heute geht es beim AI Act ans Eingemachte. Rat, Parlament und Kommission diskutieren einige der umstrittensten Punkte des Dossiers. Da ist zum einen die Frage, wie Regeln für Allzweck-KI (GPAI) und Basismodelle (Foundation Models) in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte dazu zuletzt einen neuen Vorschlag gemacht und auch die Mitgliedstaaten um Feedback gebeten. Wie zu hören ist, gehen die Spanier mit einer klaren Position in die Verhandlungen mit dem Parlament.
Vorgeschlagen hat die Ratspräsidentschaft zum Beispiel, dass die Anbieter besonders leistungsstarker (very capable) Foundation Models höhere Auflagen erfüllen müssen als andere. Nicht nur das erinnert an Abstufungen, wie sie aus dem DSA bekannt sind. Sondern auch, dass die Kontrolle über diese Modelle stärker auf EU-Ebene zentralisiert werden sollte. Im DSA übt die Kommission direkt die Kontrolle über die sehr großen Anbieter aus.
Womöglich noch weiter liegen die Positionen beim Thema biometrische Fernidentifizierung in Echtzeit auseinander. Während das Parlament diese grundsätzlich ausschließen will, möchten einige Mitgliedstaaten gerade bei der Terrorabwehr oder bei der Strafverfolgung nicht darauf verzichten.
Deutschland schert da aus: Im Koalitionsvertrag hat die Ampel den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken abgelehnt. Vor diesem Hintergrund habe sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen “für ein europarechtliches Verbot von biometrischer Echtzeit-Fernerkennung im öffentlichen Raum ausgesprochen”, teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit, das bei dem Dossier federführend ist. Doch da ist Deutschland wohl in der Minderheit.
Es gibt noch viel zu diskutieren – auch die Frage, welche KI-Anwendungen als hochriskant einzustufen sind und welche nicht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bringt sich auch noch einmal mit einem aktuellen Vorschlag in die Debatte ein. Beobachter bezweifeln, dass die Verhandler schon beim nächsten Trilog am 6. Dezember den Sack schließen können. Aber alle Beteiligten geloben, dass es bis Ende des Jahres so weit sein soll.
Eigentlich wollten die Schweiz und die EU noch vor Ende des Jahres den Weg frei machen für den Neustart in den festgefahrenen bilateralen Beziehungen. Nach dem für Schweizer Verhältnisse recht deutlichen Rechtsruck bei den Parlamentswahlen am Sonntag sind die Chancen für einen Durchbruch allerdings nicht gestiegen, im Gegenteil. Die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) ist mit einem Zuwachs von drei Prozentpunkten auf knapp 29 Prozent unumstrittene Siegerin und bleibt mit Abstand stärkste Kraft in Bern.
Die SVP dürfte noch mehr als bisher die Themen setzen und die anderen Parteien insbesondere im bürgerlichen Lager vor sich hertreiben. Im Wahlkampf hat die Partei zwar vor allem mit Slogans gegen ein angebliches “Asylchaos” und generell gegen Zuwanderung gepunktet. Die Souveränisten haben aber auch grundsätzlich das Verhältnis der Schweiz zur EU im Visier und wollen zudem die Regierung zu einer orthodoxen Interpretation der Neutralität zwingen. Die Partei hat dazu zwei Volksinitiativen in Planung.
Die sogenannte Neutralitätsinitiative würde Bern bei einer Annahme künftig daran hindern, zum Beispiel EU-Sanktionen wie zuletzt gegen Russland zu übernehmen. Der Schweizer Regierung würde damit jegliche außenpolitische Handlungsfähigkeit genommen, das Land würde zusätzlich isoliert. Mit der anderen Initiative will die SVP zudem die Bevölkerung der Schweiz per Verfassungsartikel auf zehn Millionen beschränken. Die Regierung müsste de facto die bilateralen Abkommen mit der EU aufkündigen. Die Volksinitiativen sind die Drohkulisse, die in den nächsten Jahren die Schweizer Debatte über das Verhältnis zur EU überschatten wird.
Eine stärkere Anbindung an die EU kommt für die stärkste Schweizer Partei selbstverständlich nicht infrage. Der Plan der Regierung in Bern steht deshalb quer in der politischen Landschaft, noch vor Ende des Jahres mit Brüssel eine gemeinsame Erklärung mit den Eckpunkten für Verhandlungen über eine sogenannte Paketlösung zu unterzeichnen. Eine weitere Verzögerung zumindest bis Anfang nächsten Jahres zeichnet sich ab. Mit der Europawahl am Horizont und dem Ende des Mandats der derzeitigen EU-Kommission könnte der Bundesrat auf einen Aufschub bis 2025 setzen.
Teil des Pakets wäre eine neue Grundlage für die bilaterale Beziehung mit künftig klaren Regeln für die Streitschlichtung. Das ist wichtig bei den Abkommen, die den Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt regeln. Die Schweiz müsste sich zudem verpflichten, in Zukunft die bisher statischen Abkommen dynamisch der Entwicklung des EU-Rechts anzupassen.
Im Paket wäre unter anderem auch ein Stromabkommen, an dem die Schweiz mit Blick auf die Versorgungssicherheit und Stabilität der Netze ein wachsendes Interesse hat. Experten fragen sich, wie die Schweiz die Energiewende als Strominsel mit schwindender Anbindung schaffen will. Aber möglicherweise wird die Energiewende auch verwässert, und die SVP setzt sich mit ihrem Ruf nach Autarkie bis hin zum Neubau von Atomkraftwerken durch. Hinzu kommt, dass die Grünen als Sieger der Klimawahl von 2019 diesmal einen guten Teil ihrer Gewinne wieder abgeben müssen und unter zehn Prozent rutschen.
Auf der Schweizer Wunschliste steht ebenfalls ein Gesundheitsabkommen, um bei der nächsten Pandemie nicht wie beim Corona-Krisenmanagement auf den Goodwill Brüssels angewiesen zu sein. Die Einigung auf die gemeinsame Erklärung mit den Eckpunkten wäre auch Voraussetzung, dass sich die Schweiz Hoffnung auf eine Rückkehr zu Horizon Europe machen kann. Nach der Rückkehr Großbritanniens zum EU-Forschungsprogramm bleibt die Schweiz alleine außen vor. Der Rechtsrutsch vom Sonntag ist nicht nur für den Forschungsplatz eine schlechte Nachricht.
Herr Goebel, Sie haben als Unternehmer unter Bürokratie gelitten, als Chef des Normenkontrollrates sehen Sie, wie diese entsteht. Wie sehr verändert sich die Perspektive?
Minister Buschmann hat mich zusammen mit Minister Lindner gebeten, den Vorsitz zu übernehmen. Der Vorteil ist, dass ich mich gegenüber langjährigen Politikerinnen und Politikern noch nicht an alles gewöhnt habe. Ich lerne erst, wie der Staat überhaupt funktioniert. Und man muss ganz klar sagen: Wir sind viel zu kompliziert. Bei uns dauert alles viel zu lange. Und die Politik ist einfach nicht konsequent genug, gegenzusteuern. Für Bürokratieabbau wurde man vom Wähler bisher aber auch nicht wirklich belohnt. Das ändert sich gerade, weil die Last für die Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung einfach zu groß geworden ist.
Kanzler Scholz spricht vom Bürokratieabbau, auch Wirtschaftsminister Habeck oder Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Weil der Druck immens ist. Zum einen von der Wirtschaft – da hat sich unheimlich viel angestaut. Aber auch von der Verwaltung: Sie kann die Vielzahl komplizierter Gesetze nicht mehr umsetzen, geschweige denn kontrollieren. Den Kommunen fehlt schlicht das Personal. Auch in den Parteien setzt sich die Erkenntnis durch. Früher waren einige eher zaghaft, weil Entbürokratisierung soziale Standards verringern könnte, und andere fürchteten um ökologische Standards. Aber mittlerweile erkennen alle, dass die ganze Energiewende nicht möglich ist, wenn wir Bürokratie nicht systematisch abbauen.
Und doch fällt es Politik und Verwaltung unheimlich schwer, Bürokratie abzubauen. Die Frösche tun sich schwer damit, den Teich auszutrocknen.
Die Ministerien tun sich extrem schwer damit, nach dem One-in-one-out-Prinzip zu benennen, welche Regelung für eine neue wieder abgebaut werden soll. Da sind viele Rechtsexperten am Werk und es herrscht eine Kultur, die keine Fehler toleriert. Teilweise fehlen aber auch Know-how und Fachkräfte.
Braucht es eine andere Fehlerkultur?
Wir Unternehmer haben uns angewöhnt, viel Kompetenz in den ersten Reihen zu bündeln, bei den Leuten im Vertrieb oder den Technikern beim Kunden. Die Verantwortlichen in den Kommunen, die mit Unternehmen oder mit Bürgern im Austausch sind, haben aber eine Riesenangst, Fehler zu machen, weil sie dafür belangt werden könnten. Die Kommunen fordern deshalb ganz detaillierte Regulierung, damit sie erst gar keine Fehler machen. Aber so können wir nicht arbeiten. In dieser wahnsinnig schnelllebigen Zeit brauchen wir schnelle Entscheidungen.
Aber wie nimmt man den Verwaltungsmitarbeitern diese Angst vor Fehlern?
Das ist nicht mal eben so getan. Man müsste damit anfangen, dass die Leute nicht gleich belangt werden können, es sei denn, sie handeln fahrlässig. Und sie müssen in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden können.
Das klingt nach einem sehr dicken Brett.
Ja, das ist es, und es nicht das einzige. Wir brauchen eine Staatsreform. Wir haben zu viele Ebenen, zu viele Einzelverantwortliche, zu viele problematische Schnittstellen. Wir müssen diskutieren, wo welche Aufgabe am besten angesiedelt ist. Man kann etwa gewisse Dienstleistungen zentralisieren, die heute von den Kommunen übernommen werden. Bei den Kfz-Anmeldungen wird das jetzt so gemacht. Es ergibt keinen Sinn, wenn jede der rund 11.000 Kommunen in Deutschland alles selbst macht.
Sehen Sie denn den politischen Willen dazu?
