schwierige Diskussionen zur Hilfe für die Ukraine und auch zur Lage in Nordafrika sind garantiert: Die Verteidigungs- und Außenministerinnen kommen heute beziehungsweise morgen in Toledo unter spanischem Ratsvorsitz zu informellen Treffen zusammen. Im Fokus der Gespräche steht der Plan von Josep Borrell, die künftige Unterstützung der Ukraine auf eine stabile Basis zu stellen.
Der EU-Außenbeauftragte schlägt vor, der Ukraine für die kommenden vier Jahre insgesamt 20 Milliarden Euro zu garantieren, also jährlich Mittel von jeweils fünf Milliarden. Bisher hat die EU militärische Hilfe für Kiew über die sogenannte Friedensfazilität sichergestellt. Eine achte Tranche in der Höhe von 500 Millionen Euro wird von Ungarn jedoch seit Monaten blockiert.
Mit der neuen Basis für die Hilfe möchte Borrell nicht zuletzt ähnliche Erpressungsmanöver in Zukunft verhindern. Die Regierung von Viktor Orbán stellt die fortgesetzte Hilfe für die Ukraine aber grundsätzlich infrage.
Vorbehalte gegenüber Borrells Plan gibt es allerdings auch von einigen Nettozahlern in der EU. Dies vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission unter anderem wegen zusätzlicher Aufgaben bei der Migration und hoher Inflation auf zusätzliche 66 Milliarden Euro für die Finanzperiode von 2021 bis 2027 drängt. Deutschland und die Niederlande haben signalisiert, die militärische Hilfe für die Ukraine im Kontext der EU-Haushaltsverhandlungen diskutieren zu wollen.
In Toledo wird Verteidigungsminister Boris Pistorius, selbst wegen der Kabinettssitzung auf Schloss Meseberg verhindert, durch Staatssekretärin Siemtje Möller vertreten. Am Donnerstag nimmt Außenministerin Annalena Baerbock am Gymnich teil.
Die Bundesregierung will gemeinsam mit Frankreich auf größere Anstrengungen zum Bürokratieabbau auf EU-Ebene drängen. Man fordere die EU-Kommission auf, “einen ehrgeizigen Aktionsplan für kurzfristig umsetzbare Beschleunigungs- und Entlastungsmaßnahmen auszuarbeiten”, heißt es in einem Diskussionspapier für die Kabinettsklausur in Meseberg. Zudem brauche es für die kommenden Jahre eine ambitionierte Agenda, wie wichtige Investitionsvorhaben beschleunigt und Unternehmen und Verwaltungen entlastet werden könnten.
Das Papier stammt aus der Feder von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) und soll am Mittwoch in Meseberg beschlossen werden. Dort will die Ampel-Koalition auch die Eckpunkte eines weiteren nationalen Bürokratie-Entlastungsgesetzes verabschieden. “In Deutschland ist über die Jahrzehnte ein regelrechtes Bürokratie-Dickicht entstanden, das nur noch schwer zu durchdringen ist”, heißt es in einem gestern vorgelegten Zehn-Punkte-Papier für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Viele Regelungen aber hätten ihren Ursprung in Brüssel, meinen die Koalitionspartner. Daher wolle man entsprechende Äußerungen von Präsident Emmanuel Macron aufgreifen und “eine deutsch-französische Bürokratieentlastungsinitiative in der EU starten”. Diese könne der Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt einen Schub bringen und sei zugleich von geostrategischem Interesse. Man sei dazu in Kontakt mit Paris, heißt es in der Bundesregierung.
Macron hatte sich im Mai für eine Regulierungspause ausgesprochen, um die Industrie nicht zu überlasten. Der belgische Premier Alexander De Croo stieß etwas später ins gleiche Horn. Die EVP und dort insbesondere CDU/CSU drängen schon länger auf ein Belastungsmoratorium. So weit geht das von Habeck mit erarbeitete Papier aber nicht: “Wir wollen Beschleunigung und Entlastung schaffen, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten“, heißt es dort.
Habeck will vielmehr den Umstieg auf klimafreundliche und digitale Technologien erleichtern und zugleich der wachsenden Kritik aus der Wirtschaft an lähmenden Vorschriften begegnen. Eine ähnliche Stoßrichtung haben auch jüngste Vorstöße der EU-Kommission wie der Net-Zero Industry Act, der die Planungs- und Genehmigungsverfahren für grüne Investitionen in den Mitgliedstaaten beschleunigen soll.
Zudem hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Wettbewerbsfähigkeitsstrategie angekündigt, ein Viertel der durch EU-Vorgaben verursachten Berichtspflichten für Unternehmen beseitigen zu wollen. Ein Kommissionssprecher sagte auf Anfrage, die ersten Vorschläge im Herbst zielten auf die Bereiche Green Deal, Digitales und Wirtschaft.
Von der Leyen hatte zudem eine “One-in-one-out”-Regel verankert. Sie besagt, dass zusätzliche Lasten durch neue Kommissionsvorschläge durch Entlastungen im gleichen Politikbereich kompensiert werden sollen. Die Behörde werde dazu in ihrem Annual Burden Survey erstmals berichten, sagte der Sprecher. Mitte September will die Kommission zudem ein Entlastungspaket für kleine und mittelgroße Unternehmen vorlegen. Und sie hat den neuen Green-Deal-Koordinator Maroš Šefčovič beauftragt, das Gespräch mit Stakeholdern zu suchen.
Bei CDU/CSU wird aber bezweifelt, dass Habeck und Buschmann es wirklich ernst meinen. “Man muss den beiden Bundesministern dazu gratulieren, dass sie scheinbar endlich verstanden haben, dass die bürokratischen Belastungen für unsere Wirtschaft inzwischen ein teils unerträgliches Ausmaß erreicht haben”, ätzte Daniel Caspary, der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber, kommentierte: “Die Ampel-Parteien haben in Brüssel noch jedes Mal die Hand gehoben, wenn über neue Bürokratiemonster wie ein europäisches Lieferkettengesetz oder vollkommen ausufernde Nachhaltigkeitsberichterstattung abgestimmt wurde.” Überdies würden EU-Gesetze in Deutschland regelmäßig so umgesetzt, dass sie mehr Aufwand als nötig für die Unternehmen verursachten.
Freya Lemcke, Leiterin der DIHK-Vertretung bei der EU, verwies darauf, dass eine Vielzahl an Regelungen wie die REACH-Verordnung, die Verpackungsrichtlinie oder Medizinprodukteverordnung von unnötiger Bürokratie befreit werden könnten. Zudem solle die “One-in-one-out”-Regel auf europäischer Ebene künftig konsequent von allen an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen angewendet werden. “Gerade der Mittelstand setzt daher große Hoffnungen in die aktuellen Initiativen der Bundesregierung und der EU-Kommission”, sagte sie.
Konkret schlagen Buschmann und Habeck eine Reihe von Maßnahmen vor:
Die Staatsbürgerschaft zu erhalten, das galt in Deutschland lange als Abschluss des Integrationsprozesses. In Zeiten des Arbeitskräftemangels und des demografischen Wandels wird sie aber zunehmend auch als Attraktivitätsfaktor gesehen. Nur wer auch eine realistische Perspektive zur Einbürgerung anbietet, ist für die gesuchten Talente auch wirklich attraktives Zielland.
“Für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland ist ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ein entscheidender Schlüssel”, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Kabinettsentwurfs vor einer Woche. Und Faeser verwies auch auf die innereuropäische Situation: “Im europäischen Vergleich liegen wir bei den Einbürgerungen deutlich hinter unseren Nachbarn.”
