wer junge Menschen befragt, bekommt einen guten Eindruck davon, warum sich unsere Gesellschaft mit der Transformation schwertut. Ihre Aussagen offenbaren eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung. Zwar sind sich 70 Prozent der jungen Menschen sicher, dass sie die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse durch eigenes Engagement beeinflussen können. Zugleich fehlt mehr als der Hälfte der Befragten (56 Prozent) das Vertrauen in die Einsicht ihrer Mitmenschen.
Gelingen kann die Transformation aber nur, wenn beides gelingt – sich Menschen also individuell einbringen und die Gesellschaft als Ganzes die Aufgabe angeht. Zum Glück enthält die in dieser Woche veröffentlichte Shell-Jugendstudie für alle Verfechter des Wandels auch eine gute Nachricht: 86 Prozent der jungen Menschen vertrauen darauf, dass eine bessere Welt möglich ist.
Mehr Engagement bräuchte die ältere Generation in den Unternehmen, was ein Blick in die Kontrollorgane der Unternehmen zeigt. Viele Aufsichtsräte nehmen ihre strategische Verantwortung unzureichend wahr – dabei stellen sich gerade in der Transformation existenzielle Fragen. Aufsichtsräte für den Umbau fit machen wollen daher die Wissenschaftlerin Philine Erfurt Sandhu und die Wirtschaftsvertreterin Katarin Wagner. Dazu haben sie das Berliner Institut für Governance & Leadership gegründet. Nicolas Heronymus hat sie getroffen.
Der Wahlkampf mit Blick auf die Transformation hat diese Woche auch im politischen Berlin begonnen. Umstritten dürfte hier vor allem sein, ob die Wirtschaft für die Transformation weiter reguliert oder vor allem dereguliert werden sollte. Alex Veit analysiert. Dazu passt die Abstimmung über das von der Union eingebrachte Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz am Donnerstag. 412 Abgeordnete stimmten dagegen, 247 dafür, bei einer Enthaltung. Damit ist das Thema vom Tisch.
Unternehmen zeigen ein reges Interesse an der COP für Biodiversität in Kolumbien. Woher das neue Interesse kommt, beschäftigtTobias Raffel, Direktor der NGO Biodiversity Bridge, in seinem Standpunkt für uns. Vor allem vier Entwicklungen heben das Thema derzeit auf die Unternehmensagenda.
Eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Transformationsprozessen kommt Aufsichtsräten zu. Aber viele werden ihrer Aufgabe nicht gerecht. Abhilfe schaffen will das neue Berliner Institut für Governance & Leadership (BIGL), das am heutigen Freitag seine Auftaktkonferenz abhält.
“Das Governance-Dreieck aus Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionären sehen wir als zentralen Hebel, um die nötige Dynamik für die Transformation in Unternehmen zu schaffen“, sagt Philine Erfurt Sandhu, Vorstandsvorsitzende von BIGL. Der Aufsichtsrat habe qua Gesetz die Aufgabe, die Unternehmensstrategie zu überwachen. Da die Strategie “die Stellschraube für die Zukunft” sei, gebe es gerade dort Gestaltungsraum. “Er muss abschätzen, ob das Unternehmen mit der Strategie gut aufgestellt ist, mit Blick auf Klimakrise, Lieferengpässe und geopolitischen Verschiebungen.”
Unternehmen stehen vor vielen Transformationsaufgaben. Nicht nur ökologische Krisen wie den Klimawandel, Biodiversität oder Umgang mit Ressourcen wie Wasser müssen sie angehen, sondern auch die Arbeitsbedingungen in den globalen Wertschöpfungsketten verbessern. Dann gibt es noch das Thema Digitalisierung und die Folgen einer veränderten geopolitischen Lage.
In der Praxis steuerten Aufsichtsräte die nötigen Transformationsprozesse oft nicht ausreichend strategisch. Einer der Gründe sei fehlendes Wissen – insbesondere über die Umsetzung, sagt Sandhu. “Genau dabei wollen wir Aufsichtsräte unterstützen”, etwa beim Umgang mit Zielkonflikten. “Wenn ich in grüne Technologien investiere, aber gleichzeitig Arbeitsplätze abbauen muss, ist das ein Dilemma.” Aufsichtsräte bräuchten einen “guten inneren Kompass, um trotz großer allgemeiner Unsicherheit zu navigieren”.
Der Austausch von Aufsichtsräten aus unterschiedlichen Unternehmen ist daher ein Schwerpunkt des BIGL, das an der Hochschule für Wirtschaft & Recht Berlin angesiedelt ist. “Hilfreich ist vor allem der Austausch über mögliche Transitionspfade und erste Erfahrungen”, sagt Sandhu. Gleichzeitig bietet das Institut Fortbildungsmöglichkeiten. Im März 2025 soll ein mehrwöchiger Kurs starten. Interessierte können sich dazu direkt beim Institut melden.
“Es ist wichtig, die Transformationsthemen tiefgreifend und verknüpft zu verstehen“, sagt Katarin Wagner, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des BIGL. Damit das gelingt, muss sich auch die Selbsteinschätzung von Aufsichtsräten ändern. In einer Studie des European Center for Board Effectiveness gaben fast zwei Drittel der Befragten an, dass sie ESG-Kompetenzen haben. Vermutlich überschätzen sich viele. “Wie sollen die Aufsichtsräte beispielsweise in den vielen Unternehmen über Erfahrungswissen verfügen, wo es lange keine Nachhaltigkeitsabteilungen gab”, sagt Sandhu.
Aus Sicht von Wagner und Sandhu ist das Ergebnis ein Zeichen dafür, dass sich die Kultur in vielen Aufsichtsräten ändern muss. Sandhu, die intensiv zu Diversität in Aufsichtsräten geforscht hat, hält eine offene Diskussionsatmosphäre für wichtig. Diese entstünde auch durch diverse Perspektiven. “Offen zugeben zu können, dass ich als Aufsichtsrat Weiterbildungsbedarf habe, gehört aber genauso dazu“, ergänzt Wagner, die in anderer Rolle Co-Geschäftsführerin von econsense ist. Aufsichtsräte müssten als Team agieren, damit sie schwierige Entscheidungen treffen können, meint Sandhu und fragt: “Warum also nicht auch das aktiv entwickeln?”
Orientierung für gute Aufsichtsratsarbeit gemäß den Idealen einer Corporate Governance kann die doppelte Wesentlichkeitsanalyse bieten – also welche Folgen das eigene Geschäft etwa auf die Biodiversität und andersherum hat. Diese Angaben müssen viele Unternehmen gemäß der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) parat haben. Doch dabei geht es um deutlich mehr, als sich auf die Einhaltung der neuen Regeln (Compliance) zu fokussieren.
“Aus der Wesentlichkeitsanalyse müssen konsequente Ableitungen für die Strategie entstehen“, sagt Sandhu. Dabei gehe es um längere Zeiträume bis zu 15 Jahren. Das verlange strategischen Weitblick. Hier mache die Arbeit mit Szenarien Sinn, gerade auch mit Blick auf Marktchancen, die sich aus dem Wandel ergeben. Viele Aufsichtsräte blickten aber auf Berichtspflichten und fingen damit gewissermaßen am Ende des Prozesses an. “Berichten kann ich aber nur, wenn ich mich mit den Chancen und Risiken beschäftigt habe”, sagt Sandhu.
“Wir sind noch ganz am Anfang und wissen nicht, ob alle Datenpunkte helfen, um ein besseres Kontrollsystem aufzubauen und gezielter zu steuern”, sagt Wagner. Sich deshalb “dem Wandel zu verwehren”, fände sie aber eine verpasste Chance – denn “wir haben die Verantwortung, zu gestalten”. Wenn Unternehmen dies gelingen soll, müssten sie Nachhaltigkeit zum Querschnittsthema machen: “Dann geht es neben Strategie und Bericht um viele weitere Dinge, zum Beispiel um geeignete Profile für die Vorstandsmitglieder, um Vergütungsstrukturen oder um Risikomanagement”, sagt Sandhu.
Breit aufgestellt ist das Institut zumindest. Neben den Schwerpunkten Dialog und Weiterbildung geht es auch um Forschung. Die Angebote richten sich an Mitglieder aller Kontrollgremien – also auch von Beiräten und Kuratorien. Stiftungen und öffentliche Unternehmen mit Gemeinwohlauftrag gehören ebenso zu der Zielgruppe wie Mittelständler. Gefördert wird der gemeinnützige Verein unter anderem von der Stiftung Mercator.
Auf der Suche nach neuen Materialien, die klimaschonend und kreislauffähig sind, rücken biologische Systeme in den Vordergrund, die von einer kaum beachteten Spezies stammen: Pilze. Sie, oder genauer gesagt ihre Wurzeln, könnten in der Zukunft viel für den Klimaschutz tun – etwa als Baumaterial, zur Isolierung oder als Fleischersatz. Das legen Studien und erste Versuche für großskalige Anwendung der neuen Materialien nahe.
“Wir beobachten gerade erste Kommerzialisierungen durch Start-ups“, sagt etwa Dirk Hebel. Er ist Professor für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und forscht seit rund acht Jahren zu Pilzen als Baumaterial.
Hebel ist begeistert: Platten auf der Basis von Pilzmyzel könnten zukünftig überall dort Verwendung finden, wo heute Holzspanplatten genutzt werden. Diese haben nämlich ein Problem: Sie bestehen aus einem Gemisch aus Kleber und Holz, deshalb sind sie kaum recyclebar und werden am Ende ihrer Nutzungszeit meist verbrannt – das in ihnen gespeicherte CO₂ entweicht in die Atmosphäre.