Wir empfehlen der jetzigen Bundesregierung, dass sie eine solche Staatsreform auf den Weg bringt und im Rahmen der nächsten Bundestagswahl auch zur Wahl stellt. Womöglich brauchen wir am Ende eine Grundgesetzänderung in gewissen Punkten. Wir stellen fest, dass unser Staat mit einer Verfassung aus dem Jahre 1948 nicht mehr adäquat aufgestellt ist. Die Ampel sollte jetzt anfangen, Reformbausteine auszuarbeiten.
Sehen Sie in der Koalition die Bereitschaft dazu?
Ich habe den Eindruck, dass die Bereitschaft wächst. Ich stehe dazu im Dialog mit Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, der nach meinem Eindruck auch sieht, dass etwas getan werden muss. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Aber wir haben nicht mehr ganz zwei Jahre Zeit, uns auf diesen Weg machen.
Sollten die Kommunen stärker eingebunden werden in die Formulierung neuer Bundesgesetze?
Auf jeden Fall. Das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits damit begonnen, Praxis-Checks durchzuführen. Gesucht wird nach bürokratischen Hindernissen bei bestehenden Gesetzen, zuerst bei der Fotovoltaik und aktuell bei Windanlagen und bei Unternehmensgründungen. Es wäre klug, diese Praxis schon zu Beginn bei der Formulierung von Gesetzen anzuwenden. Das würde bedeuten, sich mehr Zeit zu nehmen für ein Gesetz und die Praktiker vor Ort intensiver einzubeziehen. In der jetzigen Zeit werden praktisch alle Gesetze mit enormer Geschwindigkeit durchgepeitscht. Auch uns als NKR bleibt da kaum Zeit, die Vorhaben mit der gebotenen Gründlichkeit zu prüfen.
Weil die Vorgaben zu kleinteilig sind?
Wir müssen uns lösen vom Anspruch, es in jedem Einzelfall richtig zu machen. Zum Beispiel bei der Grundrente: Diese wird nur gezahlt, wenn der- oder diejenige keine Kapitalerträge hat. Wir konnten nachweisen, dass der Aufwand, das stichprobenhaft zu kontrollieren, achtmal so hoch ist wie der Nutzen durch verhinderten Missbrauch. Wir haben darüber mit der Bundesregierung gesprochen. Das aufwändige Ermittlungsverfahren soll jetzt mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV gestrichen werden.
Wie beurteilen Sie das geplante Bürokratieentlastungsgesetz?
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV und das Wachstumschancengesetz sollen eine Bürokratieentlastung von über zwei Milliarden Euro bringen. Das ist schon mal etwas. Aber von den 450 eingereichten Vorschlägen aus der Verbändeabfrage sind nur elf ins Eckpunktepapier für das Bürokratieentlastungsgesetz IV aufgenommen worden. Das kann es ja nicht gewesen sein. Auch wenn ein Teil der Vorschläge die EU-Ebene betrifft und jetzt im Rahmen der deutsch-französischen Initiative angegangen wird.
Die Regierung spricht davon, dass noch weitere Maßnahmen kommen.
Eine Reihe von Ministerien sagt, dass sie eigene Projekte zum Bürokratieabbau planen. Das werden wir beobachten. Ich empfehle allen Verbänden nachzufragen, warum von den 450 nur eine gewisse Anzahl übernommen wurde. Und genau zu prüfen, ob die Argumente der Ministerien stichhaltig sind, sie nicht umzusetzen.
Die Koalition will auch Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gehen aber nach dem alten Deutschlandtempo. Haben Sie Hoffnung, dass da bald etwas kommt?
Ich bin zuversichtlich. Wir haben als NKR mit externen Expertinnen und Experten konkrete Vorschläge dazu entwickelt, die auch ans Kanzleramt gegangen sind. Und wir wissen, dass eine ganze Reihe von Vorschlägen dort aufgegriffen wurde. Das Thema soll bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November besprochen werden. Ich hoffe es bleibt dabei und wird nicht verdrängt vom Migrationsthema, das die Regierung eingeholt halt.
Nach Ihren Zahlen kam im Durchschnitt der vergangenen Jahre 57 Prozent des Erfüllungsaufwands in Deutschland aus Brüssel, durch die Umsetzung von Richtlinien und Verordnungen. Die Christdemokraten und Präsident Macron fordern eine Regulierungspause. Zu Recht?
Einerseits ja. Die Kommission hat in der Amtszeit von Frau von der Leyen exakt doppelt so viele Gesetze auf den Weg gebracht wie die Vorgänger-Kommission. Das kann so nicht weitergehen, ohne uns alle zu überfordern. Noch mehr Gesetze werden wir in Deutschland gar nicht umsetzen können, weil uns das Personal in der Verwaltung fehlt. Aber wir können der Politik ja nicht verbieten, Gesetze zu machen. Wir müssen bloß das Bewusstsein schärfen, was das für Konsequenzen hat. Dass der Erfolg einer EU-Kommissarin oder eines EU-Kommissars nicht an der Anzahl seiner Gesetzesvorschläge gemessen wird.
Sie als NKR haben auf EU-Ebene kein Mitspracherecht. Beschäftigen Sie sich dennoch mit der EU-Gesetzgebung?
Wir waren kürzlich in Brüssel und haben viele Gespräche geführt, mit der Kommission, mit dem Regulatory Scrutiny Board und im Europaparlament. Und wir kooperieren mit weiteren Bürokratieabbaugremien in anderen Ländern, beispielsweise in Skandinavien, den Niederlanden, Tschechien und auch Großbritannien. Gemeinsam werden wir der Kommission für die nächste Wahlperiode mitgeben, dass eines der Hauptthemen Deregulierung und Bürokratieabbau sein sollte.
Das Prinzip One in, One out soll auf EU-Ebene ein wichtiges Werkzeug gegen überbordende Bürokratie werden. Wie gut wirkt es bereits?
Die Kommission hat ja eine positive Bilanz für das erste Jahr gezogen. Bei der Berechnung der Entlastung um sieben Milliarden Euro werden aber nur Bürokratiekosten betrachtet und damit größere Themen wie das Lieferkettegesetz ausgeklammert. Die Bilanz ist also nicht ganz vollständig und bildet die Realität nur bedingt ab.
Von der Leyen hat versprochen, 25 Prozent der Berichtspflichten der Unternehmen abzuschaffen. Ist das realistisch?
Dafür müsste sie erstmal ermitteln, wie viel eigentlich 100 Prozent sind. Es bräuchte also eine Art Bestandsaufnahme. Deswegen wird in Brüssel an den 25 Prozent ein bisschen gezweifelt. Aber immerhin macht man etwas.
Fehlen in der Kommission wirksame Bremsmechanismen?
Die Kommission hat schon einige kluge Vorkehrungen getroffen, um die Bürokratie in den Griff zu bekommen. Wenn ein Gesetzesvorhaben kommt, wird sehr früh das Regulatory Scrutiny Board eingeschaltet: Das Expertengremium prüft dann, wie das Verhältnis von Aufwand und Nutzen ist und ob es weniger aufwändige Alternativen gibt. Sie haben kein Vetorecht, aber die Kommission muss sich erstmal darüber hinwegsetzen, wenn das RSB zweimal ein negatives Votum abgibt. Im EU-Parlament werden auch Folgenabschätzungen gemacht, leider nicht im Rat. Das ist ein Fehler. Und leider geht es im Parlament manchmal so hoch her, sodass am Ende ein Gesetz herauskommt, das so vorher niemand beabsichtigt hat. Das Lieferkettengesetz ist so ein Fall.
Von der Leyen hat angekündigt, zusätzlich einen KMU-Beauftragten zu ernennen und Wettbewerbsfähigkeitschecks einzuführen. Sind das richtige Schritte?
Die Stelle des KMU-Beauftragten wird gerade ausgeschrieben, es ist leider noch völlig unklar, wer das macht. Aber es wird eine Stabsstelle sein, die direkt bei der Kommissionspräsidentin angesiedelt wird und auch an den Anhörungen des RSB teilnimmt. Dadurch bekommen die Anliegen von KMU mehr Gewicht im Gesetzgebungsverfahren. Und dann soll noch getestet werden, ob ein Gesetzentwurf der europäischen Wettbewerbsfähigkeit schadet. Also auch das sollte positiv wirken, aber an der konkreten Umsetzung wird noch gearbeitet.
In der Vergangenheit hat Deutschland EU-Vorgaben gerne übergründlich umgesetzt, etwa beim Datenschutz.
Das darf in Zukunft nicht mehr passieren. Vieles wird bei uns viel komplizierter umgesetzt als woanders. In anderen EU-Staaten stellen die Behörden vorausgefüllte Formulare zur Verfügung, bei uns fangen sie bei null an – der Aufwand ist dann viel höher.
Lutz Goebel ist Geschäftsführender Gesellschafter der Henkelhausen GmbH & CO. KG und Mitglied des Präsidiums des Verbands Die Familienunternehmer, dessen Präsident er von 2011 bis 2017 war. Im Mai 2022 hat er zudem den Vorsitz im Nationalen Normenkontrollrat der Bundesregierung übernommen.
25.10.-26.10.2023, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on EU Law in the Insurance Sector 2023
The European Law Academy (ERA) conference aims to keep practitioners from the insurance sector up to date on developments in legislation, jurisprudence, and practice in this field, including the new Commission Directive on Corporate Sustainability Reporting. INFO & REGISTRATION
25.10.2023 – 09:00-12:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Wärmepumpe als Geschäftsfeld für Stadtwerke
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) bietet einen Überblick über technische und rechtliche Rahmenbedingungen der Wärmepumpe und stellt mögliche Geschäftsmodelle vor. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 10:00-11:30 Uhr, online
Digitaleurope, Panel Discussion Digital Deep Dives: How to design a successful European Payments market?
This event provides a platform for policy-makers and industry actors to discuss possible solutions on how the recent EU digital finance package can make Europe a driver for payment innovation and consumer advantages. INFO & REGISTRATION
25.10.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Einblick in die Wasserstoff-Förderlandschaft
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt die Fördermittel im Bereich Wasserstoff vor und erläutert, wie mit typischen Herausforderungen bei der Beantragung umzugehen ist. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion The new role of distribution system operators
This episode of Florence School of Regulation (FSR) Debates will take stock of the progress and the steps ahead to achieve a seamless operation of the electricity system in the Net-zero scenario. INFO & REGISTRATION
25.10.2023 – 17:30-20:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
FZE, Konferenz Die Reform des europäischen Strombinnenmarktes: Wie tiefgreifend sollte sie ausfallen?
