengekommen. Erdoğan gab danach die Blockade von Schwedens Beitritt auf und erklärte sich bereit, das Ratifizierungsprotokoll an das türkische Parlament weiterzuleiten. Stoltenberg schrieb auf Twitter von einem “historischen Schritt”, der die Verbündeten stärker und sicherer mache.
Möglich, dass Erdoğan heute mit einem bilateralen Treffen mit Joe Biden belohnt wird, von dem er sich klare Unterstützung für den türkischen Kauf von F-16 Kampfflugzeugen erhofft. Eigentlich soll beim Nato-Gipfel die Unterstützung für die Ukraine im Fokus stehen. Auf ein Datum für einen schnellen Nato-Beitritt kann Präsident Wolodymyr Selenskyj allerdings in Vilnius nicht hoffen. Joe Biden hat als Übergangslösung eine Sicherheitspartnerschaft nach dem Israel-Modell ins Gespräch gebracht. Skeptiker weisen allerdings darauf hin, dass dies die Verbündeten sehr teuer zu stehen kommen dürfte und Israel zudem über Atomwaffen zur Abschreckung verfüge.
Apropos Abschreckung: In Vilnius wollen die Verbündeten auch ihr neues Verteidigungskonzept (“New Force Model”) verabschieden. Es sieht die Rückkehr zur Territorialverteidigung vor. Bis zu 300.000 Soldatinnen und Soldaten sollen innerhalb von höchstens 30 Tagen auf dem gesamten Gebiet der Allianz einsatzbereit sein. Aber mehr Übungen, mehr Präsenz und mehr Luftabwehrkapazitäten kosten. Die Nato-Staaten wollen sich in Vilnius daher neu darauf verpflichten, entsprechend ihrer Wirtschaftsleistung mindestens zwei Prozent für Verteidigung auszugeben.
Ich werde Sie aus Vilnius auf dem Laufenden halten.
200 Meter unter dem Meeresspiegel beginnt die Tiefsee, das größte Ökosystem des Planeten und Lebensraum von Millionen Arten. Viele von ihnen sind noch nicht erforscht. In Gestein, Krusten und Knollen lagern in 2.000 bis 6.000 Metern Tiefe noch weitere Schätze: Mangan, Eisen und Metalle wie Kobalt, Nickel und Kupfer – Rohstoffe, die von der EU-Kommission als strategisch bedeutsam eingestuft werden, für Digitalisierung, Energie- und Mobilitätswende als auch für eine stärkere Unabhängigkeit von Importen aus Ländern wie China.
Über den möglichen Abbau dieser Rohstoffe in der Tiefsee verhandelt seit Anfang der Woche erneut die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) in Kingston, Jamaika. 2021 hatte der pazifische Inselstaat Nauru, der gemeinsam mit der kanadischen The Metals Company (TMC) die weltweit erste Lizenz für den Abbau von Manganknollen beantragen will, die sogenannte Zwei-Jahres-Klausel des internationalen Seerechts ausgelöst. Die ISA musste demnach innerhalb von zwei Jahren ein Regelwerk vorlegen. Diese Frist ist nun abgelaufen, mit einer Regulierung noch in diesem Jahr ist jedoch nicht zu rechnen.
Die Versammlung der ISA-Mitglieder – 167 Staaten plus die EU – könnte nun theoretisch ein Moratorium für den Tiefseebergbau implementieren, welches gelten würde, bis die Regeln festgelegt sind. Dies schlägt etwa eine Gruppe um Frankreich und Chile vor. Frankreich fordert ein komplettes Verbot von Tiefseebergbau, die Assemblée Nationale stimmte Anfang des Jahres für ein Verbot in den französischen Gewässern.
Die deutsche Bundesregierung bemüht sich seit vergangenem Jahr um eine “vorsorgliche Pause”. “Tiefseebergbau würde die Meere weiter belasten und Ökosysteme unwiederbringlich zerstören”, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke. “Deshalb werben wir als ersten Schritt für ein Innehalten und keine vorschnellen Entscheidungen auf Kosten der Meeresumwelt.” Deutschland befürworte die weitere Erforschung der Tiefsee, werde aber bis auf Weiteres keine Anträge auf kommerziellen Abbau von Rohstoffen unterstützen, sagte Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Dies entspricht auch der Position der EU: Die Kommission hatte sich 2021 in ihrer Agenda für die internationale Meerespolitik für eine vorsorgliche Pause ausgesprochen. Die EU werde sich für ein Verbot des Tiefseebergbaus einsetzen, bis die wissenschaftlichen Lücken geschlossen, schädliche Auswirkungen ausgeschlossen seien und die ISA Regeln für einen wirksamen Schutz der Meeresumwelt entwickelt habe. Dies hatte auch das EU-Parlament gefordert, unter anderem in seinem Initiativbericht für die EU-Rohstoffstrategie.
