Table.Briefing: Europe

Bilaterale Sondierungen vor Abschluss + Euro-7-Abgasnorm + Data Governance Act

  • Sondierungsgespräche: Schnupper-Phase endet am Dienstag
  • Konflikt um Euro-7-Abgasnorm geht in nächste Runde
  • Rat verabschiedet Position zum Data Governance Act
  • Österreichs Koalition beschließt Steuerreform mit CO2-Bepreisung
  • Renew Europe-Fraktionsvorsitzender Cioloş tritt zurück
  • COP26-Präsident betont neue Dringlichkeit in der Klimafrage
  • Hoyer (EIB) im Standpunkt: Weltweite Investitionen nur in saubere Energie
Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie reden miteinander, nicht übereinander – und auch nicht über Inhalte. Dieses Versprechen haben die bilateralen Gespräche zwischen SPD, FDP und Grünen bislang erfüllen können. Und auch CDU, CSU und FDP sprachen erstmals miteinander – doch ein wichtiges Gespräch steht noch aus. Den Stand der Sondierungen analysiert Falk Steiner.

Die neue Euro-7-Abgasnorm will die Europäische Kommission noch dieses Jahr festlegen. Folgt sie den Empfehlungen des CLOVE-Berichts, wird sie vor allem die Testbedingungen, unter denen der Schadstoffausstoß von Pkw und Lkw gemessen wird, verschärfen. Lukas Scheid analysiert, warum ein erneuter Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform programmiert ist.

Auf einen neuen Konflikt muss sich auch Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš einstellen: Kurz vor den tschechischen Parlamentswahlen nächsten Freitag und Samstag gerät er erneut in Erklärungsnot. Die “Pandora Papers” enthüllen, wie Babiš 2009 ein Schloss und Ländereien in Südfrankreich im Wert von 15 Millionen Euro durch eine intransparente Offshore-Konstruktion erworben hat. Der Vorwurf der Geldwäsche liegt nahe.

Babiš’ selbsternanntes Image als Kämpfer für Transparenz und gegen Korruption verliert so weiter an Glaubwürdigkeit. Die europäische Staatsanwaltschaft EPPO ermittelt bereits wegen eines Interessenkonflikts im Zusammenhang mit Babiš’ Firma Agrofert gegen den Multimilliardär.

Ihre
Jasmin Kohl
Bild von Jasmin  Kohl

Analyse

Sondierungsgespräche: Schnupper-Phase endet am Dienstag

Eine Woche nach der Bundestagswahl steht eines fest: Es wurde und wird auch weiter miteinander gesprochen. Die Sondierungsgruppen von SPD und FDP, CDU/CSU und FDP, SPD und Grünen trafen sich am Sonntagnachmittag und Sonntagabend in Berlin. Damit sind nach den ersten Sondierungsgesprächen zwischen den beiden Kanzlermacherparteien auch die beiden möglichen größeren Partner einbezogen.

Nur eine Gesprächskonstellation fehlt noch: Die Grünen treffen am Dienstag erstmals auf die beiden Unionsparteien zur möglichen Bildung der Vier-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen. Die anderen Parteien haben bisher keinen weiteren bilateralen Gesprächsbedarf angemeldet.

Union schwer berechenbar

Nach dem desolaten Wahlergebnis versuchen die Unionsparteien über die schwelenden parteiinternen Konflikte hinwegzugehen – auch, um über den Erhalt des Kanzleramtes und damit vieler Posten für die Union einen Teil der internen Streitigkeiten zudecken und befrieden zu können. Für Armin Laschet geht es am Dienstag damit um die letzte Chance, politisch vielleicht doch noch überleben zu können. Im Fall der Oppositionsbank droht vor allem in der CDU ein Richtungs- und Personenstreit, der die Partei für Monate, vielleicht Jahre in den Krisenmodus stürzen könnte und bis nah an die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im kommenden Frühjahr andauern könnte, wo Armin Laschet bislang mit der FDP regierte.

FDP muss sich entscheiden

Viel hängt also von den Liberalen ab, die programmatisch den Unionsparteien nähersteht, sich aber auch nicht auf Gedeih und Verderb an den Partner mit ungewisser Zukunft klammern will. Entsprechend klassifizierte deren Generalsekretär Volker Wissing die Gespräche zwischen FDP und C-Parteivertretern am Abend so: Es gebe wenige programmatische Klippen mit der Union. Von deren Personalfragen nehme man zwar Kenntnis, mache aber seine Präferenz von Inhalten und nicht von Personal abhängig, so der FDP-Generalsekretär. Die Generalsekretäre Markus Blume (CSU) und Paul Ziemiak (CDU) betonten die inhaltliche Übereinstimmung.

Mit der SPD hatte sich die Gesandtschaft der Liberalen am Sonntag ebenfalls erstmals zusammengefunden. Ein “konstruktives Miteinander”, hieß es von FDP-Seite. Im Wissen um die Differenzen habe man den Anspruch, eine Reformregierung zu bilden. SPD-Generalsekretär Klingbeil betonte, dass es Einigkeit zwischen allen Gesprächspartnern über “großen Veränderungsbedarf”, insbesondere “bei den Themen Klimaschutz, Digitalisierung und der Modernisierung des Staates” gebe.

Erkennbarkeit und Beinfreiheit maßgeblich

Über die konkreten Inhalte hatten alle Gesprächspartner Stillschweigen vereinbart – und scheinen sich, zumindest bislang, auch daranzuhalten. Vor allem Grüne und FDP benötigen in der für sie jeweils ferner liegenden Konstellation deutliche Leuchttürme und Beinfreiheit, um Sondierungen über unbeliebtere Bündnisse überhaupt parteiintern vertreten zu können. Doch zumindest die Differenzen innerhalb der Ampel-Variante scheinen nach den bilateralen Vorgesprächen nicht unüberbrückbar – ob dies für Jamaika auch gilt, hängt nun vor allem vom Dienstags-Gespräch zwischen Union und Grünen ab.

Für die FDP steht vor der Aufnahme erster Mehrparteien-Sondierungsgespräche nur noch ein Schritt: Nachdem man sich nun mit allen potenziellen Koalitionspartnern getroffen habe, wolle man die Gespräche intern auswerten und dann die nächsten Schritte angehen. “Wir haben kein Interesse an irgendeiner Hängepartie”, sagte Wissing. Ähnlich äußerten sich die Grünen: Nach dem Gespräch mit CDU und CSU-Emisssären wolle man sich intern beraten und die nächsten Schritte entscheiden. Bereits in der zweiten Wochenhälfte könnten diese dann beginnen.

  • Bundestagswahl
  • Deutschland
  • Digitalpolitik
  • Europapolitik
  • Green Deal

Euro-7-Abgasnorm: Konflikt geht in die nächste Runde

Zur Erinnerung: Als das Consortium for ultra Low Vehicle Emissions (CLOVE), ein von der EU-Kommission beauftragtes wissenschaftliches Beratungsgremium, Ende 2020 seinen Bericht mit Möglichkeiten für eine neue Euro-7-Abgasnorm vorlegte, liefen beide Seiten der Debatte umgehend Sturm. Die Autoindustrie (ACEA) sowie konservative Politiker:innen sahen in dem Papier zur Euro-7-Abgasnorm ein faktisches Aus des Verbrennermotors, da sie die vorgeschlagenen Grenzwerte als technisch nicht umsetzbar einschätzten. Umweltpolitiker:innen dagegen forderten möglichst strenge Standards, damit die Schadstoff-Emissionen im Straßenverkehr (etwa ein Drittel der Gesamtemissionen der EU) schleunigst sinken.

