wie wichtig Fortschritte bei ESG-Themen wären, belegt der Bericht Geo Risk, den rund tausend Experten für das Weltwirtschaftsforum in Davos verfasst haben. Unter den zehn größten aufgeführten Risiken für die nächsten zehn Jahre gehören sieben zum ESG-Kerngeschäft. Dazu zählen unter anderem die Folgen eines Versagens beim Klimaschutz genauso wie Naturkatastrophen, extreme Wetterereignisse, unfreiwillige Massenmigration, eine Krise der natürlichen Ressourcen oder die Erosion des sozialen Zusammenhalts.
Würden die Risiken Realität, wäre die Zukunft düster. Aber es gibt “einen Unterschied zwischen der Beschreibung und der Haltung, mit der man die Dinge angeht”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angesichts seines Davos-Besuchs in einem DLF-Interview. Natürlich können einzelne Akteure und ganze Gesellschaften daran arbeiten, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Risiken zu verhindern. Was möglich ist, zeigt das Beispiel des Ozonkillers FCKW, einem der großen Risiken, das die Welt in den 1980er Jahren beschäftigte. Aber die Ozonschicht wird sich in den nächsten Jahrzehnten erholen, wie gerade Wissenschaftler bestätigt haben. Möglich war dies nur durch eine Kooperation der Staatengemeinschaft.
Auch für den Umgang mit den aktuellen Risiken braucht es Kooperation und Kompromissbereitschaft vieler Akteure. Gefährlich würde es dagegen, wenn Akteure – Länder, aber auch grenzüberschreitend tätige Konzerne oder Finanzinvestoren – einseitig Partikularinteressen verfolgen.
Wie schwierig es ist umzusteuern, zeigt sich bei der Ernährungssicherheit, einem der zentralen SDG. Regenerativer Landwirtschaft sollte nach Ansicht der Vereinten Nationen dabei eine größere Rolle zukommen. Wie schleppend sich der Wandel vollzieht, beschreibt Carsten Hübner.
Für die grüne Wende benötigt die Industrie in großem Ausmaß Rohstoffe. Bei der Beschaffung von Lithium ist Lateinamerika interessant, weil die Umweltrisiken bei der Förderung des Rohstoffs dort weniger gravierend sind als in anderen Förderregionen wie Australien. Mit dem Thema beschäftigt sich Santiago Engelhardt.
Dass Unternehmen bei der Transformation eine wichtige Rolle einnehmen können, zeigt das Beispiel der Firma Pöppelmann, das zielstrebig an einer höheren Verarbeitungsrate von Kunststoffrezyklaten arbeitet – Annette Mühlberger berichtet. Welche zentrale Rolle ESG-Risiken für Unternehmen im Alltag spielen, verdeutlicht Michael Stietz, verantwortlich für den Einkauf bei der Körber AG in seinem Standpunkt.
Die Perspektive der Unternehmen verändert sich. Angesichts der vielfältigen Risiken wünschen sich längst auch viele von ihnen stärkere Leitplanken durch die Politik. Es hat eine Zeitenwende stattgefunden: In den vergangenen Jahrzehnten war Davos der Ort, an dem die Managerelite sich häufig entschieden gegen soziale oder ökologische Regulierung wehrte und einer freiwilligen Unternehmensverantwortung das Wort redete, worauf sich die Politik regelmäßig einließ. Aber die gewünschten Resultate kamen nicht. Längst ist die Politik daher in eine Regulierungsoffensive gegangen, etwa in der EU. Aber die Umsetzung in die Praxis wird nur gelingen, wenn die Unternehmen und Investoren mitziehen.
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Die globale Ernährungslage ist katastrophal: 828 Millionen Menschen leiden Hunger. Tendenz steigend. Gleichzeitig sind rund die Hälfte aller landwirtschaftlichen Nutzflächen geschädigt. Tendenz ebenfalls steigend. Die UNO drängt deshalb auf einen neuen Ansatz: Regenerative Landwirtschaft.
Es wird eines der Themen bei dem 15. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) sein, das am heutigen Mittwoch in Berlin startet. Das GFFA gilt als die bedeutendste internationale Konferenz über Zukunftsfragen der globalen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Erwartet werden rund 2.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Das Motto in diesem Jahr: “Ernährungssysteme transformieren: Eine weltweite Antwort auf multiple Krisen.”
Auf die Frage, wie eine solche Transformation aussehen könnte, werden die Experten voraussichtlich – wie schon in der Vergangenheit – gegenläufige Antworten geben. Einig sein dürften sie sich jedoch in einem Punkt: Auch im Jahr 2030 werden Menschen hungern und unterernährt sein. Im Gegenteil. Laut aktueller Daten des Welternährungsprogramms (WFP) ist die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden, binnen zwei Jahren um 196 Millionen auf 828 Millionen im Jahr 2021 gestiegen. 50 Millionen sind akut von einer Hungersnot bedroht. Fast 3,1 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten.
Die von den Vereinten Nationen angestrebte globale Ernährungssicherheit liegt also noch in weiter Ferne. Damit steht auch ein zentrales Ziel der Agenda 2030 und ihrer Sustainable Development Goals (SDG) zur Disposition. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen vom Klimawandel und Wetterextremen über die ungerechte Verteilung von Land und Wasser bis zu Krieg.
Im Zentrum aber steht weiterhin eine zunehmend industrialisierte, am Weltmarkt ausgerichtete internationale Agrarwirtschaft – trotz der Warnung von 400 Wissenschaftlern, die die Probleme 2008 im Weltagrarbericht klar benannten. Mit ihren großflächigen Monokulturen, hohem Wasserverbrauch und dem extensiven Einsatz von Pestiziden sowie chemischen Düngemitteln zerstört die internationale Agrarwirtschaft Böden. Nur 1,6 Prozent der weltweiten Anbauflächen wird ökologisch bewirtschaftet. Das hat massive Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Biodiversität.
Das Ausmaß zeigen Zahlen der Welternährungsorganisation (FAO). Schon jetzt ist etwa die Hälfte aller Böden ausgelaugt. Das entspricht rund 2 Milliarden Hektar Land – das Zuhause von 1,5 Milliarden Menschen. Und jedes Jahr kommen 12 Millionen Hektar hinzu. Die Folge ist eine fortschreitende Desertifikation, die Verwüstung ganzer Landstriche und Regionen. Von dieser Entwicklung besonders betroffen sind Menschen in ländlichen Regionen des Globalen Südens und die dortige Klein- und Subsistenzlandwirtschaft.
Um diesen Prozess zu stoppen, verfolgt die UNO einen Ansatz in der Landwirtschaft, der auf die Regeneration von Böden abzielt – statt auf ihre Vernutzung. In der internationalen Debatte hat sich dafür der Begriff “Conservation Agriculture” etabliert. Im deutschen Sprachraum ist “regenerative Landwirtschaft” geläufig. Das Konzept folgt drei wesentlichen Prinzipien:
1. Minimale mechanische Bodenstörung: Auf die Bearbeitung des Ackers mit einem Pflug oder anderen schweren Landmaschinen soll möglichst verzichtet werden. Das reduziert die Erosion und fördert die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern. Die Aussaat erfolgt direkt in die Rückstände der vorherigen Ernte.
2. Dauerhafte organische Bodenbedeckung: Wenn ein Boden ganzjährig bedeckt oder bepflanzt ist, wird er natürlich beschattet. Ernterückstände werden deshalb auf der Bodenoberfläche belassen. Die Wurzeln von Deckpflanzen lockern die Erde zusätzlich auf und helfen so, sie feucht zu halten. Das schützt vor Erosion und erhöht die Kohlenstoffbindung.
3. Diversifizierung und Artenvielfalt: Durch wechselnde Fruchtfolge, den Einsatz von Deckpflanzen, eine zeitlich gestaffelte Aussaat und Blühstreifen kann der Düngemittelbedarf reduziert, der Schädlingsbefall eingedämmt und der Nährstoffgehalt des Bodens erhöht werden.
Im Ergebnis dieser und weiterer Maßnahmen soll sich die Qualität der Böden deutlich verbessern. Außerdem wird Biodiversität gefördert und der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden reduziert, ohne dass der Ertrag zurückgeht. In Zeiten des Klimawandels ist auch wichtig: Die regenerierten Äcker wirken als CO₂-Senken, weil sie mehr Kohlenstoff als vorher binden können.
Der Bio-Landbau und andere Formen ökologischer Landwirtschaft, nach deren Prinzipien weltweit rund 3,4 Millionen Landwirte arbeiten, setzen ähnliche Verfahren ein. Der entscheidende Unterschied: Bei der regenerativen Landwirtschaft zielen die eingesetzten Methoden nicht nur auf die Quantität und Qualität der Ernte ab. Genauso wichtig ist die nachhaltige Verbesserung der Bodenqualität. Häufige Bodenanalysen oder der Einsatz digitaler Hilfsmittel wie Bodensensoren sind integraler Bestandteil des Konzepts, das deshalb manchmal auch als Präzisionslandwirtschaft bezeichnet wird.
Es gibt aber noch einen zweiten wichtigen Unterschied zum ökologischen Landbau. Die Prinzipien und Methoden der regenerativen Landwirtschaft lassen sich auch in konventionell arbeitenden Betrieben anwenden. Jenseits des bisherigen Entweder-oder hat sich damit eine weitere Option zur nachhaltigen Transformation des Agrarsektors eröffnet.
Bis dato fristet die regenerative Landwirtschaft in Deutschland aber noch ein Schattendasein. Nur rund 50.000 Hektar werden nach dieser Methode bewirtschaftet. Im Vergleich dazu ackert der Bio-Landbau inzwischen auf 1,2 Millionen Hektar oder rund 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Doch auch er ist noch weit vom 30-Prozent-Ziel der Bundesregierung entfernt.
Australien kommt bei der Produktion von Lithiumkarbonat auf einen CO₂-Fußabdruck von 15-20 Tonnen pro Tonne. In Südamerika sind es nur fünf bis sechs Tonnen CO₂ pro Tonne. Hauptgrund sei die Art der Verarbeitung des Gesteins, sagt Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur: Jährlich würden 3 bis 4 Millionen Tonnen Gestein von Australien nach China verschifft, um sie dort von den 97 Prozent tauben Gesteins zu trennen. Dafür müssen sie in Drehrohröfen bei 1000-1200 Grad behandelt werden, um die Kristallstruktur zu verändern. Erst dann können in einem chemischen Prozess die Lithiumchemikalien gewonnen werden. Dagegen wird Lithium in Lateinamerika vor Ort gewonnen, auf eine weniger klimaschädliche Weise.
“Das nachhaltigste Lithium kommt im Moment aus Lateinamerika”, sagt der Geologe Schmidt, etwa aus Chile und Argentinien. Hier gewinnen Minen Lithium aus der salzhaltigen Sole, die sich in großen Mengen unter Salzseen befindet. Dabei wird die Sole, die zu 70 Prozent aus Wasser besteht, an die Oberfläche gepumpt. Sie wird in Becken bis zu 18 Monate verdunstet, um am Ende das Lithium aus ihr chemisch zu trennen. Die Energie dafür kommt größtenteils aus direkter Sonneneinstrahlung. Welche Auswirkungen dieser Wasserentzug für die Umwelt hat, den Umweltschützer kritisieren, ist noch Gegenstand der Forschung.
Bei dem Verfahren lässt sich gut die Hälfte des in der Sole enthaltenen Lithiums gewinnen. Um den Anteil zu erhöhen und gleichzeitig weniger Wasser zu verbrauchen, testen Unternehmen wie die US-amerikanische Firma Livent alternative Technologien. Diese Methoden sind allgemein als DLE (Direct Lithium Extraction) bekannt und befinden sich noch in der Testphase. Da die chemische Zusammensetzung der Sole bei jedem Salzsee eine andere ist, muss der Prozess jedes Mal angepasst werden.
Bei allen DLE-Varianten wird die Sole in überirdische Tanks gepumpt und darin das Lithium extrahiert. Die Restsole fließt zurück in den Untergrund. Fachleute gehen davon aus, dass auf diese Weise ein Viertel mehr Lithium aus der Sole gewonnen werden kann. Künftig dürfte diese Technologie in Südamerika wohl eine Voraussetzung für Lithiumprojekte sein. Chile und Bolivien haben den Weg eingeschlagen und Argentinien dürfte bald folgen.
Von der Förderart abgesehen verfolgen die drei Länder im Lithium-Dreieck Lateinamerikas unterschiedliche Strategien. Chile und Boliviens betrachten das Leichtmetall als strategische Ressource. In Bolivien hat das Staatsunternehmen Yacimientos de Litio Boliviano das Monopol über die Lithiumförderung, die allerdings noch gering ist. Chile hat 2017 alle Förderlizenzen neu verhandelt. Minen müssen bis zu 40 Prozent Lizenzgebühren zahlen, ein Viertel des Rohstoffs verbilligt an lokale Unternehmen abgeben und lokale Projekte unterstützen.
