Volker Wissing lädt heute zum E-Fuels-Dialog in sein Verkehrsministerium. Es ist bereits der zweite internationale Gipfel, bei dem der FDP-Minister hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringen will, “um Potenziale von E-Fuels und Strategien für einen erfolgreichen Markthochlauf zu diskutieren”.
Anders als im vergangenen Jahr, als die Konferenz im Vorfeld der Automobilmesse IAA in München stattfand und somit der Fokus auf dem Auto lag, ist diesmal die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) der Anlass. Entsprechend sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die marktreife Verwendung von E-Fuels in der Luftfahrt im Zentrum der Gespräche stehen. Die Europäische Union hat ihre Hausaufgaben schon gemacht. Ab 2030 gelten in der EU Quoten für synthetisches Kerosin.
Nicht so bei der Verwendung von E-Fuels in Autos. Hier verhandeln die Mitgliedstaaten noch, wie E-Fuels trotz Verbrenner-Aus auch nach 2035 noch zum Einsatz kommen können. Bislang ohne Erfolg, da viele Länder die Aufweichung des Verbrennerverbots für ein fatales Signal für die Industrie halten. Wissing sagte allerdings kürzlich in einem Interview, dass es bis Ende des Jahres einen Vorschlag zur technischen Umsetzung von sogenannten “E-Fuels only”-Fahrzeugen geben wird. Fraglich ist, ob dieser die skeptischen Mitgliedstaaten überzeugen kann. Welche Gesetzgebungsvorschläge die Kommission im neuen Mandat im Bereich Automotive im Köcher haben könnte, das lesen Sie in der Analyse meines Kollegen Markus Grabitz.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre
In der nächsten Wahlperiode ist die große Frage: Macht die EU einen Rückzieher beim Verbrenner-Aus? CDU und CSU verkaufen ihre Forderung als Wahlkampfschlager. Der Ruf danach aus einigen Mitgliedstaaten wird lauter. Auch von den Herstellern gibt es zunehmend Signale, die CO₂-Flottengesetzgebung der EU anzupassen. Hintergrund ist, dass der Absatz von E-Autos weit unter den Erwartungen liegt und der Hochlauf der Technologie weiter auf sich warten lässt.
Bislang gibt es keinen Hinweis, wie Ursula von der Leyen, die mutmaßlich auch die nächste Kommission führen wird, zum Ausstieg aus dem Verbrenner-Aus steht. CDU und CSU fordern, den Review von 2026 auf 2025 vorzuziehen. Bislang hat von der Leyen auch nicht signalisiert, ob sie dazu bereit ist.
Nach der CO₂-Flottengesetzgebung wird die Kommission 2025 einen Fortschrittsbericht vorlegen. Auf dessen Basis wird die Kommission die im Gesetz vorgesehene Überprüfung (Review) 2026 vornehmen und gegebenenfalls Änderungen der CO₂-Flottengrenzwerte vorschlagen. Von Seiten der Hersteller und Zulieferer heißt es, etwaige regulative Änderungen kämen damit sehr spät. Es würde dann bis 2028 dauern, bis ein Vorschlag von Rat und Parlament beschlossen wäre und die Industrie Rechtssicherheit hätte.
Unabhängig davon, ob es beim Verbrenner-Aus bleibt, muss noch der Betrieb von Verbrenner-Fahrzeugen mit CO₂-neutralen Kraftstoffen geregelt werden. Über die CO₂-Flottengesetzgebung für Pkw sowie für schwere Nutzfahrzeuge ist die Kommission aufgefordert, einen Regulativ-Vorschlag dafür zu unterbreiten.
Gespannt wartet die Branche zudem darauf, ob die Kommission einen Vorschlag zur Regulierung des CO₂-Ausstoßes von Dienstwagen machen wird. Bis Juli läuft noch die Konsultation. An dem Thema sind vor allem Hersteller und Flottenbetreiber interessiert sowie Konzerne, die viele Fahrzeuge in ihrem Fuhrpark haben. Ob die Kommission einen Vorschlag macht, ist offen. Klar ist, dass die Generaldirektionen Klima und Transport miteinander ringen.
Bei der Schadstoffregulierung Euro 7 stehen noch wichtige delegierte Rechtsakte aus. Das EU-Gesetz war in diesem Mandat abgeschlossen worden. Die neuen Grenzwerte sollen 2030 in Kraft treten. Wie bei anderen sehr technischen Gesetzgebungsverfahren sind die delegierten Rechtsakte auch bei der Schadstoffregulierung entscheidend.
Die Kommission wird zudem einen Blick darauf haben, ob der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe (AFIR) Schritt mit der Regulierung hält. Eine erste Bewertung der erst kürzlich in Kraft getretenen Regulierung steht bereits Ende des Jahres an. Bis 2028 wird es eine Bewertung der EU-Gebäuderichtlinie geben. Dabei dürfte es wieder um die Frage gehen, ob private Bauherren zur Schaffung von Ladesäulen für E-Autos verpflichtet werden.
Im Raum steht immer noch, ob es eine eigene Gesetzgebung geben wird, die den Zugang zu im Fahrzeug anfallenden Daten regelt. Bislang fallen diese Daten unter den Data Act. Es hieß, dass die In-Vehicle-Data von einem Spezialgesetz geregelt werden sollen. Der Vorschlag steht aus.
Bei weiteren EU-Gesetzen, die in dieser Wahlperiode abgeschlossen wurden, stehen im neuen Mandat Überprüfungen an. Etwa bei der Allgemeinen Regulierung zur Fahrzeugsicherheit. Es wird damit gerechnet, dass die Kommission bis 2027 eine Bewertung vorlegt und gegebenenfalls neue Vorschläge macht. 2018 hatte die Kommission das Ziel ausgegeben, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 zu halbieren. Bis 2050 soll die “Vision null Verkehrstote” erreicht werden. Die Hersteller befürchten neue Vorschriften, die die Fahrzeuge teurer machen.
Die Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED) wird 2028 überprüft. Hier wird mit Anpassungsbedarf gerechnet. Auch die Luftreinhaltungsrichtlinie, die 2030 in Kraft tritt und eine Annäherung der Grenzwerte für wichtige Luftschadstoffe an die WHO-Richtwerte vorsieht, könnte erneut in den Fokus des Gesetzgebers kommen.
Als Günter Verheugen als einstiger Chefunterhändler der EU den Beitrittsvertrag mit Prag unter Dach und Fach gebracht hatte, atmete er auf: “Die Tschechen sind mit Sicherheit die skeptischsten Europäer.” Einige aus der politischen Elite des Landes haben ihre Abneigung gegen die Union seitdem eher verstärkt. So etwa Václav Klaus, der beim tschechischen Beitritt Präsident auf der Prager Burg war und später einräumte, selbst gegen den Beitritt gestimmt zu haben.
In einem Aufsatz für die Mladá fronta Dnes schrieb Klaus am Montag: “Es gibt nur sehr wenige große, sogenannte europäische Probleme. Auch wenn uns die Europäer das Gegenteil sagen. Die überwiegende Mehrheit der menschlichen Probleme sind häuslicher, lokaler, regionaler, nationaler und nicht europäischer Natur.” Die EU “erfinde” deshalb große Probleme. “Deshalb engagiert sie sich so sehr für den angeblichen Klimawandel (und zerstört mit dem Green Deal die europäische Wirtschaft). […] Deshalb stiftet sie andere globale Bedrohungen und hat sich vor einiger Zeit den Kampf gegen Covid ausgedacht.”
Dass die EU Tschechien nichts Gutes will, betont im Wahlkampf auch Ex-Premier Andrej Babiš, der namentlich gegen den EU-Migrationspakt wettert. Gemeinsam mit den politischen Rechtsaußen der Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) wirft er der liberal-konservativen Regierung vor, ohne Not für den Pakt gestimmt zu haben und damit für die Umverteilung von Flüchtlingen auch nach Tschechien.