Der CLOVE-Bericht war der Auftakt einer Diskussion, die seit dem Frühjahr zwar etwas abgeflaut ist, aber schon bald wieder aufbranden dürfte. Denn noch in diesem Jahr – voraussichtlich im Dezember – will die EU-Kommission ihren Reform-Vorschlag zur Euro-7-Abgasnorm vorlegen. Folgt sie den Empfehlungen des Berichts, würden nicht so sehr die Grenzwerte verschärft werden, sondern die Testbedingungen, unter denen der Schadstoffausstoß von Pkw und Lkw festgestellt wird.

Unter anderem könnte das Fenster der Außentemperatur bei den Tests erweitert werden, um noch mehr Klimaszenarien in die Grenzwerte mit einzuschließen. Außerdem soll auch der Ausstoß von Ammoniak, Lachgas und Methan Grenzwerte erhalten. Ein besonders großer Dorn im Auge der Automobilindustrie war zunächst eine mögliche Ausweitung der Grenzwerte auf alle Zeitpunkte der Nutzung. Dies hätte laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) bedeutet, dass beim Kaltstart des Motors, beim Anfahren am Berg sowie beim Fahren mit Anhänger die gleichen Grenzwerte angelegt werden müssten. Diese Pläne seien laut Branchen-Insidern allerdings mittlerweile wieder vom Tisch.

T&E erhebt schwere Vorwürfe

Wenn auch nicht offiziell, ist die Reform der Euro-7-Abgasnormen indirekt Teil des Fit-for-55-Pakets, welches unter anderem darauf abzielt, Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren. Die ohnehin angezogenen CO2-Flottengrenzwerte würden durch eine neue Abgasnorm flankiert werden und dafür sorgen, dass nicht nur CO2, sondern auch andere klimaschädliche Treibhausgase reduziert werden, so die Hoffnung.

Ein erneuter Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Euro-7-Abgasnorm ist allerdings programmiert, denn nach dem Kommissionsvorschlag ist vor den Änderungsanträgen des Parlaments und der Mitgliedstaaten. Je nachdem, wie sich die Kommission die neue Norm vorstellt, werden abermals beide Seiten für ihre Positionen kämpfen. Die erste Runde wurde bereits eingeläutet.

Ende September veröffentlichte Transport & Environment (T&E), der Dachverband einiger europäischer Verkehrs- und Umweltorganisationen, eine Liste mit sieben “dirty Tricks”, mit denen die Autoindustrie gegen zu strenge Grenzwerte durch die Euro-7-Abgasnorm ankämpfe. Unter anderem heißt es darin, dass die drei deutschen Autohersteller VW, Daimler und BMW sowie deren europäischer Dachverband ACEA im Jahr 2020 insgesamt neun Millionen Euro für Lobbyarbeit in Brüssel ausgegeben hätten, um Vorschriften für saubere Autos abzuschwächen. Die Zahlen stammen aus dem EU-Transparenzregister und konnten von Europe.Table nachvollzogen werden. Der Zweck des Geldes ist dort allerdings nicht genau definiert.

T&E ist zudem der Auffassung, eine neue Norm nach den CLOVE-Empfehlungen käme keineswegs einem faktischen Verbrennerverbot gleich. Die CLOVE-Vorschläge seien unter der Voraussetzung zusammengestellt worden, dass sie technisch sowie ökonomisch umsetzbar sind. Auch die EU-Kommission hat die schlimmsten Befürchtungen der Industrie bereits beschwichtigt. Die neue Euro-7-Abgasnorm solle kein Verbot des Verbrenners bedeuten, hieß es schon im April.

VDA bleibt skeptisch

Doch weil es seitdem keinen neuen Stand der Kommission zu vermelden gab, bleibt unter anderem der VDA nach wie vor skeptisch. Ein Verbot des Verbrennermotors durch die Hintertür lasse sich weiterhin nicht ausschließen, erklärte ein VDA-Sprecher. T&E wittert hinter solchen Aussagen allerdings eine konzertierte Aktion von Interessensvertretern der Automobilindustrie, die Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen wolle, indem sie die Angst vor drastischen Jobverlusten an den Produktionsstandorten aufrechterhalten.

Dass die Industrie nach wie vor alarmiert bleibt, ist nachvollziehbar, da eine Reform der Euro-7-Abgasnorm mit enormem Entwicklungsaufwand verbunden ist und Geld kostet. Allerdings steht auf der anderen Seite der dringende Bedarf, Emissionen möglichst schnell und effektiv zu senken. Dass Grenzwerte für Abgase dazu beitragen können – daran besteht kein Zweifel. Auch der VDA bezeichnet die Euro-Normen als “wirksames Instrument zur Verbesserung der Luftqualität in Städten”, das sich an den Luftqualitätszielen der EU messen lassen müsse. Die Reform solle jedoch vor allem die Gesetzgebung klarer machen, sie entschlacken und auf neue technologische Entwicklungen hin ausrichten.

Konfliktfreie Ausgestaltung der Euro-7-Abgasnorm nicht zu erwarten

Nach Aussagen der zuständigen Kommissare ist jedoch fraglos, dass die Reform eindeutig auf strengere Grenzwerte abzielt. Umwelt-Kommissar Frans Timmermans will eine “harte Abgasnorm”, und auch Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton kündigte ambitionierte, wenn auch realistische Normen an.

Allerdings war sich die Kommission bei Fragen der Zukunft des Verbrenners in der Vergangenheit häufiger uneins. Breton hat sich gegen ein festes Datum für den Verbrenner-Ausstieg ausgesprochen, im Fit-for-55-Paket ist es jedoch fest vorgesehen. Und erst vergangene Woche warb Verkehrskommissarin Adina Vălean ebenfalls für das Verbrenner-Aus (Europe.Table berichtete). Es ist deshalb auch innerhalb der Kommission kaum zu erwarten, dass die Ausgestaltung der Euro-7-Abgasnorm konfliktfrei über die Bühne geht.

  • ACEA
  • Autoindustrie

News

Rat verabschiedet Position zum Data Governance Act

Der Rat hat seine Verhandlungsposition zum Data Governance Act (DGA) verabschiedet. Damit steht dem Start des ersten Trilogs mit Europäischer Kommission und Europarlament nichts mehr im Weg.
Das Gesetz soll es Unternehmen und Forschungsinstitutionen in der EU erleichtern, gemeinsam Daten zu nutzen und so einen echten Datenmarkt entstehen lassen (Europe.Table berichtete).

Die wichtigsten Veränderungen zum Kommissionsvorschlag betreffen diese sechs Bereiche:

1) das Verhältnis von DGA und DSGVO,

2) die Weiterverwendung von Daten der öffentlichen Hand,

3) die Definition von Datentreuhändern,

4) die datenaltruistischen Organisationen; der Rat fordert für sie einen Verhaltenskodex,

5) die Aufgaben und Struktur des Europäischen Dateninnovationsrates,

6) den internationalen Datenzugang und Datentransfer; die Kommission soll durch einen Durchführungsakt Vorlagen für Vertragsklauseln annehmen können, um den Transfer von Daten des öffentlichen Sektors an Drittstaaten zu fördern.

Der Rat will auch die Länge des Anwendungsbeginns des DGA ausweiten: Die neuen Regeln sollen nicht wie ursprünglich von der Kommission geplant 12 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung greifen, sondern erst 18 Monate später. koj

  • Data Governance Act
  • Daten
  • Datenschutz
  • Digitalpolitik

Österreichs Koalition beschließt Steuerreform mit CO2-Bepreisung

Die österreichische Regierungskoalition hat sich auf eine Steuerreform geeinigt, die ein neues System zur Bepreisung von Kohlendioxid mit Steuersenkungen für Privatpersonen und Firmen kombiniert. Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP, Grünen-Vizekanzler Werner Kogler und weitere Spitzenvertreter des Regierungsbündnisses stellten die Pläne gestern in Wien vor. Durch sie sollen Verbraucher:innen und Firmen bis 2025 um 18 Milliarden Euro entlastet werden.