Aus dem Pilzmyzel sowie organischen Resten wie beispielsweise Holz oder Gras lassen sich ähnlich stabile Platten herstellen: Das Myzel durchwächst die losen Materialien auf der Suche nach Nährstoffen und “klebt” sie dabei zusammen. Danach stirbt der Organismus durch Erhitzung und den dadurch stattfindenden Wasserentzug ab, übrig bleibt eine feste Struktur. Aber anders als die Holzspanplatten ist der neue Werkstoff “vollständig biologisch kompostierbar”, erklärt Hebel. Pilzmyzel als Alternative zu synthetischen Klebestoffen, die nicht kompostierbar sind, seien darum ein guter Ansatz für zirkuläres Wirtschaften, wie es die Bundesregierung in der Nationalen Kreislaufstrategie festschreiben möchte.
Wolfgang Hinterdobler, Mitgründer des österreichischen Unternehmens MyPilz, nutzt Pilze im Kampf gegen den Klimawandel ganz anders. Dafür entwickelte MyPilz einen Service, um Bodenpilze als Nützlinge für die Landwirtschaft zugänglich zu machen – dort sollen sie gegen Pflanzenschädlinge wirken und gleichzeitig den Humusaufbau im Boden vorantreiben. Dadurch wird CO₂ im Boden gebunden, weil Bodenpilze Pflanzenreste schnell verstoffwechseln, mit den Pflanzenwurzeln Symbiosen eingehen und dadurch Biomasse im Boden aufbauen und stabilisieren. Landwirte benötigen dann im Idealfall weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel. Aus einer lokalen Bodenprobe isoliert MyPilz für diese Anwendung einen lokalen Pilz. Landwirte bekommen diesen in Form von Pilzsporen geliefert. 1.345 Euro kostet das Basispaket für diesen Service.
Die Zucht von Pilzen führt nicht nur zu niedrigeren Emissionen, Pilze können gleichzeitig auch große Mengen an Kohlenstoff speichern. Eine Studie kam beispielsweise im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Mykorrhiza-Pilze jährlich bis zu 13 Gigatonnen CO₂ speichern. Das entspricht etwa einem Drittel der CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Ein Myzel ist die “Pilzwurzel” – eine Mykorrhiza entsteht, wenn ein Pilz die feinsten Wurzeln von Pflanzen mit dem Myzel umhüllt und so einen Austausch zwischen Pilz und Pflanze über die Wurzeln ermöglicht. Tausende Pilzarten bilden Mykorrhiza, beispielsweise Fliegenpilze, Pfifferlinge, Steinpilze und auch Trüffel.
Der Hauptgrund, warum Pilze so viel CO₂ speichern können: Anders als Pflanzen beherrschen sie keine Photosynthese, Zucker müssen sie deshalb aus anderem organischem Material aufnehmen. Das zersetzen sie bei der richtigen Feuchtigkeit und Temperatur sehr effizient.
Der Haken an der Sache: Pilze speichern den Kohlenstoff nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend. Aktuell wird daran geforscht, unter welchen Bedingungen sie dazu genutzt werden können, CO₂ möglichst lange und effizient im Boden zu halten.
Großes Klimapotenzial sieht Wolfgang Hinterdobler auch für Pilze in der Ernährung. Pilzprotein kann als Ersatzprodukt für emissionsintensives Fleisch eingesetzt werden. Das Start-up Hermann.Bio stellt beispielsweise mit dem Fungi Pad eine Fleischalternative auf der Basis von Kräuterseitlingen her. Das Unternehmen Quorn produziert Chickennuggets und Fleischbällchen aus Pilzprotein und bei Revo Foods gibt es auch Fisch- und Meeresfrüchteersatz daraus. Die Herstellung von einem Kilogramm Pilzen verursacht laut Studien rund zwei bis drei Kilogramm CO₂e, während die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch rund 100 Kilogramm CO₂e ausstößt.
Und Pilze könnten noch in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden: Der Schuhhersteller Giesswein beispielsweise nutzt Lederersatz auf der Basis von Pilzen. Genutzt werden dafür Pilze, die nicht den Standards der Lebensmittelindustrie entsprechen. Beim Unternehmen Mycoworks kann man auch Fußbälle, Handtaschen oder Hüte aus dem Pilzleder kaufen. Bisher sind das eher hochpreisige Designerprodukte, aber eine Studie geht davon aus, dass “Pilz-Leder” in der Herstellung sogar günstiger als tierisches oder synthetisches Leder sei.
“Ich sehe die Zukunft der Pilzwirtschaft sehr positiv“, sagt MyPilz-Mitgründer Hinterdobler. Ein großer Vorteil sei, dass der Anbau von Pilzen gut skalierbar ist und kaum Boden verbrauche – statt auf dem Ackerland können Pilze nämlich in Industrieanlagen aufgezogen werden.
Aktuell werden Pilzprodukte noch von kleinen Start-ups mit “viel Herzblut” hergestellt, meint der Wissenschaftler Dirk Hebel. Es gebe noch keinen stabilen Markt, keine Skaleneffekte. “Wir erleben auch noch viele Vorbehalte gegenüber dem Thema”, sagt er. Menschen hätten Angst, die Pilzprodukte anzufassen, weil sie denken, sie bestünden aus noch lebendigen Produkten. Da müsse es noch ein bisschen Aufklärung geben. Aber Hebel ist zuversichtlich: In zehn bis 15 Jahren werde man Pilzplatten auch im Baumarkt kaufen können. “Da bin ich mir eigentlich fast sicher”, sagt er.
Außerdem liege in der Pilzwelt noch sehr viel unerforschtes Potenzial, fügt Wolfgang Hinterdobler hinzu. Weniger als ein Prozent der Pilzarten weltweit wurde bisher im Detail erforscht. “Wenn wir damit schon so weit gekommen sind, dann ist da zukünftig noch sehr viel möglich”, sagt er.
Großkonzerne in Deutschland, Österreich und der Schweiz dekarbonisieren sich langsamer als bislang – so das Ergebnis der neuen Studie “Klimaschutz – Reporting zur Dekarbonisierung” von Kirchhoff Consult und der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wie es mit der Dekarbonisierung der Wirtschaft nun weitergehen soll, wird bereits jetzt zum Streitthema im Bundestagswahlkampf. Das zeigten Diskussionen auf dem Klimakongress des BDI und dem Klimatag der Klimaallianz diese Woche in Berlin.
Die Positionen gehen dabei stark auseinander: Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Regulierung abbauen will, “um eine Deindustrialisierung durch die Klimatransformation zu vermeiden”, sehen manche Unternehmen vor allem die Chancen der Transformation. NGOs, Gewerkschaften und die Agora-Thinktanks setzen auch auf weitere Regulierung, um Angebotspolitik und Preisanreize zu ergänzen.
“Die Industrie kann und möchte Transformation erfolgreich gestalten, aber die Politik muss dringend Fesseln lösen”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf dem Kongress des BDI. Dazu zählte er “komplexe Vorschriften, sehr detaillierte Zielvorgaben und eine starke technologische Einengung”, welche die schnelle Etablierung von Innovationen behindern würde. Für die Zeit nach der Bundestagswahl forderte er “einen Kurs- und Mentalitätswechsel der Politik hin zu technologischer Offenheit, unternehmerischer Freiheit und Pragmatismus“, um “eine realistische Balance von Ökologie und Ökonomie” zu erreichen.
Eine ganz andere Vorgehensweise wünscht sich Christiane Averbeck. Die Vorständin der Klimaallianz, einem Bündnis aus NGOs und Gewerkschaften, übergab fast zeitgleich zum BDI-Konfress den Forderungskatalog der Organisation zur Bundestagswahl an Wirtschaftsminister Robert Habeck. Zu den Ideen des Verbunds aus NGOs und Gewerkschaften gehören etwa strengere Regulierung für Investitionen, darunter:
In eine ähnliche Richtung geht die Studie “Klimaneutrales Deutschland” des grünennahen Thinktank-Verbunds Agora, die auch am Dienstag veröffentlicht wurde. Er beauftragte mehrere Forschungseinrichtungen, den sektorübergreifenden Finanzbedarf für die Klimatransformation bis 2045 zu errechnen.
Drei Viertel dieser Investitionen, so Agora, ließe sich “durch das Umlenken von Geldern weg von fossilen Technologien hin zu klimaneutralen Alternativen mobilisieren”. Denn in den nächsten 20 Jahren stünden auch ohne Klimatransformation große “Ohnehin-Investitionen” zur Erneuerung und Sanierung von Fahrzeugen, Gebäuden, Infrastruktur und Produktionsanlagen an.
Zur Ergänzung einer Angebots- und Förderpolitik sowie CO₂-Steuern rät auch Agora zu schärferer Regulierung, um Marktversagen vorzubeugen und Planungssicherheit für klimafreundliche, aber kapitalintensive Investitionen zu schaffen. Die Regeln müssten sich je nach Bereichen unterscheiden, so Agora. Beispielsweise seien Quoten für klimafreundliche Baugrundstoffe und angemessene Energieeffizienz-Regeln für Gebäude notwendig.
Wie unterschiedlich die Vorstellungen von Pragmatismus und Realismus auch zwischen Wirtschaftsvertretern sind, zeigte sich am Dienstag während einer Podiumsdiskussion beim BDI-Kongress. Sopna Sury, verantwortlich für Wasserstoff beim Kraftwerksbetreiber RWE Generation, lobte die Angebots- und Förderpolitik der Ampel-Koalition für ihren Sektor und warnte davor, “Chancen tot oder kaputt zu reden”.