Dass Länder wie Tschechien, die sich um viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kümmern, von solchen Maßnahmen zunächst einmal ausgenommen sind, verschweigen die Kritiker. Wie sie auch so tun, als litten die Tschechen darunter, dass der Staat die Ukrainer im Land massiv unterstütze. Dabei haben die Ukrainer, weil sie in Tschechien gut auf dem Arbeitsmarkt integriert sind, im ersten Quartal diesen Jahres erstmals dem Fiskus mehr eingebracht als sie kosteten.
Babiš schürt die Angst dennoch weiter und hat für die letzten Tage vor der Wahl im Parlament noch eine Sondersitzung durchgesetzt, wo er die angeblich drohende ungehinderte Zuwanderung anprangern möchte. Die Migration ist die größte Sorge vieler Tschechen. Und Babiš mit seiner Bewegung ANO sieht die EU-Wahl als Probelauf für die kommenden Parlamentswahlen, bei denen er wieder zurück an die Macht will.
In den aktuellen Umfragen für die EU-Wahl liegt ANO mit 23,1 Prozent vorn, gefolgt vom konservativen Bündnis Spolu mit 21,5 Prozent. Spolu von Premier Petr Fiala ist die stärkste Kraft innerhalb der Prager Regierung. Fialas Koalitionäre – die Piraten und die Bürgermeisterpartei STAN – kämen auf jeweils etwa zehn Prozent. Wie ANO sich mit ihrer mittlerweile scharfen Kritik an der EU künftig in der Partei der europäischen Liberalen ALDE einordnen will, ist eine spannende Frage.
Das Prager Regierungslager hat sich freilich auch eine gewisse Skepsis gegenüber der EU bewahrt. Ihm geht der Green Deal zu weit, es sorgt sich wie auch andere um die wichtige tschechische Autoindustrie und die Landwirte. Völlig anders als ANO stehen die Prager Regierenden ohne Wenn und Aber zur Hilfe für die Ukraine. ANO besteht auf sofortigen Friedensverhandlungen – eine Forderung, die auch in der Bevölkerung zunehmend Anhänger findet.
Alles in allem nehmen die Tschechen die Europawahlen aber nicht sonderlich ernst. Das Land gehört zu denen, die die geringste Wahlbeteiligung erwarten lassen.
Getoppt wurde das geringe Interesse der Tschechen von den benachbarten Slowaken, die von allen EU-Ländern bisher immer die schwächste Wahlbeteiligung zustande brachten. Das hat Analysten ein bisschen überrascht, haben die Slowaken doch eine prinzipiell positive Einstellung zur EU. Man vertraute europäischen Institutionen teilweise deutlich mehr als denen im eigenen Land. Wie sich die Slowaken in diesem Jahr verhalten werden, ist nach Ansicht von Politologen unsicher. “Unser Land hat derzeit ganz andere Sorgen”, hört man immer wieder.
Diese anderen Sorgen hängen mit dem kürzlichen Attentat auf Ministerpräsident Robert Fico zusammen. Ein 71-Jähriger schoss mehrfach auf den Premier, als der nach einer Regierungssitzung in der Provinz wartenden Anhängern die Hände schütteln wollte. Ficos Leben konnte unter großem Einsatz der Ärzte im Krankenhaus von Banská Bystrica gerettet werden. Der Premier hat sich mittlerweile soweit erholt, dass er am vergangenen Wochenende in seine Wohnung in der Hauptstadt Bratislava gebracht werden konnte, wo er häusliche Pflege erhält.
Der in wenigen Tagen offiziell sein Amt als neuer Präsident aufnehmende Sozialdemokrat Peter Pellegrini hatte in einer ersten Reaktion auf das Attentat die Parteien aufgerufen, den Wahlkampf für das Europaparlament abzubrechen oder zumindest deutlich zurückzufahren. Ein von Pellegrini und der amtierenden Präsidentin Zuzana Čaputová vorgeschlagenes Treffen mit den Spitzen der Parlamentsparteien kam jedoch nicht zustande.
Und nach ein paar Tagen relativer Ruhe nahm auch der Streit im Land wieder Fahrt auf. Das Land ist mit Wahlwerbetafeln übersät. Der Wahlkampf findet aber eher in den sozialen Netzwerken statt, wo die Parteien für sich werben. Bestimmt Narrative aber fehlen. Die oppositionelle Progressive Slowakei (PS) etwa verzichtete wohlweislich auf alte Parolen wie “Wir müssen Fico schlagen”, um nicht als weiter polarisierend angesehen zu werden.
Regierungspolitiker nutzen den Schock im Land, um nicht nur die Opposition, sondern vor allem die Medien anzuklagen und zu gängeln. Das Gesetz zur Abschaffung des öffentlich-rechtlichen slowakischen Rundfunks und Fernsehens – einem Unternehmen nach dem Vorbild der BBC – wurde in erster Lesung im Parlament verabschiedet.
Hinzu kommt, dass der meistgesehene Fernsehsender Markíza, der einen tschechischen Eigentümer hat, seine Nachrichten entpolitisiert hat, um sich bei den Regierenden offenkundig anzubiedern, wie es bei den Mitarbeitern heißt. Einer der beliebtesten Moderatoren des Senders nutze eine Live-Sendung, um vor einer “drohenden Orbanisierung” zu warnen. Die Eigentümer setzten die Sendung sofort ab.
Von einer Beruhigung der Lage kann derzeit keine Rede sein. Wem das bei den EU-Wahlen nützt, scheint relativ klar: Den Umfragen nach dem Attentat zufolge stiegen die Präferenzen der regierenden linksnationalen Smer von Fico massiv an, die der liberalen Opposition gingen in der gleichen Zeit ebenso massiv zurück. Im Ergebnis liegt die Fico-Partei nunmehr vor den Liberalen.