“Das ist das größte Entlastungspaket der Geschichte”, hieß es. Die Körperschaftssteuer soll bis 2024 von 25 auf 23 Prozent sinken. Zudem soll die sogenannte zweite Einkommensstufe ab Juli 2022 von 35 auf 30 Prozent sinken und die dritte Einkommensteuerstufe ab Juli 2023 von 42 auf 40 Prozent fallen.

“Wir haben ein sehr gutes Paket”, sagte Kurz und sprach von einem “richtigen Systemwechsel”. Demnach soll auch für mehr Klimaschutz im Steuersystem eine CO2-Bepreisung eingeführt werden. Vorgesehen ist ein Preis von 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2) ab 2022, der bis 2025 auf 55 Euro steigt.

Auf die Frage nach der Gegenfinanzierung sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), man setze auf mehr Wachstum etwa durch mehr Anreize bei der Standortpolitik. Vor allem durch die Senkung der Körperschaftssteuer sollen sich mehr Unternehmen in Österreich ansiedeln. rtr

  • Emissionen
  • Finanzen
  • Klima & Umwelt
  • Klimaschutz
  • Klimaziele
  • Österreich

Fraktionsvorsitzender von Renew Europe tritt zurück

Dacian Cioloş, Fraktionsvorsitzender von Renew Europe im Europaparlament, hat seinen Rücktritt angekündigt. Die Entscheidung folgte auf seine Wahl zum neuen Vorsitzenden der rumänischen liberalen Partei USR-Plus am Freitagabend.

Der frühere EU-Landwirtschaftskommissar und rumänische Premierminister hatte bereits im Vorfeld angekündigt, sein Amt als Vorsitzender der Renew-Europe-Gruppe niederzulegen, sollte er die Wahl zum USR-Plus-Parteivorsitzenden gewinnen, um sich vollständig auf seine neue Funktion konzentrieren zu können.

Cioloş Wahl kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Die USR-Plus war im September aus der Regierungskoalition mit der konservativen Nationalliberalen Partei PNL unter Premierminister Florin Cîțu ausgetreten. Seitdem fordert die USR-Plus Cîțu zum Rücktritt auf. Diese Woche könnte es zu einem Misstrauensvotum gegen ihn kommen.

Mit Cioloş Rücktritt verschärft sich die Unterrepräsentation von Mittel- und Osteuropäern in EU-Führungspositionen weiter. Auf die Posten des EU-Parlamentspräsidenten und des Präsidenten des Europäischen Rats, die beide nächstes Jahr neu besetzt werden könnten, hat bisher noch kein Mittel- oder Osteuropäer Anspruch erhoben.

Die niederländische Europaabgeordnete Sophie in ‘t Veld hat vor Pressevertretern bereits am Samstag angekündigt, als Cioloş Nachfolgerin antreten zu wollen. Wann Renew Europe seinen neuen Vorsitzenden wählt, ist noch unklar. koj

  • Rumänien

COP26-Präsident betont neue Dringlichkeit in der Klimafrage

Die weltweit größten Volkswirtschaften müssten bei der anstehenden UN-Klimakonferenz (COP26) in Schottland mehr Einsatz zeigen, um zu beweisen, dass sie es ernst damit meinen, die globale Erwärmung anzupacken, und auf die Warnungen junger Aktivisten hören. Das sagten politische Entscheidungsträger am Samstag im Anschluss an die COP26-Vorbereitungsgespräche in Mailand.

In der Klimadebatte gebe es eine neue Dringlichkeit, sagte COP26-Präsident Alok Sharma. In Mailand fanden zugleich Proteste statt, bei denen Tausende junge Aktivisten, unter ihnen Greta Thunberg, die Regierungen dazu drängten, das Ende fossiler Brennstoffe einzuläuten. “Die Energie (der Jugendlichen) hat die Minister wachgerüttelt”, sagte Sharma.

“Wir hatten eine Reihe sehr konstruktiver Gespräche und es gab ein echtes Dringlichkeitsgefühl im Raum”, so Sharma mit Blick auf das Treffen in Italiens Finanzmetropole. Die Delegierten in Mailand hätten zugestimmt, mehr dafür zu tun, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen und ihre Zusage von jährlich 100 Milliarden Dollar einzuhalten, um die am stärksten gefährdeten Staaten im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Gleichzeitig müssten die nationalen Aktionspläne ambitioniertere Ziele zur Reduktion von Emissionen beinhalten, so der Brite. 

Kerry fordert Finanzplan in Billionen-Höhe

Auch der US-Klimagesandte John Kerry mahnte die großen Volkswirtschaften, sich zu radikaleren Schritten zu verpflichten. Die Geldgeber hätten ihre Zusage für 100 Milliarden Dollar pro Jahr für 2020 bislang nicht erfüllt. Kerry sagte, dass nach 2025 ein Finanzplan nicht in Milliarden-, sondern in Billionenhöhe nötig sei. Dafür werde der private Sektor gebraucht. “Wir werden einen speziellen Tagesordnungspunkt in Verbindung mit dem Weltwirtschaftsforum bekannt geben”, sagte Kerry, ohne weitere Details zu nennen.

Auf den Kohleabbau angesprochen, sagte EU-Klimakommissar Frans Timmermans, dieser Industriezweig würde auch ohne spezifische Klimamaßnahmen schrittweise verschwinden, weil er irgendwann wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig wäre. “Ich wäre höchst überrascht, wenn es nach 2040 noch eine bedeutende Kohleindustrie gäbe”, sagte er. rtr/sas

  • COP26
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  • Klimaschutz
  • Klimaziele

Presseschau

Pandora Papers: Neues Steueroasen-Leak belastet Hunderte Politiker SÜDDEUTSCHE
Rumänischer Milliardär war auch an Bord der abgestürzten Maschine von Mailand SPIEGEL
Britische Benzinkrise: Boris Johnson will doch keine ausländischen Arbeiter SPIEGEL
Diplomatische Krise nach Kritik an Erinnerungspolitik: Algier sperrt Luftraum für französische Jets DEUTSCHE WELLE
Ehrung für Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis: Karlspreis für “Brückenbauer zwischen Ost und West”
Westbalkan: Europas offene Flanke WELT
Machtkampf in Italien: Das rechte Lager sucht eine neue Führungsfigur SPIEGEL
Moldawien: Korruption bekämpfen, um die Armut zu überwinden EURONEWS
Russland: Zahl der Corona-Toten auf Höchststand TAGESSCHAU
Studie: Europa pennt auch bei Open Source HEISE

Standpunkt

Öffentliche Gelder für den richtigen Zweck

Von Werner Hoyer und John Murton
Auf dem Foto ist Werner Hoyer zu sehen, Präsident der eib
Werner Hoyer ist Präsident der Europäischen Investitionsbank.

Die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien hat sich enorm verbessert. Solarenergie ist nun die günstigste Stromquelle in der Geschichte. Über 90 Prozent der zusätzlichen weltweiten Stromerzeugungskapazitäten stammten im vergangenen Jahr aus Erneuerbaren. Aber um eine Chance zu haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssen wir die weltweiten Energiesysteme noch schneller verändern. Und dazu müssen die Regierungen und die öffentlichen Finanzinstitute die Unterstützung der fossilen Brennstoffe beenden und stattdessen auf die internationale Finanzierung der Energiewende setzen.

Die Wissenschaft dahinter ist klar: Wollen wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 erreichen, muss die weltweite Energiewende vier- bis sechsmal so schnell vorankommen wie jetzt. Fossile Energieträger machen immer noch 84 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus und sind für über 75 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Der Plan der Internationalen Energieagentur, bis 2050 Nettonullemissionen zu erreichen, bedeutet, dass die globalen Energiesysteme bis 2040 fossilfrei sein müssen. Aber seit dem Pariser Abkommen haben die G20-Regierungen jährlich über dreimal so viel öffentliche Finanzmittel für fossile Energieträger (77 Milliarden Dollar) bereitgestellt wie für erneuerbare.

