die Klima-Gemeinde schaut gerade gespannt nach Washington: Bei der Jahrestagung von Weltbank und IWF debattieren die Staaten darüber, wie die Weltbank die Armut besser bekämpfen kann – durch mehr Kapital, aber auch mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Deshalb fokussieren wir zwei Analysen auf die Weltbank und auch auf ihr Lieblings-Instrument: Das “Hebeln”, mit dem privates Kapital das knappe öffentliche Geld vermehren soll. Eine gute Idee, die aber leider kaum funktioniert, wie wir recherchiert haben.
Zeitgleich ringen die G7-Umweltminister in Japan auch um ihre Versprechen, die fossilen Energien nicht länger zu subventionieren. Die G7 bewegen sich dabei eher in Trippelschritten, wie unsere Grafik der Woche zeigt. Umweltministerin Steffi Lemke schildert in einem Standpunkt, dass in der Klimadebatte der Ressourcenschutz verstärkt und eine Kreislaufwirtschaft aufgebaut werden muss.
Schließlich blicken wir noch nach Indien. Das Land übernimmt dieser Tage von China den Titel des bevölkerungsreichsten Staates. Steht der Welt nun eine ähnlich steiler Anstieg beim indischen CO₂-Ausstoß bevor, wie er Chinas Aufstieg zur Klima-Supermacht folgte? Die Antwort könnte Sie überraschen.
Viel Spaß beim Lesen und behalten Sie einen langen Atem!
Die Weltbank macht den Weg frei für interne Reformen, die auf mehr Geld zur Bekämpfung der Armut und einen Fokus auf Klima und Nachhaltigkeit abzielen. Sie will ihre Mission erweitern, indem sie “nachhaltige, resiliente und inklusive Entwicklung fördert“. Dafür müsse sich die Bank weiterentwickeln als Antwort auf das “beispiellose Zusammentreffen von globalen Krisen, die Fortschritte bei der Entwicklung umgedreht haben und die Menschen und den Planeten bedrohen”.
Das sind die Kernaussagen eines “Evolutions-Fahrplans”, den die Vertreter der Länder als Anteilseigner der Weltbank im Entwicklungskomitee am späten Mittwoch in der US-Hauptstadt Washington beraten haben. Der Fahrplan war vom Management der Bank vorgelegt worden. Die Vorschläge zielen unter anderem darauf ab:
Der Fahrplan soll nun als Vorgabe für die weiteren Beratungen in der Bank und unter den Staaten dienen. Bei der Herbsttagung im Oktober in Marrakesch sollen die Reformen dann beschlossen werden. Aus der deutschen Delegation, die sich seit langem für eine Reform einsetzt, hieß es, man begrüße die Richtung, die neue Ausrichtung müsse aber noch stärker in den Strukturen der Weltbank verankert werden. “Es reicht nicht aus, an zwei bis drei Stellschrauben zu drehen oder einen neuen Treuhandfonds aufzusetzen”, so Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Ziel müsse “eine wahre Transformationsbank” für Armutsbekämpfung und die Bewältigung globaler Krisen sein.
Außerdem sollten globale öffentliche Güter “in allen Bereichen und Produkten der Bank systematisch berücksichtigt werden” und alle Entscheidungen auch im Länder-Engagement-Modell (CEM) “die wahren ökonomischen, ökologischen und sozialen Kosten abbilden.” Die Entwicklungsorganisation Germanwatch erklärte, der Entwurf sei “noch nicht der große Wurf, aber immerhin ein Schritt nach vorn.” Besorgnis erregend sei allerdings, dass das Pariser Abkommen praktisch keine Erwähnung finde.
Zu Beginn der Konferenz hatte der scheidende Weltbank-Präsident David Malpass gewarnt, die Entwicklungsländer stünden vor dem Problem, dass wegen Inflation und steigender Zinsen Investitionen aus ihnen abflössen. Das verstärke Ungleichheiten und mache Staaten verletzlich. IWF-Chefin Kristalina Georgieva wiederum erklärte, die Kosten für Rückschritte beim globalen Handel könnten die Welt sieben Prozent der Wirtschaftsleistung kosten. “Das globale Wirtschaftswachstum wird für die nächsten fünf Jahre unter drei Prozent bleiben”, so die IWF-Chefin, das werde die Bekämpfung der Armut behindern.
Die Tagung wurde begleitet durch Proteste von Umwelt- und Entwicklungsgruppen. Aktivistinnen und Aktivisten legten teilweise den Verkehr vor der Weltbank-Zentrale in der Innenstadt von Washington lahm und forderten vom designierten neuen Chef der Weltbank, Ajay Banga, “das Durcheinander aufzuräumen”, das Malpass hinterlasse. Malpass wird Ende Juni seinen Posten vorzeitig aufgeben.
Die Entwicklungsorganisation ONE veröffentlichte ein zehn-Punkte-Programm für die ersten 100 Tage des neuen Chefs, um “die Weltbank zur Bank der Welt zu machen”. Unter anderem fordern sie:
Bereits vor Beginn der Tagung hatte die Weltbank einen Schritt zu mehr Klimaschutz gemacht: Ihr privater Arm, die International Finance Corporation (IFC), hatte in einem Update ihrer Richtlinien erklärt, sie werde ab sofort keine neuen Kredite mehr für Kohleprojekte ausgeben. Bislang hatte die IFC von ihren Kunden, Finanzinstituten in Schwellen- und Entwicklungsländern, nur gefordert, die Kohlefinanzierung bis 2025 zu halbieren und bis 2030 zu beenden. Seit 2019 haben diese IFC-Ansprechpartner etwa 40 Milliarden Dollar für Projekte erhalten, sie machen etwa die Hälfte des IFC-Geschäfts aus. In der Vergangenheit waren mit IFC-Unterstützung Kohlekraftwerke etwa in Indonesien und Vietnam realisiert worden.
Für die Energiewende und Klimaanpassungen im Globalen Süden sind Billionen US-Dollar an Investitionen nötig. Die Weltbank könne das nicht allein finanzieren, erklärte kürzlich auch der Kandidat für den Weltbank-Vorsitz, Ajay Banga. Deswegen müsse die Entwicklungsbank privates Kapital mobilisieren. Eine der Aufgaben einer reformierten Weltbank sei es, das Risiko von Klimainvestitionen in Entwicklungsländern zu verringern, damit der Privatsektor “in großem Umfang” in den Klimabereich investieren könne. Die Weltbank könnte beispielsweise eine First-Loss-Position bei Krediten einnehmen, so Banga. Kreditausfälle würden also zuerst die Weltbank treffen, private Investoren hätten mehr Sicherheit.
Dieses “Hebeln” privater Gelder ist kein neues Konzept. Es gilt als Wundermittel gegen die Finanznot der öffentlichen Kassen. Doch das Konzept hält bislang nicht, was es verspricht.
Auch bei den Just Energy Transition Partnerships (JETP) mit Indonesien und Vietnam haben private Geber Milliarden US-Dollar zugesagt. Das Ziel der JETPs ist es, eine sozial gerechte Energiewende in kohle-abhängigen Ländern des Globalen Südens zu unterstützen und die CO₂-Emissionen schnell zu reduzieren. Weil öffentliche Gelder dafür nicht ausreichen, sollen Investitionen von privaten Investoren in Form von Mischfinanzierungen (“Blended Finance”) “gehebelt” werden. Durch Garantien des öffentlichen Sektors sollen die Investitionsrisiken für private Investoren gesenkt werden.
Auf der COP27 versprach die Glasgow Alliance for Net Zero (GFANZ) zehn Milliarden für das JETP mit Indonesien. Im Dezember 2022 gab es eine Zusage in Höhe von 7,75 Milliarden für das JETP mit Vietnam – der Privatsektor will sich also in ähnlicher Höhe an der Energiewende beteiligen wie die Geberstaaten. Deutschland beteiligt sich über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an den bisher operationalisierten JETPs mit Südafrika und Indonesien. Die KfW “erachtet die Hebelung von privatem Kapital als essenziell für die Erreichung der gewaltigen Transformationsaufgaben weltweit”, sagt eine Sprecherin gegenüber Table.Media.
In den letzten Jahren hat allerdings die Beteiligung des Privatsektors an Mischfinanzierungen im Bereich Climate Finance abgenommen. Was bedeutet das für die JETPs und Mischfinanzierungen generell?
“Bei Mischfinanzierungen gibt es seit Jahren Probleme, die Investitionen aus dem Privatsektor zu mobilisieren, die für Klimafinanzierungen benötigt werden”, sagt David Ryfisch, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Zwischen 2019 und 2021 wurden 14 Milliarden US-Dollar in Mischfinanzierungen im Klima-Bereich investiert, wie Erhebungen der Organisation Convergence zeigen. Das bedeutet einen Rückgang von gut 60 Prozent zum Zeitraum 2016 bis 2018 (36,5 Milliarden US-Dollar).
Nur etwa die Hälfte dieser Summen stammt von privaten Gebern – beispielsweise institutionellen Investoren, Finanzinstitutionen oder Vermögensverwalter – die andere Hälfte stammt von öffentlichen Entwicklungsbanken und -agenturen. Die Summen sind viel zu gering, um die Energiewende im Globalen Süden oder Anpassungsmaßnahmen ausreichend zu finanzieren. Allein für die bisher vereinbarten JETPs sind größere Summen nötig – zumal das wohl größte JETP mit Indien noch verhandelt wird. Allein die afrikanischen Staaten brauchen bis 2030 Schätzungen zufolge drei Billionen US-Dollar an Klimafinanzierung.
Hinzu kommt: Die Zusagen der GFANZ für die JETPs sind bisher nur Versprechen. “Bisher ist noch unklar, wie diese Mittel fließen sollen: Ob sich der Privatsektor über Beteiligungen direkt an Erneuerbare-Energien-Projekten beteiligt oder die Mittel erst fließen, wenn ausreichend Garantien ausgesprochen werden”, sagt Ryfisch. Es bestehe auch das Risiko, dass “diese Zusagen gar nicht oder nicht komplett eingehalten werden“.
Allerdings könne eine Ursache für den Rückgang auch positiv sein, so Ryfisch: Grund für weniger Mischfinanzierung könnte der starke Preisrückgang bei den Erneuerbaren Energien sein. Es könne gut sein, dass Investitionen in Erneuerbare in manchen Ländern keine Absicherung mehr durch öffentliche Gelder bräuchten, weil das Investitionsvolumen nicht mehr so hoch sein müsse.
Laut Convergence und einem Positionspapier der Net-Zero Asset Owner Alliance gibt es aus vielen Gründen keine größeren Investitionen in Mischfinanzierungen:
Und die Situation der fehlenden privaten Mittel könnte sich weiter verschlechtern:
Laut Phillip Golka seien Mischfinanzierungen auch “aus politökonomischen Gründen fragwürdig”. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung verweist auf “eine Überrepräsentation von Finanzinvestoren und Kapitalgebern aus dem Globalen Norden”. Lokal Betroffene, zivilgesellschaftliche Organisationen und gewählte Politikerinnen und Politiker seien unterrepräsentiert.
