Table.Briefing: Europe

AfD vor Krah-Mitarbeiter gewarnt + EP beschließt Schuldenregeln + Ursula-Koalition ohne Ursula?

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Frankreich beginnt das verbale Ringen um Europa. Der Europaabgeordnete und Kandidat der französischen Sozialdemokraten für die Europawahlen Raphaël Glucksmann (S&D) wird heute Abend bei einer Kundgebung in der Stadt Straßburg seine Vision von Europa vorstellen – seine “Agenda Europa 2030”. Unterstützung bekommt er dabei von Katarina Barley und S&D-Spitzenkandidat Nicolas Schmit.

Laut dem Umfeld Glucksmanns besteht seine Agenda aus drei Säulen: Ökologie, Verteidigung und Sozialpolitik. Es geht darum zu zeigen, dass nicht nur die Grünen über Umwelt und Klima sprechen können, und dass nicht nur Emmanuel Macron eine Vision für Europa hat.

Der Staatspräsident selbst wird sieben Jahre nach seiner Sorbonne-Rede am Donnerstag an die französische Eliteuniversität zurückkehren, um Bilanz der letzten sieben Jahre zu ziehen und seine Vision für die Europäische Union in den kommenden fünf Jahren zu präsentieren.

Es wird in seiner zweiten Sorbonne-Rede wieder einmal um Souveränität gehen, heißt es aus dem Élysée-Palast. Für Macron geht es darum, Europas Souveränität weiterzuführen, für “ein mächtiges Europa”. Bundeskanzler Olaf Scholz soll über den Inhalt der Rede informiert worden sein.

Die Rede von Glucksmann war von langer Hand geplant, während die von Macron eher unerwartet kommt: Auch wenn der Élysée es abstreitet, Macrons Rede ist der Auftakt in den Europawahlkampf und soll die Kampagne seiner Kandidatin Valérie Hayer ankurbeln, die immer noch nicht in Schwung gekommen ist. Schlimmer noch, sie droht, Stimmen an den Ökosozialisten Glucksmann zu verlieren.

Die beiden Reden werden wohl nicht nur zwei verschiedene Visionen von Europa präsentieren, sie stehen auch beispielhaft für den Kampf der beiden politischen Formationen um die europhilen Mitte-Links-Wähler Frankreichs.

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Analyse

Draghi statt von der Leyen? Deshalb verhält sich Meloni noch ambivalent

Italienkennern fällt es auf: Die Bilder sind seltener geworden, die die Chefin der rechtskonservativen Fratelli d’Italia Seit’ an Seit’ mit der aktuellen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigen. Gerade erst war Meloni wieder einmal in Sachen Migration in Tunesien unterwegs – dieses Mal aber ohne die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP). Dabei basierte der Schulterschluss der beiden vor allem auf ihren gemeinsamen Vorstellungen in Sachen Migrationspolitik.

Nachdem in den vergangenen Monaten das Frauenduo Meloni/von der Leyen sehr eng erschien, sind die italienischen Medien nun voll von ganz anderen Spekulationen: Ja, Melonis Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) könnte der Ursula-Koalition beitreten, wie der Zusammenschluss der Unterstützer von der Leyens in Italien heißt. Aber ob es dafür besagte Ursula von der Leyen an der Spitze der Kommission braucht, sei dahingestellt.

Neue Anzeichen für Plan rund um Mario Draghi

Dabei wird Meloni seit Monaten sowohl von Manfred Weber umgarnt, dem Fraktionsvorsitzenden der EVP, als auch von von der Leyen selbst. Die Umfragen gehen davon aus, dass Melonis Fratelli d’Italia nach der Wahl innerhalb der EKR-Fraktion die PiS aus Polen als stärkste Kraft ablösen werden. Die EKR in die Koalition der Unterstützer der Kommissionspräsidentin zu holen, ist nicht nur zahlenmäßig wichtig. Man will sie auch von den ganz Rechten wie der Lega von Matteo Salvini oder der AfD aus Deutschland fernhalten, die ihre ID-Fraktion mit der EKR zu einer rechtsnationalen Kraft vereinen wollen.

Die italienische Tageszeitung “La Repubblica” spricht aber bereits von einem konkreten Plan B. Der soll darin bestehen, dass Meloni nach der Wahl, wenn sich die Regierungschefs im Europäischen Rat auf einen gemeinsamen Vorschlag für das Amt des Kommissionspräsidenten einigen müssen, den Namen Mario Draghi in den Ring werfen könnte. Und das möglichst, bevor es andere tun. Ökonom Draghi arbeitete über Jahre als Zentralbanker, unter anderem als Präsident der EZB. 2021 und 2022 war er Ministerpräsident Italiens. 

Die Spekulationen scheinen nicht unrealistisch. Meloni werde verhindern wollen, heißt es, dass ihr das wieder erblühte Weimarer Dreieck Berlin-Paris-Warschau mit einem Alternativ-Kandidaten zu von der Leyen zuvorkommen könnte. Die Befürchtung: Dann wäre Meloni in eine hintere Reihe der Brüsseler Rangspiele verbannt. Und hätte sich im Auge der Öffentlichkeit dem beugen müssen, was andere vorgeben. Selbst wenn es auch dann Draghi wäre.

Meloni hat sich zu den Draghi-Spekulationen bislang nicht geäußert. Ihr koalitionsinterner Widersacher, Lega-Chef Salvini, fordert seit Tagen von Meloni, sich vor der Wahl klar zu positionieren, ob sie danach für von der Leyen stimmen werde oder nicht.

Die negativen Nachrichten über von der Leyen aus den vergangenen Tagen haben in Italien viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Deutsche wird in Italien vor allem bei den Wählern auf der rechten Seite skeptisch gesehen, aber nicht nur dort. “Wir werden sehen”, sagte selbst Forza-Italia-Chef Antonio Tajani vor wenigen Tagen dazu, ob seine EVP-Genossin ihre zweite Amtszeit bekomme. “Im Moment” sei sie die Kandidatin der EVP. Draghi hingegen ist in Italien hoch angesehen – parteiübergreifend, in der Wirtschaft und auch bei den Bürgern.

Draghi-Bericht als Blaupause für eigene Amtszeit?

Vieles spricht also für die These, Meloni könnte nach der Wahl auf Mario Draghi setzen. Aber manches eben auch nicht. Mit einem solchen Vorgehen würde Meloni ihre eigenen Parteifreunde brüskieren. Der eine oder andere rechnet schon damit, dass die Vorsitzende der Fratelli einen Kommissarsposten für ihre Partei herausschlagen könnte. Auch deshalb dürfte sich Meloni mit einem “si” oder “no” zu von der Leyen bis nach der Wahl zurückhalten. Schließlich gilt es, möglichst viel für Italien aus einer Stimme für die Christdemokratin herauszuholen.

Dass außerdem Mario Draghi selbst bisher nicht einmal andeutet, für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten überhaupt zur Verfügung zu stehen, ist in der italienischen Diskussion schlicht unwichtig. Ganz bedeckt hält sich der 76-Jährige auch nicht. Bei einem Vortrag in La Hulpe bei Brüssel hat er vor wenigen Tagen einen Einblick in den Bericht gegeben, den er im Auftrag von der Leyens schreibt, und der nach den Wahlen vorgestellt werden soll. In Italien wurde die Rede Draghis prompt als die Blaupause für die europäische Legislatur 2024-2029 betrachtet. Almut Siefert

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Rasante KI-Entwicklungen machen neue Art der Regulierung notwendig – was die Politiker fordern

Im ersten Teil der von der EU ausgerufenen digitalen Dekade – haben Kommission, Rat und Parlament eine Fülle wichtiger Digitalgesetze beschlossen. “Mit dem Digital Servies Act, dem Digital Markets Act und dem AI Act haben wir die Grundpfeiler gelegt, die die Digitalpolitik der nächsten Dekade bestimmen werden“, meint etwa die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn. Sie hat unter anderem den AI Act mitverhandelt.

Auch René Repasi (SPD), findet, “wir haben ordentlich etwas vorgelegt.” Die Frage ist, was die Aufgabe der neuen Kommission in der zweiten Hälfte der Dekade nun sein sollte. Beide Abgeordnete sagen: “Jetzt ist es Zeit für die Implementierung. Wir müssen beobachten, wie die Gesetze in der Praxis funktionieren.” Doch darüber hinaus gibt es noch mehr zu tun.

Experte: Regulierung muss vernetzt, dezentral und kooperativ werden

Die rasanten Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz machen auch eine neue Art der Regulierung notwendig. Anselm Küsters, Leiter der Abteilung Digitalisierung und Neue Technologien am Centrum für Europäische Politik (cep) schreibt in einem neuen Papier: “Das Mandat der nächsten Kommission sollte sich nicht nur mit der Frage befassen, wie KI in Europa reguliert oder subventioniert werden kann, sondern auch damit, die europäischen Institutionen auf ein Umfeld vorzubereiten, in dem das Tempo des Wandels und der Unsicherheit weiter zunehmen wird“. Um global wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse die EU-Governance die Eigenschaften der digitalen Technologie selbst widerspiegeln, also effizient, vernetzt, kooperativ, transparent, dezentral und iterativ werden.

Dazu sollte sich die EU von ihrer Skepsis gegenüber KI lösen und ihr Potenzial nutzen, indem sie KI in öffentliche Dienste integriere. Das würde auch die Effizienz und die Entscheidungsfindung verbessern, meint Küsters. Er schlägt auch ein neues Governance-Modell vor. Ein vernetztes Modell mit digitalen Plattformen und Bürgerbeteiligung erleichtere die Zusammenarbeit über Abteilungen und nationale Grenzen hinweg. So werde Gesetzgebung relevanter und demokratischer. Schließlich müsse die EU von einer detaillierten, statischen Regulierung zu einem iterativen, technologiegesteuerten Umsetzungsprozess übergehen, fordert Küsters in der Studie, die Teil einer neuen Serie von Ausblicken des cep ist.

Repasi wünscht sich dynamische Digitalgesetzgebung

“Die Digitalgesetzgebung muss lebendig werden” – so formuliert es René Repasi. “Sie kann nicht starr sein, wie wir es vielleicht bei der Datenschutzgrundverordnung hatten.” Vielmehr werde vom Gesetzgeber ein anderer Umgang mit der Dynamisierung verlangt. “Wir haben einen neuen Typus von Gesetzgebung bekommen”, sagt er. “Wir können nicht jedes Mal den großen Tanker Gesetzgebung aktivieren, wenn wir sehen, dass die digitale Realität uns überholt hat.” Das sei weder effizient und noch gut für den Digitalstandort Europa. “Deswegen haben wir einen Rahmen gesetzt, bei dem wir viel der Kommission überantworten – Leitlinien, delegierte Rechtsakte, Durchführungsrechtsakte und dergleichen.” Es sei nun Aufgabe der Kommission, “die Sachen dynamisch zu halten“.

Das bedeute aber auch, dass das Parlament neue Dialogformate mit der Kommission finden müsse, damit die Machtfülle der Kommission nicht so weit anwachse, dass es aus demokratischer Sicht problematisch würde. “Wir haben zu den einzelnen Rechtsakten DMA und DSA ausschussübergreifende Arbeitsgruppen eingesetzt, in denen die Kommission regelmäßig berichtet”, erläutert Repasi. “Wenn wir das Rahmenabkommen zwischen Parlament und Kommission im nächsten Mandat neu verhandeln, müssen wir darauf achten, inwieweit wir Einfluss nehmen können auf die Entwürfe der Kommission für delegierte Rechtsakte.” Das Parlament sollte Kenntnis erlangen, darüber diskutieren und Einfluss nehmen können.