Die katastrophalen Unwetter, Überschwemmungen und Waldbrände haben gezeigt, warum wir Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht später brauchen, sondern jetzt. Und da unser zukünftiger Wohlstand von Investitionen in saubere Energien abhängt, gibt es dafür, unsere Anstrengungen zu verdoppeln, auch klare wirtschaftliche Gründe: Wind- und Solarenergie sind heute in zwei Dritteln der Welt billiger als neue Kohle- und Gaskraftwerke. Die dramatischen Kostenrückgänge im vergangenen Jahrzehnt haben die globalen Energiemöglichkeiten völlig verändert – insbesondere in den ärmsten Ländern, wo Mini-Stromnetze auf der Grundlage erneuerbarer Energien echte Chancen bieten, die Energiearmut zu erleichtern und die Stromversorgung zu verbessern.

42 Millionen neue Arbeitsplätze

Investitionen in saubere Energien zu fördern ist außerdem entscheidend dafür Arbeitsplätze zu schaffen, das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Luftverschmutzung zu verringern. Laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien könnte die großflächige Verbreitung grüner Energieträger dazu beitragen bis 2050 weltweit 42 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Diese zusätzliche Beschäftigung wird für eine robuste, grüne Erholung von der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung sein – insbesondere in Ländern mit junger, schnell wachsender Bevölkerung.

Aber natürlich werden, wenn wir fossile Energieträger aufgeben, auch Arbeitsplätze verschwinden. Daher müssen wir gewährleisten, dass alle Gemeinschaften von der Energiewende profitieren. Dazu brauchen wir sorgfältig gestaltete Maßnahmen, mit denen wir die Abkehr von älteren Formen der Energieerzeugung kontrolliert unterstützen. Entscheidend wird dabei die weltweite Solidarität sein. Wir müssen viel mehr tun, um alle mit den nötigen Technologien, Kenntnissen, Investitionen und Finanzstrategien auszustatten.

Glücklicherweise haben wir bereits eine Lösung für das Problem: Auf der Klimakonferenz COP26 der Vereinten Nationen im November in Glasgow müssen sich die Regierungen und Finanzinstitutionen dazu verpflichten, günstigere und sauberere Energie zu unterstützen, die wir nicht bereuen müssen. Weiterhin muss jegliche internationale Unterstützung für die fossile Stromerzeugung beendet werden. Dies sollte uns angesichts dessen, dass viele bisherige Energieinvestitionen unweigerlich als gestrandete Vermögenswerte enden werden, nicht allzu schwerfallen.

Bereits jetzt gibt es entscheidende Fortschritte dorthin: Im Mai haben sich die G7-Mitgliedstaaten verpflichtet, jegliche internationale Finanzierung für Kohleprojekte bis Ende 2021 einzustellen und “neue, direkte staatliche Unterstützung für kohlenstoffintensive fossile Energieträger international auslaufen zu lassen”. Auch Südkorea, Japan und jetzt China – die weltgrößten Geldgeber der internationalen Kohleindustrie – haben zugestimmt, die Finanzierung von Kohleprojekten im Ausland zu beenden.

Länder brauchen Unterstützung für Klimaziele

Ebenso wichtig ist, dass über 85 Länder (plus die Europäische Union) entsprechend dem Pariser Abkommen aktuelle nationale Klimaversprechen veröffentlicht haben. Dies zeigt einen klaren Trend hin zur stärkeren Verwendung erneuerbarer Energien und weniger Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bis 2030. Aber viele dieser Länder werden erhebliche technische und finanzielle Unterstützung brauchen, um ihre Ziele zu erreichen.

Sowohl Großbritannien als auch die Europäische Investitionsbank (EIB) haben sich verpflichtet, der internationalen Unterstützung für die grüne Energiewende hohe Priorität zu geben. 2019 war die EIB die erste multilaterale Bank, die das Ende jeglicher Finanzierung für fossile Energieprojekte (bis 2021) ankündigte. Die Bank hat ihre Investitionen in saubere Energien erhöht, darunter auch in Entwicklungsländern, um den Wandel dort zu unterstützen. In Kenia haben EIB-Investitionen zum Bau der größten Windfarm Afrikas beigetragen, die für die gesamte Region saubere und erschwingliche Energie liefert.

Und im März hat die britische Regierung das sofortige Ende neuer öffentlicher Unterstützungsmaßnahmen für internationale fossile Energieprojekte im Ausland angekündigt, womit sie ihre Investitionen nun völlig auf Erneuerbare beschränkt. Diese Entscheidung hat bereits erhebliche Möglichkeiten freigesetzt, die auf der bestehenden Unterstützung für saubere Energie durch die britische Exportkreditagentur (UK Export Finance) aufbauen. Dazu gehören auch über 140 Millionen Pfund für britische Exporte nach Ghana, die dem Land helfen, große nationale Infrastrukturprojekte umzusetzen – darunter auch eine Initiative für solarbetriebene Trinkwassererzeugung, die über 225.000 Menschen erreichen wird.

Wir laden Regierungen und Finanzpolitiker dazu ein, sich dieser Erklärung anzuschließen. Die Kosten klimapolitischer Untätigkeit wären katastrophal. Unser Planet hat einen entscheidenden Wendepunkt erreicht. Die COP26 muss als der Moment im Gedächtnis bleiben, in dem wir entschieden gehandelt haben, um unsere gemeinsame Zukunft zu sichern.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff, in Kooperation mit Project Syndicate

  • COP26
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  • Klimaschutz

Apéropa

“Einen schönen Tag der Deutschen Einheit” gratulierte der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, gestern per Twitter auf Französisch. Begleitet war der Tweet von einer Zeichnung des Berliner Comiczeichners Flix (Felix Görmann), die die belgischen Comicfiguren Spirou und Fantasio unter Konfetti-Regen am Brandenburger Tor lehnend zeigt – mit OP-Maske, Brezel und Sektglas in der Hand. Ein deutsch-belgischer Kulturenmix.

Kotthaus’ Gratulation zeigt: Als Auslandsdeutscher tendiert man nicht nur dazu, deutsche Traditionen hochzuhalten, sondern auch neue zu erfinden. Denn wer würde in Deutschland schon auf die Idee kommen, sich einen schönen Tag der Deutschen Einheit zu wünschen? Und abgesehen vom offiziellen Festakt – dieses Jahr in Halle an der Saale – wird dieser Tag auch nur sehr spärlich gefeiert.

Würde ich in Deutschland leben, würde mir die Gleichgültigkeit gegenüber diesem wichtigen Tag in der deutschen Geschichte wahrscheinlich gar nicht so stark auffallen. Im Ausland ist das anders. Denn hier bin ich umgeben von Menschen anderer Nationen, die es mit ihren Nationalfeiertagen deutlich anders halten.

Beispiel Frankreich: Da tanzt das ganze Land, egal ob Großstadt oder Kaff, schon am 13. Juli mit dem “bal des pompiers” in den Nationalfeiertag hinein, schwenkt französische Fahnen und jagt Feuerwerke in den Himmel – ganz abgesehen von der imposanten und in Deutschland völlig unvorstellbaren Militärparade auf der Champs Élysées.

Von einem Empfang vor Ort hat die Deutsche Botschaft in Brüssel dieses Jahr, mit Verweis auf Corona, abgesehen. Stattdessen gab es einen knapp 30-minütigen digitalen Empfang, in dem Botschafter Kotthaus daran erinnerte, was die Deutschen am 3. Oktober feiern – theoretisch zumindest.