Argentinien hingegen stuft das Leichtmetall nicht als strategische Ressource ein. Seit 1993 gilt ein liberales Bergbauinvestitionsgesetz, es schließt Steuererhöhungen für 30 Jahre aus und begrenzt die Höhe der Lizenzgebühren auf maximal drei Prozent. Für den Bergbau und damit auch für die Vergabe der Förderlizenzen sind die Provinzen zuständig. Damit kann die Zentralregierung nur wenig Einfluss auf die Nutzung dieser Ressource nehmen. Derzeit werden am meisten neue Lithium-Projekte in der Dreiländerregion in Argentinien begonnen, vier Projekte werden dort bald mit der Förderung starten, über 30 weitere sind in der Entwicklung.
Regierungsvertreter forderten wiederholt den Aufbau einer nationalen Batterieproduktion. Das mache aber nur Sinn, wenn es eine Industrie in der Region gebe, die diese Batterien nachfrage, sagt der argentinische Ökonom Martín Obaya, Direktor des Forschungszentrums für Transformation an der School of Economics and Business der Universität San Martín. Derzeit gebe es bei dem Thema in der Regierung mehr Meinungen als Ministerien.
Die drei Förderprovinzen Salta Catamarca und Jujuy, die vergleichsweise arm sind, versprechen sich von der Vergabe von Förderlizenzen neue Arbeitsplätze und höhere Einnahmen. Bei einem Projekt entstünden im Schnitt aber weniger als 300 Arbeitsplätze, sagt Martín Obaya, zudem seien die Lizenzgebühren mit drei Prozent gering. Die Provinzen profitierten von der Lithiumextraktion weniger als möglich wäre. Noch erkennen Fachleute keine Strategie, mit der die argentinische Regierung dafür Sorge tragen würde, wie das Land nachhaltig von der Ressource profitieren könnte. Santiago Engelhardt
Die Quote der stofflichen Verwertung für Plastikabfälle liegt in Deutschland bei gerade einmal 35 Prozent. Eine neue Norm soll die Nutzung von Kunststoffrezyklat erleichtern. “Die Normierung hilft den für die Kreislaufwirtschaft wichtigen B2B-Kooperationen“, sagt Madina Shamsuyeva vom Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik an der Universität Hannover. Auch Handelsplattformen profitieren von der Standardisierung. Das erklärt, warum das deutsche Startup Cirplus, ein globaler Marktplatz für Rezyklate und Kunststoffabfälle, zusammen mit der Universität Hannover Initiator und Treiber der Norm war. Zur Umsetzung der europäischen Kunststoff-Wirtschaftsstrategie wurde die DIN SPEC 91446 in den Kanon der relevanten Standards aufgenommen.
Hintergrund: Die schwankende Materialgüte und der unreife Beschaffungsmarkt für Rezyklate sind für die Industrie ein Problem. Anders als Neu-Granulate, die als Standardprodukte bei Konzernen in großen Mengen und verlässlichen Qualitäten eingekauft werden können, kaufen Kunststoffverarbeiter Rezyklate aus Konsumabfällen in Europa bei einer heterogenen Lieferantenbasis – darunter eine Vielzahl kleiner und Kleinst-Unternehmen mit unterschiedlichem Qualitätsverständnis und verschiedenen Produktionslevels. Hinzu kommen verschiedene Systeme zur Abfallsammlung, Sortierung und Weiterverarbeitung in den Ländern.
Dass der Umstieg auf Rezyklat kein Selbstläufer ist, weiß Rezyklatspezialist Pöppelmann aus dem niedersächsischen Lohne: “Die Verarbeitung von Post-Consumer-Rezyklat ist für Unternehmen anspruchsvoll. Wenn man bisher nur Neuware verarbeitet hat, wird insbesondere dort ein Umdenken erforderlich sein”, sagt Camilo Burgos, strategischer Einkäufer des Kunststoffverarbeiters. Anspruchsvoll ist neben Beschaffung und Materialqualität vor allem die Verarbeitung: Geruch (im Produkt sowie in der Verarbeitungsphase), Farbe, flüchtige Stoffe und Verunreinigungen erfordern besondere Expertisen in Produktentwicklung, Produktion und Einkauf, die Einsteiger erst aufbauen müssen.
Wer nach dem Einstieg seinen Rezyklatanteil wie Pöppelmann kontinuierlich erweitern will (bis 2025 strebt der Kunststoffverarbeiter einen mittleren durchschnittlichen Rezyklatanteil von 60 Prozent über alle Produkte an), muss seine Lieferantenbasis sorgfältig auf- und ausbauen und Firmen über Input aus Entwicklung, Fertigung, Qualität und Einkauf helfen sich weiterzuentwickeln. Pöppelmann setzt deshalb wie viele erfolgreiche Mittelständler auf langfristige Partnerschaften. Eine Strategie, die dem Unternehmen auch in der Lieferkrise half.
Hierbei hilft die Norm, indem sie immerhin die Materialinformationen und Anteilsausweise der Rezyklate standardisiert, sodass sich die angebotenen Qualitäten besser vergleichen lassen: “Die DIN SPEC 91446 klassifiziert recycelten Kunststoff, basierend auf der Menge der für das Material verfügbaren Informationen über verschiedene Datenqualitätslevels, und gibt Richtlinien für die Kennzeichnung des Rezyklattyps und Berechnung des Rezyklatgehalts vor”, sagt Kunststoffspezialistin Shamsuyeva. Der kostenfreie Standard sei damit eine wichtige Voraussetzung für den flächendeckenden Einsatz von Kunststoffrezyklat.
Davon profitieren alle, auch Profis wie Pöppelmann, der in seinen Werken Postconsumer- und Postindustrie-Rezyklate für die Weiterverarbeitung auch selbst veredelt. Weil nicht alle Kunststoffabfälle recycelbar sind (Verbundstoffe, Materialkombinationen und schwarzes Plastik sind für Recyclinganalagen ein Problem), sind brauchbare Rezyklate ein knappes Gut.
Vieles, was Pöppelmann produziert, besteht bereits vollständig aus Rezyklat. Dazu gehören in der industriellen Fertigung genutzte Schutzelemente. Für die Einwegteile hat das Unternehmen eigene Kreisläufe geschaffen: Die bei den Industriekunden eingesammelten Schutzkappen fließen als Granulat zurück in die Produktion. Auch ein großer Teil der Pflanztöpfe für Gartenbau, Landwirtschaft und Forschung besteht aus 100 Prozent Rezyklaten – in diesem Fall aus Verbraucherabfällen. Aus dem Gelben Sack entstehen nach einer Fraunhofer-Untersuchung aus einem Kilogramm Input-Material bei Pöppelmann 2,7 Kilogramm Produkte. Ein Wert, der nach Auffassung des Unternehmens “durch eine stetige Optimierung der Sammlungs- und Recyclingsysteme weiter verbessert werden kann und muss”.
So simpel sich das Blumentopfrecycling anhört, so wichtig sind die Erfahrungen, die das Unternehmen, das die Automobil-, Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie beliefert, in der Verarbeitung von Kunststoffen aus Verbraucherabfällen sammeln konnte. Die Erkenntnisse helfen bei der Umsetzung anspruchsvoller Anwendungen, wo es auf Kriterien wie Leitfähigkeit, Chemikalien- und Temperaturbeständigkeit ankommt. Und sie machen das Unternehmen zum Pionier: Als erster Zulieferer verarbeitete Pöppelmann Kunststoffmüll aus dem Gelben Sack zu Bauteilen für ein Serienfahrzeug. Die Halterungen aus Rezyklat sind in Mercedes E-Autos eingebaut.
Auch bei den Lebensmittelverpackungen tut sich etwas. Seit Oktober 2022 gelten EU-weit neue Regeln für den Einsatz von recyceltem Kunststoff in Lebensmittelkontaktmaterialien. “Die Regelungen führen”, schreibt die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen “hoffentlich dazu, dass auch andere Rezyklate als recyceltes PET aus Pfandflaschen in Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können.” Auch hierfür steht man in Lohne in den Startlöchern.
18.1.2023, 9:30 Uhr
Webinar Unternehmerische Verantwortung für Kinder (Auswärtiges Amt und Deutsches Komitee für UNICEF)
Um eine kinderrechtliche Perspektive auf die Umsetzung (inter-)nationaler Standards und rechtlicher Anforderungen der unternehmerischen Sorgfalt geht es in diesem Webinar. Eine Anmeldung ist noch bis 9:15 Uhr möglich. Info & Anmeldung
18.1.2023, 19 Uhr
Podiumsdiskussion Heißt Ausstieg aus fossilen Energieträgern auch das Ende der synthetischen Stickstoffdünger? (Heinrich-Böll-Stiftung, CIEL und INKOTA Netzwerk)
Veranstaltung zur fatalen Abhängigkeit der Landwirtschaft von synthetischem Stickstoffdünger im Rahmen der Reihe “Landwirtschaft anders – Unsere Grüne Woche 2023” Info & Anmeldung
8.2.2023
Konferenz Asia Green Tech Summit – Mobilising Long-Term Capital for the Transition to Net-Zero (Financial Times und Nikkei)
In the first of a series of summits, FT Live and Nikkei will bring together investors, innovators and business leaders to discuss how finance and technologies can be deployed at scale to support the transition to a net-zero world. Der Digitalpass kostet bis zum 26.1.2023 rund 277 Dollar. Info & Anmeldung
19.-20.1.2023, Berlin
Fachpodien Global Forum for Food and Agriculture
Auf 16 Fachpodien diskutieren Expertinnen und Experten während der GFFA 2023 wichtige agrar- und ernährungspolitische Fragen, unter anderem Finanzierung nachhaltigen Wandels, resiliente Ernährungssysteme, Verlinkung von indigenem Wissen in Transformationsprozessen. Info & Anmeldung
20.1.2023, 14 Uhr
Online-Vorträge Chancenkontinent – Afrika (Africa Greentech)
Experten nehmen Stellung zu den Themen nachhaltiges Ernährungssystem, Überwindung der Armut, Erneuerbare Energien, Überwindung der Ungleichheit sowie Empowerment von Frauen. Info & Anmeldung
20.1.2023, 11 Uhr
Tête-à-Tête Timur Gül von der IEA, Wegbereiter für die globale Energiewende (OECD)
Eine Unterhaltung am späten Vormittag zwischen Nicola Brandt vom OECD Berlin Centre und Timur Gül, dem Leiter der Abteilung Energietechnologiepolitik bei der IEA. Info & Anmeldung
20.1.-29.1.2023, Berlin
Messe Internationale Grüne Woche
Die internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau findet dieses Jahr zum 87. Mal statt. Info & Anmeldung
21.-22.1.2023, Berlin
Messe Veggienale und Fairgoods
Die erste Ausgabe der Messe für pflanzlichen Lebensstil und ökologisches Handeln des Jahres 2023 findet in Berlin statt. Im April macht sie zunächst Station in Köln und danach in München. Info & Anmeldung
23.1.2023, 18 Uhr, München
Diskussion Soziale Kipp-Interventionen und Wissenschaftskommunikation (LMU)
Kann es sein, dass eine kritische Masse an Menschen das Ruder in der Klimakrise herumreißen könnte, selbst wenn es nicht die Mehrheit ist? Dies können Teilnehmende auf dieser Veranstaltung mit Expertinnen und Experten diskutieren. Info & Anmeldung
24.1.2023, 18 Uhr, Bonn
Vorlesung Der Staat in der Klimakrise (Friedrich-Ebert-Stiftung)
Zum fünften Termin der Ringvorlesung referiert Petra Pinzler, Autorin und Korrespondentin aus der Hauptstadtredaktion von Die Zeit. Info & Anmeldung
24.1.2023, 18 Uhr, Berlin
Gespräch und Empfang Zwischen Handlungsdruck und Zukunftsorientierung: Auftrag und Perspektiven der Nachhaltigkeitsforschung (Zukunftsforum Ecornet)
Was ist der Auftrag für die Nachhaltigkeitsforschung in den kommenden Jahren? Unter anderem diese Frage diskutieren Teilnehmende mit Gästen aus Politik und Zivilgesellschaft. Im Anschluss gibt es einen Neujahrsempfang. Info & Anmeldung
24.1.2023, 19 Uhr, Berlin
Kino Lange Nacht des Menschenrechtsfilms
Am 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – wurden in Nürnberg die Gewinner*innen des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises in verschiedenen Kategorien gekürt. Jetzt sind alle Filme auch in Berlin zu sehen. Info & Anmeldung
26.1.2023, 18 Uhr, Fürth
Vortrag Einfach zu einfach: Wie die leichten Lösungen unsere Demokratie bedrohen (ifo Institut)
Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, spricht auf dieser Präsenzveranstaltung über sein neues Buch. Info & Anmeldung
Bislang spielen Banken bei der Finanzierung der Transformation für deutsche Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle, sagte Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling vergangene Woche bei einer Vorstände-Tagung der Sparkassen-Finanzgruppe. Von der Bundesbank befragte Unternehmen wollten nur zu 17 Prozent Klimaschutz und Digitalisierung über Bankkredite finanzieren. “Das entspricht nur gut 7,5 Prozent der durchschnittlichen Neukreditvergabe”, sagte Wuermeling.
Das passt zu den Ergebnissen einer KfW-Studie aus 2021: Demnach investierten Unternehmen 55 Milliarden in den Klimaschutz, davon 71 Prozent aus eigener Kraft und nur 12 Prozent über Bankkredite und Fördermittel. Allerdings decken die bisherigen Investitionen in die Transformation nur einen Teil des notwendigen Bedarfs. Laut KfW braucht es bis zum Jahr 2045 jedes Jahr 120 Milliarden Euro an Investitionen, um die Wirtschaft klimaneutral zu machen. Die Bedarfe für eine umfassende Transformation sind noch sehr viel höher.