Dieser Trend ist nicht nur für den EU-Urnengang bedeutsam. Es steht zu erwarten, dass die Regierenden die wachsende Zustimmung für sich ausnutzen werden, um die Slowakei weiter nach ihren Vorstellungen umzubauen. Das könnte Brüssel auf längere Sicht noch viel Sorgen bereiten. Hans-Jörg Schmidt
05.06.-10.07.2024, online
EUI, Seminar Regulating Digital Platforms
The Centre for a Digital Society (EUI) delves into the fundamental economic features of the platform economy, encompassing platform business models and market dynamics. INFOS & REGISTRATION
05.06.2024 – 10:00-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
EC, Conference Let’s reduce consumer food waste! Solutions from the European Consumer Food Waste Forum
The European Commission (EC) discusses the latest initiatives in food waste prevention. INFOS & REGISTRATION
05.06.2024 – 13:30-15:00 Uhr, online
EUI, Presentation Emergence of sector regulation of digital platforms around the world
The Centre for a Digital Society (EUI) discusses the recent developments on ex ante digital regulation in different parts of the world. INFOS & ANMELDUNG
05.06.2024 – 14:00-17:35 Uhr, Berlin
BDI, Conference Industrielle Resilienz und klimaneutrale Transformation
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert die Analyse einer zukunftsfähigen Wertschöpfung unter Einbezug global produzierter Vorleistungen und auf Basis einer nachhaltigen Rohstoffversorgung. INFOS & ANMELDUNG
05.06.2024 – 18:00-20:00 Uhr, Berlin
HBS, Podiumsdiskussion Build Back Better: Soziale (Infra-)Strukturen für den Wiederaufbau der Ukraine
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) diskutiert Perspektiven für den Wiederaufbau der Ukraine. INFOS & ANMELDUNG
06.06.-08.06.2024, Warschau (Polen)
ACEM, Conference The Twin Transition: Towards a Green and Digital Economy
The European Association of Guarantee Institutions (ACEM) addresses the twin transition of a green and digital economy. INFOS & REGISTRATION
06.06.-07.06.2024, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Media Law 2024
The Acadamy of European Law (ERA) aims to keep media law practitioners up-to-date by providing an overview of the latest policy developments, legislative initiatives and case law in this field. INFOS & REGISTRATION
06.06.2024 – 08:30-17:30 Uhr, Hannover
BDI, Konferenz Deutsch-Amerikanischer Wirtschaftstag 2024
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) adressiert die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen. INFOS & ANMELDUNG
06.06.2024 – 08:30 Uhr, online
Europe.Table/EBD, Webinar Europa vor der Schicksalswahl – der Kandidaten-Check
Europe.Table and die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) diskutieren mit Daniel Caspary und Nils Redeker über die Frage, wie die EU wettbewerbsfähiger werden kann. INFOS & ANMELDUNG
06.06.2024 – 14:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ACER, Presentation Benefit sharing to promote more efficient investments in energy infrastructure
The Agency for the Cooperation of Energy Regulators (ACER) discusses new ways of handling costs and infrastructure efficiency in electricity regulation. INFOS & REGISTRATION
06.06.2024 – 15:00 Uhr, online
EU Disinfo Lab, Seminar Cleaning the climate advertising industry
The EU Desinfo Lab discusses the world’s most powerful creative and reputation/PR management agencies. INFOS & REGISTRATION
06.06.2024 – 19:00 Uhr, online
HSS, Seminar Z – wie Zukunft der EU
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beschäftigt sich mit der Zukunft der EU. INFOS & ANMELDUNG
Der Europäischen Union droht in den kommenden Jahrzehnten ein deutlicher Bevölkerungsschwund. Bis 2070 könnte die Einwohnerzahl in den aktuellen Grenzen selbst bei einer Nettozuwanderung von jährlich 1,2 Millionen Personen um 4,2 Prozent auf 432,2 Millionen sinken. Diese Prognose veröffentlichte das Statistische Bundesamt am Montag. Grundlage sind Berechnungen des EU-Statistikamtes Eurostat.
Am 1. Januar 2023 lebten 451,4 Millionen Menschen in der EU. Bei einer höheren jährlichen Zuwanderung von 1,6 Millionen Personen wäre ein Wachstum zu erwarten. Die Bevölkerungszahl läge dann 2070 mit 465,5 Millionen um 3,1 Prozent höher als zuletzt.
“Zwischen den EU-Staaten gibt es deutliche Unterschiede”, betonten die Statistiker. Während Island, Malta, Luxemburg, Schweden und Irland mit deutlichen Bevölkerungsgewinnen zu rechnen haben, würde die Einwohnerzahl insbesondere in den ost- und südeuropäischen Mitgliedsstaaten abnehmen. Für Deutschland ergibt sich für 2070 nach der Basisvariante nur ein geringfügiger Bevölkerungsrückgang um 0,4 Prozent.
“Der demografische Wandel sorgt dafür, dass in den EU-Staaten in Zukunft immer weniger Menschen im Erwerbsalter einer immer größeren Zahl an Menschen im Rentenalter gegenüberstehen”, betonte das Statistikamt. Der Altenquotient bildet das Verhältnis der Personen im Rentenalter zu 100 Personen im erwerbsfähigen Alter ab. Der Basisvariante zufolge wird sich dieser Altenquotient von aktuell 36 auf 59 im Jahr 2070 erhöhen. Deutschland werde mit einem Quotienten von 54 den vierten Rang einnehmen. rtr
Europäerinnen und Europäer sehen den Klimawandel in den nächsten zehn Jahren als größte Bedrohung für ihren Lebensstil. 40 Prozent der Befragten reihten die Klimakrise noch vor Themen wie künstlicher Intelligenz, Pandemien und Migration ein, wie eine repräsentative Umfrage der Kommunikationsagentur Finn Partners Research & Insights im Auftrag der Meliore-Stiftung zeigt.
Auch den Deutschen bereitet die Klimakrise die größten Sorgen. 37 Prozent sehen sie als Bedrohung in den kommenden zehn Jahre, dahinter folgen Bedrohungen durch Migration und Kriminalität (beide 35 Prozent). Mehr als die Hälfte der Deutschen glauben zudem, dass extreme Wetterereignisse in den nächsten 20 Jahren die Wahl ihres Wohnortes beeinflussen werden. 71 Prozent sind besorgt über die zukünftige Wasserversorgung und mögliche Wasserknappheit. Hierzu sagen Experten gegenüber Table.Briefings, dass die Trinkwasserversorgung zwar gesichert sei – in Zukunft aber teurer werden könnte.
Weiter sind 61 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die Regierung die zukünftigen Kosten des Klimawandels bereits heute in ihren politischen Entscheidungen priorisieren sollte. Erst kürzlich zeigte auch eine Eurobarometer-Umfrage, dass ein Großteil der Menschen mit der Klimapolitik der EU unzufrieden ist. lb
Polen wird mehr als drei Milliarden Złoty (700 Millionen Euro) ausgeben, um die Cybersicherheit zu erhöhen, sagte Digitalisierungsminister Krzysztof Gawkowski am Montag. Zuvor war die staatliche Nachrichtenagentur PAP von einem Angriff betroffen, bei dem es sich nach Ansicht der Behörden wahrscheinlich um einen russischen Cyberangriff handelte.
Da am Sonntag in Polen die Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden, sind die Behörden in höchster Alarmbereitschaft, was Versuche Moskaus angeht, sich in die Wahl einzumischen. Diese Befürchtungen haben sich am Freitag noch verstärkt, als auf PAP ein falscher Artikel über eine militärische Mobilisierung erschien.
Warschau hat Moskau wiederholt beschuldigt, Polen wegen seiner Rolle bei der Bereitstellung von Militärhilfe für das Nachbarland Ukraine destabilisieren zu wollen, was Russland zurückgewiesen hat.
“Wir wollen über drei Milliarden Złoty für einen ‘Cyber-Schutzschild‘ bereitstellen”, sagte Gawkowski auf einer Pressekonferenz. “Polen steht heute an vorderster Front im Cyber-Kampf gegen Russland. Polen hat die meisten Angriffe.” Das Land habe am Sonntag und Montag mehrere Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen abgewehrt. rtr
Andrés Ritter gefällt der Vergleich mit Hollywoodfilmen. Da gibt es immer wieder diese eine Szene, in der Kriminelle ihre Verfolger an der Grenze abhängen, weil die Beamten im benachbarten US-Bundesstaat keine Befugnis haben. Früher war das in der EU auch ein wenig so. Seit die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA/EPPO), die Ritter als Vize gemeinsam mit Behördenchefin Laura Kövesi aufgebaut hat, im Juni 2021 ihre Arbeit aufnahm, hat sich die Lage geändert. “Wenn Kriminelle keine Grenzen haben, dann sollten Strafverfolger auch keine Grenze haben”, sagt Ritter.
EPPO schreitet ein, wenn das Geld der europäischen Steuerzahler in dunkle Kanäle zu geraten droht, etwa bei Geldwäsche, Korruption und Mehrwertsteuerbetrug. Anders als die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf, die nur untersuchen kann, sorgt EPPO dafür, dass Täter vor Gericht kommen.
Der Bedarf für eine solche Strafverfolgungsbehörde ist enorm, das zeigen schon die Zahlen. Der Schaden aus den aktiven Fällen von EPPO beläuft sich aktuell auf 19 Milliarden Euro. Der Betrag dürfte in den kommenden Jahren noch erheblich steigen, wenn die Milliardenbeträge aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm ganz ausgezahlt sind. “Wir sehen einen gewissen Verzögerungseffekt”, sagt Ritter.