Vielleicht ist die Gratulation zum Tag der Deutschen Einheit à la Kotthaus ja genau der erste vorsichtige Schritt, die deutsche Zurückhaltung zu überwinden und in Feierlaune zu kommen? Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf, das beim Empfang der deutschen Botschaft in Brüssel 2022 zu testen. Ob ich mit Deutschlandflagge komme, bezweifle ich aber weiterhin stark. Jasmin Kohl

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • COP26-Präsident betont neue Dringlichkeit in der Klimafrage
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    Sie reden miteinander, nicht übereinander – und auch nicht über Inhalte. Dieses Versprechen haben die bilateralen Gespräche zwischen SPD, FDP und Grünen bislang erfüllen können. Und auch CDU, CSU und FDP sprachen erstmals miteinander – doch ein wichtiges Gespräch steht noch aus. Den Stand der Sondierungen analysiert Falk Steiner.

    Die neue Euro-7-Abgasnorm will die Europäische Kommission noch dieses Jahr festlegen. Folgt sie den Empfehlungen des CLOVE-Berichts, wird sie vor allem die Testbedingungen, unter denen der Schadstoffausstoß von Pkw und Lkw gemessen wird, verschärfen. Lukas Scheid analysiert, warum ein erneuter Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform programmiert ist.

    Auf einen neuen Konflikt muss sich auch Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš einstellen: Kurz vor den tschechischen Parlamentswahlen nächsten Freitag und Samstag gerät er erneut in Erklärungsnot. Die “Pandora Papers” enthüllen, wie Babiš 2009 ein Schloss und Ländereien in Südfrankreich im Wert von 15 Millionen Euro durch eine intransparente Offshore-Konstruktion erworben hat. Der Vorwurf der Geldwäsche liegt nahe.

    Babiš’ selbsternanntes Image als Kämpfer für Transparenz und gegen Korruption verliert so weiter an Glaubwürdigkeit. Die europäische Staatsanwaltschaft EPPO ermittelt bereits wegen eines Interessenkonflikts im Zusammenhang mit Babiš’ Firma Agrofert gegen den Multimilliardär.

    Ihre
    Jasmin Kohl
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    Analyse

    Sondierungsgespräche: Schnupper-Phase endet am Dienstag

    Eine Woche nach der Bundestagswahl steht eines fest: Es wurde und wird auch weiter miteinander gesprochen. Die Sondierungsgruppen von SPD und FDP, CDU/CSU und FDP, SPD und Grünen trafen sich am Sonntagnachmittag und Sonntagabend in Berlin. Damit sind nach den ersten Sondierungsgesprächen zwischen den beiden Kanzlermacherparteien auch die beiden möglichen größeren Partner einbezogen.

    Nur eine Gesprächskonstellation fehlt noch: Die Grünen treffen am Dienstag erstmals auf die beiden Unionsparteien zur möglichen Bildung der Vier-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen. Die anderen Parteien haben bisher keinen weiteren bilateralen Gesprächsbedarf angemeldet.

    Union schwer berechenbar

    Nach dem desolaten Wahlergebnis versuchen die Unionsparteien über die schwelenden parteiinternen Konflikte hinwegzugehen – auch, um über den Erhalt des Kanzleramtes und damit vieler Posten für die Union einen Teil der internen Streitigkeiten zudecken und befrieden zu können. Für Armin Laschet geht es am Dienstag damit um die letzte Chance, politisch vielleicht doch noch überleben zu können. Im Fall der Oppositionsbank droht vor allem in der CDU ein Richtungs- und Personenstreit, der die Partei für Monate, vielleicht Jahre in den Krisenmodus stürzen könnte und bis nah an die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im kommenden Frühjahr andauern könnte, wo Armin Laschet bislang mit der FDP regierte.

    FDP muss sich entscheiden

    Viel hängt also von den Liberalen ab, die programmatisch den Unionsparteien nähersteht, sich aber auch nicht auf Gedeih und Verderb an den Partner mit ungewisser Zukunft klammern will. Entsprechend klassifizierte deren Generalsekretär Volker Wissing die Gespräche zwischen FDP und C-Parteivertretern am Abend so: Es gebe wenige programmatische Klippen mit der Union. Von deren Personalfragen nehme man zwar Kenntnis, mache aber seine Präferenz von Inhalten und nicht von Personal abhängig, so der FDP-Generalsekretär. Die Generalsekretäre Markus Blume (CSU) und Paul Ziemiak (CDU) betonten die inhaltliche Übereinstimmung.

    Mit der SPD hatte sich die Gesandtschaft der Liberalen am Sonntag ebenfalls erstmals zusammengefunden. Ein “konstruktives Miteinander”, hieß es von FDP-Seite. Im Wissen um die Differenzen habe man den Anspruch, eine Reformregierung zu bilden. SPD-Generalsekretär Klingbeil betonte, dass es Einigkeit zwischen allen Gesprächspartnern über “großen Veränderungsbedarf”, insbesondere “bei den Themen Klimaschutz, Digitalisierung und der Modernisierung des Staates” gebe.

    Erkennbarkeit und Beinfreiheit maßgeblich

    Über die konkreten Inhalte hatten alle Gesprächspartner Stillschweigen vereinbart – und scheinen sich, zumindest bislang, auch daranzuhalten. Vor allem Grüne und FDP benötigen in der für sie jeweils ferner liegenden Konstellation deutliche Leuchttürme und Beinfreiheit, um Sondierungen über unbeliebtere Bündnisse überhaupt parteiintern vertreten zu können. Doch zumindest die Differenzen innerhalb der Ampel-Variante scheinen nach den bilateralen Vorgesprächen nicht unüberbrückbar – ob dies für Jamaika auch gilt, hängt nun vor allem vom Dienstags-Gespräch zwischen Union und Grünen ab.

    Für die FDP steht vor der Aufnahme erster Mehrparteien-Sondierungsgespräche nur noch ein Schritt: Nachdem man sich nun mit allen potenziellen Koalitionspartnern getroffen habe, wolle man die Gespräche intern auswerten und dann die nächsten Schritte angehen. “Wir haben kein Interesse an irgendeiner Hängepartie”, sagte Wissing. Ähnlich äußerten sich die Grünen: Nach dem Gespräch mit CDU und CSU-Emisssären wolle man sich intern beraten und die nächsten Schritte entscheiden. Bereits in der zweiten Wochenhälfte könnten diese dann beginnen.

    • Bundestagswahl
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    Euro-7-Abgasnorm: Konflikt geht in die nächste Runde

    Zur Erinnerung: Als das Consortium for ultra Low Vehicle Emissions (CLOVE), ein von der EU-Kommission beauftragtes wissenschaftliches Beratungsgremium, Ende 2020 seinen Bericht mit Möglichkeiten für eine neue Euro-7-Abgasnorm vorlegte, liefen beide Seiten der Debatte umgehend Sturm. Die Autoindustrie (ACEA) sowie konservative Politiker:innen sahen in dem Papier zur Euro-7-Abgasnorm ein faktisches Aus des Verbrennermotors, da sie die vorgeschlagenen Grenzwerte als technisch nicht umsetzbar einschätzten. Umweltpolitiker:innen dagegen forderten möglichst strenge Standards, damit die Schadstoff-Emissionen im Straßenverkehr (etwa ein Drittel der Gesamtemissionen der EU) schleunigst sinken.

    Der CLOVE-Bericht war der Auftakt einer Diskussion, die seit dem Frühjahr zwar etwas abgeflaut ist, aber schon bald wieder aufbranden dürfte. Denn noch in diesem Jahr – voraussichtlich im Dezember – will die EU-Kommission ihren Reform-Vorschlag zur Euro-7-Abgasnorm vorlegen. Folgt sie den Empfehlungen des Berichts, würden nicht so sehr die Grenzwerte verschärft werden, sondern die Testbedingungen, unter denen der Schadstoffausstoß von Pkw und Lkw festgestellt wird.