Repasi erwartet auch neue Regulierung, etwa den Digital Networks Act, bei dem es um die notwendige Konnektivitätsinfrastruktur für die Digitalwirtschaft geht. “Das ist ein Punkt, der noch offensteht und glaube ich relativ zentral ist”, meint Repasi. Außerdem sieht er die Kommission in der Pflicht, den Digital Fairness Check abzuschließen, der sich den Bereich des Verbraucherschutzes im Digitalen anschaut.

Hahn fordert ein Update für die DSGVO

Svenja Hahn geht es darum, die Regelungen noch anzupassen, die nicht praxistauglich sind. Sie verweist etwa auf die Klagen von Unternehmen gegen die Einstufung als Very Large Online Platform (VLOP) im DSA. “Das zeigt leider, dass die Gesetze oftmals nicht klar genug formuliert sind”, sagt sie. “Es ist nicht gut, wenn Gesetze so formuliert sind, dass Gerichte sie ausbuchstabieren müssen. Das muss aus meiner Sicht besser werden in der nächsten Legislatur.”

Und sie sagt: “Wir werden natürlich über Geld sprechen. Ich denke da insbesondere an das Thema Supercomputer.” Es gebe bereits verschiedene Projekte innerhalb der Europäischen Union. Hier sei jedoch eine stärkere Priorisierung notwendig.

Das Gleiche gelte für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen. Hier müsse “ein Fokus auf Forschung und Zukunftsinvestitionen aus dem EU-Haushalt liegen. Gleichzeitig müssen wir aber auch massiv privates Kapital mobilisieren.” Das sei ein Punkt, der bei der Debatte über den Inflation Reduction Act oftmals übergangen werde, dass ein großer Teil davon Steueranreize sind. “Eines der wichtigsten Themen ist, wie schaffen wir auch in Europa ein Klima, in dem private Investitionen attraktiv sind?”, findet Hahn. Sie fordert Rahmenbedingungen, die es einfacher machen, Kapital einzusammeln und grenzübergreifend aktiv zu sein.

In einigen Bereichen drängt sie darauf, bestehende Gesetze zu modernisieren. Dabei denkt sie an das Urheberrecht und die Datenschutzgrundverordnung – beides Themen, die insbesondere durch die technologische Entwicklung im KI-Bereich getrieben seien. “Wir brauchen einen anderen Umgang mit Daten”, sagt die Europaparlamentarierin. “Das Grundprinzip der DSGVO ist Datensparsamkeit. Für KI braucht man aber möglichst viele Daten. Um Datenschutz zu gewährleisten, müssen wir sehr viel stärker über anonymisierte und pseudonymisierte Daten reden, wenn wir qualitativ hochwertige KI in Europa trainieren wollen.” Hier brauche die DSGVO ein Update.

Zudem fordert Hahn eine neu angelegte Debatte, wie das Urheberrecht bei KI-Anwendungen zu regeln ist. “Die Frage ist, wie wir zu einem fairen Ausgleich kommen. Das gilt übrigens auch für die Frage der Haftung bei KI.”

Voss hat den digitalen Binnenmarkt im Blick

Zur Frage der KI-Haftung hatte die Kommission bereits vor zweieinhalb Jahren einen Gesetzentwurf vorgelegt, den hat das Parlament noch gar nicht verhandelt, weil es erst den AI Act fertigstellen wollte. Designierter Berichterstatter ist Axel Voss (CDU). Er will aber jetzt erst das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes abwarten, “um nicht über das Ziel hinauszuschießen”.

Die Frage sei, ob für KI tatsächlich noch ein eigenes Haftungsrecht nötig ist, beziehungsweise ob im neuen Produkthaftungsrecht Regelungslücken bestehen. Dies könne eventuell bei generativer KI der Fall sein, die im Produkthaftungsgesetz nicht auftauche. In jedem Fall hält Voss es für wichtig, dass es hier europaweit einheitliche Regeln gibt. Derlei Versuche stoßen im Rat jedoch regelmäßig auf wenig Gegenliebe. Doch “der fragmentierte Binnenmarkt ist absolut kontraproduktiv”, meint Voss.

Voss hat bereits einen Zehn-Punkte-Fahrplan für die Kommission aufgestellt, was sie in den kommenden Jahren in Angriff nehmen müsse. Dazu gehört unter anderem auch, “dass der Gesetzgeber selbst in digitalen Dingen flexibler wird“, sagt Voss. Auf Fehlentwicklungen müsse der Gesetzgeber schneller reagieren, meint er und verweist auf die DSGVO, wo acht Jahre lang nichts passiert sei. Zudem fordert er, die Nachhaltigkeitsberichterstattung viel mehr mit digitalen Elementen zu verbinden, um die Unternehmen zu entlasten. “Warum streben wir bei dem Green Deal nicht gleich die digitalen Lösungen mit an?”, fragt Voss.

Geese sieht noch Lücken beim Kinder- und Jugendschutz

Alexandra Geese, Digitalexpertin der Grünen, setzt die Akzente etwas anders. Sie meint, mit DSA, AI ACT und Data Act habe die EU “weltweit bahnbrechende Arbeit geleistet für klare Regeln im Digitalsektor”. Diese müssten jetzt effektiv durchgesetzt werden. “Lücken, die wir noch stopfen sollten, sehe ich im Kinder- und Jugendschutz“, sagt Geese. “Sowie bei der suchterzeugenden Gestaltung von digitalen Diensten, die Tausende Psychologen beschäftigen, um uns so lange wie möglich vor dem Bildschirm zu halten und unser Gehirn auszutricksen.”

Ein weiterer extrem wichtiger Bereich sei außerdem das Wettbewerbsrecht für Online-Werbung. “Das Google- und Meta-Duopol kontrolliert einen Großteil des Online-Werbemarktes und entzieht unserer Presse die Finanzierungsgrundlage.” Hier sieht Geese noch eine Gestaltungsaufgabe für die Kommission.

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News

Spionageverdacht bei AfD: Parteispitze soll vor Jahren gewarnt worden sein

Die AfD-Parteispitze könnte schon seit Jahren von möglichen Verstrickungen des Maximilian Krah-Mitarbeiters Jian G. mit China gewusst haben. Schon zu Beginn von Krahs Mandat soll es von der Europa-Delegation einen Brief an Tino Chrupalla und Alice Weidel mit Hinweisen zu dessen Mitarbeiter Jian G. gegeben haben. Da Krah aber 2022 als Oberbürgermeister für Dresden kandidierte, habe die Parteiführung die Hinweise ignoriert.

Sie wollten damals nichts davon wissen, jetzt ist es ihr Problem“, sagte ein MdEP zu Table.Briefings. Die Führung wusste also vor dem Europa-Listenparteitag von den Risiken, die mit Krahs Spitzenkandidatur einhergingen. Aus AfD-Kreisen ist bekannt, dass die Bundesspitze nicht begeistert von Krah war, es aber an prominenten Alternativen fehlte.

Krah, Spitzenkandidat zur Europawahl der Partei, und der Zweite auf der AfD-Liste, Petr Bystron, müssen kaum um ihre Kandidaturen fürchten – die Listen zur Europawahl sind bereits erstellt. Inzwischen nehmen jedoch innerparteilich die Sorgen zu, dass das Spitzenduo den AfD-Wahlaussichten ernsthaft schaden könnte. Selbst im Falle eines Rauswurfs nach der Wahl säßen sie aber wegen ihrer guten Listenplätze weiter sicher in Brüssel.

Mitarbeiter soll Oppositionelle ausspioniert haben

Krah twitterte am Dienstag, er selbst habe erst vormittags von der nächtlichen Festnahme erfahren. “Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.”

Am Dienstag war Krahs Mitarbeiter Jian G. wegen mutmaßlicher Spionage für China an seinem Dresdener Wohnort festgenommen worden. Der 43-Jährige soll für China die dortige Oppositionsbewegung ausspioniert haben. Zudem soll er Informationen aus dem Europäischen Parlament weitergegeben haben.

Table.Briefings berichtete bereits im Oktober 2023 über G. und dessen enge Verbindungen zu Organisationen der chinesischen Einheitsfront. G. hatte in den vergangenen Jahren mutmaßlich immer wieder dafür gesorgt, dass der AfD-Politiker in China hofiert wurde und sich ihm prominente Plattformen als Redner boten. Wie der ausgebildete Agent dem chinesischen Staat konkret zur Hand ging, lesen Sie hier. fk

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Wahlkampf: Datenschutzaufsicht warnt vor Micro-Targeting

Die für die Parteien durch deren Sitz zuständige Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Meike Kamp hat die Parteien aufgefordert, im Wahlkampf zum Europäischen Parlament sogenanntes Micro-Targeting zu unterlasssen. “Ich appelliere an Sie, bei der Wahlwerbung auf die Nutzung von Microtargeting-Verfahren zu verzichten, und Ihre Werbekampagnen daran auszurichten, den öffentlichen Diskurs über ihre Inhalte zu stärken“, heißt es in einem Brief, der an alle Parteien ging.

Die Parteien, denen nach Grundgesetz die Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung zukommt, müssten es vermeiden, dass “so individuell und manipulativ geworben” werde, “dass die freie und politische Meinungsbildung stark eingeschränkt und der Abgleich mit Botschaften, die andere Personen erhalten, nicht mehr möglich ist.” Hier sieht Kamp Micro-Targeting-Ansätze als Teil des größeren demokratischen Problems.

Gezielte Werbung nach DSGVO nur eingeschränkt möglich

Das für eine Landesdatenschutzbeauftragte ungewöhnliche Argument kann als Teil der gesetzlichen Beratungsfunktion der Datenschutzaufsichtsbehörden verstanden werden – oder auch als Vorstufe für ein mögliches Einschreiten.

Zwar fokussiert Kamp sich in ihrem Schreiben weitgehend auf die Probleme von Wahlwerbung im öffentlichen Diskurs. Sie weist die Parteien aber auch noch einmal nachdrücklich auf die gesetzlichen Voraussetzungen für Micro-Targeting hin: “Wie Sie wissen, ist insbesondere die Verwendung von besonderen Arten personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO, also u. a. Informationen über die politische Haltung von Personen, nur mit ausdrücklicher und wirksamer Einwilligung der betroffenen Personen zulässig.” Das zu überprüfen und gegebenenfalls zu ahnden, wäre Aufgabe der Berliner Landesdatenschutzbeauftragten. fst

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Parlament stimmt neuen EU-Schuldenregeln zu

In einer Serie von drei Abstimmungen hat das Europäische Parlament am Dienstag den neuen EU-Fiskalregeln zugestimmt. Eine große Mehrheit von EVP, Sozialdemokraten und Liberalen votierten für die Regeln. Die Grünen lehnten sie mit der Begründung ab, dass die Regeln dringend notwendige Investitionen in die grüne Transformation verhindern würden.

Die EU-Kommission hatte die Reform der Regeln im April 2023 vorgeschlagen. Während sie die Zielwerte der EU-Verträge beibehielt, wollte sie die Regeln flexibilisieren und mit mehrjährigen, individuellen Finanzplänen Anreize für Investitionen und Reformen schaffen. Nach intensiven Verhandlungen auf der Ebene der Finanzminister wurde ein Teil der Flexibilisierung durch numerische Mindestangaben wieder eingeschränkt.

Nun muss der EU-Rat die Reform noch offiziell gutheißen, was als gesichert gilt. Zwanzig Tage später treten die Regeln offiziell in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben dann bis am 20. September Zeit, um ihre mittelfristigen Finanzpläne auf Basis der neuen Regeln bei der Kommission einzureichen. jaa

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EU-Handelserleichterungen für die Ukraine nehmen letzte politische Hürde

Nach einigem Hin und Her hat das EU-Parlament am Dienstag mit deutlicher Mehrheit für die Verlängerung des Freihandels mit der Ukraine zugestimmt. Zuvor hatte eine Gruppe von Mitgliedstaaten, angeführt von Polen und Frankreich, erreicht, dass noch einmal nachverhandelt wurde, um Schutzmaßnahmen für Agrarprodukte zu stärken. Letzteres hatte auch das Parlament in seiner Verhandlungsposition gefordert.

