kann die EU einspringen, wenn Donald Trump den Kahlschlag bei der US-Entwicklungsbehörde USAID wie angekündigt durchzieht und Projekte weltweit ohne Mittel dastehen? Die Frage dürfte auch die Entwicklungsminister beim zwanglosen Dinner heute Abend und dem informellen Treffen morgen in Warschau umtreiben. Auf der offiziellen Agenda: Wie das geopolitische Instrument des Global Gateways noch ausgebaut, die Resilienz der Partnerländer weiter gestärkt werden könnte. Das klingt angesichts der Katastrophe, die sich abzeichnet, merkwürdig aus der Zeit gefallen.
Gerade in der östlichen Nachbarschaft, auf dem Balkan oder in Nordafrika wird die Instabilität zunehmen, wenn USAID als oft größter Geldgeber plötzlich ausfällt. Unabhängige Medien rechnen bereits damit, ihren Betrieb einstellen zu müssen. NGOs, die auf Fact-Checking oder Journalistenausbildung spezialisiert sind, stehen vor dem Aus. Projekte, die der Stärkung der Zivilgesellschaft dienen, sind generell gefährdet. Lokale Oligarchen werden das Vakuum rasch ausfüllen können. Russischer oder chinesischer Einfluss wird sich noch ungehinderter breit machen können.
Die EU könne die Lücke nicht alleine füllen, die andere zurückließen, mahnte EU-Kommissarin Hadja Lahbib letzte Woche bei der Botschafterkonferenz in Brüssel mit Blick auf humanitäre Hilfe. Alle müssten angesichts des ohnehin wachsenden Bedarfs ihren Beitrag leisten. Im Gegensatz zum “transaktionalen” Donald Trump sei die EU zwar ein berechenbarer Partner, doch die EU könne nicht zum “Geber der letzten Instanz” werden, legte Entwicklungskommissar Jozef Síkela nach. Das klingt fatalistisch. Wehklagen nützt nichts, gefragt ist ein Konzept, wie Europa auf das drohende Vakuum reagieren und mehr Mittel locker machen kann. Es wäre auch eine Chance, den Ruf als verlässlicher Partner noch zu stärken.
Die Arbeiten am Action Plan für die Autoindustrie, den Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas am 5. März präsentieren soll, sind in der entscheidenden Phase. Nach dem Auftakt des Strategischen Dialogs zur Zukunft der Branche am 30. Januar, bei dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen CEOs von Herstellern und Zulieferern sowie Vertreter von NGOs und der Gewerkschaften angehört hat, beginnt nun die zweite Phase des Gesprächsformats.
Unter der Leitung von Kommissaren werden Branchenvertreter zu fünf thematischen Arbeitssträngen (workstrands) eingeladen. Die jeweils auf zwei Stunden angesetzten Runden tagen in folgenden Formaten:
Bislang kennen die Teilnehmer nicht die Agenda bei den Sitzungen der Arbeitsstränge. In der Branche wird aber davon ausgegangen, dass die zweistündigen Termine eher dem Austausch dienen und nicht dem Erarbeiten von Beschlüssen.
Parallel läuft die Konsultation der Kommission. Bis zum 13. Februar können Stellungnahmen eingereicht werden. Am 3.3. soll es noch einmal eine Runde des Autodialogs auf Chefebene geben, bei der von der Leyen wieder die Vertreter hört, die bereits beim Auftakt am 30. Januar dabei waren. Somit bleiben insgesamt noch drei Wochen bis zur Vorstellung des Action Plans. So wenig Zeit hatten Lobbyisten selten, um Einfluss auf eine wichtige Weichenstellung der Industrie zu nehmen.
Ende Februar fährt zudem das gesamte College am 27. und 28. für zwei Tage nach Indien, sodass die Kommissare dann nur begrenzt mitarbeiten können.
Angesichts des engen Zeitplans und der Organisation der Arbeitsstränge gehen Zulieferer und Hersteller davon aus, dass die Kommission den Action Plan weitgehend fertig hat. Wie zu hören ist, hat von der Leyen die Arbeiten nicht delegiert, sondern fällt die Entscheidungen selbst. Auf Beamtenebene soll die DG Grow die Federführung haben, DG Clima und DG Move sind eingebunden. Die DG Grow untersteht Vize-Präsident Séjourné, dennoch soll Verkehrskommissar Tzitzikostas den Action Plan präsentieren.
Man rechnet damit, dass im Action Plan deutlich wird, wie die Kommission mit den drohenden Strafzahlungen der Hersteller für das Verfehlen der CO₂-Flottenziele für 2025 umgehen will. Da es sich bei den Bußen von bis 15 Milliarden Euro fiskalisch um Zusatzeinnahmen im EU-Haushalt handele, sei kein eigenes Gesetzgebungsverfahren nötig, wenn die Kommission auf das Erheben der Bußen verzichten wolle, heißt es in Brüssel. Zudem rechnet man damit, dass der Action Plan zumindest eine Positionsbestimmung für weitere wichtige Fragen vornimmt:
Aussagen werden zudem erwartet zu Social-Leasing-Programmen, um den Absatz von E-Autos anzukurbeln und Vorgaben zur Dekarbonisierung für Firmenflotten. Bei Anreizen für E-Autos sollen Local-Content-Klauseln dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in Europa gefördert wird.
Wie groß die Bereitschaft von der Leyens ist, den Forderungen von Herstellern und Zulieferern nach Erleichterungen bei den CO₂-Flottengrenzwerten entgegenzukommen, ist unklar. Teilnehmer der Auftaktrunde berichten, dass von der Leyen sichtlich betroffen war, als die CEOs die ernste Lage der Branche und ihre Forderungen vorgetragen haben. Im Gegensatz dazu habe sich Klimakommissar Hoekstra weitgehend unbeeindruckt gezeigt. Ob er Widerstand leisten würde gegen Abstriche bei den Klimazielen, gilt als offen.
Die EU-Kommission will beim Thema Bürokratieabbau liefern. Nach der Ankündigung von Klimakommissar Wopke Hoekstra, einen Großteil der Unternehmen vom CBAM auszunehmen, zeigt sich der deutsche Mittelstand zufrieden. Für viele kleine Importe sei der Aufwand beim CBAM viel zu groß, teilte eine Sprecherin der DIHK am Freitag mit.
Außerdem fehlten Produzenten häufig die Daten für den CO₂-Gehalt von Waren, trotzdem seien Importeure verantwortlich: “Dass die EU-Kommission bei beiden Aspekten Vereinfachungen plant – durch eine höhere Schwelle für die Meldepflicht und durch Standardwerte für die Meldungen – ist eine gute Nachricht.”
In der aktuellen Testphase des CBAM müssen Importeure bereits ab einem Warenwert ab 150 Euro Daten zum CO₂-Gehalt von Einfuhren melden, ab 2026 müssten sie auch Abgaben zahlen. Auf diese Weise soll der Nachteil für heimische Produzenten ausgeglichen werden, die dem europäischen Emissionshandel unterliegen und die durch Einfuhren aus Ländern bedroht sind, in denen der CO₂-Preis geringer ist oder die noch gar keinen Emissionshandel eingeführt haben.
Dass Klima- und Steuerkommissar Wopke Hoekstra die De-minimis-Schwelle für Importe und einen Schutz für Exportgüter überprüfen lässt, hatte Table.Briefings bereits Mitte Januar berichtet. Vergangenen Donnerstag machte Hoekstra erst in der “Financial Times” und dann im Unterausschuss für Steuerfragen des EU-Parlaments einen politischen Aufschlag. Ein Fünftel der Importeure müsse künftig rund 97 Prozent der Abgaben zahlen, sagte der Kommissar. “Wäre es dann nicht klug, die 80 Prozent aus der Verantwortung zu entlassen, was den Verwaltungsaufwand betrifft? Meiner Ansicht nach schon.”