Immer mehr Staaten schließen sich dieser Position an, zuletzt Irland, die Schweiz und Schweden. Jedoch nicht alle: Die norwegische Regierung gab Ende Juni bekannt, ein Gebiet in nationalen Gewässern für Bergbauaktivitäten freizugeben und eine Strategie für den Tiefseebergbau zu entwickeln. Ob sich die dort vorhandenen Vorkommen an Massivsulfiden, die zum Beispiel seltene Erden enthalten, als rentabel erweisen und nachhaltig abgebaut werden können, müsse erst noch herausgefunden werden.
Norwegen erhofft sich jedoch die Entwicklung eines neuen Wirtschaftszweigs jenseits der Öl- und Gasindustrie und will “weltweit führend” in einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Bewirtschaftung der Bodenschätze am Meeresboden werden. Über den Vorschlag muss zunächst noch das norwegische Parlament abstimmen.
Angesichts der Prognosen für den weltweit massiv steigenden Bedarf an Rohstoffen für die Energie- und Mobilitätswende scheinen die Schätze am Meeresboden auch für weitere Länder vielversprechend. Nach einem Test zur Ausgrabung einer kobaltreichen Kruste auf dem Meeresboden im Jahr 2020 erklärte die japanische Rohstoffagentur JOGMEC, das untersuchte Gebiet in der japanischen Tiefsee enthalte genügend Kobalt, um Japans Bedarf für 88 Jahre zu decken – und genügend Nickel, um den Bedarf für zwölf Jahre zu decken.
Regeln für die Erkundung der Rohstoffvorkommen in den internationalen Tiefseegewässern hat die ISA bereits etabliert. Die weltweit größten Vorkommen an Manganknollen werden in der Clarion-Clipperton-Zone erforscht, einem mit neun Millionen Quadratkilometern in etwa der Fläche Europas entsprechenden Gebiet im Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko. Dort hat die ISA bislang 17 Explorationslizenzen erteilt, unter anderem an Deutschland, Frankreich, Belgien, Japan, Russland, China und ein osteuropäisches Konsortium.
Manganknollen enthalten neben Mangan, das vor allem in der Stahlproduktion zum Einsatz kommt, vor allem Metalle, die für Batterien verwendet werden – Kupfer, Nickel und Kobalt. Eine Studie des deutschen Öko-Instituts kam kürzlich jedoch zu dem Schluss, dass die Tiefseerohstoffe nicht essenziell für die Energiewende sind.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist von der deutschen Bundesregierung mit der Exploration in zwei Lizenzgebieten beauftragt: seit 2006 in einem circa 75.000 Quadratkilometer großen Sektor in der Clarion-Clipperton-Zone, und zudem seit 2015 im Indischen Ozean, wo der mögliche Abbau von Massivsulfiden erkundet wird. Bei der Exploration geht es einerseits darum, die für den Abbau relevanten Rohstoffe auf ihre Beschaffenheit und ihre Verteilung zu untersuchen. 80 Prozent der Gelder, die der BGR für die Manganknollen-Exploration zur Verfügung stehen, investiert sie mittlerweile in die Erforschung der Ökosysteme, die von dem Bergbau betroffen wären, sagt Annemiek Vink, Meeresbiologin bei der BGR.
Das Argument, die Tiefsee sei noch nicht ausreichend erforscht, sei so nicht richtig, sagt Vink. “Seit dreißig bis vierzig Jahren beschäftigen sich Forscher mit der Tiefsee, es gibt Zehntausende Publikationen, darunter auch viele Hundert zum Thema Tiefseebergbau und dessen mögliche Umweltauswirkungen.” Die Clarion-Clipperton-Zone sei die besterforschte Tiefseezone der Welt. Das Problem sei ein anderes: die Komplexität der Ökosysteme. “Je mehr wir untersuchen, desto mehr finden wir heraus, wie komplex und heterogen der Artenbestand ist.”
Welche Auswirkungen es in einzelnen Regionen des riesigen potenziellen Abbaugebiets hätte, wenn die Manganknollen aus dem Ökosystem unwiederbringlich entfernt würden, könne man noch nicht sagen. Vor zwei Jahren testeten die Forscher im deutschen Lizenzgebiet bereits einen Kollektor, der die Manganknollen am Meeresboden “erntet”. Nun müsse man prüfen, wie sich das Gebiet erholt, sagt Vink. “Das sind Fragen, die Zeit brauchen.” Studien wie das von Deutschland geförderte DISCOL-Projekt im Südostpazifik bei Peru zeigen jedoch, dass sich die Ökosysteme auch Jahrzehnte nach dem Abbau von Manganknollen noch nicht erholt haben.