Tatsächlich gibt es einige Staaten in Europa, die deutlich mehr Staatsbürgerschaften vergeben. In der letzten verfügbaren europäischen Statistik für 2021 liegen Spanien (138.083), Frankreich (114.898) und Italien (109.552) deutlich vor der Bundesrepublik. Und dies trotz geringerer Einwohnerzahlen. Schweden (70.713) und die Niederlande (57.782) liegen in absoluten Zahlen direkt hinter dem viertplatzierten Deutschland (94.675), wobei auch diese beiden Länder deutlich weniger Einwohner haben. Es gibt allerdings auch Staaten, in denen Einbürgerungen so gut wie gar nicht stattfinden. Litauen etwa hatte 2021 nur 102 Einbürgerungen aufzuweisen, Estland ganze 375.
Wer dabei in den jeweiligen Ländern eingebürgert wird, unterscheidet sich stark. Als einziges Muster lässt sich quer durch die EU erkennen: Es gibt kein klares Muster, nur zeitliche, geografische und historische Bezüge.
Fast überall findet sich etwa in den 2021er-Zahlen eine kleine Gruppe an EU-Neubürgern, die vorher mit einem britischen Pass ausgestattet war, im Zuge des Brexits jedoch eine EU-Staatsbürgerschaft anstrebte. In Luxemburg etwa gehörte diese Gruppe zu den größten drei.
Auffällig ist die relativ große Zahl an russischen Staatsbürgern, die 2021 in der Republik Zypern (352) und Malta (116) eingebürgert wurden. Auch in China geborene Menschen gehörten in den beiden Staaten zu den größten drei Gruppen an neuen Staatsbürgern. Das liegt nicht zuletzt am hochumstrittenen sogenannten “Ius pecuniae” – der Verleihung der Staatsbürgerschaft als Gegenleistung für Investitionen. Doch auch in diesen beiden Ländern waren Staatsbürger aus dem Vereinigten Königreich in Folge des Brexits 2021 die jeweils größte Gruppe: ein voraussichtlich nur temporärer Effekt bei insgesamt geringen Zahlen.
Im europäischen Hightech-Melting-Pot Irland etwa finden sich Spuren von Einbürgerungen, die wohl in erster Linie auf die auch von Nancy Faeser beabsichtigte Attraktivität für Fachkräfte zurückzuführen sind. Immerhin 746 indische Staatsbürger erhielten dort 2021 die irische Staatsbürgerschaft. Irland gehört dabei wie Dänemark, Schweden, Griechenland, Italien, Portugal, Ungarn und einige weitere Staaten zu denjenigen EU-Mitgliedern, die Mehrfachstaatsbürgerschaften weitgehend erlauben.
Die restriktivsten Vorgaben zur Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaft in der EU weisen die Niederlande und Österreich auf. Im Regelfall ist diese dort nicht möglich. Spanien beschränkt die Möglichkeit auf Portugiesen und Franzosen sowie Passbürger ehemaliger spanischer Kolonien. Mit dem Kabinettsvorschlag würde Deutschland von der Zwischengruppe der Staaten mit vielen Einschränkungen in die Gruppe der Staaten mit Mehrfachstaatsbürgerschaft wechseln.
Doch bereits heute gibt es viele davon in Deutschland. Seit Mai liegen die Einbürgerungszahlen für das Jahr 2022 vor. Die größte Gruppe sind aus Syrien zugewanderte Menschen: Von 168.500 im vergangenen Jahr insgesamt Eingebürgerten waren 48.300 syrische Staatsbürger. Eine Folge der Zuwanderung aus dem Bürgerkriegsland nach 2014, die die Kriterien des bisher geltenden Staatsbürgerschaftsrechts nun zunehmend erfüllen.
Denn nach acht Jahren Daueraufenthalt können auch bisher schon dauerhaft ansässige Ausländer zu Deutschen werden. Wenn besondere Integrationsleistungen vorliegen, geht das auch bereits nach sechs, was für mehr als ein Viertel dieser Gruppe zutraf. Bei der großen Gruppe der Syrer tritt die Doppelstaatsangehörigkeit fast automatisch ein: Assads Folterstaat entlässt seine Bürger formal nur in wenigen Fällen aus der eigenen Staatsbürgerschaft.
Die zweitgrößte Gruppe in Deutschland (14.235) hatte zuvor einen türkischen Pass. Bei dieser fällt vor allem auf, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer mit mehr als 24 Jahren vor der Einbürgerung enorm lang war. Der Rest verteilt sich auf kleinere Gruppen an Neudeutsche aus verschiedenen Ländern – etwa Ukrainerinnen, die zwei Drittel der 5.665 Neubürger aus diesem Land ausmachten.
Was diese Realität im von der Innenministerin ausgerufenen Wettbewerb um die attraktivsten Bedingungen als Pass-Standort bedeutet? Der Effekt wird wohl deutlich kleiner sein, als erhofft. Für die Attraktivität dürfte stattdessen ein ganz anderer Wert relevant sein, der in Europa statistisch nicht zentral erfasst wird: Die Verfahrensdauer. In Schweden etwa werden 75 Prozent der Einbürgerungsverfahren in gut zweieinhalb Jahren entschieden, in Irland dauert das Verfahren laut Einwanderungsbehörde derzeit durchschnittlich etwa 19 Monate ab vollständiger Antragstellung.
In Deutschland hingegen hängt die Dauer in erster Linie von den Kapazitäten der zuständigen Kommunalbehörde ab. Zentral erfasst wird die Dauer statistisch nicht. Dass sie aber bei vielen Kommunen derzeit sehr lang ist, bestätigen diese unumwunden. Teilweise dauern die Verfahren mehrere Jahre, auch in einfach gelagerten Fällen.
Was der Gesetzentwurf der Bundesregierung aber – trotz entsprechender Forderungen – nicht vorsieht: Einen klaren gesetzlichen Fristenrahmen, an den sich auch die deutschen Ämter halten müssten. Die “Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse”, wie es im Staatsangehörigkeitsgesetz heißt, beginnt mit langen Wartezeiten.
Ein subventionierter Industriestrompreis, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert, müsste von der Kommission genehmigt werden und würde in Brüssel auf Widerstand stoßen. Das geht aus der Antwort von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf eine Anfrage des Binnenmarktexperten Andreas Schwab (CDU) hervor, die Table.Media vorliegt.
Die Kommission stellt in der Antwort zunächst fest, dass die Bundesregierung sich von der Kommission den Industriestrompreis genehmigen lassen müsste: “Stellt eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne des EU-Rechts dar, muss sie grundsätzlich von dem betreffenden Mitgliedstaat bei der Kommission angemeldet werden, bevor Beihilfen an Beihilfeempfänger gewährt werden.”
Schwab kritisiert, dass Habeck bislang nichts unternommen habe, um die Pläne für den Industriestrompreis in Brüssel anzumelden. “Die Bundesregierung lässt die Industrie im Stich”, sagte der Europaabgeordnete zu Table.Media. “Wir führen eine Scheindebatte, denn bislang hat das BMWK keine beihilferechtliche Klärung mit der EU-Kommission angestrebt.”
Die Kommission macht in ihrer Antwort zudem deutlich, dass sie einen Industriestrompreis und damit die Pläne Habecks ablehnt. Sie verweist auf ihre Antwort auf eine Anfrage aus 2021, in der sie Gründe gegen einen subventionierten Industriestrompreis anführt. Darin heißt es: “Das grundlegende Problem einer jeden Form von Preisregulierung auf Strommärkten, sei es auf nationaler oder EU-Ebene, besteht darin, dass ein regulierter Preis rasche Veränderungen von Angebot und Nachfrage nicht so dynamisch widerspiegeln kann wie ein Markt.”
Zudem würde ein regulierter Festpreis Verbrauchern die Möglichkeit nehmen, durch nachfrageseitige Steuerung am Markt teilzunehmen. Die Kommission kommt zu dem Urteil: “Deshalb ist Preisregulierung für Industriekunden nach dem EU-Energierecht ausdrücklich verboten.” Schwab meint dazu: “Die Kommission betonte, dass die Förderung des Wettbewerbs letztendlich im Interesse der Industriekunden liegt.” Diese Ansicht teile er, da ansonsten der Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrt werde.