Laut Ryfisch ist die Koordination zwischen den Gebern bei den JETPs verbessert worden, was die Erfolgsaussichten für Mischfinanzierungen erhöht. Entscheidend für Investoren sei, ob ausreichend große Erneuerbaren-Projekte geplant würden: Die seien wettbewerbsfähig und würden als große Projekte von Privaten bevorzugt.
Zudem werden die JETPs größtenteils mit Schwellen- und nicht mit Entwicklungsländern vereinbart. Diese Staaten sind für private Investoren attraktiver, da das Investitionsrisiko geringer ist. Nur sechs Prozent des gehebelten Privatkapitals floss zwischen 2012 und 2018 in die ärmsten Staaten (Least Developed Countries), wie Erhebungen der OECD zeigen.
Statistisch betrachtet, ist der 14. April der entscheidende Tag: Dann wird laut UN-Zahlen Indien den bisherigen Anführer China als bevölkerungsreichstes Land überholen. Laut anderen Schätzungen ist das längst passiert. Beide Staaten haben viel gemeinsam: Sie beheimaten jeweils gut 1,4 Milliarden Menschen, haben in den vergangenen Jahren ein hohes Wirtschaftswachstum verzeichnet und gelten als globale Wachstumsmotoren der Zukunft.
Werden die CO₂-Emissionen in Indien also ähnlich stark steigen wie in China in den letzten beiden Jahrzehnten?
Nein, sagt Aniruddh Mohan, Wissenschaftler am Andlinger Center for Energy and the Environment der Princeton Universität. “Indiens Emissionsanstieg wird wahrscheinlich nicht so dramatisch ausfallen wie der Chinas”, sagt Mohan. Denn in Indien sind “die Emissionen pro Wirtschaftsleistung etwa halb so groß” wie in China, so eine Analyse des Science Media Centers.
Das liege vor allem am höheren Industrialisierungsgrad Chinas. Das chinesische Wachstum der letzten Jahrzehnte basierte zum größten Teil auf der Industrie, die gut 40 Prozent des BIP ausmacht. In Indien liegt dieser Wert bei lediglich 23 Prozent. Dennoch zeigen die Trends: Auch wenn Indien kein zweites China wird, trägt seine Energiepolitik massiv zur Klimakrise bei.
In China sind demnach die CO₂-Emissionen seit 2000 vor allem wegen des hohen Wirtschaftswachstums gestiegen. Seit 2012 ist es der Volksrepublik gelungen, das Wachstum von den Co2-Emissionen zu entkoppeln: Die Emissionen stiegen in den Folgejahren viel langsamer als das BIP pro Kopf – obwohl die Bevölkerungszahl in diesen Jahren noch langsam anstieg.
China senkte auch die Energieintensität seiner Wirtschaft: Energie wird effizienter eingesetzt und Sektoren mit weniger Energieverbrauch wuchsen schneller als solche mit hohem Energieverbrauch. Seit Mitte der 2010er Jahre sank auch die Kohlenstoffintensität der Wirtschaft – es wurde also weniger CO₂ pro verbrauchter Primärenergie emittiert.
Indien ist es hingegen noch nicht gelungen, das Wachstum von den Emissionen zu entkoppeln. Zwar gibt es Fortschritte bei der Energieeffizienz: Für Wachstum wird prozentual weniger Energie eingesetzt als in der Vergangenheit. Allerdings wurde der Energieeinsatz seit 20 Jahren CO₂-haltiger. Dadurch und durch den Anstieg der Bevölkerung werden Fortschritte bei der Energieeffizienz aus Klimaperspektive zunichtegemacht.
Auch wenn Indien bei den Emissionen nicht dem chinesischen Beispiel folgt, ist das Land aufgrund seiner Größe und Wachstumsaussichten ein zentraler Player in der globalen Klimapolitik. “Ohne Maßnahmen in und durch Indien wird ein globaler, gefährlicher Klimawandel nicht abzuwenden sein“, sagt Miriam Prys Hansen, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Globale Ordnungen und Außenpolitiken am Giga Institut in Hamburg. Der Energiebedarf wird sich “Vorhersagen zufolge zwischen 2035 und 2040 im Vergleich zu 2020 verdoppeln”, so das Science Media Center. Die Emissionen werden rasant wachsen, wenn es Indien nicht schnell gelingt, die Erneuerbaren Energien auszubauen.
Die indische Regierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 500 Gigawatt an Erneuerbare-Kapazitäten zu haben. Mohan nennt diese Ausbauziele “extrem unrealistisch”. Schon das Ziel, bis zum Jahr 2022 175 Gigawatt Erneuerbare zu installieren, sei “um etwa 30 Prozent verfehlt” worden, so der Wissenschaftler. Das zusätzliche Tempo, das für das 2030er-Ziel nötig sei, sei aus vielen Gründen kaum zu erreichen:
Hinzu kommt: Indiens Kohlekraftwerke sind noch sehr jung. Ihre geplante Laufzeit liegt bei 40 Jahren. Um sie schon vorher abzuschalten, “wird ein gewaltiges politisches und finanzielles Kapital benötigt”, sagt Mohan. Ohne Zugang zu kostengünstigen Krediten bleibe “Kohle in Indien wesentlich günstiger als saubere Energie”, so Mohans Fazit.
Auch in anderen Bereichen unternehme Indien zu wenig, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu bremsen, sagt Prys-Hansen, beispielsweise “im Bereich des Waldschutzes und der Landnutzung“. Indien habe “im Moment die höchsten CO₂-Wachstumsraten unter den großen Emittenten”, so die Forscherin des GIGA – vor allem, weil das Land noch immer stark auf die Kohle setze und große Infrastrukturprojekte vorantreibe.
Auch sozio-ökonomisch werde die Energiewende eine große Herausforderung. “Es wird geschätzt, dass in Indien über 21 Millionen Menschen im Bereich der fossilen Brennstoffe beschäftigt sind“, so Prys-Hansen. Die Beschäftigung sei stark regional konzentriert – zwei Faktoren, bei denen Indien große Ähnlichkeiten mit China aufweist.
Tilmann Altenburg sagt, dass die Entkopplung des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums in Indien von den CO₂-Emissionen “länger auf sich warten lassen wird als in reicheren Ländern, einschließlich Chinas”. Ein JETP mit Indien für eine gerechte Energiewende müsse größtenteils in Indien selbst entwickelt werden. “Von außen entwickelte Pläne werden hier wenig nützen und wenig politisch durchsetzbar sein”, zeigt sich Prys-Hansen überzeugt.
In Deutschland ist am 15. April endgültig Schluss mit der kommerziellen Stromgewinnung aus der Kernkraft. Die letzten Reaktoren Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland werden heruntergefahren. In anderen EU-Staaten dagegen gilt die Energie aus der Atomspaltung als CO₂-arme Energiequelle zur Bekämpfung der Klimakrise. Und weiterhin investiert die gesamte EU in die Fusionstechnik – die allerdings keinen Beitrag zur Dekarbonisierung bis 2050 leisten wird.
22 Milliarden Euro wird der Kernfusionsreaktor ITER mindestens kosten. Der Reaktor entsteht in Cadarache in Südfrankreich und soll den Weg zur Stromgewinnung aus Kernfusion ebnen. Die Kernfusion könnte “bis zum Ende des Jahrhunderts die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energiequellen in geeigneter Weise ergänzen.” Das schrieb die EU-Kommission 2017 in einer Mitteilung. Dafür greift die EU tief in die Tasche. Allein im Finanzrahmen 2021-2027 sind 5,6 Milliarden für die Finanzierung des Testreaktors vorgesehen.
Das Projekt ITER geht auf eine Vereinbarung zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow aus den 1980er-Jahren zurück, 2006 wurde diese formalisiert. Neben Euratom beteiligen sich Russland, die USA, China, Japan, Indien und Südkorea an dem Projekt.
Die EU übernimmt 45 Prozent der Finanzierung. Seit 2019 verbucht sie diese Gelder als Klimafinanzierung, so hat es der Rat entschieden. “Obwohl ITER kurz- und mittelfristig nicht direkt zu den Energie- und Klimazielen beiträgt, ist das Potenzial für die Dekarbonisierung der Energielandschaft nach 2050 sehr bedeutend”, liest man im Entwurf des EU-Haushaltsplans 2023.
Um den Mehrwehrt ITERs hervorzuheben, hat die EU-Kommission in den letzten Jahren rund eine Million Euro für verschiedene Studien ausgegeben. In einer Studie von 2018 über die Auswirkungen der ITER-Aktivitäten in der EU heißt es etwa: “Auch wenn ITER zum Ziel hat, einen Beitrag zur Entwicklung einer kommerziellen Fusionstechnologie zu leisten, liegt dies noch so weit in der Zukunft, dass es nicht der entscheidende Treiber” ist. Und: “Es ist nicht realistisch, dass ITER und DEMO – der Demonstrationsreaktor, der im Anschluss an ITER gebaut werden soll – einen signifikanten Beitrag zu den 2050er Energie- und Klimazielen leisten.”
Die Gründe, wieso Brüssel die ITER-Gelder dennoch als Klimaausgaben verrechnet, liegen womöglich woanders. Schon unter dem letzten Finanzrahmen schaffte es die EU nicht, das Ziel von 20 Prozent Klimaausgaben zu erreichen, das sie sich selbst setzte. Das kritisierte der Europäische Rechnungshof 2022 in einem Bericht. Die Prüfer äußerten die Befürchtung, dass die EU auch die Klimaziele des dem aktuellen Finanzrahmen nicht erreicht (30 Prozent, bzw. 37 Prozent unter dem Corona-Wiederaufbaufonds Next Generation EU).
“Um klimarelevant zu sein, muss der Haushalt eng mit der Verringerung der Treibhausgasemissionen verknüpft sein“, schlussfolgerten die Prüfer. Darüber, inwiefern das bei ITER zutrifft, äußerten sie sich nicht, denn im letzten Finanzrahmen galten die Beiträge noch nicht als Klimafinanzierung. Die oben erwähnten EU-finanzierten Studien sehen ITER nicht als Klimaprojekt: Sie empfehlen, ITER als Wissenschaftsprojekt zu vermerken.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Fissionsreaktoren, wo Energie durch die Kernspaltung entsteht, funktioniert die Kernfusion nicht mit Uran, sondern Tritium, dessen Radioaktivität nach zwölf Jahren abnimmt. Auch hier besteht aber das Risiko, dass der radioaktive Wasserstoff beim Betrieb des Reaktors freigesetzt wird und in die Umwelt gelangt.