Nachvollziehen kann das Argument auch die Umweltorganisation Germanwatch. “Ich gehe nicht davon aus, dass eine Ausnahme bei wenigen Prozent der importierten CBAM-Waren zu wesentlichen Problemen für Wettbewerbsfähigkeit oder Klimaschutz führt”, sagt Klimaexperte Oldag Caspar. Es komme allerdings auf die Details an und bei Handelspartnern dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die EU ihren Grenzausgleichsmechanismus demontiere.
Weitere Einzelheiten offenbarte die Generaldirektion Steuern laut “Contexte” kurz nach dem Auftritt Hoekstras im Parlament bei einem Treffen mit Stakeholdern. Demnach sollen die Vereinfachungen Teil des ersten Omnibusgesetzes zum Bürokratieabbau sein, das die Kommission nach bisheriger Ankündigung am 26. Februar vorstellen will. Laut einer Präsentation vom Donnerstag schlägt die DG vor, Unternehmen von der Steuer auszunehmen, die jährlich Produkte mit einer CO₂-Bilanz von weniger als 100 Tonnen importieren.
Für die Berechnung der Abgabe soll laut “Handelsblatt” nicht mehr ausschließlich der Geldwert als Maßstab herangezogen werden. Erleichterung solle es außerdem bei den derzeit erforderlichen Informationen zum Drittland geben.
Im zweiten Halbjahr soll laut “Contexte” eine größere Revision der Verordnung folgen. Einerseits will sich die Kommission noch einmal der Frage der Ausfuhren widmen. Exportstarke Branchen beklagen seit Langem, dass ihnen der Schutz vor CO₂-intensiven Importen allein wenig helfe – sie möchten am liebsten weiterhin freie Zertifikate im europäischen Emissionshandel erhalten. Die Steuerexperten der Kommission wollen aber auch prüfen, weitere Branchen in den Geltungsbereich des CBAM einzubeziehen – im Gespräch seien Raffinerien sowie die Chemie- und Papierindustrie.
Bisher gilt der CBAM für Einfuhren von Zement, Eisen, Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff. Prüfen wolle die Kommission nun auch, den Mechanismus auf Produkte auszuweiten, die diesen Produkten in der Wertschöpfungskette nachgelagert sind. Außerdem könnten indirekte Emissionen stärker einbezogen werden. Auch gegen die Umgehung des CBAM durch Drittstaaten wolle die Kommission Maßnahmen ergreifen.
Eine weitere mögliche Vereinfachung für die Abgaben auf Importe regte am Freitag der CDU-Abgeordnete Peter Liese an. Sei der CO₂-Fußabdruck einer Ladung Rohstahl für 150 Euro vielleicht relevant, so sehe es bei einem Paket Spezialschrauben für 150 Euro schon anders aus. “Daher sollten wir auch Schwellenwerte für das Gewicht und nicht nur für den Warenwert haben”, teilte der Umweltpolitiker mit.
Der am heutigen Montag beginnende zweitägige AI Action Summit in Paris konzentriert sich darauf, wie KI gewinnbringend eingesetzt werden kann. Dabei liegt ein Fokus auf Open-Source-Systemen und sauberer Energie zur Versorgung von Rechenzentren. Weitere Themen sind die Abmilderung von Arbeitsplatzverlusten und die Förderung der Souveränität auf einem globalen KI-Markt. Im Gegensatz zu früheren Gipfeltreffen steht die Schaffung neuer Regulierungen nicht auf der Tagesordnung.
Der AI Action Summit in Paris ist der dritte in einer Reihe von internationalen KI-Gipfeln, die mit dem Bletchley Park Summit im November 2023 in Großbritannien begann und mit dem Seoul AI Summit im Mai 2024 in Südkorea fortgesetzt wurde.
Am Montag werden Staats- und Regierungschefs sowie europäische CEOs an einem multilateralen Treffen teilnehmen, das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Élysée-Palast organisiert. Neben den Regierungschefs werden Top-Führungskräfte von Alphabet, Microsoft und Dutzenden anderer Unternehmen erwartet. Zudem steht ein Vortrag von OpenAI-CEO Sam Altman auf dem Programm. Die EU wird vertreten durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Vizepräsidentin Henna Virkkunen und Kommissar Stéphane Séjourné. Aus den USA soll Vizepräsident JD Vance anreisen.
EU-Vizepräsidentin Virkkunen wird an zwei vom AI Office der EU koordinierten Sitzungen teilnehmen: einem runden Tisch zum Thema “Zukunftssichere Gestaltung einer zuverlässigen KI-Governance mit einem Update zu den EU-Verhaltenskodizes” und einem Workshop mit dem Titel “Aufbau des KI-Kontinents der EU: KI-Champions und KI-Fabriken“. Zudem wird Virkkunen die Station F besuchen, den größten europäischen Inkubator, und sich mit Ministern und Führungskräften von Unternehmen im Bereich der KI treffen.
Ziel des Gipfels in Paris ist es, Rahmenbedingungen für die KI-Politik zu schaffen, aber keine Regeln, die die nationalen Champions ausbremsen könnten. Frankreich möchte den AI Act so flexibel wie möglich umsetzen, um Innovationen nicht zu behindern. Stattdessen liegt der Fokus darauf, wie die Vorteile der KI an Entwicklungsländer weitergegeben werden können, beispielsweise durch günstigere Modelle von Unternehmen wie Mistral und Deepseek.
Ein Vertreter des französischen Präsidialamtes erklärte, dass der Gipfel Ländern aus aller Welt eine Stimme geben soll und nicht nur den USA und China. Frankreich will zeigen, dass KI ein Wettbewerbsfaktor für Frankreich und Europa ist. Am Vorabend des Gipfels erklärte Präsident Macron, dass Frankreich Investitionen in Höhe von 109 Milliarden Euro in den kommenden Jahren tätigen wolle.
Die zu erwartenden Gipfel-Ergebnisse:
Bereits am Freitag haben Technologieverbände der G7-Staaten und der EU (TECH7), darunter Bitkom für Deutschland, ein gemeinsames Empfehlungspapier vorgelegt. Darin fordert TECH7 globale Führungskräfte, politische Entscheidungsträger, Technologieunternehmen und die Zivilgesellschaft auf, gemeinsam ein KI-Ökosystem zu gestalten, das Innovationen fördert und gleichzeitig sicher, ethisch, nachhaltig und auf den Menschen ausgerichtet ist. Alle Teilnehmer des AI Action Summit sollten demnach diese Empfehlungen als grundlegendes Rahmenwerk für die internationale KI-Governance betrachten. vis/rtr
Kanada will Handelsministerin Mary Ng zufolge vor dem Hintergrund drohender US-Zölle die Wirtschaftsbeziehungen zur EU vertiefen. Die Zahlen zum bestehenden Handelsabkommen seien wirklich gut, sagte Ng am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber was können wir noch tun, um kanadischen Unternehmen zu helfen, in jedem der 27 Mitgliedstaaten Fuß zu fassen?”, fragte sie unter Hinweis auf die EU. “Und was können wir noch tun, um das Gleiche in Kanada zu erreichen?” Zu den Schwerpunkten bei den Diskussionen mit der EU würden kritische Mineralien und kleinere Unternehmen gehören.
Ng traf sich am Samstag mit EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič. Am Freitag hatte sie in Genf Gespräche mit der Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, geführt. Nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens 2017 stieg der bilaterale Handel zwischen der EU und Kanada um 65 Prozent. Zudem wurde 2021 eine Partnerschaft für Rohstoffe vereinbart.
Die EU hat besonderes Interesse an Metallen gezeigt, die für die Energiewende als entscheidend gelten – etwa Kobalt, Lithium und Nickel. Kanada will wiederum seine Exporte diversifizieren. Die Regierung in Ottawa setzte sich 2018 das Ziel, die Nicht-US-Ausfuhren bis 2025 um 50 Prozent zu steigern. Ng zufolge ist ihr Land auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen oder zu übertreffen. Diese Bemühungen haben nach der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump an Dringlichkeit gewonnen. Trump hat mit Zöllen gegen Kanada und Mexiko gedroht, deren Einführung zunächst verschoben wurde. rtr
Ministerpräsident Albin Kurti hat mit seiner links-nationalen Partei Vetëvendosje! (Selbstbestimmung) laut Nachwahlbefragungen und Prognosen die Parlamentswahl im Kosovo gewonnen. Mit 37 bis 42 Prozent der Stimmen dürfte die Regierungspartei allerdings auf Koalitionspartner angewiesen sein, damit Kurti (49) weiterregieren kann.