Das Forum für Zukunftsenergien (FZE) bringt Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Industrie zusammen, um die Reform des europäischen Strombinnenmarktes aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. INFOS
25.10.2023 – 18:30 Uhr, Berlin
JEF, Podiumsdiskussion EU-Asylrechtsreform – Europäische Werte auf dem Prüfstand?
Die Jungen Europäischen Föderalist:innen (JEF) werfen einen kritischen Blick auf die geplante Reform des europäischen Asylrechts und diskutieren mit Expertinnen und Experten aus der Bundes- und Europapolitik sowie Wissenschaft. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
KAS, Vortrag Die Schweiz hat gewählt – Wahlanalyse und Perspektiven auf das Verhältnis Schweiz-Europa
Die Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ordnet die Wahlergebnisse aus der Schweiz ein und gibt einen Ausblick auf das Verhältnis der Schweiz zu Europa. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Die Nairobi-Deklaration – Der Beginn wirksamer afrikanischer Klimapolitik?
Die Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) adressiert Erwartungen und Potenziale der afrikanischen Klimapolitik und speziell der Nairobi-Deklaration. INFOS & ANMELDUNG
26.10.2023 – 09:00-10:00 Uhr/16:00-17:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM): What the new EU regulation entails and how companies should react
This webinar aims to improve the understanding of the latest developments and key elements of the CBAM regulation and gives recommendations for action. INFO & REGISTRATION
26.10.2023 – 14:00-16:30 Uhr, online
Eurogas, Conference European Gas Tech Conference: CCUS, Pyrolysis and BECCS – Advantage EU?
In the framework of the Net-zero Industry Act, the conference will bring together industry representatives and policymakers to discuss the opportunities in Europe for low-carbon technology solutions, and the pace to meet the targets of the REPowerEU initiative. INFO & REGISTRATION
26.10.2023 – 17:00-18:30 Uhr, Berlin/online
HBS, Panel Discussion EU-New Zealand Free Trade Agreement
The New Zealand Embassy in Berlin and the Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) host a debate on trade and sustainability in the context of the EU-New Zealand Free Trade Agreement. INFO & REGISTRATION
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat sich dafür ausgesprochen, Europa neu zu denken. “Wir dürfen keine Angst haben, uns zu reformieren und uns an diese sich ständig verändernde und zunehmend geopolitische Welt anzupassen”, sagte Metsola bei ihrer Humboldt-Rede am Montag in Berlin. Entscheidend sei, dass die Neugestaltung Europas auf den Werten Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde basiere. “Das ist es, was uns als Europäer auszeichnet.” Europa müsse seine Rolle in der Welt stärken, “indem wir auf der globalen Bühne stärker und vereinter werden“.
Die Parlamentspräsidentin betonte, dass dies nicht einfach werde und die Herausforderungen der grünen und der digitalen Transformation ehrgeizige Politik erfordere. “Wir stehen an einem Wendepunkt“, sagte sie. “Es gibt keine einfachen Lösungen, aber es sind Entscheidungen, die wir treffen müssen. Europa muss diesem Moment gerecht werden.” Ihre Befürchtung sei, dass Europa einen erneuten Aufstieg der Extremen erleben werde, wenn die Politik hier Fehler machte.
Zu Israel sagte Metsola, die vor einer Woche selbst vor Ort war: “Europa steht gegen Hass. Wir stehen gegen Terrorismus. Es ist absolut verurteilenswert. Die Hamas muss gestoppt werden. Punkt.” Sie habe die Orte der Gräueltaten besucht und mich mit trauernden Überlebenden getroffen. Es sei auch völlig richtig, Sorge und Verzweiflung über die sich entwickelnde Krise im Gazastreifen zum Ausdruck zu bringen. “Stolz und entschieden gegen den Terror zu sein und alles Mögliche zu tun, um die humanitäre Krise im Gazastreifen zu lindern, schließen sich nicht gegenseitig aus.”
Sicherheit, Verteidigung und Migration sollten ganz oben auf der Reformagenda stehen, betonte Metsola. Die Arbeit müsse sofort beginnen, um eine echte Sicherheits- und Verteidigungsunion aufzubauen. Eine, die die Nato ergänze, ohne mit ihr zu konkurrieren. Die Mitgliedstaaten müssten ihre Bemühungen zur Steigerung der Verteidigungsausgaben fortsetzen.
Zum Thema Migration sagte Metsola, nach einem Jahrzehnt des Stillstands sei die EU nun an einem Punkt angelangt, “an dem wir einen Weg nach vorne skizzieren können”. Es sei aber noch Arbeit nötig, um Schlupflöcher zwischen einem negativen Asylbescheid und einer Rückkehrentscheidung zu schließen. “Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass das Europäische Parlament sich unwiderruflich dazu verpflichtet hat, dieses Legislativpaket bis zum Ende seiner Amtszeit abzuschließen.”
Die Mitarbeiter der Kommission haben am Montag in ihrem dienstlichen Mailpostfach eine Botschaft von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Situation in Nahost vorgefunden. Die Botschaft liegt Table.Media vor. Die Kommissionspräsidentin erwähnt darin nicht die Erklärung von über 800 Mitarbeitern und Beamten der Kommission aus der Vorwoche, in der diese heftige Kritik an der Haltung der Kommission geäußert hatten. Dennoch wird das Schreiben von der Leyens als eine Reaktion auf die Botschaft der Beamten und Mitarbeiter gesehen.
Die Kommissionspräsidentin drückt ihre Betroffenheit aus über die Gewalt, die Geiselnahmen sowie ihre Trauer über den Verlust der Leben von unschuldigen Menschen “aller Religionszugehörigkeiten und Nationalitäten”. Sie wolle allen versichern, dass die EU immer auf der Seite von Humanität und Menschenrechten stehe.
Dann dankt sie “den Kollegen, die ihre Meinungen und Gefühle angesichts dieser sehr schwierigen und emotional berührenden Ereignissen geteilt haben”. Schließlich folgt ihr Bekenntnis, offen zu sein für den Dialog mit ihren Kritikern: “Gemeinsam mit anderen Mitgliedern des College bin ich bereit, mich einzubringen und Ihren Sorgen und Empfehlungen zuzuhören.” mgr
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat sich für eine Feuerpause im Kampf zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas ausgesprochen. Borrell erklärte nach den Beratungen der Außenministerinnen und Außenministern in Luxemburg, dass es darüber in den Beratungen einen Konsens gegeben habe. Teilnehmer dementierten dies. “Es hat gar keine Abstimmung gegeben”, sagte ein EU-Diplomat zu Reuters.
Im Kreis der 27 Minister gibt es offensichtlich unterschiedliche Positionen zu dem Thema. Zwar befürworten alle, dass es mehr Hilfe für die palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen geben sollte. Aber es gibt Differenzen bei der Frage, ob Israel deshalb seine geplante Bodenoffensive im Gazastreifen verschieben und mit dem Beschuss von Hamas-Positionen aufhören sollte. Frankreich, Spanien, die Niederlande, Irland, Slowenien oder Luxemburg unterstützen die Position von Borrell. Aber andere Minister zeigten sich reserviert.
“Wir können die humanitäre Krise nicht eindämmen, wenn der Terror in Gaza weitergeht”, hatte etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schon vor der Sitzung betont. Sie räumte ein, dass es einer “Quadratur des Kreises” gleiche, dass Israel die Hamas im Gazastreifen bekämpft und gleichzeitig internationale Hilfe wie Wasser und Nahrung zu den Menschen gebracht wird. Sie verwies aber darauf, dass Hamas Israel weiter mit Raketen beschieße. Israel hat eine Feuerpause mit Hinweis auf den andauernden Beschuss aus dem Gazastreifen und die notwendige Zerschlagung der Hamas bisher abgelehnt.
In dem Reuters vorliegenden Entwurf für die Erklärung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag ist ebenfalls davon die Rede, dass es eine “humanitäre Pause geben muss, um sicheren humanitären Zugang zu haben und denen in Not zu helfen”. Ein EU-Diplomat betonte allerdings, dass es dabei nur um einen Entwurf handelt. Der EU-Gipfel findet am Donnerstag und Freitag in Brüssel statt. rtr
Der von Schweden seit vielen Monaten gewünschte Nato-Beitritt ist einen Schritt weitergekommen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan legte am Montag dem Parlament die Aufnahme Schwedens in das westliche Militärbündnis zur Ratifizierung vor. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte den Schritt und äußerte die Hoffnung auf ein rasches Votum des Parlaments in Ankara.
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson erklärte, sein Land freue sich darauf, Mitglied der Nato zu werden. Wann sich das Parlament mit der Ratifizierung befassen wird, war zunächst unklar.
Zwar hatte Erdoğan bereits im Juli den Nato-Verbündeten zugesagt, die Ratifizierung dem Parlament bis zum 1. Oktober vorzulegen. Allerdings verzögerte sich der Vorgang, weil Schweden unter anderem die Aufnahme kurdischer Extremisten der verbotenen Partei PKK vorgeworfen wurde. Schweden verweigerte die Auslieferung von den in der Türkei als Terroristen eingestuften Verdächtigen.
Bei dem Nato-Beitritt Schwedens spielen auch Rüstungsfragen eine Rolle. Die Türkei bemüht sich seit Langem um die Zustimmung des US-Kongresses zum Verkauf von F-16-Jets und anderen militärischen Gütern an Ankara im Wert von 20 Milliarden Dollar. Erdoğan hat Schwedens Nato-Bewerbung mit der Unterstützung der USA für seinen Antrag verknüpft. rtr
Sahra Wagenknechts Parteineugründung will bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 antreten. Das bekräftigte Wagenknecht am Montag in Berlin. Sie ließ allerdings offen, ob sie selbst antreten wolle. Wagenknecht saß von 2004 bis 2009 erst für die PDS, nach deren Zusammenschluss mit der damaligen “Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit” (WASG) dann für die Linkspartei im Europaparlament.
Bei der Vorstellung des Vereins “Bündnis Sahra Wagenknecht” (BSW) in Berlin erläuterten Wagenknecht, die bisherige Linke-Ko-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Amira Mohamed Ali, sowie weitere Vereinsakteure ihre Ziele. In einem veröffentlichten “Gründungsmanifest” heißt es unter anderem: “Unser Ziel ist ein eigenständiges Europa souveräner Demokratien in einer multipolaren Welt und keine neue Blockkonfrontation, in der Europa zwischen den USA und dem sich immer selbstbewusster formierenden neuen Machtblock um China und Russland zerrieben wird.”
