Nach dem Hammerschlag auf der COP28 in Dubai neigt sich das Jahr langsam dem Ende zu. Grund genug, zunächst zurückzuschauen. Welche wegweisenden Entscheidungen wurden in diesem Jahr getroffen, welche wurden verpasst und was bedeuten die Entwicklungen des Jahres für die zukünftige Klimapolitik? Bernhard Pötter und Alexandra Endres fassen die wichtigsten Meilensteine aus 2023 zusammen.
Zu einem Jahresrückblick gehört aber auch immer die Vorschau auf das, was kommt. 2024 steht einiges an: Für besonders intensive Debatten dürfte vielerorts die Frage sorgen, wer für die weltweite Klimafinanzierung aufkommt. IWF und Weltbank werden ihre Reformbemühungen in dieser Hinsicht fortsetzen. Die COP29 in Aserbaidschan wird voraussichtlich eine COP rund ums Geld werden. Und dann stehen auch noch ein paar richtungsweisende Wahlen an. Langweilig wird 2024 nicht!
Falls Sie noch nicht genug von der COP28 haben, werfen Sie doch mal einen Blick auf unser Klima in Zahlen. Es zeigt, dass der Abschlusstext zum Global Stocktake zwar viele positive Elemente beinhaltet – die aber meist mit schwachen Verben verbunden sind, sodass sich daraus kaum ein Aufruf zum entschlossenen Handeln ergibt. Der Klimaforscher Wolfgang Obergassel argumentiert in seinem Standpunkt dennoch, dass die UN-Klimakonferenzen den internationalen Klimaschutz voranbringen. Er findet, sie seien den Aufwand wert.
Bleiben Sie uns auch im kommenden Jahr wohlgesonnen, genießen Sie die Feiertage und erholen Sie sich gut. Am 7. Januar lesen wir uns an dieser Stelle wieder.
Für die Klimadiplomatie endet das Jahr regelmäßig mit dem wichtigsten und größten internationalen Termin: der Conference of the Parties (COP) der UN-Klimarahmenkonvention. Was auf dem Klimagipfel entschieden – oder nicht entschieden – wird, hat großen Einfluss auf die weltweite und nationale Klimapolitik. Doch neben den vielen aktuellen Beschlüssen der gerade vergangenen COP28 in Dubai haben auch weitere Entwicklungen und Entscheidungen das klimapolitische Jahr 2023 geprägt.
Zum Jahresende deshalb hier eine kurze Übersicht über die wichtigsten Geschehnisse:
2024 wird ein wichtiges Jahr in der Klimapolitik. Einige Entwicklungen sind bereits jetzt klar: Die Erderwärmung etwa wird weiter voranschreiten, ihre Auswirkungen werden neue Schlagzeilen liefern. Auch andere Trends werden wohl in die gleiche Richtung weiterlaufen wie bisher – während Entscheidungen wie beispielsweise Wahlen zu unerwarteten Veränderungen führen können.
Hier ein Überblick, was passieren kann und passieren wird:
17. März 2024
Wahlen Präsidentschaftswahl in Russland
19. bis 21. April 2024, Washington
Tagung Frühjahrstagung von Weltbank und IWF
Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) sind für wesentliche Fragen der Klimafinanzierung zuständig. Ihre Frühjahrstagung ist neben der Jahrestagung im Herbst eine der wichtigsten Veranstaltungen in diesem Bereich. Infos
2. Juni 2024
Wahlen Präsidentschaftswahl in Mexiko
6. bis 9. Juni 2024
Wahlen Europawahl
Die Europawahl 2024 wird die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament. Sie findet voraussichtlich vom 6. bis 9. Juni 2024 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union statt. Es werden 720 Abgeordnete gewählt.
3. bis 13. Juni 2024, Bonn
Konferenz SBSTA60
Die Konferenz des Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) dient vor allem als Vorbereitungskonferenz für die COP29 im November. Infos
17. bis 19. Juni 2024 (unter Vorbehalt), Puglia, Italien
Gipfeltreffen G7 Summit
Das Gipfeltreffen der G7 findet unter der Präsidentschaft von Italien statt. Infos
12. bis 14. Juli 2024, Rio de Janeiro, Brasilien
Gipfeltreffen G20 Summit
Das G20 Gipfeltreffen unter der Präsidentschaft von Brasilien findet in Rio de Janeiro statt. Zu den G20 gehören 19 Länder und die EU. Infos
1. September 2024
Wahlen Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen
10. bis 24. September, New York, USA
Generalversammlung Generalversammlung der Vereinten Nationen Infos
22. September 2024
Wahlen Landtagswahlen in Brandenburg
21. Oktober bis 1. November 2024 (unter Vorbehalt), Kolumbien
Konferenz UN-Biodiversitätskonferenz
Ursprünglich sollte die Biodiversitätskonferenz in der Türkei stattfinden, aufgrund des Erdbebens sieht sich das Land aber nicht dazu in der Lage, sie auszurichten. Nun findet sie in Kolumbien statt. Es werden auch viele Fragen am Schnittpunkt zwischen Klima und Biodiversität diskutiert werden. Infos
25. bis 27. Oktober, Washington, USA
Tagung Jahrestagung der Weltbank und des IWFs
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) spielen in Fragen der Klimafinanzierung eine große Rolle, da sie die nötige Finanzarchitektur stellen. Ihr Jahrestreffen findet 2024 in Washington statt. Infos
5. November 2024
Wahlen Präsidentschaftswahlen USA
Die Kandidaten stehen noch nicht offiziell fest. Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl beginnen Mitte Januar. Am 5. März ist der sogenannte “Super Tuesday”.