Bei den bis zum 21. Juli andauernden Verhandlungen der ISA in Jamaika steht nun eine Frage im Mittelpunkt: Wie geht die Behörde mit möglichen Abbauanträgen um, solange noch keine verbindlichen Regeln gelten? Nauru hat zwar bereits erklärt, mit seinem Antrag auf eine kommerzielle Rohstoffförderung zu warten. Da die Frist abgelaufen ist, können ab sofort jedoch theoretisch auch Anträge weiterer Staaten bei der ISA eingehen.
Umweltschützer kritisieren in diesem Zusammenhang auch die Verhandlungen um den EU Critical Raw Materials Act. Das vom Rat der EU verhandelte Mandat enthalte nicht die notwendigen ökologischen und sozialen Schutzmaßnahmen, teilt die Environmental Justice Foundation mit. “Dies könnte die Hintertür für die Gewinnung und Verarbeitung kritischer Rohstoffe, die in der Tiefsee gewonnen werden, durch EU-Länder oder ihre Einfuhr in die EU öffnen”, warnt die NGO.
12.07.2023 – 10:00-15:00 Uhr, online
VDE, Symposium Best of IoT & Industrie 4.0 Day
Expertinnen und Experten werden zu aktuellen Themen der digitalen Transformation und IoT interviewt und zeigen anhand von Praxisbeispielen auf, wie die Digitalisierung in industriellen Anwendungen mit Schwerpunkt auf die OT-Ebene erfolgreich gemeistert werden kann. INFOS & ANMELDUNG
12.07.2023 – 12:00-13:00 Uhr, online
ECFR, Presentation China and Ukraine: The Chinese debate about Russia’s war and its meaning for the world
The European Council on Foreign Relations (ECFR) will present the findings of their recent report “China and Ukraine: The Chinese debate about Russia’s war and its meaning for the world”, and discuss what lessons Europe can learn from China’s relationship to Russia. INFO & REGISTRATION
12.07.2023 – 14:00-15:30 Uhr, Berlin
EBD, Vortrag Briefing zur Spanischen EU-Ratspräsidentschaft
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD), die Vertretung der Europäischen Kommission und die Spanische Botschaft in Deutschland veranstalten ein Briefing zur spanischen EU-Ratspräsidentschaft, bei dem der Botschafter Ricardo Martínez Vázquez das Programm der Ratspräsidentschaft vorstellen wird. INFOS
12.07.2023 – 18:00-19:30 Uhr, online
KAS, Diskussion Geothermie – Gamechanger für die Energiewende?
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beleuchtet die Potenziale der Geothermie für die deutsche Energiewende und bespricht Anwendungsbeispiele. INFOS & ANMELDUNG
13.07.-18.07.2023, Dresden
ibai, Conference International Conference on Machine Learning and Data Mining
The Institute of Computer Vision and Applied Computer Sciences (ibai) gathers researchers and representatives who deal with machine learning and data mining to discuss the recent status, ongoing projects, and further developments. INFO & REGISTRATION
13.07.-14.07.2023, Ispra (Italien)/online
JRC, Seminar JRC Summer School on Sustainable Finance
This summer school, hosted by the Joint Research Centre (JRC) of the European Commission, brings together researchers, practitioners, and policymakers to discuss recent developments and innovations in the field of sustainable finance. INFO & REGISTRATION
13.07.2023 – 10:00-12:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
Interreg Europe, Roundtable Stakeholder consultation on the future of cohesion policy post-2027
The co-rapporteurs of the European Committee of the Regions, who are drafting an opinion on the future of cohesion policy, intend to meet representatives of local and regional authorities and other relevant stakeholders for a consultation and exchange of views. INFO & REGISTRATION
13.07.2023 – 18:30-20:00 Uhr, online
FNF, Discussion Global Europe – Global Expectations: EU enlargement scenarios for Southeast Europe and the countries of the Eastern partnership
As part of an event series on the EU’s role in other world regions, this Friedrich Naumann Foundation (FNF) event deals with the question: What might a realistic EU perspective look like for candidate countries in Southeast and East Europe? INFO & REGISTRATION
Lastwagen, die keine Treibhausgase ausstoßen, sowie Lastwagen im intermodalen Einsatz sollen künftig höhere Lasten transportieren dürfen. Da die Technologie bei batterieelektrischen Nutzfahrzeugen besonders schwer ist, soll etwa ein 40-Tonner-Null-Emissionsfahrzeug künftig ein zulässiges Gesamtgewicht von 41-Tonnen haben. Unter bestimmten Bedingungen soll das erlaubte Gesamtgewicht von Nullemissionsfahrzeugen sogar um vier Tonnen erhöht werden. Dies sieht der Vorschlag der Kommission für Maße und Gewichte im Güterverkehr vor, der heute beschlossen werden soll und Table.Media vorliegt.