Bevor der heute 59-Jährige zu EPPO wechselte, leitete er die Staatsanwaltschaft in Rostock, wo er 1995 nach dem Referendariat begonnen hatte. Erfahrung mit Wirtschaftskriminalität bringt er reichlich mit – und auch in der internationalen Rechtshilfe.
Zwischendurch sah es so aus, als ob Ritter in der EU-Kommission Karriere machen würde. Nachdem er den Concours bestanden hatte, heuerte er 1998 in der damaligen Generaldirektion für Industrie an. Sein Aufgabengebiet ähnelte dem eines Staatsanwalts. Mit seinen Kollegen sorgte er dafür, dass Mitgliedsstaaten mit technischen Vorgaben, etwa bei der Feuerwehrausrüstung keine Handelshemmnisse hochzogen.
Die Arbeit in einer internationalen Behörde mit vier Nationalitäten in einem Team von fünf Leuten machte ihm großen Spaß. Dass er nur ein gutes Jahr in Brüssel blieb und nach Rostock zurückkehrte, lag an der Geburt seiner mittlerweile 25-jährigen Tochter.
Als Sohn eines Deutschen und einer Chilenin ist Ritter zweisprachig aufgewachsen und schon jung viel herumgekommen. Er besuchte in Peru und Spanien deutsche Schulen, ehe er in Venezuela Abitur machte. Als Manager beim beim Chemiekonzern Bayer musste der Vater den Einsatzort oft wechseln. Die Umzüge hätten ihn flexibel und anpassungsfähig gemacht, sagt Ritter.
Als er erstmals von den Plänen einer Europäischen Staatsanwaltschaft erfuhr, wurde hellhörig, weil die Aufgabe in Luxemburg seine zwei großen Leidenschaften verbindet: Die Arbeit als Staatsanwaltschaft und Europa. Es reizte ihn, eine Behörde neu aufzubauen, auch wenn die Arbeitsbelastung bei allen hoch ist: “Niemand hier arbeitet nur acht Stunden.”
Aktuell hat Ritter den Fall der früheren Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili, auf dem Tisch. Sie steht im Verdacht, bis zu 150.000 Euro nicht wie behauptet für einen Assistenten ausgegeben zu haben. Die Ermittlungen laufen parallel zu Katargate. Es war die Europäische Staatsanwaltschaft, die beantragt hat, Kailis Immunität aufzuheben.
EPPO wird mit jedem Jahr bekannter. Sowohl Privatpersonen als auch Behörden melden häufiger Verdachtsfälle nach Luxemburg, 2023 im Jahresvergleich 60 Prozent mehr. Noch wichtiger findet Ritter allerdings, dass die Behörde tatsächlich dafür sorgt, dass die Zusammenarbeit zwischen europäischen Ermittlungsbehörden nahtlos läuft. Bei der Operation Huracán waren 3000 Ermittler an einem Tag in sieben Städten in Europa im Einsatz. Von fünf Beschuldigten haben vier Geständnisse abgelegt. Die Beweislage war erdrückend. Ritter sieht dies als Beleg für die Qualität der Ermittlungen.
Überrascht werden Ritter und seine Kollegen immer wieder von den Unterschieden in den nationalen Rechtssystemen. Wenn sie Defizite sehen, die sie im Widerspruch mit Europa-Recht sehen, dann melden sie die der Kommission.
In seinem Bewerbungsschreiben hatte er unterstrichen, dass er sich von EPPO einen äußerst positiven Effekt erwarte, “weit jenseits des Schutzes der finanziellen Interessen der Europäischen Union”. Vergangenes Jahr wurde seine Amtszeit um drei Jahre bis Ende 2026 verlängert. Den Anspruch sieht er schon jetzt erfüllt: “Wir tragen zur Glaubwürdigkeit der EU bei.” Von Silke Wettach
Es sind nur noch wenige Tage bis zur Europawahl, aber der Wahlkampf plätschert hierzulande so vor sich hin. Die Schlagzeilen bestimmen Haushaltsstreit und Hochwasser, nicht Diskussionen über Europas Selbstverteidigung oder Erweiterung. Die Wahlkämpfenden dringen im bundesdeutschen Politik- und Medienbetrieb kaum durch.
Altvordere Europapolitiker wie Elmar Brok erinnern nun daran, worum es eigentlich geht: “Verspielt Europa nicht!”, hat der langjährige CDU-Europaabgeordnete sein Buch genannt, das er gemeinsam mit dem Journalisten Peter Köpf verfasst hat. Ein Europa, das nicht wieder die Kraft zur Integration finde, werde untergehen wie die griechischen Städte des Altertums, mahnt Brok. “Das ist nicht weniger als eine Frage von Krieg und Frieden.”
Vielen Jüngeren mag das übertrieben vorkommen, für sie ist die europäische Einigung der Normalzustand. Doch die Parteien an den Rändern gehen mit Parolen auf Stimmenfang, die eben diese Einigung infrage stellen. Brok mahnt: Die supranationale EU zu zerstören und durch ein “Europa der Nationen” zu ersetzen, bedeute, auf ein Konzept zu setzen, das in den vergangenen 300 Jahren alle 30 Jahre zu Krieg geführt habe. Er zitiert den früheren französischen Staatspräsidenten Mitterand: “Le nationalisme, c’est la guerre !”
Der 78-Jährige richtet dabei auch mahnende Worte an seine Parteifreundin Ursula von der Leyen. Es sei zwar unumgänglich, dass die Kommissionspräsidentin mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni im Europäischen Rat zusammenarbeite und mit dieser nach Tunesien reise, um einen Migrationspakt zu schließen. Aber: “Für das Ansehen und den Zusammenhalt der EU wäre es katastrophal, wenn der nächste Kommissionspräsident mithilfe von rechten oder linken Radikalen ins Amt käme.”
Die Debatte, ob jemand Deutscher, Franzose oder Europäer sei, hält Brok für unsinnig. Die Politik solle Probleme auf der Ebene angehen, wo man sie am besten lösen kann. Anders als Region oder Nationalstaat sei Europa aber ein Produkt der Vernunft, nicht der Emotionen. “Europa braucht Begründung.” Und damit Resultate.
Für Brok, fast 40 Jahre lang Europaabgeordneter, ist klar: “Wo die EU supranational statt intergouvernemental und ohne Veto-Prinzip arbeitet, ist sie erfolgreich”. Angesichts der möglichen Aufnahme neuer Mitgliedstaaten sei klar, dass der Rat künftig auch in der Außen- oder Steuerpolitik mit qualifizierter Mehrheit entscheiden müsse. Am Vetorecht festzuhalten, bedeute “Europasklerose, mehr noch: das Ende der EU”.
Der CDU-Politiker sieht auch die deutschen Politiker in der Pflicht. Die Entscheidungsprozesse in Brüssel würden häufig durch Deutschland verschleppt, “dessen unkoordiniertes Verhalten, Dysfunktionalität und schwache Entscheidungsstrukturen die EU lähmen”. Zugleich habe das deutsche Politikpersonal zuletzt “verheerende Zeichen von Arroganz in Richtung seiner Partner” gesendet.
Als Beispiele nennt er das Vorgehen von Kanzler Olaf Scholz beim Aufbau einer europäischen Luftverteidigung oder die fehlende Kommunikation beim “Doppelwumms”. Helmut Kohl habe stets darauf geachtet, die Macht des Landes mit den meisten Einwohnern und der größten Wirtschaftsleistung nicht demonstrativ einzusetzen, so Brok. “Der neue deutsche Außenpolitikansatz kommt hingegen einer Bevormundung gleich.” Till Hoppe
Volker Wissing lädt heute zum E-Fuels-Dialog in sein Verkehrsministerium. Es ist bereits der zweite internationale Gipfel, bei dem der FDP-Minister hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringen will, “um Potenziale von E-Fuels und Strategien für einen erfolgreichen Markthochlauf zu diskutieren”.