Schweigen erntete hingegen Patrick Wendeler, Deutschland-Chef von BP. Er verteidigte die Entscheidung des Mineralölkonzerns, die eigenen Klimaziele teilweise zurückzunehmen und fossile Energiequellen neu zu erschließen. Sein Argument: BP sei kein Sozialverband, sondern müsse auch in der Transformation Rendite erwirtschaften. Hinter vorgehaltener Hand sagte dazu ein Vertreter eines großen deutschen Versicherungsunternehmens, dass man so nicht mehr in BP investieren könne.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat gemeinsam mit Kollegen aus Spanien, Slowenien, Belgien und Luxemburg die neue EU-Kommission aufgefordert, die Belange der gemeinwohlorientierten Wirtschaft nicht zu vernachlässigen. Es sei “besorgniserregend”, dass in keinem der Mission letter für die designierten Kommissare auf die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen im Bereich der Sozialwirtschaft eingegangen werde, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben. Adressat sind drei der neuen Exekutiv-Vizepräsidenten, Teresa Ribera, Stéphane Séjourné und Roxana Mînzatu.
Habeck und Co verweisen darauf, dass der Sektor in der EU acht Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung ausmache und mehr als 14 Millionen Arbeitnehmer beschäftige. In der vergangenen Legislaturperiode war Sozialkommissar Nicolas Schmit für den Bereich zuständig gewesen.
Unter seiner Führung hatte die Kommission einen Aktionsplan für die Sozialwirtschaft vorgelegt, der Rat beschloss Empfehlungen für die Entwicklung geeigneter Rahmenbedingungen. Die Unterzeichner des Briefes fordern, dass die neue Kommission sich zur vollständigen Umsetzung des Aktionsplans bekennen und politische Prioritäten in diesem Bereich für die anlaufende Legislaturperiode vorschlage.
“Die EU muss jetzt die richtigen Weichen stellen, um die vereinbarten Maßnahmenpakete zur Unterstützung der Unternehmen weiter konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln”, sagte Habeck. Dazu gehörten ein diskriminierungsfreier Zugang zu Förder- und Finanzierungsinstrumenten sowie gute rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich der Beihilfe und der öffentlichen Auftragsvergabe. tho
Sieben Umweltverbände, darunter Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderten am Donnerstag die Politik auf, die klimaschützende Wirkung des Waldes wiederherzustellen. Sie reagieren auf die Anfang Oktober veröffentlichten Zahlen der vierten Bundeswaldinventur 2022. Demnach erzeugt der Wald in Deutschland mehr Kohlendioxid, als er bindet.
Angesichts der “alarmierenden Zahlen” solle der Bund ein Sofortprogramm einläuten, sagte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, bei der Vorstellung eines Rettungsplans für den Wald. Insbesondere die intensive Forstwirtschaft müsse beschränkt werden.
Die Umweltverbände fordern, dass mindestens 15 Prozent der Waldfläche stillgelegt und damit nicht mehr bewirtschaftet werden sollen. Wälder müssten vielfältiger werden, sagte Martin Kaiser, Vorstandsvorsitzender bei Greenpeace, denn “naturnahe Bestände bestehen in den klimatischen Extremen besser.” Außerdem fordern die Verbände eine gesetzliche Verankerung der Klimaschutzleistung des Waldes.
Susanne Winter vom World Wide Fund for Nature (WWF) kritisierte den steigenden Holzverbrauch, der nicht nachhaltig sei. Um “steigende Holzarmut und Klimaschaden” anzuhalten, müsse auch die Kreislaufwirtschaft stärker gefördert werden.
Mit der Reform des Bundeswaldgesetzes, das derzeit in Ressortabstimmung ist, könnten “die richtigen Leitplanken für einen Richtungswechsel” gesetzt werden, heißt es von den Verbänden.
Allerdings wird der Entwurf von der FDP blockiert. Anfang Oktober erklärte Karlheinz Busen, forstpolitischer Sprecher der FDP, dass Klimaschutz “mit einer Waldbewirtschaftung viel besser funktioniert als in stillgelegten Wäldern”. Hierfür böte das bereits bestehende Bundeswaldgesetz von 1975 den “idealen Rahmen”.
Auch die Waldbesitzer kritisieren den Entwurf und halten eine Gesetzesänderung für überflüssig. “Anstatt dem Wald seinen Nutzen für uns alle abzusprechen, sollten diejenigen unterstützt und motiviert werden, die ihn zukunftsfähig aufstellen“, sagte Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. ag
Der Verband für Bauen im Bestand e. V. (BiB) will mit seiner neuen “BiB Academy”, die Reparaturkultur bereits in der Lehre sowie in Aus- und Weiterbildungsprogrammen verankern. Dafür wird der BiB künftig eng mit Bildungsinstitutionen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen in der Immobilienwirtschaft, Architektur und im Bauwesen zusammenarbeiten. Die Kooperation soll “die Integration neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und praxisorientierter Methoden des Bauens im Bestand” in Lehre- und Ausbildung gewährleisten, heißt es in einer Mitteilung.
Sarah Dungs, Vorstandsvorsitzende des (BiB) sagt: “Bislang ist die Immobilienbranche auf den Neubau ausgerichtet, was sich auch in den Aus- und Weiterbildungsangeboten widerspiegelt. Nur wenige Institutionen bieten Lehrinhalte zum Thema Bauen im Bestand an“. Es sei daher Ziel der neuen Akademie, schon bestehende Bildungseinrichtungen mit schnell verfügbaren Lehrangeboten zu unterstützen, ohne neue Institutionen zu schaffen.
Den Fokus stärker vom Neubau zu Bestand und Sanierung zu verlagern, ist entscheidend, damit die Branche ihre Klimaziele erreicht und insgesamt nachhaltiger wird. Über 28 Milliarden Tonnen Baumaterialien sind laut dem Umweltbundesamt (UBA) deutschlandweit in Gebäuden verbaut. Das ist ein gewaltiges Rohstofflager.
Zugleich zeigt eine Analyse des Planungs- und Beratungsbüros Arup, dass durch Sanierung bis zu 70 Prozent der CO₂-Emissionen im Vergleich zu Abriss und Neubau eingespart werden können. Auch ein von 20 Organisationen und Unternehmen im Sommer unterzeichnetes Diskussionspapier des WWF betont das Klimaschutzpotenzial von Bestandserhalt und Sanierung. Schließlich verursache ein Neubau etwa 800 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter, während es bei einer Sanierung nur etwa 150-200 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter seien.
Laut dem BiB könne das Ausbildungsangebot zugleich die Innovationskraft der Branche stärken. Dazu bietet die BiB Academy Bildungseinrichtungen spezialisierte Module, umfangreiche Bildungsmaterialien und qualifizierte Dozierende an, die unabhängig Wissen vermitteln. Derzeit bestehen bereits Kooperation mit der “bbw Hochschule”, der “Irebs Immobilienakademie” und dem Studiengang “Real Estate Management” (REM).
Langfristig zielt die BiB Academy darauf, “eine Generation von Fachkräften auszubilden, die nachhaltiges Bauen priorisiert, um natürliche Ressourcen zu schützen und CO₂-Emissionen zu reduzieren”. Anna Gauto
Am Mittwoch hatte der Rechtsausschuss des Bundestags zu einer zweistündigen Anhörung zur Umsetzung der CSRD-Richtlinie eingeladen. Zehn Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Verbänden, NGOs, Beiräten und Gewerkschaften standen den Abgeordneten Rede und Antwort. Anders als bei der ersten Lesung im Plenum Ende September verlief die Diskussion sachlich. Schuldzuweisungen, wer die zusätzliche Belastung für Unternehmen zu verantworten hat, blieben weitgehend aus.
Es ging etwa darum, weshalb CSRD-Berichte nötig sind, und um die frühzeitige Beteiligung von Mitarbeitern bei der Erstellung. Im Fokus standen vor allem drei Themen:
Die Runde, die öffentlich vor einem voll besetzten Zuschauerrang tagte, gelangte nicht zu Ergebnissen. Darüber werden die Berichterstatter der Fraktionen verhandeln. Was sich aber schon sagen lässt: Die Zukunft der Aufstellungslösung dürfte fraglich sein. Als Otto Fricke (FDP) wissen wollte, ob jemand zu ihrer Verteidigung bereit wäre, fand sich niemand.