Dennoch: An ITER hängt die Hoffnung eines sauberen Energiemix nach 2050, sagt auch Hartmut Zohm, Physiker am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. Zohm ist auf Tokamak-Reaktoren spezialisiert. “Wenn wir davon ausgehen, dass wir es nicht schaffen, mit Wind und Sonne 100 Prozent unseres Bedarfs weltweit zu decken, dann brauchen wir eine nicht-fossile Quelle für die Grundlast. Da bleiben Kernspaltung und Kernfusion.”
Zohm sagt allerdings auch: “ITER ist in erster Linie ein wissenschaftliches Projekt.” Es werde zeigen, dass ein Plasma sich selbst aufrechterhält, wenn man es einmal angezündet hat. Der Versuchsreaktor wird nie Strom erzeugen. Lediglich die Energiebilanz im Plasma wird positiv sein. ITER soll zehnmal so viel Fusionsenergie freisetzen, wie nötig ist, um die Fusionsreaktion zu starten. Das zeige wissenschaftlich, dass das Plasma brennt, so Zohm. “Wenn man dann damit noch Elektrizität generieren will und Netto-Energie herausholen will, muss man die Fusionsleistung noch steigern.” Das geschehe etwa durch das Vergrößern der Maschine oder die Erhöhung des Magnetfelds.
Derweil basiert die Kostensimulation des ITER auf einer veralteten Hochrechnung von 2016. Eine neue Berechnung hinsichtlich des Kosten- und Zeitplans sei in Arbeit, bestätigt ein Sprecher der ITER-Organisation. In den letzten Jahren kam es nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie zu signifikanten Verzögerungen. Nach der letzten offiziellen Timeline sollte das erste Plasma im Dezember 2025 gezündet werden. Die Experimente mit Tritium und Deuterium waren für 2035 angesetzt. Diese Timeline sei nicht mehr realistisch, so der Sprecher.
Strom soll allerdings erst der DEMO-Reaktor erzeugen, der im Anschluss an das ITER-Projekt entstehen soll. Datum: unklar. Charlotte Wirth
10. bis 16.4.2023, Washington, USA
Tagung Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank mit Treffen der G20-Finanzministerinnen und -Finanzminister und -Notenbankgouverneurinnen und -Notenbankgouverneure
In Washington findet die jährliche Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. In diesem Jahr ist sie wegen der Reform der Weltbank besonders interessant. Infos
13. April, 13 Uhr, Berlin
Seminar Geopolitik in der Tiefsee – Zwischen Meeresschutz und Rohstoffabbau für die Klimaneutralität
Um langfristig die Rohstoffversorgung zu sichern, haben Politik und Wirtschaft die Tiefsee in den Blickpunkt genommen. Manganknollen und andere geologische Formationen bestehen aus wichtigen Rohstoffen wie Mangan, Nickel, Kupfer, Seltene Erden und Zink, die etwa für die Automobil- und Elektroindustrie benötigt werden. Umweltschützer verweisen hingegen auf die hohe Vulnerabilität von Ökosystemen am Tiefseeboden. Über dieses Spannungsfeld wird auf der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung diskutiert. Infos
13. April, 19 Uhr, Görlitz
Diskussion 50 Jahre Club of Rome und “Die Grenzen des Wachstums”
1972 legte der Club of Rome seinen ersten Bericht “Die Grenzen des Wachstums” vor. Sind seine damaligen Befürchtungen Wirklichkeit geworden? Was sind die Aussagen seines gerade erschienenen Berichts “Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten”?
Dr. Jürgen Leibiger (“Wirtschaftswachstum – Mechanismus, Widersprüche, Grenzen”, Köln 2016) gibt einen Überblick. Eine Veranstaltung des Abgeordnetenbüros von Mirko Schulze (MdL) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Sachsen. Infos
15. April
Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland
Deutschland schaltet die letzten Atomkraftwerke ab, die noch am Netz sind. Das sind die Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Infos
15. bis 16. April, Sapporo, Japan,
Gipfeltreffen G7 Umweltminister
Die G7-Ministerinnen und Minister für Klima, Energie und Umwelt treffen sich in Sapporo, Japan, um die internationale Umwelt- und Klimapolitik zu diskutieren. Infos
17. April, 18 Uhr, Berlin
Buchpremiere Demokratie im Feuer: Warum wir die Freiheit nur bewahren, wenn wir das Klima retten – und umgekehrt
Klimaschutz und Demokratie, das passt für viele Menschen nicht zusammen. Den einen geht der Kampf gegen die Klimakrise zu langsam voran, während die anderen sich von einer angeblichen Ökodiktatur bedroht sehen. Spiegel-Redakteur Jonas Schaible räumt in seinem heute erscheinenden Buch »Demokratie im Feuer« mit solchen Widersprüchen auf. Anlässlich des Bucherscheinens spricht Schaible
mit Johannes Vogel, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP und Elisabeth Niejahr, Hertie Stiftung, über Politik im (Klima-)Wandel. Infos
17. bis 21. April, Hannover
Messe Hannovermesse
Deutschlands wichtigste Industriemesse, die Hannovermesse, beschäftigt sich in diesem Jahr auch mit dem Thema Grüner Wasserstoff. Infos
17. April
Veröffentlichung Veröffentlichung des Prüfberichts zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022
Der Expertenrat für Klimafragen veröffentlicht den Prüfbericht zur Berechnung der Treibhausgase 2022 und kommentiert die Reform des Klimaschutzgesetzes. Infos
18. und 19. April, Bremen
Kongress Deutscher Fußverkehrskongress: Fußverkehr – ohne geht nichts!
Am 18. und 19. April 2023 trifft sich die deutsche Fußverkehrscommunity in Bremen zum 4. Deutschen Fußverkehrskongress. Kommunale Entscheidungsträger und Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Fachplanung und Institutionen tauschen sich intensiv über Vorteile, Herausforderungen, Best-Practice-Beispiele und Fördermöglichkeiten des Fußverkehrs aus. Infos
19. April, 17 Uhr, Online
Seminar Innovative Formate für die kommunale Starkregen- und Hitzevorsorge
Kommunen kommt bei der Klimaanpassung vor Ort und der Stärkung der lokalen Resilienz gegenüber Hitze, Starkregen und anderen Klimafolgen eine zentrale Rolle als Vorbild, Initiatoren und Akteure einer kooperativen Klimavorsorge und der individuellen Eigenvorsorge zu. In drei Pilotquartieren in Köln und Dortmund hat das Deutsche Institut für Urbanistik dazu neue Vorgehensweisen, Formate und Kooperationen entwickelt. Wie diese Formate funktionieren und welche Ergebnisse erreicht werden können, darüber wird auf dieser Veranstaltung diskutiert. Infos
20.-21. April, Warschau
Konferenz Togetair Climate Summit
Die Konferenz bringt verschiedene Institutionen und Akteure in Polen zusammen, insbesondere politische Vertreter, wissenschaftliche Einrichtungen, Unternehmen, den Nichtregierungssektor und die Medien. Bei dem Zusammentreffen werden Energie- und Klimafragen mit Blick auf Osteuropa diskutiert. Infos
Die G7-Staaten investieren noch immer Milliarden-Summen in internationale Projekte zur Förderung fossiler Energien. Das geht aus einem Bericht der Organisationen E3G und Oil Change International hervor. Demnach haben Deutschland und Japan noch keine politischen Pläne verabschiedet, um ihren auf der COP26 und auf dem letztjährigen G7-Gipfel getätigten Zusagen nachzukommen. Damals hatten die Staaten zugesagt, ab Ende 2022 keine neuen, internationalen fossilen Projekte mehr zu finanzieren.
Italien habe unzureichende Pläne vorgelegt. Positiv hervorgehoben werden die Pläne Kanadas, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs, Milliarden US-Dollar in Zukunft nicht mehr in fossile Projekte, sondern in grüne Energien zu investieren.
Zwischen 2020 und 2022 haben die G7-Staaten demnach mindestens 73,5 Milliarden US-Dollar in fossile Projekte gesteckt – darunter fallen beispielsweise Investitionen über Entwicklungsfinanzierungsinstitute und Exportkredit-Agenturen. Nur ein kleiner Teil dieser Gelder floss in Länder mit geringem Einkommen. Fossile Investitionen waren gut 2,5 Mal größer als solche als in saubere Energien:
Der Vermögensverwalter DWS steigt aus Kohle-Investitionen aus. Das geht aus einer Kohlerichtlinie vor, die die Deutsche Bank Tochter vorgelegt hat. Demnach:
Allerdings sind Investitionen in metallurgische Kohle oder Kokskohle zur Herstellung von Zement und Stahl von der Kohlepolitik ausgenommen. Diese bezieht sich auf Kraftwerkskohle (“Unabated Thermal Coal”).
Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Urgewald und Reclaim Finance “begrüßen diese Richtlinie”, hieß es. Sie sende ein starkes Signal an Marktteilnehmer. Nach der Allianz sei die DWS erst das zweite deutsche Finanzinstitut, “das die Entwickler von Kohlebergbau und -anlagen ausdrücklich ausschließt”, so Urgewald. Positiv wird hervorgehoben, dass die DWS auch Indexfonds aufruft, Kohleentwickler aus ihren Indizes zu entfernen. Die DWS “ist damit der erste große Vermögensverwalter, der dies öffentlich fordert”. Die Umsatzschwelle von 25 Prozent ist den Organisationen allerdings zu hoch. Außerdem fordern die NGOs die DWS auf, “ebenfalls Maßnahmen gegen die Expansion von Öl und Gas zu ergreifen.” nib
In den vergangenen Jahren ist der Meeresspiegel am Golf von Mexiko sowie dem West- und Nordatlantik der USA besonders stark gestiegen. Laut einer Studie des Fachjournals Nature Communications hob sich der Meeresspiegel dort seit 2010 jeweils um mehr als einen Zentimeter pro Jahr. Das sind Rekordwerte und ein dreimal so schneller Anstieg wie im weltweiten Durchschnitt. Laut IPCC stieg der Meeresspiegel im Schnitt weltweit von 1901 bis 2018 um 20 Zentimeter.
Die Forscherinnen und Forscher sehen verschiedene Gründe für die rasante Entwicklung. Mehrere Auswirkungen des Klimawandels würden einander verstärken. Eine davon ist beispielsweise, dass es in der Region vermehrt sogenannte “subtropische Wirbel” mit wärmerem Wasser auftreten. Das warme Wasser braucht mehr Platz und dehnt sich an der Oberfläche aus. Auch China meldete für das Jahr 2022 hohe Anstiege des Meeresspiegels an seinen Küsten. kul
Die staatliche spanische Entwicklungsagentur Cofides stellt 2,1 Milliarden Euro für Südafrikas Energiewende und Investitionen in die Wasserversorgung bereit, wie Bloomberg berichtet. Cofides wird das Geld gemeinsam mit der staatlichen Industrial Development Corporation of South Africa verwalten. Der größte Teil des Geldes wird in Form von Krediten bereitgestellt. Investiert werden soll in Erneuerbare Energien, Batteriespeicher, Stromnetzinfrastruktur, grünen Wasserstoff und Elektrofahrzeuge, aber auch in Wasserversorgung und Abwassermanagement.