Eine Ausnahme seien Beihilfemaßnahmen, die unter Gruppenfreistellungen fallen, was aber beim geplanten Brückenstrompreis nicht der Fall sei. Die Kommission macht denn auch in ihrer Antwort ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen den Plänen von Habeck zum Industriestrompreis und der bis Ende des Jahres geltenden Regelung zur “Eindämmung der Erdgas-, Wärme- und Stromkosten”. mgr
Am heutigen Mittwoch beginnen die Trilog-Verhandlungen zur neuen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte. EU-Parlament, Rat und Kommission werden in dieser ersten Sitzung eine allgemeine Aussprache abhalten und ihre Prioritäten vorstellen.
Die Verhandlungen sind eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. Knackpunkte werden unter anderem das Verbot geplanter Obsoleszenz sowie das Verbot der Zerstörung unverkaufter Produkte sein. Der Rat konnte sich lediglich auf Textilien und Schuhe einigen, während das Parlament fordert, auch Elektroprodukte in das Verbot einzubeziehen. Der Rat wiederum will Fahrzeuge von der Verordnung ausnehmen. Das Parlament will zudem einer Reihe von Produktgruppen Vorrang einräumen: unter anderem Eisen, Stahl, Aluminium, Textilien, Möbeln, Reifen, Waschmittel, Farbe, Schmierstoffen und Chemikalien.
Die neue Verordnung soll die Anforderungen an das Produktdesign in Bezug auf den CO2– und Umweltfußabdruck, die Energieeffizienz und Reparierbarkeit schärfen. Sie umfasst dabei eine größere Anzahl an Produkten als die bisherige Ökodesign-Richtlinie. Mit Ausnahme von Lebens- und Futtermitteln, Arzneimitteln und lebenden Organismen sollen die Anforderungen in Zukunft für alle Produktgruppen gelten. Für diese soll auch ein Digitaler Produktpass eingeführt werden, der Auskunft über Komponenten und Materialien sowie Reparierbarkeit, Ersatzteile und die fachgerechte Entsorgung eines Produkts gibt.
Der Rat hat bereits Ende Mai seinen Standpunkt angenommen, das EU-Parlament beschloss im Juli sein Verhandlungsmandat. “Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen dieser Legislatur“, sagte die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, Anna Cavazzini, nach der Abstimmung im Plenum. Die Verordnung werde “viele handfeste Verbesserungen für den Alltag von allen Verbraucherinnen und Verbrauchern und die Umwelt bringen”.
Auch die europäische Right to Repair-Kampagne und NGOs wie Germanwatch, PowerShift und der NABU sehen in dem neuen Gesetz großes Potenzial für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft in Europa. In einem Positionspapier forderten sie, die Ökodesign-Verordnung müsse jedoch auch eine Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs beinhalten und auf diese Weise den Critical Raw Materials Act ergänzen.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fordert, kritische Punkte noch einmal nachzuverhandeln. “Dazu gehören die gemeinsamen Kriterien für sich ähnelnde Produktgruppen insbesondere zur Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten”, erklärte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. “Wir plädieren hier schon lange dafür, dass es keinen ,One-size-fits-all-Ansatz’ geben darf.” Vielmehr brauche es produktspezifische Ökodesign-Anforderungen, um individuelle Merkmale und Besonderheiten der Produkte angemessen berücksichtigen zu können. So könne an den Erfolg der bisherigen Ökodesign-Richtlinie angeknüpft werden. leo
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den niederländischen Außenminister Wopke Hoekstra offiziell für den Posten des Klimakommissars vorgeschlagen. Das teilte die Brüsseler Behörde nach einem Treffen der beiden am Dienstagnachmittag mit. “Herr Hoekstra zeigte sich sehr motiviert für den Posten und zeigte großes Engagement für die Europäische Union. Außerdem verfügt er über einschlägige Berufserfahrung für diesen Posten”, heißt es in einem Statement von der Leyens.
Hoekstra soll für den Bereich der Klimapolitik zuständig sein, unter der Leitung des neuen Exekutivvizepräsidenten für den Green Deal, Maroš Šefčovič. Von der Leyen begründet die Ressortzuteilung mit Hoekstras Regierungserfahrung “insbesondere für die europäische Klimadiplomatie im Vorfeld der COP28 und für die Klimafinanzierung sowie für die Umsetzung klimarelevanter Rechtsinstrumente”.
Der 47-Jährige muss sich nun einer Befragung der Mitglieder des Umweltausschusses im EU-Parlament stellen. Anschließend stimmt das Plenum in einem geheimen Votum ab, ob es der Ernennung zustimmt oder nicht. Allerdings ist das Abstimmungsergebnis des Parlaments nicht bindend für die Kommission.
Das EP wird bei Nachbenennungen formal lediglich konsultiert, besitzt aber kein Mitspracherecht. Nur der Rat kann einer Nachbesetzung in der Kommission auch formal widersprechen.
Die Parlamentsabstimmung gilt dennoch als wichtiger Stimmungstest für die Nachfolge von Frans Timmermans. Die Sozialdemokraten haben bereits eine “harte Befragung” im Ausschuss angekündigt und erwägen auch, gegen ihn zu stimmen. Grund der Skepsis: Zum einen verfüge Hoekstra nicht über ausschlaggebende Erfahrungen im internationalen Klimageschäft und müsse sich erst einarbeiten. Zum anderen soll der Christdemokrat den Sozialdemokraten Timmermans ersetzen. Dies stößt vor allem nach der Gegenwehr der EVP bei wichtigen umweltpolitischen Gesetzesvorschlägen auf Kritik aus S&D-Kreisen.
“Die Klimakrise macht keine Pause, daher brauchen wir einen Kommissar, der sofort loslegen kann”, fordert der SPD-Umweltpolitiker Tiemo Wölken. Zudem solle der Klimakommissar eine Parteienfamilie im Rücken haben, die bis zur Wahl noch “wichtige Impulse in der Klimapolitik setzen kann, anstatt den Green Deal zu verwässern oder nur den Status Quo verwalten”. Auch Hoekstras Rolle als oberster EU-Klimadiplomat sieht Wölken kritisch: “Diese von den Konservativen geforderte Schaffung eines ‘Climate envoy’ wurde bisher von der Mehrheit im Parlament abgelehnt, da sie einer Klimapolitik aus einem Guss entgegensteht.”
Die EVP forderte nach den aus EU-Sicht schwachen Ergebnisse der COP27 in Sharm el-Sheikh einen “europäischen John Kerry”, der sich hauptamtlich um die internationalen Klimaverhandlungen kümmert. Zwischenzeitlich bekam die Forderung auch Unterstützung von Grünen Abgeordneten, wurde von der Kommission und dem Timmermans-Kabinett aber strikt abgelehnt. Hoekstra soll nun in leicht abgewandelter Weise ebendiese Rolle übernehmen.
Der Termin für die Anhörung Hoekstras im Umweltausschuss steht noch nicht fest. Das Plenum kommt am 11. September das erste Mal nach der Sommerpause zusammen. luk
Alberto Núñez Feijóo arbeitet weiter daran, eine Mehrheit als neuer Regierungschef in Spanien zu erlangen. Am heutigen Mittwoch trifft sich der Vorsitzende der Partido Popular (PP) mit dem Chef der Sozialisten, Pedro Sánchez. Das Treffen findet auf Initiative von Feijóo statt.
Sánchez hatte schließlich eingewilligt, mit Feijóo zu sprechen. Noch vor einem Monat hatte der amtierende Ministerpräsident jegliche Gespräche mit dem PP-Vorsitzenden abgelehnt. Nach den Ergebnissen der vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23. Juli war klar, dass keiner der beiden Politiker über die absolute Mehrheit verfügt, um als Ministerpräsident vereidigt zu werden.