Anders als im vergangenen Jahr, als die Konferenz im Vorfeld der Automobilmesse IAA in München stattfand und somit der Fokus auf dem Auto lag, ist diesmal die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) der Anlass. Entsprechend sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die marktreife Verwendung von E-Fuels in der Luftfahrt im Zentrum der Gespräche stehen. Die Europäische Union hat ihre Hausaufgaben schon gemacht. Ab 2030 gelten in der EU Quoten für synthetisches Kerosin.
Nicht so bei der Verwendung von E-Fuels in Autos. Hier verhandeln die Mitgliedstaaten noch, wie E-Fuels trotz Verbrenner-Aus auch nach 2035 noch zum Einsatz kommen können. Bislang ohne Erfolg, da viele Länder die Aufweichung des Verbrennerverbots für ein fatales Signal für die Industrie halten. Wissing sagte allerdings kürzlich in einem Interview, dass es bis Ende des Jahres einen Vorschlag zur technischen Umsetzung von sogenannten “E-Fuels only”-Fahrzeugen geben wird. Fraglich ist, ob dieser die skeptischen Mitgliedstaaten überzeugen kann. Welche Gesetzgebungsvorschläge die Kommission im neuen Mandat im Bereich Automotive im Köcher haben könnte, das lesen Sie in der Analyse meines Kollegen Markus Grabitz.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre
In der nächsten Wahlperiode ist die große Frage: Macht die EU einen Rückzieher beim Verbrenner-Aus? CDU und CSU verkaufen ihre Forderung als Wahlkampfschlager. Der Ruf danach aus einigen Mitgliedstaaten wird lauter. Auch von den Herstellern gibt es zunehmend Signale, die CO₂-Flottengesetzgebung der EU anzupassen. Hintergrund ist, dass der Absatz von E-Autos weit unter den Erwartungen liegt und der Hochlauf der Technologie weiter auf sich warten lässt.
Bislang gibt es keinen Hinweis, wie Ursula von der Leyen, die mutmaßlich auch die nächste Kommission führen wird, zum Ausstieg aus dem Verbrenner-Aus steht. CDU und CSU fordern, den Review von 2026 auf 2025 vorzuziehen. Bislang hat von der Leyen auch nicht signalisiert, ob sie dazu bereit ist.
Nach der CO₂-Flottengesetzgebung wird die Kommission 2025 einen Fortschrittsbericht vorlegen. Auf dessen Basis wird die Kommission die im Gesetz vorgesehene Überprüfung (Review) 2026 vornehmen und gegebenenfalls Änderungen der CO₂-Flottengrenzwerte vorschlagen. Von Seiten der Hersteller und Zulieferer heißt es, etwaige regulative Änderungen kämen damit sehr spät. Es würde dann bis 2028 dauern, bis ein Vorschlag von Rat und Parlament beschlossen wäre und die Industrie Rechtssicherheit hätte.
Unabhängig davon, ob es beim Verbrenner-Aus bleibt, muss noch der Betrieb von Verbrenner-Fahrzeugen mit CO₂-neutralen Kraftstoffen geregelt werden. Über die CO₂-Flottengesetzgebung für Pkw sowie für schwere Nutzfahrzeuge ist die Kommission aufgefordert, einen Regulativ-Vorschlag dafür zu unterbreiten.
Gespannt wartet die Branche zudem darauf, ob die Kommission einen Vorschlag zur Regulierung des CO₂-Ausstoßes von Dienstwagen machen wird. Bis Juli läuft noch die Konsultation. An dem Thema sind vor allem Hersteller und Flottenbetreiber interessiert sowie Konzerne, die viele Fahrzeuge in ihrem Fuhrpark haben. Ob die Kommission einen Vorschlag macht, ist offen. Klar ist, dass die Generaldirektionen Klima und Transport miteinander ringen.
Bei der Schadstoffregulierung Euro 7 stehen noch wichtige delegierte Rechtsakte aus. Das EU-Gesetz war in diesem Mandat abgeschlossen worden. Die neuen Grenzwerte sollen 2030 in Kraft treten. Wie bei anderen sehr technischen Gesetzgebungsverfahren sind die delegierten Rechtsakte auch bei der Schadstoffregulierung entscheidend.
Die Kommission wird zudem einen Blick darauf haben, ob der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe (AFIR) Schritt mit der Regulierung hält. Eine erste Bewertung der erst kürzlich in Kraft getretenen Regulierung steht bereits Ende des Jahres an. Bis 2028 wird es eine Bewertung der EU-Gebäuderichtlinie geben. Dabei dürfte es wieder um die Frage gehen, ob private Bauherren zur Schaffung von Ladesäulen für E-Autos verpflichtet werden.
Im Raum steht immer noch, ob es eine eigene Gesetzgebung geben wird, die den Zugang zu im Fahrzeug anfallenden Daten regelt. Bislang fallen diese Daten unter den Data Act. Es hieß, dass die In-Vehicle-Data von einem Spezialgesetz geregelt werden sollen. Der Vorschlag steht aus.
Bei weiteren EU-Gesetzen, die in dieser Wahlperiode abgeschlossen wurden, stehen im neuen Mandat Überprüfungen an. Etwa bei der Allgemeinen Regulierung zur Fahrzeugsicherheit. Es wird damit gerechnet, dass die Kommission bis 2027 eine Bewertung vorlegt und gegebenenfalls neue Vorschläge macht. 2018 hatte die Kommission das Ziel ausgegeben, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 zu halbieren. Bis 2050 soll die “Vision null Verkehrstote” erreicht werden. Die Hersteller befürchten neue Vorschriften, die die Fahrzeuge teurer machen.
Die Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED) wird 2028 überprüft. Hier wird mit Anpassungsbedarf gerechnet. Auch die Luftreinhaltungsrichtlinie, die 2030 in Kraft tritt und eine Annäherung der Grenzwerte für wichtige Luftschadstoffe an die WHO-Richtwerte vorsieht, könnte erneut in den Fokus des Gesetzgebers kommen.
Als Günter Verheugen als einstiger Chefunterhändler der EU den Beitrittsvertrag mit Prag unter Dach und Fach gebracht hatte, atmete er auf: “Die Tschechen sind mit Sicherheit die skeptischsten Europäer.” Einige aus der politischen Elite des Landes haben ihre Abneigung gegen die Union seitdem eher verstärkt. So etwa Václav Klaus, der beim tschechischen Beitritt Präsident auf der Prager Burg war und später einräumte, selbst gegen den Beitritt gestimmt zu haben.
In einem Aufsatz für die Mladá fronta Dnes schrieb Klaus am Montag: “Es gibt nur sehr wenige große, sogenannte europäische Probleme. Auch wenn uns die Europäer das Gegenteil sagen. Die überwiegende Mehrheit der menschlichen Probleme sind häuslicher, lokaler, regionaler, nationaler und nicht europäischer Natur.” Die EU “erfinde” deshalb große Probleme. “Deshalb engagiert sie sich so sehr für den angeblichen Klimawandel (und zerstört mit dem Green Deal die europäische Wirtschaft). […] Deshalb stiftet sie andere globale Bedrohungen und hat sich vor einiger Zeit den Kampf gegen Covid ausgedacht.”
Dass die EU Tschechien nichts Gutes will, betont im Wahlkampf auch Ex-Premier Andrej Babiš, der namentlich gegen den EU-Migrationspakt wettert. Gemeinsam mit den politischen Rechtsaußen der Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) wirft er der liberal-konservativen Regierung vor, ohne Not für den Pakt gestimmt zu haben und damit für die Umverteilung von Flüchtlingen auch nach Tschechien.