Die Abgeordneten nutzten damit die letzte Chance, die Handelserleichterungen um ein Jahr zu verlängern, bevor die aktuellen Maßnahmen am 5. Juni auslaufen. Gleichzeitig hat die Europäische Kommission versprochen, mit der Ukraine Verhandlungen für einen längerfristigen Handelsrahmen zu starten, um zu vermeiden, dass auch künftig jedes Jahr neu entschieden werden muss. Der EU-Rat muss noch abschließend zustimmen, das gilt aber als Formalität. jd

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Ökodesign und Recht auf Reparatur: Parlament nimmt Trilogeinigungen an

Das EU-Parlament hat am Dienstag die Trilogergebnisse der Recht auf Reparatur-Richtlinie sowie der Ökodesign-Verordnung angenommen. Sobald auch der Rat den Ergebnissen formal zugestimmt hat, können beide Gesetze in Kraft treten.

Mit der Ökodesign-Verordnung wird die bisherige Ökodesign-Richtlinie überarbeitet, die nur für einige Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen gilt. Die Verordnung erweitert den Anwendungsbereich auf fast alle Produkte. Zudem verbietet sie das Vernichten unverkaufter Kleidung, Schuhe und Accessoires. Der AStV hatte dem Trilogergebnis bereits im Dezember zugestimmt.

Die Recht auf Reparatur-Richtlinie soll Abfall reduzieren, die Reparaturbranche sowie Verbraucherrechte stärken. Hersteller müssen Produkte beispielsweise nach der gesetzlichen Gewährleistungszeit zu angemessenen Preisen und innerhalb angemessener Zeiträume reparieren. Verbraucher müssen Zugang zu Informationen, Ersatzteilen und Werkzeugen erhalten. Zudem müssen die EU-Mitgliedstaaten für finanzielle Anreize in Form von Gutscheinen oder Fördergeldern sorgen. Auch der Rat muss dem Ergebnis noch zustimmen. Dies ist für die Sitzung des AStV am 15. Mai und für den Rat für Wettbewerbsfähigkeit am 23. Mai geplant.

Anti-Zwangsarbeits-Verordnung angenommen

Auch das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit wurde am Dienstag vom EU-Parlament angenommen. Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, sollen zukünftig nicht mehr auf dem EU-Binnenmarkt bereitgestellt, verkauft und von dort exportiert werden. EU-Parlament und Rat hatten sich Anfang März auf die neue Verordnung geeinigt. Der Rat hat das Ergebnis Mitte März angenommen.

Zudem haben die Abgeordneten ihr Verhandlungsmandat für ein Gesetz zur Vermeidung des Verlusts von Plastikpellets verabschiedet. Die EU-Kommission hatte im Oktober einen Entwurf vorgestellt. Demnach sollen für alle Akteure, die mit Kunststoffpellets umgehen, Verpflichtungen gelten. Im Detail geht es darum, Verluste zu vermeiden, Pläne zur Risikobewertung zu erstellen und im Falle eines Verlusts, Schäden zu beseitigen. Der Umweltausschuss hatte den Bericht im März angenommen. Darin schärft er den Entwurf an einigen Stellen nach, wie der Schulung von Personal, der Nachverfolgung der Kunststoffpellets sowie den verfügbaren Informationen über Umweltrisiken. leo

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Verordnung gegen Zahlungsverzug: EU-Parlament definiert Position, Rat bremst

Mit großer Mehrheit von 459 gegen 96 Stimmen hat sich das Europäische Parlament am Dienstag auf eine gemeinsame Position zur Verordnung gegen Zahlungsverzug geeinigt. Da knapp die Hälfte aller B2B-Zahlungen in der EU verspätet bezahlt werden, hatte die Kommission im vergangenen September eine neue Regulierung vorgeschlagen.

Die Regulierung soll eine bisher bestehende Richtlinie zum Zahlungsverzug ersetzen. Speziell KMUs leiden laut Kommission unter zu spät bezahlten Rechnungen, weil Großunternehmen ihre Macht teilweise dazu ausnutzten, um längere Zahlungsfristen zu erzwingen. Die Kommission hatte deshalb vorgeschlagen, dass ein Zahlungsverzug von mehr als dreißig Tagen im geschäftlichen Verkehr mit einer Mahngebühr von fünfzig Euro belegt werden kann.

Parlament will längere Fristen nach Absprache

Das Parlament weicht vom Kommissionsvorschlag ab, indem es für einige Branchen Ausnahmen einführt, zum Beispiel im Einzelhandel. Zudem sollen Geschäftspartner in allen Branchen sich vertraglich auf eine 60-tägige statt 30-tägige Bezahlungsfrist einigen dürfen. Im Gegenzug können die Mahngebühren je nach Rechnungshöhe in der Parlamentsversion auf bis zu 150 Euro ansteigen.

Während das Parlament hiermit seine Position definiert hat, ist der EU-Rat von einer Einigung noch weit entfernt. Unter den Mitgliedstaaten besteht wenig Interesse an der neuen Verordnung. Ob und wann es zu Trilogverhandlungen kommen wird, ist deshalb noch unklar. jaa

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Große Mehrheit für Gigabit Infrastructure Act

Das Europäische Parlament hat den Gigabit Infrastructure Act mit 594 Stimmen angenommen – bei sieben Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen. Das Gesetz soll den Ausbau gigabitfähiger Netzwerke in Europa beschleunigen. Dafür sollen die Kosten für die Bereitstellung hochleistungsfähiger Netze sinken, zudem will die EU Investitionen in die digitale Infrastruktur fördern.

Eines der wichtigsten Ziele ist es dabei, die Verfahren zur Genehmigung von Infrastrukturprojekten zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie bürokratische Hindernisse für Betreiber und nationale Verwaltungen verringern. In den Verhandlungen mit dem Rat haben die Abgeordneten das Prinzip der “stillschweigenden Genehmigung” durchgesetzt. Demnach gilt eine Genehmigung für die Installation von Infrastruktur automatisch als erteilt, wenn innerhalb einer viermonatigen Frist keine Antwort von der Verwaltungsbehörde eingeht.

In ganz Europa zu Inlandspreisen telefonieren

Außerdem setzten die Abgeordneten durch, dass der Weg zur Abschaffung der Gebühren für Intra-EU-Anrufe und SMS fortgesetzt wird. Bis 2029 sollen Anrufe in einen anderen Mitgliedstaat nicht mehr kosten, als Inlandsgespräche. Die bestehenden Preisobergrenzen für Intra-EU-Anrufe, die im Mai 2024 auslaufen würden, wurden bis 2032 verlängert.

Berichterstatter Alin Mituța (Renew) sagte, das Gesetz werde Europa im digitalen Rennen nach vorne bringen. “Wir haben jetzt einen gemeinsamen EU-Ansatz, um jedem EU-Bürger Zugang zu Hochgeschwindigkeitsinternet zu bieten und die Konnektivitätslücke zwischen ländlichen und abgelegenen Gebieten und ihren städtischen Gegenstücken zu schließen sowie eine bessere Abdeckung der Verkehrskorridore zu gewährleisten.” vis

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Deutsche-Bank-Chef: “Ohne Kapitalmarktunion ist Green Deal tot”

Die Bankenbranche hat beim Bankentag in Berlin eine Kapitalmarktunion angemahnt. Ohne Fortschritte werde der ökologische Umbau der europäischen Wirtschaft scheitern. Deutsche Bank-Chef Christian Sewing sagte am Dienstag: “Ohne die Kapitalmarktunion ist der Green Deal tot.”

Bundesbankpräsident Joachim Nagel verwies auf Schätzungen der EU-Kommission, wonach für die Transformation und die Digitalisierung der Wirtschaft pro Jahr ein zusätzlicher Investitionsbedarf von über 745 Milliarden Euro besteht. Private Investoren müssten davon den Löwenanteil stemmen. “Unternehmen müssen sich leichter über Ländergrenzen hinweg finanzieren können, vor allem auch mit Eigenkapital.” Er sei zuversichtlich, dass die Kapitalmarktunion dieses Mal auch Realität werde. “Es ist für mich einer der Pfeiler, der jetzt gemeißelt werden muss von der neuen Kommission. Da müssen wir jetzt wirklich über die Ziellinie gehen.” Das Thema sei zur Chefsache geworden, was wichtig sei.

Die zersplitterten Finanzmärkte in Europa gelten als großer Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA oder Asien. Die EU redet seit vielen Jahren über das Thema. In der Praxis stehen einer Kapitalmarktunion sehr unterschiedliche nationale Gesetze entgegen – unter anderem zu Insolvenzen, der Besteuerung von Kapitalgewinnen oder Börsengängen.

Scholz drängt erneut auf Fortschritte

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich am Dienstag für eine schnelle Reform aus – durch gemeinsame Steuerstandards, eine Angleichung der Aufsicht, mehr Verbriefungen von Krediten und eine Reform der Insolvenzregeln. “Vielleicht gibt es 27-mal das beste Insolvenzrecht der Welt. Aber vielleicht wäre besser, wenn es einmal das zweitbeste wäre, aber einheitlich für alle 27.” Deutschland pocht eher auf einen breiteren Ansatz mit allen EU-Staaten, Frankreich würde gerne mit einer kleinen Gruppe von EU-Staaten starten.

Beim jüngsten EU-Gipfel bekannten sich zwar alle Staats- und Regierungschefs zur Kapitalmarktunion. Allerdings betonten etliche kleine Staaten Vorbehalte gegen Elemente wie eine europäische Finanzaufsicht oder eine Harmonisierung der Unternehmenssteuern. rtr

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EU untersucht chinesischen Überwachungshersteller

Die EU hat eine weitere Untersuchung wegen mutmaßlicher Staatssubventionen gegen ein chinesisches Unternehmen eingeleitet. Im Rahmen des Verfahrens inspizierten EU-Beamte am Dienstagmorgen die Räumlichkeiten der niederländischen und polnischen Tochtergesellschaften eines chinesischen Unternehmens, wie die chinesische Handelskammer an die EU bestätigte. Dabei griffen die Beamten demnach auf das Informations- und Kommunikationssystem sowie die Telefone der Mitarbeiter zu. Die betroffene Firma stellt der South China Morning Post zufolge Überwachungstechnik her.

Die EU-Untersuchung basiert auf der Foreign Subsidies Regulation (FSR) der EU, die verhindern soll, dass ausländische Unternehmen in der EU einen Vorteil durch Subventionen aus dem Heimatland haben. Zum Namen des untersuchten Unternehmens, seiner Nationalität oder zu dem Sektor, in dem es tätig war, machten die EU-Beamten selbst zunächst keine Angaben: “Die Kommission hat Hinweise darauf, dass das überprüfte Unternehmen ausländische Subventionen erhalten haben könnte, die den Binnenmarkt gemäß der Verordnung über ausländische Subventionen verzerren könnten”, hieß es in der Erklärung.

Chinas Handelskammer sieht politische Motivation

Die chinesische Handelskammer kritisierte das Vorgehen: “Die europäische Seite bekundete die klare Absicht, das Instrument zur Regulierung ausländischer Subventionen als Waffe einzusetzen, um rechtmäßig tätige chinesische Unternehmen in Europa zu unterdrücken.” Die Razzien seien ohne vorherige Ankündigung und “ohne stichhaltige Beweise” durchgeführt worden.