Laut EU-Vorgabe hätte die CSRD-Richtlinie bereits Anfang Juli umgesetzt werden müssen; angestrebt wird jetzt Ende 2024. Auf dieser Seite des Bundestags können das Video der Anhörung und die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen abgerufen werden. maw
Trees and land absorbed almost no CO₂ last year. Is nature’s carbon sink failing? – The Guardian
Die vorläufigen Ergebnisse eines internationalen Forscherteams zeigen, dass im Jahr 2023 die Menge des vom Boden aufgenommenen CO₂ drastisch zurückgegangen ist. Wälder, Pflanzen und Böden hätten kaum noch CO₂ absorbiert, berichtet Patrick Greenfield. Als Ursachen sehen die Wissenschaftler unter anderem Dürren und Waldbrände. Hinzu komme, dass auch die sich erwärmenden Ozeane immer weniger CO₂ aufnehmen. Zusammengenommen könne das den Klimawandel stark beschleunigen. In den derzeitigen Klimamodellen sei der plötzliche Zusammenbruch der Kohlenstoffsenken aber noch nicht berücksichtigt. Zum Artikel
Tech-Branche will Atomkraft verwenden: Ein tückisches Narrativ – taz
Das Amazon und Co. für ihre Rechenzentren Atomkraftwerke bauen wollen, sei der falsche Weg, kommentiert Svenja Bergt. Denn Atomkraft sei weder emissionsfrei, noch müsse künstliche Intelligenz zwangsläufig so viel Strom verbrauchen. Die Industrie solle, wie andere Branchen, zu Energieeffizienz gedrängt werden. Green Coding und ressourcenschonende Rechenzentren seien Beispiele. Zum Artikel
Northvolt: How Europe’s battery champion descended into crisis – Financial Times
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt wollte zu viel zu schnell, um technologischen Rückstand aufzuholen und Investoren zu befriedigen, schreiben Richard Milne, Jamie John und Mari Novik nach anonymisierten Gesprächen mit Mitarbeitern. Nun steckt das Unternehmen in einer existenziellen Krise, was den Bau einer Großfabrik in Schleswig-Holstein zumindest verzögern dürfte. Zum Artikel
Wer viel fliegt, zahlt extra: Was würde eine Vielfliegerabgabe bringen? – Der Standard
Eine europaweite Vielfliegerabgabe könnte Milliarden Euro in die Staatskassen spülen und gleichzeitig klimaschädliche Emissionen reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks New Economics Foundation, die sich Regina Bruckner und Benedikt Narodoslawsky näher angesehen haben. Demnach könnte eine Einführung 63,6 Milliarden Euro für die öffentliche Hand bringen, ohne dass die meisten Menschen davon betroffen wären. Ab dem dritten Flug pro Jahr wären dann für einen Mittelstreckenflug 50 Euro, für einen Langstreckenflug 100 Euro mehr fällig. Zum Artikel
EU-Land will mehr russisches Gas kaufen – und stärkt damit Russlands Wirtschaft – FR
Ungarn will künftig mehr Erdgas aus Russland beziehen. Deshalb hat das Land Verhandlungen mit dem Energiekonzern Gazprom aufgenommen, berichtet Lars-Eric Nievelstein. Die Lieferung soll über die Turkstream-Pipeline unter dem Schwarzen Meer erfolgen. Hintergrund ist, dass die Ukraine den Transit von russischem Gas durch ihre Pipelines zum Jahresende einstellen will. Ungarn bezieht derzeit rund 4,5 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr. Aus Sicht der Regierung unterstützt die EU den Verzicht auf russisches Gas nicht ausreichend. Zum Artikel
Werkstoff: Recycling-Fahrrad geht auf Weltreise – Automobil Industrie
Igus, Hersteller von Hochleistungspolymeren mit Sitz in Köln, schickt zum 60-jährigen Firmenjubiläum sein schmier- und wartungsfreies Igus-Bike auf Welttournee. Das Fahrrad wird ein Jahr lang auf den Straßen von 16 Ländern zu sehen sein und auf das Thema Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen aufmerksam machen, schreibt Lina Demmel. Auf seinem Weg soll es Industriekunden, Recyclingpartner, Medienvertreter und Verbraucher davon überzeugen, dass Kunststoffe nicht in der Müllverbrennung oder auf der Deponie landen müssen, sondern als recycelter Rohstoff die Mobilität von morgen mitgestalten können. Zum Artikel
Wenn kommende Woche im kolumbianischen Cali die Weltnaturkonferenz COP16 beginnt, werden unter den Teilnehmern auch viele Vertreter der Wirtschaft sein: Nachhaltigkeitsmanager globaler Konzerne, Fachexperten von Wirtschaftsinitiativen, Gründer innovativer Start-ups. Sie alle beschäftigt die Frage, welche Auswirkungen der globale Biodiversitätsverlust auf ihre Unternehmen hat und was sie tun können, um ihn zu stoppen.
Dieses Interesse der Wirtschaft an Biodiversität ist neu. Während die “Klima-COP” ein Pflichttermin für Nachhaltigkeitsmanager und Vorstandschefs ist, galt das bislang kaum für die “Natur-COP”. Bislang beschäftigte sich kaum ein Unternehmen mit den Folgen des Artensterbens. Auch fragte sich kaum ein Wirtschaftssektor bisher, wie er vom Teil des Problems zum Teil der Lösung der globalen Biodiversitätskrise werden kann. Wie ist aus weitgehender Ignoranz plötzlich ein spürbar steigendes Interesse geworden?
Es sind vor allem vier Entwicklungen, die das Thema Biodiversität jetzt auf die Unternehmensagenda bringen:
Aus diesen Gründen entwickelt sich Biodiversität jetzt analog zum Thema Klima vor zehn Jahren: vom “nice to have” zu “must have” für Unternehmen.
Längst geht es nicht mehr darum, ein paar Bienenstöcke aufzustellen und Blühwiesen auf dem Firmengelände anzulegen. Biodiversität ist zum Business-Thema geworden. Mehr noch: Biodiversität gehört auf die Vorstandsagenda! Denn längst sind die Naturrisiken, aber auch die Chancen durch natur-positives Wirtschaften zu “materiell”, also erfolgskritisch, um delegiert zu werden.
Mein Eindruck aus Gesprächen mit Vorstandschefs ist, dass sich immer mehr mit dem Thema befassen. Dennoch fällt es Nachhaltigkeitsmanagern weiter schwer, Biodiversität ganz oben zu verankern.
Dafür braucht es jetzt dreierlei: erstens ein positives Narrativ, das nicht nur die Risiken, sondern auch die wirtschaftlichen Chancen benennt. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) schätzt, dass Unternehmen jährlich 10,1 Billionen US-Dollar an zusätzlichen Umsätzen erzielen und 395 Millionen neue Jobs bis 2030 schaffen, wenn sie stärker mit der Natur statt gegen sie wirtschaften. Kreislaufwirtschaft, naturbasierte Lösungen und neue Umweltmärkte sind einige der Stichworte, über die sich weitaus strategischer sprechen lässt als über die nächste Regulierungsrunde.
Zweitens ist ein enger Austausch mit der Wissenschaft entscheidend. Bisher gibt es zu wenig Wissenstransfer in beide Richtungen. Dabei kann die Wissenschaft Unternehmen unterstützen, relevante Fragen zu beantworten: Wie kann ich den Zustand der Natur messen und Veränderungen bepreisen, die meine Geschäftstätigkeit hervorruft? Wo sollte meine nächste Produktionsstätte biodiversitätsschonend entstehen? Welche Investitionen bringen gleichermaßen Mehrwert für die Natur und für das Geschäft? Wer wissenschaftsbasiert vorgeht, begrenzt auch das Risiko, Kritik hervorzurufen (Greenwashing) und damit sich selbst und der Natur mehr zu schaden als zu helfen.
Schließlich braucht es mehr Unternehmertum: Unternehmen können viele Maßnahmen ergreifen, um ihren negativen Impact auf die Natur zu reduzieren (Footprint), positiven Impact zu erzeugen (Handprint) und Mitstreiter für die Transformation zu gewinnen (Heartprint). Immer häufiger gelingt es ihnen dabei, gleichzeitig Vorteile für die Natur und das Geschäft zu erzielen, also Business Cases für Biodiversität zu schaffen. Es gibt also in den kommenden zwei Wochen viel zu diskutieren auf den Panels und Side-Events der Weltnaturkonferenz in Kolumbien.
Dr. Tobias Raffel ist Direktor der NGO Biodiversity Bridge, die führende Biodiversitätsexperten zusammenbringt, Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft baut und Unternehmen hilft, das Thema Biodiversität zu managen. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Strategieberatung und im Stiftungsmanagement und leitete zuletzt das Nachhaltigkeitsinstitut der Business School ESMT Berlin.
Die Deutsche Umwelthilfe hat am Mittwoch zum 29. Mal den UmweltMedienpreis verliehen. Die Organisation würdigt damit “herausragende Leistungen und die wirkungsvolle Präsentation von Natur-, Umwelt- und Klimathemen in der Öffentlichkeit.”
Diesjährige Preisträger in der Kategorie Text sind Ute Scheub und Stefan Schwarzer für ihr Buch “Aufbäumen gegen die Dürre“. In der Kategorie Audio wurden Sandra Pfister, Jule Reimer und Georg Ehring geehrt. Sie verantworten das tägliche Format “Umwelt und Verbraucher” beim Deutschlandfunk. Den Medienpreis in der Kategorie Video erhielt Michael Höft für seine ARD-Dokumentation “LNG um jeden Preis – Wie schmutzig ist das US-Gas?“. Der Publikumspreis ging an Instagram-“Plantfluencer” Robinga Schnögelrögel. Die Journalistin Christiane Grefe wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Am Mittwoch wurden auch der Nachhaltigkeitsbeirat von Volkswagen neu benannt. Die Mitglieder des 24-köpfigen Gremium sollen “Impulsgeber, Unterstützer, kritische Stimme und Challenger” sein, heißt es von Unternehmensseite.
Neben VW-Vertretern gehören dem Beirat auch zwölf Experten aus Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft an: Aron Cramer (Business for Social Responsibility), Frauke Fischer (Universität Würzburg), Joel Hartter (Colorado University), Laura-Kristine Krause (Yale University), Rosaline May Lee (Rensselaer Polytechnic Institute), Marcin Piersian (Alliance for Responsible Mining), Christine Schildmann (Hans-Böckler-Stiftung), Rebecca Tauer (WWF), William Todts (T&E), Jean-Louis Warnholz (Future), Hannah Zoller (University of Labour) und Julian Zuber (German Zero).
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
China.Table – New Frontier im hohen Norden: Was China und Russland in der Arktis planen: Infolge des Klimawandels wollen Russland und China in der Arktis gemeinsam Bodenschätze und neue Seewege erschließen. Doch die Partnerschaft findet nicht auf Augenhöhe statt und könnte bald sogar in Feindschaft umschlagen. Zum Artikel
China.Table – Batterierecycling: Warum alle Augen nach China blicken: China steht eine Welle ausgemusterter Elektroautobatterien bevor. Politik und Industrie haben vorgesorgt und wollen aus dem Recyclingboom den größtmöglichen Nutzen ziehen – ökologisch wie finanziell. Europa kann daraus lernen. Zum Artikel
wer junge Menschen befragt, bekommt einen guten Eindruck davon, warum sich unsere Gesellschaft mit der Transformation schwertut. Ihre Aussagen offenbaren eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung. Zwar sind sich 70 Prozent der jungen Menschen sicher, dass sie die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse durch eigenes Engagement beeinflussen können. Zugleich fehlt mehr als der Hälfte der Befragten (56 Prozent) das Vertrauen in die Einsicht ihrer Mitmenschen.