Es wird nicht erwartet, dass das Treffen zu konkreten Ergebnissen führt. Viel eher wird mit einem Austausch von Vorwürfen gerechnet. Die Sozialisten kritisieren Feijóo dafür, dass er versucht, eine Regierung zu bilden, obwohl er nicht über die notwendigen Stimmen verfügt. Ihm fehlen vier Stimmen zu einer Mehrheit von 176 Sitzen. Die Sozialisten wollen auch, dass sich Feijóo bei Sánchez für seine Kritik während des Wahlkampfes “entschuldigt”.
Die Konservativen ihrerseits werfen Sánchez vor, dass er mit der Zustimmung einer ganzen Reihe von Regionalparteien Regierungschef werden will, darunter auch die separatistische Junts-Partei von Carles Puigdemont. Der ehemalige katalanische Regionalpräsident lebt inzwischen im Exil bei Brüssel.
In der vergangenen Woche haben Feijóo und führende PP-Politiker ihre Bereitschaft zum Dialog mit Puigdemonts Junts-Partei bestätigt. Die Konservativen erinnerten jedoch daran, dass Junts eine rechtsgerichtete Partei mit einer rechtsgerichteten Wirtschaftspolitik sei.
Feijóo betonte jedoch, er werde sich im Rahmen der Verfassung bewegen und dem Separatistenführer Puigdemont keine Amnestie gewähren. In einem Interview mit der Zeitung El Mundo sagte Feijóo am Sonntag: “Ich werde Junts anbieten, auf ihre Forderungen einzugehen und dabei die Verfassung zu respektieren”. Die PP in Katalonien hat diese Wendung der Parteiführung scharf kritisiert. Feijóo und die PP hatten einen Dialog mit Puigdemonts Junts-Partei zuvor ebenfalls strikt abgelehnt. Isabel Cuesta
Großbritannien verschiebt die vollständige Einführung von Einfuhrkontrollen für Waren aus der Europäischen Union um drei Monate. Starttermin solle nun der Januar 2024 sein, wie die Regierung am Dienstag in London ankündigte. Noch im April hatte sie erklärt, ab dem 31. Oktober Gesundheitszertifikate für einige tierische Produkte, Pflanzen sowie Lebens- und Futtermittel aus Europa zu verlangen. Die EU hat dagegen bereits Kontrollen für britische Waren eingeführt, was zu Verzögerungen und höheren Kosten führt.
Großbritannien hat den EU-Binnenmarkt im Januar 2021 verlassen, die vollständige Einführung von Grenzkontrollen aber aus Sorge vor Störungen an den Häfen und einem weiteren Befeuern der Inflation mehrmals verschoben.
Nach Anhörung der Wirtschaft habe man sich für den Aufschub entschieden, teilte die britische Regierung mit. Weitere Anforderungen – etwa Warenkontrollen und Sicherheitserklärungen – sollen schrittweise bis 2024 eingeführt werden. Der Starttermin für einige Bereiche, etwa die Kontrolle von tierischen Erzeugnissen und Pflanzen mit mittlerem Risiko, wird ebenfalls um drei Monate verschoben. Das soll den Unternehmen mehr Zeit zur Vorbereitung geben.
Das nun veröffentlichte neue Modell für die Grenzkontrollen sieht eine verbesserte Nutzung von Daten und Technologien vor. Auch soll Doppelarbeit beseitigt werden, um den bürokratischen Aufwand der Unternehmen bei der Einfuhr von Waren zu verringern. Diese Änderungen sollen die Kosten für Unternehmen um rund 520 Millionen Pfund (606 Millionen Euro) jährlich senken.
Geplant ist demnach auch ein Single-Trade-Window-System zur Vereinfachung und Straffung der Import- und Exportprozesse, sodass die Händler nur noch einmal Informationen einreichen müssen. “Die Unternehmen werden sich über diese Klarheit freuen, da sie sich auf die schwierige Umstellung auf ein digitales Handelssystem vorbereiten müssen”, sagte William Bain, Leiter des Bereichs Handelspolitik bei der britischen Handelskammer. “Das Entscheidende ist die Vorbereitung.” Die Unternehmen träfen langfristige Investitions- und Lieferkettenentscheidungen. Sie müssten darauf vertrauen können, dass die physische und digitale Infrastruktur rund um die britische Grenze rechtzeitig zur Verfügung stehe. rtr
Özlem Demirels Lieblingszitat ist “Wer nicht kämpft, hat bereits verloren”. Immer da, wo die Linken-Politikerin Ungerechtigkeit sieht, kämpft sie für ihre Überzeugung, die soziale Gerechtigkeit. Im Laufe ihrer Karriere haben sich die Orte von Demirels Kampf einige Male geändert.
Seit 2019 ist ihre zentrale Arena die Brüsseler “EU-Blase”. Demirel ist Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied der Fraktion der Linken (GUE/NGL). Erst kürzlich wurde sie erneut von ihrer Partei für die kommende Europawahl 2024 aufgestellt. Im Spitzenteam mit Martin Schirdewan und den parteilosen Carola Rackete und Gerhard Trabert steht sie auf Platz drei.
Eigentlich hatte die 39-jährige Demirel nie das Ziel gehabt, Berufspolitikerin zu werden. Geboren 1984 in der Türkei, zog sie im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. “Mein Vater war ein Linker und Kurde. Er wurde beim Militärputsch in der Türkei mehrmals verhaftet”, erinnert sich Demirel. Auf der Flucht vor der türkischen Regierung beantragte ihre Familie politisches Asyl in Deutschland.
“In meiner Kindheit hat mein Vater mir immer wieder gesagt, ich muss für meine Überzeugungen einstehen”, erzählt Demirel. “Auch wenn es Kraft und Muße kostet.” Dem Ratschlag ihres Vaters folgend, engagierte sie sich bereits als Schülerin politisch im Vorstand der Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalens. In dieser Rolle organisierte sie in den frühen 2000er Jahre Demonstrationen – gegen den Afghanistankrieg und gegen Studiengebühren. Nach der Schule studierte sie Politikwissenschaft an der Universität Bonn. Von 2010 bis 2017 zog Demirel dann für die Linke ins NRW-Landesparlament ein.
“Auch heute nehme ich kein Blatt vor den Mund”, sagt Demirel. Das sorgt für Gegenwind, im Parlament, manchmal auch in der eigenen Fraktion. Vor allem aber im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung. Dort unterscheiden sich ihre Überzeugungen oft mit denen ihrer Kolleginnen und Kollegen aus anderen Parteien. Besonders wenn es darum geht, wie die EU mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine umgeht.
“Im Ausschuss mache ich sozusagen die Opposition gegen alle anderen, die die EU zu einer Militär-Union umformen wollen”, sagt Demirel. Sie verurteile den russischen Angriffskrieg, fordere aber dringend eine Friedensinitiative. Auch die Linie der Nato kritisierte sie jüngst: Es brauche eine politische Lösung, keine weiteren Waffenpakete, damit der Krieg endlich aufhöre.
Neben der Geopolitik beschäftigt sich Demirel mit sozialer Gerechtigkeit. 2022 arbeitete sie aktiv an der von der EU beschlossenen Mindestlohn-Richtlinien mit. Damit die Richtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten durchgesetzt wird, brauche es laut Demirel aber stärkere Gewerkschaften, die sich für Tarifverträge einsetzen.
Der Politikerin ist es wichtig, sich außerhalb der “EU-Blase” zu bewegen. Besonders, um den Blick auf soziale Gerechtigkeit nicht zu verlieren. Bereits an ihrem ersten Tag in Brüssel habe sie zu ihrer Büromitarbeiterin gesagt, dass diese Blase nicht die echte Welt sei. “Mit dem Einkommen und allen Privilegien, die wir haben, sind wir weit entfernt von der Lebensrealität der meisten Menschen.”
Demirel versucht sich deshalb immer wieder bewusst zu machen, warum sie da ist, wo sie ist. “Es geht halt nicht um mich”, sagt Demirel, “sondern es geht um die Sache.” Dayan Djajadisastra
schwierige Diskussionen zur Hilfe für die Ukraine und auch zur Lage in Nordafrika sind garantiert: Die Verteidigungs- und Außenministerinnen kommen heute beziehungsweise morgen in Toledo unter spanischem Ratsvorsitz zu informellen Treffen zusammen. Im Fokus der Gespräche steht der Plan von Josep Borrell, die künftige Unterstützung der Ukraine auf eine stabile Basis zu stellen.