Wuermeling macht einige Gründe aus für die Zurückhaltung der Banken, vor allem handele es sich “oft um unbekanntes Terrain”. Transformative Investitionen unterscheiden sich häufig von klassischen Investitionen, was Banken herausfordert. Laut Wuermeling seien,
Prinzipiell seien die Institute aufgrund ihrer Kapitalausstattung in der Lage, mehr Mittel für die Transformation zur Verfügung zu stellen, aber einige Institute könnten an Grenzen stoßen. Das sollten die Sparkassen bei “ihrer Ausschüttungspolitik bedenken”, rät Bankenaufseher Wuermeling. Denn für eine Transformation der regionalen Wirtschaft müsse jetzt das Kapital aufgebaut werden. “Eine Kreditklemme kann die Transformation lähmen, ja hindern.” Auf die Verantwortung jeder einzelnen Sparkasse verweist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband: “Über Ausschüttung entscheiden die Institute und ihre Träger.” Auch die Befürchtungen hinsichtlich einer drohenden Kreditklemme teilt der Verband nicht: “Eine Kreditklemme wird es mit Sparkassen nicht geben.” cd
Laut einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs entsteht in der EU immer mehr Giftmüll: Es gebe einen Anstieg von 23 Prozent, von rund 81 Millionen Tonnen 2004 auf 102 Millionen Tonnen 2018, heißt es in einem am Montag vorgestellten Bericht. Deutschland liegt dabei mit einem Anstieg von 21 Prozent knapp hinter dem EU-Durchschnitt. In der Bundesrepublik entstehen jährlich 292 Kilo pro Kopf an Giftmüll. Zum Vergleich: In Dänemark waren es 361 Kilo pro Kopf (plus 512 Prozent).
Mit einer Überprüfung der europäischen Gesetzgebung zu gefährlichen Abfällen in der EU wolle der Rechnungshof seinen Beitrag zu den aktuellen Debatten um das Thema beitragen, sagte ein Sprecher: Dieses Jahr stehen auf EU-Ebene die Trilog-Verhandlungen zur Müllverschiffung und Ökodesignverordnung sowie eine Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie an.
Doch die Datenlage dazu, wie in der EU mit toxischen Abfällen umgegangen wird, ist mager. Zwischen der Menge an gefährlichen Abfällen, die in der EU generiert werden und jenen, die in der Gemeinschaft behandelt oder entsorgt werden, liegt eine Kluft von 21 Prozent.
Obwohl die EU-Gesetzgebung vorsieht, dass der Giftabfall vorzugsweise weiterverarbeitet oder recycelt werden soll, ist dies in der Praxis kaum der Fall. Über die Hälfte der gefährlichen Abfälle landen auf Müllhalden oder werden (teilweise ohne Energiegewinnung) verbrannt.
Derweil ist es technisch ohnehin kaum möglich, den Giftmüll überhaupt weiterzuverarbeiten oder zu recyceln, warnt der Rechnungshof. Entweder fehlt die nötige Technologie, es gibt keinen Absatzmarkt für die recycelten Materialien oder den Abfallunternehmen fehlen wichtige Informationen zur Zusammensetzung der zu recycelnden Produkte. cw
Banken der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) vergeben weiter Milliardensummen an Firmen, die am Ausbau fossiler Energien arbeiten. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag veröffentlichten Studie der französischen NGO Reclaim Finance. Die NZBA gehört zur Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) – ein Zusammenschluss von Finanzinstituten, der sich bei der COP26 im Jahr 2021 auf das Netto-Null-Ziel verpflichtet hat.
Demnach hätten 56 große Banken der NZBA zwischen dem Eintritt in die Initiative und August 2022 mindestens 269 Milliarden Dollar in 102 der größten Fossile-Energien-Unternehmen investiert. Letztere planen laut der Studie neue Förderprojekte, die rund 60 Prozent der bis 2030 weltweit geplanten zusätzlichen Öl- und Gas-Kapazität ausmacht – sowie den Ausbau von Kohlekraft im Ausmaß der bisherigen Kapazitäten von Japan und Südafrika.
Die Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM), die auch zur GFANZ gehört, ist laut Studie weiter stark in fossile Energien investiert. Dementsprechend hielten die 58 größten Vermögensverwalter der NZAM im September 2022 mindestens 847 Milliarden Dollar in Aktien und Anleihen von Fossile-Energien-Unternehmen. Rund 90 Prozent davon entfallen auf Firmen, die 72 Prozent der bis 2030 geplanten zusätzlichen Öl- und Gas-Kapazität schaffen wollen.
Amanda Starbuck, Mitglied in der UN-High-Level Expert Group für Netto-Null-Verpflichtungen von nicht-staatlichen Akteuren, sagt im Vorwort der Studie: “Finanzinstitute können nicht behaupten, netto null zu sein, während sie neue fossile Kapazitäten finanzieren. Wie die IEA und das IPCC gezeigt haben, wird die geplante oder bereits im Aufbau befindliche Infrastruktur für fossile Brennstoffe das verbleibende CO₂-Budget erschöpfen.” nh
Das Landgericht Braunschweig hat am 10. Januar die Zivilklage von drei Klima-Aktivisten gegen VW zugelassen. Sie wollen erreichen, dass der Autobauer ab 2030 keine Verbrenner mehr herstellt. Außerdem soll der Konzern seinen CO₂-Ausstoß deutlich reduzieren.
Der Vorsitzende Richter ließ in der mündlichen Verhandlung allerdings erkennen, er räume der Klage keine Erfolgschancen ein. Für den 31. Januar wurde ein Verkündungstermin anberaumt. “Im Falle einer Abweisung gehen wir am Oberlandesgericht Braunschweig in Berufung“, erklärte Simone Müller von Greenpeace.
Bei den Klägern handelt es sich um die Berliner Pressesprecherin von Fridays for Future, Clara Mayer, sowie Roland Hipp und Martin Kaiser, die geschäftsführenden Vorstände von Greenpeace. Sie werden von Roda Verheyen anwaltlich vertreten. Verheyen hatte im März 2021 ein bahnbrechendes Klima-Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten. Es verpflichtete den Staat auf ambitioniertere Klimaschutzziele, um die Zukunftschancen der jüngeren Generation wahren zu können. In der Folge musste das Klimaschutzgesetz verschärft werden und sieht nun eine Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Im Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.
Die drei Klimaschützer argumentieren, das Geschäftsmodell von Volkswagen konterkariere die angestrebten Reduktionsziele. Als Grundlage dient ihnen eine im November 2022 vorgelegte Studie. Danach übersteige der von VW geplante Absatz an Verbrenner-Autos die für das 1,5-Grad-Ziel noch vertretbare Zahl mindestens um das Doppelte.
Ein Sprecher von Volkswagen wies den Vorwurf zurück. “Die Klage trifft mit Volkswagen den Falschen”, hieß es in einem Statement. Das Unternehmen habe sich zum Pariser Klimaabkommen bekannt, treibe “eine der ambitioniertesten E-Offensiven der Automobilbranche” voran und wolle “spätestens 2050 bilanziell CO₂-neutral sein”. Auch seien “Klimaklagen gegen einzelne herausgegriffene Unternehmen” der falsche Weg und im Recht ohne Grundlage, hieß es. ch
In einer Anhörung vor dem Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Montag haben Sachverständige den Gesetzentwurf zur Einführung eines verpflichtenden Tierhaltungskennzeichens von Landwirtschaftsminister Özdemir kritisiert.
Der Entwurf sieht vor, dass frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch ab 2023 im Verkauf gekennzeichnet sein muss – die fünf Haltungskategorien sollen von “Stall” bis “Bio” reichen. Später soll das Label für weitere Tier- und Verarbeitungsarten eingeführt werden. Damit möchte das Landwirtschaftsministerium tierfreundlichere Haltung fördern.
Aus Sicht der Sachverständigen weist der Entwurf große Lücken auf. So sei etwa problematisch, dass das geplante Label die Haltung der Sauen und die damit verbundene Ferkelaufzucht nicht berücksichtige, sagte Martin Schulz von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Das Fleisch von Ferkeln, die erst unter schlechteren Bedingungen aufwachsen, würde so ein Label bekommen, dass der Haltung im späteren Leben entspricht.
Darüber hinaus kritisierten einige Experten, dass allein eine Kennzeichnung keinen Anreiz für bessere Tierhaltung schaffe. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang auf den Abschlussbericht des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (auch Borchert-Kommission genannt) von 2020 zur Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland.
Auch die Kommission scheint den Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung kritisch zu sehen. Wie das Branchenmedium Agrarheute am Dienstag berichtete, plant sie am heutigen Mittwoch, eine Stellungnahme zur Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu verabschieden. In Bezug auf das Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung soll der Entwurf zeigen, dass die Kommission die Haltungskategorien für nicht kontrollierbar hält und befürchtet, dass für Verarbeiter Anreize geschaffen würden, ausländische Ware aus niedrigeren Standards zu nutzen. nh
Mit Blick auf die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes fühlen sich Unternehmen laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Sapio Research zunehmend unsicherer: 42 Prozent gaben an, über ein effektives Risiko-Management-System zur Evaluierung von ESG-Risiken zu verfügen. Vor einem Jahr seien es noch 58 Prozent gewesen. Knapp drei Viertel der Firmen könnten nicht einmal beurteilen, ob ihre direkten Lieferanten überhaupt ESG-Standards einhalten. Auch bei dieser Frage gab es eine Verschlechterung. Auftraggeber der Befragung ist Coupa – ein Anbieter von Softwarelösungen für Lieferketten-Management. Im Dezember wurden 100 Entscheidungstragende für Supply-Chain-Themen in Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden befragt.
Neue, gesetzeskonform arbeitende Lieferanten zu finden, sei langwieriger geworden: Im Februar 2022 hätten noch mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen geäußert, dass sie in wenigen Tagen neue Lieferanten finden könnten, um das Lieferkettengesetz einzuhalten. Heute sagen dies nur noch 19 Prozent. Durchschnittlich haben die befragten Unternehmen 2.245 direkte Lieferanten. In den vergangenen zwölf Monaten hätten sie rund 6 Prozent ihrer Lieferanten (durchschnittlich 132 Lieferanten) gewechselt, um Risiken zu reduzieren oder das Lieferkettengesetz einzuhalten.
Für die gestiegene Verunsicherung kann es viele Gründe geben: Wenn Unternehmen genauer hinschauen, entdecken sie mehr Probleme. Manchem Unternehmen dürfte auch erst im Laufe der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben klar geworden sein, was diese konkret bedeuten. Allerdings entspricht dies genau dem Geist des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, Unternehmen für menschenrechtliche und ökologische Risiken in ihrer Lieferkette zu sensibilisieren, damit sie präventiv tätig werden. cd
Top-Manager aus aller Welt warnen davor, dass die große Zahl akuter Krisen eine Gefahr für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele sein könnte. Das hat die neueste CEO-Studie des UN Global Compact und der Unternehmensberatung Accenture ergeben. Sie stützt sich auf Umfrageergebnisse von mehr als 2.600 CEOs aus 128 Ländern und 18 Branchen sowie auf mehr als 130 Interviews.
Demnach zeigten sich 87 Prozent der Befragten alarmiert über das derzeitige Ausmaß an Disruptionen und mögliche Konsequenzen für nachhaltige Entwicklung. 93 Prozent der Führungskräfte sehen sich gleichzeitig mit zehn oder mehr Herausforderungen konfrontiert. Sie fürchten Rückschläge für Wirtschaft und Gesellschaft, einen schwächeren Multilateralismus, sozioökonomische Instabilität, das Abreißen von Lieferketten und die Auswirkungen des Klimawandels.
Sanda Ojiambo, CEO und Exekutivdirektor des UN Global Compact, sieht aber auch die CEOs in der Pflicht, ihren Beitrag zur Überwindung der Krisen zu leisten. So seien “die Maßnahmen der Unternehmen bei einer Vielzahl von Themen derzeit nicht ehrgeizig genug, etwa beim fortschreitenden Klimawandel oder der wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten”, kritisiert Ojiambo bei der Vorstellung der Studie. Maßnahmen müssten schneller implementiert werden. Das gelte nicht zuletzt für die Netto-Null-Ziele der Unternehmen bei den CO₂-Emissionen.
“Trotz der Rückschläge gibt es Raum für Hoffnung”, sagte Alexander Holst, Leiter Sustainability Strategy & Services bei Accenture in der DACH-Region. Denn die befragten CEOs würden zunehmend anerkennen, dass sie Glaubwürdigkeit und Markenwert aufbauen könnten, indem sie sich dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben – “nicht nur, weil es das Richtige ist, sondern auch, weil es wirtschaftlich sinnvoll ist”, ergänzte Holst. ch
Wer als Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit in Lieferketten nicht ernst nimmt, wird langfristig nicht erfolgreich sein. Dabei geht es sowohl um Anforderungen, die sich aus Lieferkettengesetzen ergeben, als auch um ökologische Belange wie die Reduzierung von CO₂-Emissionen. Beides stellt Unternehmen vor immense Herausforderungen.