Gelingen kann die Transformation aber nur, wenn beides gelingt – sich Menschen also individuell einbringen und die Gesellschaft als Ganzes die Aufgabe angeht. Zum Glück enthält die in dieser Woche veröffentlichte Shell-Jugendstudie für alle Verfechter des Wandels auch eine gute Nachricht: 86 Prozent der jungen Menschen vertrauen darauf, dass eine bessere Welt möglich ist.
Mehr Engagement bräuchte die ältere Generation in den Unternehmen, was ein Blick in die Kontrollorgane der Unternehmen zeigt. Viele Aufsichtsräte nehmen ihre strategische Verantwortung unzureichend wahr – dabei stellen sich gerade in der Transformation existenzielle Fragen. Aufsichtsräte für den Umbau fit machen wollen daher die Wissenschaftlerin Philine Erfurt Sandhu und die Wirtschaftsvertreterin Katarin Wagner. Dazu haben sie das Berliner Institut für Governance & Leadership gegründet. Nicolas Heronymus hat sie getroffen.
Der Wahlkampf mit Blick auf die Transformation hat diese Woche auch im politischen Berlin begonnen. Umstritten dürfte hier vor allem sein, ob die Wirtschaft für die Transformation weiter reguliert oder vor allem dereguliert werden sollte. Alex Veit analysiert. Dazu passt die Abstimmung über das von der Union eingebrachte Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz am Donnerstag. 412 Abgeordnete stimmten dagegen, 247 dafür, bei einer Enthaltung. Damit ist das Thema vom Tisch.
Unternehmen zeigen ein reges Interesse an der COP für Biodiversität in Kolumbien. Woher das neue Interesse kommt, beschäftigtTobias Raffel, Direktor der NGO Biodiversity Bridge, in seinem Standpunkt für uns. Vor allem vier Entwicklungen heben das Thema derzeit auf die Unternehmensagenda.
Eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Transformationsprozessen kommt Aufsichtsräten zu. Aber viele werden ihrer Aufgabe nicht gerecht. Abhilfe schaffen will das neue Berliner Institut für Governance & Leadership (BIGL), das am heutigen Freitag seine Auftaktkonferenz abhält.
“Das Governance-Dreieck aus Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionären sehen wir als zentralen Hebel, um die nötige Dynamik für die Transformation in Unternehmen zu schaffen“, sagt Philine Erfurt Sandhu, Vorstandsvorsitzende von BIGL. Der Aufsichtsrat habe qua Gesetz die Aufgabe, die Unternehmensstrategie zu überwachen. Da die Strategie “die Stellschraube für die Zukunft” sei, gebe es gerade dort Gestaltungsraum. “Er muss abschätzen, ob das Unternehmen mit der Strategie gut aufgestellt ist, mit Blick auf Klimakrise, Lieferengpässe und geopolitischen Verschiebungen.”
Unternehmen stehen vor vielen Transformationsaufgaben. Nicht nur ökologische Krisen wie den Klimawandel, Biodiversität oder Umgang mit Ressourcen wie Wasser müssen sie angehen, sondern auch die Arbeitsbedingungen in den globalen Wertschöpfungsketten verbessern. Dann gibt es noch das Thema Digitalisierung und die Folgen einer veränderten geopolitischen Lage.
In der Praxis steuerten Aufsichtsräte die nötigen Transformationsprozesse oft nicht ausreichend strategisch. Einer der Gründe sei fehlendes Wissen – insbesondere über die Umsetzung, sagt Sandhu. “Genau dabei wollen wir Aufsichtsräte unterstützen”, etwa beim Umgang mit Zielkonflikten. “Wenn ich in grüne Technologien investiere, aber gleichzeitig Arbeitsplätze abbauen muss, ist das ein Dilemma.” Aufsichtsräte bräuchten einen “guten inneren Kompass, um trotz großer allgemeiner Unsicherheit zu navigieren”.
Der Austausch von Aufsichtsräten aus unterschiedlichen Unternehmen ist daher ein Schwerpunkt des BIGL, das an der Hochschule für Wirtschaft & Recht Berlin angesiedelt ist. “Hilfreich ist vor allem der Austausch über mögliche Transitionspfade und erste Erfahrungen”, sagt Sandhu. Gleichzeitig bietet das Institut Fortbildungsmöglichkeiten. Im März 2025 soll ein mehrwöchiger Kurs starten. Interessierte können sich dazu direkt beim Institut melden.
“Es ist wichtig, die Transformationsthemen tiefgreifend und verknüpft zu verstehen“, sagt Katarin Wagner, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des BIGL. Damit das gelingt, muss sich auch die Selbsteinschätzung von Aufsichtsräten ändern. In einer Studie des European Center for Board Effectiveness gaben fast zwei Drittel der Befragten an, dass sie ESG-Kompetenzen haben. Vermutlich überschätzen sich viele. “Wie sollen die Aufsichtsräte beispielsweise in den vielen Unternehmen über Erfahrungswissen verfügen, wo es lange keine Nachhaltigkeitsabteilungen gab”, sagt Sandhu.
Aus Sicht von Wagner und Sandhu ist das Ergebnis ein Zeichen dafür, dass sich die Kultur in vielen Aufsichtsräten ändern muss. Sandhu, die intensiv zu Diversität in Aufsichtsräten geforscht hat, hält eine offene Diskussionsatmosphäre für wichtig. Diese entstünde auch durch diverse Perspektiven. “Offen zugeben zu können, dass ich als Aufsichtsrat Weiterbildungsbedarf habe, gehört aber genauso dazu“, ergänzt Wagner, die in anderer Rolle Co-Geschäftsführerin von econsense ist. Aufsichtsräte müssten als Team agieren, damit sie schwierige Entscheidungen treffen können, meint Sandhu und fragt: “Warum also nicht auch das aktiv entwickeln?”
Orientierung für gute Aufsichtsratsarbeit gemäß den Idealen einer Corporate Governance kann die doppelte Wesentlichkeitsanalyse bieten – also welche Folgen das eigene Geschäft etwa auf die Biodiversität und andersherum hat. Diese Angaben müssen viele Unternehmen gemäß der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) parat haben. Doch dabei geht es um deutlich mehr, als sich auf die Einhaltung der neuen Regeln (Compliance) zu fokussieren.
“Aus der Wesentlichkeitsanalyse müssen konsequente Ableitungen für die Strategie entstehen“, sagt Sandhu. Dabei gehe es um längere Zeiträume bis zu 15 Jahren. Das verlange strategischen Weitblick. Hier mache die Arbeit mit Szenarien Sinn, gerade auch mit Blick auf Marktchancen, die sich aus dem Wandel ergeben. Viele Aufsichtsräte blickten aber auf Berichtspflichten und fingen damit gewissermaßen am Ende des Prozesses an. “Berichten kann ich aber nur, wenn ich mich mit den Chancen und Risiken beschäftigt habe”, sagt Sandhu.
“Wir sind noch ganz am Anfang und wissen nicht, ob alle Datenpunkte helfen, um ein besseres Kontrollsystem aufzubauen und gezielter zu steuern”, sagt Wagner. Sich deshalb “dem Wandel zu verwehren”, fände sie aber eine verpasste Chance – denn “wir haben die Verantwortung, zu gestalten”. Wenn Unternehmen dies gelingen soll, müssten sie Nachhaltigkeit zum Querschnittsthema machen: “Dann geht es neben Strategie und Bericht um viele weitere Dinge, zum Beispiel um geeignete Profile für die Vorstandsmitglieder, um Vergütungsstrukturen oder um Risikomanagement”, sagt Sandhu.
Breit aufgestellt ist das Institut zumindest. Neben den Schwerpunkten Dialog und Weiterbildung geht es auch um Forschung. Die Angebote richten sich an Mitglieder aller Kontrollgremien – also auch von Beiräten und Kuratorien. Stiftungen und öffentliche Unternehmen mit Gemeinwohlauftrag gehören ebenso zu der Zielgruppe wie Mittelständler. Gefördert wird der gemeinnützige Verein unter anderem von der Stiftung Mercator.
Auf der Suche nach neuen Materialien, die klimaschonend und kreislauffähig sind, rücken biologische Systeme in den Vordergrund, die von einer kaum beachteten Spezies stammen: Pilze. Sie, oder genauer gesagt ihre Wurzeln, könnten in der Zukunft viel für den Klimaschutz tun – etwa als Baumaterial, zur Isolierung oder als Fleischersatz. Das legen Studien und erste Versuche für großskalige Anwendung der neuen Materialien nahe.
“Wir beobachten gerade erste Kommerzialisierungen durch Start-ups“, sagt etwa Dirk Hebel. Er ist Professor für Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und forscht seit rund acht Jahren zu Pilzen als Baumaterial.
Hebel ist begeistert: Platten auf der Basis von Pilzmyzel könnten zukünftig überall dort Verwendung finden, wo heute Holzspanplatten genutzt werden. Diese haben nämlich ein Problem: Sie bestehen aus einem Gemisch aus Kleber und Holz, deshalb sind sie kaum recyclebar und werden am Ende ihrer Nutzungszeit meist verbrannt – das in ihnen gespeicherte CO₂ entweicht in die Atmosphäre.