Dass Länder wie Tschechien, die sich um viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kümmern, von solchen Maßnahmen zunächst einmal ausgenommen sind, verschweigen die Kritiker. Wie sie auch so tun, als litten die Tschechen darunter, dass der Staat die Ukrainer im Land massiv unterstütze. Dabei haben die Ukrainer, weil sie in Tschechien gut auf dem Arbeitsmarkt integriert sind, im ersten Quartal diesen Jahres erstmals dem Fiskus mehr eingebracht als sie kosteten.
Babiš schürt die Angst dennoch weiter und hat für die letzten Tage vor der Wahl im Parlament noch eine Sondersitzung durchgesetzt, wo er die angeblich drohende ungehinderte Zuwanderung anprangern möchte. Die Migration ist die größte Sorge vieler Tschechen. Und Babiš mit seiner Bewegung ANO sieht die EU-Wahl als Probelauf für die kommenden Parlamentswahlen, bei denen er wieder zurück an die Macht will.
In den aktuellen Umfragen für die EU-Wahl liegt ANO mit 23,1 Prozent vorn, gefolgt vom konservativen Bündnis Spolu mit 21,5 Prozent. Spolu von Premier Petr Fiala ist die stärkste Kraft innerhalb der Prager Regierung. Fialas Koalitionäre – die Piraten und die Bürgermeisterpartei STAN – kämen auf jeweils etwa zehn Prozent. Wie ANO sich mit ihrer mittlerweile scharfen Kritik an der EU künftig in der Partei der europäischen Liberalen ALDE einordnen will, ist eine spannende Frage.
Das Prager Regierungslager hat sich freilich auch eine gewisse Skepsis gegenüber der EU bewahrt. Ihm geht der Green Deal zu weit, es sorgt sich wie auch andere um die wichtige tschechische Autoindustrie und die Landwirte. Völlig anders als ANO stehen die Prager Regierenden ohne Wenn und Aber zur Hilfe für die Ukraine. ANO besteht auf sofortigen Friedensverhandlungen – eine Forderung, die auch in der Bevölkerung zunehmend Anhänger findet.
Alles in allem nehmen die Tschechen die Europawahlen aber nicht sonderlich ernst. Das Land gehört zu denen, die die geringste Wahlbeteiligung erwarten lassen.
Getoppt wurde das geringe Interesse der Tschechen von den benachbarten Slowaken, die von allen EU-Ländern bisher immer die schwächste Wahlbeteiligung zustande brachten. Das hat Analysten ein bisschen überrascht, haben die Slowaken doch eine prinzipiell positive Einstellung zur EU. Man vertraute europäischen Institutionen teilweise deutlich mehr als denen im eigenen Land. Wie sich die Slowaken in diesem Jahr verhalten werden, ist nach Ansicht von Politologen unsicher. “Unser Land hat derzeit ganz andere Sorgen”, hört man immer wieder.
Diese anderen Sorgen hängen mit dem kürzlichen Attentat auf Ministerpräsident Robert Fico zusammen. Ein 71-Jähriger schoss mehrfach auf den Premier, als der nach einer Regierungssitzung in der Provinz wartenden Anhängern die Hände schütteln wollte. Ficos Leben konnte unter großem Einsatz der Ärzte im Krankenhaus von Banská Bystrica gerettet werden. Der Premier hat sich mittlerweile soweit erholt, dass er am vergangenen Wochenende in seine Wohnung in der Hauptstadt Bratislava gebracht werden konnte, wo er häusliche Pflege erhält.
Der in wenigen Tagen offiziell sein Amt als neuer Präsident aufnehmende Sozialdemokrat Peter Pellegrini hatte in einer ersten Reaktion auf das Attentat die Parteien aufgerufen, den Wahlkampf für das Europaparlament abzubrechen oder zumindest deutlich zurückzufahren. Ein von Pellegrini und der amtierenden Präsidentin Zuzana Čaputová vorgeschlagenes Treffen mit den Spitzen der Parlamentsparteien kam jedoch nicht zustande.
Und nach ein paar Tagen relativer Ruhe nahm auch der Streit im Land wieder Fahrt auf. Das Land ist mit Wahlwerbetafeln übersät. Der Wahlkampf findet aber eher in den sozialen Netzwerken statt, wo die Parteien für sich werben. Bestimmt Narrative aber fehlen. Die oppositionelle Progressive Slowakei (PS) etwa verzichtete wohlweislich auf alte Parolen wie “Wir müssen Fico schlagen”, um nicht als weiter polarisierend angesehen zu werden.
Regierungspolitiker nutzen den Schock im Land, um nicht nur die Opposition, sondern vor allem die Medien anzuklagen und zu gängeln. Das Gesetz zur Abschaffung des öffentlich-rechtlichen slowakischen Rundfunks und Fernsehens – einem Unternehmen nach dem Vorbild der BBC – wurde in erster Lesung im Parlament verabschiedet.
Hinzu kommt, dass der meistgesehene Fernsehsender Markíza, der einen tschechischen Eigentümer hat, seine Nachrichten entpolitisiert hat, um sich bei den Regierenden offenkundig anzubiedern, wie es bei den Mitarbeitern heißt. Einer der beliebtesten Moderatoren des Senders nutze eine Live-Sendung, um vor einer “drohenden Orbanisierung” zu warnen. Die Eigentümer setzten die Sendung sofort ab.
Von einer Beruhigung der Lage kann derzeit keine Rede sein. Wem das bei den EU-Wahlen nützt, scheint relativ klar: Den Umfragen nach dem Attentat zufolge stiegen die Präferenzen der regierenden linksnationalen Smer von Fico massiv an, die der liberalen Opposition gingen in der gleichen Zeit ebenso massiv zurück. Im Ergebnis liegt die Fico-Partei nunmehr vor den Liberalen.