Bei der Umsetzung kommt dem Einkauf- und Supply Chain Management eine zentrale Verantwortung zu, denn einen wesentlichen Anteil der Risiken und CO₂-Emissionen gibt es in den vorgelagerten Lieferketten.
Lange lag der Fokus des Einkaufs darauf, die Versorgung und die Qualität sowie Preise zu gewährleisten. Inzwischen gehört auch das Thema nachhaltiger Lieferketten zur täglichen Arbeit. Neben dem risikoorientierten Aufbau und der Entwicklung globaler Lieferketten sind vor allem zwei Fragestellungen wichtig: Wie kann der CO₂-Fußabdruck kontinuierlich gesenkt werden? Wie können die ausgelagerten Wertschöpfungsketten und die damit verbundene Vielzahl an global aktiven Zulieferern resilient gestaltet werden?
Wichtig ist es, vor allem beim Zukauf von Materialien oder Dienstleistungen auf die GHG-Protocol-Scope-3.1-Emissionen zu schauen, denn sie stellen einen signifikanten Anteil der unternehmerischen Gesamtemissionen dar. Um diese zu mindern, müssen zuerst die größten Emittenten unter den aktiven Lieferanten identifiziert werden. Dann sollte ein Unternehmen umgehend in die Interaktion mit den Lieferanten gehen und gemeinsam Reduktionziele und daraus abgeleitet spezifische Maßnahmen, etwa den Einsatz regenerativer Energien oder Ecodesign-Aktivitäten, vereinbaren und nachhalten.
Wer als Einkäufer Risiken oder Emissionen reduzieren will, braucht eine umfassende Datentransparenz. Bei Körber nutzen wir dafür Softwarelösungen. Tagesaktuell laufen Daten systematisch ein, beispielsweise zu Einkaufsvolumen und -prozesse sowie Lieferanten. Das umfasst die Aktivitäten von insgesamt mehr als 10.000 Lieferanten aus über 50 Ländern und ein jährliches Einkaufsvolumen von mehr als 1 Milliarde Euro. Um eine Datentransparenz zu erreichen, spielt die Organisationsentwicklung eine wichtige Rolle. Bei Körber haben wir die dezentralen Systeme der vormals eigenständigen Standorte auf einer zentralen Plattform zusammengeführt. Die damit geschaffene vollumfassende Datentransparenz ist der Startpunkt für die Analyse und Beantwortung unterschiedlichster Fragestellungen, zum Beispiel:
Wir nutzen die vorhandenen Daten vollumfänglich und identifizieren Datenmuster automatisiert, um damit Potenziale oder Risiken freizulegen und aktiv zu bearbeiten.
Daneben kommt der Kommunikation mit den Lieferanten eine Schlüsselrolle im Umgang mit dem Lieferkettendesign und den Aktivitäten zur Reduktion von CO₂ zu. Dies gilt besonders für ein global agierendes Technologie-Unternehmen wie Körber. Es ist in fünf Geschäftsfeldern organisiert: Digital, Pharma, Supply Chain, Technologies und Tissue. Um soziale und ökologische Risiken in den Lieferketten zu reduzieren, gilt es, proaktiv den Austausch intern und extern über sämtliche Ebenen, Unternehmen und Lieferketten hinweg sicherzustellen. Die stetige Interaktion ist die Voraussetzung, um ein Bewusstsein für relevante Themen, Risiken und Prioritäten zu schaffen.
Eine konzernübergreifende Nachhaltigkeitsstrategie ist die Grundlage unseres Handelns. Gemeinsam heben wir Synergien und schaffen ein Verständnis davon, was Nachhaltigkeit für uns bei Körber bedeutet. Daraus leiten wir eine Kommunikationsstrategie ab, die sich u.a. nach Zielgruppen, Anlässen oder Kommunikationskanälen unterscheidet. Die Kombination aus Datentransparenz, klar vereinbarten Maßnahmen und gezielter Kommunikation ermöglicht es etwa weitergehende Aktivitäten im zuständigen Nachhaltigkeitsbereich zu verfolgen sowie die Effekte der Maßnahmenrealisierung zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit ist für uns ein kontinuierlicher Prozess, den wir in unserem Bericht an alle Stakeholder kommunizieren.
Die interne Steuerung sämtlicher Einkaufsaktivitäten erfolgt zum Beispiel im Rahmen von monatlichen Performance-Dialogen. Darin wird der Austausch und die Steuerung zwischen den konzernweiten Einkaufsteams sichergestellt. Diese Plattform bietet zudem die Möglichkeit, Aktuelles zu diskutieren, Entscheidungen zu reflektieren und weitere Maßnahmen zu definieren.
Darüber hinaus wird die konstante Weiterentwicklung der Körber Einkaufs- und Supply-Chain-Organisation mit einem eigens dafür entwickelten Programm kontinuierlich begleitet. Das interne “Professional Development Program” zielt auf eine proaktive Reflexion und das Ergreifen von maßgeschneiderten Maßnahmen in verschiedenen Verbesserungsdimensionen wie Lieferantenmanagement oder Warengruppenmanagement ab. Mit dem maßgeschneiderten Entwicklungsprogramm kann somit umgehend auf jegliche unternehmerischen Notwendigkeiten proaktiv reagiert werden.
Die Kombination der beschriebenen Elemente ist ein wichtiger Schlüssel, um aktiv globale Lieferketten zu steuern und nachhaltiger zu gestalten. Wir sind davon überzeugt, dass insbesondere die Reduktion der CO₂-Emissionen in Lieferketten in der Verantwortung eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens liegt, auch auf Kundenseite rückt diese Anforderung vermehrt auf die Agenda.
Hier stellt sich nicht die Frage ob, sondern nur wie wir gemeinsam partnerschaftlich unter Nachhaltigkeitsaspekten mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten. Denn nur mit der konsequenten Beeinflussung der Lieferketten und Reduktion von unternehmerischen und ökologischen Risiken können beide Seiten künftig unternehmerische Erfolge erzielen.
Michael Stietz ist Senior Vice President & Chief Procurement Officer der Körber AG in Hamburg. In seiner Verantwortung liegen die Leitung und Entwicklung des Konzerneinkaufs sowie des Supply Chain Managements. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er in diversen Funktionen im Bereich Operations, Einkauf &SCM. Er ist zudem Key Note Speaker, Autor und Initiator und Mitgründer des ersten Procurement Lehrstuhls an der Universität Mannheim sowie Gastdozent an verschiedenen Universitäten.
Sein Lebensthema bescherte Markus Löning ein Anruf seines damaligen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle (FDP), der ihn davon überzeugte, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung zu werden. Beide waren häufig unterschiedlicher Meinung, aber Löning nahm dieses Angebot an und Westerwelle stärkte ihm den Rücken für die Aufgabe. Das war im Jahr 2010. Zuvor ist der studierte Politikwissenschaftler und Werber bereits Bundestagsabgeordneter für die FDP gewesen, zuerst Mitglied im Entwicklungsausschuss, dann im Europaausschuss. Als die Partei 2014 an der Fünfprozenthürde scheiterte, musste er sich wie alle aus der Fraktion einen neuen Job suchen. Er gründet die Beratung Löning – Human Rights & Responsible Business. Rückblickend finden das viele visionär, erzählt er, damals hätten es viele für eine Spinnerei gehalten. Für ihn war es konsequent: Er wollte seine sinnstiftende Menschenrechtstätigkeit fortsetzen, zumal der Zeitpunkt günstig war.
Denn damals hatten die Vereinten Nationen die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gerade verabschiedet. “Da habe ich gedacht, das wird jetzt für Unternehmen zum Thema werden und die wissen ja nicht, wie sie damit umgehen sollen.” Er wolle den Leuten in den Unternehmen helfen, das Richtige zu tun. Der 62-Jährige klingt bescheiden, wenn er das sagt. Aber es ist sein großes Anliegen geworden, Menschenrechte in den Lieferketten zu verankern. Mit seinem 20-köpfigen Team hilft er großen und mittelständischen Unternehmen, zu verstehen, welche menschenrechtlichen Risiken ihre Arbeit verursachen kann. Wenn die Risiken erstmal geklärt sind, hilft er, Prozesse aufzubauen, die die Risiken verringern. Löning hat sich einen guten Ruf in der Szene erarbeitet, sowohl bei den Unternehmen als auch bei vielen Vertretern von NGO.
“Manche glauben, man schaltet das deutsche Lieferkettengesetz an wie einen Lichtschalter und schon haben wir keinerlei Menschenrechtsverletzungen mehr”, sagt Löning. “Aber so funktioniert das nicht.” Bei komplizierteren, globalen Lieferketten reiche es nicht aus, wenn Unternehmen vertraglich ihre Lieferanten auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichteten. Da brauche es sogenannte Audits, die die Einhaltung der Standards immer wieder prüften. Und das könne funktioniere. Viele Firmen beendeten die Zusammenarbeit mit Lieferanten, wenn sie wiederholt Missstände nicht abstellen würden. Und statt mit vielen verschiedenen Lieferanten und Agenten zu arbeiten, gingen mehr Firmen dazu über, ohne Agenten direkt mit Lieferanten Geschäfte zu tätigen.
Markus Löning ist manchmal selbst überrascht, wie viele junge Menschen sich mittlerweile für das Thema menschenrechtlicher Verantwortung von Unternehmen interessieren. Gerade erst hat er es auf einer Studienreise in den USA erlebt. Zwei Professoren hätten ihm erzählt, wie sehr sich ihre Studierenden für Unternehmensverantwortung interessieren. Löning wirkt überrascht. “Ich habe zwar noch niemanden getroffen, der gesagt hat, Menschenrechte finde ich doof”, sagt er. Doch die Frage, wie Unternehmen sie einhalten könnten, sei nicht immer einfach. Und lange Zeit haben sich die meisten Unternehmen dafür auch nicht interessiert. Aber seitdem Länder wie Frankreich, Deutschland und die Niederlande Lieferkettengesetze verabschiedet haben und aus der freiwilligen Unternehmensverantwortung eine verpflichtende geworden ist, gehört das Thema zum Kerngeschäft von Unternehmen. Und damit hat Löning eine Menge zu tun.
“Wenn ich keinen Fortschritt sehen würde, dann würde ich das nicht machen”, sagt Löning, der aber auch in bestimmten Momenten eine gewisse Ohnmacht erlebt. “Solche Situationen wie mit der Zwangsarbeit im chinesischen Xinjiang sind einfach frustrierend.” Ob er seine jetzige Arbeit sinnvoller findet als die in der Politik? “Der Hebel ist anders”, sagt Löning. Und er lässt sich in Bewegung setzen. Markus Löning wollte eben nicht der 135. Lobbyist werden, sondern wirklich etwas verändern und dabei seinen Überzeugungen treu bleiben. Kristina Kobl
Manche Innovation erklärt sich nicht von selbst – zumindest nicht auf den ersten Blick. Wie etwa: Ein beheizbarer Sicherheitsgurt, der im Winter nicht nur schnell für angenehme Wärme sorgt, sondern auch die Reichweite von Elektroautos erhöht. Noch erstaunlicher ist: In Kombination mit Sitz- und Lenkradheizung ist der Effekt noch größer. Bis zu 15 Prozent Reichweiten-Gewinn seien so möglich. Das behauptet zumindest der Friedrichshafener Autozulieferer ZF (“Smarte Gurtsysteme für smarte Autos”). Und der sollte es wissen. Denn dort hat der Wundergurt mit seinen in die Textilstruktur eingewobenen Heizleitern jüngst das Licht der Winterwelt erblickt.
15 Prozent! Das lässt aufhorchen. Zumal wenn man bedenkt, dass die Reichweite von E-Autos in der kalten Jahreszeit im Schnitt um 20 bis 30 Prozent zurückgeht. Der Grund: Auch Akkus haben eine Wohlfühltemperatur. Und die liegt zwischen 20 und 40 Grad Celsius, sagt der ADAC. Natürlich plus. Doch zurück zum beheizbaren Sicherheitsgurt und seinen Komplizen Sitz- und Lenkradheizung. Denn eigentlich ist das mit der Reichweite ganz logisch. Die ZF-Ingenieure mussten nur kurz um die Ecke denken.
Die Erklärung lautet: Durch vergleichsweise energieeffiziente Kontaktheizungen, und das sind Gurt-, Sitz- und Lenkradheizungen technisch betrachtet, kann man auf die energieintensivere Klimatisierung des gesamten Innenraums verzichten. Das spart Strom und sorgt so für zusätzliche Reichweite. Trotzdem ist den Insassen, zumindest bei einer Kombination von Gurt- und Sitzheizung, “schnell rundum warm”. Toll, oder?
Was gibt es zu dem Thema noch zu sagen? Ach ja: “Der beheizbare Gurt steht seinen konventionellen Pendants hinsichtlich Insassenschutz um nichts nach.” Das betont ZF. Carsten Hübner
wie wichtig Fortschritte bei ESG-Themen wären, belegt der Bericht Geo Risk, den rund tausend Experten für das Weltwirtschaftsforum in Davos verfasst haben. Unter den zehn größten aufgeführten Risiken für die nächsten zehn Jahre gehören sieben zum ESG-Kerngeschäft. Dazu zählen unter anderem die Folgen eines Versagens beim Klimaschutz genauso wie Naturkatastrophen, extreme Wetterereignisse, unfreiwillige Massenmigration, eine Krise der natürlichen Ressourcen oder die Erosion des sozialen Zusammenhalts.