Der Verein, der keine weiteren Mitglieder aufnimmt, aber Spenden sammeln soll, ist als Vororganisation für die eigentliche Partei gedacht.
Auf Nachfrage von Table.Media erläuterte Wagenknecht, dass sie die EU-Kommission für lobbyhörig erachte. Sie wolle eine “gute europäische Kooperation”. Diese würde über “eine gute Kooperation der Länder” laufen, so Wagenknecht. Man sehe, dass das, was von der EU-Kommission komme, vielfach wenig Akzeptanz finde. Zudem sei es häufig sehr negativ für einzelne Länder. Auch die Unternehmen würden “die Hände über dem Kopf zusammenschlagen” über EU-Regularien. Ihr schwebe eine “Koordination in Europa zwischen den Regierungen” vor, etwa zwischen Deutschland und Frankreich. Eine freiwillige, engere Kooperation sei aus ihrer Sicht sinnvoll.
Warum ihre für Anfang 2024 geplante Parteigründung dennoch für das Europaparlament antrete? “Wir werden als Partei selbstverständlich für das Europaparlament kandidieren, aber man muss ja deshalb nicht für eine Zentralisierung von Machtbefugnissen in Brüssel sein, wenn man bei der Europawahl antritt. Das finde ich eine merkwürdige Interpretation”, sagte Wagenknecht. “Man kann ja auch für ein Europa sein, in dem vor allem auch die Bevölkerung zusammenwächst, weil es einfach mehr Verbindungen zwischen den Ländern gibt.”
Wagenknecht schwebt hier eine Ausweitung etwa des Erasmus-Programms vor. Dieses solle finanziell weniger Voraussetzungen bei den Teilnehmern erfordern. Auch Spracherwerb sei dafür ein Mittel, das Europa zusammenbringe. Wagenknecht sieht das als Alternative zu “mehr Macht für die EU-Kommission”, die “wirklich nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger agiert”. fst
Am heutigen Dienstag stimmt der Umweltausschuss des Europaparlaments über die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation) ab. Im Vorfeld kündigt die EVP an, nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen zu wollen. Ihre Zustimmung zur geplanten Verordnung der EU-Kommission knüpfen die Christdemokraten an Lockerungen:
Eine knappe Mehrheit wäre allerdings auch ohne die EVP möglich. Vorausgesetzt, die Liberalen stimmen mehrheitlich für den Kompromiss, auf den sich Berichterstatterin Sarah Wiener (Grüne) vergangene Woche mit Vertretern von Linken, Liberalen und Sozialdemokraten geeinigt hat.
In einigen Punkten ist dieser strenger als der Vorschlag der EU-Kommission. Beispielsweise sieht der Kompromiss vor, “gefährliche” Pestizide bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren. Der Kommissionsvorschlag sieht lediglich eine Halbierung bis 2030 vor. Dennoch sind die Grünen optimistisch gestimmt: Der Liberale Jan Huitema aus den Niederlanden steht wohl hinter dem Kompromiss. has
Die EU-Kommission hat Verwaltungsvereinbarungen mit Frankreichs Telekommunikationsregulierer ARCEP und der irischen Digitalaufsichtsbehörde geschlossen. Diese sollen bei der Anwendung des Digital Services Act helfen.
“Ich begrüße diese ersten Vereinbarungen mit den nationalen Regulierungsbehörden, die sicherstellen werden, dass sich die Kommission bei der Bewertung der Risiken, die von illegalen und schädlichen Inhalten auf sehr großen Online-Plattformen ausgehen, auf die Sachkenntnis der Regulierer stützen kann”, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit schon vor dem formellen, allgemeinen DSA-Start aufgerufen.
In Deutschland ist der Streit um die genauen Kompetenzzuweisungen im Rahmen des DSA hingegen noch nicht beigelegt. Nach dem Willen der Bundesregierung soll zwar eine Stelle bei der Bundesnetzagentur zum Digitale-Dienste-Koordinator (DSC) werden. Allerdings kann die dortige, unabhängige Stelle erst mit dem bundesdeutschen Digitale-Dienste-Gesetz eingerichtet werden. Dieses soll nach monatelangem Gezerre um innerdeutsche Zuständigkeiten nun zügig durch das Kabinett, teilte die Bundesregierung am Montag mit.
Erfahrung mit den sozialen Netzwerken hat in Deutschland das Bundesamt für Justiz, das dem Bundesministerium der Justiz untersteht und für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zuständig war. Das wird im Fall der nach Digital Services Act von der EU-Kommission benannten besonders großen Plattformen jedoch nicht mehr angewandt. Das BMJ war bis zum Abend nicht in der Lage, die Frage zu beantworten, ob eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung zwischen EU-Kommission und BfJ in Arbeit sei. Auch die Landesmedienanstalten verfügen über entsprechende Erfahrung. fst
Die EU wird Ende November den letzten Schritt zur Einführung des neuen Handelsinstruments gegen wirtschaftliche Erpressung unternehmen: Die Unterzeichnung der Verordnung wird voraussichtlich am 22. November erfolgen, teilte der Rat der Europäischen Union am Montag mit. 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wird das “anti-coercion tool” (ACI) dann in Kraft treten.
“Ziel ist es, mit dieser Gesetzgebung eine Deeskalation zu erreichen und im Dialog einen Abbau von Zwangsmaßnahmen im Handel und bei Investitionen herbeizuführen”, erklärte der Rat. Wenn dies nicht möglich sei, könne die EU dann als letztes Mittel Gegenmaßnahmen wie die Einführung von Handelsbeschränkungen ergreifen, beispielsweise in Form erhöhter Zölle, Einfuhr- oder Ausfuhrlizenzen.
Der Musterfall für ein Heranziehen des ACI ist das De-Facto-Handelsembargo Chinas gegen Litauen, nachdem Taiwan in Vilnius eine Vertretung mit Namen “Taiwan”-Büro eröffnet hatte. Der Streit wird im Dezember bereits zwei Jahre alt. Rückwirkend soll ACI allerdings nicht zum Einsatz kommen. ari
Tim Krögel ist von Haus mehr als nur ein echter Europäer. Er ist – wie er selbst sagt – ein echter “Brussels-Bubble-Europäer”. Als Sohn eines Mitarbeiters im Europäischen Parlament kam der heute 43-Jährige bereits in der Kindheit mit den politischen Eigenarten der europäischen Hauptstadt in Berührung.
“Zuhause hat die EU als Institution schon früh in meinem Leben eine große Rolle gespielt”, sagt Krögel. Dass er in Brüssel die Europaschule besuchte, ist da fast selbstverständlich.
Eher überraschend ist mit Blick auf seinen weiteren Werdegang, dass Krögel im Jahre 2018 schließlich die europapolitische Bereichsleitung des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) und deren Vertretung bei der EU übernimmt. Nach seinem Schulabschluss verlässt er Brüssel nämlich vorerst, um in England und Frankreich Architektur, Bauingenieurwesen und Betriebswirtschaft zu studieren.
Dennoch kehrt er danach beruflich in seine Heimatstadt zurück. “Ich habe schnell gemerkt, dass ich durch meine Biografie quasi zurück nach Brüssel gezwungen werde”, sagt Krögel.
Auch wenn er seitdem verschiedene Positionen bei der europäischen Vertretung und beim ZDH bekleidet – im Fokus stehen in seiner Arbeit seit 19 Jahren die kleinen und mittleren Unternehmen. Im Zusammenspiel mit ihnen sieht Krögel seine Hauptaufgabe als Übersetzer – “allerdings nicht im sprachlichen, sondern eher im kulturellen Sinne”. Konkret bedeutet das: “Viele deutsche Handwerksbetriebe sind zwar grundsätzlich pro-europäisch eingestellt, wissen aber oft nicht genau, was es braucht, damit das Projekt Europa funktioniert.”
Der nationale Spielraum der Unternehmen werde durch eine starke europäische Gesetzgebung zudem immer enger. Dabei werde häufig nicht geprüft, wie sich einzelne Richtlinien auf die Arbeit der Handwerksbetriebe auswirkten. “Wenn wir als ZDH nicht hier in Brüssel wären, würde eine solche Untersuchung gar nicht stattfinden”, sagt Krögel.
Wie wichtig die europäische Vertretung des Handwerks in Brüssel ist, habe die Diskussion der europäischen Klimaschutzmaßnahmen und der Emissionsziele bewiesen. Die klimapolitische Marschrichtung, die für Krögel und das Handwerk “an sich nie das Problem” gewesen seien, brachten für nationale Betriebe in der Umsetzung allerdings häufig Schwierigkeiten mit sich, die sie in ihrer täglichen Arbeit einschränken.
Dass für eine bessere Luftqualität basierend auf europapolitischen Regelungen Fahrverbote ausgesprochen würden, sei für das Handwerk problematisch, da die Betriebe zwangsläufig in die Städte müssten, sagt Krögel. “Wir stellen uns gegen eine ideologische Festlegung von Maßnahmen, die nicht bedenkt, wie diese realistisch umgesetzt werden können.”
In Gesprächen mit Abgeordneten versucht Krögel, die Interessen des Handwerks aufzuzeigen. “Wir fordern schon seit der letzten Europawahl ein größeres Verständnis der Kleinunternehmen durch eine bessere KMU-Politik.” In der laufenden Legislaturperiode seien die geforderten Strukturen eher geschwächt worden.
Die aktuelle Belastungssituation für die Handwerksbetriebe macht Krögel Sorgen – auch mit Blick auf die Zukunft der EU nach der kommenden Europawahl. “Was wird nächstes Jahr passieren, wenn die Leute das Gefühl haben, dass sie aus der EU nicht Lösungen, sondern Belastungen erfahren?” Von den Mitarbeitern der Betriebe wünscht er sich, dass sie vor den Wahlen das Gespräch mit regionalen Kandidaten suchen, um die Bedürfnisse des deutschen Handwerks zu unterstreichen. Jasper Bennink
heute geht es beim AI Act ans Eingemachte. Rat, Parlament und Kommission diskutieren einige der umstrittensten Punkte des Dossiers. Da ist zum einen die Frage, wie Regeln für Allzweck-KI (GPAI) und Basismodelle (Foundation Models) in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Die spanische Ratspräsidentschaft hatte dazu zuletzt einen neuen Vorschlag gemacht und auch die Mitgliedstaaten um Feedback gebeten. Wie zu hören ist, gehen die Spanier mit einer klaren Position in die Verhandlungen mit dem Parlament.