Die Kommission will zudem die Genehmigungsverfahren für Lkw mit besonders hohen Lasten und langen Ausmaßen (Gigaliner) harmonisieren. Durch die Maßnahmen soll der Anteil an Transporten durch Zero-Emission-Fahrzeuge bis 2050 auf 90 Prozent gesteigert werden. Als Zero-Emission-Fahrzeuge gelten batteriebetriebene Lastwagen, Lastwagen mit Brennstoffzelle sowie mit Wasserstoffverbrennungsmotor.
Unter intermodalem Verkehr wird verstanden, dass Güter von mindestens zwei Verkehrsträgern transportiert werden. Es geht also darum, die Dominanz des Transports auf der Straße zurückzudrängen und den Anteil von Transporten auf der Schiene und per Schiff zu erhöhen. Mit der Richtlinie will die Kommission einen Paradigmenwechsel vom Güterverkehr auf der Straße zum intermodalen Transport erreichen. So sollen 2030 bereits 21 Milliarden Tonnen-Kilometer vom intermodalen Gütertransport erledigt werden. 2050 soll der Wert bei 26 Milliarden Tonnen-Kilometern liegen. mgr
Die EU-Kommission hat die Meldepflichten im Rahmen der Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten erheblich abgeschwächt. Damit reagierte die Behörde auf Kritik aus der Industrie und den Mitgliedstaaten. Die neuen Regeln für die Subventionskontrolle zielen vor allem auf Unternehmen aus Ländern wie China, gelten aber ebenso für europäische Unternehmen, die außerhalb der EU aktiv sind.
Bundesregierung und Industrie begrüßten die Nachbesserungen: Die Kommission habe die deutschen Änderungsvorschläge “im Wesentlichen übernommen”, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf Anfrage. Das Instrument sei hinreichend flexibel, um Fälle erheblicher wettbewerbsverzerrender Subventionen adressieren zu können. Die Meldung von finanziellen Zuwendungen werde damit “handhabbarer, auch wenn weiterhin umfangreiche Meldepflichten bestehen bleiben”, sagte Ulrike Suchsland, Rechtsexpertin beim BDI.
Die Foreign Subsidies Regulation (FSR) war vor einem Jahr von Rat und Europaparlament im Eilverfahren beschlossen worden. Die Verordnung sieht vor, dass Unternehmen geplante Firmenzusammenschlüsse und öffentliche Aufträge der Kommission melden müssen, wenn sie dafür substanzielle finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten erhalten. Das gilt für:
Die Kommission hatte im Februar ihren ersten Entwurf für die Durchführungsverordnung vorgelegt, in der im Einzelnen geregelt wird, welche Informationen die Unternehmen übermitteln müssen. Bundesregierung und Industrie kritisierten aber, der Entwurf bürde multinationalen Firmen überbordende Bürokratie auf. Daraufhin sei man “nochmal zurück ans Reißbrett gegangen”, heißt es in der Kommission.
Tatsächlich hat die Behörde die Meldepflichten in der gestern vorgelegten Durchführungsverordnung stark eingegrenzt:
Die neuen Berichtspflichten greifen ab dem 12. Oktober. Dann dürften auf die Kommission noch immer eine Fülle von Meldungen zukommen. Diese sollen von einer Task-Force der Generaldirektionen Wettbewerb und Binnenmarkt bearbeitet werden. Wie viele Stellen dafür vorgesehen sind, will die Kommission nicht sagen: Man werde aber “sicherstellen, dass die nötigen Ressourcen zur Verfügung stehen”, heißt es lediglich in der Behörde. tho
Die polnische Regierung knüpft ihre Zustimmung zu einer geänderten EU-Finanzplanung an die Freigabe der Mittel aus dem Corona-Aufbauprogramm. Für die Überarbeitung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) sei Einstimmigkeit im Rat erforderlich, sagte gestern der polnische Vertreter Andrzej Sadoś beim Allgemeinen Rat in Brüssel. “Und in diesem Zusammenhang erinnert Polen daran, dass es keinen Zugang zu den EU-Mitteln zur Finanzierung des nationalen Aufbauplans hat.” Daher könne Warschau zum jetzigen Zeitpunkt einen Beschluss nicht unterstützen.
Polen hat Anspruch auf 24 Milliarden Euro an Zuschüssen und 11,5 Milliarden an Krediten aus der Corona-Aufbau- und Resilienzfazilität. Die EU-Kommission hält die Mittel aber zurück, solange die nationalkonservative Regierung nicht Teile ihrer Justizreform rückgängig macht. Eine Einigung ist nicht in Sicht: Erst vergangene Woche hatte die Kommission in ihrem Rechtsstaatsbericht erhebliche Missstände in Polen kritisiert.
Auch Ungarn könnte die Revision des MFR blockieren. Justizministerin Judit Varga erinnerte gestern daran, dass auch Budapest bislang “keinen Penny” aus dem Aufbauprogramm erhalten habe und forderte mehr Informationen zum geplanten Finanzpaket für die Ukraine. Aber die Verhandlungen zum MFR seien noch in einem frühen Stadium, relativierte sie, in der Vergangenheit habe Ungarn bei Themen mit Einstimmigkeit stets Verantwortung übernommen.