    Unter anderem könnte das Fenster der Außentemperatur bei den Tests erweitert werden, um noch mehr Klimaszenarien in die Grenzwerte mit einzuschließen. Außerdem soll auch der Ausstoß von Ammoniak, Lachgas und Methan Grenzwerte erhalten. Ein besonders großer Dorn im Auge der Automobilindustrie war zunächst eine mögliche Ausweitung der Grenzwerte auf alle Zeitpunkte der Nutzung. Dies hätte laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) bedeutet, dass beim Kaltstart des Motors, beim Anfahren am Berg sowie beim Fahren mit Anhänger die gleichen Grenzwerte angelegt werden müssten. Diese Pläne seien laut Branchen-Insidern allerdings mittlerweile wieder vom Tisch.

    T&E erhebt schwere Vorwürfe

    Wenn auch nicht offiziell, ist die Reform der Euro-7-Abgasnormen indirekt Teil des Fit-for-55-Pakets, welches unter anderem darauf abzielt, Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren. Die ohnehin angezogenen CO2-Flottengrenzwerte würden durch eine neue Abgasnorm flankiert werden und dafür sorgen, dass nicht nur CO2, sondern auch andere klimaschädliche Treibhausgase reduziert werden, so die Hoffnung.

    Ein erneuter Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Euro-7-Abgasnorm ist allerdings programmiert, denn nach dem Kommissionsvorschlag ist vor den Änderungsanträgen des Parlaments und der Mitgliedstaaten. Je nachdem, wie sich die Kommission die neue Norm vorstellt, werden abermals beide Seiten für ihre Positionen kämpfen. Die erste Runde wurde bereits eingeläutet.

    Ende September veröffentlichte Transport & Environment (T&E), der Dachverband einiger europäischer Verkehrs- und Umweltorganisationen, eine Liste mit sieben “dirty Tricks”, mit denen die Autoindustrie gegen zu strenge Grenzwerte durch die Euro-7-Abgasnorm ankämpfe. Unter anderem heißt es darin, dass die drei deutschen Autohersteller VW, Daimler und BMW sowie deren europäischer Dachverband ACEA im Jahr 2020 insgesamt neun Millionen Euro für Lobbyarbeit in Brüssel ausgegeben hätten, um Vorschriften für saubere Autos abzuschwächen. Die Zahlen stammen aus dem EU-Transparenzregister und konnten von Europe.Table nachvollzogen werden. Der Zweck des Geldes ist dort allerdings nicht genau definiert.

    T&E ist zudem der Auffassung, eine neue Norm nach den CLOVE-Empfehlungen käme keineswegs einem faktischen Verbrennerverbot gleich. Die CLOVE-Vorschläge seien unter der Voraussetzung zusammengestellt worden, dass sie technisch sowie ökonomisch umsetzbar sind. Auch die EU-Kommission hat die schlimmsten Befürchtungen der Industrie bereits beschwichtigt. Die neue Euro-7-Abgasnorm solle kein Verbot des Verbrenners bedeuten, hieß es schon im April.

    VDA bleibt skeptisch

    Doch weil es seitdem keinen neuen Stand der Kommission zu vermelden gab, bleibt unter anderem der VDA nach wie vor skeptisch. Ein Verbot des Verbrennermotors durch die Hintertür lasse sich weiterhin nicht ausschließen, erklärte ein VDA-Sprecher. T&E wittert hinter solchen Aussagen allerdings eine konzertierte Aktion von Interessensvertretern der Automobilindustrie, die Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen wolle, indem sie die Angst vor drastischen Jobverlusten an den Produktionsstandorten aufrechterhalten.

    Dass die Industrie nach wie vor alarmiert bleibt, ist nachvollziehbar, da eine Reform der Euro-7-Abgasnorm mit enormem Entwicklungsaufwand verbunden ist und Geld kostet. Allerdings steht auf der anderen Seite der dringende Bedarf, Emissionen möglichst schnell und effektiv zu senken. Dass Grenzwerte für Abgase dazu beitragen können – daran besteht kein Zweifel. Auch der VDA bezeichnet die Euro-Normen als “wirksames Instrument zur Verbesserung der Luftqualität in Städten”, das sich an den Luftqualitätszielen der EU messen lassen müsse. Die Reform solle jedoch vor allem die Gesetzgebung klarer machen, sie entschlacken und auf neue technologische Entwicklungen hin ausrichten.

    Konfliktfreie Ausgestaltung der Euro-7-Abgasnorm nicht zu erwarten

    Nach Aussagen der zuständigen Kommissare ist jedoch fraglos, dass die Reform eindeutig auf strengere Grenzwerte abzielt. Umwelt-Kommissar Frans Timmermans will eine “harte Abgasnorm”, und auch Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton kündigte ambitionierte, wenn auch realistische Normen an.

    Allerdings war sich die Kommission bei Fragen der Zukunft des Verbrenners in der Vergangenheit häufiger uneins. Breton hat sich gegen ein festes Datum für den Verbrenner-Ausstieg ausgesprochen, im Fit-for-55-Paket ist es jedoch fest vorgesehen. Und erst vergangene Woche warb Verkehrskommissarin Adina Vălean ebenfalls für das Verbrenner-Aus (Europe.Table berichtete). Es ist deshalb auch innerhalb der Kommission kaum zu erwarten, dass die Ausgestaltung der Euro-7-Abgasnorm konfliktfrei über die Bühne geht.

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    Rat verabschiedet Position zum Data Governance Act

    Der Rat hat seine Verhandlungsposition zum Data Governance Act (DGA) verabschiedet. Damit steht dem Start des ersten Trilogs mit Europäischer Kommission und Europarlament nichts mehr im Weg.
    Das Gesetz soll es Unternehmen und Forschungsinstitutionen in der EU erleichtern, gemeinsam Daten zu nutzen und so einen echten Datenmarkt entstehen lassen (Europe.Table berichtete).

    Die wichtigsten Veränderungen zum Kommissionsvorschlag betreffen diese sechs Bereiche:

    1) das Verhältnis von DGA und DSGVO,

    2) die Weiterverwendung von Daten der öffentlichen Hand,

    3) die Definition von Datentreuhändern,

    4) die datenaltruistischen Organisationen; der Rat fordert für sie einen Verhaltenskodex,

    5) die Aufgaben und Struktur des Europäischen Dateninnovationsrates,

    6) den internationalen Datenzugang und Datentransfer; die Kommission soll durch einen Durchführungsakt Vorlagen für Vertragsklauseln annehmen können, um den Transfer von Daten des öffentlichen Sektors an Drittstaaten zu fördern.

    Der Rat will auch die Länge des Anwendungsbeginns des DGA ausweiten: Die neuen Regeln sollen nicht wie ursprünglich von der Kommission geplant 12 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung greifen, sondern erst 18 Monate später. koj

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    Österreichs Koalition beschließt Steuerreform mit CO2-Bepreisung

    Die österreichische Regierungskoalition hat sich auf eine Steuerreform geeinigt, die ein neues System zur Bepreisung von Kohlendioxid mit Steuersenkungen für Privatpersonen und Firmen kombiniert. Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP, Grünen-Vizekanzler Werner Kogler und weitere Spitzenvertreter des Regierungsbündnisses stellten die Pläne gestern in Wien vor. Durch sie sollen Verbraucher:innen und Firmen bis 2025 um 18 Milliarden Euro entlastet werden.

    “Das ist das größte Entlastungspaket der Geschichte”, hieß es. Die Körperschaftssteuer soll bis 2024 von 25 auf 23 Prozent sinken. Zudem soll die sogenannte zweite Einkommensstufe ab Juli 2022 von 35 auf 30 Prozent sinken und die dritte Einkommensteuerstufe ab Juli 2023 von 42 auf 40 Prozent fallen.