Die Daten von vier Organisationen, die Nachwahlbefragungen durchführten oder Prognosen errechneten, legen nahe, dass die liberale Demokratische Partei (PDK) mit 19 bis 23, die bürgerliche Demokratische Liga des Kosovos (LDK) mit 19 bis 20 und die konservative Allianz für die Zukunft (AAK) mit 6 bis 8 Prozent der Stimmen rechnen kann.
Im alten Parlament hatte Kurtis Vetëvendosje! zusammen mit Abgeordneten der ethnischen Minderheiten eine bequeme Mehrheit. Bei der Wahl vor vier Jahren hatte die Partei knapp über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Kurti hatte umfassende Reformen der Justiz und Verwaltung versprochen, konnte aber vieles davon nicht einlösen. dpa
Nach ihrer Abkopplung von Russlands Energiesystem haben Estland, Lettland und Litauen ihre Stromnetze in das europäische System integriert. Über die Stromleitung LitPol Link wurden die drei baltischen EU- und Nato-Länder am Sonntagnachmittag mit Polen und dem kontinentaleuropäischen Netz verbunden. Die Zusammenschaltung der seitdem im synchronen Betrieb operierenden Netze war nach Angaben der Netzbetreiber in Estland, Lettland und Litauen kurz nach 14:00 Uhr Ortszeit abgeschlossen.
Die drei baltischen Staaten hatten bereits vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Weiterhin waren sie aber Teil eines aus Sowjetzeiten stammenden gemeinsamen, synchrongeschalteten Netzes mit Russland und Belarus. Das galt in Tallinn, Riga und Vilnius inzwischen als Sicherheitsrisiko. Nach dem Netzwechsel können die baltischen Staaten die grundlegenden und bislang von Moskau geregelten Parameter des Stromsystems wie etwa Frequenz und Spannung selbst kontrollieren.
“Das ist ein historischer Moment”, sagte litauische Präsident Gitanas Nausėda in Vilnius nach einem Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und seinen Amtskollegen aus Estland, Lettland und Polen. “Von nun an haben wir völlige Energieunabhängigkeit erreicht. Die Zeit des politischen Drucks und der Erpressung ist endlich vorbei.” Von der Leyen sagte: “Das ist Freiheit. Freiheit von Drohungen, Freiheit von Erpressungen.”
Die drei Staaten hatten sich zuvor am Samstag vom gemeinsamen Stromnetz mit Russland und Belarus abgekoppelt. Danach operierten die Stromnetze für einige Betriebstests einen Tag lang allein in einer Art Inselmodus. Nun sind sie Teil des europäischen Verbundsystems, das mehr als 400 Millionen Verbraucher in 26 Ländern versorgt.
Moskau kritisierte die Abkopplung der baltischen Staaten vom einheitlichen Stromsystem mit Russland und Belarus. Außenamtssprecherin Marija Sacharowa sah darin eine “logische Fortsetzung der Zerstörung von Ländern und Völkern, die einst alle Voraussetzungen für Wohlstand und Unabhängigkeit hatten”. dpa
Ursula von der Leyen hat dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) die Unterstützung zugesichert. Der Gerichtshof müsse weiter in der Lage sein, “den Kampf gegen weltweite Straflosigkeit zu führen”, schrieb sie auf X. “Europa wird immer für Gerechtigkeit und den Respekt des internationalen Rechts eintreten.”
Auch EU-Ratspräsident António Costa kritisierte die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trumps, Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof anzuordnen. Zustimmung kam dagegen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.
Trump wirft dem Gericht unbegründete und “bösartige” Angriffe gegen Israel vor. Das Gericht mit Sitz in Den Haag habe “seine Macht missbraucht”, weil es Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und früheren Verteidigungsminister Joav Galant erlassen habe, argumentierte Trump in der vergangenen Woche. Per Dekret verhängte Trump am Donnerstag Einreiseverbote und finanzielle Sanktionen gegen IStGH-Mitarbeiter, die gegen US-Bürger oder gegen Verbündete der USA ermitteln.
Eine Gruppe von 79 Staaten sicherte dem Gericht ihre volle Unterstützung zu. In einer gemeinsamen Erklärung warnte sie vor Versuchen, die “Unabhängigkeit, Integrität und Unparteilichkeit zu untergraben”. Sie würden alles tun, um die Fortsetzung der Arbeit des Gerichts zu gewährleisten. Durch die Sanktionen seien alle zur Zeit laufenden Ermittlungen in Gefahr, da möglicherweise Büros des Strafgerichtshofes geschlossen werden müssen. Die 79 Unterzeichner gehören zu den 125 Vertragsstaaten, darunter auch Deutschland. dpa
Open Source ist gekommen, um zu bleiben. Das ist Menschen meist bekannt, die täglich mit Softwareprojekten zu tun haben: Ob bei Apps, beim Betreiben von Plattformen im Internet oder bei der Maschinensteuerung – etablierte offene Standards sind besser, als das Rad neu zu erfinden. Das Mehr-Augen-Prinzip und die zunehmende Reife von Software machen Sicherheitslücken unwahrscheinlicher. Und junge Unternehmen können gleich beim Markteintritt mit der Wertschöpfung anfangen, statt sich erst Grundlagen zu erarbeiten.
Im Bereich Künstliche Intelligenz entstehen diese offenen Ökosysteme gerade jetzt. Klar ist, dass die Entwicklung von Large Language Models (LLMs) mit ihrem entgrenzten Daten-, Rechen- und Ressourcenbedarf nur wenigen offensteht. Trotzdem sorgte die Veröffentlichung der Open-Source-KI Deepseek zuletzt für beachtliche Kursstürze an den Börsen, nachdem die Entwickler als Budget für das Training läppische sechs Millionen US-Dollar angegeben haben – ein Bruchteil der mehr als 100 Millionen US-Dollar, die OpenAIs für sein aktuelles Modell ansetzt.
Für viele europäische Unternehmen stehen solche Mittel jedoch nicht zur Verfügung. Der laufende Betrieb schon kleiner KI-Modelle geht in die Tausende, egal ob sie die Hardware selbst beschaffen oder Rechenzeit bei den amerikanischen Cloud-Platzhirschen mieten.
Wenn Meta sein Llama-Modell in Gänze im Internet zum Download anbietet, kann diese “Vollversion” mit ihren in die hunderte Milliarden und Billionen gehenden Parametern so gut wie niemand betreiben. Auf wenige Milliarden Parameter verkleinerte Modelle können zwar auch auf erschwinglicherer Hardware betrieben werden, bieten aber eventuell nicht das gleiche Qualitätsniveau (was das bei halluzinierenden LLMs auch immer bedeutet). Dass Meta sein Llama als Open Source bezeichnet, ist daher eher ein Feigenblatt und wird auch wegen einschränkender Bedingungen in der Lizenz zurecht als “open-washing” kritisiert.
Ist Open-Source-KI also die europäische Antwort auf Meta, OpenAI und Deepseek? Vergangene Woche kündigte die Europäische Kommission an, 37,4 Millionen Euro in die Entwicklung eines europäischen Open-Source-LLM mit Namen OpenEuroLLM zu investieren. Gegen 25.000 Millionen Investmentkapital bei OpenAI kommt auch dieser Betrag eher klein daher, ist aber ein Anfang.
Die Verfügbarkeit einer europäischen Open-Source-KI könnte Start-ups und KMUs erlauben, die Technologie als Grundlage für eigene Weiterentwicklungen zu nutzen. Forderungen nach vertrauenswürdiger KI sind vielzählig. Das Open-Source-Geschäftsmodell hat das Potenzial, Antworten auf Forderungen nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu liefern, denn der Open-Source-Gedanke ist am ehesten über die vier Freiheiten beschrieben, die er aus der Free-Software-Bewegung übernimmt: Use, Study, Share, und Improve.