Die Kommission hatte Mitte Juni eine Halbzeit-Überprüfung des MFR vorgeschlagen, der von 2021 bis 2027 läuft. Die Behörde fordert dabei 66 Milliarden Euro zusätzlich. Die Gelder seien nötig für die Finanzhilfe für die Ukraine, zur Bewältigung der Migration und für die neue STEP-Plattform zur Förderung von Schlüsseltechnologien. Hinzu kommt im Zuge der Inflation gestiegene Verwaltungskosten und höhere Zinskosten für die Aufbau- und Resilienzfazilität. Haushaltskommissar Johannes Hahn verteidigte die Nachforderungen gestern als “minimalinvasiv”.
Abgesehen von der Ukraine-Hilfe trifft der Vorschlag aber auf wenig Gegenliebe im Rat. Die angespannte Haushaltslage in allen Mitgliedstaaten müsse sich auch in einer klaren Prioritätensetzung im EU-Haushalt widerspiegeln, sagte die deutsche Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne). Daher brauche es weitere Vorschläge für Umschichtungen innerhalb des Budgets. Die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler betonte, ihre Regierung habe “große Vorbehalte” gegen den Vorschlag. Zudem gebe es keinen Zeitdruck für die MFR-Revision.
Ihr Landsmann Hahn widersprach: Bislang sei die Ukraine-Hilfe für das nächste Jahr nicht im Budget abgebildet, daher dränge die Zeit sehr wohl. Mit Blick auf die Forderung mehrerer Nettozahler, Gelder aus anderen EU-Töpfen wie den Kohäsionsfonds umzuwidmen, entgegnete Hahn: “Mir ist nicht bekannt, dass bereits ein Kohäsionsland angeboten hätte, einen Teil seiner Mittel abzutreten.” tho
Die Daten können wieder frei über den Atlantik fließen. Die Kommission hat am Montag den neuen Datenschutzrahmen zwischen der EU und den USA (EU-U.S. Data Privacy Framework) angenommen. Der Beschluss legt fest, dass die USA ein angemessenes Schutzniveau – vergleichbar mit dem der EU – für personenbezogene Daten gewährleisten.
Notwendig wurde der Beschluss, nachdem der Europäische Gerichtshof das bestehende Privacy Shield im Jahr 2020 für ungültig erklärt hatte. Bekannt ist das Urteil unter dem Namen Schrems II. Denn es war bereits das zweite Mal, dass der Jurist und Datenschutzaktivist Max Schrems gegen die Rechtsgrundlage für den transatlantischen Datenverkehr vorging. Der Datenschutzrahmen regelt sowohl den Datentransfer von Unternehmen als auch den Zugang staatlicher Organe wie Nachrichtendienste zu personenbezogenen Daten aus der EU.
Justizkommissar Didier Reynders ist sich sicher, mit der neuen Regelung alle Bedenken der europäischen Richter ausgeräumt zu haben. Der Zugang zu Daten sei auf das zum Schutz der nationalen Sicherheit notwendige und verhältnismäßige Maß beschränkt, sagte Reynders. Er verwies auf das von US-Präsident Joe Biden im Oktober 2022 erlassene Dekret. Dies greife die Kritikpunkte des EuGH auf. Ein unabhängiges und unparteiisches Rechtsbehelfsverfahren soll es zudem Einzelpersonen ermöglichen, Beschwerden untersuchen zu lassen.
Max Schrems überzeugt das nicht. Auch der dritte Versuch der Kommission, ein stabiles Abkommen mit den USA zu erreichen, werde in wenigen Monaten vor dem EuGH landen. Das neue Datenschutzabkommen sei weitgehend eine Kopie des gescheiterten Privacy Shield. Unter anderem bezieht sich Schrems’ Kritik auf das Wort “verhältnismäßig“, das von den USA anders eingeschätzt würde als von Richtern des EuGH.
Schrems sagt, es habe “keine substanzielle Änderung des US-Überwachungsrechts” gegeben, diese sei aber notwendig. “Die bloße Behauptung, etwas sei ,neu’, ,robust’ oder ,wirksam’, reicht vor dem Gerichtshof nicht aus”, sagte Schrems. Sowohl Reynders als auch der Digitalverband Bitkom erwarten, dass der neue Datenschutzrahmen gerichtlich überprüft wird.