Würden die Risiken Realität, wäre die Zukunft düster. Aber es gibt “einen Unterschied zwischen der Beschreibung und der Haltung, mit der man die Dinge angeht”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angesichts seines Davos-Besuchs in einem DLF-Interview. Natürlich können einzelne Akteure und ganze Gesellschaften daran arbeiten, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Risiken zu verhindern. Was möglich ist, zeigt das Beispiel des Ozonkillers FCKW, einem der großen Risiken, das die Welt in den 1980er Jahren beschäftigte. Aber die Ozonschicht wird sich in den nächsten Jahrzehnten erholen, wie gerade Wissenschaftler bestätigt haben. Möglich war dies nur durch eine Kooperation der Staatengemeinschaft.
Auch für den Umgang mit den aktuellen Risiken braucht es Kooperation und Kompromissbereitschaft vieler Akteure. Gefährlich würde es dagegen, wenn Akteure – Länder, aber auch grenzüberschreitend tätige Konzerne oder Finanzinvestoren – einseitig Partikularinteressen verfolgen.
Wie schwierig es ist umzusteuern, zeigt sich bei der Ernährungssicherheit, einem der zentralen SDG. Regenerativer Landwirtschaft sollte nach Ansicht der Vereinten Nationen dabei eine größere Rolle zukommen. Wie schleppend sich der Wandel vollzieht, beschreibt Carsten Hübner.
Für die grüne Wende benötigt die Industrie in großem Ausmaß Rohstoffe. Bei der Beschaffung von Lithium ist Lateinamerika interessant, weil die Umweltrisiken bei der Förderung des Rohstoffs dort weniger gravierend sind als in anderen Förderregionen wie Australien. Mit dem Thema beschäftigt sich Santiago Engelhardt.
Dass Unternehmen bei der Transformation eine wichtige Rolle einnehmen können, zeigt das Beispiel der Firma Pöppelmann, das zielstrebig an einer höheren Verarbeitungsrate von Kunststoffrezyklaten arbeitet – Annette Mühlberger berichtet. Welche zentrale Rolle ESG-Risiken für Unternehmen im Alltag spielen, verdeutlicht Michael Stietz, verantwortlich für den Einkauf bei der Körber AG in seinem Standpunkt.
Die Perspektive der Unternehmen verändert sich. Angesichts der vielfältigen Risiken wünschen sich längst auch viele von ihnen stärkere Leitplanken durch die Politik. Es hat eine Zeitenwende stattgefunden: In den vergangenen Jahrzehnten war Davos der Ort, an dem die Managerelite sich häufig entschieden gegen soziale oder ökologische Regulierung wehrte und einer freiwilligen Unternehmensverantwortung das Wort redete, worauf sich die Politik regelmäßig einließ. Aber die gewünschten Resultate kamen nicht. Längst ist die Politik daher in eine Regulierungsoffensive gegangen, etwa in der EU. Aber die Umsetzung in die Praxis wird nur gelingen, wenn die Unternehmen und Investoren mitziehen.
Übrigens: Morgen starten unsere Kollegen vom Research.Table unter der Leitung von Nicola Kuhrt mit ihrer ersten Ausgabe. Gemeinsam mit ihrem Team richtet sie sich an die entscheidenden Köpfe in der Forschungsszene, die den Rahmen für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung setzen und ausfüllen: in Parlamenten und Ministerien, Universitäten und Instituten, Unternehmen, Stiftungen, Think Tanks und Verbänden. Hier können Sie das Angebot kostenlos testen.
Zu guter Letzt: Wenn Ihnen der ESG.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie das Briefing kostenlos testen.
Die globale Ernährungslage ist katastrophal: 828 Millionen Menschen leiden Hunger. Tendenz steigend. Gleichzeitig sind rund die Hälfte aller landwirtschaftlichen Nutzflächen geschädigt. Tendenz ebenfalls steigend. Die UNO drängt deshalb auf einen neuen Ansatz: Regenerative Landwirtschaft.
Es wird eines der Themen bei dem 15. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) sein, das am heutigen Mittwoch in Berlin startet. Das GFFA gilt als die bedeutendste internationale Konferenz über Zukunftsfragen der globalen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Erwartet werden rund 2.000 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Das Motto in diesem Jahr: “Ernährungssysteme transformieren: Eine weltweite Antwort auf multiple Krisen.”
Auf die Frage, wie eine solche Transformation aussehen könnte, werden die Experten voraussichtlich – wie schon in der Vergangenheit – gegenläufige Antworten geben. Einig sein dürften sie sich jedoch in einem Punkt: Auch im Jahr 2030 werden Menschen hungern und unterernährt sein. Im Gegenteil. Laut aktueller Daten des Welternährungsprogramms (WFP) ist die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden, binnen zwei Jahren um 196 Millionen auf 828 Millionen im Jahr 2021 gestiegen. 50 Millionen sind akut von einer Hungersnot bedroht. Fast 3,1 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten.
Die von den Vereinten Nationen angestrebte globale Ernährungssicherheit liegt also noch in weiter Ferne. Damit steht auch ein zentrales Ziel der Agenda 2030 und ihrer Sustainable Development Goals (SDG) zur Disposition. Die Ursachen dafür sind vielfältig und reichen vom Klimawandel und Wetterextremen über die ungerechte Verteilung von Land und Wasser bis zu Krieg.
Im Zentrum aber steht weiterhin eine zunehmend industrialisierte, am Weltmarkt ausgerichtete internationale Agrarwirtschaft – trotz der Warnung von 400 Wissenschaftlern, die die Probleme 2008 im Weltagrarbericht klar benannten. Mit ihren großflächigen Monokulturen, hohem Wasserverbrauch und dem extensiven Einsatz von Pestiziden sowie chemischen Düngemitteln zerstört die internationale Agrarwirtschaft Böden. Nur 1,6 Prozent der weltweiten Anbauflächen wird ökologisch bewirtschaftet. Das hat massive Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Biodiversität.
Das Ausmaß zeigen Zahlen der Welternährungsorganisation (FAO). Schon jetzt ist etwa die Hälfte aller Böden ausgelaugt. Das entspricht rund 2 Milliarden Hektar Land – das Zuhause von 1,5 Milliarden Menschen. Und jedes Jahr kommen 12 Millionen Hektar hinzu. Die Folge ist eine fortschreitende Desertifikation, die Verwüstung ganzer Landstriche und Regionen. Von dieser Entwicklung besonders betroffen sind Menschen in ländlichen Regionen des Globalen Südens und die dortige Klein- und Subsistenzlandwirtschaft.
Um diesen Prozess zu stoppen, verfolgt die UNO einen Ansatz in der Landwirtschaft, der auf die Regeneration von Böden abzielt – statt auf ihre Vernutzung. In der internationalen Debatte hat sich dafür der Begriff “Conservation Agriculture” etabliert. Im deutschen Sprachraum ist “regenerative Landwirtschaft” geläufig. Das Konzept folgt drei wesentlichen Prinzipien:
1. Minimale mechanische Bodenstörung: Auf die Bearbeitung des Ackers mit einem Pflug oder anderen schweren Landmaschinen soll möglichst verzichtet werden. Das reduziert die Erosion und fördert die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern. Die Aussaat erfolgt direkt in die Rückstände der vorherigen Ernte.
2. Dauerhafte organische Bodenbedeckung: Wenn ein Boden ganzjährig bedeckt oder bepflanzt ist, wird er natürlich beschattet. Ernterückstände werden deshalb auf der Bodenoberfläche belassen. Die Wurzeln von Deckpflanzen lockern die Erde zusätzlich auf und helfen so, sie feucht zu halten. Das schützt vor Erosion und erhöht die Kohlenstoffbindung.
3. Diversifizierung und Artenvielfalt: Durch wechselnde Fruchtfolge, den Einsatz von Deckpflanzen, eine zeitlich gestaffelte Aussaat und Blühstreifen kann der Düngemittelbedarf reduziert, der Schädlingsbefall eingedämmt und der Nährstoffgehalt des Bodens erhöht werden.
Im Ergebnis dieser und weiterer Maßnahmen soll sich die Qualität der Böden deutlich verbessern. Außerdem wird Biodiversität gefördert und der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden reduziert, ohne dass der Ertrag zurückgeht. In Zeiten des Klimawandels ist auch wichtig: Die regenerierten Äcker wirken als CO₂-Senken, weil sie mehr Kohlenstoff als vorher binden können.
Der Bio-Landbau und andere Formen ökologischer Landwirtschaft, nach deren Prinzipien weltweit rund 3,4 Millionen Landwirte arbeiten, setzen ähnliche Verfahren ein. Der entscheidende Unterschied: Bei der regenerativen Landwirtschaft zielen die eingesetzten Methoden nicht nur auf die Quantität und Qualität der Ernte ab. Genauso wichtig ist die nachhaltige Verbesserung der Bodenqualität. Häufige Bodenanalysen oder der Einsatz digitaler Hilfsmittel wie Bodensensoren sind integraler Bestandteil des Konzepts, das deshalb manchmal auch als Präzisionslandwirtschaft bezeichnet wird.
Es gibt aber noch einen zweiten wichtigen Unterschied zum ökologischen Landbau. Die Prinzipien und Methoden der regenerativen Landwirtschaft lassen sich auch in konventionell arbeitenden Betrieben anwenden. Jenseits des bisherigen Entweder-oder hat sich damit eine weitere Option zur nachhaltigen Transformation des Agrarsektors eröffnet.
Bis dato fristet die regenerative Landwirtschaft in Deutschland aber noch ein Schattendasein. Nur rund 50.000 Hektar werden nach dieser Methode bewirtschaftet. Im Vergleich dazu ackert der Bio-Landbau inzwischen auf 1,2 Millionen Hektar oder rund 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Doch auch er ist noch weit vom 30-Prozent-Ziel der Bundesregierung entfernt.
Australien kommt bei der Produktion von Lithiumkarbonat auf einen CO₂-Fußabdruck von 15-20 Tonnen pro Tonne. In Südamerika sind es nur fünf bis sechs Tonnen CO₂ pro Tonne. Hauptgrund sei die Art der Verarbeitung des Gesteins, sagt Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur: Jährlich würden 3 bis 4 Millionen Tonnen Gestein von Australien nach China verschifft, um sie dort von den 97 Prozent tauben Gesteins zu trennen. Dafür müssen sie in Drehrohröfen bei 1000-1200 Grad behandelt werden, um die Kristallstruktur zu verändern. Erst dann können in einem chemischen Prozess die Lithiumchemikalien gewonnen werden. Dagegen wird Lithium in Lateinamerika vor Ort gewonnen, auf eine weniger klimaschädliche Weise.
“Das nachhaltigste Lithium kommt im Moment aus Lateinamerika”, sagt der Geologe Schmidt, etwa aus Chile und Argentinien. Hier gewinnen Minen Lithium aus der salzhaltigen Sole, die sich in großen Mengen unter Salzseen befindet. Dabei wird die Sole, die zu 70 Prozent aus Wasser besteht, an die Oberfläche gepumpt. Sie wird in Becken bis zu 18 Monate verdunstet, um am Ende das Lithium aus ihr chemisch zu trennen. Die Energie dafür kommt größtenteils aus direkter Sonneneinstrahlung. Welche Auswirkungen dieser Wasserentzug für die Umwelt hat, den Umweltschützer kritisieren, ist noch Gegenstand der Forschung.
Bei dem Verfahren lässt sich gut die Hälfte des in der Sole enthaltenen Lithiums gewinnen. Um den Anteil zu erhöhen und gleichzeitig weniger Wasser zu verbrauchen, testen Unternehmen wie die US-amerikanische Firma Livent alternative Technologien. Diese Methoden sind allgemein als DLE (Direct Lithium Extraction) bekannt und befinden sich noch in der Testphase. Da die chemische Zusammensetzung der Sole bei jedem Salzsee eine andere ist, muss der Prozess jedes Mal angepasst werden.
Bei allen DLE-Varianten wird die Sole in überirdische Tanks gepumpt und darin das Lithium extrahiert. Die Restsole fließt zurück in den Untergrund. Fachleute gehen davon aus, dass auf diese Weise ein Viertel mehr Lithium aus der Sole gewonnen werden kann. Künftig dürfte diese Technologie in Südamerika wohl eine Voraussetzung für Lithiumprojekte sein. Chile und Bolivien haben den Weg eingeschlagen und Argentinien dürfte bald folgen.
Von der Förderart abgesehen verfolgen die drei Länder im Lithium-Dreieck Lateinamerikas unterschiedliche Strategien. Chile und Boliviens betrachten das Leichtmetall als strategische Ressource. In Bolivien hat das Staatsunternehmen Yacimientos de Litio Boliviano das Monopol über die Lithiumförderung, die allerdings noch gering ist. Chile hat 2017 alle Förderlizenzen neu verhandelt. Minen müssen bis zu 40 Prozent Lizenzgebühren zahlen, ein Viertel des Rohstoffs verbilligt an lokale Unternehmen abgeben und lokale Projekte unterstützen.