    “Wir haben ein sehr gutes Paket”, sagte Kurz und sprach von einem “richtigen Systemwechsel”. Demnach soll auch für mehr Klimaschutz im Steuersystem eine CO2-Bepreisung eingeführt werden. Vorgesehen ist ein Preis von 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2) ab 2022, der bis 2025 auf 55 Euro steigt.

    Auf die Frage nach der Gegenfinanzierung sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), man setze auf mehr Wachstum etwa durch mehr Anreize bei der Standortpolitik. Vor allem durch die Senkung der Körperschaftssteuer sollen sich mehr Unternehmen in Österreich ansiedeln. rtr

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    Fraktionsvorsitzender von Renew Europe tritt zurück

    Dacian Cioloş, Fraktionsvorsitzender von Renew Europe im Europaparlament, hat seinen Rücktritt angekündigt. Die Entscheidung folgte auf seine Wahl zum neuen Vorsitzenden der rumänischen liberalen Partei USR-Plus am Freitagabend.

    Der frühere EU-Landwirtschaftskommissar und rumänische Premierminister hatte bereits im Vorfeld angekündigt, sein Amt als Vorsitzender der Renew-Europe-Gruppe niederzulegen, sollte er die Wahl zum USR-Plus-Parteivorsitzenden gewinnen, um sich vollständig auf seine neue Funktion konzentrieren zu können.

    Cioloş Wahl kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Die USR-Plus war im September aus der Regierungskoalition mit der konservativen Nationalliberalen Partei PNL unter Premierminister Florin Cîțu ausgetreten. Seitdem fordert die USR-Plus Cîțu zum Rücktritt auf. Diese Woche könnte es zu einem Misstrauensvotum gegen ihn kommen.

    Mit Cioloş Rücktritt verschärft sich die Unterrepräsentation von Mittel- und Osteuropäern in EU-Führungspositionen weiter. Auf die Posten des EU-Parlamentspräsidenten und des Präsidenten des Europäischen Rats, die beide nächstes Jahr neu besetzt werden könnten, hat bisher noch kein Mittel- oder Osteuropäer Anspruch erhoben.

    Die niederländische Europaabgeordnete Sophie in ‘t Veld hat vor Pressevertretern bereits am Samstag angekündigt, als Cioloş Nachfolgerin antreten zu wollen. Wann Renew Europe seinen neuen Vorsitzenden wählt, ist noch unklar. koj

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    COP26-Präsident betont neue Dringlichkeit in der Klimafrage

    Die weltweit größten Volkswirtschaften müssten bei der anstehenden UN-Klimakonferenz (COP26) in Schottland mehr Einsatz zeigen, um zu beweisen, dass sie es ernst damit meinen, die globale Erwärmung anzupacken, und auf die Warnungen junger Aktivisten hören. Das sagten politische Entscheidungsträger am Samstag im Anschluss an die COP26-Vorbereitungsgespräche in Mailand.

    In der Klimadebatte gebe es eine neue Dringlichkeit, sagte COP26-Präsident Alok Sharma. In Mailand fanden zugleich Proteste statt, bei denen Tausende junge Aktivisten, unter ihnen Greta Thunberg, die Regierungen dazu drängten, das Ende fossiler Brennstoffe einzuläuten. “Die Energie (der Jugendlichen) hat die Minister wachgerüttelt”, sagte Sharma.

    “Wir hatten eine Reihe sehr konstruktiver Gespräche und es gab ein echtes Dringlichkeitsgefühl im Raum”, so Sharma mit Blick auf das Treffen in Italiens Finanzmetropole. Die Delegierten in Mailand hätten zugestimmt, mehr dafür zu tun, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen und ihre Zusage von jährlich 100 Milliarden Dollar einzuhalten, um die am stärksten gefährdeten Staaten im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Gleichzeitig müssten die nationalen Aktionspläne ambitioniertere Ziele zur Reduktion von Emissionen beinhalten, so der Brite. 

    Kerry fordert Finanzplan in Billionen-Höhe

    Auch der US-Klimagesandte John Kerry mahnte die großen Volkswirtschaften, sich zu radikaleren Schritten zu verpflichten. Die Geldgeber hätten ihre Zusage für 100 Milliarden Dollar pro Jahr für 2020 bislang nicht erfüllt. Kerry sagte, dass nach 2025 ein Finanzplan nicht in Milliarden-, sondern in Billionenhöhe nötig sei. Dafür werde der private Sektor gebraucht. “Wir werden einen speziellen Tagesordnungspunkt in Verbindung mit dem Weltwirtschaftsforum bekannt geben”, sagte Kerry, ohne weitere Details zu nennen.

    Auf den Kohleabbau angesprochen, sagte EU-Klimakommissar Frans Timmermans, dieser Industriezweig würde auch ohne spezifische Klimamaßnahmen schrittweise verschwinden, weil er irgendwann wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig wäre. “Ich wäre höchst überrascht, wenn es nach 2040 noch eine bedeutende Kohleindustrie gäbe”, sagte er. rtr/sas

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    Presseschau

    Pandora Papers: Neues Steueroasen-Leak belastet Hunderte Politiker SÜDDEUTSCHE
    Rumänischer Milliardär war auch an Bord der abgestürzten Maschine von Mailand SPIEGEL
    Britische Benzinkrise: Boris Johnson will doch keine ausländischen Arbeiter SPIEGEL
    Diplomatische Krise nach Kritik an Erinnerungspolitik: Algier sperrt Luftraum für französische Jets DEUTSCHE WELLE
    Ehrung für Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis: Karlspreis für “Brückenbauer zwischen Ost und West”
    Westbalkan: Europas offene Flanke WELT
    Machtkampf in Italien: Das rechte Lager sucht eine neue Führungsfigur SPIEGEL
    Moldawien: Korruption bekämpfen, um die Armut zu überwinden EURONEWS
    Russland: Zahl der Corona-Toten auf Höchststand TAGESSCHAU
    Studie: Europa pennt auch bei Open Source HEISE

    Standpunkt

    Öffentliche Gelder für den richtigen Zweck

    Von Werner Hoyer und John Murton
    Auf dem Foto ist Werner Hoyer zu sehen, Präsident der eib
    Werner Hoyer ist Präsident der Europäischen Investitionsbank.

    Die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien hat sich enorm verbessert. Solarenergie ist nun die günstigste Stromquelle in der Geschichte. Über 90 Prozent der zusätzlichen weltweiten Stromerzeugungskapazitäten stammten im vergangenen Jahr aus Erneuerbaren. Aber um eine Chance zu haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssen wir die weltweiten Energiesysteme noch schneller verändern. Und dazu müssen die Regierungen und die öffentlichen Finanzinstitute die Unterstützung der fossilen Brennstoffe beenden und stattdessen auf die internationale Finanzierung der Energiewende setzen.

    Die Wissenschaft dahinter ist klar: Wollen wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 erreichen, muss die weltweite Energiewende vier- bis sechsmal so schnell vorankommen wie jetzt. Fossile Energieträger machen immer noch 84 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus und sind für über 75 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Der Plan der Internationalen Energieagentur, bis 2050 Nettonullemissionen zu erreichen, bedeutet, dass die globalen Energiesysteme bis 2040 fossilfrei sein müssen. Aber seit dem Pariser Abkommen haben die G20-Regierungen jährlich über dreimal so viel öffentliche Finanzmittel für fossile Energieträger (77 Milliarden Dollar) bereitgestellt wie für erneuerbare.