Zunächst begrüßte der Bitkom jedoch das Ende der “dreijährigen Hängepartie”. Damit erhielten Unternehmen wieder Rechtssicherheit. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen profitierten davon, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Er wies darauf hin, dass Datentransfers ein zentraler Bestandteil der globalen Wirtschaft seien. Häufig stelle die Be- oder sogar Verhinderung von Datentransfers “die deutschen und europäischen Unternehmen vor ebenso gravierende Herausforderungen wie die Unterbrechung von Lieferketten“. vis
Der niederländische Premierminister Mark Rutte will sich nach dem Bruch der Regierung aus der Politik zurückziehen. Für die Politik in dem Land bedeutet der Abschied des 56-Jährigen nach 13 Jahren an der Macht einen Neuanfang. Rutte war es immer wieder gelungen, die polarisierte Parteienlandschaft zusammenzubringen.
Am Freitag war die Koalition aus Ruttes rechtsliberaler VVD, der linksliberalen D66, den Christdemokraten und der calvinistischen Christenunion nach anderthalb Jahren geplatzt. Rutte kündigte sie auf, weil es keine Einigung über den Familiennachzug von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz gab. Die Personengruppe, um die es geht, ist sehr überschaubar.
Der Ministerpräsident sagte zu Beginn einer Parlamentsdebatte gestern aber, es handele sich um eine persönliche Entscheidung, die von der aktuellen Situation unabhängig sei. “Diese Debatte muss über unser Land gehen.”
Rutte hatte seine Partei VVD 17 Jahre lang geführt. Ohne ihn dürfte die VVD deutlich weniger dominant sein als in den vergangenen Jahren. Viele Wähler haben sich wegen seiner Erfahrung und seiner Führungsstärke für die Partei entschieden. Beobachter erwarten, dass sich die VVD jetzt etwas von Ruttes Kurs der Mitte abwendet und stärker rechtsliberal aufstellt.
Welche politische Kraft vom Scheitern der Regierung profitiert, ist nicht klar. Ein Rechtsschwenk der VVD würde anderen Parteien mehr Luft verschaffen. Die Christdemokraten sind allerdings stark geschrumpft und haben keinen Kandidaten, nachdem auch der bisherige Außenminister Wopke Hoekstra seinen Rückzug angekündigt hat. Die linksliberale D66 steckt ebenfalls in einer Führungskrise.
Bessere Karten haben daher wohl andere Parteien auf der politischen Linken, wenn sie es tatsächlich schaffen, sich auf eine gemeinsame Wahlliste zu einigen. Womöglich öffne sich dadurch sogar eine Tür für EU-Kommissionsvize Frans Timmermans, sagen Beobachter.
Seine Sozialdemokraten (Partij van de Arbeid) waren bei den letzten Wahlen in die politische Bedeutungslosigkeit gefallen, wollen nun aber mit den Grünen eine gemeinsame Liste bei allen anstehenden Wahlen bilden. Sie bitten dafür gerade im Rahmen einer Mitgliederbefragung um die Zustimmung der Basis. Für Timmermans könnte dies eine Gelegenheit bieten, etwa indem er Spitzenkandidat der gemeinsamen Liste wird. Allerdings gilt der weltläufige Timmermans vielen Wählern als abgehoben.
Die Bauern- und Bürgerbewegung BBB, die bei den Regionalwahlen überraschend stärkste Kraft wurde, dürfte auch bei den nationalen Wahlen eine starke Rolle spielen. Ihre Gründerin Caroline van der Plas sagte aber in einem Interview, dass sie nicht für den Posten der Ministerpräsidentin bereitstehe. mgr/tho
Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene gegen ein generelles Verbot von neuen Gas- und Ölheizungen ab 2029 ein. “Deutschland kann keine Regelung für konventionelle Raumheizungen und Heizkessel unterstützen, die keine Ausnahmen in bestimmten Situationen zulässt”, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Konsultation der EU-Kommission zu neuen Ökodesign-Vorschriften.
Die Stellungnahme der Bundesregierung vom Juni, die Table.Media vorliegt, bezieht sich auf eine geplante Regel, wonach die EU-Kommission ab September 2029 nur noch den Einbau von Gas- und Ölheizungen zulassen will, die eine Energieeffizienz von mindestens 115 Prozent erreichen. Für rein konventionelle Heizkessel wäre dies nicht möglich, die Vorschrift würde deshalb einem Verbot gleichkommen. Erhöht werden könnte die Effizienz laut Öko-Institut aber beispielsweise durch die Kombination mit einer Wärmepumpe oder Solarthermieanlage.
Bei den angestrebten Ausnahmen verweist die Bundesregierung auf jene, die sie auch im Gebäudeenergiegesetz geplant hat, etwa für Härtefälle oder den geplanten Anschluss an ein Wasserstoffnetz. Die Bundesregierung bittet die Kommission außerdem zu prüfen, ob Hersteller von Gas- und Ölheizungen die Effizienzanforderung “nur für einen Teil ihrer ausgelieferten Produkte für einen gewissen Zeitraum” erfüllen müssen.