Mit der Milliardeninvestition unterstützt Spanien auch die Bemühungen der Just Energy Transition Partnership (JETP), die die Energiewende in Südafrika voranbringen soll. JETP ist ein Projekt Südafrikas mit Frankreich, Deutschland, Großbritannien, USA und der EU, und hat ein Volumen von 8,5 Milliarden Dollar. Die südafrikanische Regierung rechnet damit, dass die Energiewende in den nächsten fünf Jahren Investitionen in Höhe von 84 Milliarden Dollar erfordern wird. ajs
Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Niederlande, Sigrid Kaag, warnt vor einer schwindenden Unterstützung der Öffentlichkeit für Klima- und Umweltpolitik. Das zeige sich unter anderem in den anhaltenden Bauernprotesten in dem Land, sagte die Finanzministerin der Financial Times. In Zeiten großer Unsicherheit werde es immer schwieriger, die Bevölkerung für generationsübergreifende Maßnahmen zu gewinnen, sagte Kaag, die der liberalen Partei D66 vorsitzt. Das gelte auch für andere EU-Staaten.
Die Niederlande sind nach Malta das am dichtesten bevölkerte Land der EU, mit zugleich der höchsten Viehdichte. Auf gut 17 Millionen Einwohner kommen allein rund elf Millionen Schweine. Das Land hat mit entsprechend hohen Stickstoffemissionen zu kämpfen, die nach den Plänen der Regierung bis zum Jahr 2030 halbiert werden sollen. Dafür sollen die Viehbestände drastisch reduziert werden, was für Empörung sorgt.
“Wir müssen uns mit unserer jahrzehntelangen Unfähigkeit auseinandersetzen, das Thema anzugehen, weil es entweder zu heikel war oder unterschätzt wurde”, sagte Kaag. Das sei keine Frage von Parteipolitik, sondern eine wissenschaftliche Notwendigkeit. “Es handelt sich um eine Krise und so zu tun, als ob es sie nicht gäbe, bringt die Lösung nicht näher.” til
Beim Umweltschutz denken viele Menschen zuerst an saubere Flüsse, blühende Wiesen und Naturschutzgebiete. Beim Klimaschutz hat man Windparks, E-Autos und Wärmepumpen im Kopf. Zweifellos sind erneuerbare Energien und Naturschutz zentrale Bausteine, um unser Land klimaneutral zu machen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Ein anderer Baustein wird dabei aber – noch – häufig vergessen: die vielen Dinge, die jeden Tag hergestellt, verkauft und verbraucht werden.
Überall dort, wo etwas produziert wird, seien es Turnschuhe, Handys oder Einfamilienhäuser, werden wertvolle Ressourcen verbraucht. Und zwar jedes Jahr mehr. Zwischen 1970 und 2017 hat sich weltweit der Verbrauch natürlicher Ressourcen verdreifacht. Ohne geeignete Maßnahmen würde er sich bis 2060 noch einmal verdoppeln.
Rohstoffe für Güter müssen abgebaut, aus dem Boden gepumpt sowie in vielen Fällen aufwändig vom Gestein getrennt oder mit Chemikalien aufbereitet werden. Sie müssen transportiert, weiterverarbeitet und verpackt werden – alles mit hohem Energieeinsatz und CO₂-Ausstoß und teils massiven Belastungen für Böden, Gewässer, Flora und Fauna. Nach Berechnungen des Weltressourcenrats IRP sind mindestens die Hälfte aller Treibhausgasemissionen und etwa 90 Prozent des Biodiversitätsverlustes und der globalen Wasserprobleme auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen.
Wenn wir unsere Wirtschaft klimaneutral und naturverträglich machen wollen, ist die Ressourcenschonung der schlafende Riese. Ihn gilt es zu wecken.
Ziel muss es sein, deutlich weniger Primärrohstoffe zu verbrauchen – also Rohstoffe, die neu in den Wirtschaftskreislauf gelangen – und Stoffkreisläufe zu schließen. Das hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Natur macht es uns vor, sie ist ein einziger Kreislauf: In einem Wald fallen Blätter auf den Boden. Insekten, Pilze und Mikroorganismen zersetzen sie und bilden so wertvollen Humus, der wieder Bäume und Pflanzen ernährt.
Die Natur sollte uns ein Vorbild sein. Rohstoffe, die bereits im Kreislauf sind, müssen als Sekundärrohstoffe ein zweites, drittes und viertes Leben bekommen. Das geht weit über Recycling hinaus. Produkte müssen von Anfang an so gestaltet werden, dass sie langlebig sind, leicht zu reparieren und zu zerlegen, und ihre Bestandteile verwertbar. Erst dann schließt sich der Kreis zur Kreislaufwirtschaft, die die Ressourcenverschwendung beendet. In Zeiten knapper und teurer Rohstoffe sichern wir damit auch die Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.
Als Umweltministerin setze ich mich dafür ein, bei der Lösung der globalen Umweltkrisen noch stärker auf Ressourcenschutz zu setzen.
Dazu möchte ich unter anderem das anstehende Treffen der G7-Umweltministerinnen und -minister am 15. und 16. April in Japan nutzen. Die großen Industrienationen sind auch die großen Ressourcenverbraucher und stehen damit besonders in der Verantwortung. Im letzten Jahr, unter deutscher Präsidentschaft, haben die G7-Staaten den Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch und der globalen Dreifachkrise von Biodiversitätsverlust, Klimakrise und Umweltverschmutzung anerkannt. In der Berlin Roadmap haben wir uns auf einen Arbeitsplan für einen schonenderen Umgang mit Ressourcen verständigt.
Darauf aufbauend wollen wir in Japan Grundsätze für Unternehmen verabschieden. Sie sollen Unternehmen darin unterstützen, Ressourcen einzusparen und den Grundsatz der Kreislaufwirtschaft in ihrer Firmenpolitik zu verwirklichen – denn die Unternehmen sind es, die zum Beispiel durch nachhaltige Lieferketten oder langlebiges Produktdesign ganz praktisch etwas gegen Ressourcenverschwendung tun können.
Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft möchte ich überall dort verankern, wo es um die Bewältigung der großen Umweltkrisen geht: bei den Klimakonferenzen, bei den Weltnaturkonferenzen, bei der Umsetzung der Agenda 2030. Deutschland hat zum Beispiel auf der letzten UN-Klimakonferenz eine Zusammenarbeit zwischen dem Weltklimarat IPCC und dem Weltressourcenrat IRP angestoßen. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen.
Für Deutschland erarbeitet das Bundesumweltministerium derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Die Strategie schafft einen neuen Rahmen dafür, dass Rohstoffe sparsam genutzt und durch recycelte Materialien ersetzt werden. Einzelheiten werden wir ab April in intensivem Austausch mit den anderen Ressorts und Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutieren und entwickeln.
Zur Bekämpfung von Klimakrise, Artenaussterben und Umweltverschmutzung sollten wir alle Hebel nutzen. Der Ressourcenverbrauch ist mit all diesen Krisen untrennbar verknüpft. Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft sind deshalb ein unverzichtbarer Teil ihrer Lösung.
Die New Development Bank (NDB) bekommt eine prominente Chefin: Brasiliens Ex-Präsidentin Dilma Rousseff. Die 75-Jährige traf vergangene Woche in Schanghai ein, um ihr Amt an der Spitze der Entwicklungsbank anzutreten. Die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hatten die NDB 2015 gemeinsam gegründet.
Das deshalb auch BRICS-Bank genannte Institut ist das wohl erfolgreichste Projekt, das der Staatenbund bisher auf den Weg gebracht hat. Sie ist eine Alternative zu den bestehenden westlichen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.
Für Rousseff, Parteifreundin des neuen alten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, bedeutet der neue Posten ein unerwartetes Comeback. Ihre als Nachfolgerin Lulas angetretene Präsidentschaft in Brasilien endete 2016 nach einem Amtsenthebungsverfahren. Rousseff soll damals den Haushalt manipuliert haben, um ihre Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Ihre Regierung sah sich mit zahlreichen Korruptionsvorwürfen konfrontiert; ihre Amtszeit war aber auch von Bemühungen geprägt, die Armut im Land zu bekämpfen. Die in Belo Horizonte geborene Rousseff stammt selbst aus einer Mittelklasse-Familie: Ihr Vater war ein aus Bulgarien nach Brasilien eingewanderter Anwalt, ihre Mutter Lehrerin. Seit 2002 arbeitete sie für Lula, und wurde nach dessen Wahlsieg zunächst Energieministerin.
Brasilien hatte bereits 2020 den rotierenden, fünfjährigen Vorsitz der BRICS-Bank übernommen. Dass Rousseff trotz ihrer umstrittenen Vergangenheit nun in Schanghai wieder eine Chance bekommt, hängt mit den veränderten politischen Verhältnissen in ihrem Heimatland zusammen: Seit einigen Monaten ist Lula wieder Präsident. Und während der bisherige Bank-Chef Marcos Troyjo dem Lager des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro angehörte, wollte Lula den Posten lieber mit seiner engen Vertrauten Rousseff besetzt sehen. Rousseff kann die Bank jetzt bis 2025 führen. Dann gibt Brasilien den Vorsitz weiter.
In ihrer daher nur relativ kurzen Amtszeit steht Rousseff vor schwierigen Aufgaben. Einerseits kann die NDB durchaus Erfolge vorweisen: Nach eigenen Angaben hat sie in den vergangenen neun Jahren 32,8 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung von 96 Projekten in den Mitgliedsländern bereitgestellt. Auch in Sachen Klimafinanzierung gibt es hohe Ziele: Zwischen 2022 und 2026 will die NDB 40 Prozent ihrer Mittel in Klimafinanzierung stecken, 2021 investierte sie gerade mal zehn Prozent ins Klima. Zudem konnten mit Bangladesch, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Uruguay vier weitere Staaten für eine Mitgliedschaft gewonnen werden.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die BRICS-Bank jedoch in eine schwierige Lage gebracht. Um weiterhin Geld auf den internationalen Kapitalmärkten aufnehmen zu können, wurden zwar alle neuen Projekte mit dem Mitgliedsstaat Russland auf Eis gelegt. Dennoch stufte beispielsweise Fitch das Rating der NDB von “A+” auf “A” herab. Begründet wurde der Schritt damit, dass rund 13 Prozent der bisherigen Kredite in russische Projekte geflossen seien und Moskau zu den Gründungsmitgliedern gehöre. Russlands prominente Rolle in der NDB “könnte zukünftige Mitglieder davon abhalten, der Bank beizutreten”, warnt Fitch. Jörn Petring
die Klima-Gemeinde schaut gerade gespannt nach Washington: Bei der Jahrestagung von Weltbank und IWF debattieren die Staaten darüber, wie die Weltbank die Armut besser bekämpfen kann – durch mehr Kapital, aber auch mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Deshalb fokussieren wir zwei Analysen auf die Weltbank und auch auf ihr Lieblings-Instrument: Das “Hebeln”, mit dem privates Kapital das knappe öffentliche Geld vermehren soll. Eine gute Idee, die aber leider kaum funktioniert, wie wir recherchiert haben.