Für Software bedeutet das im Grunde, dass der Quelltext und alles, was zum Betrieb, Verständnis, der Weiterentwicklung und Weitergabe nötig ist, mittels eines Lizenzvertrags eingeräumt wird.
Für KI hat die Open Source Initiative (OSI, die den Begriff seit 1998 prägt), im Oktober ihre erste Open-Source-AI-Definition vorgestellt. Denn für KI stellen sich einige Fragen in Bezug auf die vier Freiheiten neu.
Bis heute wird etwa heiß diskutiert, ob KI als “offen” gelten kann, wenn nicht alle Daten unter ebenso offenen Lizenzen mitgeliefert werden. Ohne das an dieser Stelle abschließend beleuchten zu können: Ein zu strikter Ansatz würde dazu führen, dass nur ein verschwindend kleiner Teil von KI jemals “offen” sein könnte. Selbst offene Datensätze dürfen nicht immer weitergegeben werden und wo hochsensible und besonders zu schützende Medizindaten zugrunde liegen, wäre dies nie möglich.
Anders als Meta für Llama räumt Deepseek eine echte Open-Source-Lizenz ein, aber bei der Nutzung ist offensichtlich, dass das System Zensurmaßnahmen im Sinne der chinesischen Führung enthält. Wie sie zustande kommen, wie tief sie im System stecken und ob sie sich entfernen lassen, ist noch unklar. Ein Team der Open-Source-KI-Plattform Hugging Face hat sich aber bereits daran gemacht, dies herauszufinden.
Meta musste nun vor Gericht einräumen, für das Training von Llama auf illegale Bücher-Downloads zurückgegriffen zu haben.
Eine europäische Open-Source-KI müsste alle verwendeten Datensätze offenlegen, sofern möglich unter offener Lizenz. Aber auch alle Trainingsschritte, Red-Teaming-Prozesse und Guard Rails müssen Open Source sein. Denn nur eine vollständige Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit erlaubt es weiterverwendenden Unternehmen, alle gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, die etwa aus dem AI Act hervorgehen, und auszuschließen, dass etwa Urheberrechte verletzt wurden. Nur wenn Firmen KI selbst gestalten, betreiben und kontrollieren können, verhindert dies, bestehende Abhängigkeiten zu proprietären Anbietern zu reproduzieren.
Nach dem Training des OpenEuroLLM muss die Kommission noch Fragen zur Finanzierung des laufenden Betriebs beantworten, denn auch diese Kosten sind prohibitiv. Wenn die Weichen jetzt richtig gestellt werden, könnte sich das Projekt als der lang überfällige Startschuss und die Anerkennung der strategischen Bedeutung von Open-Source-Innovation in Europa erweisen.
Sebastian Raible leitet in Brüssel für den europäischen Open-Source-Unternehmensverband APELL die Beziehungen zur EU. Der Informatiker hat neun Jahre lang als Referent im Europäischen Parlament gearbeitet und war dort zuletzt Teil des Verhandlungsteams zum Artificial Intelligence Act.
Der Rechtsrutsch des Parlaments macht sich auch im Wirtschaftsausschuss ECON bemerkbar. Wie jedes Jahr hat der Ausschuss auch dieses Jahr wieder einen Bericht zum Jahresbericht der Europäischen Zentralbank verfasst. Der Wind hat merklich gedreht.
In der vergangenen Legislatur wurden die Berichte stark von grünen und sozialdemokratischen Abgeordneten geprägt. Sie machten Druck auf die EZB, damit diese ihre sekundären Ziele im Blick hält, damit sie ihren Einfluss auch im Kampf gegen den Klimawandel spielen lässt.
Vor zwei Jahren, als der grüne Abgeordnete Rasmus Andresen die Berichterstatterrolle innehatte und die Inflationsrate des Euroraums bei über acht Prozent lag, hielt der Bericht fest, dass die Inflation “hauptsächlich angebotsgetrieben” sei und die EZB nur “begrenzten Einfluss” habe, eine angebotsgetriebene Inflation zu bekämpfen.
Auch alternative geldpolitische Konzepte fanden Erwähnung, zum Beispiel, dass steigende Unternehmensgewinne einen wichtigen Einfluss auf die Inflationsepisode von 2022 gehabt hatten. Klimarelevanten Aspekten der Geldpolitik widmete der Bericht ein ganzes Kapitel.
Der Druck von Grünen und Sozialdemokraten war wohl mitverantwortlich dafür, dass die EZB 2022 entschied, beim Kauf von Unternehmensanleihen Klimakriterien zu berücksichtigen. 2023 entschied sie, ihre Anleihenkäufe noch stärker zugunsten von Unternehmen mit guter Klimaperformance auszurichten.
Doch Andresens Bericht war wohl die Hochwassermarke des grünen Einflusses auf die Geldpolitik. Schon der Bericht 2024 unter Berichterstatter Johan Van Overtveldt (EKR) war deutlich konservativer. Aber auch in Overtveldts Bericht hielt das Parlament fest, dass die EZB als EU-Institution an das Pariser Klimaabkommen gebunden sei. Er erwähnt auch die Notwendigkeit von privaten und öffentlichen Investitionen, um angebotsgetriebene Inflationsdynamiken “nach Jahrzenten der Unterinvestition” zu bekämpfen.
Das ist nun vorbei. Der jüngste Berichtsentwurf, der von der Niederländerin Anouk Van Brug (Renew) verfasst wurde, nimmt einen deutlich schärferen Ton an. Eine Erwähnung des Pariser Klimaabkommens sucht man vergebens. Mit stärkeren Worten als zuvor insistiert der vom ECON Ausschuss abgesegnete Entwurf auf das Primärmandat der EZB, die Preisstabilität.
Der Bericht “insistiert” auch, dass die EZB sich marktneutral verhalten müsse. Und “bedauert, dass die Maßnahmen der EZB zur Dekarbonisierung ihrer Bestände an Unternehmensanleihen keinen marktneutralen Ansatz verfolgt haben”.
Der Bericht unterstreicht die politische Unabhängigkeit der EZB. Dies bedeute auch, dass die EZB keine politischen Entscheidungen treffen dürfe. Natürlich kann die EZB als öffentliche Institution mit der Macht über potenziell unbegrenzte Geldmengen nicht unpolitisch handeln oder nicht handeln. De facto verlangt der Bericht, dass die EZB keine Entscheidungen treffen soll, die an ihrem (hochpolitischen) Primärmandat zweifeln lassen könnten. Die Geldpolitik ist nach rechts gerutscht.
Die Entwicklung sieht man auch anhand der Unterstützung, die der Bericht von den verschiedenen Fraktionen erhält. Wurde Overtveldts Bericht noch von den Sozialdemokraten unterstützt, enthielten sich diese bei der Abstimmung zum diesjährigen Bericht im ECON-Ausschuss. Van Brug fand im Ausschuss nur die Unterstützung ihrer liberalen Fraktion, der EVP und der EKR.
Heute Montag diskutiert das Parlament den Bericht im Straßburger Plenum, am Dienstag wird abgestimmt. Dem Vernehmen nach könnten die Sozialdemokraten doch noch an Bord geholt werden, wenn die Aussagen zur Marktneutralität etwas abgeschwächt werden.
Auch über einen Änderungsvorschlag der Grünen wird das Parlament am Dienstag abstimmen. Nachdem die US-Notenbank im Januar kurz vor Trumps Amtsantritt aus dem “Network for Greening the Financial System” (NGFS) austrat, haben die Grünen einen Änderungsvorschlag eingegeben, der die EZB für ihre Teilnahme an jenem Netzwerk von Zentralbanken und Überwachungsbehörden rühmt.