Die 2023 in Kraft getretene FSR gibt der EU-Kommission weitreichende neue Befugnisse, um gegen Verzerrungen im Binnenmarkt vorzugehen. Die EU hat die Verordnung über ausländische Subventionen bereits genutzt, um staatliche Beihilfen bei einer Ausschreibung für ein Eisenbahnprojekt in Bulgarien, die Beteiligung chinesischer Panel-Hersteller in einem Solarpark-Projekt in Rumänien und chinesische Lieferanten von Windturbinen beim Ausbau von Windparks in Spanien, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Bulgarien unter die Lupe zu nehmen. cyb/ari

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DSA: Tiktok reicht Unterlagen nach

Der Betreiber der umstrittenen Kurzvideoplattform Tiktok hat seine Einschätzung zu Risiken bei Tiktok-Lite am Dienstag nachgereicht. Die EU-Kommission hatte hier eine Frist gesetzt, die noch fehlende Dokumentation der Risikoabschätzung zu den möglicherweise süchtig machenden Features der Tiktok-Lite-App nachzureichen. Damit umgeht Bytedance, das Unternehmen hinter Tiktok, vorerst Strafzahlungen.

Am Mittwoch muss Bytedance allerdings weitere Unterlagen abliefern, um eine Anordnung zu vermeiden, die sogar die Abschaltung dieser Features erzwingen könnte.

Die EU stößt sich am Bonusprogramm von Tiktok Lite. Nutzer erhalten dort Punkte für jedes angesehene Video. Kritiker befürchten, dass damit ein erhöhtes Suchtpotenzial einhergeht. TikTok Lite wurde vor Kurzem in Frankreich und Spanien auf den Markt gebracht. fst/rtr

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112 Millionen für KI- und Quantenforschung

Die Kommission investiert 112 Millionen Euro in künstliche Intelligenz und Quantenforschung und -innovation. Eine entsprechende Ausschreibung ist am Dienstag für Projektanträge geöffnet worden.

Die 112 Millionen teilen sich auf verschiedene Bereiche auf:

  • 50 Millionen Euro für große KI-Modelle, um die Integration neuer Datenmodalitäten und den Ausbau ihrer Fähigkeiten zu fördern. 15 Millionen Euro, um Verständlichkeit und Zuverlässigkeit von KI-Systemen zu verbessern.
  • 40 Millionen Euro kommen der Forschung im Bereich Quantentechnologien zugute.
  • 6 Millionen Euro zielen darauf ab, das Engagement Europas in der globalen IKT-Normung zu stärken.
  • 1,5 Millionen Euro fließen in die Erforschung des Menschen im digitalen Wandels.

Das Ganze ist Teil des Arbeitsprogramm 2023-2025 “Horizont Europa – Digitales, Industrie und Weltraum”.

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Standpunkt

AI Act: Wir brauchen ein intelligentes Marktdesign zur Prüfung risikoreicher KI

Von Dominik Rehse, Sebastian Valet und Johannes Walter
Dominik Rehse, Sebastian Valet und Johannes Walter forschen am ZEW Mannheim zur wirkungsvollen Ausgestaltung von Prüfungen generativer KI.

Wer nach der Veröffentlichung von OpenAIs ChatGPT Ende November 2022 in den sozialen Medien unterwegs war, traf dort nicht nur Erstaunen über die beeindruckenden Fähigkeiten der Technologie an, sondern auch Häme, wie schnell sie sich aufs Glatteis führen ließ. So konnten beispielsweise relativ leicht diskriminierende oder gar extremistische Texte sowie Anleitungen zum Waffenbau generiert werden.

Die Macher von ChatGPT lasen jedoch augenscheinlich mit und machten es zunehmend schwerer, den Dienst für solche Zwecke zu nutzen. Die Spötter wurden so letztlich auch zu kostenlosen Dienstleistern für OpenAI. Sie vollzogen sogenanntes “Red Teaming” oder “Adversarial Testing”.

Die im März final beschlossene KI-Verordnung der EU schreibt solche Tests nun für generative KI-Modelle mit systemischen Risiken verbindlich vor. Darunter dürften derzeit die leistungsfähigsten kommerziellen Modelle von Anthropic, Google und OpenAI fallen. Red Teaming für solche Modelle vorzuschreiben, ist überaus sinnvoll. Jedoch sind detaillierte regulatorische Maßgaben nötig, damit Red Teaming wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Dabei geht es nicht nur um die Definition technischer Anforderungen, sondern auch um die zielgerichtete Ausgestaltung von Institutionen und Regeln für alle Beteiligten, d.h. ein intelligentes Marktdesign.

Red Teaming sollten nur unabhängige Stelle durchführen

Die Sinnhaftigkeit von Red Teaming für Modelle generativer KI ergibt sich aus ihren technischen Eigenschaften. Die Modelle besitzen – zumindest derzeit – den Charakter einer “Black Box”, die sich nicht abschließend oder gar mechanistisch erklären lässt. Das Verhalten der Modelle, also den Output eines Modells auf einen Input, kann man jedoch relativ einfach studieren, wie die User in den sozialen Medien beim Start von ChatGPT bewiesen.

Allerdings gibt es viele Möglichkeiten, wie Red Teaming durchgeführt werden kann. Es ist vorstellbar, dass Anbieter der regulierten Modelle diese Freiheitsgrade zu ihrem Vorteil und zum gesellschaftlichen Nachteil nutzen. Um dem vorzubeugen, verweist die KI-Verordnung auf noch zu entwickelnde “Codes of Practice” und harmonisierte Standards. Diese sollten aus unserer Sicht vier wesentliche Anforderungen erfüllen.

Erstens sollte festgelegt werden, dass Red Teaming von einer unabhängigen Stelle durchgeführt wird. Bisher findet Red Teaming typischerweise lediglich innerhalb der Unternehmen statt. Doch nur durch externes und unabhängiges Red Teaming lassen sich wirklich vertrauenswürdige und transparente Ergebnisse sicherstellen.

Zieldefinition und Rollenverteilung für verlässliche Modellprüfungen

Zweitens sollten die “Codes of Practice” und harmonisierten Standards ein konkretes Prüfziel enthalten. Dadurch kann definiert werden, ob und wann ein Modell ausreichend getestet wurde, und ein effektives Red Teaming sichergestellt werden. Unserer Ansicht nach sollte dieses Ziel sein, die Schwierigkeit zu bestimmen, mit der sich unerwünschtes Modellverhalten in einem bestimmten Nutzungskontext erzeugen lässt. Die Schwierigkeit wiederum ließe sich zum Beispiel anhand des monetären Aufwands oder der benötigten Expertise der Mitglieder des Red Teams feststellen.

Drittens sollten im Red Teaming-Prozess verschiedene Rollen definiert werden, damit Anreize gezielt gesetzt werden können. Mitglieder eines Red Teams sollten eine Belohnung für gefundenes Fehlverhalten erhalten. Diese sollte umso höher ausfallen, je schwerwiegender und neuartiger das gefundene Fehlverhalten ist.

Damit das Red Team seinen Erfolg nicht selbst beurteilen und sich entsprechend entlohnen kann, sollte die Validierung potenziellen Fehlverhaltens von einer separaten Rolle wahrgenommen werden: Validierer bewerten, ob ein eingereichtes potenzielles Fehlverhalten tatsächlich als ein solches einzustufen ist. Die Rekrutierung der Mitglieder des Red Teams und der Validierer sowie deren Bezahlung sollte ein von den Modellentwicklern unabhängiger Organisator übernehmen. Dieser stellt auch die Infrastruktur für das Red Team zur Interaktion mit den KI-Modellen bereit.

Entwickler sollten die Kosten für unabhängiges Red Teaming tragen

Viertens sollten die Kosten für die Organisation eines Red Teamings von den Entwicklern des KI-Modells übernommen werden. Dadurch wird zum einen erreicht, dass die Entwickler einen Anreiz haben, ihr KI-Modell schon vor der externen Überprüfung so gut wie möglich intern zu testen. Je mehr Fehlverhalten vorab verhindert werden kann, desto weniger Belohnungen müssen an das Red Team im externen Test ausgezahlt werden.

Zum anderen stellt eine Kostenübernahme durch die Entwickler sicher, dass ein Teil der Kosten, die der Gesellschaft durch negative Auswirkungen von KI-Modellen entstehenden, vom Entwickler getragen werden. Der Erfolg der KI-Verordnung wird nicht nur von technischen, sondern maßgeblich auch von solchen ökonomischen Erwägungen abhängen. Details dazu haben wir heute in einem ZEW Policy Brief veröffentlicht, das auf der ZEW-Website zum Download bereitsteht.

Dominik Rehse, Sebastian Valet und Johannes Walter formen die Nachwuchsforschungsgruppe “Design digitaler Märkte” am ZEW – Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Im Rahmen eines mehrjährigen und durch die Baden-Württemberg Stiftung geförderten Projekts forschen sie zur wirkungsvollen Ausgestaltung von Prüfungen generativer KI.

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  • Künstliche Intelligenz-Verordnung

Dessert

European Parliament Building in Strasbourg. France
Die Masten mit den Flaggen aller Mitgliedstaaten wurden nach der Beitrittsrunde 2004 vor dem Hauptsitz des Parlaments in Straßburg errichtet.

Es war die bislang größte Erweiterungsrunde der EU: Am 1. Mai 2004 traten zehn Staaten bei, Zypern, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien. Das Europaparlament feiert am Mittwoch, dem vorletzten Sitzungstag vor den Europawahlen im Juni, dieses Ereignis mit Gästen, die damals eine Rolle gespielt haben: Pat Cox, damals Präsident des Europaparlaments, Romano Prodi, seinerzeit Kommissionspräsident, und sein Erweiterungskommissar Günter Verheugen sind geladen. Es kommen aus jedem Beitrittsland je ein damals ranghoher Politiker, Staats- oder Regierungschef, Außenminister oder Chefverhandler. Außerdem sind aus jedem EU-Land Bürger dabei, die am Beitrittstag oder wenig später geboren wurden. Die kleine Feierstunde endet mit der Hymne “Ode an die Freude” von Beethoven, vorgetragen vom A-Capella-Chor “Voix de Stras”. mgr  

  • EU-Erweiterung

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in Frankreich beginnt das verbale Ringen um Europa. Der Europaabgeordnete und Kandidat der französischen Sozialdemokraten für die Europawahlen Raphaël Glucksmann (S&D) wird heute Abend bei einer Kundgebung in der Stadt Straßburg seine Vision von Europa vorstellen – seine “Agenda Europa 2030”. Unterstützung bekommt er dabei von Katarina Barley und S&D-Spitzenkandidat Nicolas Schmit.

    Laut dem Umfeld Glucksmanns besteht seine Agenda aus drei Säulen: Ökologie, Verteidigung und Sozialpolitik. Es geht darum zu zeigen, dass nicht nur die Grünen über Umwelt und Klima sprechen können, und dass nicht nur Emmanuel Macron eine Vision für Europa hat.

    Der Staatspräsident selbst wird sieben Jahre nach seiner Sorbonne-Rede am Donnerstag an die französische Eliteuniversität zurückkehren, um Bilanz der letzten sieben Jahre zu ziehen und seine Vision für die Europäische Union in den kommenden fünf Jahren zu präsentieren.

    Es wird in seiner zweiten Sorbonne-Rede wieder einmal um Souveränität gehen, heißt es aus dem Élysée-Palast. Für Macron geht es darum, Europas Souveränität weiterzuführen, für “ein mächtiges Europa”. Bundeskanzler Olaf Scholz soll über den Inhalt der Rede informiert worden sein.