Mit den Effizienzvorschriften würde die Kommission auch das Heizen mit Wasserstoff unmöglich machen. In ihrer Stellungnahme bittet die Bundesregierung die Kommission nun zu untersuchen, ob sich die Eignung von Gaskesseln für Wasserstoff auf EU-Ebene regulieren lässt: “Ist es möglich, die Wasserstoffverträglichkeit von Heizkesseln durch Ökodesign zu gewährleisten, d. h. zu verlangen, dass neue Kesselmodelle mit Mischungen von 0 Prozent bis 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden können?” Die Wasserstoffquoten könnten laut Bundesregierung zum Beispiel ab September 2025 für neue Heizungsmodelle gelten und ab September 2029 für alle verkauften Gaskessel. ber
Am Montag hat die Aurelia Stiftung, die sich für den Schutz der Bienen einsetzt, eine Klage vor europäischen Gerichten gegen die Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat angekündigt. Zuvor hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereits mit einer Klage gegen die Zulassung des Glyphosat-Produkts Roundup Powerflex noch für Juli angekündigt – mit “fachlicher Unterstützung von Foodwatch”, wie die DUH schreibt.
Hintergrund ist, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) am Donnerstag Glyphosat für unbedenklich eingestuft hat. Die Zulassungsverlängerung muss noch von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat bereits sein Veto angekündigt.
Die EU-Kommission hat der Aurelia-Stiftung kürzlich das Recht auf eine Pestizidrechtsprüfung grundsätzlich bestätigt. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatte dies in einem Schreiben bestätigt. Zuvor war dies nicht möglich gewesen, weil die maßgebliche EU-Verordnung 1367/2006 erst 2021 an die völkerrechtlich verbindliche Aarhus-Konvention angepasst wurde.
Das Verfahren der Aurelia-Stiftung betritt darum juristisches Neuland in der EU. Aurelia-Vorstand Thomas Radetzki begründet seine Klageabsicht damit, dass Glyphosat neben Unkräutern auch Bienen und andere Bestäuber schädige. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch beruft sich auf Forschungsmeinungen, die die Efsa nicht berücksichtigt habe: “Die neue Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu Glyphosat widerspricht der Bewertung durch die Weltgesundheitsorganisation und zahlreichen wissenschaftlichen Studien.” ab
Die EU-Staaten und die EU-Kommission unternehmen aus Sicht des Europäischen Rechnungshofs nicht genug für gesunde Böden. Sie hätten Gelder und gesetzgeberische Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt, teilten die Prüfer am Montag mit. So wurden Schätzungen des Rechnungshofs zufolge im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zwischen 2014 und 2020 rund 85 Milliarden Euro für die Verbesserung der Bodengesundheit bereitgestellt. Auflagen, um an solche Agrargelder zu kommen und mit denen die Belastung von Böden verringert werden sollten, gingen nicht weit genug, hieß es.
Dabei ist die Mehrheit der Böden in Europa in einem schlechten Zustand, wie der Rechnungshof unter Berufung auf eine Analyse mitteilte. Gebiete mit dringenden Problemen hätten zudem nur einen kleinen Teil aus dem Fördertopf für die Entwicklung des ländlichen Raums erhalten, mit denen die freiwillige Anwendung umweltfreundlicher Bewirtschaftungsmethoden unterstützt werden sollte. Untersucht wurden für den Bericht die EU-Länder Deutschland, Irland, Spanien, Frankreich und die Niederlande.
Der schlechte Zustand der betroffenen rund 60 bis 70 Prozent der Böden sei zum Teil auf falsche Methoden der Bodenbewirtschaftung und des Dungmanagements zurückzuführen. Eine übermäßige Düngung in der Landwirtschaft wirkt sich negativ auf die Wasserqualität und die Vielfalt von Pflanzen und Tieren aus. Der schlechte Zustand müsse die EU alarmieren und zum Handeln bewegen, damit sich die Qualität der Böden wieder verbessern könne, hieß es im Bericht.
Die Prüfer betonten zudem, wie wichtig Böden für künftige Generationen sind. Sie liefern Nährstoffe, Wasser und Sauerstoff und bieten Pflanzen eine Wachstumsgrundlage. dpa
Haben Sie den Film “Don´t look up” gesehen? In der Netflix-Produktion geht es um zwei Wissenschaftler:innen, die unablässig vor dem nahenden Einschlag eines Asteroiden warnen – und dabei schlicht nicht ernst genommen werden, ehe sämtliches Leben auf der Erde ausgelöscht wird. Nun mag man von Netflix halten, was man möchte. Auch geht die aktuelle Bedrohung von keinem Gesteinsbrocken aus dem All, sondern von der vermeintlich schleichenden, jedoch unweigerlich spürbaren Natur- und Klimakrise aus. Die Handlung von “Don´t look up!” bewegt sich dabei erschreckend nahe an dem, was wir gerade in der Diskussion zum Nature Restoration Law (NRL) beobachten können.