Falls sie mit ihrem Änderungsvorschlag scheitern, bleibt den Grünen angesichts des Rechtsrutsches nur noch ein kleiner Lichtblick: Der Parlamentsbericht insistiert dermaßen auf Unabhängigkeit der Zentralbank, dass die EZB ihn guten Gewissens ignorieren dürfte. János Allenbach-Ammann
kann die EU einspringen, wenn Donald Trump den Kahlschlag bei der US-Entwicklungsbehörde USAID wie angekündigt durchzieht und Projekte weltweit ohne Mittel dastehen? Die Frage dürfte auch die Entwicklungsminister beim zwanglosen Dinner heute Abend und dem informellen Treffen morgen in Warschau umtreiben. Auf der offiziellen Agenda: Wie das geopolitische Instrument des Global Gateways noch ausgebaut, die Resilienz der Partnerländer weiter gestärkt werden könnte. Das klingt angesichts der Katastrophe, die sich abzeichnet, merkwürdig aus der Zeit gefallen.
Gerade in der östlichen Nachbarschaft, auf dem Balkan oder in Nordafrika wird die Instabilität zunehmen, wenn USAID als oft größter Geldgeber plötzlich ausfällt. Unabhängige Medien rechnen bereits damit, ihren Betrieb einstellen zu müssen. NGOs, die auf Fact-Checking oder Journalistenausbildung spezialisiert sind, stehen vor dem Aus. Projekte, die der Stärkung der Zivilgesellschaft dienen, sind generell gefährdet. Lokale Oligarchen werden das Vakuum rasch ausfüllen können. Russischer oder chinesischer Einfluss wird sich noch ungehinderter breit machen können.
Die EU könne die Lücke nicht alleine füllen, die andere zurückließen, mahnte EU-Kommissarin Hadja Lahbib letzte Woche bei der Botschafterkonferenz in Brüssel mit Blick auf humanitäre Hilfe. Alle müssten angesichts des ohnehin wachsenden Bedarfs ihren Beitrag leisten. Im Gegensatz zum “transaktionalen” Donald Trump sei die EU zwar ein berechenbarer Partner, doch die EU könne nicht zum “Geber der letzten Instanz” werden, legte Entwicklungskommissar Jozef Síkela nach. Das klingt fatalistisch. Wehklagen nützt nichts, gefragt ist ein Konzept, wie Europa auf das drohende Vakuum reagieren und mehr Mittel locker machen kann. Es wäre auch eine Chance, den Ruf als verlässlicher Partner noch zu stärken.
Die Arbeiten am Action Plan für die Autoindustrie, den Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas am 5. März präsentieren soll, sind in der entscheidenden Phase. Nach dem Auftakt des Strategischen Dialogs zur Zukunft der Branche am 30. Januar, bei dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen CEOs von Herstellern und Zulieferern sowie Vertreter von NGOs und der Gewerkschaften angehört hat, beginnt nun die zweite Phase des Gesprächsformats.
Unter der Leitung von Kommissaren werden Branchenvertreter zu fünf thematischen Arbeitssträngen (workstrands) eingeladen. Die jeweils auf zwei Stunden angesetzten Runden tagen in folgenden Formaten:
Bislang kennen die Teilnehmer nicht die Agenda bei den Sitzungen der Arbeitsstränge. In der Branche wird aber davon ausgegangen, dass die zweistündigen Termine eher dem Austausch dienen und nicht dem Erarbeiten von Beschlüssen.
Parallel läuft die Konsultation der Kommission. Bis zum 13. Februar können Stellungnahmen eingereicht werden. Am 3.3. soll es noch einmal eine Runde des Autodialogs auf Chefebene geben, bei der von der Leyen wieder die Vertreter hört, die bereits beim Auftakt am 30. Januar dabei waren. Somit bleiben insgesamt noch drei Wochen bis zur Vorstellung des Action Plans. So wenig Zeit hatten Lobbyisten selten, um Einfluss auf eine wichtige Weichenstellung der Industrie zu nehmen.
Ende Februar fährt zudem das gesamte College am 27. und 28. für zwei Tage nach Indien, sodass die Kommissare dann nur begrenzt mitarbeiten können.
Angesichts des engen Zeitplans und der Organisation der Arbeitsstränge gehen Zulieferer und Hersteller davon aus, dass die Kommission den Action Plan weitgehend fertig hat. Wie zu hören ist, hat von der Leyen die Arbeiten nicht delegiert, sondern fällt die Entscheidungen selbst. Auf Beamtenebene soll die DG Grow die Federführung haben, DG Clima und DG Move sind eingebunden. Die DG Grow untersteht Vize-Präsident Séjourné, dennoch soll Verkehrskommissar Tzitzikostas den Action Plan präsentieren.
Man rechnet damit, dass im Action Plan deutlich wird, wie die Kommission mit den drohenden Strafzahlungen der Hersteller für das Verfehlen der CO₂-Flottenziele für 2025 umgehen will. Da es sich bei den Bußen von bis 15 Milliarden Euro fiskalisch um Zusatzeinnahmen im EU-Haushalt handele, sei kein eigenes Gesetzgebungsverfahren nötig, wenn die Kommission auf das Erheben der Bußen verzichten wolle, heißt es in Brüssel. Zudem rechnet man damit, dass der Action Plan zumindest eine Positionsbestimmung für weitere wichtige Fragen vornimmt:
Aussagen werden zudem erwartet zu Social-Leasing-Programmen, um den Absatz von E-Autos anzukurbeln und Vorgaben zur Dekarbonisierung für Firmenflotten. Bei Anreizen für E-Autos sollen Local-Content-Klauseln dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in Europa gefördert wird.
Wie groß die Bereitschaft von der Leyens ist, den Forderungen von Herstellern und Zulieferern nach Erleichterungen bei den CO₂-Flottengrenzwerten entgegenzukommen, ist unklar. Teilnehmer der Auftaktrunde berichten, dass von der Leyen sichtlich betroffen war, als die CEOs die ernste Lage der Branche und ihre Forderungen vorgetragen haben. Im Gegensatz dazu habe sich Klimakommissar Hoekstra weitgehend unbeeindruckt gezeigt. Ob er Widerstand leisten würde gegen Abstriche bei den Klimazielen, gilt als offen.
Die EU-Kommission will beim Thema Bürokratieabbau liefern. Nach der Ankündigung von Klimakommissar Wopke Hoekstra, einen Großteil der Unternehmen vom CBAM auszunehmen, zeigt sich der deutsche Mittelstand zufrieden. Für viele kleine Importe sei der Aufwand beim CBAM viel zu groß, teilte eine Sprecherin der DIHK am Freitag mit.
Außerdem fehlten Produzenten häufig die Daten für den CO₂-Gehalt von Waren, trotzdem seien Importeure verantwortlich: “Dass die EU-Kommission bei beiden Aspekten Vereinfachungen plant – durch eine höhere Schwelle für die Meldepflicht und durch Standardwerte für die Meldungen – ist eine gute Nachricht.”
In der aktuellen Testphase des CBAM müssen Importeure bereits ab einem Warenwert ab 150 Euro Daten zum CO₂-Gehalt von Einfuhren melden, ab 2026 müssten sie auch Abgaben zahlen. Auf diese Weise soll der Nachteil für heimische Produzenten ausgeglichen werden, die dem europäischen Emissionshandel unterliegen und die durch Einfuhren aus Ländern bedroht sind, in denen der CO₂-Preis geringer ist oder die noch gar keinen Emissionshandel eingeführt haben.
Dass Klima- und Steuerkommissar Wopke Hoekstra die De-minimis-Schwelle für Importe und einen Schutz für Exportgüter überprüfen lässt, hatte Table.Briefings bereits Mitte Januar berichtet. Vergangenen Donnerstag machte Hoekstra erst in der “Financial Times” und dann im Unterausschuss für Steuerfragen des EU-Parlaments einen politischen Aufschlag. Ein Fünftel der Importeure müsse künftig rund 97 Prozent der Abgaben zahlen, sagte der Kommissar. “Wäre es dann nicht klug, die 80 Prozent aus der Verantwortung zu entlassen, was den Verwaltungsaufwand betrifft? Meiner Ansicht nach schon.”