Der EU-Außenbeauftragte schlägt vor, der Ukraine für die kommenden vier Jahre insgesamt 20 Milliarden Euro zu garantieren, also jährlich Mittel von jeweils fünf Milliarden. Bisher hat die EU militärische Hilfe für Kiew über die sogenannte Friedensfazilität sichergestellt. Eine achte Tranche in der Höhe von 500 Millionen Euro wird von Ungarn jedoch seit Monaten blockiert.
Mit der neuen Basis für die Hilfe möchte Borrell nicht zuletzt ähnliche Erpressungsmanöver in Zukunft verhindern. Die Regierung von Viktor Orbán stellt die fortgesetzte Hilfe für die Ukraine aber grundsätzlich infrage.
Vorbehalte gegenüber Borrells Plan gibt es allerdings auch von einigen Nettozahlern in der EU. Dies vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission unter anderem wegen zusätzlicher Aufgaben bei der Migration und hoher Inflation auf zusätzliche 66 Milliarden Euro für die Finanzperiode von 2021 bis 2027 drängt. Deutschland und die Niederlande haben signalisiert, die militärische Hilfe für die Ukraine im Kontext der EU-Haushaltsverhandlungen diskutieren zu wollen.
In Toledo wird Verteidigungsminister Boris Pistorius, selbst wegen der Kabinettssitzung auf Schloss Meseberg verhindert, durch Staatssekretärin Siemtje Möller vertreten. Am Donnerstag nimmt Außenministerin Annalena Baerbock am Gymnich teil.
Die Bundesregierung will gemeinsam mit Frankreich auf größere Anstrengungen zum Bürokratieabbau auf EU-Ebene drängen. Man fordere die EU-Kommission auf, “einen ehrgeizigen Aktionsplan für kurzfristig umsetzbare Beschleunigungs- und Entlastungsmaßnahmen auszuarbeiten”, heißt es in einem Diskussionspapier für die Kabinettsklausur in Meseberg. Zudem brauche es für die kommenden Jahre eine ambitionierte Agenda, wie wichtige Investitionsvorhaben beschleunigt und Unternehmen und Verwaltungen entlastet werden könnten.
Das Papier stammt aus der Feder von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) und soll am Mittwoch in Meseberg beschlossen werden. Dort will die Ampel-Koalition auch die Eckpunkte eines weiteren nationalen Bürokratie-Entlastungsgesetzes verabschieden. “In Deutschland ist über die Jahrzehnte ein regelrechtes Bürokratie-Dickicht entstanden, das nur noch schwer zu durchdringen ist”, heißt es in einem gestern vorgelegten Zehn-Punkte-Papier für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Viele Regelungen aber hätten ihren Ursprung in Brüssel, meinen die Koalitionspartner. Daher wolle man entsprechende Äußerungen von Präsident Emmanuel Macron aufgreifen und “eine deutsch-französische Bürokratieentlastungsinitiative in der EU starten”. Diese könne der Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Welt einen Schub bringen und sei zugleich von geostrategischem Interesse. Man sei dazu in Kontakt mit Paris, heißt es in der Bundesregierung.
Macron hatte sich im Mai für eine Regulierungspause ausgesprochen, um die Industrie nicht zu überlasten. Der belgische Premier Alexander De Croo stieß etwas später ins gleiche Horn. Die EVP und dort insbesondere CDU/CSU drängen schon länger auf ein Belastungsmoratorium. So weit geht das von Habeck mit erarbeitete Papier aber nicht: “Wir wollen Beschleunigung und Entlastung schaffen, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten“, heißt es dort.
Habeck will vielmehr den Umstieg auf klimafreundliche und digitale Technologien erleichtern und zugleich der wachsenden Kritik aus der Wirtschaft an lähmenden Vorschriften begegnen. Eine ähnliche Stoßrichtung haben auch jüngste Vorstöße der EU-Kommission wie der Net-Zero Industry Act, der die Planungs- und Genehmigungsverfahren für grüne Investitionen in den Mitgliedstaaten beschleunigen soll.
Zudem hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Wettbewerbsfähigkeitsstrategie angekündigt, ein Viertel der durch EU-Vorgaben verursachten Berichtspflichten für Unternehmen beseitigen zu wollen. Ein Kommissionssprecher sagte auf Anfrage, die ersten Vorschläge im Herbst zielten auf die Bereiche Green Deal, Digitales und Wirtschaft.
Von der Leyen hatte zudem eine “One-in-one-out”-Regel verankert. Sie besagt, dass zusätzliche Lasten durch neue Kommissionsvorschläge durch Entlastungen im gleichen Politikbereich kompensiert werden sollen. Die Behörde werde dazu in ihrem Annual Burden Survey erstmals berichten, sagte der Sprecher. Mitte September will die Kommission zudem ein Entlastungspaket für kleine und mittelgroße Unternehmen vorlegen. Und sie hat den neuen Green-Deal-Koordinator Maroš Šefčovič beauftragt, das Gespräch mit Stakeholdern zu suchen.
Bei CDU/CSU wird aber bezweifelt, dass Habeck und Buschmann es wirklich ernst meinen. “Man muss den beiden Bundesministern dazu gratulieren, dass sie scheinbar endlich verstanden haben, dass die bürokratischen Belastungen für unsere Wirtschaft inzwischen ein teils unerträgliches Ausmaß erreicht haben”, ätzte Daniel Caspary, der Vorsitzende der CDU/CSU-Abgeordneten im Europaparlament.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Markus Ferber, kommentierte: “Die Ampel-Parteien haben in Brüssel noch jedes Mal die Hand gehoben, wenn über neue Bürokratiemonster wie ein europäisches Lieferkettengesetz oder vollkommen ausufernde Nachhaltigkeitsberichterstattung abgestimmt wurde.” Überdies würden EU-Gesetze in Deutschland regelmäßig so umgesetzt, dass sie mehr Aufwand als nötig für die Unternehmen verursachten.
Freya Lemcke, Leiterin der DIHK-Vertretung bei der EU, verwies darauf, dass eine Vielzahl an Regelungen wie die REACH-Verordnung, die Verpackungsrichtlinie oder Medizinprodukteverordnung von unnötiger Bürokratie befreit werden könnten. Zudem solle die “One-in-one-out”-Regel auf europäischer Ebene künftig konsequent von allen an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen angewendet werden. “Gerade der Mittelstand setzt daher große Hoffnungen in die aktuellen Initiativen der Bundesregierung und der EU-Kommission”, sagte sie.
Konkret schlagen Buschmann und Habeck eine Reihe von Maßnahmen vor:
Die Staatsbürgerschaft zu erhalten, das galt in Deutschland lange als Abschluss des Integrationsprozesses. In Zeiten des Arbeitskräftemangels und des demografischen Wandels wird sie aber zunehmend auch als Attraktivitätsfaktor gesehen. Nur wer auch eine realistische Perspektive zur Einbürgerung anbietet, ist für die gesuchten Talente auch wirklich attraktives Zielland.
“Für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland ist ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ein entscheidender Schlüssel”, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Kabinettsentwurfs vor einer Woche. Und Faeser verwies auch auf die innereuropäische Situation: “Im europäischen Vergleich liegen wir bei den Einbürgerungen deutlich hinter unseren Nachbarn.”