Vorgeschlagen hat die Ratspräsidentschaft zum Beispiel, dass die Anbieter besonders leistungsstarker (very capable) Foundation Models höhere Auflagen erfüllen müssen als andere. Nicht nur das erinnert an Abstufungen, wie sie aus dem DSA bekannt sind. Sondern auch, dass die Kontrolle über diese Modelle stärker auf EU-Ebene zentralisiert werden sollte. Im DSA übt die Kommission direkt die Kontrolle über die sehr großen Anbieter aus.
Womöglich noch weiter liegen die Positionen beim Thema biometrische Fernidentifizierung in Echtzeit auseinander. Während das Parlament diese grundsätzlich ausschließen will, möchten einige Mitgliedstaaten gerade bei der Terrorabwehr oder bei der Strafverfolgung nicht darauf verzichten.
Deutschland schert da aus: Im Koalitionsvertrag hat die Ampel den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken abgelehnt. Vor diesem Hintergrund habe sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen “für ein europarechtliches Verbot von biometrischer Echtzeit-Fernerkennung im öffentlichen Raum ausgesprochen”, teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit, das bei dem Dossier federführend ist. Doch da ist Deutschland wohl in der Minderheit.
Es gibt noch viel zu diskutieren – auch die Frage, welche KI-Anwendungen als hochriskant einzustufen sind und welche nicht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bringt sich auch noch einmal mit einem aktuellen Vorschlag in die Debatte ein. Beobachter bezweifeln, dass die Verhandler schon beim nächsten Trilog am 6. Dezember den Sack schließen können. Aber alle Beteiligten geloben, dass es bis Ende des Jahres so weit sein soll.
Eigentlich wollten die Schweiz und die EU noch vor Ende des Jahres den Weg frei machen für den Neustart in den festgefahrenen bilateralen Beziehungen. Nach dem für Schweizer Verhältnisse recht deutlichen Rechtsruck bei den Parlamentswahlen am Sonntag sind die Chancen für einen Durchbruch allerdings nicht gestiegen, im Gegenteil. Die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) ist mit einem Zuwachs von drei Prozentpunkten auf knapp 29 Prozent unumstrittene Siegerin und bleibt mit Abstand stärkste Kraft in Bern.
Die SVP dürfte noch mehr als bisher die Themen setzen und die anderen Parteien insbesondere im bürgerlichen Lager vor sich hertreiben. Im Wahlkampf hat die Partei zwar vor allem mit Slogans gegen ein angebliches “Asylchaos” und generell gegen Zuwanderung gepunktet. Die Souveränisten haben aber auch grundsätzlich das Verhältnis der Schweiz zur EU im Visier und wollen zudem die Regierung zu einer orthodoxen Interpretation der Neutralität zwingen. Die Partei hat dazu zwei Volksinitiativen in Planung.
Die sogenannte Neutralitätsinitiative würde Bern bei einer Annahme künftig daran hindern, zum Beispiel EU-Sanktionen wie zuletzt gegen Russland zu übernehmen. Der Schweizer Regierung würde damit jegliche außenpolitische Handlungsfähigkeit genommen, das Land würde zusätzlich isoliert. Mit der anderen Initiative will die SVP zudem die Bevölkerung der Schweiz per Verfassungsartikel auf zehn Millionen beschränken. Die Regierung müsste de facto die bilateralen Abkommen mit der EU aufkündigen. Die Volksinitiativen sind die Drohkulisse, die in den nächsten Jahren die Schweizer Debatte über das Verhältnis zur EU überschatten wird.
Eine stärkere Anbindung an die EU kommt für die stärkste Schweizer Partei selbstverständlich nicht infrage. Der Plan der Regierung in Bern steht deshalb quer in der politischen Landschaft, noch vor Ende des Jahres mit Brüssel eine gemeinsame Erklärung mit den Eckpunkten für Verhandlungen über eine sogenannte Paketlösung zu unterzeichnen. Eine weitere Verzögerung zumindest bis Anfang nächsten Jahres zeichnet sich ab. Mit der Europawahl am Horizont und dem Ende des Mandats der derzeitigen EU-Kommission könnte der Bundesrat auf einen Aufschub bis 2025 setzen.
Teil des Pakets wäre eine neue Grundlage für die bilaterale Beziehung mit künftig klaren Regeln für die Streitschlichtung. Das ist wichtig bei den Abkommen, die den Zugang der Schweiz zum EU-Binnenmarkt regeln. Die Schweiz müsste sich zudem verpflichten, in Zukunft die bisher statischen Abkommen dynamisch der Entwicklung des EU-Rechts anzupassen.
Im Paket wäre unter anderem auch ein Stromabkommen, an dem die Schweiz mit Blick auf die Versorgungssicherheit und Stabilität der Netze ein wachsendes Interesse hat. Experten fragen sich, wie die Schweiz die Energiewende als Strominsel mit schwindender Anbindung schaffen will. Aber möglicherweise wird die Energiewende auch verwässert, und die SVP setzt sich mit ihrem Ruf nach Autarkie bis hin zum Neubau von Atomkraftwerken durch. Hinzu kommt, dass die Grünen als Sieger der Klimawahl von 2019 diesmal einen guten Teil ihrer Gewinne wieder abgeben müssen und unter zehn Prozent rutschen.
Auf der Schweizer Wunschliste steht ebenfalls ein Gesundheitsabkommen, um bei der nächsten Pandemie nicht wie beim Corona-Krisenmanagement auf den Goodwill Brüssels angewiesen zu sein. Die Einigung auf die gemeinsame Erklärung mit den Eckpunkten wäre auch Voraussetzung, dass sich die Schweiz Hoffnung auf eine Rückkehr zu Horizon Europe machen kann. Nach der Rückkehr Großbritanniens zum EU-Forschungsprogramm bleibt die Schweiz alleine außen vor. Der Rechtsrutsch vom Sonntag ist nicht nur für den Forschungsplatz eine schlechte Nachricht.
Herr Goebel, Sie haben als Unternehmer unter Bürokratie gelitten, als Chef des Normenkontrollrates sehen Sie, wie diese entsteht. Wie sehr verändert sich die Perspektive?
Minister Buschmann hat mich zusammen mit Minister Lindner gebeten, den Vorsitz zu übernehmen. Der Vorteil ist, dass ich mich gegenüber langjährigen Politikerinnen und Politikern noch nicht an alles gewöhnt habe. Ich lerne erst, wie der Staat überhaupt funktioniert. Und man muss ganz klar sagen: Wir sind viel zu kompliziert. Bei uns dauert alles viel zu lange. Und die Politik ist einfach nicht konsequent genug, gegenzusteuern. Für Bürokratieabbau wurde man vom Wähler bisher aber auch nicht wirklich belohnt. Das ändert sich gerade, weil die Last für die Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung einfach zu groß geworden ist.
Kanzler Scholz spricht vom Bürokratieabbau, auch Wirtschaftsminister Habeck oder Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Weil der Druck immens ist. Zum einen von der Wirtschaft – da hat sich unheimlich viel angestaut. Aber auch von der Verwaltung: Sie kann die Vielzahl komplizierter Gesetze nicht mehr umsetzen, geschweige denn kontrollieren. Den Kommunen fehlt schlicht das Personal. Auch in den Parteien setzt sich die Erkenntnis durch. Früher waren einige eher zaghaft, weil Entbürokratisierung soziale Standards verringern könnte, und andere fürchteten um ökologische Standards. Aber mittlerweile erkennen alle, dass die ganze Energiewende nicht möglich ist, wenn wir Bürokratie nicht systematisch abbauen.
Und doch fällt es Politik und Verwaltung unheimlich schwer, Bürokratie abzubauen. Die Frösche tun sich schwer damit, den Teich auszutrocknen.
Die Ministerien tun sich extrem schwer damit, nach dem One-in-one-out-Prinzip zu benennen, welche Regelung für eine neue wieder abgebaut werden soll. Da sind viele Rechtsexperten am Werk und es herrscht eine Kultur, die keine Fehler toleriert. Teilweise fehlen aber auch Know-how und Fachkräfte.
Braucht es eine andere Fehlerkultur?
Wir Unternehmer haben uns angewöhnt, viel Kompetenz in den ersten Reihen zu bündeln, bei den Leuten im Vertrieb oder den Technikern beim Kunden. Die Verantwortlichen in den Kommunen, die mit Unternehmen oder mit Bürgern im Austausch sind, haben aber eine Riesenangst, Fehler zu machen, weil sie dafür belangt werden könnten. Die Kommunen fordern deshalb ganz detaillierte Regulierung, damit sie erst gar keine Fehler machen. Aber so können wir nicht arbeiten. In dieser wahnsinnig schnelllebigen Zeit brauchen wir schnelle Entscheidungen.
Aber wie nimmt man den Verwaltungsmitarbeitern diese Angst vor Fehlern?
Das ist nicht mal eben so getan. Man müsste damit anfangen, dass die Leute nicht gleich belangt werden können, es sei denn, sie handeln fahrlässig. Und sie müssen in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden können.
Das klingt nach einem sehr dicken Brett.
Ja, das ist es, und es nicht das einzige. Wir brauchen eine Staatsreform. Wir haben zu viele Ebenen, zu viele Einzelverantwortliche, zu viele problematische Schnittstellen. Wir müssen diskutieren, wo welche Aufgabe am besten angesiedelt ist. Man kann etwa gewisse Dienstleistungen zentralisieren, die heute von den Kommunen übernommen werden. Bei den Kfz-Anmeldungen wird das jetzt so gemacht. Es ergibt keinen Sinn, wenn jede der rund 11.000 Kommunen in Deutschland alles selbst macht.
Sehen Sie denn den politischen Willen dazu?