Zeitgleich ringen die G7-Umweltminister in Japan auch um ihre Versprechen, die fossilen Energien nicht länger zu subventionieren. Die G7 bewegen sich dabei eher in Trippelschritten, wie unsere Grafik der Woche zeigt. Umweltministerin Steffi Lemke schildert in einem Standpunkt, dass in der Klimadebatte der Ressourcenschutz verstärkt und eine Kreislaufwirtschaft aufgebaut werden muss.
Schließlich blicken wir noch nach Indien. Das Land übernimmt dieser Tage von China den Titel des bevölkerungsreichsten Staates. Steht der Welt nun eine ähnlich steiler Anstieg beim indischen CO₂-Ausstoß bevor, wie er Chinas Aufstieg zur Klima-Supermacht folgte? Die Antwort könnte Sie überraschen.
Viel Spaß beim Lesen und behalten Sie einen langen Atem!
Die Weltbank macht den Weg frei für interne Reformen, die auf mehr Geld zur Bekämpfung der Armut und einen Fokus auf Klima und Nachhaltigkeit abzielen. Sie will ihre Mission erweitern, indem sie “nachhaltige, resiliente und inklusive Entwicklung fördert“. Dafür müsse sich die Bank weiterentwickeln als Antwort auf das “beispiellose Zusammentreffen von globalen Krisen, die Fortschritte bei der Entwicklung umgedreht haben und die Menschen und den Planeten bedrohen”.
Das sind die Kernaussagen eines “Evolutions-Fahrplans”, den die Vertreter der Länder als Anteilseigner der Weltbank im Entwicklungskomitee am späten Mittwoch in der US-Hauptstadt Washington beraten haben. Der Fahrplan war vom Management der Bank vorgelegt worden. Die Vorschläge zielen unter anderem darauf ab:
Der Fahrplan soll nun als Vorgabe für die weiteren Beratungen in der Bank und unter den Staaten dienen. Bei der Herbsttagung im Oktober in Marrakesch sollen die Reformen dann beschlossen werden. Aus der deutschen Delegation, die sich seit langem für eine Reform einsetzt, hieß es, man begrüße die Richtung, die neue Ausrichtung müsse aber noch stärker in den Strukturen der Weltbank verankert werden. “Es reicht nicht aus, an zwei bis drei Stellschrauben zu drehen oder einen neuen Treuhandfonds aufzusetzen”, so Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Ziel müsse “eine wahre Transformationsbank” für Armutsbekämpfung und die Bewältigung globaler Krisen sein.
Außerdem sollten globale öffentliche Güter “in allen Bereichen und Produkten der Bank systematisch berücksichtigt werden” und alle Entscheidungen auch im Länder-Engagement-Modell (CEM) “die wahren ökonomischen, ökologischen und sozialen Kosten abbilden.” Die Entwicklungsorganisation Germanwatch erklärte, der Entwurf sei “noch nicht der große Wurf, aber immerhin ein Schritt nach vorn.” Besorgnis erregend sei allerdings, dass das Pariser Abkommen praktisch keine Erwähnung finde.
Zu Beginn der Konferenz hatte der scheidende Weltbank-Präsident David Malpass gewarnt, die Entwicklungsländer stünden vor dem Problem, dass wegen Inflation und steigender Zinsen Investitionen aus ihnen abflössen. Das verstärke Ungleichheiten und mache Staaten verletzlich. IWF-Chefin Kristalina Georgieva wiederum erklärte, die Kosten für Rückschritte beim globalen Handel könnten die Welt sieben Prozent der Wirtschaftsleistung kosten. “Das globale Wirtschaftswachstum wird für die nächsten fünf Jahre unter drei Prozent bleiben”, so die IWF-Chefin, das werde die Bekämpfung der Armut behindern.
Die Tagung wurde begleitet durch Proteste von Umwelt- und Entwicklungsgruppen. Aktivistinnen und Aktivisten legten teilweise den Verkehr vor der Weltbank-Zentrale in der Innenstadt von Washington lahm und forderten vom designierten neuen Chef der Weltbank, Ajay Banga, “das Durcheinander aufzuräumen”, das Malpass hinterlasse. Malpass wird Ende Juni seinen Posten vorzeitig aufgeben.
Die Entwicklungsorganisation ONE veröffentlichte ein zehn-Punkte-Programm für die ersten 100 Tage des neuen Chefs, um “die Weltbank zur Bank der Welt zu machen”. Unter anderem fordern sie:
Bereits vor Beginn der Tagung hatte die Weltbank einen Schritt zu mehr Klimaschutz gemacht: Ihr privater Arm, die International Finance Corporation (IFC), hatte in einem Update ihrer Richtlinien erklärt, sie werde ab sofort keine neuen Kredite mehr für Kohleprojekte ausgeben. Bislang hatte die IFC von ihren Kunden, Finanzinstituten in Schwellen- und Entwicklungsländern, nur gefordert, die Kohlefinanzierung bis 2025 zu halbieren und bis 2030 zu beenden. Seit 2019 haben diese IFC-Ansprechpartner etwa 40 Milliarden Dollar für Projekte erhalten, sie machen etwa die Hälfte des IFC-Geschäfts aus. In der Vergangenheit waren mit IFC-Unterstützung Kohlekraftwerke etwa in Indonesien und Vietnam realisiert worden.
Für die Energiewende und Klimaanpassungen im Globalen Süden sind Billionen US-Dollar an Investitionen nötig. Die Weltbank könne das nicht allein finanzieren, erklärte kürzlich auch der Kandidat für den Weltbank-Vorsitz, Ajay Banga. Deswegen müsse die Entwicklungsbank privates Kapital mobilisieren. Eine der Aufgaben einer reformierten Weltbank sei es, das Risiko von Klimainvestitionen in Entwicklungsländern zu verringern, damit der Privatsektor “in großem Umfang” in den Klimabereich investieren könne. Die Weltbank könnte beispielsweise eine First-Loss-Position bei Krediten einnehmen, so Banga. Kreditausfälle würden also zuerst die Weltbank treffen, private Investoren hätten mehr Sicherheit.
Dieses “Hebeln” privater Gelder ist kein neues Konzept. Es gilt als Wundermittel gegen die Finanznot der öffentlichen Kassen. Doch das Konzept hält bislang nicht, was es verspricht.
Auch bei den Just Energy Transition Partnerships (JETP) mit Indonesien und Vietnam haben private Geber Milliarden US-Dollar zugesagt. Das Ziel der JETPs ist es, eine sozial gerechte Energiewende in kohle-abhängigen Ländern des Globalen Südens zu unterstützen und die CO₂-Emissionen schnell zu reduzieren. Weil öffentliche Gelder dafür nicht ausreichen, sollen Investitionen von privaten Investoren in Form von Mischfinanzierungen (“Blended Finance”) “gehebelt” werden. Durch Garantien des öffentlichen Sektors sollen die Investitionsrisiken für private Investoren gesenkt werden.
Auf der COP27 versprach die Glasgow Alliance for Net Zero (GFANZ) zehn Milliarden für das JETP mit Indonesien. Im Dezember 2022 gab es eine Zusage in Höhe von 7,75 Milliarden für das JETP mit Vietnam – der Privatsektor will sich also in ähnlicher Höhe an der Energiewende beteiligen wie die Geberstaaten. Deutschland beteiligt sich über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an den bisher operationalisierten JETPs mit Südafrika und Indonesien. Die KfW “erachtet die Hebelung von privatem Kapital als essenziell für die Erreichung der gewaltigen Transformationsaufgaben weltweit”, sagt eine Sprecherin gegenüber Table.Media.
In den letzten Jahren hat allerdings die Beteiligung des Privatsektors an Mischfinanzierungen im Bereich Climate Finance abgenommen. Was bedeutet das für die JETPs und Mischfinanzierungen generell?
“Bei Mischfinanzierungen gibt es seit Jahren Probleme, die Investitionen aus dem Privatsektor zu mobilisieren, die für Klimafinanzierungen benötigt werden”, sagt David Ryfisch, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Zwischen 2019 und 2021 wurden 14 Milliarden US-Dollar in Mischfinanzierungen im Klima-Bereich investiert, wie Erhebungen der Organisation Convergence zeigen. Das bedeutet einen Rückgang von gut 60 Prozent zum Zeitraum 2016 bis 2018 (36,5 Milliarden US-Dollar).
Nur etwa die Hälfte dieser Summen stammt von privaten Gebern – beispielsweise institutionellen Investoren, Finanzinstitutionen oder Vermögensverwalter – die andere Hälfte stammt von öffentlichen Entwicklungsbanken und -agenturen. Die Summen sind viel zu gering, um die Energiewende im Globalen Süden oder Anpassungsmaßnahmen ausreichend zu finanzieren. Allein für die bisher vereinbarten JETPs sind größere Summen nötig – zumal das wohl größte JETP mit Indien noch verhandelt wird. Allein die afrikanischen Staaten brauchen bis 2030 Schätzungen zufolge drei Billionen US-Dollar an Klimafinanzierung.
Hinzu kommt: Die Zusagen der GFANZ für die JETPs sind bisher nur Versprechen. “Bisher ist noch unklar, wie diese Mittel fließen sollen: Ob sich der Privatsektor über Beteiligungen direkt an Erneuerbare-Energien-Projekten beteiligt oder die Mittel erst fließen, wenn ausreichend Garantien ausgesprochen werden”, sagt Ryfisch. Es bestehe auch das Risiko, dass “diese Zusagen gar nicht oder nicht komplett eingehalten werden“.
Allerdings könne eine Ursache für den Rückgang auch positiv sein, so Ryfisch: Grund für weniger Mischfinanzierung könnte der starke Preisrückgang bei den Erneuerbaren Energien sein. Es könne gut sein, dass Investitionen in Erneuerbare in manchen Ländern keine Absicherung mehr durch öffentliche Gelder bräuchten, weil das Investitionsvolumen nicht mehr so hoch sein müsse.
Laut Convergence und einem Positionspapier der Net-Zero Asset Owner Alliance gibt es aus vielen Gründen keine größeren Investitionen in Mischfinanzierungen:
Und die Situation der fehlenden privaten Mittel könnte sich weiter verschlechtern:
Laut Phillip Golka seien Mischfinanzierungen auch “aus politökonomischen Gründen fragwürdig”. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung verweist auf “eine Überrepräsentation von Finanzinvestoren und Kapitalgebern aus dem Globalen Norden”. Lokal Betroffene, zivilgesellschaftliche Organisationen und gewählte Politikerinnen und Politiker seien unterrepräsentiert.