Nachvollziehen kann das Argument auch die Umweltorganisation Germanwatch. “Ich gehe nicht davon aus, dass eine Ausnahme bei wenigen Prozent der importierten CBAM-Waren zu wesentlichen Problemen für Wettbewerbsfähigkeit oder Klimaschutz führt”, sagt Klimaexperte Oldag Caspar. Es komme allerdings auf die Details an und bei Handelspartnern dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die EU ihren Grenzausgleichsmechanismus demontiere.
Weitere Einzelheiten offenbarte die Generaldirektion Steuern laut “Contexte” kurz nach dem Auftritt Hoekstras im Parlament bei einem Treffen mit Stakeholdern. Demnach sollen die Vereinfachungen Teil des ersten Omnibusgesetzes zum Bürokratieabbau sein, das die Kommission nach bisheriger Ankündigung am 26. Februar vorstellen will. Laut einer Präsentation vom Donnerstag schlägt die DG vor, Unternehmen von der Steuer auszunehmen, die jährlich Produkte mit einer CO₂-Bilanz von weniger als 100 Tonnen importieren.
Für die Berechnung der Abgabe soll laut “Handelsblatt” nicht mehr ausschließlich der Geldwert als Maßstab herangezogen werden. Erleichterung solle es außerdem bei den derzeit erforderlichen Informationen zum Drittland geben.
Im zweiten Halbjahr soll laut “Contexte” eine größere Revision der Verordnung folgen. Einerseits will sich die Kommission noch einmal der Frage der Ausfuhren widmen. Exportstarke Branchen beklagen seit Langem, dass ihnen der Schutz vor CO₂-intensiven Importen allein wenig helfe – sie möchten am liebsten weiterhin freie Zertifikate im europäischen Emissionshandel erhalten. Die Steuerexperten der Kommission wollen aber auch prüfen, weitere Branchen in den Geltungsbereich des CBAM einzubeziehen – im Gespräch seien Raffinerien sowie die Chemie- und Papierindustrie.
Bisher gilt der CBAM für Einfuhren von Zement, Eisen, Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom und Wasserstoff. Prüfen wolle die Kommission nun auch, den Mechanismus auf Produkte auszuweiten, die diesen Produkten in der Wertschöpfungskette nachgelagert sind. Außerdem könnten indirekte Emissionen stärker einbezogen werden. Auch gegen die Umgehung des CBAM durch Drittstaaten wolle die Kommission Maßnahmen ergreifen.
Eine weitere mögliche Vereinfachung für die Abgaben auf Importe regte am Freitag der CDU-Abgeordnete Peter Liese an. Sei der CO₂-Fußabdruck einer Ladung Rohstahl für 150 Euro vielleicht relevant, so sehe es bei einem Paket Spezialschrauben für 150 Euro schon anders aus. “Daher sollten wir auch Schwellenwerte für das Gewicht und nicht nur für den Warenwert haben”, teilte der Umweltpolitiker mit.
Der am heutigen Montag beginnende zweitägige AI Action Summit in Paris konzentriert sich darauf, wie KI gewinnbringend eingesetzt werden kann. Dabei liegt ein Fokus auf Open-Source-Systemen und sauberer Energie zur Versorgung von Rechenzentren. Weitere Themen sind die Abmilderung von Arbeitsplatzverlusten und die Förderung der Souveränität auf einem globalen KI-Markt. Im Gegensatz zu früheren Gipfeltreffen steht die Schaffung neuer Regulierungen nicht auf der Tagesordnung.
Der AI Action Summit in Paris ist der dritte in einer Reihe von internationalen KI-Gipfeln, die mit dem Bletchley Park Summit im November 2023 in Großbritannien begann und mit dem Seoul AI Summit im Mai 2024 in Südkorea fortgesetzt wurde.
Am Montag werden Staats- und Regierungschefs sowie europäische CEOs an einem multilateralen Treffen teilnehmen, das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Élysée-Palast organisiert. Neben den Regierungschefs werden Top-Führungskräfte von Alphabet, Microsoft und Dutzenden anderer Unternehmen erwartet. Zudem steht ein Vortrag von OpenAI-CEO Sam Altman auf dem Programm. Die EU wird vertreten durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Vizepräsidentin Henna Virkkunen und Kommissar Stéphane Séjourné. Aus den USA soll Vizepräsident JD Vance anreisen.
EU-Vizepräsidentin Virkkunen wird an zwei vom AI Office der EU koordinierten Sitzungen teilnehmen: einem runden Tisch zum Thema “Zukunftssichere Gestaltung einer zuverlässigen KI-Governance mit einem Update zu den EU-Verhaltenskodizes” und einem Workshop mit dem Titel “Aufbau des KI-Kontinents der EU: KI-Champions und KI-Fabriken“. Zudem wird Virkkunen die Station F besuchen, den größten europäischen Inkubator, und sich mit Ministern und Führungskräften von Unternehmen im Bereich der KI treffen.
Ziel des Gipfels in Paris ist es, Rahmenbedingungen für die KI-Politik zu schaffen, aber keine Regeln, die die nationalen Champions ausbremsen könnten. Frankreich möchte den AI Act so flexibel wie möglich umsetzen, um Innovationen nicht zu behindern. Stattdessen liegt der Fokus darauf, wie die Vorteile der KI an Entwicklungsländer weitergegeben werden können, beispielsweise durch günstigere Modelle von Unternehmen wie Mistral und Deepseek.
Ein Vertreter des französischen Präsidialamtes erklärte, dass der Gipfel Ländern aus aller Welt eine Stimme geben soll und nicht nur den USA und China. Frankreich will zeigen, dass KI ein Wettbewerbsfaktor für Frankreich und Europa ist. Am Vorabend des Gipfels erklärte Präsident Macron, dass Frankreich Investitionen in Höhe von 109 Milliarden Euro in den kommenden Jahren tätigen wolle.
Die zu erwartenden Gipfel-Ergebnisse:
Bereits am Freitag haben Technologieverbände der G7-Staaten und der EU (TECH7), darunter Bitkom für Deutschland, ein gemeinsames Empfehlungspapier vorgelegt. Darin fordert TECH7 globale Führungskräfte, politische Entscheidungsträger, Technologieunternehmen und die Zivilgesellschaft auf, gemeinsam ein KI-Ökosystem zu gestalten, das Innovationen fördert und gleichzeitig sicher, ethisch, nachhaltig und auf den Menschen ausgerichtet ist. Alle Teilnehmer des AI Action Summit sollten demnach diese Empfehlungen als grundlegendes Rahmenwerk für die internationale KI-Governance betrachten. vis/rtr
Kanada will Handelsministerin Mary Ng zufolge vor dem Hintergrund drohender US-Zölle die Wirtschaftsbeziehungen zur EU vertiefen. Die Zahlen zum bestehenden Handelsabkommen seien wirklich gut, sagte Ng am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters. “Aber was können wir noch tun, um kanadischen Unternehmen zu helfen, in jedem der 27 Mitgliedstaaten Fuß zu fassen?”, fragte sie unter Hinweis auf die EU. “Und was können wir noch tun, um das Gleiche in Kanada zu erreichen?” Zu den Schwerpunkten bei den Diskussionen mit der EU würden kritische Mineralien und kleinere Unternehmen gehören.
Ng traf sich am Samstag mit EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič. Am Freitag hatte sie in Genf Gespräche mit der Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, geführt. Nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens 2017 stieg der bilaterale Handel zwischen der EU und Kanada um 65 Prozent. Zudem wurde 2021 eine Partnerschaft für Rohstoffe vereinbart.
Die EU hat besonderes Interesse an Metallen gezeigt, die für die Energiewende als entscheidend gelten – etwa Kobalt, Lithium und Nickel. Kanada will wiederum seine Exporte diversifizieren. Die Regierung in Ottawa setzte sich 2018 das Ziel, die Nicht-US-Ausfuhren bis 2025 um 50 Prozent zu steigern. Ng zufolge ist ihr Land auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen oder zu übertreffen. Diese Bemühungen haben nach der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump an Dringlichkeit gewonnen. Trump hat mit Zöllen gegen Kanada und Mexiko gedroht, deren Einführung zunächst verschoben wurde. rtr
Ministerpräsident Albin Kurti hat mit seiner links-nationalen Partei Vetëvendosje! (Selbstbestimmung) laut Nachwahlbefragungen und Prognosen die Parlamentswahl im Kosovo gewonnen. Mit 37 bis 42 Prozent der Stimmen dürfte die Regierungspartei allerdings auf Koalitionspartner angewiesen sein, damit Kurti (49) weiterregieren kann.