Aus dem Pilzmyzel sowie organischen Resten wie beispielsweise Holz oder Gras lassen sich ähnlich stabile Platten herstellen: Das Myzel durchwächst die losen Materialien auf der Suche nach Nährstoffen und “klebt” sie dabei zusammen. Danach stirbt der Organismus durch Erhitzung und den dadurch stattfindenden Wasserentzug ab, übrig bleibt eine feste Struktur. Aber anders als die Holzspanplatten ist der neue Werkstoff “vollständig biologisch kompostierbar”, erklärt Hebel. Pilzmyzel als Alternative zu synthetischen Klebestoffen, die nicht kompostierbar sind, seien darum ein guter Ansatz für zirkuläres Wirtschaften, wie es die Bundesregierung in der Nationalen Kreislaufstrategie festschreiben möchte.
Wolfgang Hinterdobler, Mitgründer des österreichischen Unternehmens MyPilz, nutzt Pilze im Kampf gegen den Klimawandel ganz anders. Dafür entwickelte MyPilz einen Service, um Bodenpilze als Nützlinge für die Landwirtschaft zugänglich zu machen – dort sollen sie gegen Pflanzenschädlinge wirken und gleichzeitig den Humusaufbau im Boden vorantreiben. Dadurch wird CO₂ im Boden gebunden, weil Bodenpilze Pflanzenreste schnell verstoffwechseln, mit den Pflanzenwurzeln Symbiosen eingehen und dadurch Biomasse im Boden aufbauen und stabilisieren. Landwirte benötigen dann im Idealfall weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel. Aus einer lokalen Bodenprobe isoliert MyPilz für diese Anwendung einen lokalen Pilz. Landwirte bekommen diesen in Form von Pilzsporen geliefert. 1.345 Euro kostet das Basispaket für diesen Service.
Die Zucht von Pilzen führt nicht nur zu niedrigeren Emissionen, Pilze können gleichzeitig auch große Mengen an Kohlenstoff speichern. Eine Studie kam beispielsweise im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Mykorrhiza-Pilze jährlich bis zu 13 Gigatonnen CO₂ speichern. Das entspricht etwa einem Drittel der CO₂-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Ein Myzel ist die “Pilzwurzel” – eine Mykorrhiza entsteht, wenn ein Pilz die feinsten Wurzeln von Pflanzen mit dem Myzel umhüllt und so einen Austausch zwischen Pilz und Pflanze über die Wurzeln ermöglicht. Tausende Pilzarten bilden Mykorrhiza, beispielsweise Fliegenpilze, Pfifferlinge, Steinpilze und auch Trüffel.
Der Hauptgrund, warum Pilze so viel CO₂ speichern können: Anders als Pflanzen beherrschen sie keine Photosynthese, Zucker müssen sie deshalb aus anderem organischem Material aufnehmen. Das zersetzen sie bei der richtigen Feuchtigkeit und Temperatur sehr effizient.
Der Haken an der Sache: Pilze speichern den Kohlenstoff nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend. Aktuell wird daran geforscht, unter welchen Bedingungen sie dazu genutzt werden können, CO₂ möglichst lange und effizient im Boden zu halten.
Großes Klimapotenzial sieht Wolfgang Hinterdobler auch für Pilze in der Ernährung. Pilzprotein kann als Ersatzprodukt für emissionsintensives Fleisch eingesetzt werden. Das Start-up Hermann.Bio stellt beispielsweise mit dem Fungi Pad eine Fleischalternative auf der Basis von Kräuterseitlingen her. Das Unternehmen Quorn produziert Chickennuggets und Fleischbällchen aus Pilzprotein und bei Revo Foods gibt es auch Fisch- und Meeresfrüchteersatz daraus. Die Herstellung von einem Kilogramm Pilzen verursacht laut Studien rund zwei bis drei Kilogramm CO₂e, während die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch rund 100 Kilogramm CO₂e ausstößt.
Und Pilze könnten noch in vielen anderen Bereichen eingesetzt werden: Der Schuhhersteller Giesswein beispielsweise nutzt Lederersatz auf der Basis von Pilzen. Genutzt werden dafür Pilze, die nicht den Standards der Lebensmittelindustrie entsprechen. Beim Unternehmen Mycoworks kann man auch Fußbälle, Handtaschen oder Hüte aus dem Pilzleder kaufen. Bisher sind das eher hochpreisige Designerprodukte, aber eine Studie geht davon aus, dass “Pilz-Leder” in der Herstellung sogar günstiger als tierisches oder synthetisches Leder sei.
“Ich sehe die Zukunft der Pilzwirtschaft sehr positiv“, sagt MyPilz-Mitgründer Hinterdobler. Ein großer Vorteil sei, dass der Anbau von Pilzen gut skalierbar ist und kaum Boden verbrauche – statt auf dem Ackerland können Pilze nämlich in Industrieanlagen aufgezogen werden.
Aktuell werden Pilzprodukte noch von kleinen Start-ups mit “viel Herzblut” hergestellt, meint der Wissenschaftler Dirk Hebel. Es gebe noch keinen stabilen Markt, keine Skaleneffekte. “Wir erleben auch noch viele Vorbehalte gegenüber dem Thema”, sagt er. Menschen hätten Angst, die Pilzprodukte anzufassen, weil sie denken, sie bestünden aus noch lebendigen Produkten. Da müsse es noch ein bisschen Aufklärung geben. Aber Hebel ist zuversichtlich: In zehn bis 15 Jahren werde man Pilzplatten auch im Baumarkt kaufen können. “Da bin ich mir eigentlich fast sicher”, sagt er.
Außerdem liege in der Pilzwelt noch sehr viel unerforschtes Potenzial, fügt Wolfgang Hinterdobler hinzu. Weniger als ein Prozent der Pilzarten weltweit wurde bisher im Detail erforscht. “Wenn wir damit schon so weit gekommen sind, dann ist da zukünftig noch sehr viel möglich”, sagt er.
Großkonzerne in Deutschland, Österreich und der Schweiz dekarbonisieren sich langsamer als bislang – so das Ergebnis der neuen Studie “Klimaschutz – Reporting zur Dekarbonisierung” von Kirchhoff Consult und der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wie es mit der Dekarbonisierung der Wirtschaft nun weitergehen soll, wird bereits jetzt zum Streitthema im Bundestagswahlkampf. Das zeigten Diskussionen auf dem Klimakongress des BDI und dem Klimatag der Klimaallianz diese Woche in Berlin.
Die Positionen gehen dabei stark auseinander: Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Regulierung abbauen will, “um eine Deindustrialisierung durch die Klimatransformation zu vermeiden”, sehen manche Unternehmen vor allem die Chancen der Transformation. NGOs, Gewerkschaften und die Agora-Thinktanks setzen auch auf weitere Regulierung, um Angebotspolitik und Preisanreize zu ergänzen.
“Die Industrie kann und möchte Transformation erfolgreich gestalten, aber die Politik muss dringend Fesseln lösen”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf dem Kongress des BDI. Dazu zählte er “komplexe Vorschriften, sehr detaillierte Zielvorgaben und eine starke technologische Einengung”, welche die schnelle Etablierung von Innovationen behindern würde. Für die Zeit nach der Bundestagswahl forderte er “einen Kurs- und Mentalitätswechsel der Politik hin zu technologischer Offenheit, unternehmerischer Freiheit und Pragmatismus“, um “eine realistische Balance von Ökologie und Ökonomie” zu erreichen.
Eine ganz andere Vorgehensweise wünscht sich Christiane Averbeck. Die Vorständin der Klimaallianz, einem Bündnis aus NGOs und Gewerkschaften, übergab fast zeitgleich zum BDI-Konfress den Forderungskatalog der Organisation zur Bundestagswahl an Wirtschaftsminister Robert Habeck. Zu den Ideen des Verbunds aus NGOs und Gewerkschaften gehören etwa strengere Regulierung für Investitionen, darunter:
In eine ähnliche Richtung geht die Studie “Klimaneutrales Deutschland” des grünennahen Thinktank-Verbunds Agora, die auch am Dienstag veröffentlicht wurde. Er beauftragte mehrere Forschungseinrichtungen, den sektorübergreifenden Finanzbedarf für die Klimatransformation bis 2045 zu errechnen.
Drei Viertel dieser Investitionen, so Agora, ließe sich “durch das Umlenken von Geldern weg von fossilen Technologien hin zu klimaneutralen Alternativen mobilisieren”. Denn in den nächsten 20 Jahren stünden auch ohne Klimatransformation große “Ohnehin-Investitionen” zur Erneuerung und Sanierung von Fahrzeugen, Gebäuden, Infrastruktur und Produktionsanlagen an.
Zur Ergänzung einer Angebots- und Förderpolitik sowie CO₂-Steuern rät auch Agora zu schärferer Regulierung, um Marktversagen vorzubeugen und Planungssicherheit für klimafreundliche, aber kapitalintensive Investitionen zu schaffen. Die Regeln müssten sich je nach Bereichen unterscheiden, so Agora. Beispielsweise seien Quoten für klimafreundliche Baugrundstoffe und angemessene Energieeffizienz-Regeln für Gebäude notwendig.
Wie unterschiedlich die Vorstellungen von Pragmatismus und Realismus auch zwischen Wirtschaftsvertretern sind, zeigte sich am Dienstag während einer Podiumsdiskussion beim BDI-Kongress. Sopna Sury, verantwortlich für Wasserstoff beim Kraftwerksbetreiber RWE Generation, lobte die Angebots- und Förderpolitik der Ampel-Koalition für ihren Sektor und warnte davor, “Chancen tot oder kaputt zu reden”.