Laut Ryfisch ist die Koordination zwischen den Gebern bei den JETPs verbessert worden, was die Erfolgsaussichten für Mischfinanzierungen erhöht. Entscheidend für Investoren sei, ob ausreichend große Erneuerbaren-Projekte geplant würden: Die seien wettbewerbsfähig und würden als große Projekte von Privaten bevorzugt.
Zudem werden die JETPs größtenteils mit Schwellen- und nicht mit Entwicklungsländern vereinbart. Diese Staaten sind für private Investoren attraktiver, da das Investitionsrisiko geringer ist. Nur sechs Prozent des gehebelten Privatkapitals floss zwischen 2012 und 2018 in die ärmsten Staaten (Least Developed Countries), wie Erhebungen der OECD zeigen.
Statistisch betrachtet, ist der 14. April der entscheidende Tag: Dann wird laut UN-Zahlen Indien den bisherigen Anführer China als bevölkerungsreichstes Land überholen. Laut anderen Schätzungen ist das längst passiert. Beide Staaten haben viel gemeinsam: Sie beheimaten jeweils gut 1,4 Milliarden Menschen, haben in den vergangenen Jahren ein hohes Wirtschaftswachstum verzeichnet und gelten als globale Wachstumsmotoren der Zukunft.
Werden die CO₂-Emissionen in Indien also ähnlich stark steigen wie in China in den letzten beiden Jahrzehnten?
Nein, sagt Aniruddh Mohan, Wissenschaftler am Andlinger Center for Energy and the Environment der Princeton Universität. “Indiens Emissionsanstieg wird wahrscheinlich nicht so dramatisch ausfallen wie der Chinas”, sagt Mohan. Denn in Indien sind “die Emissionen pro Wirtschaftsleistung etwa halb so groß” wie in China, so eine Analyse des Science Media Centers.
Das liege vor allem am höheren Industrialisierungsgrad Chinas. Das chinesische Wachstum der letzten Jahrzehnte basierte zum größten Teil auf der Industrie, die gut 40 Prozent des BIP ausmacht. In Indien liegt dieser Wert bei lediglich 23 Prozent. Dennoch zeigen die Trends: Auch wenn Indien kein zweites China wird, trägt seine Energiepolitik massiv zur Klimakrise bei.
In China sind demnach die CO₂-Emissionen seit 2000 vor allem wegen des hohen Wirtschaftswachstums gestiegen. Seit 2012 ist es der Volksrepublik gelungen, das Wachstum von den Co2-Emissionen zu entkoppeln: Die Emissionen stiegen in den Folgejahren viel langsamer als das BIP pro Kopf – obwohl die Bevölkerungszahl in diesen Jahren noch langsam anstieg.
China senkte auch die Energieintensität seiner Wirtschaft: Energie wird effizienter eingesetzt und Sektoren mit weniger Energieverbrauch wuchsen schneller als solche mit hohem Energieverbrauch. Seit Mitte der 2010er Jahre sank auch die Kohlenstoffintensität der Wirtschaft – es wurde also weniger CO₂ pro verbrauchter Primärenergie emittiert.
Indien ist es hingegen noch nicht gelungen, das Wachstum von den Emissionen zu entkoppeln. Zwar gibt es Fortschritte bei der Energieeffizienz: Für Wachstum wird prozentual weniger Energie eingesetzt als in der Vergangenheit. Allerdings wurde der Energieeinsatz seit 20 Jahren CO₂-haltiger. Dadurch und durch den Anstieg der Bevölkerung werden Fortschritte bei der Energieeffizienz aus Klimaperspektive zunichtegemacht.
Auch wenn Indien bei den Emissionen nicht dem chinesischen Beispiel folgt, ist das Land aufgrund seiner Größe und Wachstumsaussichten ein zentraler Player in der globalen Klimapolitik. “Ohne Maßnahmen in und durch Indien wird ein globaler, gefährlicher Klimawandel nicht abzuwenden sein“, sagt Miriam Prys Hansen, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Globale Ordnungen und Außenpolitiken am Giga Institut in Hamburg. Der Energiebedarf wird sich “Vorhersagen zufolge zwischen 2035 und 2040 im Vergleich zu 2020 verdoppeln”, so das Science Media Center. Die Emissionen werden rasant wachsen, wenn es Indien nicht schnell gelingt, die Erneuerbaren Energien auszubauen.
Die indische Regierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 500 Gigawatt an Erneuerbare-Kapazitäten zu haben. Mohan nennt diese Ausbauziele “extrem unrealistisch”. Schon das Ziel, bis zum Jahr 2022 175 Gigawatt Erneuerbare zu installieren, sei “um etwa 30 Prozent verfehlt” worden, so der Wissenschaftler. Das zusätzliche Tempo, das für das 2030er-Ziel nötig sei, sei aus vielen Gründen kaum zu erreichen:
Hinzu kommt: Indiens Kohlekraftwerke sind noch sehr jung. Ihre geplante Laufzeit liegt bei 40 Jahren. Um sie schon vorher abzuschalten, “wird ein gewaltiges politisches und finanzielles Kapital benötigt”, sagt Mohan. Ohne Zugang zu kostengünstigen Krediten bleibe “Kohle in Indien wesentlich günstiger als saubere Energie”, so Mohans Fazit.
Auch in anderen Bereichen unternehme Indien zu wenig, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu bremsen, sagt Prys-Hansen, beispielsweise “im Bereich des Waldschutzes und der Landnutzung“. Indien habe “im Moment die höchsten CO₂-Wachstumsraten unter den großen Emittenten”, so die Forscherin des GIGA – vor allem, weil das Land noch immer stark auf die Kohle setze und große Infrastrukturprojekte vorantreibe.
Auch sozio-ökonomisch werde die Energiewende eine große Herausforderung. “Es wird geschätzt, dass in Indien über 21 Millionen Menschen im Bereich der fossilen Brennstoffe beschäftigt sind“, so Prys-Hansen. Die Beschäftigung sei stark regional konzentriert – zwei Faktoren, bei denen Indien große Ähnlichkeiten mit China aufweist.
Tilmann Altenburg sagt, dass die Entkopplung des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums in Indien von den CO₂-Emissionen “länger auf sich warten lassen wird als in reicheren Ländern, einschließlich Chinas”. Ein JETP mit Indien für eine gerechte Energiewende müsse größtenteils in Indien selbst entwickelt werden. “Von außen entwickelte Pläne werden hier wenig nützen und wenig politisch durchsetzbar sein”, zeigt sich Prys-Hansen überzeugt.
In Deutschland ist am 15. April endgültig Schluss mit der kommerziellen Stromgewinnung aus der Kernkraft. Die letzten Reaktoren Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland werden heruntergefahren. In anderen EU-Staaten dagegen gilt die Energie aus der Atomspaltung als CO₂-arme Energiequelle zur Bekämpfung der Klimakrise. Und weiterhin investiert die gesamte EU in die Fusionstechnik – die allerdings keinen Beitrag zur Dekarbonisierung bis 2050 leisten wird.
22 Milliarden Euro wird der Kernfusionsreaktor ITER mindestens kosten. Der Reaktor entsteht in Cadarache in Südfrankreich und soll den Weg zur Stromgewinnung aus Kernfusion ebnen. Die Kernfusion könnte “bis zum Ende des Jahrhunderts die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energiequellen in geeigneter Weise ergänzen.” Das schrieb die EU-Kommission 2017 in einer Mitteilung. Dafür greift die EU tief in die Tasche. Allein im Finanzrahmen 2021-2027 sind 5,6 Milliarden für die Finanzierung des Testreaktors vorgesehen.
Das Projekt ITER geht auf eine Vereinbarung zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow aus den 1980er-Jahren zurück, 2006 wurde diese formalisiert. Neben Euratom beteiligen sich Russland, die USA, China, Japan, Indien und Südkorea an dem Projekt.
Die EU übernimmt 45 Prozent der Finanzierung. Seit 2019 verbucht sie diese Gelder als Klimafinanzierung, so hat es der Rat entschieden. “Obwohl ITER kurz- und mittelfristig nicht direkt zu den Energie- und Klimazielen beiträgt, ist das Potenzial für die Dekarbonisierung der Energielandschaft nach 2050 sehr bedeutend”, liest man im Entwurf des EU-Haushaltsplans 2023.
Um den Mehrwehrt ITERs hervorzuheben, hat die EU-Kommission in den letzten Jahren rund eine Million Euro für verschiedene Studien ausgegeben. In einer Studie von 2018 über die Auswirkungen der ITER-Aktivitäten in der EU heißt es etwa: “Auch wenn ITER zum Ziel hat, einen Beitrag zur Entwicklung einer kommerziellen Fusionstechnologie zu leisten, liegt dies noch so weit in der Zukunft, dass es nicht der entscheidende Treiber” ist. Und: “Es ist nicht realistisch, dass ITER und DEMO – der Demonstrationsreaktor, der im Anschluss an ITER gebaut werden soll – einen signifikanten Beitrag zu den 2050er Energie- und Klimazielen leisten.”
Die Gründe, wieso Brüssel die ITER-Gelder dennoch als Klimaausgaben verrechnet, liegen womöglich woanders. Schon unter dem letzten Finanzrahmen schaffte es die EU nicht, das Ziel von 20 Prozent Klimaausgaben zu erreichen, das sie sich selbst setzte. Das kritisierte der Europäische Rechnungshof 2022 in einem Bericht. Die Prüfer äußerten die Befürchtung, dass die EU auch die Klimaziele des dem aktuellen Finanzrahmen nicht erreicht (30 Prozent, bzw. 37 Prozent unter dem Corona-Wiederaufbaufonds Next Generation EU).
“Um klimarelevant zu sein, muss der Haushalt eng mit der Verringerung der Treibhausgasemissionen verknüpft sein“, schlussfolgerten die Prüfer. Darüber, inwiefern das bei ITER zutrifft, äußerten sie sich nicht, denn im letzten Finanzrahmen galten die Beiträge noch nicht als Klimafinanzierung. Die oben erwähnten EU-finanzierten Studien sehen ITER nicht als Klimaprojekt: Sie empfehlen, ITER als Wissenschaftsprojekt zu vermerken.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Fissionsreaktoren, wo Energie durch die Kernspaltung entsteht, funktioniert die Kernfusion nicht mit Uran, sondern Tritium, dessen Radioaktivität nach zwölf Jahren abnimmt. Auch hier besteht aber das Risiko, dass der radioaktive Wasserstoff beim Betrieb des Reaktors freigesetzt wird und in die Umwelt gelangt.