Die Daten von vier Organisationen, die Nachwahlbefragungen durchführten oder Prognosen errechneten, legen nahe, dass die liberale Demokratische Partei (PDK) mit 19 bis 23, die bürgerliche Demokratische Liga des Kosovos (LDK) mit 19 bis 20 und die konservative Allianz für die Zukunft (AAK) mit 6 bis 8 Prozent der Stimmen rechnen kann.
Im alten Parlament hatte Kurtis Vetëvendosje! zusammen mit Abgeordneten der ethnischen Minderheiten eine bequeme Mehrheit. Bei der Wahl vor vier Jahren hatte die Partei knapp über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Kurti hatte umfassende Reformen der Justiz und Verwaltung versprochen, konnte aber vieles davon nicht einlösen. dpa
Nach ihrer Abkopplung von Russlands Energiesystem haben Estland, Lettland und Litauen ihre Stromnetze in das europäische System integriert. Über die Stromleitung LitPol Link wurden die drei baltischen EU- und Nato-Länder am Sonntagnachmittag mit Polen und dem kontinentaleuropäischen Netz verbunden. Die Zusammenschaltung der seitdem im synchronen Betrieb operierenden Netze war nach Angaben der Netzbetreiber in Estland, Lettland und Litauen kurz nach 14:00 Uhr Ortszeit abgeschlossen.
Die drei baltischen Staaten hatten bereits vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Weiterhin waren sie aber Teil eines aus Sowjetzeiten stammenden gemeinsamen, synchrongeschalteten Netzes mit Russland und Belarus. Das galt in Tallinn, Riga und Vilnius inzwischen als Sicherheitsrisiko. Nach dem Netzwechsel können die baltischen Staaten die grundlegenden und bislang von Moskau geregelten Parameter des Stromsystems wie etwa Frequenz und Spannung selbst kontrollieren.
“Das ist ein historischer Moment”, sagte litauische Präsident Gitanas Nausėda in Vilnius nach einem Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und seinen Amtskollegen aus Estland, Lettland und Polen. “Von nun an haben wir völlige Energieunabhängigkeit erreicht. Die Zeit des politischen Drucks und der Erpressung ist endlich vorbei.” Von der Leyen sagte: “Das ist Freiheit. Freiheit von Drohungen, Freiheit von Erpressungen.”
Die drei Staaten hatten sich zuvor am Samstag vom gemeinsamen Stromnetz mit Russland und Belarus abgekoppelt. Danach operierten die Stromnetze für einige Betriebstests einen Tag lang allein in einer Art Inselmodus. Nun sind sie Teil des europäischen Verbundsystems, das mehr als 400 Millionen Verbraucher in 26 Ländern versorgt.
Moskau kritisierte die Abkopplung der baltischen Staaten vom einheitlichen Stromsystem mit Russland und Belarus. Außenamtssprecherin Marija Sacharowa sah darin eine “logische Fortsetzung der Zerstörung von Ländern und Völkern, die einst alle Voraussetzungen für Wohlstand und Unabhängigkeit hatten”. dpa
Ursula von der Leyen hat dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) die Unterstützung zugesichert. Der Gerichtshof müsse weiter in der Lage sein, “den Kampf gegen weltweite Straflosigkeit zu führen”, schrieb sie auf X. “Europa wird immer für Gerechtigkeit und den Respekt des internationalen Rechts eintreten.”
Auch EU-Ratspräsident António Costa kritisierte die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trumps, Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof anzuordnen. Zustimmung kam dagegen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán.
Trump wirft dem Gericht unbegründete und “bösartige” Angriffe gegen Israel vor. Das Gericht mit Sitz in Den Haag habe “seine Macht missbraucht”, weil es Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und früheren Verteidigungsminister Joav Galant erlassen habe, argumentierte Trump in der vergangenen Woche. Per Dekret verhängte Trump am Donnerstag Einreiseverbote und finanzielle Sanktionen gegen IStGH-Mitarbeiter, die gegen US-Bürger oder gegen Verbündete der USA ermitteln.
Eine Gruppe von 79 Staaten sicherte dem Gericht ihre volle Unterstützung zu. In einer gemeinsamen Erklärung warnte sie vor Versuchen, die “Unabhängigkeit, Integrität und Unparteilichkeit zu untergraben”. Sie würden alles tun, um die Fortsetzung der Arbeit des Gerichts zu gewährleisten. Durch die Sanktionen seien alle zur Zeit laufenden Ermittlungen in Gefahr, da möglicherweise Büros des Strafgerichtshofes geschlossen werden müssen. Die 79 Unterzeichner gehören zu den 125 Vertragsstaaten, darunter auch Deutschland. dpa
Open Source ist gekommen, um zu bleiben. Das ist Menschen meist bekannt, die täglich mit Softwareprojekten zu tun haben: Ob bei Apps, beim Betreiben von Plattformen im Internet oder bei der Maschinensteuerung – etablierte offene Standards sind besser, als das Rad neu zu erfinden. Das Mehr-Augen-Prinzip und die zunehmende Reife von Software machen Sicherheitslücken unwahrscheinlicher. Und junge Unternehmen können gleich beim Markteintritt mit der Wertschöpfung anfangen, statt sich erst Grundlagen zu erarbeiten.
Im Bereich Künstliche Intelligenz entstehen diese offenen Ökosysteme gerade jetzt. Klar ist, dass die Entwicklung von Large Language Models (LLMs) mit ihrem entgrenzten Daten-, Rechen- und Ressourcenbedarf nur wenigen offensteht. Trotzdem sorgte die Veröffentlichung der Open-Source-KI Deepseek zuletzt für beachtliche Kursstürze an den Börsen, nachdem die Entwickler als Budget für das Training läppische sechs Millionen US-Dollar angegeben haben – ein Bruchteil der mehr als 100 Millionen US-Dollar, die OpenAIs für sein aktuelles Modell ansetzt.
Für viele europäische Unternehmen stehen solche Mittel jedoch nicht zur Verfügung. Der laufende Betrieb schon kleiner KI-Modelle geht in die Tausende, egal ob sie die Hardware selbst beschaffen oder Rechenzeit bei den amerikanischen Cloud-Platzhirschen mieten.
Wenn Meta sein Llama-Modell in Gänze im Internet zum Download anbietet, kann diese “Vollversion” mit ihren in die hunderte Milliarden und Billionen gehenden Parametern so gut wie niemand betreiben. Auf wenige Milliarden Parameter verkleinerte Modelle können zwar auch auf erschwinglicherer Hardware betrieben werden, bieten aber eventuell nicht das gleiche Qualitätsniveau (was das bei halluzinierenden LLMs auch immer bedeutet). Dass Meta sein Llama als Open Source bezeichnet, ist daher eher ein Feigenblatt und wird auch wegen einschränkender Bedingungen in der Lizenz zurecht als “open-washing” kritisiert.
Ist Open-Source-KI also die europäische Antwort auf Meta, OpenAI und Deepseek? Vergangene Woche kündigte die Europäische Kommission an, 37,4 Millionen Euro in die Entwicklung eines europäischen Open-Source-LLM mit Namen OpenEuroLLM zu investieren. Gegen 25.000 Millionen Investmentkapital bei OpenAI kommt auch dieser Betrag eher klein daher, ist aber ein Anfang.
Die Verfügbarkeit einer europäischen Open-Source-KI könnte Start-ups und KMUs erlauben, die Technologie als Grundlage für eigene Weiterentwicklungen zu nutzen. Forderungen nach vertrauenswürdiger KI sind vielzählig. Das Open-Source-Geschäftsmodell hat das Potenzial, Antworten auf Forderungen nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu liefern, denn der Open-Source-Gedanke ist am ehesten über die vier Freiheiten beschrieben, die er aus der Free-Software-Bewegung übernimmt: Use, Study, Share, und Improve.