Wir empfehlen der jetzigen Bundesregierung, dass sie eine solche Staatsreform auf den Weg bringt und im Rahmen der nächsten Bundestagswahl auch zur Wahl stellt. Womöglich brauchen wir am Ende eine Grundgesetzänderung in gewissen Punkten. Wir stellen fest, dass unser Staat mit einer Verfassung aus dem Jahre 1948 nicht mehr adäquat aufgestellt ist. Die Ampel sollte jetzt anfangen, Reformbausteine auszuarbeiten.
Sehen Sie in der Koalition die Bereitschaft dazu?
Ich habe den Eindruck, dass die Bereitschaft wächst. Ich stehe dazu im Dialog mit Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, der nach meinem Eindruck auch sieht, dass etwas getan werden muss. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Aber wir haben nicht mehr ganz zwei Jahre Zeit, uns auf diesen Weg machen.
Sollten die Kommunen stärker eingebunden werden in die Formulierung neuer Bundesgesetze?
Auf jeden Fall. Das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits damit begonnen, Praxis-Checks durchzuführen. Gesucht wird nach bürokratischen Hindernissen bei bestehenden Gesetzen, zuerst bei der Fotovoltaik und aktuell bei Windanlagen und bei Unternehmensgründungen. Es wäre klug, diese Praxis schon zu Beginn bei der Formulierung von Gesetzen anzuwenden. Das würde bedeuten, sich mehr Zeit zu nehmen für ein Gesetz und die Praktiker vor Ort intensiver einzubeziehen. In der jetzigen Zeit werden praktisch alle Gesetze mit enormer Geschwindigkeit durchgepeitscht. Auch uns als NKR bleibt da kaum Zeit, die Vorhaben mit der gebotenen Gründlichkeit zu prüfen.
Weil die Vorgaben zu kleinteilig sind?
Wir müssen uns lösen vom Anspruch, es in jedem Einzelfall richtig zu machen. Zum Beispiel bei der Grundrente: Diese wird nur gezahlt, wenn der- oder diejenige keine Kapitalerträge hat. Wir konnten nachweisen, dass der Aufwand, das stichprobenhaft zu kontrollieren, achtmal so hoch ist wie der Nutzen durch verhinderten Missbrauch. Wir haben darüber mit der Bundesregierung gesprochen. Das aufwändige Ermittlungsverfahren soll jetzt mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV gestrichen werden.
Wie beurteilen Sie das geplante Bürokratieentlastungsgesetz?
Das Bürokratieentlastungsgesetz IV und das Wachstumschancengesetz sollen eine Bürokratieentlastung von über zwei Milliarden Euro bringen. Das ist schon mal etwas. Aber von den 450 eingereichten Vorschlägen aus der Verbändeabfrage sind nur elf ins Eckpunktepapier für das Bürokratieentlastungsgesetz IV aufgenommen worden. Das kann es ja nicht gewesen sein. Auch wenn ein Teil der Vorschläge die EU-Ebene betrifft und jetzt im Rahmen der deutsch-französischen Initiative angegangen wird.
Die Regierung spricht davon, dass noch weitere Maßnahmen kommen.
Eine Reihe von Ministerien sagt, dass sie eigene Projekte zum Bürokratieabbau planen. Das werden wir beobachten. Ich empfehle allen Verbänden nachzufragen, warum von den 450 nur eine gewisse Anzahl übernommen wurde. Und genau zu prüfen, ob die Argumente der Ministerien stichhaltig sind, sie nicht umzusetzen.
Die Koalition will auch Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gehen aber nach dem alten Deutschlandtempo. Haben Sie Hoffnung, dass da bald etwas kommt?
Ich bin zuversichtlich. Wir haben als NKR mit externen Expertinnen und Experten konkrete Vorschläge dazu entwickelt, die auch ans Kanzleramt gegangen sind. Und wir wissen, dass eine ganze Reihe von Vorschlägen dort aufgegriffen wurde. Das Thema soll bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November besprochen werden. Ich hoffe es bleibt dabei und wird nicht verdrängt vom Migrationsthema, das die Regierung eingeholt halt.
Nach Ihren Zahlen kam im Durchschnitt der vergangenen Jahre 57 Prozent des Erfüllungsaufwands in Deutschland aus Brüssel, durch die Umsetzung von Richtlinien und Verordnungen. Die Christdemokraten und Präsident Macron fordern eine Regulierungspause. Zu Recht?
Einerseits ja. Die Kommission hat in der Amtszeit von Frau von der Leyen exakt doppelt so viele Gesetze auf den Weg gebracht wie die Vorgänger-Kommission. Das kann so nicht weitergehen, ohne uns alle zu überfordern. Noch mehr Gesetze werden wir in Deutschland gar nicht umsetzen können, weil uns das Personal in der Verwaltung fehlt. Aber wir können der Politik ja nicht verbieten, Gesetze zu machen. Wir müssen bloß das Bewusstsein schärfen, was das für Konsequenzen hat. Dass der Erfolg einer EU-Kommissarin oder eines EU-Kommissars nicht an der Anzahl seiner Gesetzesvorschläge gemessen wird.
Sie als NKR haben auf EU-Ebene kein Mitspracherecht. Beschäftigen Sie sich dennoch mit der EU-Gesetzgebung?
Wir waren kürzlich in Brüssel und haben viele Gespräche geführt, mit der Kommission, mit dem Regulatory Scrutiny Board und im Europaparlament. Und wir kooperieren mit weiteren Bürokratieabbaugremien in anderen Ländern, beispielsweise in Skandinavien, den Niederlanden, Tschechien und auch Großbritannien. Gemeinsam werden wir der Kommission für die nächste Wahlperiode mitgeben, dass eines der Hauptthemen Deregulierung und Bürokratieabbau sein sollte.
Das Prinzip One in, One out soll auf EU-Ebene ein wichtiges Werkzeug gegen überbordende Bürokratie werden. Wie gut wirkt es bereits?
Die Kommission hat ja eine positive Bilanz für das erste Jahr gezogen. Bei der Berechnung der Entlastung um sieben Milliarden Euro werden aber nur Bürokratiekosten betrachtet und damit größere Themen wie das Lieferkettegesetz ausgeklammert. Die Bilanz ist also nicht ganz vollständig und bildet die Realität nur bedingt ab.
Von der Leyen hat versprochen, 25 Prozent der Berichtspflichten der Unternehmen abzuschaffen. Ist das realistisch?
Dafür müsste sie erstmal ermitteln, wie viel eigentlich 100 Prozent sind. Es bräuchte also eine Art Bestandsaufnahme. Deswegen wird in Brüssel an den 25 Prozent ein bisschen gezweifelt. Aber immerhin macht man etwas.
Fehlen in der Kommission wirksame Bremsmechanismen?
Die Kommission hat schon einige kluge Vorkehrungen getroffen, um die Bürokratie in den Griff zu bekommen. Wenn ein Gesetzesvorhaben kommt, wird sehr früh das Regulatory Scrutiny Board eingeschaltet: Das Expertengremium prüft dann, wie das Verhältnis von Aufwand und Nutzen ist und ob es weniger aufwändige Alternativen gibt. Sie haben kein Vetorecht, aber die Kommission muss sich erstmal darüber hinwegsetzen, wenn das RSB zweimal ein negatives Votum abgibt. Im EU-Parlament werden auch Folgenabschätzungen gemacht, leider nicht im Rat. Das ist ein Fehler. Und leider geht es im Parlament manchmal so hoch her, sodass am Ende ein Gesetz herauskommt, das so vorher niemand beabsichtigt hat. Das Lieferkettengesetz ist so ein Fall.
Von der Leyen hat angekündigt, zusätzlich einen KMU-Beauftragten zu ernennen und Wettbewerbsfähigkeitschecks einzuführen. Sind das richtige Schritte?
Die Stelle des KMU-Beauftragten wird gerade ausgeschrieben, es ist leider noch völlig unklar, wer das macht. Aber es wird eine Stabsstelle sein, die direkt bei der Kommissionspräsidentin angesiedelt wird und auch an den Anhörungen des RSB teilnimmt. Dadurch bekommen die Anliegen von KMU mehr Gewicht im Gesetzgebungsverfahren. Und dann soll noch getestet werden, ob ein Gesetzentwurf der europäischen Wettbewerbsfähigkeit schadet. Also auch das sollte positiv wirken, aber an der konkreten Umsetzung wird noch gearbeitet.
In der Vergangenheit hat Deutschland EU-Vorgaben gerne übergründlich umgesetzt, etwa beim Datenschutz.
Das darf in Zukunft nicht mehr passieren. Vieles wird bei uns viel komplizierter umgesetzt als woanders. In anderen EU-Staaten stellen die Behörden vorausgefüllte Formulare zur Verfügung, bei uns fangen sie bei null an – der Aufwand ist dann viel höher.
Lutz Goebel ist Geschäftsführender Gesellschafter der Henkelhausen GmbH & CO. KG und Mitglied des Präsidiums des Verbands Die Familienunternehmer, dessen Präsident er von 2011 bis 2017 war. Im Mai 2022 hat er zudem den Vorsitz im Nationalen Normenkontrollrat der Bundesregierung übernommen.
25.10.-26.10.2023, Trier/online
ERA, Conference Annual Conference on EU Law in the Insurance Sector 2023
The European Law Academy (ERA) conference aims to keep practitioners from the insurance sector up to date on developments in legislation, jurisprudence, and practice in this field, including the new Commission Directive on Corporate Sustainability Reporting. INFO & REGISTRATION
25.10.2023 – 09:00-12:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Wärmepumpe als Geschäftsfeld für Stadtwerke
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) bietet einen Überblick über technische und rechtliche Rahmenbedingungen der Wärmepumpe und stellt mögliche Geschäftsmodelle vor. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 10:00-11:30 Uhr, online
Digitaleurope, Panel Discussion Digital Deep Dives: How to design a successful European Payments market?
This event provides a platform for policy-makers and industry actors to discuss possible solutions on how the recent EU digital finance package can make Europe a driver for payment innovation and consumer advantages. INFO & REGISTRATION
25.10.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Einblick in die Wasserstoff-Förderlandschaft
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) stellt die Fördermittel im Bereich Wasserstoff vor und erläutert, wie mit typischen Herausforderungen bei der Beantragung umzugehen ist. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion The new role of distribution system operators
This episode of Florence School of Regulation (FSR) Debates will take stock of the progress and the steps ahead to achieve a seamless operation of the electricity system in the Net-zero scenario. INFO & REGISTRATION
25.10.2023 – 17:30-20:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
FZE, Konferenz Die Reform des europäischen Strombinnenmarktes: Wie tiefgreifend sollte sie ausfallen?