Dieser Trend ist nicht nur für den EU-Urnengang bedeutsam. Es steht zu erwarten, dass die Regierenden die wachsende Zustimmung für sich ausnutzen werden, um die Slowakei weiter nach ihren Vorstellungen umzubauen. Das könnte Brüssel auf längere Sicht noch viel Sorgen bereiten. Hans-Jörg Schmidt
05.06.-10.07.2024, online
EUI, Seminar Regulating Digital Platforms
The Centre for a Digital Society (EUI) delves into the fundamental economic features of the platform economy, encompassing platform business models and market dynamics. INFOS & REGISTRATION
05.06.2024 – 10:00-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
EC, Conference Let’s reduce consumer food waste! Solutions from the European Consumer Food Waste Forum
The European Commission (EC) discusses the latest initiatives in food waste prevention. INFOS & REGISTRATION
05.06.2024 – 13:30-15:00 Uhr, online
EUI, Presentation Emergence of sector regulation of digital platforms around the world
The Centre for a Digital Society (EUI) discusses the recent developments on ex ante digital regulation in different parts of the world. INFOS & ANMELDUNG
05.06.2024 – 14:00-17:35 Uhr, Berlin
BDI, Conference Industrielle Resilienz und klimaneutrale Transformation
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) diskutiert die Analyse einer zukunftsfähigen Wertschöpfung unter Einbezug global produzierter Vorleistungen und auf Basis einer nachhaltigen Rohstoffversorgung. INFOS & ANMELDUNG
05.06.2024 – 18:00-20:00 Uhr, Berlin
HBS, Podiumsdiskussion Build Back Better: Soziale (Infra-)Strukturen für den Wiederaufbau der Ukraine
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) diskutiert Perspektiven für den Wiederaufbau der Ukraine. INFOS & ANMELDUNG
06.06.-08.06.2024, Warschau (Polen)
ACEM, Conference The Twin Transition: Towards a Green and Digital Economy
The European Association of Guarantee Institutions (ACEM) addresses the twin transition of a green and digital economy. INFOS & REGISTRATION
06.06.-07.06.2024, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on European Media Law 2024
The Acadamy of European Law (ERA) aims to keep media law practitioners up-to-date by providing an overview of the latest policy developments, legislative initiatives and case law in this field. INFOS & REGISTRATION
06.06.2024 – 08:30-17:30 Uhr, Hannover
BDI, Konferenz Deutsch-Amerikanischer Wirtschaftstag 2024
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) adressiert die deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen. INFOS & ANMELDUNG
06.06.2024 – 08:30 Uhr, online
Europe.Table/EBD, Webinar Europa vor der Schicksalswahl – der Kandidaten-Check
Europe.Table and die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) diskutieren mit Daniel Caspary und Nils Redeker über die Frage, wie die EU wettbewerbsfähiger werden kann. INFOS & ANMELDUNG
06.06.2024 – 14:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ACER, Presentation Benefit sharing to promote more efficient investments in energy infrastructure
The Agency for the Cooperation of Energy Regulators (ACER) discusses new ways of handling costs and infrastructure efficiency in electricity regulation. INFOS & REGISTRATION
06.06.2024 – 15:00 Uhr, online
EU Disinfo Lab, Seminar Cleaning the climate advertising industry
The EU Desinfo Lab discusses the world’s most powerful creative and reputation/PR management agencies. INFOS & REGISTRATION
06.06.2024 – 19:00 Uhr, online
HSS, Seminar Z – wie Zukunft der EU
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beschäftigt sich mit der Zukunft der EU. INFOS & ANMELDUNG
Der Europäischen Union droht in den kommenden Jahrzehnten ein deutlicher Bevölkerungsschwund. Bis 2070 könnte die Einwohnerzahl in den aktuellen Grenzen selbst bei einer Nettozuwanderung von jährlich 1,2 Millionen Personen um 4,2 Prozent auf 432,2 Millionen sinken. Diese Prognose veröffentlichte das Statistische Bundesamt am Montag. Grundlage sind Berechnungen des EU-Statistikamtes Eurostat.
Am 1. Januar 2023 lebten 451,4 Millionen Menschen in der EU. Bei einer höheren jährlichen Zuwanderung von 1,6 Millionen Personen wäre ein Wachstum zu erwarten. Die Bevölkerungszahl läge dann 2070 mit 465,5 Millionen um 3,1 Prozent höher als zuletzt.
“Zwischen den EU-Staaten gibt es deutliche Unterschiede”, betonten die Statistiker. Während Island, Malta, Luxemburg, Schweden und Irland mit deutlichen Bevölkerungsgewinnen zu rechnen haben, würde die Einwohnerzahl insbesondere in den ost- und südeuropäischen Mitgliedsstaaten abnehmen. Für Deutschland ergibt sich für 2070 nach der Basisvariante nur ein geringfügiger Bevölkerungsrückgang um 0,4 Prozent.
“Der demografische Wandel sorgt dafür, dass in den EU-Staaten in Zukunft immer weniger Menschen im Erwerbsalter einer immer größeren Zahl an Menschen im Rentenalter gegenüberstehen”, betonte das Statistikamt. Der Altenquotient bildet das Verhältnis der Personen im Rentenalter zu 100 Personen im erwerbsfähigen Alter ab. Der Basisvariante zufolge wird sich dieser Altenquotient von aktuell 36 auf 59 im Jahr 2070 erhöhen. Deutschland werde mit einem Quotienten von 54 den vierten Rang einnehmen. rtr
Europäerinnen und Europäer sehen den Klimawandel in den nächsten zehn Jahren als größte Bedrohung für ihren Lebensstil. 40 Prozent der Befragten reihten die Klimakrise noch vor Themen wie künstlicher Intelligenz, Pandemien und Migration ein, wie eine repräsentative Umfrage der Kommunikationsagentur Finn Partners Research & Insights im Auftrag der Meliore-Stiftung zeigt.
Auch den Deutschen bereitet die Klimakrise die größten Sorgen. 37 Prozent sehen sie als Bedrohung in den kommenden zehn Jahre, dahinter folgen Bedrohungen durch Migration und Kriminalität (beide 35 Prozent). Mehr als die Hälfte der Deutschen glauben zudem, dass extreme Wetterereignisse in den nächsten 20 Jahren die Wahl ihres Wohnortes beeinflussen werden. 71 Prozent sind besorgt über die zukünftige Wasserversorgung und mögliche Wasserknappheit. Hierzu sagen Experten gegenüber Table.Briefings, dass die Trinkwasserversorgung zwar gesichert sei – in Zukunft aber teurer werden könnte.
Weiter sind 61 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die Regierung die zukünftigen Kosten des Klimawandels bereits heute in ihren politischen Entscheidungen priorisieren sollte. Erst kürzlich zeigte auch eine Eurobarometer-Umfrage, dass ein Großteil der Menschen mit der Klimapolitik der EU unzufrieden ist. lb
Polen wird mehr als drei Milliarden Złoty (700 Millionen Euro) ausgeben, um die Cybersicherheit zu erhöhen, sagte Digitalisierungsminister Krzysztof Gawkowski am Montag. Zuvor war die staatliche Nachrichtenagentur PAP von einem Angriff betroffen, bei dem es sich nach Ansicht der Behörden wahrscheinlich um einen russischen Cyberangriff handelte.
Da am Sonntag in Polen die Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden, sind die Behörden in höchster Alarmbereitschaft, was Versuche Moskaus angeht, sich in die Wahl einzumischen. Diese Befürchtungen haben sich am Freitag noch verstärkt, als auf PAP ein falscher Artikel über eine militärische Mobilisierung erschien.
Warschau hat Moskau wiederholt beschuldigt, Polen wegen seiner Rolle bei der Bereitstellung von Militärhilfe für das Nachbarland Ukraine destabilisieren zu wollen, was Russland zurückgewiesen hat.
“Wir wollen über drei Milliarden Złoty für einen ‘Cyber-Schutzschild‘ bereitstellen”, sagte Gawkowski auf einer Pressekonferenz. “Polen steht heute an vorderster Front im Cyber-Kampf gegen Russland. Polen hat die meisten Angriffe.” Das Land habe am Sonntag und Montag mehrere Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen abgewehrt. rtr
Andrés Ritter gefällt der Vergleich mit Hollywoodfilmen. Da gibt es immer wieder diese eine Szene, in der Kriminelle ihre Verfolger an der Grenze abhängen, weil die Beamten im benachbarten US-Bundesstaat keine Befugnis haben. Früher war das in der EU auch ein wenig so. Seit die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA/EPPO), die Ritter als Vize gemeinsam mit Behördenchefin Laura Kövesi aufgebaut hat, im Juni 2021 ihre Arbeit aufnahm, hat sich die Lage geändert. “Wenn Kriminelle keine Grenzen haben, dann sollten Strafverfolger auch keine Grenze haben”, sagt Ritter.
EPPO schreitet ein, wenn das Geld der europäischen Steuerzahler in dunkle Kanäle zu geraten droht, etwa bei Geldwäsche, Korruption und Mehrwertsteuerbetrug. Anders als die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf, die nur untersuchen kann, sorgt EPPO dafür, dass Täter vor Gericht kommen.
Der Bedarf für eine solche Strafverfolgungsbehörde ist enorm, das zeigen schon die Zahlen. Der Schaden aus den aktiven Fällen von EPPO beläuft sich aktuell auf 19 Milliarden Euro. Der Betrag dürfte in den kommenden Jahren noch erheblich steigen, wenn die Milliardenbeträge aus dem Corona-Wiederaufbauprogramm ganz ausgezahlt sind. “Wir sehen einen gewissen Verzögerungseffekt”, sagt Ritter.