Argentinien hingegen stuft das Leichtmetall nicht als strategische Ressource ein. Seit 1993 gilt ein liberales Bergbauinvestitionsgesetz, es schließt Steuererhöhungen für 30 Jahre aus und begrenzt die Höhe der Lizenzgebühren auf maximal drei Prozent. Für den Bergbau und damit auch für die Vergabe der Förderlizenzen sind die Provinzen zuständig. Damit kann die Zentralregierung nur wenig Einfluss auf die Nutzung dieser Ressource nehmen. Derzeit werden am meisten neue Lithium-Projekte in der Dreiländerregion in Argentinien begonnen, vier Projekte werden dort bald mit der Förderung starten, über 30 weitere sind in der Entwicklung.
Regierungsvertreter forderten wiederholt den Aufbau einer nationalen Batterieproduktion. Das mache aber nur Sinn, wenn es eine Industrie in der Region gebe, die diese Batterien nachfrage, sagt der argentinische Ökonom Martín Obaya, Direktor des Forschungszentrums für Transformation an der School of Economics and Business der Universität San Martín. Derzeit gebe es bei dem Thema in der Regierung mehr Meinungen als Ministerien.
Die drei Förderprovinzen Salta Catamarca und Jujuy, die vergleichsweise arm sind, versprechen sich von der Vergabe von Förderlizenzen neue Arbeitsplätze und höhere Einnahmen. Bei einem Projekt entstünden im Schnitt aber weniger als 300 Arbeitsplätze, sagt Martín Obaya, zudem seien die Lizenzgebühren mit drei Prozent gering. Die Provinzen profitierten von der Lithiumextraktion weniger als möglich wäre. Noch erkennen Fachleute keine Strategie, mit der die argentinische Regierung dafür Sorge tragen würde, wie das Land nachhaltig von der Ressource profitieren könnte. Santiago Engelhardt
Die Quote der stofflichen Verwertung für Plastikabfälle liegt in Deutschland bei gerade einmal 35 Prozent. Eine neue Norm soll die Nutzung von Kunststoffrezyklat erleichtern. “Die Normierung hilft den für die Kreislaufwirtschaft wichtigen B2B-Kooperationen“, sagt Madina Shamsuyeva vom Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik an der Universität Hannover. Auch Handelsplattformen profitieren von der Standardisierung. Das erklärt, warum das deutsche Startup Cirplus, ein globaler Marktplatz für Rezyklate und Kunststoffabfälle, zusammen mit der Universität Hannover Initiator und Treiber der Norm war. Zur Umsetzung der europäischen Kunststoff-Wirtschaftsstrategie wurde die DIN SPEC 91446 in den Kanon der relevanten Standards aufgenommen.
Hintergrund: Die schwankende Materialgüte und der unreife Beschaffungsmarkt für Rezyklate sind für die Industrie ein Problem. Anders als Neu-Granulate, die als Standardprodukte bei Konzernen in großen Mengen und verlässlichen Qualitäten eingekauft werden können, kaufen Kunststoffverarbeiter Rezyklate aus Konsumabfällen in Europa bei einer heterogenen Lieferantenbasis – darunter eine Vielzahl kleiner und Kleinst-Unternehmen mit unterschiedlichem Qualitätsverständnis und verschiedenen Produktionslevels. Hinzu kommen verschiedene Systeme zur Abfallsammlung, Sortierung und Weiterverarbeitung in den Ländern.
Dass der Umstieg auf Rezyklat kein Selbstläufer ist, weiß Rezyklatspezialist Pöppelmann aus dem niedersächsischen Lohne: “Die Verarbeitung von Post-Consumer-Rezyklat ist für Unternehmen anspruchsvoll. Wenn man bisher nur Neuware verarbeitet hat, wird insbesondere dort ein Umdenken erforderlich sein”, sagt Camilo Burgos, strategischer Einkäufer des Kunststoffverarbeiters. Anspruchsvoll ist neben Beschaffung und Materialqualität vor allem die Verarbeitung: Geruch (im Produkt sowie in der Verarbeitungsphase), Farbe, flüchtige Stoffe und Verunreinigungen erfordern besondere Expertisen in Produktentwicklung, Produktion und Einkauf, die Einsteiger erst aufbauen müssen.
Wer nach dem Einstieg seinen Rezyklatanteil wie Pöppelmann kontinuierlich erweitern will (bis 2025 strebt der Kunststoffverarbeiter einen mittleren durchschnittlichen Rezyklatanteil von 60 Prozent über alle Produkte an), muss seine Lieferantenbasis sorgfältig auf- und ausbauen und Firmen über Input aus Entwicklung, Fertigung, Qualität und Einkauf helfen sich weiterzuentwickeln. Pöppelmann setzt deshalb wie viele erfolgreiche Mittelständler auf langfristige Partnerschaften. Eine Strategie, die dem Unternehmen auch in der Lieferkrise half.
Hierbei hilft die Norm, indem sie immerhin die Materialinformationen und Anteilsausweise der Rezyklate standardisiert, sodass sich die angebotenen Qualitäten besser vergleichen lassen: “Die DIN SPEC 91446 klassifiziert recycelten Kunststoff, basierend auf der Menge der für das Material verfügbaren Informationen über verschiedene Datenqualitätslevels, und gibt Richtlinien für die Kennzeichnung des Rezyklattyps und Berechnung des Rezyklatgehalts vor”, sagt Kunststoffspezialistin Shamsuyeva. Der kostenfreie Standard sei damit eine wichtige Voraussetzung für den flächendeckenden Einsatz von Kunststoffrezyklat.
Davon profitieren alle, auch Profis wie Pöppelmann, der in seinen Werken Postconsumer- und Postindustrie-Rezyklate für die Weiterverarbeitung auch selbst veredelt. Weil nicht alle Kunststoffabfälle recycelbar sind (Verbundstoffe, Materialkombinationen und schwarzes Plastik sind für Recyclinganalagen ein Problem), sind brauchbare Rezyklate ein knappes Gut.
Vieles, was Pöppelmann produziert, besteht bereits vollständig aus Rezyklat. Dazu gehören in der industriellen Fertigung genutzte Schutzelemente. Für die Einwegteile hat das Unternehmen eigene Kreisläufe geschaffen: Die bei den Industriekunden eingesammelten Schutzkappen fließen als Granulat zurück in die Produktion. Auch ein großer Teil der Pflanztöpfe für Gartenbau, Landwirtschaft und Forschung besteht aus 100 Prozent Rezyklaten – in diesem Fall aus Verbraucherabfällen. Aus dem Gelben Sack entstehen nach einer Fraunhofer-Untersuchung aus einem Kilogramm Input-Material bei Pöppelmann 2,7 Kilogramm Produkte. Ein Wert, der nach Auffassung des Unternehmens “durch eine stetige Optimierung der Sammlungs- und Recyclingsysteme weiter verbessert werden kann und muss”.
So simpel sich das Blumentopfrecycling anhört, so wichtig sind die Erfahrungen, die das Unternehmen, das die Automobil-, Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharmaindustrie beliefert, in der Verarbeitung von Kunststoffen aus Verbraucherabfällen sammeln konnte. Die Erkenntnisse helfen bei der Umsetzung anspruchsvoller Anwendungen, wo es auf Kriterien wie Leitfähigkeit, Chemikalien- und Temperaturbeständigkeit ankommt. Und sie machen das Unternehmen zum Pionier: Als erster Zulieferer verarbeitete Pöppelmann Kunststoffmüll aus dem Gelben Sack zu Bauteilen für ein Serienfahrzeug. Die Halterungen aus Rezyklat sind in Mercedes E-Autos eingebaut.
Auch bei den Lebensmittelverpackungen tut sich etwas. Seit Oktober 2022 gelten EU-weit neue Regeln für den Einsatz von recyceltem Kunststoff in Lebensmittelkontaktmaterialien. “Die Regelungen führen”, schreibt die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen “hoffentlich dazu, dass auch andere Rezyklate als recyceltes PET aus Pfandflaschen in Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können.” Auch hierfür steht man in Lohne in den Startlöchern.
18.1.2023, 9:30 Uhr
Webinar Unternehmerische Verantwortung für Kinder (Auswärtiges Amt und Deutsches Komitee für UNICEF)
Um eine kinderrechtliche Perspektive auf die Umsetzung (inter-)nationaler Standards und rechtlicher Anforderungen der unternehmerischen Sorgfalt geht es in diesem Webinar. Eine Anmeldung ist noch bis 9:15 Uhr möglich. Info & Anmeldung
18.1.2023, 19 Uhr
Podiumsdiskussion Heißt Ausstieg aus fossilen Energieträgern auch das Ende der synthetischen Stickstoffdünger? (Heinrich-Böll-Stiftung, CIEL und INKOTA Netzwerk)
Veranstaltung zur fatalen Abhängigkeit der Landwirtschaft von synthetischem Stickstoffdünger im Rahmen der Reihe “Landwirtschaft anders – Unsere Grüne Woche 2023” Info & Anmeldung
8.2.2023
Konferenz Asia Green Tech Summit – Mobilising Long-Term Capital for the Transition to Net-Zero (Financial Times und Nikkei)
In the first of a series of summits, FT Live and Nikkei will bring together investors, innovators and business leaders to discuss how finance and technologies can be deployed at scale to support the transition to a net-zero world. Der Digitalpass kostet bis zum 26.1.2023 rund 277 Dollar. Info & Anmeldung
19.-20.1.2023, Berlin
Fachpodien Global Forum for Food and Agriculture
Auf 16 Fachpodien diskutieren Expertinnen und Experten während der GFFA 2023 wichtige agrar- und ernährungspolitische Fragen, unter anderem Finanzierung nachhaltigen Wandels, resiliente Ernährungssysteme, Verlinkung von indigenem Wissen in Transformationsprozessen. Info & Anmeldung
20.1.2023, 14 Uhr
Online-Vorträge Chancenkontinent – Afrika (Africa Greentech)
Experten nehmen Stellung zu den Themen nachhaltiges Ernährungssystem, Überwindung der Armut, Erneuerbare Energien, Überwindung der Ungleichheit sowie Empowerment von Frauen. Info & Anmeldung
20.1.2023, 11 Uhr
Tête-à-Tête Timur Gül von der IEA, Wegbereiter für die globale Energiewende (OECD)
Eine Unterhaltung am späten Vormittag zwischen Nicola Brandt vom OECD Berlin Centre und Timur Gül, dem Leiter der Abteilung Energietechnologiepolitik bei der IEA. Info & Anmeldung
20.1.-29.1.2023, Berlin
Messe Internationale Grüne Woche
Die internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau findet dieses Jahr zum 87. Mal statt. Info & Anmeldung
21.-22.1.2023, Berlin
Messe Veggienale und Fairgoods
Die erste Ausgabe der Messe für pflanzlichen Lebensstil und ökologisches Handeln des Jahres 2023 findet in Berlin statt. Im April macht sie zunächst Station in Köln und danach in München. Info & Anmeldung
23.1.2023, 18 Uhr, München
Diskussion Soziale Kipp-Interventionen und Wissenschaftskommunikation (LMU)
Kann es sein, dass eine kritische Masse an Menschen das Ruder in der Klimakrise herumreißen könnte, selbst wenn es nicht die Mehrheit ist? Dies können Teilnehmende auf dieser Veranstaltung mit Expertinnen und Experten diskutieren. Info & Anmeldung
24.1.2023, 18 Uhr, Bonn
Vorlesung Der Staat in der Klimakrise (Friedrich-Ebert-Stiftung)
Zum fünften Termin der Ringvorlesung referiert Petra Pinzler, Autorin und Korrespondentin aus der Hauptstadtredaktion von Die Zeit. Info & Anmeldung
24.1.2023, 18 Uhr, Berlin
Gespräch und Empfang Zwischen Handlungsdruck und Zukunftsorientierung: Auftrag und Perspektiven der Nachhaltigkeitsforschung (Zukunftsforum Ecornet)
Was ist der Auftrag für die Nachhaltigkeitsforschung in den kommenden Jahren? Unter anderem diese Frage diskutieren Teilnehmende mit Gästen aus Politik und Zivilgesellschaft. Im Anschluss gibt es einen Neujahrsempfang. Info & Anmeldung
24.1.2023, 19 Uhr, Berlin
Kino Lange Nacht des Menschenrechtsfilms
Am 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – wurden in Nürnberg die Gewinner*innen des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises in verschiedenen Kategorien gekürt. Jetzt sind alle Filme auch in Berlin zu sehen. Info & Anmeldung
26.1.2023, 18 Uhr, Fürth
Vortrag Einfach zu einfach: Wie die leichten Lösungen unsere Demokratie bedrohen (ifo Institut)
Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, spricht auf dieser Präsenzveranstaltung über sein neues Buch. Info & Anmeldung
Bislang spielen Banken bei der Finanzierung der Transformation für deutsche Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle, sagte Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling vergangene Woche bei einer Vorstände-Tagung der Sparkassen-Finanzgruppe. Von der Bundesbank befragte Unternehmen wollten nur zu 17 Prozent Klimaschutz und Digitalisierung über Bankkredite finanzieren. “Das entspricht nur gut 7,5 Prozent der durchschnittlichen Neukreditvergabe”, sagte Wuermeling.