    Die Rede von Glucksmann war von langer Hand geplant, während die von Macron eher unerwartet kommt: Auch wenn der Élysée es abstreitet, Macrons Rede ist der Auftakt in den Europawahlkampf und soll die Kampagne seiner Kandidatin Valérie Hayer ankurbeln, die immer noch nicht in Schwung gekommen ist. Schlimmer noch, sie droht, Stimmen an den Ökosozialisten Glucksmann zu verlieren.

    Die beiden Reden werden wohl nicht nur zwei verschiedene Visionen von Europa präsentieren, sie stehen auch beispielhaft für den Kampf der beiden politischen Formationen um die europhilen Mitte-Links-Wähler Frankreichs.

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    Analyse

    Draghi statt von der Leyen? Deshalb verhält sich Meloni noch ambivalent

    Italienkennern fällt es auf: Die Bilder sind seltener geworden, die die Chefin der rechtskonservativen Fratelli d’Italia Seit’ an Seit’ mit der aktuellen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigen. Gerade erst war Meloni wieder einmal in Sachen Migration in Tunesien unterwegs – dieses Mal aber ohne die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP). Dabei basierte der Schulterschluss der beiden vor allem auf ihren gemeinsamen Vorstellungen in Sachen Migrationspolitik.

    Nachdem in den vergangenen Monaten das Frauenduo Meloni/von der Leyen sehr eng erschien, sind die italienischen Medien nun voll von ganz anderen Spekulationen: Ja, Melonis Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) könnte der Ursula-Koalition beitreten, wie der Zusammenschluss der Unterstützer von der Leyens in Italien heißt. Aber ob es dafür besagte Ursula von der Leyen an der Spitze der Kommission braucht, sei dahingestellt.

    Neue Anzeichen für Plan rund um Mario Draghi

    Dabei wird Meloni seit Monaten sowohl von Manfred Weber umgarnt, dem Fraktionsvorsitzenden der EVP, als auch von von der Leyen selbst. Die Umfragen gehen davon aus, dass Melonis Fratelli d’Italia nach der Wahl innerhalb der EKR-Fraktion die PiS aus Polen als stärkste Kraft ablösen werden. Die EKR in die Koalition der Unterstützer der Kommissionspräsidentin zu holen, ist nicht nur zahlenmäßig wichtig. Man will sie auch von den ganz Rechten wie der Lega von Matteo Salvini oder der AfD aus Deutschland fernhalten, die ihre ID-Fraktion mit der EKR zu einer rechtsnationalen Kraft vereinen wollen.

    Die italienische Tageszeitung “La Repubblica” spricht aber bereits von einem konkreten Plan B. Der soll darin bestehen, dass Meloni nach der Wahl, wenn sich die Regierungschefs im Europäischen Rat auf einen gemeinsamen Vorschlag für das Amt des Kommissionspräsidenten einigen müssen, den Namen Mario Draghi in den Ring werfen könnte. Und das möglichst, bevor es andere tun. Ökonom Draghi arbeitete über Jahre als Zentralbanker, unter anderem als Präsident der EZB. 2021 und 2022 war er Ministerpräsident Italiens. 

    Die Spekulationen scheinen nicht unrealistisch. Meloni werde verhindern wollen, heißt es, dass ihr das wieder erblühte Weimarer Dreieck Berlin-Paris-Warschau mit einem Alternativ-Kandidaten zu von der Leyen zuvorkommen könnte. Die Befürchtung: Dann wäre Meloni in eine hintere Reihe der Brüsseler Rangspiele verbannt. Und hätte sich im Auge der Öffentlichkeit dem beugen müssen, was andere vorgeben. Selbst wenn es auch dann Draghi wäre.

    Meloni hat sich zu den Draghi-Spekulationen bislang nicht geäußert. Ihr koalitionsinterner Widersacher, Lega-Chef Salvini, fordert seit Tagen von Meloni, sich vor der Wahl klar zu positionieren, ob sie danach für von der Leyen stimmen werde oder nicht.

    Die negativen Nachrichten über von der Leyen aus den vergangenen Tagen haben in Italien viel Aufmerksamkeit erhalten. Die Deutsche wird in Italien vor allem bei den Wählern auf der rechten Seite skeptisch gesehen, aber nicht nur dort. “Wir werden sehen”, sagte selbst Forza-Italia-Chef Antonio Tajani vor wenigen Tagen dazu, ob seine EVP-Genossin ihre zweite Amtszeit bekomme. “Im Moment” sei sie die Kandidatin der EVP. Draghi hingegen ist in Italien hoch angesehen – parteiübergreifend, in der Wirtschaft und auch bei den Bürgern.

    Draghi-Bericht als Blaupause für eigene Amtszeit?

    Vieles spricht also für die These, Meloni könnte nach der Wahl auf Mario Draghi setzen. Aber manches eben auch nicht. Mit einem solchen Vorgehen würde Meloni ihre eigenen Parteifreunde brüskieren. Der eine oder andere rechnet schon damit, dass die Vorsitzende der Fratelli einen Kommissarsposten für ihre Partei herausschlagen könnte. Auch deshalb dürfte sich Meloni mit einem “si” oder “no” zu von der Leyen bis nach der Wahl zurückhalten. Schließlich gilt es, möglichst viel für Italien aus einer Stimme für die Christdemokratin herauszuholen.

    Dass außerdem Mario Draghi selbst bisher nicht einmal andeutet, für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten überhaupt zur Verfügung zu stehen, ist in der italienischen Diskussion schlicht unwichtig. Ganz bedeckt hält sich der 76-Jährige auch nicht. Bei einem Vortrag in La Hulpe bei Brüssel hat er vor wenigen Tagen einen Einblick in den Bericht gegeben, den er im Auftrag von der Leyens schreibt, und der nach den Wahlen vorgestellt werden soll. In Italien wurde die Rede Draghis prompt als die Blaupause für die europäische Legislatur 2024-2029 betrachtet. Almut Siefert

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    Rasante KI-Entwicklungen machen neue Art der Regulierung notwendig – was die Politiker fordern

    Im ersten Teil der von der EU ausgerufenen digitalen Dekade – haben Kommission, Rat und Parlament eine Fülle wichtiger Digitalgesetze beschlossen. “Mit dem Digital Servies Act, dem Digital Markets Act und dem AI Act haben wir die Grundpfeiler gelegt, die die Digitalpolitik der nächsten Dekade bestimmen werden“, meint etwa die FDP-Abgeordnete Svenja Hahn. Sie hat unter anderem den AI Act mitverhandelt.

    Auch René Repasi (SPD), findet, “wir haben ordentlich etwas vorgelegt.” Die Frage ist, was die Aufgabe der neuen Kommission in der zweiten Hälfte der Dekade nun sein sollte. Beide Abgeordnete sagen: “Jetzt ist es Zeit für die Implementierung. Wir müssen beobachten, wie die Gesetze in der Praxis funktionieren.” Doch darüber hinaus gibt es noch mehr zu tun.

    Experte: Regulierung muss vernetzt, dezentral und kooperativ werden

    Die rasanten Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz machen auch eine neue Art der Regulierung notwendig. Anselm Küsters, Leiter der Abteilung Digitalisierung und Neue Technologien am Centrum für Europäische Politik (cep) schreibt in einem neuen Papier: “Das Mandat der nächsten Kommission sollte sich nicht nur mit der Frage befassen, wie KI in Europa reguliert oder subventioniert werden kann, sondern auch damit, die europäischen Institutionen auf ein Umfeld vorzubereiten, in dem das Tempo des Wandels und der Unsicherheit weiter zunehmen wird“. Um global wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse die EU-Governance die Eigenschaften der digitalen Technologie selbst widerspiegeln, also effizient, vernetzt, kooperativ, transparent, dezentral und iterativ werden.

    Dazu sollte sich die EU von ihrer Skepsis gegenüber KI lösen und ihr Potenzial nutzen, indem sie KI in öffentliche Dienste integriere. Das würde auch die Effizienz und die Entscheidungsfindung verbessern, meint Küsters. Er schlägt auch ein neues Governance-Modell vor. Ein vernetztes Modell mit digitalen Plattformen und Bürgerbeteiligung erleichtere die Zusammenarbeit über Abteilungen und nationale Grenzen hinweg. So werde Gesetzgebung relevanter und demokratischer. Schließlich müsse die EU von einer detaillierten, statischen Regulierung zu einem iterativen, technologiegesteuerten Umsetzungsprozess übergehen, fordert Küsters in der Studie, die Teil einer neuen Serie von Ausblicken des cep ist.

    Repasi wünscht sich dynamische Digitalgesetzgebung

    “Die Digitalgesetzgebung muss lebendig werden” – so formuliert es René Repasi. “Sie kann nicht starr sein, wie wir es vielleicht bei der Datenschutzgrundverordnung hatten.” Vielmehr werde vom Gesetzgeber ein anderer Umgang mit der Dynamisierung verlangt. “Wir haben einen neuen Typus von Gesetzgebung bekommen”, sagt er. “Wir können nicht jedes Mal den großen Tanker Gesetzgebung aktivieren, wenn wir sehen, dass die digitale Realität uns überholt hat.” Das sei weder effizient und noch gut für den Digitalstandort Europa. “Deswegen haben wir einen Rahmen gesetzt, bei dem wir viel der Kommission überantworten – Leitlinien, delegierte Rechtsakte, Durchführungsrechtsakte und dergleichen.” Es sei nun Aufgabe der Kommission, “die Sachen dynamisch zu halten“.

    Das bedeute aber auch, dass das Parlament neue Dialogformate mit der Kommission finden müsse, damit die Machtfülle der Kommission nicht so weit anwachse, dass es aus demokratischer Sicht problematisch würde. “Wir haben zu den einzelnen Rechtsakten DMA und DSA ausschussübergreifende Arbeitsgruppen eingesetzt, in denen die Kommission regelmäßig berichtet”, erläutert Repasi. “Wenn wir das Rahmenabkommen zwischen Parlament und Kommission im nächsten Mandat neu verhandeln, müssen wir darauf achten, inwieweit wir Einfluss nehmen können auf die Entwürfe der Kommission für delegierte Rechtsakte.” Das Parlament sollte Kenntnis erlangen, darüber diskutieren und Einfluss nehmen können.

    Repasi erwartet auch neue Regulierung, etwa den Digital Networks Act, bei dem es um die notwendige Konnektivitätsinfrastruktur für die Digitalwirtschaft geht. “Das ist ein Punkt, der noch offensteht und glaube ich relativ zentral ist”, meint Repasi. Außerdem sieht er die Kommission in der Pflicht, den Digital Fairness Check abzuschließen, der sich den Bereich des Verbraucherschutzes im Digitalen anschaut.

    Hahn fordert ein Update für die DSGVO

    Svenja Hahn geht es darum, die Regelungen noch anzupassen, die nicht praxistauglich sind. Sie verweist etwa auf die Klagen von Unternehmen gegen die Einstufung als Very Large Online Platform (VLOP) im DSA. “Das zeigt leider, dass die Gesetze oftmals nicht klar genug formuliert sind”, sagt sie. “Es ist nicht gut, wenn Gesetze so formuliert sind, dass Gerichte sie ausbuchstabieren müssen. Das muss aus meiner Sicht besser werden in der nächsten Legislatur.”

    Und sie sagt: “Wir werden natürlich über Geld sprechen. Ich denke da insbesondere an das Thema Supercomputer.” Es gebe bereits verschiedene Projekte innerhalb der Europäischen Union. Hier sei jedoch eine stärkere Priorisierung notwendig.