Bevor der heute 59-Jährige zu EPPO wechselte, leitete er die Staatsanwaltschaft in Rostock, wo er 1995 nach dem Referendariat begonnen hatte. Erfahrung mit Wirtschaftskriminalität bringt er reichlich mit – und auch in der internationalen Rechtshilfe.
Zwischendurch sah es so aus, als ob Ritter in der EU-Kommission Karriere machen würde. Nachdem er den Concours bestanden hatte, heuerte er 1998 in der damaligen Generaldirektion für Industrie an. Sein Aufgabengebiet ähnelte dem eines Staatsanwalts. Mit seinen Kollegen sorgte er dafür, dass Mitgliedsstaaten mit technischen Vorgaben, etwa bei der Feuerwehrausrüstung keine Handelshemmnisse hochzogen.
Die Arbeit in einer internationalen Behörde mit vier Nationalitäten in einem Team von fünf Leuten machte ihm großen Spaß. Dass er nur ein gutes Jahr in Brüssel blieb und nach Rostock zurückkehrte, lag an der Geburt seiner mittlerweile 25-jährigen Tochter.
Als Sohn eines Deutschen und einer Chilenin ist Ritter zweisprachig aufgewachsen und schon jung viel herumgekommen. Er besuchte in Peru und Spanien deutsche Schulen, ehe er in Venezuela Abitur machte. Als Manager beim beim Chemiekonzern Bayer musste der Vater den Einsatzort oft wechseln. Die Umzüge hätten ihn flexibel und anpassungsfähig gemacht, sagt Ritter.
Als er erstmals von den Plänen einer Europäischen Staatsanwaltschaft erfuhr, wurde hellhörig, weil die Aufgabe in Luxemburg seine zwei großen Leidenschaften verbindet: Die Arbeit als Staatsanwaltschaft und Europa. Es reizte ihn, eine Behörde neu aufzubauen, auch wenn die Arbeitsbelastung bei allen hoch ist: “Niemand hier arbeitet nur acht Stunden.”
Aktuell hat Ritter den Fall der früheren Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili, auf dem Tisch. Sie steht im Verdacht, bis zu 150.000 Euro nicht wie behauptet für einen Assistenten ausgegeben zu haben. Die Ermittlungen laufen parallel zu Katargate. Es war die Europäische Staatsanwaltschaft, die beantragt hat, Kailis Immunität aufzuheben.
EPPO wird mit jedem Jahr bekannter. Sowohl Privatpersonen als auch Behörden melden häufiger Verdachtsfälle nach Luxemburg, 2023 im Jahresvergleich 60 Prozent mehr. Noch wichtiger findet Ritter allerdings, dass die Behörde tatsächlich dafür sorgt, dass die Zusammenarbeit zwischen europäischen Ermittlungsbehörden nahtlos läuft. Bei der Operation Huracán waren 3000 Ermittler an einem Tag in sieben Städten in Europa im Einsatz. Von fünf Beschuldigten haben vier Geständnisse abgelegt. Die Beweislage war erdrückend. Ritter sieht dies als Beleg für die Qualität der Ermittlungen.
Überrascht werden Ritter und seine Kollegen immer wieder von den Unterschieden in den nationalen Rechtssystemen. Wenn sie Defizite sehen, die sie im Widerspruch mit Europa-Recht sehen, dann melden sie die der Kommission.
In seinem Bewerbungsschreiben hatte er unterstrichen, dass er sich von EPPO einen äußerst positiven Effekt erwarte, “weit jenseits des Schutzes der finanziellen Interessen der Europäischen Union”. Vergangenes Jahr wurde seine Amtszeit um drei Jahre bis Ende 2026 verlängert. Den Anspruch sieht er schon jetzt erfüllt: “Wir tragen zur Glaubwürdigkeit der EU bei.” Von Silke Wettach
Es sind nur noch wenige Tage bis zur Europawahl, aber der Wahlkampf plätschert hierzulande so vor sich hin. Die Schlagzeilen bestimmen Haushaltsstreit und Hochwasser, nicht Diskussionen über Europas Selbstverteidigung oder Erweiterung. Die Wahlkämpfenden dringen im bundesdeutschen Politik- und Medienbetrieb kaum durch.
Altvordere Europapolitiker wie Elmar Brok erinnern nun daran, worum es eigentlich geht: “Verspielt Europa nicht!”, hat der langjährige CDU-Europaabgeordnete sein Buch genannt, das er gemeinsam mit dem Journalisten Peter Köpf verfasst hat. Ein Europa, das nicht wieder die Kraft zur Integration finde, werde untergehen wie die griechischen Städte des Altertums, mahnt Brok. “Das ist nicht weniger als eine Frage von Krieg und Frieden.”
Vielen Jüngeren mag das übertrieben vorkommen, für sie ist die europäische Einigung der Normalzustand. Doch die Parteien an den Rändern gehen mit Parolen auf Stimmenfang, die eben diese Einigung infrage stellen. Brok mahnt: Die supranationale EU zu zerstören und durch ein “Europa der Nationen” zu ersetzen, bedeute, auf ein Konzept zu setzen, das in den vergangenen 300 Jahren alle 30 Jahre zu Krieg geführt habe. Er zitiert den früheren französischen Staatspräsidenten Mitterand: “Le nationalisme, c’est la guerre !”
Der 78-Jährige richtet dabei auch mahnende Worte an seine Parteifreundin Ursula von der Leyen. Es sei zwar unumgänglich, dass die Kommissionspräsidentin mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni im Europäischen Rat zusammenarbeite und mit dieser nach Tunesien reise, um einen Migrationspakt zu schließen. Aber: “Für das Ansehen und den Zusammenhalt der EU wäre es katastrophal, wenn der nächste Kommissionspräsident mithilfe von rechten oder linken Radikalen ins Amt käme.”
Die Debatte, ob jemand Deutscher, Franzose oder Europäer sei, hält Brok für unsinnig. Die Politik solle Probleme auf der Ebene angehen, wo man sie am besten lösen kann. Anders als Region oder Nationalstaat sei Europa aber ein Produkt der Vernunft, nicht der Emotionen. “Europa braucht Begründung.” Und damit Resultate.
Für Brok, fast 40 Jahre lang Europaabgeordneter, ist klar: “Wo die EU supranational statt intergouvernemental und ohne Veto-Prinzip arbeitet, ist sie erfolgreich”. Angesichts der möglichen Aufnahme neuer Mitgliedstaaten sei klar, dass der Rat künftig auch in der Außen- oder Steuerpolitik mit qualifizierter Mehrheit entscheiden müsse. Am Vetorecht festzuhalten, bedeute “Europasklerose, mehr noch: das Ende der EU”.
Der CDU-Politiker sieht auch die deutschen Politiker in der Pflicht. Die Entscheidungsprozesse in Brüssel würden häufig durch Deutschland verschleppt, “dessen unkoordiniertes Verhalten, Dysfunktionalität und schwache Entscheidungsstrukturen die EU lähmen”. Zugleich habe das deutsche Politikpersonal zuletzt “verheerende Zeichen von Arroganz in Richtung seiner Partner” gesendet.
Als Beispiele nennt er das Vorgehen von Kanzler Olaf Scholz beim Aufbau einer europäischen Luftverteidigung oder die fehlende Kommunikation beim “Doppelwumms”. Helmut Kohl habe stets darauf geachtet, die Macht des Landes mit den meisten Einwohnern und der größten Wirtschaftsleistung nicht demonstrativ einzusetzen, so Brok. “Der neue deutsche Außenpolitikansatz kommt hingegen einer Bevormundung gleich.” Till Hoppe