Tatsächlich gibt es einige Staaten in Europa, die deutlich mehr Staatsbürgerschaften vergeben. In der letzten verfügbaren europäischen Statistik für 2021 liegen Spanien (138.083), Frankreich (114.898) und Italien (109.552) deutlich vor der Bundesrepublik. Und dies trotz geringerer Einwohnerzahlen. Schweden (70.713) und die Niederlande (57.782) liegen in absoluten Zahlen direkt hinter dem viertplatzierten Deutschland (94.675), wobei auch diese beiden Länder deutlich weniger Einwohner haben. Es gibt allerdings auch Staaten, in denen Einbürgerungen so gut wie gar nicht stattfinden. Litauen etwa hatte 2021 nur 102 Einbürgerungen aufzuweisen, Estland ganze 375.
Wer dabei in den jeweiligen Ländern eingebürgert wird, unterscheidet sich stark. Als einziges Muster lässt sich quer durch die EU erkennen: Es gibt kein klares Muster, nur zeitliche, geografische und historische Bezüge.
Fast überall findet sich etwa in den 2021er-Zahlen eine kleine Gruppe an EU-Neubürgern, die vorher mit einem britischen Pass ausgestattet war, im Zuge des Brexits jedoch eine EU-Staatsbürgerschaft anstrebte. In Luxemburg etwa gehörte diese Gruppe zu den größten drei.
Auffällig ist die relativ große Zahl an russischen Staatsbürgern, die 2021 in der Republik Zypern (352) und Malta (116) eingebürgert wurden. Auch in China geborene Menschen gehörten in den beiden Staaten zu den größten drei Gruppen an neuen Staatsbürgern. Das liegt nicht zuletzt am hochumstrittenen sogenannten “Ius pecuniae” – der Verleihung der Staatsbürgerschaft als Gegenleistung für Investitionen. Doch auch in diesen beiden Ländern waren Staatsbürger aus dem Vereinigten Königreich in Folge des Brexits 2021 die jeweils größte Gruppe: ein voraussichtlich nur temporärer Effekt bei insgesamt geringen Zahlen.
Im europäischen Hightech-Melting-Pot Irland etwa finden sich Spuren von Einbürgerungen, die wohl in erster Linie auf die auch von Nancy Faeser beabsichtigte Attraktivität für Fachkräfte zurückzuführen sind. Immerhin 746 indische Staatsbürger erhielten dort 2021 die irische Staatsbürgerschaft. Irland gehört dabei wie Dänemark, Schweden, Griechenland, Italien, Portugal, Ungarn und einige weitere Staaten zu denjenigen EU-Mitgliedern, die Mehrfachstaatsbürgerschaften weitgehend erlauben.
Die restriktivsten Vorgaben zur Doppel- oder Mehrfachstaatsbürgerschaft in der EU weisen die Niederlande und Österreich auf. Im Regelfall ist diese dort nicht möglich. Spanien beschränkt die Möglichkeit auf Portugiesen und Franzosen sowie Passbürger ehemaliger spanischer Kolonien. Mit dem Kabinettsvorschlag würde Deutschland von der Zwischengruppe der Staaten mit vielen Einschränkungen in die Gruppe der Staaten mit Mehrfachstaatsbürgerschaft wechseln.
Doch bereits heute gibt es viele davon in Deutschland. Seit Mai liegen die Einbürgerungszahlen für das Jahr 2022 vor. Die größte Gruppe sind aus Syrien zugewanderte Menschen: Von 168.500 im vergangenen Jahr insgesamt Eingebürgerten waren 48.300 syrische Staatsbürger. Eine Folge der Zuwanderung aus dem Bürgerkriegsland nach 2014, die die Kriterien des bisher geltenden Staatsbürgerschaftsrechts nun zunehmend erfüllen.
Denn nach acht Jahren Daueraufenthalt können auch bisher schon dauerhaft ansässige Ausländer zu Deutschen werden. Wenn besondere Integrationsleistungen vorliegen, geht das auch bereits nach sechs, was für mehr als ein Viertel dieser Gruppe zutraf. Bei der großen Gruppe der Syrer tritt die Doppelstaatsangehörigkeit fast automatisch ein: Assads Folterstaat entlässt seine Bürger formal nur in wenigen Fällen aus der eigenen Staatsbürgerschaft.
Die zweitgrößte Gruppe in Deutschland (14.235) hatte zuvor einen türkischen Pass. Bei dieser fällt vor allem auf, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer mit mehr als 24 Jahren vor der Einbürgerung enorm lang war. Der Rest verteilt sich auf kleinere Gruppen an Neudeutsche aus verschiedenen Ländern – etwa Ukrainerinnen, die zwei Drittel der 5.665 Neubürger aus diesem Land ausmachten.
Was diese Realität im von der Innenministerin ausgerufenen Wettbewerb um die attraktivsten Bedingungen als Pass-Standort bedeutet? Der Effekt wird wohl deutlich kleiner sein, als erhofft. Für die Attraktivität dürfte stattdessen ein ganz anderer Wert relevant sein, der in Europa statistisch nicht zentral erfasst wird: Die Verfahrensdauer. In Schweden etwa werden 75 Prozent der Einbürgerungsverfahren in gut zweieinhalb Jahren entschieden, in Irland dauert das Verfahren laut Einwanderungsbehörde derzeit durchschnittlich etwa 19 Monate ab vollständiger Antragstellung.
In Deutschland hingegen hängt die Dauer in erster Linie von den Kapazitäten der zuständigen Kommunalbehörde ab. Zentral erfasst wird die Dauer statistisch nicht. Dass sie aber bei vielen Kommunen derzeit sehr lang ist, bestätigen diese unumwunden. Teilweise dauern die Verfahren mehrere Jahre, auch in einfach gelagerten Fällen.
Was der Gesetzentwurf der Bundesregierung aber – trotz entsprechender Forderungen – nicht vorsieht: Einen klaren gesetzlichen Fristenrahmen, an den sich auch die deutschen Ämter halten müssten. Die “Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse”, wie es im Staatsangehörigkeitsgesetz heißt, beginnt mit langen Wartezeiten.
Ein subventionierter Industriestrompreis, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert, müsste von der Kommission genehmigt werden und würde in Brüssel auf Widerstand stoßen. Das geht aus der Antwort von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager auf eine Anfrage des Binnenmarktexperten Andreas Schwab (CDU) hervor, die Table.Media vorliegt.
Die Kommission stellt in der Antwort zunächst fest, dass die Bundesregierung sich von der Kommission den Industriestrompreis genehmigen lassen müsste: “Stellt eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne des EU-Rechts dar, muss sie grundsätzlich von dem betreffenden Mitgliedstaat bei der Kommission angemeldet werden, bevor Beihilfen an Beihilfeempfänger gewährt werden.”
Schwab kritisiert, dass Habeck bislang nichts unternommen habe, um die Pläne für den Industriestrompreis in Brüssel anzumelden. “Die Bundesregierung lässt die Industrie im Stich”, sagte der Europaabgeordnete zu Table.Media. “Wir führen eine Scheindebatte, denn bislang hat das BMWK keine beihilferechtliche Klärung mit der EU-Kommission angestrebt.”
Die Kommission macht in ihrer Antwort zudem deutlich, dass sie einen Industriestrompreis und damit die Pläne Habecks ablehnt. Sie verweist auf ihre Antwort auf eine Anfrage aus 2021, in der sie Gründe gegen einen subventionierten Industriestrompreis anführt. Darin heißt es: “Das grundlegende Problem einer jeden Form von Preisregulierung auf Strommärkten, sei es auf nationaler oder EU-Ebene, besteht darin, dass ein regulierter Preis rasche Veränderungen von Angebot und Nachfrage nicht so dynamisch widerspiegeln kann wie ein Markt.”
Zudem würde ein regulierter Festpreis Verbrauchern die Möglichkeit nehmen, durch nachfrageseitige Steuerung am Markt teilzunehmen. Die Kommission kommt zu dem Urteil: “Deshalb ist Preisregulierung für Industriekunden nach dem EU-Energierecht ausdrücklich verboten.” Schwab meint dazu: “Die Kommission betonte, dass die Förderung des Wettbewerbs letztendlich im Interesse der Industriekunden liegt.” Diese Ansicht teile er, da ansonsten der Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrt werde.