Das passt zu den Ergebnissen einer KfW-Studie aus 2021: Demnach investierten Unternehmen 55 Milliarden in den Klimaschutz, davon 71 Prozent aus eigener Kraft und nur 12 Prozent über Bankkredite und Fördermittel. Allerdings decken die bisherigen Investitionen in die Transformation nur einen Teil des notwendigen Bedarfs. Laut KfW braucht es bis zum Jahr 2045 jedes Jahr 120 Milliarden Euro an Investitionen, um die Wirtschaft klimaneutral zu machen. Die Bedarfe für eine umfassende Transformation sind noch sehr viel höher.
Wuermeling macht einige Gründe aus für die Zurückhaltung der Banken, vor allem handele es sich “oft um unbekanntes Terrain”. Transformative Investitionen unterscheiden sich häufig von klassischen Investitionen, was Banken herausfordert. Laut Wuermeling seien,
Prinzipiell seien die Institute aufgrund ihrer Kapitalausstattung in der Lage, mehr Mittel für die Transformation zur Verfügung zu stellen, aber einige Institute könnten an Grenzen stoßen. Das sollten die Sparkassen bei “ihrer Ausschüttungspolitik bedenken”, rät Bankenaufseher Wuermeling. Denn für eine Transformation der regionalen Wirtschaft müsse jetzt das Kapital aufgebaut werden. “Eine Kreditklemme kann die Transformation lähmen, ja hindern.” Auf die Verantwortung jeder einzelnen Sparkasse verweist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband: “Über Ausschüttung entscheiden die Institute und ihre Träger.” Auch die Befürchtungen hinsichtlich einer drohenden Kreditklemme teilt der Verband nicht: “Eine Kreditklemme wird es mit Sparkassen nicht geben.” cd
Laut einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs entsteht in der EU immer mehr Giftmüll: Es gebe einen Anstieg von 23 Prozent, von rund 81 Millionen Tonnen 2004 auf 102 Millionen Tonnen 2018, heißt es in einem am Montag vorgestellten Bericht. Deutschland liegt dabei mit einem Anstieg von 21 Prozent knapp hinter dem EU-Durchschnitt. In der Bundesrepublik entstehen jährlich 292 Kilo pro Kopf an Giftmüll. Zum Vergleich: In Dänemark waren es 361 Kilo pro Kopf (plus 512 Prozent).
Mit einer Überprüfung der europäischen Gesetzgebung zu gefährlichen Abfällen in der EU wolle der Rechnungshof seinen Beitrag zu den aktuellen Debatten um das Thema beitragen, sagte ein Sprecher: Dieses Jahr stehen auf EU-Ebene die Trilog-Verhandlungen zur Müllverschiffung und Ökodesignverordnung sowie eine Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie an.
Doch die Datenlage dazu, wie in der EU mit toxischen Abfällen umgegangen wird, ist mager. Zwischen der Menge an gefährlichen Abfällen, die in der EU generiert werden und jenen, die in der Gemeinschaft behandelt oder entsorgt werden, liegt eine Kluft von 21 Prozent.
Obwohl die EU-Gesetzgebung vorsieht, dass der Giftabfall vorzugsweise weiterverarbeitet oder recycelt werden soll, ist dies in der Praxis kaum der Fall. Über die Hälfte der gefährlichen Abfälle landen auf Müllhalden oder werden (teilweise ohne Energiegewinnung) verbrannt.
Derweil ist es technisch ohnehin kaum möglich, den Giftmüll überhaupt weiterzuverarbeiten oder zu recyceln, warnt der Rechnungshof. Entweder fehlt die nötige Technologie, es gibt keinen Absatzmarkt für die recycelten Materialien oder den Abfallunternehmen fehlen wichtige Informationen zur Zusammensetzung der zu recycelnden Produkte. cw
Banken der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) vergeben weiter Milliardensummen an Firmen, die am Ausbau fossiler Energien arbeiten. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag veröffentlichten Studie der französischen NGO Reclaim Finance. Die NZBA gehört zur Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) – ein Zusammenschluss von Finanzinstituten, der sich bei der COP26 im Jahr 2021 auf das Netto-Null-Ziel verpflichtet hat.
Demnach hätten 56 große Banken der NZBA zwischen dem Eintritt in die Initiative und August 2022 mindestens 269 Milliarden Dollar in 102 der größten Fossile-Energien-Unternehmen investiert. Letztere planen laut der Studie neue Förderprojekte, die rund 60 Prozent der bis 2030 weltweit geplanten zusätzlichen Öl- und Gas-Kapazität ausmacht – sowie den Ausbau von Kohlekraft im Ausmaß der bisherigen Kapazitäten von Japan und Südafrika.
Die Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM), die auch zur GFANZ gehört, ist laut Studie weiter stark in fossile Energien investiert. Dementsprechend hielten die 58 größten Vermögensverwalter der NZAM im September 2022 mindestens 847 Milliarden Dollar in Aktien und Anleihen von Fossile-Energien-Unternehmen. Rund 90 Prozent davon entfallen auf Firmen, die 72 Prozent der bis 2030 geplanten zusätzlichen Öl- und Gas-Kapazität schaffen wollen.
Amanda Starbuck, Mitglied in der UN-High-Level Expert Group für Netto-Null-Verpflichtungen von nicht-staatlichen Akteuren, sagt im Vorwort der Studie: “Finanzinstitute können nicht behaupten, netto null zu sein, während sie neue fossile Kapazitäten finanzieren. Wie die IEA und das IPCC gezeigt haben, wird die geplante oder bereits im Aufbau befindliche Infrastruktur für fossile Brennstoffe das verbleibende CO₂-Budget erschöpfen.” nh
Das Landgericht Braunschweig hat am 10. Januar die Zivilklage von drei Klima-Aktivisten gegen VW zugelassen. Sie wollen erreichen, dass der Autobauer ab 2030 keine Verbrenner mehr herstellt. Außerdem soll der Konzern seinen CO₂-Ausstoß deutlich reduzieren.
Der Vorsitzende Richter ließ in der mündlichen Verhandlung allerdings erkennen, er räume der Klage keine Erfolgschancen ein. Für den 31. Januar wurde ein Verkündungstermin anberaumt. “Im Falle einer Abweisung gehen wir am Oberlandesgericht Braunschweig in Berufung“, erklärte Simone Müller von Greenpeace.
Bei den Klägern handelt es sich um die Berliner Pressesprecherin von Fridays for Future, Clara Mayer, sowie Roland Hipp und Martin Kaiser, die geschäftsführenden Vorstände von Greenpeace. Sie werden von Roda Verheyen anwaltlich vertreten. Verheyen hatte im März 2021 ein bahnbrechendes Klima-Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten. Es verpflichtete den Staat auf ambitioniertere Klimaschutzziele, um die Zukunftschancen der jüngeren Generation wahren zu können. In der Folge musste das Klimaschutzgesetz verschärft werden und sieht nun eine Reduktion der Treibhausgase bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Im Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein.
Die drei Klimaschützer argumentieren, das Geschäftsmodell von Volkswagen konterkariere die angestrebten Reduktionsziele. Als Grundlage dient ihnen eine im November 2022 vorgelegte Studie. Danach übersteige der von VW geplante Absatz an Verbrenner-Autos die für das 1,5-Grad-Ziel noch vertretbare Zahl mindestens um das Doppelte.
Ein Sprecher von Volkswagen wies den Vorwurf zurück. “Die Klage trifft mit Volkswagen den Falschen”, hieß es in einem Statement. Das Unternehmen habe sich zum Pariser Klimaabkommen bekannt, treibe “eine der ambitioniertesten E-Offensiven der Automobilbranche” voran und wolle “spätestens 2050 bilanziell CO₂-neutral sein”. Auch seien “Klimaklagen gegen einzelne herausgegriffene Unternehmen” der falsche Weg und im Recht ohne Grundlage, hieß es. ch
In einer Anhörung vor dem Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Montag haben Sachverständige den Gesetzentwurf zur Einführung eines verpflichtenden Tierhaltungskennzeichens von Landwirtschaftsminister Özdemir kritisiert.
Der Entwurf sieht vor, dass frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch ab 2023 im Verkauf gekennzeichnet sein muss – die fünf Haltungskategorien sollen von “Stall” bis “Bio” reichen. Später soll das Label für weitere Tier- und Verarbeitungsarten eingeführt werden. Damit möchte das Landwirtschaftsministerium tierfreundlichere Haltung fördern.
Aus Sicht der Sachverständigen weist der Entwurf große Lücken auf. So sei etwa problematisch, dass das geplante Label die Haltung der Sauen und die damit verbundene Ferkelaufzucht nicht berücksichtige, sagte Martin Schulz von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Das Fleisch von Ferkeln, die erst unter schlechteren Bedingungen aufwachsen, würde so ein Label bekommen, dass der Haltung im späteren Leben entspricht.
Darüber hinaus kritisierten einige Experten, dass allein eine Kennzeichnung keinen Anreiz für bessere Tierhaltung schaffe. Sie verwiesen in diesem Zusammenhang auf den Abschlussbericht des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (auch Borchert-Kommission genannt) von 2020 zur Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland.
Auch die Kommission scheint den Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung kritisch zu sehen. Wie das Branchenmedium Agrarheute am Dienstag berichtete, plant sie am heutigen Mittwoch, eine Stellungnahme zur Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu verabschieden. In Bezug auf das Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung soll der Entwurf zeigen, dass die Kommission die Haltungskategorien für nicht kontrollierbar hält und befürchtet, dass für Verarbeiter Anreize geschaffen würden, ausländische Ware aus niedrigeren Standards zu nutzen. nh
Mit Blick auf die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes fühlen sich Unternehmen laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Sapio Research zunehmend unsicherer: 42 Prozent gaben an, über ein effektives Risiko-Management-System zur Evaluierung von ESG-Risiken zu verfügen. Vor einem Jahr seien es noch 58 Prozent gewesen. Knapp drei Viertel der Firmen könnten nicht einmal beurteilen, ob ihre direkten Lieferanten überhaupt ESG-Standards einhalten. Auch bei dieser Frage gab es eine Verschlechterung. Auftraggeber der Befragung ist Coupa – ein Anbieter von Softwarelösungen für Lieferketten-Management. Im Dezember wurden 100 Entscheidungstragende für Supply-Chain-Themen in Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden befragt.
Neue, gesetzeskonform arbeitende Lieferanten zu finden, sei langwieriger geworden: Im Februar 2022 hätten noch mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen geäußert, dass sie in wenigen Tagen neue Lieferanten finden könnten, um das Lieferkettengesetz einzuhalten. Heute sagen dies nur noch 19 Prozent. Durchschnittlich haben die befragten Unternehmen 2.245 direkte Lieferanten. In den vergangenen zwölf Monaten hätten sie rund 6 Prozent ihrer Lieferanten (durchschnittlich 132 Lieferanten) gewechselt, um Risiken zu reduzieren oder das Lieferkettengesetz einzuhalten.
Für die gestiegene Verunsicherung kann es viele Gründe geben: Wenn Unternehmen genauer hinschauen, entdecken sie mehr Probleme. Manchem Unternehmen dürfte auch erst im Laufe der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben klar geworden sein, was diese konkret bedeuten. Allerdings entspricht dies genau dem Geist des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, Unternehmen für menschenrechtliche und ökologische Risiken in ihrer Lieferkette zu sensibilisieren, damit sie präventiv tätig werden. cd
Top-Manager aus aller Welt warnen davor, dass die große Zahl akuter Krisen eine Gefahr für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele sein könnte. Das hat die neueste CEO-Studie des UN Global Compact und der Unternehmensberatung Accenture ergeben. Sie stützt sich auf Umfrageergebnisse von mehr als 2.600 CEOs aus 128 Ländern und 18 Branchen sowie auf mehr als 130 Interviews.
Demnach zeigten sich 87 Prozent der Befragten alarmiert über das derzeitige Ausmaß an Disruptionen und mögliche Konsequenzen für nachhaltige Entwicklung. 93 Prozent der Führungskräfte sehen sich gleichzeitig mit zehn oder mehr Herausforderungen konfrontiert. Sie fürchten Rückschläge für Wirtschaft und Gesellschaft, einen schwächeren Multilateralismus, sozioökonomische Instabilität, das Abreißen von Lieferketten und die Auswirkungen des Klimawandels.
Sanda Ojiambo, CEO und Exekutivdirektor des UN Global Compact, sieht aber auch die CEOs in der Pflicht, ihren Beitrag zur Überwindung der Krisen zu leisten. So seien “die Maßnahmen der Unternehmen bei einer Vielzahl von Themen derzeit nicht ehrgeizig genug, etwa beim fortschreitenden Klimawandel oder der wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten”, kritisiert Ojiambo bei der Vorstellung der Studie. Maßnahmen müssten schneller implementiert werden. Das gelte nicht zuletzt für die Netto-Null-Ziele der Unternehmen bei den CO₂-Emissionen.
“Trotz der Rückschläge gibt es Raum für Hoffnung”, sagte Alexander Holst, Leiter Sustainability Strategy & Services bei Accenture in der DACH-Region. Denn die befragten CEOs würden zunehmend anerkennen, dass sie Glaubwürdigkeit und Markenwert aufbauen könnten, indem sie sich dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben – “nicht nur, weil es das Richtige ist, sondern auch, weil es wirtschaftlich sinnvoll ist”, ergänzte Holst. ch
Wer als Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit in Lieferketten nicht ernst nimmt, wird langfristig nicht erfolgreich sein. Dabei geht es sowohl um Anforderungen, die sich aus Lieferkettengesetzen ergeben, als auch um ökologische Belange wie die Reduzierung von CO₂-Emissionen. Beides stellt Unternehmen vor immense Herausforderungen.