Dennoch: An ITER hängt die Hoffnung eines sauberen Energiemix nach 2050, sagt auch Hartmut Zohm, Physiker am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. Zohm ist auf Tokamak-Reaktoren spezialisiert. “Wenn wir davon ausgehen, dass wir es nicht schaffen, mit Wind und Sonne 100 Prozent unseres Bedarfs weltweit zu decken, dann brauchen wir eine nicht-fossile Quelle für die Grundlast. Da bleiben Kernspaltung und Kernfusion.”
Zohm sagt allerdings auch: “ITER ist in erster Linie ein wissenschaftliches Projekt.” Es werde zeigen, dass ein Plasma sich selbst aufrechterhält, wenn man es einmal angezündet hat. Der Versuchsreaktor wird nie Strom erzeugen. Lediglich die Energiebilanz im Plasma wird positiv sein. ITER soll zehnmal so viel Fusionsenergie freisetzen, wie nötig ist, um die Fusionsreaktion zu starten. Das zeige wissenschaftlich, dass das Plasma brennt, so Zohm. “Wenn man dann damit noch Elektrizität generieren will und Netto-Energie herausholen will, muss man die Fusionsleistung noch steigern.” Das geschehe etwa durch das Vergrößern der Maschine oder die Erhöhung des Magnetfelds.
Derweil basiert die Kostensimulation des ITER auf einer veralteten Hochrechnung von 2016. Eine neue Berechnung hinsichtlich des Kosten- und Zeitplans sei in Arbeit, bestätigt ein Sprecher der ITER-Organisation. In den letzten Jahren kam es nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie zu signifikanten Verzögerungen. Nach der letzten offiziellen Timeline sollte das erste Plasma im Dezember 2025 gezündet werden. Die Experimente mit Tritium und Deuterium waren für 2035 angesetzt. Diese Timeline sei nicht mehr realistisch, so der Sprecher.
Strom soll allerdings erst der DEMO-Reaktor erzeugen, der im Anschluss an das ITER-Projekt entstehen soll. Datum: unklar. Charlotte Wirth
10. bis 16.4.2023, Washington, USA
Tagung Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank mit Treffen der G20-Finanzministerinnen und -Finanzminister und -Notenbankgouverneurinnen und -Notenbankgouverneure
In Washington findet die jährliche Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank statt. In diesem Jahr ist sie wegen der Reform der Weltbank besonders interessant. Infos
13. April, 13 Uhr, Berlin
Seminar Geopolitik in der Tiefsee – Zwischen Meeresschutz und Rohstoffabbau für die Klimaneutralität
Um langfristig die Rohstoffversorgung zu sichern, haben Politik und Wirtschaft die Tiefsee in den Blickpunkt genommen. Manganknollen und andere geologische Formationen bestehen aus wichtigen Rohstoffen wie Mangan, Nickel, Kupfer, Seltene Erden und Zink, die etwa für die Automobil- und Elektroindustrie benötigt werden. Umweltschützer verweisen hingegen auf die hohe Vulnerabilität von Ökosystemen am Tiefseeboden. Über dieses Spannungsfeld wird auf der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung diskutiert. Infos
13. April, 19 Uhr, Görlitz
Diskussion 50 Jahre Club of Rome und “Die Grenzen des Wachstums”
1972 legte der Club of Rome seinen ersten Bericht “Die Grenzen des Wachstums” vor. Sind seine damaligen Befürchtungen Wirklichkeit geworden? Was sind die Aussagen seines gerade erschienenen Berichts “Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten”?
Dr. Jürgen Leibiger (“Wirtschaftswachstum – Mechanismus, Widersprüche, Grenzen”, Köln 2016) gibt einen Überblick. Eine Veranstaltung des Abgeordnetenbüros von Mirko Schulze (MdL) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Sachsen. Infos
15. April
Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland
Deutschland schaltet die letzten Atomkraftwerke ab, die noch am Netz sind. Das sind die Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Infos
15. bis 16. April, Sapporo, Japan,
Gipfeltreffen G7 Umweltminister
Die G7-Ministerinnen und Minister für Klima, Energie und Umwelt treffen sich in Sapporo, Japan, um die internationale Umwelt- und Klimapolitik zu diskutieren. Infos
17. April, 18 Uhr, Berlin
Buchpremiere Demokratie im Feuer: Warum wir die Freiheit nur bewahren, wenn wir das Klima retten – und umgekehrt
Klimaschutz und Demokratie, das passt für viele Menschen nicht zusammen. Den einen geht der Kampf gegen die Klimakrise zu langsam voran, während die anderen sich von einer angeblichen Ökodiktatur bedroht sehen. Spiegel-Redakteur Jonas Schaible räumt in seinem heute erscheinenden Buch »Demokratie im Feuer« mit solchen Widersprüchen auf. Anlässlich des Bucherscheinens spricht Schaible
mit Johannes Vogel, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP und Elisabeth Niejahr, Hertie Stiftung, über Politik im (Klima-)Wandel. Infos
17. bis 21. April, Hannover
Messe Hannovermesse
Deutschlands wichtigste Industriemesse, die Hannovermesse, beschäftigt sich in diesem Jahr auch mit dem Thema Grüner Wasserstoff. Infos
17. April
Veröffentlichung Veröffentlichung des Prüfberichts zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022
Der Expertenrat für Klimafragen veröffentlicht den Prüfbericht zur Berechnung der Treibhausgase 2022 und kommentiert die Reform des Klimaschutzgesetzes. Infos
18. und 19. April, Bremen
Kongress Deutscher Fußverkehrskongress: Fußverkehr – ohne geht nichts!
Am 18. und 19. April 2023 trifft sich die deutsche Fußverkehrscommunity in Bremen zum 4. Deutschen Fußverkehrskongress. Kommunale Entscheidungsträger und Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Fachplanung und Institutionen tauschen sich intensiv über Vorteile, Herausforderungen, Best-Practice-Beispiele und Fördermöglichkeiten des Fußverkehrs aus. Infos
19. April, 17 Uhr, Online
Seminar Innovative Formate für die kommunale Starkregen- und Hitzevorsorge
Kommunen kommt bei der Klimaanpassung vor Ort und der Stärkung der lokalen Resilienz gegenüber Hitze, Starkregen und anderen Klimafolgen eine zentrale Rolle als Vorbild, Initiatoren und Akteure einer kooperativen Klimavorsorge und der individuellen Eigenvorsorge zu. In drei Pilotquartieren in Köln und Dortmund hat das Deutsche Institut für Urbanistik dazu neue Vorgehensweisen, Formate und Kooperationen entwickelt. Wie diese Formate funktionieren und welche Ergebnisse erreicht werden können, darüber wird auf dieser Veranstaltung diskutiert. Infos
20.-21. April, Warschau
Konferenz Togetair Climate Summit
Die Konferenz bringt verschiedene Institutionen und Akteure in Polen zusammen, insbesondere politische Vertreter, wissenschaftliche Einrichtungen, Unternehmen, den Nichtregierungssektor und die Medien. Bei dem Zusammentreffen werden Energie- und Klimafragen mit Blick auf Osteuropa diskutiert. Infos
Die G7-Staaten investieren noch immer Milliarden-Summen in internationale Projekte zur Förderung fossiler Energien. Das geht aus einem Bericht der Organisationen E3G und Oil Change International hervor. Demnach haben Deutschland und Japan noch keine politischen Pläne verabschiedet, um ihren auf der COP26 und auf dem letztjährigen G7-Gipfel getätigten Zusagen nachzukommen. Damals hatten die Staaten zugesagt, ab Ende 2022 keine neuen, internationalen fossilen Projekte mehr zu finanzieren.
Italien habe unzureichende Pläne vorgelegt. Positiv hervorgehoben werden die Pläne Kanadas, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs, Milliarden US-Dollar in Zukunft nicht mehr in fossile Projekte, sondern in grüne Energien zu investieren.
Zwischen 2020 und 2022 haben die G7-Staaten demnach mindestens 73,5 Milliarden US-Dollar in fossile Projekte gesteckt – darunter fallen beispielsweise Investitionen über Entwicklungsfinanzierungsinstitute und Exportkredit-Agenturen. Nur ein kleiner Teil dieser Gelder floss in Länder mit geringem Einkommen. Fossile Investitionen waren gut 2,5 Mal größer als solche als in saubere Energien:
Der Vermögensverwalter DWS steigt aus Kohle-Investitionen aus. Das geht aus einer Kohlerichtlinie vor, die die Deutsche Bank Tochter vorgelegt hat. Demnach:
Allerdings sind Investitionen in metallurgische Kohle oder Kokskohle zur Herstellung von Zement und Stahl von der Kohlepolitik ausgenommen. Diese bezieht sich auf Kraftwerkskohle (“Unabated Thermal Coal”).
Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Urgewald und Reclaim Finance “begrüßen diese Richtlinie”, hieß es. Sie sende ein starkes Signal an Marktteilnehmer. Nach der Allianz sei die DWS erst das zweite deutsche Finanzinstitut, “das die Entwickler von Kohlebergbau und -anlagen ausdrücklich ausschließt”, so Urgewald. Positiv wird hervorgehoben, dass die DWS auch Indexfonds aufruft, Kohleentwickler aus ihren Indizes zu entfernen. Die DWS “ist damit der erste große Vermögensverwalter, der dies öffentlich fordert”. Die Umsatzschwelle von 25 Prozent ist den Organisationen allerdings zu hoch. Außerdem fordern die NGOs die DWS auf, “ebenfalls Maßnahmen gegen die Expansion von Öl und Gas zu ergreifen.” nib
In den vergangenen Jahren ist der Meeresspiegel am Golf von Mexiko sowie dem West- und Nordatlantik der USA besonders stark gestiegen. Laut einer Studie des Fachjournals Nature Communications hob sich der Meeresspiegel dort seit 2010 jeweils um mehr als einen Zentimeter pro Jahr. Das sind Rekordwerte und ein dreimal so schneller Anstieg wie im weltweiten Durchschnitt. Laut IPCC stieg der Meeresspiegel im Schnitt weltweit von 1901 bis 2018 um 20 Zentimeter.
Die Forscherinnen und Forscher sehen verschiedene Gründe für die rasante Entwicklung. Mehrere Auswirkungen des Klimawandels würden einander verstärken. Eine davon ist beispielsweise, dass es in der Region vermehrt sogenannte “subtropische Wirbel” mit wärmerem Wasser auftreten. Das warme Wasser braucht mehr Platz und dehnt sich an der Oberfläche aus. Auch China meldete für das Jahr 2022 hohe Anstiege des Meeresspiegels an seinen Küsten. kul
Die staatliche spanische Entwicklungsagentur Cofides stellt 2,1 Milliarden Euro für Südafrikas Energiewende und Investitionen in die Wasserversorgung bereit, wie Bloomberg berichtet. Cofides wird das Geld gemeinsam mit der staatlichen Industrial Development Corporation of South Africa verwalten. Der größte Teil des Geldes wird in Form von Krediten bereitgestellt. Investiert werden soll in Erneuerbare Energien, Batteriespeicher, Stromnetzinfrastruktur, grünen Wasserstoff und Elektrofahrzeuge, aber auch in Wasserversorgung und Abwassermanagement.