    Das Gleiche gelte für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen. Hier müsse “ein Fokus auf Forschung und Zukunftsinvestitionen aus dem EU-Haushalt liegen. Gleichzeitig müssen wir aber auch massiv privates Kapital mobilisieren.” Das sei ein Punkt, der bei der Debatte über den Inflation Reduction Act oftmals übergangen werde, dass ein großer Teil davon Steueranreize sind. “Eines der wichtigsten Themen ist, wie schaffen wir auch in Europa ein Klima, in dem private Investitionen attraktiv sind?”, findet Hahn. Sie fordert Rahmenbedingungen, die es einfacher machen, Kapital einzusammeln und grenzübergreifend aktiv zu sein.

    In einigen Bereichen drängt sie darauf, bestehende Gesetze zu modernisieren. Dabei denkt sie an das Urheberrecht und die Datenschutzgrundverordnung – beides Themen, die insbesondere durch die technologische Entwicklung im KI-Bereich getrieben seien. “Wir brauchen einen anderen Umgang mit Daten”, sagt die Europaparlamentarierin. “Das Grundprinzip der DSGVO ist Datensparsamkeit. Für KI braucht man aber möglichst viele Daten. Um Datenschutz zu gewährleisten, müssen wir sehr viel stärker über anonymisierte und pseudonymisierte Daten reden, wenn wir qualitativ hochwertige KI in Europa trainieren wollen.” Hier brauche die DSGVO ein Update.

    Zudem fordert Hahn eine neu angelegte Debatte, wie das Urheberrecht bei KI-Anwendungen zu regeln ist. “Die Frage ist, wie wir zu einem fairen Ausgleich kommen. Das gilt übrigens auch für die Frage der Haftung bei KI.”

    Voss hat den digitalen Binnenmarkt im Blick

    Zur Frage der KI-Haftung hatte die Kommission bereits vor zweieinhalb Jahren einen Gesetzentwurf vorgelegt, den hat das Parlament noch gar nicht verhandelt, weil es erst den AI Act fertigstellen wollte. Designierter Berichterstatter ist Axel Voss (CDU). Er will aber jetzt erst das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes abwarten, “um nicht über das Ziel hinauszuschießen”.

    Die Frage sei, ob für KI tatsächlich noch ein eigenes Haftungsrecht nötig ist, beziehungsweise ob im neuen Produkthaftungsrecht Regelungslücken bestehen. Dies könne eventuell bei generativer KI der Fall sein, die im Produkthaftungsgesetz nicht auftauche. In jedem Fall hält Voss es für wichtig, dass es hier europaweit einheitliche Regeln gibt. Derlei Versuche stoßen im Rat jedoch regelmäßig auf wenig Gegenliebe. Doch “der fragmentierte Binnenmarkt ist absolut kontraproduktiv”, meint Voss.

    Voss hat bereits einen Zehn-Punkte-Fahrplan für die Kommission aufgestellt, was sie in den kommenden Jahren in Angriff nehmen müsse. Dazu gehört unter anderem auch, “dass der Gesetzgeber selbst in digitalen Dingen flexibler wird“, sagt Voss. Auf Fehlentwicklungen müsse der Gesetzgeber schneller reagieren, meint er und verweist auf die DSGVO, wo acht Jahre lang nichts passiert sei. Zudem fordert er, die Nachhaltigkeitsberichterstattung viel mehr mit digitalen Elementen zu verbinden, um die Unternehmen zu entlasten. “Warum streben wir bei dem Green Deal nicht gleich die digitalen Lösungen mit an?”, fragt Voss.

    Geese sieht noch Lücken beim Kinder- und Jugendschutz

    Alexandra Geese, Digitalexpertin der Grünen, setzt die Akzente etwas anders. Sie meint, mit DSA, AI ACT und Data Act habe die EU “weltweit bahnbrechende Arbeit geleistet für klare Regeln im Digitalsektor”. Diese müssten jetzt effektiv durchgesetzt werden. “Lücken, die wir noch stopfen sollten, sehe ich im Kinder- und Jugendschutz“, sagt Geese. “Sowie bei der suchterzeugenden Gestaltung von digitalen Diensten, die Tausende Psychologen beschäftigen, um uns so lange wie möglich vor dem Bildschirm zu halten und unser Gehirn auszutricksen.”

    Ein weiterer extrem wichtiger Bereich sei außerdem das Wettbewerbsrecht für Online-Werbung. “Das Google- und Meta-Duopol kontrolliert einen Großteil des Online-Werbemarktes und entzieht unserer Presse die Finanzierungsgrundlage.” Hier sieht Geese noch eine Gestaltungsaufgabe für die Kommission.

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    News

    Spionageverdacht bei AfD: Parteispitze soll vor Jahren gewarnt worden sein

    Die AfD-Parteispitze könnte schon seit Jahren von möglichen Verstrickungen des Maximilian Krah-Mitarbeiters Jian G. mit China gewusst haben. Schon zu Beginn von Krahs Mandat soll es von der Europa-Delegation einen Brief an Tino Chrupalla und Alice Weidel mit Hinweisen zu dessen Mitarbeiter Jian G. gegeben haben. Da Krah aber 2022 als Oberbürgermeister für Dresden kandidierte, habe die Parteiführung die Hinweise ignoriert.

    Sie wollten damals nichts davon wissen, jetzt ist es ihr Problem“, sagte ein MdEP zu Table.Briefings. Die Führung wusste also vor dem Europa-Listenparteitag von den Risiken, die mit Krahs Spitzenkandidatur einhergingen. Aus AfD-Kreisen ist bekannt, dass die Bundesspitze nicht begeistert von Krah war, es aber an prominenten Alternativen fehlte.

    Krah, Spitzenkandidat zur Europawahl der Partei, und der Zweite auf der AfD-Liste, Petr Bystron, müssen kaum um ihre Kandidaturen fürchten – die Listen zur Europawahl sind bereits erstellt. Inzwischen nehmen jedoch innerparteilich die Sorgen zu, dass das Spitzenduo den AfD-Wahlaussichten ernsthaft schaden könnte. Selbst im Falle eines Rauswurfs nach der Wahl säßen sie aber wegen ihrer guten Listenplätze weiter sicher in Brüssel.

    Mitarbeiter soll Oppositionelle ausspioniert haben

    Krah twitterte am Dienstag, er selbst habe erst vormittags von der nächtlichen Festnahme erfahren. “Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen.”

    Am Dienstag war Krahs Mitarbeiter Jian G. wegen mutmaßlicher Spionage für China an seinem Dresdener Wohnort festgenommen worden. Der 43-Jährige soll für China die dortige Oppositionsbewegung ausspioniert haben. Zudem soll er Informationen aus dem Europäischen Parlament weitergegeben haben.

    Table.Briefings berichtete bereits im Oktober 2023 über G. und dessen enge Verbindungen zu Organisationen der chinesischen Einheitsfront. G. hatte in den vergangenen Jahren mutmaßlich immer wieder dafür gesorgt, dass der AfD-Politiker in China hofiert wurde und sich ihm prominente Plattformen als Redner boten. Wie der ausgebildete Agent dem chinesischen Staat konkret zur Hand ging, lesen Sie hier. fk

    • Europäisches Parlament

    Wahlkampf: Datenschutzaufsicht warnt vor Micro-Targeting

    Die für die Parteien durch deren Sitz zuständige Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Meike Kamp hat die Parteien aufgefordert, im Wahlkampf zum Europäischen Parlament sogenanntes Micro-Targeting zu unterlasssen. “Ich appelliere an Sie, bei der Wahlwerbung auf die Nutzung von Microtargeting-Verfahren zu verzichten, und Ihre Werbekampagnen daran auszurichten, den öffentlichen Diskurs über ihre Inhalte zu stärken“, heißt es in einem Brief, der an alle Parteien ging.

    Die Parteien, denen nach Grundgesetz die Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung zukommt, müssten es vermeiden, dass “so individuell und manipulativ geworben” werde, “dass die freie und politische Meinungsbildung stark eingeschränkt und der Abgleich mit Botschaften, die andere Personen erhalten, nicht mehr möglich ist.” Hier sieht Kamp Micro-Targeting-Ansätze als Teil des größeren demokratischen Problems.

    Gezielte Werbung nach DSGVO nur eingeschränkt möglich

    Das für eine Landesdatenschutzbeauftragte ungewöhnliche Argument kann als Teil der gesetzlichen Beratungsfunktion der Datenschutzaufsichtsbehörden verstanden werden – oder auch als Vorstufe für ein mögliches Einschreiten.

    Zwar fokussiert Kamp sich in ihrem Schreiben weitgehend auf die Probleme von Wahlwerbung im öffentlichen Diskurs. Sie weist die Parteien aber auch noch einmal nachdrücklich auf die gesetzlichen Voraussetzungen für Micro-Targeting hin: “Wie Sie wissen, ist insbesondere die Verwendung von besonderen Arten personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO, also u. a. Informationen über die politische Haltung von Personen, nur mit ausdrücklicher und wirksamer Einwilligung der betroffenen Personen zulässig.” Das zu überprüfen und gegebenenfalls zu ahnden, wäre Aufgabe der Berliner Landesdatenschutzbeauftragten. fst

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    Parlament stimmt neuen EU-Schuldenregeln zu

    In einer Serie von drei Abstimmungen hat das Europäische Parlament am Dienstag den neuen EU-Fiskalregeln zugestimmt. Eine große Mehrheit von EVP, Sozialdemokraten und Liberalen votierten für die Regeln. Die Grünen lehnten sie mit der Begründung ab, dass die Regeln dringend notwendige Investitionen in die grüne Transformation verhindern würden.

    Die EU-Kommission hatte die Reform der Regeln im April 2023 vorgeschlagen. Während sie die Zielwerte der EU-Verträge beibehielt, wollte sie die Regeln flexibilisieren und mit mehrjährigen, individuellen Finanzplänen Anreize für Investitionen und Reformen schaffen. Nach intensiven Verhandlungen auf der Ebene der Finanzminister wurde ein Teil der Flexibilisierung durch numerische Mindestangaben wieder eingeschränkt.

    Nun muss der EU-Rat die Reform noch offiziell gutheißen, was als gesichert gilt. Zwanzig Tage später treten die Regeln offiziell in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben dann bis am 20. September Zeit, um ihre mittelfristigen Finanzpläne auf Basis der neuen Regeln bei der Kommission einzureichen. jaa

    • EU-Schuldenregeln
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    EU-Handelserleichterungen für die Ukraine nehmen letzte politische Hürde

    Nach einigem Hin und Her hat das EU-Parlament am Dienstag mit deutlicher Mehrheit für die Verlängerung des Freihandels mit der Ukraine zugestimmt. Zuvor hatte eine Gruppe von Mitgliedstaaten, angeführt von Polen und Frankreich, erreicht, dass noch einmal nachverhandelt wurde, um Schutzmaßnahmen für Agrarprodukte zu stärken. Letzteres hatte auch das Parlament in seiner Verhandlungsposition gefordert.

    Die Abgeordneten nutzten damit die letzte Chance, die Handelserleichterungen um ein Jahr zu verlängern, bevor die aktuellen Maßnahmen am 5. Juni auslaufen. Gleichzeitig hat die Europäische Kommission versprochen, mit der Ukraine Verhandlungen für einen längerfristigen Handelsrahmen zu starten, um zu vermeiden, dass auch künftig jedes Jahr neu entschieden werden muss. Der EU-Rat muss noch abschließend zustimmen, das gilt aber als Formalität. jd

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    Ökodesign und Recht auf Reparatur: Parlament nimmt Trilogeinigungen an

    Das EU-Parlament hat am Dienstag die Trilogergebnisse der Recht auf Reparatur-Richtlinie sowie der Ökodesign-Verordnung angenommen. Sobald auch der Rat den Ergebnissen formal zugestimmt hat, können beide Gesetze in Kraft treten.