Schweigen erntete hingegen Patrick Wendeler, Deutschland-Chef von BP. Er verteidigte die Entscheidung des Mineralölkonzerns, die eigenen Klimaziele teilweise zurückzunehmen und fossile Energiequellen neu zu erschließen. Sein Argument: BP sei kein Sozialverband, sondern müsse auch in der Transformation Rendite erwirtschaften. Hinter vorgehaltener Hand sagte dazu ein Vertreter eines großen deutschen Versicherungsunternehmens, dass man so nicht mehr in BP investieren könne.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat gemeinsam mit Kollegen aus Spanien, Slowenien, Belgien und Luxemburg die neue EU-Kommission aufgefordert, die Belange der gemeinwohlorientierten Wirtschaft nicht zu vernachlässigen. Es sei “besorgniserregend”, dass in keinem der Mission letter für die designierten Kommissare auf die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen im Bereich der Sozialwirtschaft eingegangen werde, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben. Adressat sind drei der neuen Exekutiv-Vizepräsidenten, Teresa Ribera, Stéphane Séjourné und Roxana Mînzatu.
Habeck und Co verweisen darauf, dass der Sektor in der EU acht Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung ausmache und mehr als 14 Millionen Arbeitnehmer beschäftige. In der vergangenen Legislaturperiode war Sozialkommissar Nicolas Schmit für den Bereich zuständig gewesen.
Unter seiner Führung hatte die Kommission einen Aktionsplan für die Sozialwirtschaft vorgelegt, der Rat beschloss Empfehlungen für die Entwicklung geeigneter Rahmenbedingungen. Die Unterzeichner des Briefes fordern, dass die neue Kommission sich zur vollständigen Umsetzung des Aktionsplans bekennen und politische Prioritäten in diesem Bereich für die anlaufende Legislaturperiode vorschlage.
“Die EU muss jetzt die richtigen Weichen stellen, um die vereinbarten Maßnahmenpakete zur Unterstützung der Unternehmen weiter konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln”, sagte Habeck. Dazu gehörten ein diskriminierungsfreier Zugang zu Förder- und Finanzierungsinstrumenten sowie gute rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich der Beihilfe und der öffentlichen Auftragsvergabe. tho
Sieben Umweltverbände, darunter Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderten am Donnerstag die Politik auf, die klimaschützende Wirkung des Waldes wiederherzustellen. Sie reagieren auf die Anfang Oktober veröffentlichten Zahlen der vierten Bundeswaldinventur 2022. Demnach erzeugt der Wald in Deutschland mehr Kohlendioxid, als er bindet.
Angesichts der “alarmierenden Zahlen” solle der Bund ein Sofortprogramm einläuten, sagte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des NABU, bei der Vorstellung eines Rettungsplans für den Wald. Insbesondere die intensive Forstwirtschaft müsse beschränkt werden.
Die Umweltverbände fordern, dass mindestens 15 Prozent der Waldfläche stillgelegt und damit nicht mehr bewirtschaftet werden sollen. Wälder müssten vielfältiger werden, sagte Martin Kaiser, Vorstandsvorsitzender bei Greenpeace, denn “naturnahe Bestände bestehen in den klimatischen Extremen besser.” Außerdem fordern die Verbände eine gesetzliche Verankerung der Klimaschutzleistung des Waldes.
Susanne Winter vom World Wide Fund for Nature (WWF) kritisierte den steigenden Holzverbrauch, der nicht nachhaltig sei. Um “steigende Holzarmut und Klimaschaden” anzuhalten, müsse auch die Kreislaufwirtschaft stärker gefördert werden.
Mit der Reform des Bundeswaldgesetzes, das derzeit in Ressortabstimmung ist, könnten “die richtigen Leitplanken für einen Richtungswechsel” gesetzt werden, heißt es von den Verbänden.
Allerdings wird der Entwurf von der FDP blockiert. Anfang Oktober erklärte Karlheinz Busen, forstpolitischer Sprecher der FDP, dass Klimaschutz “mit einer Waldbewirtschaftung viel besser funktioniert als in stillgelegten Wäldern”. Hierfür böte das bereits bestehende Bundeswaldgesetz von 1975 den “idealen Rahmen”.
Auch die Waldbesitzer kritisieren den Entwurf und halten eine Gesetzesänderung für überflüssig. “Anstatt dem Wald seinen Nutzen für uns alle abzusprechen, sollten diejenigen unterstützt und motiviert werden, die ihn zukunftsfähig aufstellen“, sagte Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst. ag
Der Verband für Bauen im Bestand e. V. (BiB) will mit seiner neuen “BiB Academy”, die Reparaturkultur bereits in der Lehre sowie in Aus- und Weiterbildungsprogrammen verankern. Dafür wird der BiB künftig eng mit Bildungsinstitutionen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen in der Immobilienwirtschaft, Architektur und im Bauwesen zusammenarbeiten. Die Kooperation soll “die Integration neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und praxisorientierter Methoden des Bauens im Bestand” in Lehre- und Ausbildung gewährleisten, heißt es in einer Mitteilung.
Sarah Dungs, Vorstandsvorsitzende des (BiB) sagt: “Bislang ist die Immobilienbranche auf den Neubau ausgerichtet, was sich auch in den Aus- und Weiterbildungsangeboten widerspiegelt. Nur wenige Institutionen bieten Lehrinhalte zum Thema Bauen im Bestand an“. Es sei daher Ziel der neuen Akademie, schon bestehende Bildungseinrichtungen mit schnell verfügbaren Lehrangeboten zu unterstützen, ohne neue Institutionen zu schaffen.
Den Fokus stärker vom Neubau zu Bestand und Sanierung zu verlagern, ist entscheidend, damit die Branche ihre Klimaziele erreicht und insgesamt nachhaltiger wird. Über 28 Milliarden Tonnen Baumaterialien sind laut dem Umweltbundesamt (UBA) deutschlandweit in Gebäuden verbaut. Das ist ein gewaltiges Rohstofflager.
Zugleich zeigt eine Analyse des Planungs- und Beratungsbüros Arup, dass durch Sanierung bis zu 70 Prozent der CO₂-Emissionen im Vergleich zu Abriss und Neubau eingespart werden können. Auch ein von 20 Organisationen und Unternehmen im Sommer unterzeichnetes Diskussionspapier des WWF betont das Klimaschutzpotenzial von Bestandserhalt und Sanierung. Schließlich verursache ein Neubau etwa 800 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter, während es bei einer Sanierung nur etwa 150-200 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter seien.
Laut dem BiB könne das Ausbildungsangebot zugleich die Innovationskraft der Branche stärken. Dazu bietet die BiB Academy Bildungseinrichtungen spezialisierte Module, umfangreiche Bildungsmaterialien und qualifizierte Dozierende an, die unabhängig Wissen vermitteln. Derzeit bestehen bereits Kooperation mit der “bbw Hochschule”, der “Irebs Immobilienakademie” und dem Studiengang “Real Estate Management” (REM).
Langfristig zielt die BiB Academy darauf, “eine Generation von Fachkräften auszubilden, die nachhaltiges Bauen priorisiert, um natürliche Ressourcen zu schützen und CO₂-Emissionen zu reduzieren”. Anna Gauto
Am Mittwoch hatte der Rechtsausschuss des Bundestags zu einer zweistündigen Anhörung zur Umsetzung der CSRD-Richtlinie eingeladen. Zehn Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Verbänden, NGOs, Beiräten und Gewerkschaften standen den Abgeordneten Rede und Antwort. Anders als bei der ersten Lesung im Plenum Ende September verlief die Diskussion sachlich. Schuldzuweisungen, wer die zusätzliche Belastung für Unternehmen zu verantworten hat, blieben weitgehend aus.
Es ging etwa darum, weshalb CSRD-Berichte nötig sind, und um die frühzeitige Beteiligung von Mitarbeitern bei der Erstellung. Im Fokus standen vor allem drei Themen:
Die Runde, die öffentlich vor einem voll besetzten Zuschauerrang tagte, gelangte nicht zu Ergebnissen. Darüber werden die Berichterstatter der Fraktionen verhandeln. Was sich aber schon sagen lässt: Die Zukunft der Aufstellungslösung dürfte fraglich sein. Als Otto Fricke (FDP) wissen wollte, ob jemand zu ihrer Verteidigung bereit wäre, fand sich niemand.