    Die katastrophalen Unwetter, Überschwemmungen und Waldbrände haben gezeigt, warum wir Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht später brauchen, sondern jetzt. Und da unser zukünftiger Wohlstand von Investitionen in saubere Energien abhängt, gibt es dafür, unsere Anstrengungen zu verdoppeln, auch klare wirtschaftliche Gründe: Wind- und Solarenergie sind heute in zwei Dritteln der Welt billiger als neue Kohle- und Gaskraftwerke. Die dramatischen Kostenrückgänge im vergangenen Jahrzehnt haben die globalen Energiemöglichkeiten völlig verändert – insbesondere in den ärmsten Ländern, wo Mini-Stromnetze auf der Grundlage erneuerbarer Energien echte Chancen bieten, die Energiearmut zu erleichtern und die Stromversorgung zu verbessern.

    42 Millionen neue Arbeitsplätze

    Investitionen in saubere Energien zu fördern ist außerdem entscheidend dafür Arbeitsplätze zu schaffen, das Wirtschaftswachstum zu steigern und die Luftverschmutzung zu verringern. Laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien könnte die großflächige Verbreitung grüner Energieträger dazu beitragen bis 2050 weltweit 42 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Diese zusätzliche Beschäftigung wird für eine robuste, grüne Erholung von der COVID-19-Pandemie von entscheidender Bedeutung sein – insbesondere in Ländern mit junger, schnell wachsender Bevölkerung.

    Aber natürlich werden, wenn wir fossile Energieträger aufgeben, auch Arbeitsplätze verschwinden. Daher müssen wir gewährleisten, dass alle Gemeinschaften von der Energiewende profitieren. Dazu brauchen wir sorgfältig gestaltete Maßnahmen, mit denen wir die Abkehr von älteren Formen der Energieerzeugung kontrolliert unterstützen. Entscheidend wird dabei die weltweite Solidarität sein. Wir müssen viel mehr tun, um alle mit den nötigen Technologien, Kenntnissen, Investitionen und Finanzstrategien auszustatten.

    Glücklicherweise haben wir bereits eine Lösung für das Problem: Auf der Klimakonferenz COP26 der Vereinten Nationen im November in Glasgow müssen sich die Regierungen und Finanzinstitutionen dazu verpflichten, günstigere und sauberere Energie zu unterstützen, die wir nicht bereuen müssen. Weiterhin muss jegliche internationale Unterstützung für die fossile Stromerzeugung beendet werden. Dies sollte uns angesichts dessen, dass viele bisherige Energieinvestitionen unweigerlich als gestrandete Vermögenswerte enden werden, nicht allzu schwerfallen.

    Bereits jetzt gibt es entscheidende Fortschritte dorthin: Im Mai haben sich die G7-Mitgliedstaaten verpflichtet, jegliche internationale Finanzierung für Kohleprojekte bis Ende 2021 einzustellen und “neue, direkte staatliche Unterstützung für kohlenstoffintensive fossile Energieträger international auslaufen zu lassen”. Auch Südkorea, Japan und jetzt China – die weltgrößten Geldgeber der internationalen Kohleindustrie – haben zugestimmt, die Finanzierung von Kohleprojekten im Ausland zu beenden.

    Länder brauchen Unterstützung für Klimaziele

    Ebenso wichtig ist, dass über 85 Länder (plus die Europäische Union) entsprechend dem Pariser Abkommen aktuelle nationale Klimaversprechen veröffentlicht haben. Dies zeigt einen klaren Trend hin zur stärkeren Verwendung erneuerbarer Energien und weniger Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bis 2030. Aber viele dieser Länder werden erhebliche technische und finanzielle Unterstützung brauchen, um ihre Ziele zu erreichen.

    Sowohl Großbritannien als auch die Europäische Investitionsbank (EIB) haben sich verpflichtet, der internationalen Unterstützung für die grüne Energiewende hohe Priorität zu geben. 2019 war die EIB die erste multilaterale Bank, die das Ende jeglicher Finanzierung für fossile Energieprojekte (bis 2021) ankündigte. Die Bank hat ihre Investitionen in saubere Energien erhöht, darunter auch in Entwicklungsländern, um den Wandel dort zu unterstützen. In Kenia haben EIB-Investitionen zum Bau der größten Windfarm Afrikas beigetragen, die für die gesamte Region saubere und erschwingliche Energie liefert.

    Und im März hat die britische Regierung das sofortige Ende neuer öffentlicher Unterstützungsmaßnahmen für internationale fossile Energieprojekte im Ausland angekündigt, womit sie ihre Investitionen nun völlig auf Erneuerbare beschränkt. Diese Entscheidung hat bereits erhebliche Möglichkeiten freigesetzt, die auf der bestehenden Unterstützung für saubere Energie durch die britische Exportkreditagentur (UK Export Finance) aufbauen. Dazu gehören auch über 140 Millionen Pfund für britische Exporte nach Ghana, die dem Land helfen, große nationale Infrastrukturprojekte umzusetzen – darunter auch eine Initiative für solarbetriebene Trinkwassererzeugung, die über 225.000 Menschen erreichen wird.

    Wir laden Regierungen und Finanzpolitiker dazu ein, sich dieser Erklärung anzuschließen. Die Kosten klimapolitischer Untätigkeit wären katastrophal. Unser Planet hat einen entscheidenden Wendepunkt erreicht. Die COP26 muss als der Moment im Gedächtnis bleiben, in dem wir entschieden gehandelt haben, um unsere gemeinsame Zukunft zu sichern.

    Aus dem Englischen von Harald Eckhoff, in Kooperation mit Project Syndicate

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    Apéropa

    “Einen schönen Tag der Deutschen Einheit” gratulierte der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, gestern per Twitter auf Französisch. Begleitet war der Tweet von einer Zeichnung des Berliner Comiczeichners Flix (Felix Görmann), die die belgischen Comicfiguren Spirou und Fantasio unter Konfetti-Regen am Brandenburger Tor lehnend zeigt – mit OP-Maske, Brezel und Sektglas in der Hand. Ein deutsch-belgischer Kulturenmix.

    Kotthaus’ Gratulation zeigt: Als Auslandsdeutscher tendiert man nicht nur dazu, deutsche Traditionen hochzuhalten, sondern auch neue zu erfinden. Denn wer würde in Deutschland schon auf die Idee kommen, sich einen schönen Tag der Deutschen Einheit zu wünschen? Und abgesehen vom offiziellen Festakt – dieses Jahr in Halle an der Saale – wird dieser Tag auch nur sehr spärlich gefeiert.

    Würde ich in Deutschland leben, würde mir die Gleichgültigkeit gegenüber diesem wichtigen Tag in der deutschen Geschichte wahrscheinlich gar nicht so stark auffallen. Im Ausland ist das anders. Denn hier bin ich umgeben von Menschen anderer Nationen, die es mit ihren Nationalfeiertagen deutlich anders halten.

    Beispiel Frankreich: Da tanzt das ganze Land, egal ob Großstadt oder Kaff, schon am 13. Juli mit dem “bal des pompiers” in den Nationalfeiertag hinein, schwenkt französische Fahnen und jagt Feuerwerke in den Himmel – ganz abgesehen von der imposanten und in Deutschland völlig unvorstellbaren Militärparade auf der Champs Élysées.

    Von einem Empfang vor Ort hat die Deutsche Botschaft in Brüssel dieses Jahr, mit Verweis auf Corona, abgesehen. Stattdessen gab es einen knapp 30-minütigen digitalen Empfang, in dem Botschafter Kotthaus daran erinnerte, was die Deutschen am 3. Oktober feiern – theoretisch zumindest.

    Vielleicht ist die Gratulation zum Tag der Deutschen Einheit à la Kotthaus ja genau der erste vorsichtige Schritt, die deutsche Zurückhaltung zu überwinden und in Feierlaune zu kommen? Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf, das beim Empfang der deutschen Botschaft in Brüssel 2022 zu testen. Ob ich mit Deutschlandflagge komme, bezweifle ich aber weiterhin stark. Jasmin Kohl

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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