    Mit der Ökodesign-Verordnung wird die bisherige Ökodesign-Richtlinie überarbeitet, die nur für einige Haushaltsgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen gilt. Die Verordnung erweitert den Anwendungsbereich auf fast alle Produkte. Zudem verbietet sie das Vernichten unverkaufter Kleidung, Schuhe und Accessoires. Der AStV hatte dem Trilogergebnis bereits im Dezember zugestimmt.

    Die Recht auf Reparatur-Richtlinie soll Abfall reduzieren, die Reparaturbranche sowie Verbraucherrechte stärken. Hersteller müssen Produkte beispielsweise nach der gesetzlichen Gewährleistungszeit zu angemessenen Preisen und innerhalb angemessener Zeiträume reparieren. Verbraucher müssen Zugang zu Informationen, Ersatzteilen und Werkzeugen erhalten. Zudem müssen die EU-Mitgliedstaaten für finanzielle Anreize in Form von Gutscheinen oder Fördergeldern sorgen. Auch der Rat muss dem Ergebnis noch zustimmen. Dies ist für die Sitzung des AStV am 15. Mai und für den Rat für Wettbewerbsfähigkeit am 23. Mai geplant.

    Anti-Zwangsarbeits-Verordnung angenommen

    Auch das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit wurde am Dienstag vom EU-Parlament angenommen. Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, sollen zukünftig nicht mehr auf dem EU-Binnenmarkt bereitgestellt, verkauft und von dort exportiert werden. EU-Parlament und Rat hatten sich Anfang März auf die neue Verordnung geeinigt. Der Rat hat das Ergebnis Mitte März angenommen.

    Zudem haben die Abgeordneten ihr Verhandlungsmandat für ein Gesetz zur Vermeidung des Verlusts von Plastikpellets verabschiedet. Die EU-Kommission hatte im Oktober einen Entwurf vorgestellt. Demnach sollen für alle Akteure, die mit Kunststoffpellets umgehen, Verpflichtungen gelten. Im Detail geht es darum, Verluste zu vermeiden, Pläne zur Risikobewertung zu erstellen und im Falle eines Verlusts, Schäden zu beseitigen. Der Umweltausschuss hatte den Bericht im März angenommen. Darin schärft er den Entwurf an einigen Stellen nach, wie der Schulung von Personal, der Nachverfolgung der Kunststoffpellets sowie den verfügbaren Informationen über Umweltrisiken. leo

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    Verordnung gegen Zahlungsverzug: EU-Parlament definiert Position, Rat bremst

    Mit großer Mehrheit von 459 gegen 96 Stimmen hat sich das Europäische Parlament am Dienstag auf eine gemeinsame Position zur Verordnung gegen Zahlungsverzug geeinigt. Da knapp die Hälfte aller B2B-Zahlungen in der EU verspätet bezahlt werden, hatte die Kommission im vergangenen September eine neue Regulierung vorgeschlagen.

    Die Regulierung soll eine bisher bestehende Richtlinie zum Zahlungsverzug ersetzen. Speziell KMUs leiden laut Kommission unter zu spät bezahlten Rechnungen, weil Großunternehmen ihre Macht teilweise dazu ausnutzten, um längere Zahlungsfristen zu erzwingen. Die Kommission hatte deshalb vorgeschlagen, dass ein Zahlungsverzug von mehr als dreißig Tagen im geschäftlichen Verkehr mit einer Mahngebühr von fünfzig Euro belegt werden kann.

    Parlament will längere Fristen nach Absprache

    Das Parlament weicht vom Kommissionsvorschlag ab, indem es für einige Branchen Ausnahmen einführt, zum Beispiel im Einzelhandel. Zudem sollen Geschäftspartner in allen Branchen sich vertraglich auf eine 60-tägige statt 30-tägige Bezahlungsfrist einigen dürfen. Im Gegenzug können die Mahngebühren je nach Rechnungshöhe in der Parlamentsversion auf bis zu 150 Euro ansteigen.

    Während das Parlament hiermit seine Position definiert hat, ist der EU-Rat von einer Einigung noch weit entfernt. Unter den Mitgliedstaaten besteht wenig Interesse an der neuen Verordnung. Ob und wann es zu Trilogverhandlungen kommen wird, ist deshalb noch unklar. jaa

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    Große Mehrheit für Gigabit Infrastructure Act

    Das Europäische Parlament hat den Gigabit Infrastructure Act mit 594 Stimmen angenommen – bei sieben Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen. Das Gesetz soll den Ausbau gigabitfähiger Netzwerke in Europa beschleunigen. Dafür sollen die Kosten für die Bereitstellung hochleistungsfähiger Netze sinken, zudem will die EU Investitionen in die digitale Infrastruktur fördern.

    Eines der wichtigsten Ziele ist es dabei, die Verfahren zur Genehmigung von Infrastrukturprojekten zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie bürokratische Hindernisse für Betreiber und nationale Verwaltungen verringern. In den Verhandlungen mit dem Rat haben die Abgeordneten das Prinzip der “stillschweigenden Genehmigung” durchgesetzt. Demnach gilt eine Genehmigung für die Installation von Infrastruktur automatisch als erteilt, wenn innerhalb einer viermonatigen Frist keine Antwort von der Verwaltungsbehörde eingeht.

    In ganz Europa zu Inlandspreisen telefonieren

    Außerdem setzten die Abgeordneten durch, dass der Weg zur Abschaffung der Gebühren für Intra-EU-Anrufe und SMS fortgesetzt wird. Bis 2029 sollen Anrufe in einen anderen Mitgliedstaat nicht mehr kosten, als Inlandsgespräche. Die bestehenden Preisobergrenzen für Intra-EU-Anrufe, die im Mai 2024 auslaufen würden, wurden bis 2032 verlängert.

    Berichterstatter Alin Mituța (Renew) sagte, das Gesetz werde Europa im digitalen Rennen nach vorne bringen. “Wir haben jetzt einen gemeinsamen EU-Ansatz, um jedem EU-Bürger Zugang zu Hochgeschwindigkeitsinternet zu bieten und die Konnektivitätslücke zwischen ländlichen und abgelegenen Gebieten und ihren städtischen Gegenstücken zu schließen sowie eine bessere Abdeckung der Verkehrskorridore zu gewährleisten.” vis

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    Deutsche-Bank-Chef: “Ohne Kapitalmarktunion ist Green Deal tot”

    Die Bankenbranche hat beim Bankentag in Berlin eine Kapitalmarktunion angemahnt. Ohne Fortschritte werde der ökologische Umbau der europäischen Wirtschaft scheitern. Deutsche Bank-Chef Christian Sewing sagte am Dienstag: “Ohne die Kapitalmarktunion ist der Green Deal tot.”

    Bundesbankpräsident Joachim Nagel verwies auf Schätzungen der EU-Kommission, wonach für die Transformation und die Digitalisierung der Wirtschaft pro Jahr ein zusätzlicher Investitionsbedarf von über 745 Milliarden Euro besteht. Private Investoren müssten davon den Löwenanteil stemmen. “Unternehmen müssen sich leichter über Ländergrenzen hinweg finanzieren können, vor allem auch mit Eigenkapital.” Er sei zuversichtlich, dass die Kapitalmarktunion dieses Mal auch Realität werde. “Es ist für mich einer der Pfeiler, der jetzt gemeißelt werden muss von der neuen Kommission. Da müssen wir jetzt wirklich über die Ziellinie gehen.” Das Thema sei zur Chefsache geworden, was wichtig sei.

    Die zersplitterten Finanzmärkte in Europa gelten als großer Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA oder Asien. Die EU redet seit vielen Jahren über das Thema. In der Praxis stehen einer Kapitalmarktunion sehr unterschiedliche nationale Gesetze entgegen – unter anderem zu Insolvenzen, der Besteuerung von Kapitalgewinnen oder Börsengängen.

    Scholz drängt erneut auf Fortschritte

    Bundeskanzler Olaf Scholz sprach sich am Dienstag für eine schnelle Reform aus – durch gemeinsame Steuerstandards, eine Angleichung der Aufsicht, mehr Verbriefungen von Krediten und eine Reform der Insolvenzregeln. “Vielleicht gibt es 27-mal das beste Insolvenzrecht der Welt. Aber vielleicht wäre besser, wenn es einmal das zweitbeste wäre, aber einheitlich für alle 27.” Deutschland pocht eher auf einen breiteren Ansatz mit allen EU-Staaten, Frankreich würde gerne mit einer kleinen Gruppe von EU-Staaten starten.

    Beim jüngsten EU-Gipfel bekannten sich zwar alle Staats- und Regierungschefs zur Kapitalmarktunion. Allerdings betonten etliche kleine Staaten Vorbehalte gegen Elemente wie eine europäische Finanzaufsicht oder eine Harmonisierung der Unternehmenssteuern. rtr

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    EU untersucht chinesischen Überwachungshersteller

    Die EU hat eine weitere Untersuchung wegen mutmaßlicher Staatssubventionen gegen ein chinesisches Unternehmen eingeleitet. Im Rahmen des Verfahrens inspizierten EU-Beamte am Dienstagmorgen die Räumlichkeiten der niederländischen und polnischen Tochtergesellschaften eines chinesischen Unternehmens, wie die chinesische Handelskammer an die EU bestätigte. Dabei griffen die Beamten demnach auf das Informations- und Kommunikationssystem sowie die Telefone der Mitarbeiter zu. Die betroffene Firma stellt der South China Morning Post zufolge Überwachungstechnik her.

    Die EU-Untersuchung basiert auf der Foreign Subsidies Regulation (FSR) der EU, die verhindern soll, dass ausländische Unternehmen in der EU einen Vorteil durch Subventionen aus dem Heimatland haben. Zum Namen des untersuchten Unternehmens, seiner Nationalität oder zu dem Sektor, in dem es tätig war, machten die EU-Beamten selbst zunächst keine Angaben: “Die Kommission hat Hinweise darauf, dass das überprüfte Unternehmen ausländische Subventionen erhalten haben könnte, die den Binnenmarkt gemäß der Verordnung über ausländische Subventionen verzerren könnten”, hieß es in der Erklärung.

    Chinas Handelskammer sieht politische Motivation

    Die chinesische Handelskammer kritisierte das Vorgehen: “Die europäische Seite bekundete die klare Absicht, das Instrument zur Regulierung ausländischer Subventionen als Waffe einzusetzen, um rechtmäßig tätige chinesische Unternehmen in Europa zu unterdrücken.” Die Razzien seien ohne vorherige Ankündigung und “ohne stichhaltige Beweise” durchgeführt worden.

    Die 2023 in Kraft getretene FSR gibt der EU-Kommission weitreichende neue Befugnisse, um gegen Verzerrungen im Binnenmarkt vorzugehen. Die EU hat die Verordnung über ausländische Subventionen bereits genutzt, um staatliche Beihilfen bei einer Ausschreibung für ein Eisenbahnprojekt in Bulgarien, die Beteiligung chinesischer Panel-Hersteller in einem Solarpark-Projekt in Rumänien und chinesische Lieferanten von Windturbinen beim Ausbau von Windparks in Spanien, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Bulgarien unter die Lupe zu nehmen. cyb/ari

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    DSA: Tiktok reicht Unterlagen nach

    Der Betreiber der umstrittenen Kurzvideoplattform Tiktok hat seine Einschätzung zu Risiken bei Tiktok-Lite am Dienstag nachgereicht. Die EU-Kommission hatte hier eine Frist gesetzt, die noch fehlende Dokumentation der Risikoabschätzung zu den möglicherweise süchtig machenden Features der Tiktok-Lite-App nachzureichen. Damit umgeht Bytedance, das Unternehmen hinter Tiktok, vorerst Strafzahlungen.