Eine Ausnahme seien Beihilfemaßnahmen, die unter Gruppenfreistellungen fallen, was aber beim geplanten Brückenstrompreis nicht der Fall sei. Die Kommission macht denn auch in ihrer Antwort ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen den Plänen von Habeck zum Industriestrompreis und der bis Ende des Jahres geltenden Regelung zur “Eindämmung der Erdgas-, Wärme- und Stromkosten”. mgr
Am heutigen Mittwoch beginnen die Trilog-Verhandlungen zur neuen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte. EU-Parlament, Rat und Kommission werden in dieser ersten Sitzung eine allgemeine Aussprache abhalten und ihre Prioritäten vorstellen.
Die Verhandlungen sind eine der Prioritäten der spanischen Ratspräsidentschaft. Knackpunkte werden unter anderem das Verbot geplanter Obsoleszenz sowie das Verbot der Zerstörung unverkaufter Produkte sein. Der Rat konnte sich lediglich auf Textilien und Schuhe einigen, während das Parlament fordert, auch Elektroprodukte in das Verbot einzubeziehen. Der Rat wiederum will Fahrzeuge von der Verordnung ausnehmen. Das Parlament will zudem einer Reihe von Produktgruppen Vorrang einräumen: unter anderem Eisen, Stahl, Aluminium, Textilien, Möbeln, Reifen, Waschmittel, Farbe, Schmierstoffen und Chemikalien.
Die neue Verordnung soll die Anforderungen an das Produktdesign in Bezug auf den CO2– und Umweltfußabdruck, die Energieeffizienz und Reparierbarkeit schärfen. Sie umfasst dabei eine größere Anzahl an Produkten als die bisherige Ökodesign-Richtlinie. Mit Ausnahme von Lebens- und Futtermitteln, Arzneimitteln und lebenden Organismen sollen die Anforderungen in Zukunft für alle Produktgruppen gelten. Für diese soll auch ein Digitaler Produktpass eingeführt werden, der Auskunft über Komponenten und Materialien sowie Reparierbarkeit, Ersatzteile und die fachgerechte Entsorgung eines Produkts gibt.
Der Rat hat bereits Ende Mai seinen Standpunkt angenommen, das EU-Parlament beschloss im Juli sein Verhandlungsmandat. “Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen dieser Legislatur“, sagte die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, Anna Cavazzini, nach der Abstimmung im Plenum. Die Verordnung werde “viele handfeste Verbesserungen für den Alltag von allen Verbraucherinnen und Verbrauchern und die Umwelt bringen”.
Auch die europäische Right to Repair-Kampagne und NGOs wie Germanwatch, PowerShift und der NABU sehen in dem neuen Gesetz großes Potenzial für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft in Europa. In einem Positionspapier forderten sie, die Ökodesign-Verordnung müsse jedoch auch eine Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs beinhalten und auf diese Weise den Critical Raw Materials Act ergänzen.
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) fordert, kritische Punkte noch einmal nachzuverhandeln. “Dazu gehören die gemeinsamen Kriterien für sich ähnelnde Produktgruppen insbesondere zur Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten”, erklärte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. “Wir plädieren hier schon lange dafür, dass es keinen ,One-size-fits-all-Ansatz’ geben darf.” Vielmehr brauche es produktspezifische Ökodesign-Anforderungen, um individuelle Merkmale und Besonderheiten der Produkte angemessen berücksichtigen zu können. So könne an den Erfolg der bisherigen Ökodesign-Richtlinie angeknüpft werden. leo
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den niederländischen Außenminister Wopke Hoekstra offiziell für den Posten des Klimakommissars vorgeschlagen. Das teilte die Brüsseler Behörde nach einem Treffen der beiden am Dienstagnachmittag mit. “Herr Hoekstra zeigte sich sehr motiviert für den Posten und zeigte großes Engagement für die Europäische Union. Außerdem verfügt er über einschlägige Berufserfahrung für diesen Posten”, heißt es in einem Statement von der Leyens.
Hoekstra soll für den Bereich der Klimapolitik zuständig sein, unter der Leitung des neuen Exekutivvizepräsidenten für den Green Deal, Maroš Šefčovič. Von der Leyen begründet die Ressortzuteilung mit Hoekstras Regierungserfahrung “insbesondere für die europäische Klimadiplomatie im Vorfeld der COP28 und für die Klimafinanzierung sowie für die Umsetzung klimarelevanter Rechtsinstrumente”.
Der 47-Jährige muss sich nun einer Befragung der Mitglieder des Umweltausschusses im EU-Parlament stellen. Anschließend stimmt das Plenum in einem geheimen Votum ab, ob es der Ernennung zustimmt oder nicht. Allerdings ist das Abstimmungsergebnis des Parlaments nicht bindend für die Kommission.
Das EP wird bei Nachbenennungen formal lediglich konsultiert, besitzt aber kein Mitspracherecht. Nur der Rat kann einer Nachbesetzung in der Kommission auch formal widersprechen.
Die Parlamentsabstimmung gilt dennoch als wichtiger Stimmungstest für die Nachfolge von Frans Timmermans. Die Sozialdemokraten haben bereits eine “harte Befragung” im Ausschuss angekündigt und erwägen auch, gegen ihn zu stimmen. Grund der Skepsis: Zum einen verfüge Hoekstra nicht über ausschlaggebende Erfahrungen im internationalen Klimageschäft und müsse sich erst einarbeiten. Zum anderen soll der Christdemokrat den Sozialdemokraten Timmermans ersetzen. Dies stößt vor allem nach der Gegenwehr der EVP bei wichtigen umweltpolitischen Gesetzesvorschlägen auf Kritik aus S&D-Kreisen.
“Die Klimakrise macht keine Pause, daher brauchen wir einen Kommissar, der sofort loslegen kann”, fordert der SPD-Umweltpolitiker Tiemo Wölken. Zudem solle der Klimakommissar eine Parteienfamilie im Rücken haben, die bis zur Wahl noch “wichtige Impulse in der Klimapolitik setzen kann, anstatt den Green Deal zu verwässern oder nur den Status Quo verwalten”. Auch Hoekstras Rolle als oberster EU-Klimadiplomat sieht Wölken kritisch: “Diese von den Konservativen geforderte Schaffung eines ‘Climate envoy’ wurde bisher von der Mehrheit im Parlament abgelehnt, da sie einer Klimapolitik aus einem Guss entgegensteht.”
Die EVP forderte nach den aus EU-Sicht schwachen Ergebnisse der COP27 in Sharm el-Sheikh einen “europäischen John Kerry”, der sich hauptamtlich um die internationalen Klimaverhandlungen kümmert. Zwischenzeitlich bekam die Forderung auch Unterstützung von Grünen Abgeordneten, wurde von der Kommission und dem Timmermans-Kabinett aber strikt abgelehnt. Hoekstra soll nun in leicht abgewandelter Weise ebendiese Rolle übernehmen.
Der Termin für die Anhörung Hoekstras im Umweltausschuss steht noch nicht fest. Das Plenum kommt am 11. September das erste Mal nach der Sommerpause zusammen. luk
Alberto Núñez Feijóo arbeitet weiter daran, eine Mehrheit als neuer Regierungschef in Spanien zu erlangen. Am heutigen Mittwoch trifft sich der Vorsitzende der Partido Popular (PP) mit dem Chef der Sozialisten, Pedro Sánchez. Das Treffen findet auf Initiative von Feijóo statt.
Sánchez hatte schließlich eingewilligt, mit Feijóo zu sprechen. Noch vor einem Monat hatte der amtierende Ministerpräsident jegliche Gespräche mit dem PP-Vorsitzenden abgelehnt. Nach den Ergebnissen der vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23. Juli war klar, dass keiner der beiden Politiker über die absolute Mehrheit verfügt, um als Ministerpräsident vereidigt zu werden.