Für Software bedeutet das im Grunde, dass der Quelltext und alles, was zum Betrieb, Verständnis, der Weiterentwicklung und Weitergabe nötig ist, mittels eines Lizenzvertrags eingeräumt wird.
Für KI hat die Open Source Initiative (OSI, die den Begriff seit 1998 prägt), im Oktober ihre erste Open-Source-AI-Definition vorgestellt. Denn für KI stellen sich einige Fragen in Bezug auf die vier Freiheiten neu.
Bis heute wird etwa heiß diskutiert, ob KI als “offen” gelten kann, wenn nicht alle Daten unter ebenso offenen Lizenzen mitgeliefert werden. Ohne das an dieser Stelle abschließend beleuchten zu können: Ein zu strikter Ansatz würde dazu führen, dass nur ein verschwindend kleiner Teil von KI jemals “offen” sein könnte. Selbst offene Datensätze dürfen nicht immer weitergegeben werden und wo hochsensible und besonders zu schützende Medizindaten zugrunde liegen, wäre dies nie möglich.
Anders als Meta für Llama räumt Deepseek eine echte Open-Source-Lizenz ein, aber bei der Nutzung ist offensichtlich, dass das System Zensurmaßnahmen im Sinne der chinesischen Führung enthält. Wie sie zustande kommen, wie tief sie im System stecken und ob sie sich entfernen lassen, ist noch unklar. Ein Team der Open-Source-KI-Plattform Hugging Face hat sich aber bereits daran gemacht, dies herauszufinden.
Meta musste nun vor Gericht einräumen, für das Training von Llama auf illegale Bücher-Downloads zurückgegriffen zu haben.
Eine europäische Open-Source-KI müsste alle verwendeten Datensätze offenlegen, sofern möglich unter offener Lizenz. Aber auch alle Trainingsschritte, Red-Teaming-Prozesse und Guard Rails müssen Open Source sein. Denn nur eine vollständige Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit erlaubt es weiterverwendenden Unternehmen, alle gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, die etwa aus dem AI Act hervorgehen, und auszuschließen, dass etwa Urheberrechte verletzt wurden. Nur wenn Firmen KI selbst gestalten, betreiben und kontrollieren können, verhindert dies, bestehende Abhängigkeiten zu proprietären Anbietern zu reproduzieren.
Nach dem Training des OpenEuroLLM muss die Kommission noch Fragen zur Finanzierung des laufenden Betriebs beantworten, denn auch diese Kosten sind prohibitiv. Wenn die Weichen jetzt richtig gestellt werden, könnte sich das Projekt als der lang überfällige Startschuss und die Anerkennung der strategischen Bedeutung von Open-Source-Innovation in Europa erweisen.
Sebastian Raible leitet in Brüssel für den europäischen Open-Source-Unternehmensverband APELL die Beziehungen zur EU. Der Informatiker hat neun Jahre lang als Referent im Europäischen Parlament gearbeitet und war dort zuletzt Teil des Verhandlungsteams zum Artificial Intelligence Act.
Der Rechtsrutsch des Parlaments macht sich auch im Wirtschaftsausschuss ECON bemerkbar. Wie jedes Jahr hat der Ausschuss auch dieses Jahr wieder einen Bericht zum Jahresbericht der Europäischen Zentralbank verfasst. Der Wind hat merklich gedreht.
In der vergangenen Legislatur wurden die Berichte stark von grünen und sozialdemokratischen Abgeordneten geprägt. Sie machten Druck auf die EZB, damit diese ihre sekundären Ziele im Blick hält, damit sie ihren Einfluss auch im Kampf gegen den Klimawandel spielen lässt.
Vor zwei Jahren, als der grüne Abgeordnete Rasmus Andresen die Berichterstatterrolle innehatte und die Inflationsrate des Euroraums bei über acht Prozent lag, hielt der Bericht fest, dass die Inflation “hauptsächlich angebotsgetrieben” sei und die EZB nur “begrenzten Einfluss” habe, eine angebotsgetriebene Inflation zu bekämpfen.
Auch alternative geldpolitische Konzepte fanden Erwähnung, zum Beispiel, dass steigende Unternehmensgewinne einen wichtigen Einfluss auf die Inflationsepisode von 2022 gehabt hatten. Klimarelevanten Aspekten der Geldpolitik widmete der Bericht ein ganzes Kapitel.
Der Druck von Grünen und Sozialdemokraten war wohl mitverantwortlich dafür, dass die EZB 2022 entschied, beim Kauf von Unternehmensanleihen Klimakriterien zu berücksichtigen. 2023 entschied sie, ihre Anleihenkäufe noch stärker zugunsten von Unternehmen mit guter Klimaperformance auszurichten.
Doch Andresens Bericht war wohl die Hochwassermarke des grünen Einflusses auf die Geldpolitik. Schon der Bericht 2024 unter Berichterstatter Johan Van Overtveldt (EKR) war deutlich konservativer. Aber auch in Overtveldts Bericht hielt das Parlament fest, dass die EZB als EU-Institution an das Pariser Klimaabkommen gebunden sei. Er erwähnt auch die Notwendigkeit von privaten und öffentlichen Investitionen, um angebotsgetriebene Inflationsdynamiken “nach Jahrzenten der Unterinvestition” zu bekämpfen.
Das ist nun vorbei. Der jüngste Berichtsentwurf, der von der Niederländerin Anouk Van Brug (Renew) verfasst wurde, nimmt einen deutlich schärferen Ton an. Eine Erwähnung des Pariser Klimaabkommens sucht man vergebens. Mit stärkeren Worten als zuvor insistiert der vom ECON Ausschuss abgesegnete Entwurf auf das Primärmandat der EZB, die Preisstabilität.
Der Bericht “insistiert” auch, dass die EZB sich marktneutral verhalten müsse. Und “bedauert, dass die Maßnahmen der EZB zur Dekarbonisierung ihrer Bestände an Unternehmensanleihen keinen marktneutralen Ansatz verfolgt haben”.
Der Bericht unterstreicht die politische Unabhängigkeit der EZB. Dies bedeute auch, dass die EZB keine politischen Entscheidungen treffen dürfe. Natürlich kann die EZB als öffentliche Institution mit der Macht über potenziell unbegrenzte Geldmengen nicht unpolitisch handeln oder nicht handeln. De facto verlangt der Bericht, dass die EZB keine Entscheidungen treffen soll, die an ihrem (hochpolitischen) Primärmandat zweifeln lassen könnten. Die Geldpolitik ist nach rechts gerutscht.
Die Entwicklung sieht man auch anhand der Unterstützung, die der Bericht von den verschiedenen Fraktionen erhält. Wurde Overtveldts Bericht noch von den Sozialdemokraten unterstützt, enthielten sich diese bei der Abstimmung zum diesjährigen Bericht im ECON-Ausschuss. Van Brug fand im Ausschuss nur die Unterstützung ihrer liberalen Fraktion, der EVP und der EKR.
Heute Montag diskutiert das Parlament den Bericht im Straßburger Plenum, am Dienstag wird abgestimmt. Dem Vernehmen nach könnten die Sozialdemokraten doch noch an Bord geholt werden, wenn die Aussagen zur Marktneutralität etwas abgeschwächt werden.
Auch über einen Änderungsvorschlag der Grünen wird das Parlament am Dienstag abstimmen. Nachdem die US-Notenbank im Januar kurz vor Trumps Amtsantritt aus dem “Network for Greening the Financial System” (NGFS) austrat, haben die Grünen einen Änderungsvorschlag eingegeben, der die EZB für ihre Teilnahme an jenem Netzwerk von Zentralbanken und Überwachungsbehörden rühmt.
Falls sie mit ihrem Änderungsvorschlag scheitern, bleibt den Grünen angesichts des Rechtsrutsches nur noch ein kleiner Lichtblick: Der Parlamentsbericht insistiert dermaßen auf Unabhängigkeit der Zentralbank, dass die EZB ihn guten Gewissens ignorieren dürfte. János Allenbach-Ammann