Das Forum für Zukunftsenergien (FZE) bringt Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Industrie zusammen, um die Reform des europäischen Strombinnenmarktes aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. INFOS
25.10.2023 – 18:30 Uhr, Berlin
JEF, Podiumsdiskussion EU-Asylrechtsreform – Europäische Werte auf dem Prüfstand?
Die Jungen Europäischen Föderalist:innen (JEF) werfen einen kritischen Blick auf die geplante Reform des europäischen Asylrechts und diskutieren mit Expertinnen und Experten aus der Bundes- und Europapolitik sowie Wissenschaft. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
KAS, Vortrag Die Schweiz hat gewählt – Wahlanalyse und Perspektiven auf das Verhältnis Schweiz-Europa
Die Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ordnet die Wahlergebnisse aus der Schweiz ein und gibt einen Ausblick auf das Verhältnis der Schweiz zu Europa. INFOS & ANMELDUNG
25.10.2023 – 19:00-20:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Die Nairobi-Deklaration – Der Beginn wirksamer afrikanischer Klimapolitik?
Die Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) adressiert Erwartungen und Potenziale der afrikanischen Klimapolitik und speziell der Nairobi-Deklaration. INFOS & ANMELDUNG
26.10.2023 – 09:00-10:00 Uhr/16:00-17:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM): What the new EU regulation entails and how companies should react
This webinar aims to improve the understanding of the latest developments and key elements of the CBAM regulation and gives recommendations for action. INFO & REGISTRATION
26.10.2023 – 14:00-16:30 Uhr, online
Eurogas, Conference European Gas Tech Conference: CCUS, Pyrolysis and BECCS – Advantage EU?
In the framework of the Net-zero Industry Act, the conference will bring together industry representatives and policymakers to discuss the opportunities in Europe for low-carbon technology solutions, and the pace to meet the targets of the REPowerEU initiative. INFO & REGISTRATION
26.10.2023 – 17:00-18:30 Uhr, Berlin/online
HBS, Panel Discussion EU-New Zealand Free Trade Agreement
The New Zealand Embassy in Berlin and the Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) host a debate on trade and sustainability in the context of the EU-New Zealand Free Trade Agreement. INFO & REGISTRATION
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat sich dafür ausgesprochen, Europa neu zu denken. “Wir dürfen keine Angst haben, uns zu reformieren und uns an diese sich ständig verändernde und zunehmend geopolitische Welt anzupassen”, sagte Metsola bei ihrer Humboldt-Rede am Montag in Berlin. Entscheidend sei, dass die Neugestaltung Europas auf den Werten Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde basiere. “Das ist es, was uns als Europäer auszeichnet.” Europa müsse seine Rolle in der Welt stärken, “indem wir auf der globalen Bühne stärker und vereinter werden“.
Die Parlamentspräsidentin betonte, dass dies nicht einfach werde und die Herausforderungen der grünen und der digitalen Transformation ehrgeizige Politik erfordere. “Wir stehen an einem Wendepunkt“, sagte sie. “Es gibt keine einfachen Lösungen, aber es sind Entscheidungen, die wir treffen müssen. Europa muss diesem Moment gerecht werden.” Ihre Befürchtung sei, dass Europa einen erneuten Aufstieg der Extremen erleben werde, wenn die Politik hier Fehler machte.
Zu Israel sagte Metsola, die vor einer Woche selbst vor Ort war: “Europa steht gegen Hass. Wir stehen gegen Terrorismus. Es ist absolut verurteilenswert. Die Hamas muss gestoppt werden. Punkt.” Sie habe die Orte der Gräueltaten besucht und mich mit trauernden Überlebenden getroffen. Es sei auch völlig richtig, Sorge und Verzweiflung über die sich entwickelnde Krise im Gazastreifen zum Ausdruck zu bringen. “Stolz und entschieden gegen den Terror zu sein und alles Mögliche zu tun, um die humanitäre Krise im Gazastreifen zu lindern, schließen sich nicht gegenseitig aus.”
Sicherheit, Verteidigung und Migration sollten ganz oben auf der Reformagenda stehen, betonte Metsola. Die Arbeit müsse sofort beginnen, um eine echte Sicherheits- und Verteidigungsunion aufzubauen. Eine, die die Nato ergänze, ohne mit ihr zu konkurrieren. Die Mitgliedstaaten müssten ihre Bemühungen zur Steigerung der Verteidigungsausgaben fortsetzen.
Zum Thema Migration sagte Metsola, nach einem Jahrzehnt des Stillstands sei die EU nun an einem Punkt angelangt, “an dem wir einen Weg nach vorne skizzieren können”. Es sei aber noch Arbeit nötig, um Schlupflöcher zwischen einem negativen Asylbescheid und einer Rückkehrentscheidung zu schließen. “Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass das Europäische Parlament sich unwiderruflich dazu verpflichtet hat, dieses Legislativpaket bis zum Ende seiner Amtszeit abzuschließen.”
Die Mitarbeiter der Kommission haben am Montag in ihrem dienstlichen Mailpostfach eine Botschaft von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Situation in Nahost vorgefunden. Die Botschaft liegt Table.Media vor. Die Kommissionspräsidentin erwähnt darin nicht die Erklärung von über 800 Mitarbeitern und Beamten der Kommission aus der Vorwoche, in der diese heftige Kritik an der Haltung der Kommission geäußert hatten. Dennoch wird das Schreiben von der Leyens als eine Reaktion auf die Botschaft der Beamten und Mitarbeiter gesehen.
Die Kommissionspräsidentin drückt ihre Betroffenheit aus über die Gewalt, die Geiselnahmen sowie ihre Trauer über den Verlust der Leben von unschuldigen Menschen “aller Religionszugehörigkeiten und Nationalitäten”. Sie wolle allen versichern, dass die EU immer auf der Seite von Humanität und Menschenrechten stehe.
Dann dankt sie “den Kollegen, die ihre Meinungen und Gefühle angesichts dieser sehr schwierigen und emotional berührenden Ereignissen geteilt haben”. Schließlich folgt ihr Bekenntnis, offen zu sein für den Dialog mit ihren Kritikern: “Gemeinsam mit anderen Mitgliedern des College bin ich bereit, mich einzubringen und Ihren Sorgen und Empfehlungen zuzuhören.” mgr
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat sich für eine Feuerpause im Kampf zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas ausgesprochen. Borrell erklärte nach den Beratungen der Außenministerinnen und Außenministern in Luxemburg, dass es darüber in den Beratungen einen Konsens gegeben habe. Teilnehmer dementierten dies. “Es hat gar keine Abstimmung gegeben”, sagte ein EU-Diplomat zu Reuters.
Im Kreis der 27 Minister gibt es offensichtlich unterschiedliche Positionen zu dem Thema. Zwar befürworten alle, dass es mehr Hilfe für die palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen geben sollte. Aber es gibt Differenzen bei der Frage, ob Israel deshalb seine geplante Bodenoffensive im Gazastreifen verschieben und mit dem Beschuss von Hamas-Positionen aufhören sollte. Frankreich, Spanien, die Niederlande, Irland, Slowenien oder Luxemburg unterstützen die Position von Borrell. Aber andere Minister zeigten sich reserviert.
“Wir können die humanitäre Krise nicht eindämmen, wenn der Terror in Gaza weitergeht”, hatte etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schon vor der Sitzung betont. Sie räumte ein, dass es einer “Quadratur des Kreises” gleiche, dass Israel die Hamas im Gazastreifen bekämpft und gleichzeitig internationale Hilfe wie Wasser und Nahrung zu den Menschen gebracht wird. Sie verwies aber darauf, dass Hamas Israel weiter mit Raketen beschieße. Israel hat eine Feuerpause mit Hinweis auf den andauernden Beschuss aus dem Gazastreifen und die notwendige Zerschlagung der Hamas bisher abgelehnt.
In dem Reuters vorliegenden Entwurf für die Erklärung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag ist ebenfalls davon die Rede, dass es eine “humanitäre Pause geben muss, um sicheren humanitären Zugang zu haben und denen in Not zu helfen”. Ein EU-Diplomat betonte allerdings, dass es dabei nur um einen Entwurf handelt. Der EU-Gipfel findet am Donnerstag und Freitag in Brüssel statt. rtr
Der von Schweden seit vielen Monaten gewünschte Nato-Beitritt ist einen Schritt weitergekommen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan legte am Montag dem Parlament die Aufnahme Schwedens in das westliche Militärbündnis zur Ratifizierung vor. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte den Schritt und äußerte die Hoffnung auf ein rasches Votum des Parlaments in Ankara.
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson erklärte, sein Land freue sich darauf, Mitglied der Nato zu werden. Wann sich das Parlament mit der Ratifizierung befassen wird, war zunächst unklar.
Zwar hatte Erdoğan bereits im Juli den Nato-Verbündeten zugesagt, die Ratifizierung dem Parlament bis zum 1. Oktober vorzulegen. Allerdings verzögerte sich der Vorgang, weil Schweden unter anderem die Aufnahme kurdischer Extremisten der verbotenen Partei PKK vorgeworfen wurde. Schweden verweigerte die Auslieferung von den in der Türkei als Terroristen eingestuften Verdächtigen.
Bei dem Nato-Beitritt Schwedens spielen auch Rüstungsfragen eine Rolle. Die Türkei bemüht sich seit Langem um die Zustimmung des US-Kongresses zum Verkauf von F-16-Jets und anderen militärischen Gütern an Ankara im Wert von 20 Milliarden Dollar. Erdoğan hat Schwedens Nato-Bewerbung mit der Unterstützung der USA für seinen Antrag verknüpft. rtr
Sahra Wagenknechts Parteineugründung will bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2024 antreten. Das bekräftigte Wagenknecht am Montag in Berlin. Sie ließ allerdings offen, ob sie selbst antreten wolle. Wagenknecht saß von 2004 bis 2009 erst für die PDS, nach deren Zusammenschluss mit der damaligen “Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit” (WASG) dann für die Linkspartei im Europaparlament.