Bei der Umsetzung kommt dem Einkauf- und Supply Chain Management eine zentrale Verantwortung zu, denn einen wesentlichen Anteil der Risiken und CO₂-Emissionen gibt es in den vorgelagerten Lieferketten.
Lange lag der Fokus des Einkaufs darauf, die Versorgung und die Qualität sowie Preise zu gewährleisten. Inzwischen gehört auch das Thema nachhaltiger Lieferketten zur täglichen Arbeit. Neben dem risikoorientierten Aufbau und der Entwicklung globaler Lieferketten sind vor allem zwei Fragestellungen wichtig: Wie kann der CO₂-Fußabdruck kontinuierlich gesenkt werden? Wie können die ausgelagerten Wertschöpfungsketten und die damit verbundene Vielzahl an global aktiven Zulieferern resilient gestaltet werden?
Wichtig ist es, vor allem beim Zukauf von Materialien oder Dienstleistungen auf die GHG-Protocol-Scope-3.1-Emissionen zu schauen, denn sie stellen einen signifikanten Anteil der unternehmerischen Gesamtemissionen dar. Um diese zu mindern, müssen zuerst die größten Emittenten unter den aktiven Lieferanten identifiziert werden. Dann sollte ein Unternehmen umgehend in die Interaktion mit den Lieferanten gehen und gemeinsam Reduktionziele und daraus abgeleitet spezifische Maßnahmen, etwa den Einsatz regenerativer Energien oder Ecodesign-Aktivitäten, vereinbaren und nachhalten.
Wer als Einkäufer Risiken oder Emissionen reduzieren will, braucht eine umfassende Datentransparenz. Bei Körber nutzen wir dafür Softwarelösungen. Tagesaktuell laufen Daten systematisch ein, beispielsweise zu Einkaufsvolumen und -prozesse sowie Lieferanten. Das umfasst die Aktivitäten von insgesamt mehr als 10.000 Lieferanten aus über 50 Ländern und ein jährliches Einkaufsvolumen von mehr als 1 Milliarde Euro. Um eine Datentransparenz zu erreichen, spielt die Organisationsentwicklung eine wichtige Rolle. Bei Körber haben wir die dezentralen Systeme der vormals eigenständigen Standorte auf einer zentralen Plattform zusammengeführt. Die damit geschaffene vollumfassende Datentransparenz ist der Startpunkt für die Analyse und Beantwortung unterschiedlichster Fragestellungen, zum Beispiel:
Wir nutzen die vorhandenen Daten vollumfänglich und identifizieren Datenmuster automatisiert, um damit Potenziale oder Risiken freizulegen und aktiv zu bearbeiten.
Daneben kommt der Kommunikation mit den Lieferanten eine Schlüsselrolle im Umgang mit dem Lieferkettendesign und den Aktivitäten zur Reduktion von CO₂ zu. Dies gilt besonders für ein global agierendes Technologie-Unternehmen wie Körber. Es ist in fünf Geschäftsfeldern organisiert: Digital, Pharma, Supply Chain, Technologies und Tissue. Um soziale und ökologische Risiken in den Lieferketten zu reduzieren, gilt es, proaktiv den Austausch intern und extern über sämtliche Ebenen, Unternehmen und Lieferketten hinweg sicherzustellen. Die stetige Interaktion ist die Voraussetzung, um ein Bewusstsein für relevante Themen, Risiken und Prioritäten zu schaffen.
Eine konzernübergreifende Nachhaltigkeitsstrategie ist die Grundlage unseres Handelns. Gemeinsam heben wir Synergien und schaffen ein Verständnis davon, was Nachhaltigkeit für uns bei Körber bedeutet. Daraus leiten wir eine Kommunikationsstrategie ab, die sich u.a. nach Zielgruppen, Anlässen oder Kommunikationskanälen unterscheidet. Die Kombination aus Datentransparenz, klar vereinbarten Maßnahmen und gezielter Kommunikation ermöglicht es etwa weitergehende Aktivitäten im zuständigen Nachhaltigkeitsbereich zu verfolgen sowie die Effekte der Maßnahmenrealisierung zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit ist für uns ein kontinuierlicher Prozess, den wir in unserem Bericht an alle Stakeholder kommunizieren.
Die interne Steuerung sämtlicher Einkaufsaktivitäten erfolgt zum Beispiel im Rahmen von monatlichen Performance-Dialogen. Darin wird der Austausch und die Steuerung zwischen den konzernweiten Einkaufsteams sichergestellt. Diese Plattform bietet zudem die Möglichkeit, Aktuelles zu diskutieren, Entscheidungen zu reflektieren und weitere Maßnahmen zu definieren.
Darüber hinaus wird die konstante Weiterentwicklung der Körber Einkaufs- und Supply-Chain-Organisation mit einem eigens dafür entwickelten Programm kontinuierlich begleitet. Das interne “Professional Development Program” zielt auf eine proaktive Reflexion und das Ergreifen von maßgeschneiderten Maßnahmen in verschiedenen Verbesserungsdimensionen wie Lieferantenmanagement oder Warengruppenmanagement ab. Mit dem maßgeschneiderten Entwicklungsprogramm kann somit umgehend auf jegliche unternehmerischen Notwendigkeiten proaktiv reagiert werden.
Die Kombination der beschriebenen Elemente ist ein wichtiger Schlüssel, um aktiv globale Lieferketten zu steuern und nachhaltiger zu gestalten. Wir sind davon überzeugt, dass insbesondere die Reduktion der CO₂-Emissionen in Lieferketten in der Verantwortung eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens liegt, auch auf Kundenseite rückt diese Anforderung vermehrt auf die Agenda.
Hier stellt sich nicht die Frage ob, sondern nur wie wir gemeinsam partnerschaftlich unter Nachhaltigkeitsaspekten mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten. Denn nur mit der konsequenten Beeinflussung der Lieferketten und Reduktion von unternehmerischen und ökologischen Risiken können beide Seiten künftig unternehmerische Erfolge erzielen.
Michael Stietz ist Senior Vice President & Chief Procurement Officer der Körber AG in Hamburg. In seiner Verantwortung liegen die Leitung und Entwicklung des Konzerneinkaufs sowie des Supply Chain Managements. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er in diversen Funktionen im Bereich Operations, Einkauf &SCM. Er ist zudem Key Note Speaker, Autor und Initiator und Mitgründer des ersten Procurement Lehrstuhls an der Universität Mannheim sowie Gastdozent an verschiedenen Universitäten.
Sein Lebensthema bescherte Markus Löning ein Anruf seines damaligen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle (FDP), der ihn davon überzeugte, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung zu werden. Beide waren häufig unterschiedlicher Meinung, aber Löning nahm dieses Angebot an und Westerwelle stärkte ihm den Rücken für die Aufgabe. Das war im Jahr 2010. Zuvor ist der studierte Politikwissenschaftler und Werber bereits Bundestagsabgeordneter für die FDP gewesen, zuerst Mitglied im Entwicklungsausschuss, dann im Europaausschuss. Als die Partei 2014 an der Fünfprozenthürde scheiterte, musste er sich wie alle aus der Fraktion einen neuen Job suchen. Er gründet die Beratung Löning – Human Rights & Responsible Business. Rückblickend finden das viele visionär, erzählt er, damals hätten es viele für eine Spinnerei gehalten. Für ihn war es konsequent: Er wollte seine sinnstiftende Menschenrechtstätigkeit fortsetzen, zumal der Zeitpunkt günstig war.
Denn damals hatten die Vereinten Nationen die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gerade verabschiedet. “Da habe ich gedacht, das wird jetzt für Unternehmen zum Thema werden und die wissen ja nicht, wie sie damit umgehen sollen.” Er wolle den Leuten in den Unternehmen helfen, das Richtige zu tun. Der 62-Jährige klingt bescheiden, wenn er das sagt. Aber es ist sein großes Anliegen geworden, Menschenrechte in den Lieferketten zu verankern. Mit seinem 20-köpfigen Team hilft er großen und mittelständischen Unternehmen, zu verstehen, welche menschenrechtlichen Risiken ihre Arbeit verursachen kann. Wenn die Risiken erstmal geklärt sind, hilft er, Prozesse aufzubauen, die die Risiken verringern. Löning hat sich einen guten Ruf in der Szene erarbeitet, sowohl bei den Unternehmen als auch bei vielen Vertretern von NGO.
“Manche glauben, man schaltet das deutsche Lieferkettengesetz an wie einen Lichtschalter und schon haben wir keinerlei Menschenrechtsverletzungen mehr”, sagt Löning. “Aber so funktioniert das nicht.” Bei komplizierteren, globalen Lieferketten reiche es nicht aus, wenn Unternehmen vertraglich ihre Lieferanten auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichteten. Da brauche es sogenannte Audits, die die Einhaltung der Standards immer wieder prüften. Und das könne funktioniere. Viele Firmen beendeten die Zusammenarbeit mit Lieferanten, wenn sie wiederholt Missstände nicht abstellen würden. Und statt mit vielen verschiedenen Lieferanten und Agenten zu arbeiten, gingen mehr Firmen dazu über, ohne Agenten direkt mit Lieferanten Geschäfte zu tätigen.
Markus Löning ist manchmal selbst überrascht, wie viele junge Menschen sich mittlerweile für das Thema menschenrechtlicher Verantwortung von Unternehmen interessieren. Gerade erst hat er es auf einer Studienreise in den USA erlebt. Zwei Professoren hätten ihm erzählt, wie sehr sich ihre Studierenden für Unternehmensverantwortung interessieren. Löning wirkt überrascht. “Ich habe zwar noch niemanden getroffen, der gesagt hat, Menschenrechte finde ich doof”, sagt er. Doch die Frage, wie Unternehmen sie einhalten könnten, sei nicht immer einfach. Und lange Zeit haben sich die meisten Unternehmen dafür auch nicht interessiert. Aber seitdem Länder wie Frankreich, Deutschland und die Niederlande Lieferkettengesetze verabschiedet haben und aus der freiwilligen Unternehmensverantwortung eine verpflichtende geworden ist, gehört das Thema zum Kerngeschäft von Unternehmen. Und damit hat Löning eine Menge zu tun.
“Wenn ich keinen Fortschritt sehen würde, dann würde ich das nicht machen”, sagt Löning, der aber auch in bestimmten Momenten eine gewisse Ohnmacht erlebt. “Solche Situationen wie mit der Zwangsarbeit im chinesischen Xinjiang sind einfach frustrierend.” Ob er seine jetzige Arbeit sinnvoller findet als die in der Politik? “Der Hebel ist anders”, sagt Löning. Und er lässt sich in Bewegung setzen. Markus Löning wollte eben nicht der 135. Lobbyist werden, sondern wirklich etwas verändern und dabei seinen Überzeugungen treu bleiben. Kristina Kobl
Manche Innovation erklärt sich nicht von selbst – zumindest nicht auf den ersten Blick. Wie etwa: Ein beheizbarer Sicherheitsgurt, der im Winter nicht nur schnell für angenehme Wärme sorgt, sondern auch die Reichweite von Elektroautos erhöht. Noch erstaunlicher ist: In Kombination mit Sitz- und Lenkradheizung ist der Effekt noch größer. Bis zu 15 Prozent Reichweiten-Gewinn seien so möglich. Das behauptet zumindest der Friedrichshafener Autozulieferer ZF (“Smarte Gurtsysteme für smarte Autos”). Und der sollte es wissen. Denn dort hat der Wundergurt mit seinen in die Textilstruktur eingewobenen Heizleitern jüngst das Licht der Winterwelt erblickt.
15 Prozent! Das lässt aufhorchen. Zumal wenn man bedenkt, dass die Reichweite von E-Autos in der kalten Jahreszeit im Schnitt um 20 bis 30 Prozent zurückgeht. Der Grund: Auch Akkus haben eine Wohlfühltemperatur. Und die liegt zwischen 20 und 40 Grad Celsius, sagt der ADAC. Natürlich plus. Doch zurück zum beheizbaren Sicherheitsgurt und seinen Komplizen Sitz- und Lenkradheizung. Denn eigentlich ist das mit der Reichweite ganz logisch. Die ZF-Ingenieure mussten nur kurz um die Ecke denken.
Die Erklärung lautet: Durch vergleichsweise energieeffiziente Kontaktheizungen, und das sind Gurt-, Sitz- und Lenkradheizungen technisch betrachtet, kann man auf die energieintensivere Klimatisierung des gesamten Innenraums verzichten. Das spart Strom und sorgt so für zusätzliche Reichweite. Trotzdem ist den Insassen, zumindest bei einer Kombination von Gurt- und Sitzheizung, “schnell rundum warm”. Toll, oder?
Was gibt es zu dem Thema noch zu sagen? Ach ja: “Der beheizbare Gurt steht seinen konventionellen Pendants hinsichtlich Insassenschutz um nichts nach.” Das betont ZF. Carsten Hübner