    Am Mittwoch muss Bytedance allerdings weitere Unterlagen abliefern, um eine Anordnung zu vermeiden, die sogar die Abschaltung dieser Features erzwingen könnte.

    Die EU stößt sich am Bonusprogramm von Tiktok Lite. Nutzer erhalten dort Punkte für jedes angesehene Video. Kritiker befürchten, dass damit ein erhöhtes Suchtpotenzial einhergeht. TikTok Lite wurde vor Kurzem in Frankreich und Spanien auf den Markt gebracht. fst/rtr

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    112 Millionen für KI- und Quantenforschung

    Die Kommission investiert 112 Millionen Euro in künstliche Intelligenz und Quantenforschung und -innovation. Eine entsprechende Ausschreibung ist am Dienstag für Projektanträge geöffnet worden.

    Die 112 Millionen teilen sich auf verschiedene Bereiche auf:

    • 50 Millionen Euro für große KI-Modelle, um die Integration neuer Datenmodalitäten und den Ausbau ihrer Fähigkeiten zu fördern. 15 Millionen Euro, um Verständlichkeit und Zuverlässigkeit von KI-Systemen zu verbessern.
    • 40 Millionen Euro kommen der Forschung im Bereich Quantentechnologien zugute.
    • 6 Millionen Euro zielen darauf ab, das Engagement Europas in der globalen IKT-Normung zu stärken.
    • 1,5 Millionen Euro fließen in die Erforschung des Menschen im digitalen Wandels.

    Das Ganze ist Teil des Arbeitsprogramm 2023-2025 “Horizont Europa – Digitales, Industrie und Weltraum”.

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    Presseschau

    EU-Parlament suspendiert Mitarbeiter von Maximilian Krah ZEIT
    EU-Parlament: China-Spionage bringt AfD unter Druck ORF
    EU kämpft um ihr finanzielles Gleichgewicht und führt neue Regeln zur Reduktion von Staatsschulden ein NZZ
    Gigabit-Verordnung: EU-Parlament ebnet Weg für schnelleren Breitbandausbau HEISE
    Gewährleistung: EU-Parlament zu Recht auf Reparatur TAGESSCHAU
    EU-Parlament beschließt Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten EURONEWS
    Zwangsehen und illegale Adoptionen: EU-Parlament beschließt verschärftes Gesetz gegen Menschenhandel ZEIT
    Unverkaufte Mode darf in der EU nicht mehr vernichtet werden NACHRICHTEN
    Plattformarbeiter in der EU sollen mehr Rechte bekommen. STUTTGARTER NACHRICHTEN
    35 Millionen illegale Handfeuerwaffen im Umlauf: EU-Parlament beschließt schärferes Waffengesetz RND
    Bankenunion mehr als ein gemeinsames Sicherheitsnetz: Scholz dringt auf rasche Reform des EU-Finanzsektors RND
    EU-Einlagensicherung: Bundesbank-Präsident Nagel für Mischlösung HANDELSBLATT
    20 Jahre nach EU-Beitritt: Osteuropäer übernehmen häufig schlecht bezahlte und unattraktive Jobs SPIEGEL
    Iran weist geplante EU-Sanktionen als “rechtswidrig” zurück SPIEGEL
    Hoffnung auf Investoren: Senegal will erneuerte Partnerschaft mit EU TAGESSCHAU
    EU-Kommission: TikTok wendet Strafzahlung vorerst ab ZEIT
    Litauen liefert gepanzerte Fahrzeuge an die Ukraine WEB.DE
    Slowakei und Ungarn: Die Putin-Freunde, die der Nato treu bleiben WELT
    Polen: Nato will keine Atomwaffen in weiteren Ländern stationieren ZEIT
    Militärausgaben: Wie Großbritannien zweitgrößte Macht der Nato werden will HANDELSBLATT
    Steinmeier lobt Hilfe für Erdbebenopfer in der Türkei WEB.DE
    Frankreich streitet um die Legalisierung von Sterbehilfe WORT
    Italien streitet über Zensurvorwürfe gegen Giorgia Meloni NAU
    Sky Shield: Sechs Milliarden Euro für Raketenabwehr in Österreich SALZBURGER NACHRICHTEN

    Standpunkt

    AI Act: Wir brauchen ein intelligentes Marktdesign zur Prüfung risikoreicher KI

    Von Dominik Rehse, Sebastian Valet und Johannes Walter
    Dominik Rehse, Sebastian Valet und Johannes Walter forschen am ZEW Mannheim zur wirkungsvollen Ausgestaltung von Prüfungen generativer KI.

    Wer nach der Veröffentlichung von OpenAIs ChatGPT Ende November 2022 in den sozialen Medien unterwegs war, traf dort nicht nur Erstaunen über die beeindruckenden Fähigkeiten der Technologie an, sondern auch Häme, wie schnell sie sich aufs Glatteis führen ließ. So konnten beispielsweise relativ leicht diskriminierende oder gar extremistische Texte sowie Anleitungen zum Waffenbau generiert werden.

    Die Macher von ChatGPT lasen jedoch augenscheinlich mit und machten es zunehmend schwerer, den Dienst für solche Zwecke zu nutzen. Die Spötter wurden so letztlich auch zu kostenlosen Dienstleistern für OpenAI. Sie vollzogen sogenanntes “Red Teaming” oder “Adversarial Testing”.

    Die im März final beschlossene KI-Verordnung der EU schreibt solche Tests nun für generative KI-Modelle mit systemischen Risiken verbindlich vor. Darunter dürften derzeit die leistungsfähigsten kommerziellen Modelle von Anthropic, Google und OpenAI fallen. Red Teaming für solche Modelle vorzuschreiben, ist überaus sinnvoll. Jedoch sind detaillierte regulatorische Maßgaben nötig, damit Red Teaming wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Dabei geht es nicht nur um die Definition technischer Anforderungen, sondern auch um die zielgerichtete Ausgestaltung von Institutionen und Regeln für alle Beteiligten, d.h. ein intelligentes Marktdesign.

    Red Teaming sollten nur unabhängige Stelle durchführen

    Die Sinnhaftigkeit von Red Teaming für Modelle generativer KI ergibt sich aus ihren technischen Eigenschaften. Die Modelle besitzen – zumindest derzeit – den Charakter einer “Black Box”, die sich nicht abschließend oder gar mechanistisch erklären lässt. Das Verhalten der Modelle, also den Output eines Modells auf einen Input, kann man jedoch relativ einfach studieren, wie die User in den sozialen Medien beim Start von ChatGPT bewiesen.

    Allerdings gibt es viele Möglichkeiten, wie Red Teaming durchgeführt werden kann. Es ist vorstellbar, dass Anbieter der regulierten Modelle diese Freiheitsgrade zu ihrem Vorteil und zum gesellschaftlichen Nachteil nutzen. Um dem vorzubeugen, verweist die KI-Verordnung auf noch zu entwickelnde “Codes of Practice” und harmonisierte Standards. Diese sollten aus unserer Sicht vier wesentliche Anforderungen erfüllen.

    Erstens sollte festgelegt werden, dass Red Teaming von einer unabhängigen Stelle durchgeführt wird. Bisher findet Red Teaming typischerweise lediglich innerhalb der Unternehmen statt. Doch nur durch externes und unabhängiges Red Teaming lassen sich wirklich vertrauenswürdige und transparente Ergebnisse sicherstellen.

    Zieldefinition und Rollenverteilung für verlässliche Modellprüfungen

    Zweitens sollten die “Codes of Practice” und harmonisierten Standards ein konkretes Prüfziel enthalten. Dadurch kann definiert werden, ob und wann ein Modell ausreichend getestet wurde, und ein effektives Red Teaming sichergestellt werden. Unserer Ansicht nach sollte dieses Ziel sein, die Schwierigkeit zu bestimmen, mit der sich unerwünschtes Modellverhalten in einem bestimmten Nutzungskontext erzeugen lässt. Die Schwierigkeit wiederum ließe sich zum Beispiel anhand des monetären Aufwands oder der benötigten Expertise der Mitglieder des Red Teams feststellen.

    Drittens sollten im Red Teaming-Prozess verschiedene Rollen definiert werden, damit Anreize gezielt gesetzt werden können. Mitglieder eines Red Teams sollten eine Belohnung für gefundenes Fehlverhalten erhalten. Diese sollte umso höher ausfallen, je schwerwiegender und neuartiger das gefundene Fehlverhalten ist.

    Damit das Red Team seinen Erfolg nicht selbst beurteilen und sich entsprechend entlohnen kann, sollte die Validierung potenziellen Fehlverhaltens von einer separaten Rolle wahrgenommen werden: Validierer bewerten, ob ein eingereichtes potenzielles Fehlverhalten tatsächlich als ein solches einzustufen ist. Die Rekrutierung der Mitglieder des Red Teams und der Validierer sowie deren Bezahlung sollte ein von den Modellentwicklern unabhängiger Organisator übernehmen. Dieser stellt auch die Infrastruktur für das Red Team zur Interaktion mit den KI-Modellen bereit.

    Entwickler sollten die Kosten für unabhängiges Red Teaming tragen

    Viertens sollten die Kosten für die Organisation eines Red Teamings von den Entwicklern des KI-Modells übernommen werden. Dadurch wird zum einen erreicht, dass die Entwickler einen Anreiz haben, ihr KI-Modell schon vor der externen Überprüfung so gut wie möglich intern zu testen. Je mehr Fehlverhalten vorab verhindert werden kann, desto weniger Belohnungen müssen an das Red Team im externen Test ausgezahlt werden.

    Zum anderen stellt eine Kostenübernahme durch die Entwickler sicher, dass ein Teil der Kosten, die der Gesellschaft durch negative Auswirkungen von KI-Modellen entstehenden, vom Entwickler getragen werden. Der Erfolg der KI-Verordnung wird nicht nur von technischen, sondern maßgeblich auch von solchen ökonomischen Erwägungen abhängen. Details dazu haben wir heute in einem ZEW Policy Brief veröffentlicht, das auf der ZEW-Website zum Download bereitsteht.

    Dominik Rehse, Sebastian Valet und Johannes Walter formen die Nachwuchsforschungsgruppe “Design digitaler Märkte” am ZEW – Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Im Rahmen eines mehrjährigen und durch die Baden-Württemberg Stiftung geförderten Projekts forschen sie zur wirkungsvollen Ausgestaltung von Prüfungen generativer KI.

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    • Künstliche Intelligenz-Verordnung

    Dessert

    European Parliament Building in Strasbourg. France
    Die Masten mit den Flaggen aller Mitgliedstaaten wurden nach der Beitrittsrunde 2004 vor dem Hauptsitz des Parlaments in Straßburg errichtet.

    Es war die bislang größte Erweiterungsrunde der EU: Am 1. Mai 2004 traten zehn Staaten bei, Zypern, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien. Das Europaparlament feiert am Mittwoch, dem vorletzten Sitzungstag vor den Europawahlen im Juni, dieses Ereignis mit Gästen, die damals eine Rolle gespielt haben: Pat Cox, damals Präsident des Europaparlaments, Romano Prodi, seinerzeit Kommissionspräsident, und sein Erweiterungskommissar Günter Verheugen sind geladen. Es kommen aus jedem Beitrittsland je ein damals ranghoher Politiker, Staats- oder Regierungschef, Außenminister oder Chefverhandler. Außerdem sind aus jedem EU-Land Bürger dabei, die am Beitrittstag oder wenig später geboren wurden. Die kleine Feierstunde endet mit der Hymne “Ode an die Freude” von Beethoven, vorgetragen vom A-Capella-Chor “Voix de Stras”. mgr  

    • EU-Erweiterung

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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