Bei der Vorstellung des Vereins “Bündnis Sahra Wagenknecht” (BSW) in Berlin erläuterten Wagenknecht, die bisherige Linke-Ko-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Amira Mohamed Ali, sowie weitere Vereinsakteure ihre Ziele. In einem veröffentlichten “Gründungsmanifest” heißt es unter anderem: “Unser Ziel ist ein eigenständiges Europa souveräner Demokratien in einer multipolaren Welt und keine neue Blockkonfrontation, in der Europa zwischen den USA und dem sich immer selbstbewusster formierenden neuen Machtblock um China und Russland zerrieben wird.”
Der Verein, der keine weiteren Mitglieder aufnimmt, aber Spenden sammeln soll, ist als Vororganisation für die eigentliche Partei gedacht.
Auf Nachfrage von Table.Media erläuterte Wagenknecht, dass sie die EU-Kommission für lobbyhörig erachte. Sie wolle eine “gute europäische Kooperation”. Diese würde über “eine gute Kooperation der Länder” laufen, so Wagenknecht. Man sehe, dass das, was von der EU-Kommission komme, vielfach wenig Akzeptanz finde. Zudem sei es häufig sehr negativ für einzelne Länder. Auch die Unternehmen würden “die Hände über dem Kopf zusammenschlagen” über EU-Regularien. Ihr schwebe eine “Koordination in Europa zwischen den Regierungen” vor, etwa zwischen Deutschland und Frankreich. Eine freiwillige, engere Kooperation sei aus ihrer Sicht sinnvoll.
Warum ihre für Anfang 2024 geplante Parteigründung dennoch für das Europaparlament antrete? “Wir werden als Partei selbstverständlich für das Europaparlament kandidieren, aber man muss ja deshalb nicht für eine Zentralisierung von Machtbefugnissen in Brüssel sein, wenn man bei der Europawahl antritt. Das finde ich eine merkwürdige Interpretation”, sagte Wagenknecht. “Man kann ja auch für ein Europa sein, in dem vor allem auch die Bevölkerung zusammenwächst, weil es einfach mehr Verbindungen zwischen den Ländern gibt.”
Wagenknecht schwebt hier eine Ausweitung etwa des Erasmus-Programms vor. Dieses solle finanziell weniger Voraussetzungen bei den Teilnehmern erfordern. Auch Spracherwerb sei dafür ein Mittel, das Europa zusammenbringe. Wagenknecht sieht das als Alternative zu “mehr Macht für die EU-Kommission”, die “wirklich nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger agiert”. fst
Am heutigen Dienstag stimmt der Umweltausschuss des Europaparlaments über die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation) ab. Im Vorfeld kündigt die EVP an, nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen zu wollen. Ihre Zustimmung zur geplanten Verordnung der EU-Kommission knüpfen die Christdemokraten an Lockerungen:
Eine knappe Mehrheit wäre allerdings auch ohne die EVP möglich. Vorausgesetzt, die Liberalen stimmen mehrheitlich für den Kompromiss, auf den sich Berichterstatterin Sarah Wiener (Grüne) vergangene Woche mit Vertretern von Linken, Liberalen und Sozialdemokraten geeinigt hat.
In einigen Punkten ist dieser strenger als der Vorschlag der EU-Kommission. Beispielsweise sieht der Kompromiss vor, “gefährliche” Pestizide bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren. Der Kommissionsvorschlag sieht lediglich eine Halbierung bis 2030 vor. Dennoch sind die Grünen optimistisch gestimmt: Der Liberale Jan Huitema aus den Niederlanden steht wohl hinter dem Kompromiss. has
Die EU-Kommission hat Verwaltungsvereinbarungen mit Frankreichs Telekommunikationsregulierer ARCEP und der irischen Digitalaufsichtsbehörde geschlossen. Diese sollen bei der Anwendung des Digital Services Act helfen.
“Ich begrüße diese ersten Vereinbarungen mit den nationalen Regulierungsbehörden, die sicherstellen werden, dass sich die Kommission bei der Bewertung der Risiken, die von illegalen und schädlichen Inhalten auf sehr großen Online-Plattformen ausgehen, auf die Sachkenntnis der Regulierer stützen kann”, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit schon vor dem formellen, allgemeinen DSA-Start aufgerufen.
In Deutschland ist der Streit um die genauen Kompetenzzuweisungen im Rahmen des DSA hingegen noch nicht beigelegt. Nach dem Willen der Bundesregierung soll zwar eine Stelle bei der Bundesnetzagentur zum Digitale-Dienste-Koordinator (DSC) werden. Allerdings kann die dortige, unabhängige Stelle erst mit dem bundesdeutschen Digitale-Dienste-Gesetz eingerichtet werden. Dieses soll nach monatelangem Gezerre um innerdeutsche Zuständigkeiten nun zügig durch das Kabinett, teilte die Bundesregierung am Montag mit.
Erfahrung mit den sozialen Netzwerken hat in Deutschland das Bundesamt für Justiz, das dem Bundesministerium der Justiz untersteht und für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zuständig war. Das wird im Fall der nach Digital Services Act von der EU-Kommission benannten besonders großen Plattformen jedoch nicht mehr angewandt. Das BMJ war bis zum Abend nicht in der Lage, die Frage zu beantworten, ob eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung zwischen EU-Kommission und BfJ in Arbeit sei. Auch die Landesmedienanstalten verfügen über entsprechende Erfahrung. fst
Die EU wird Ende November den letzten Schritt zur Einführung des neuen Handelsinstruments gegen wirtschaftliche Erpressung unternehmen: Die Unterzeichnung der Verordnung wird voraussichtlich am 22. November erfolgen, teilte der Rat der Europäischen Union am Montag mit. 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU wird das “anti-coercion tool” (ACI) dann in Kraft treten.
“Ziel ist es, mit dieser Gesetzgebung eine Deeskalation zu erreichen und im Dialog einen Abbau von Zwangsmaßnahmen im Handel und bei Investitionen herbeizuführen”, erklärte der Rat. Wenn dies nicht möglich sei, könne die EU dann als letztes Mittel Gegenmaßnahmen wie die Einführung von Handelsbeschränkungen ergreifen, beispielsweise in Form erhöhter Zölle, Einfuhr- oder Ausfuhrlizenzen.
Der Musterfall für ein Heranziehen des ACI ist das De-Facto-Handelsembargo Chinas gegen Litauen, nachdem Taiwan in Vilnius eine Vertretung mit Namen “Taiwan”-Büro eröffnet hatte. Der Streit wird im Dezember bereits zwei Jahre alt. Rückwirkend soll ACI allerdings nicht zum Einsatz kommen. ari
Tim Krögel ist von Haus mehr als nur ein echter Europäer. Er ist – wie er selbst sagt – ein echter “Brussels-Bubble-Europäer”. Als Sohn eines Mitarbeiters im Europäischen Parlament kam der heute 43-Jährige bereits in der Kindheit mit den politischen Eigenarten der europäischen Hauptstadt in Berührung.
“Zuhause hat die EU als Institution schon früh in meinem Leben eine große Rolle gespielt”, sagt Krögel. Dass er in Brüssel die Europaschule besuchte, ist da fast selbstverständlich.
Eher überraschend ist mit Blick auf seinen weiteren Werdegang, dass Krögel im Jahre 2018 schließlich die europapolitische Bereichsleitung des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) und deren Vertretung bei der EU übernimmt. Nach seinem Schulabschluss verlässt er Brüssel nämlich vorerst, um in England und Frankreich Architektur, Bauingenieurwesen und Betriebswirtschaft zu studieren.
Dennoch kehrt er danach beruflich in seine Heimatstadt zurück. “Ich habe schnell gemerkt, dass ich durch meine Biografie quasi zurück nach Brüssel gezwungen werde”, sagt Krögel.
Auch wenn er seitdem verschiedene Positionen bei der europäischen Vertretung und beim ZDH bekleidet – im Fokus stehen in seiner Arbeit seit 19 Jahren die kleinen und mittleren Unternehmen. Im Zusammenspiel mit ihnen sieht Krögel seine Hauptaufgabe als Übersetzer – “allerdings nicht im sprachlichen, sondern eher im kulturellen Sinne”. Konkret bedeutet das: “Viele deutsche Handwerksbetriebe sind zwar grundsätzlich pro-europäisch eingestellt, wissen aber oft nicht genau, was es braucht, damit das Projekt Europa funktioniert.”
Der nationale Spielraum der Unternehmen werde durch eine starke europäische Gesetzgebung zudem immer enger. Dabei werde häufig nicht geprüft, wie sich einzelne Richtlinien auf die Arbeit der Handwerksbetriebe auswirkten. “Wenn wir als ZDH nicht hier in Brüssel wären, würde eine solche Untersuchung gar nicht stattfinden”, sagt Krögel.
Wie wichtig die europäische Vertretung des Handwerks in Brüssel ist, habe die Diskussion der europäischen Klimaschutzmaßnahmen und der Emissionsziele bewiesen. Die klimapolitische Marschrichtung, die für Krögel und das Handwerk “an sich nie das Problem” gewesen seien, brachten für nationale Betriebe in der Umsetzung allerdings häufig Schwierigkeiten mit sich, die sie in ihrer täglichen Arbeit einschränken.
Dass für eine bessere Luftqualität basierend auf europapolitischen Regelungen Fahrverbote ausgesprochen würden, sei für das Handwerk problematisch, da die Betriebe zwangsläufig in die Städte müssten, sagt Krögel. “Wir stellen uns gegen eine ideologische Festlegung von Maßnahmen, die nicht bedenkt, wie diese realistisch umgesetzt werden können.”
In Gesprächen mit Abgeordneten versucht Krögel, die Interessen des Handwerks aufzuzeigen. “Wir fordern schon seit der letzten Europawahl ein größeres Verständnis der Kleinunternehmen durch eine bessere KMU-Politik.” In der laufenden Legislaturperiode seien die geforderten Strukturen eher geschwächt worden.
Die aktuelle Belastungssituation für die Handwerksbetriebe macht Krögel Sorgen – auch mit Blick auf die Zukunft der EU nach der kommenden Europawahl. “Was wird nächstes Jahr passieren, wenn die Leute das Gefühl haben, dass sie aus der EU nicht Lösungen, sondern Belastungen erfahren?” Von den Mitarbeitern der Betriebe wünscht er sich, dass sie vor den Wahlen das Gespräch mit regionalen Kandidaten suchen, um die Bedürfnisse des deutschen Handwerks zu unterstreichen. Jasper Bennink