Mit der Milliardeninvestition unterstützt Spanien auch die Bemühungen der Just Energy Transition Partnership (JETP), die die Energiewende in Südafrika voranbringen soll. JETP ist ein Projekt Südafrikas mit Frankreich, Deutschland, Großbritannien, USA und der EU, und hat ein Volumen von 8,5 Milliarden Dollar. Die südafrikanische Regierung rechnet damit, dass die Energiewende in den nächsten fünf Jahren Investitionen in Höhe von 84 Milliarden Dollar erfordern wird. ajs
Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Niederlande, Sigrid Kaag, warnt vor einer schwindenden Unterstützung der Öffentlichkeit für Klima- und Umweltpolitik. Das zeige sich unter anderem in den anhaltenden Bauernprotesten in dem Land, sagte die Finanzministerin der Financial Times. In Zeiten großer Unsicherheit werde es immer schwieriger, die Bevölkerung für generationsübergreifende Maßnahmen zu gewinnen, sagte Kaag, die der liberalen Partei D66 vorsitzt. Das gelte auch für andere EU-Staaten.
Die Niederlande sind nach Malta das am dichtesten bevölkerte Land der EU, mit zugleich der höchsten Viehdichte. Auf gut 17 Millionen Einwohner kommen allein rund elf Millionen Schweine. Das Land hat mit entsprechend hohen Stickstoffemissionen zu kämpfen, die nach den Plänen der Regierung bis zum Jahr 2030 halbiert werden sollen. Dafür sollen die Viehbestände drastisch reduziert werden, was für Empörung sorgt.
“Wir müssen uns mit unserer jahrzehntelangen Unfähigkeit auseinandersetzen, das Thema anzugehen, weil es entweder zu heikel war oder unterschätzt wurde”, sagte Kaag. Das sei keine Frage von Parteipolitik, sondern eine wissenschaftliche Notwendigkeit. “Es handelt sich um eine Krise und so zu tun, als ob es sie nicht gäbe, bringt die Lösung nicht näher.” til
Beim Umweltschutz denken viele Menschen zuerst an saubere Flüsse, blühende Wiesen und Naturschutzgebiete. Beim Klimaschutz hat man Windparks, E-Autos und Wärmepumpen im Kopf. Zweifellos sind erneuerbare Energien und Naturschutz zentrale Bausteine, um unser Land klimaneutral zu machen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Ein anderer Baustein wird dabei aber – noch – häufig vergessen: die vielen Dinge, die jeden Tag hergestellt, verkauft und verbraucht werden.
Überall dort, wo etwas produziert wird, seien es Turnschuhe, Handys oder Einfamilienhäuser, werden wertvolle Ressourcen verbraucht. Und zwar jedes Jahr mehr. Zwischen 1970 und 2017 hat sich weltweit der Verbrauch natürlicher Ressourcen verdreifacht. Ohne geeignete Maßnahmen würde er sich bis 2060 noch einmal verdoppeln.
Rohstoffe für Güter müssen abgebaut, aus dem Boden gepumpt sowie in vielen Fällen aufwändig vom Gestein getrennt oder mit Chemikalien aufbereitet werden. Sie müssen transportiert, weiterverarbeitet und verpackt werden – alles mit hohem Energieeinsatz und CO₂-Ausstoß und teils massiven Belastungen für Böden, Gewässer, Flora und Fauna. Nach Berechnungen des Weltressourcenrats IRP sind mindestens die Hälfte aller Treibhausgasemissionen und etwa 90 Prozent des Biodiversitätsverlustes und der globalen Wasserprobleme auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen.
Wenn wir unsere Wirtschaft klimaneutral und naturverträglich machen wollen, ist die Ressourcenschonung der schlafende Riese. Ihn gilt es zu wecken.
Ziel muss es sein, deutlich weniger Primärrohstoffe zu verbrauchen – also Rohstoffe, die neu in den Wirtschaftskreislauf gelangen – und Stoffkreisläufe zu schließen. Das hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Natur macht es uns vor, sie ist ein einziger Kreislauf: In einem Wald fallen Blätter auf den Boden. Insekten, Pilze und Mikroorganismen zersetzen sie und bilden so wertvollen Humus, der wieder Bäume und Pflanzen ernährt.
Die Natur sollte uns ein Vorbild sein. Rohstoffe, die bereits im Kreislauf sind, müssen als Sekundärrohstoffe ein zweites, drittes und viertes Leben bekommen. Das geht weit über Recycling hinaus. Produkte müssen von Anfang an so gestaltet werden, dass sie langlebig sind, leicht zu reparieren und zu zerlegen, und ihre Bestandteile verwertbar. Erst dann schließt sich der Kreis zur Kreislaufwirtschaft, die die Ressourcenverschwendung beendet. In Zeiten knapper und teurer Rohstoffe sichern wir damit auch die Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.
Als Umweltministerin setze ich mich dafür ein, bei der Lösung der globalen Umweltkrisen noch stärker auf Ressourcenschutz zu setzen.
Dazu möchte ich unter anderem das anstehende Treffen der G7-Umweltministerinnen und -minister am 15. und 16. April in Japan nutzen. Die großen Industrienationen sind auch die großen Ressourcenverbraucher und stehen damit besonders in der Verantwortung. Im letzten Jahr, unter deutscher Präsidentschaft, haben die G7-Staaten den Zusammenhang zwischen Ressourcenverbrauch und der globalen Dreifachkrise von Biodiversitätsverlust, Klimakrise und Umweltverschmutzung anerkannt. In der Berlin Roadmap haben wir uns auf einen Arbeitsplan für einen schonenderen Umgang mit Ressourcen verständigt.
Darauf aufbauend wollen wir in Japan Grundsätze für Unternehmen verabschieden. Sie sollen Unternehmen darin unterstützen, Ressourcen einzusparen und den Grundsatz der Kreislaufwirtschaft in ihrer Firmenpolitik zu verwirklichen – denn die Unternehmen sind es, die zum Beispiel durch nachhaltige Lieferketten oder langlebiges Produktdesign ganz praktisch etwas gegen Ressourcenverschwendung tun können.
Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft möchte ich überall dort verankern, wo es um die Bewältigung der großen Umweltkrisen geht: bei den Klimakonferenzen, bei den Weltnaturkonferenzen, bei der Umsetzung der Agenda 2030. Deutschland hat zum Beispiel auf der letzten UN-Klimakonferenz eine Zusammenarbeit zwischen dem Weltklimarat IPCC und dem Weltressourcenrat IRP angestoßen. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen.
Für Deutschland erarbeitet das Bundesumweltministerium derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. Die Strategie schafft einen neuen Rahmen dafür, dass Rohstoffe sparsam genutzt und durch recycelte Materialien ersetzt werden. Einzelheiten werden wir ab April in intensivem Austausch mit den anderen Ressorts und Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutieren und entwickeln.
Zur Bekämpfung von Klimakrise, Artenaussterben und Umweltverschmutzung sollten wir alle Hebel nutzen. Der Ressourcenverbrauch ist mit all diesen Krisen untrennbar verknüpft. Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft sind deshalb ein unverzichtbarer Teil ihrer Lösung.
Die New Development Bank (NDB) bekommt eine prominente Chefin: Brasiliens Ex-Präsidentin Dilma Rousseff. Die 75-Jährige traf vergangene Woche in Schanghai ein, um ihr Amt an der Spitze der Entwicklungsbank anzutreten. Die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hatten die NDB 2015 gemeinsam gegründet.
Das deshalb auch BRICS-Bank genannte Institut ist das wohl erfolgreichste Projekt, das der Staatenbund bisher auf den Weg gebracht hat. Sie ist eine Alternative zu den bestehenden westlichen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.
Für Rousseff, Parteifreundin des neuen alten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, bedeutet der neue Posten ein unerwartetes Comeback. Ihre als Nachfolgerin Lulas angetretene Präsidentschaft in Brasilien endete 2016 nach einem Amtsenthebungsverfahren. Rousseff soll damals den Haushalt manipuliert haben, um ihre Chancen auf eine Wiederwahl zu erhöhen. Ihre Regierung sah sich mit zahlreichen Korruptionsvorwürfen konfrontiert; ihre Amtszeit war aber auch von Bemühungen geprägt, die Armut im Land zu bekämpfen. Die in Belo Horizonte geborene Rousseff stammt selbst aus einer Mittelklasse-Familie: Ihr Vater war ein aus Bulgarien nach Brasilien eingewanderter Anwalt, ihre Mutter Lehrerin. Seit 2002 arbeitete sie für Lula, und wurde nach dessen Wahlsieg zunächst Energieministerin.
Brasilien hatte bereits 2020 den rotierenden, fünfjährigen Vorsitz der BRICS-Bank übernommen. Dass Rousseff trotz ihrer umstrittenen Vergangenheit nun in Schanghai wieder eine Chance bekommt, hängt mit den veränderten politischen Verhältnissen in ihrem Heimatland zusammen: Seit einigen Monaten ist Lula wieder Präsident. Und während der bisherige Bank-Chef Marcos Troyjo dem Lager des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro angehörte, wollte Lula den Posten lieber mit seiner engen Vertrauten Rousseff besetzt sehen. Rousseff kann die Bank jetzt bis 2025 führen. Dann gibt Brasilien den Vorsitz weiter.
In ihrer daher nur relativ kurzen Amtszeit steht Rousseff vor schwierigen Aufgaben. Einerseits kann die NDB durchaus Erfolge vorweisen: Nach eigenen Angaben hat sie in den vergangenen neun Jahren 32,8 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung von 96 Projekten in den Mitgliedsländern bereitgestellt. Auch in Sachen Klimafinanzierung gibt es hohe Ziele: Zwischen 2022 und 2026 will die NDB 40 Prozent ihrer Mittel in Klimafinanzierung stecken, 2021 investierte sie gerade mal zehn Prozent ins Klima. Zudem konnten mit Bangladesch, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Uruguay vier weitere Staaten für eine Mitgliedschaft gewonnen werden.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die BRICS-Bank jedoch in eine schwierige Lage gebracht. Um weiterhin Geld auf den internationalen Kapitalmärkten aufnehmen zu können, wurden zwar alle neuen Projekte mit dem Mitgliedsstaat Russland auf Eis gelegt. Dennoch stufte beispielsweise Fitch das Rating der NDB von “A+” auf “A” herab. Begründet wurde der Schritt damit, dass rund 13 Prozent der bisherigen Kredite in russische Projekte geflossen seien und Moskau zu den Gründungsmitgliedern gehöre. Russlands prominente Rolle in der NDB “könnte zukünftige Mitglieder davon abhalten, der Bank beizutreten”, warnt Fitch. Jörn Petring