Laut EU-Vorgabe hätte die CSRD-Richtlinie bereits Anfang Juli umgesetzt werden müssen; angestrebt wird jetzt Ende 2024. Auf dieser Seite des Bundestags können das Video der Anhörung und die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen abgerufen werden. maw
Trees and land absorbed almost no CO₂ last year. Is nature’s carbon sink failing? – The Guardian
Die vorläufigen Ergebnisse eines internationalen Forscherteams zeigen, dass im Jahr 2023 die Menge des vom Boden aufgenommenen CO₂ drastisch zurückgegangen ist. Wälder, Pflanzen und Böden hätten kaum noch CO₂ absorbiert, berichtet Patrick Greenfield. Als Ursachen sehen die Wissenschaftler unter anderem Dürren und Waldbrände. Hinzu komme, dass auch die sich erwärmenden Ozeane immer weniger CO₂ aufnehmen. Zusammengenommen könne das den Klimawandel stark beschleunigen. In den derzeitigen Klimamodellen sei der plötzliche Zusammenbruch der Kohlenstoffsenken aber noch nicht berücksichtigt. Zum Artikel
Tech-Branche will Atomkraft verwenden: Ein tückisches Narrativ – taz
Das Amazon und Co. für ihre Rechenzentren Atomkraftwerke bauen wollen, sei der falsche Weg, kommentiert Svenja Bergt. Denn Atomkraft sei weder emissionsfrei, noch müsse künstliche Intelligenz zwangsläufig so viel Strom verbrauchen. Die Industrie solle, wie andere Branchen, zu Energieeffizienz gedrängt werden. Green Coding und ressourcenschonende Rechenzentren seien Beispiele. Zum Artikel
Northvolt: How Europe’s battery champion descended into crisis – Financial Times
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt wollte zu viel zu schnell, um technologischen Rückstand aufzuholen und Investoren zu befriedigen, schreiben Richard Milne, Jamie John und Mari Novik nach anonymisierten Gesprächen mit Mitarbeitern. Nun steckt das Unternehmen in einer existenziellen Krise, was den Bau einer Großfabrik in Schleswig-Holstein zumindest verzögern dürfte. Zum Artikel
Wer viel fliegt, zahlt extra: Was würde eine Vielfliegerabgabe bringen? – Der Standard
Eine europaweite Vielfliegerabgabe könnte Milliarden Euro in die Staatskassen spülen und gleichzeitig klimaschädliche Emissionen reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Thinktanks New Economics Foundation, die sich Regina Bruckner und Benedikt Narodoslawsky näher angesehen haben. Demnach könnte eine Einführung 63,6 Milliarden Euro für die öffentliche Hand bringen, ohne dass die meisten Menschen davon betroffen wären. Ab dem dritten Flug pro Jahr wären dann für einen Mittelstreckenflug 50 Euro, für einen Langstreckenflug 100 Euro mehr fällig. Zum Artikel
EU-Land will mehr russisches Gas kaufen – und stärkt damit Russlands Wirtschaft – FR
Ungarn will künftig mehr Erdgas aus Russland beziehen. Deshalb hat das Land Verhandlungen mit dem Energiekonzern Gazprom aufgenommen, berichtet Lars-Eric Nievelstein. Die Lieferung soll über die Turkstream-Pipeline unter dem Schwarzen Meer erfolgen. Hintergrund ist, dass die Ukraine den Transit von russischem Gas durch ihre Pipelines zum Jahresende einstellen will. Ungarn bezieht derzeit rund 4,5 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr. Aus Sicht der Regierung unterstützt die EU den Verzicht auf russisches Gas nicht ausreichend. Zum Artikel
Werkstoff: Recycling-Fahrrad geht auf Weltreise – Automobil Industrie
Igus, Hersteller von Hochleistungspolymeren mit Sitz in Köln, schickt zum 60-jährigen Firmenjubiläum sein schmier- und wartungsfreies Igus-Bike auf Welttournee. Das Fahrrad wird ein Jahr lang auf den Straßen von 16 Ländern zu sehen sein und auf das Thema Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen aufmerksam machen, schreibt Lina Demmel. Auf seinem Weg soll es Industriekunden, Recyclingpartner, Medienvertreter und Verbraucher davon überzeugen, dass Kunststoffe nicht in der Müllverbrennung oder auf der Deponie landen müssen, sondern als recycelter Rohstoff die Mobilität von morgen mitgestalten können. Zum Artikel
Wenn kommende Woche im kolumbianischen Cali die Weltnaturkonferenz COP16 beginnt, werden unter den Teilnehmern auch viele Vertreter der Wirtschaft sein: Nachhaltigkeitsmanager globaler Konzerne, Fachexperten von Wirtschaftsinitiativen, Gründer innovativer Start-ups. Sie alle beschäftigt die Frage, welche Auswirkungen der globale Biodiversitätsverlust auf ihre Unternehmen hat und was sie tun können, um ihn zu stoppen.
Dieses Interesse der Wirtschaft an Biodiversität ist neu. Während die “Klima-COP” ein Pflichttermin für Nachhaltigkeitsmanager und Vorstandschefs ist, galt das bislang kaum für die “Natur-COP”. Bislang beschäftigte sich kaum ein Unternehmen mit den Folgen des Artensterbens. Auch fragte sich kaum ein Wirtschaftssektor bisher, wie er vom Teil des Problems zum Teil der Lösung der globalen Biodiversitätskrise werden kann. Wie ist aus weitgehender Ignoranz plötzlich ein spürbar steigendes Interesse geworden?
Es sind vor allem vier Entwicklungen, die das Thema Biodiversität jetzt auf die Unternehmensagenda bringen:
Aus diesen Gründen entwickelt sich Biodiversität jetzt analog zum Thema Klima vor zehn Jahren: vom “nice to have” zu “must have” für Unternehmen.
Längst geht es nicht mehr darum, ein paar Bienenstöcke aufzustellen und Blühwiesen auf dem Firmengelände anzulegen. Biodiversität ist zum Business-Thema geworden. Mehr noch: Biodiversität gehört auf die Vorstandsagenda! Denn längst sind die Naturrisiken, aber auch die Chancen durch natur-positives Wirtschaften zu “materiell”, also erfolgskritisch, um delegiert zu werden.
Mein Eindruck aus Gesprächen mit Vorstandschefs ist, dass sich immer mehr mit dem Thema befassen. Dennoch fällt es Nachhaltigkeitsmanagern weiter schwer, Biodiversität ganz oben zu verankern.
Dafür braucht es jetzt dreierlei: erstens ein positives Narrativ, das nicht nur die Risiken, sondern auch die wirtschaftlichen Chancen benennt. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) schätzt, dass Unternehmen jährlich 10,1 Billionen US-Dollar an zusätzlichen Umsätzen erzielen und 395 Millionen neue Jobs bis 2030 schaffen, wenn sie stärker mit der Natur statt gegen sie wirtschaften. Kreislaufwirtschaft, naturbasierte Lösungen und neue Umweltmärkte sind einige der Stichworte, über die sich weitaus strategischer sprechen lässt als über die nächste Regulierungsrunde.
Zweitens ist ein enger Austausch mit der Wissenschaft entscheidend. Bisher gibt es zu wenig Wissenstransfer in beide Richtungen. Dabei kann die Wissenschaft Unternehmen unterstützen, relevante Fragen zu beantworten: Wie kann ich den Zustand der Natur messen und Veränderungen bepreisen, die meine Geschäftstätigkeit hervorruft? Wo sollte meine nächste Produktionsstätte biodiversitätsschonend entstehen? Welche Investitionen bringen gleichermaßen Mehrwert für die Natur und für das Geschäft? Wer wissenschaftsbasiert vorgeht, begrenzt auch das Risiko, Kritik hervorzurufen (Greenwashing) und damit sich selbst und der Natur mehr zu schaden als zu helfen.
Schließlich braucht es mehr Unternehmertum: Unternehmen können viele Maßnahmen ergreifen, um ihren negativen Impact auf die Natur zu reduzieren (Footprint), positiven Impact zu erzeugen (Handprint) und Mitstreiter für die Transformation zu gewinnen (Heartprint). Immer häufiger gelingt es ihnen dabei, gleichzeitig Vorteile für die Natur und das Geschäft zu erzielen, also Business Cases für Biodiversität zu schaffen. Es gibt also in den kommenden zwei Wochen viel zu diskutieren auf den Panels und Side-Events der Weltnaturkonferenz in Kolumbien.
Dr. Tobias Raffel ist Direktor der NGO Biodiversity Bridge, die führende Biodiversitätsexperten zusammenbringt, Brücken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft baut und Unternehmen hilft, das Thema Biodiversität zu managen. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Strategieberatung und im Stiftungsmanagement und leitete zuletzt das Nachhaltigkeitsinstitut der Business School ESMT Berlin.
Die Deutsche Umwelthilfe hat am Mittwoch zum 29. Mal den UmweltMedienpreis verliehen. Die Organisation würdigt damit “herausragende Leistungen und die wirkungsvolle Präsentation von Natur-, Umwelt- und Klimathemen in der Öffentlichkeit.”
Diesjährige Preisträger in der Kategorie Text sind Ute Scheub und Stefan Schwarzer für ihr Buch “Aufbäumen gegen die Dürre“. In der Kategorie Audio wurden Sandra Pfister, Jule Reimer und Georg Ehring geehrt. Sie verantworten das tägliche Format “Umwelt und Verbraucher” beim Deutschlandfunk. Den Medienpreis in der Kategorie Video erhielt Michael Höft für seine ARD-Dokumentation “LNG um jeden Preis – Wie schmutzig ist das US-Gas?“. Der Publikumspreis ging an Instagram-“Plantfluencer” Robinga Schnögelrögel. Die Journalistin Christiane Grefe wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Am Mittwoch wurden auch der Nachhaltigkeitsbeirat von Volkswagen neu benannt. Die Mitglieder des 24-köpfigen Gremium sollen “Impulsgeber, Unterstützer, kritische Stimme und Challenger” sein, heißt es von Unternehmensseite.
Neben VW-Vertretern gehören dem Beirat auch zwölf Experten aus Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft an: Aron Cramer (Business for Social Responsibility), Frauke Fischer (Universität Würzburg), Joel Hartter (Colorado University), Laura-Kristine Krause (Yale University), Rosaline May Lee (Rensselaer Polytechnic Institute), Marcin Piersian (Alliance for Responsible Mining), Christine Schildmann (Hans-Böckler-Stiftung), Rebecca Tauer (WWF), William Todts (T&E), Jean-Louis Warnholz (Future), Hannah Zoller (University of Labour) und Julian Zuber (German Zero).
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
China.Table – New Frontier im hohen Norden: Was China und Russland in der Arktis planen: Infolge des Klimawandels wollen Russland und China in der Arktis gemeinsam Bodenschätze und neue Seewege erschließen. Doch die Partnerschaft findet nicht auf Augenhöhe statt und könnte bald sogar in Feindschaft umschlagen. Zum Artikel
China.Table – Batterierecycling: Warum alle Augen nach China blicken: China steht eine Welle ausgemusterter Elektroautobatterien bevor. Politik und Industrie haben vorgesorgt und wollen aus dem Recyclingboom den größtmöglichen Nutzen ziehen – ökologisch wie finanziell. Europa kann daraus lernen. Zum Artikel