Mit dem EU-Gesetz sollen eigentlich alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, degradierte Ökosysteme in ihrem Land wiederherzustellen. Ein überlebensnotwendiges Vorhaben, schaut man sich den rasanten Verlust unserer Arten und Ökosysteme und die fatalen Auswirkungen und künftigen Bedrohungen auf unser aller Lebensgrundlage an. Doch die Europäische Volkspartei (EVP) hat das Gesetz in den vergangenen Wochen massiv attackiert – und schreckt dabei auch nicht vor Falschaussagen zurück.
Die zahlreichen EVP-Mythen zu Enteignung, Bedrohung der Ernährungssicherung, Einbruch der europäischen Wirtschaft und Co sind längst entkräftet – unter anderem auch vom litauischen EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei, Virginijus Sinkevičius. Der Ausbau Erneuerbarer Energien und das NRL seien kein Widerspruch, sondern gingen Hand in Hand, sagen Energieunternehmen wie Wind Europe oder Solar Power Europe.
Das NRL sichere unsere Wirtschaftsgrundlage, sagen mehr als 60 der größten europäischen Unternehmen aus den Bereichen Konsum, Finanzen und Energie – darunter Nestlé, Unilever und Ikea. Und mehr als 70 Landwirt:innen und landwirtschaftliche Organisationen aus der EU betonen, wie wichtig das NRL für die Sicherung der Lebensmittelproduktion ist. Dazu kommt breite Unterstützung von Tausenden Wissenschaftler:innen sowie mehr als 900.000 EU-Bürger:innen.
Dass Lügen und Mythen besser verfangen als Tatsachen und komplizierte Zusammenhänge, ist nichts Neues. Dass sie von Abgeordneten kommen, die sich selbst in der Mitte der Gesellschaft verorten, schon. Und gerade das macht es besonders gefährlich: So ist es bereits traurig genug, dass die EVP ein so zentrales Gesetz zur Bewältigung der Natur- und Klimakrise abzuschmettern versucht. Obendrein schüren sie mit einem “Die da oben”-Narrativ auch noch großflächig Misstrauen in Demokratie und die europäischen Institutionen – und das kurz vor einer Europawahl, in der die rechten Parteien in Europa mit ihren Hufen scharren.
Doch es besteht noch Hoffnung. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Noch kann das NRL zum Erfolg werden. Denn längst stehen nicht alle EVP-Abgeordneten hinter dem NRL-feindlichen Kurs ihrer Fraktion. Deutlich wurde das bei der vergangenen Abstimmung im Umweltausschuss: Um sicherzustellen, dass die “Fraktionslinie” genau eingehalten wird, habe die EVP ein Drittel der Mitglieder durch “naturschutzskeptische” Abgeordnete ersetzt – so lautete der Vorwurf des Umweltausschuss-Vorsitzenden Pascal Canfin.
Trotzdem konnte die EVP das NRL im Umweltausschuss nicht verhindern. Und beim Votum im Umweltrat haben sich die EU-Umweltminister:innen klar hinter das Gesetz gestellt. Dabei ist das Parlament erfahrungsgemäß deutlich progressiver als der Rat. Das macht einmal mehr deutlich, in welcher politischen Schieflage wir uns aktuell befinden – und dass es noch deutlichen politischen Spielraum gibt.
Das ist auch wichtig, denn längst ist das Gesetz nicht perfekt. Schon der – mittlerweile verwässerte – Kommissionsvorschlag wies klare Lücken auf: So sollen in Europa nur etwa ein Prozent aller Flüsse renaturiert werden – vor dem Hintergrund unzähliger Überschwemmungen und der sich anbahnenden nächsten Oder-Katastrophe erscheint dieses Ziel nahezu absurd.
Von dem einen Drittel der ursprünglichen europäischen Moore in Agrarökosystemen, die wiederhergestellt werden sollten, soll wiederum nur ein Viertel wiedervernässt werden – also insgesamt rund acht Prozent der ehemaligen Moorflächen. Verschwindend gering, bedenkt man, welches Potenzial intakte Moore beim Klimaschutz entfalten können. Und nicht zuletzt könnte die fehlende Verknüpfung zwischen Meeresschutz und Fischereipolitik dazu führen, dass auch hier die Ziele ins Leere laufen.
Klar ist: Das Renaturierungsgesetz muss nicht nur über die Ziellinie kommen, es braucht auch Ambition und Wirksamkeit. Jetzt kommt es darauf an, dass sich die Abgeordneten bei der bevorstehenden Plenarabstimmung frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet entscheiden. Mit ihrer Stimme können sie die bevorstehende Katastrophe, wie sie das dystopische “Don´t look up!” vorzeichnet, noch abwenden und die Wiederherstellung unserer Wälder, Moore und Meere endlich Realität werden lassen. Packen wir es an.