Es wird nicht erwartet, dass das Treffen zu konkreten Ergebnissen führt. Viel eher wird mit einem Austausch von Vorwürfen gerechnet. Die Sozialisten kritisieren Feijóo dafür, dass er versucht, eine Regierung zu bilden, obwohl er nicht über die notwendigen Stimmen verfügt. Ihm fehlen vier Stimmen zu einer Mehrheit von 176 Sitzen. Die Sozialisten wollen auch, dass sich Feijóo bei Sánchez für seine Kritik während des Wahlkampfes “entschuldigt”.
Die Konservativen ihrerseits werfen Sánchez vor, dass er mit der Zustimmung einer ganzen Reihe von Regionalparteien Regierungschef werden will, darunter auch die separatistische Junts-Partei von Carles Puigdemont. Der ehemalige katalanische Regionalpräsident lebt inzwischen im Exil bei Brüssel.
In der vergangenen Woche haben Feijóo und führende PP-Politiker ihre Bereitschaft zum Dialog mit Puigdemonts Junts-Partei bestätigt. Die Konservativen erinnerten jedoch daran, dass Junts eine rechtsgerichtete Partei mit einer rechtsgerichteten Wirtschaftspolitik sei.
Feijóo betonte jedoch, er werde sich im Rahmen der Verfassung bewegen und dem Separatistenführer Puigdemont keine Amnestie gewähren. In einem Interview mit der Zeitung El Mundo sagte Feijóo am Sonntag: “Ich werde Junts anbieten, auf ihre Forderungen einzugehen und dabei die Verfassung zu respektieren”. Die PP in Katalonien hat diese Wendung der Parteiführung scharf kritisiert. Feijóo und die PP hatten einen Dialog mit Puigdemonts Junts-Partei zuvor ebenfalls strikt abgelehnt. Isabel Cuesta
Großbritannien verschiebt die vollständige Einführung von Einfuhrkontrollen für Waren aus der Europäischen Union um drei Monate. Starttermin solle nun der Januar 2024 sein, wie die Regierung am Dienstag in London ankündigte. Noch im April hatte sie erklärt, ab dem 31. Oktober Gesundheitszertifikate für einige tierische Produkte, Pflanzen sowie Lebens- und Futtermittel aus Europa zu verlangen. Die EU hat dagegen bereits Kontrollen für britische Waren eingeführt, was zu Verzögerungen und höheren Kosten führt.
Großbritannien hat den EU-Binnenmarkt im Januar 2021 verlassen, die vollständige Einführung von Grenzkontrollen aber aus Sorge vor Störungen an den Häfen und einem weiteren Befeuern der Inflation mehrmals verschoben.
Nach Anhörung der Wirtschaft habe man sich für den Aufschub entschieden, teilte die britische Regierung mit. Weitere Anforderungen – etwa Warenkontrollen und Sicherheitserklärungen – sollen schrittweise bis 2024 eingeführt werden. Der Starttermin für einige Bereiche, etwa die Kontrolle von tierischen Erzeugnissen und Pflanzen mit mittlerem Risiko, wird ebenfalls um drei Monate verschoben. Das soll den Unternehmen mehr Zeit zur Vorbereitung geben.
Das nun veröffentlichte neue Modell für die Grenzkontrollen sieht eine verbesserte Nutzung von Daten und Technologien vor. Auch soll Doppelarbeit beseitigt werden, um den bürokratischen Aufwand der Unternehmen bei der Einfuhr von Waren zu verringern. Diese Änderungen sollen die Kosten für Unternehmen um rund 520 Millionen Pfund (606 Millionen Euro) jährlich senken.
Geplant ist demnach auch ein Single-Trade-Window-System zur Vereinfachung und Straffung der Import- und Exportprozesse, sodass die Händler nur noch einmal Informationen einreichen müssen. “Die Unternehmen werden sich über diese Klarheit freuen, da sie sich auf die schwierige Umstellung auf ein digitales Handelssystem vorbereiten müssen”, sagte William Bain, Leiter des Bereichs Handelspolitik bei der britischen Handelskammer. “Das Entscheidende ist die Vorbereitung.” Die Unternehmen träfen langfristige Investitions- und Lieferkettenentscheidungen. Sie müssten darauf vertrauen können, dass die physische und digitale Infrastruktur rund um die britische Grenze rechtzeitig zur Verfügung stehe. rtr
Özlem Demirels Lieblingszitat ist “Wer nicht kämpft, hat bereits verloren”. Immer da, wo die Linken-Politikerin Ungerechtigkeit sieht, kämpft sie für ihre Überzeugung, die soziale Gerechtigkeit. Im Laufe ihrer Karriere haben sich die Orte von Demirels Kampf einige Male geändert.
Seit 2019 ist ihre zentrale Arena die Brüsseler “EU-Blase”. Demirel ist Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied der Fraktion der Linken (GUE/NGL). Erst kürzlich wurde sie erneut von ihrer Partei für die kommende Europawahl 2024 aufgestellt. Im Spitzenteam mit Martin Schirdewan und den parteilosen Carola Rackete und Gerhard Trabert steht sie auf Platz drei.
Eigentlich hatte die 39-jährige Demirel nie das Ziel gehabt, Berufspolitikerin zu werden. Geboren 1984 in der Türkei, zog sie im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. “Mein Vater war ein Linker und Kurde. Er wurde beim Militärputsch in der Türkei mehrmals verhaftet”, erinnert sich Demirel. Auf der Flucht vor der türkischen Regierung beantragte ihre Familie politisches Asyl in Deutschland.
“In meiner Kindheit hat mein Vater mir immer wieder gesagt, ich muss für meine Überzeugungen einstehen”, erzählt Demirel. “Auch wenn es Kraft und Muße kostet.” Dem Ratschlag ihres Vaters folgend, engagierte sie sich bereits als Schülerin politisch im Vorstand der Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalens. In dieser Rolle organisierte sie in den frühen 2000er Jahre Demonstrationen – gegen den Afghanistankrieg und gegen Studiengebühren. Nach der Schule studierte sie Politikwissenschaft an der Universität Bonn. Von 2010 bis 2017 zog Demirel dann für die Linke ins NRW-Landesparlament ein.
“Auch heute nehme ich kein Blatt vor den Mund”, sagt Demirel. Das sorgt für Gegenwind, im Parlament, manchmal auch in der eigenen Fraktion. Vor allem aber im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung. Dort unterscheiden sich ihre Überzeugungen oft mit denen ihrer Kolleginnen und Kollegen aus anderen Parteien. Besonders wenn es darum geht, wie die EU mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine umgeht.
“Im Ausschuss mache ich sozusagen die Opposition gegen alle anderen, die die EU zu einer Militär-Union umformen wollen”, sagt Demirel. Sie verurteile den russischen Angriffskrieg, fordere aber dringend eine Friedensinitiative. Auch die Linie der Nato kritisierte sie jüngst: Es brauche eine politische Lösung, keine weiteren Waffenpakete, damit der Krieg endlich aufhöre.
Neben der Geopolitik beschäftigt sich Demirel mit sozialer Gerechtigkeit. 2022 arbeitete sie aktiv an der von der EU beschlossenen Mindestlohn-Richtlinien mit. Damit die Richtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten durchgesetzt wird, brauche es laut Demirel aber stärkere Gewerkschaften, die sich für Tarifverträge einsetzen.
Der Politikerin ist es wichtig, sich außerhalb der “EU-Blase” zu bewegen. Besonders, um den Blick auf soziale Gerechtigkeit nicht zu verlieren. Bereits an ihrem ersten Tag in Brüssel habe sie zu ihrer Büromitarbeiterin gesagt, dass diese Blase nicht die echte Welt sei. “Mit dem Einkommen und allen Privilegien, die wir haben, sind wir weit entfernt von der Lebensrealität der meisten Menschen.”
Demirel versucht sich deshalb immer wieder bewusst zu machen, warum sie da ist, wo sie ist. “Es geht halt nicht um mich”, sagt Demirel, “sondern es geht um die Sache.” Dayan Djajadisastra