11. bis 24. November 2024 (noch unter Vorbehalt), Baku, Aserbaidschan
Konferenz COP29
Inzwischen ist klar, wo die nächste UN-Klimakonferenz stattfindet. Die Themen sind allerdings noch eher vage. Sicher ist, dass die Klimafinanzierung erneut eine große Rolle spielen wird, vermutlich auch die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels.
Wie eindeutig ist das Signal, das von der COP28 ausgeht und das Ende des fossilen Zeitalters einläuten soll? COP-Beschlüsse stecken voller semantischer Feinheiten. Kein Wunder, sollen sie doch den internationalen Klimaschutz voranbringen und müssen zugleich für alle Länder, die auf den UN-Klimagipfeln verhandeln, akzeptabel sein – auch für die Ölstaaten.
Mit dem Global Stocktake, dem Kerndokument der diesjährigen COP, verhält es sich nicht anders. Zwar gibt der Text eine klare Richtung vor: weg von Kohle, Öl und Gas. Aber die Aufforderung, sich von den fossilen Energien abzuwenden, bleibt bemerkenswert vage. Das zeigt eine Auswertung des Textes durch den britischen Klima-Nachrichtendienst Carbon Brief, der die im Global Stocktake (GST) benutzten Verben gezählt hat. Unsere Grafik zeigt das Ergebnis. Auf die Übersetzung ins Deutsche haben wir an dieser Stelle verzichtet, weil es noch keine offizielle deutsche Version des GST-Beschlusses gibt, und weil wir die semantischen Nuancen bewusst beibehalten wollten.
Ein Blick auf die in dem Abschlussdokument benutzten englischen Verben macht klar: Nur wenige unter ihnen fordern die Staaten eindeutig zum Handeln auf. Jeweils mehr als 30-mal erkennt der Text lediglich Dinge an (“recognises”) oder nimmt sie zur Kenntnis (“notes”). Erst an dritter Stelle folgt eine Ermutigung (“encourages”) mit 29 Nennungen.
Der Global Stocktake erinnert, begrüßt, betont, bestätigt, empfiehlt, wiederholt und unterstreicht – manches davon sogar in verschiedenen Varianten des Englischen, deren feine Unterschiede kaum noch nachzuvollziehen sind. Selbst manche der Handlungsaufforderungen bleiben bemerkenswert vage: So bittet der Text 16-mal um etwas (“requests”), lädt 14-mal ein (“invites”) und ruft 8-mal zum Handeln auf (“calls on/upon”). Sehr selten wagt er, etwas wirklich zu entscheiden (“decides”, 8-mal). Auch die Passage, in der die Staaten zur Abkehr von den fossilen Energien aufgerufen werden, ist mit “calls on” eher schwach formuliert. Wie viel Fortschritt sie bringt, wird nun vom guten Willen aller Beteiligten abhängen. ae
Mit ihren nationalen Klimazielen werden die EU-Länder bis 2030 nur 51 statt der vereinbarten 55 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Das schreibt die Kommission in ihrer Bewertung der Entwürfe der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP), die am Montag veröffentlicht wurde. Auch die Erneuerbaren-Pläne der Mitgliedstaaten bleiben hinter den EU-Zielen zurück. Zusammen wird wohl nur ein Anteil am Energieverbrauch von maximal 39,3 Prozent erreicht. Das EU-Ziel liegt bei 42,5 Prozent.
Auch Deutschland verfehlt mit seinen Beiträgen laut den Empfehlungen der Kommission die EU-Ziele. Die deutlichste Abweichung zeichnet sich in den Lastenteilungssektoren (Effort Sharing) ab, allen voran Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Die Kommission fordert die Bundesregierung deshalb auf, zusätzliche Maßnahmen festzulegen, “um die prognostizierte Lücke von 15,4 Prozentpunkten zu schließen und das nationale Treibhausgasreduktionsziel von 50 Prozent zu erreichen”.
Auch die deutschen Pläne zur Energiesicherheit fallen bei der Kommission durch. Der neue NECP enthalte keine zusätzlichen Ziele oder Maßnahmen, um die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Es fehlten zudem Schätzungen der nötigen Investitionen für den Klimaschutz. Auch bei den beabsichtigten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bleibe die Bundesregierung zu unkonkret.
Bis Mitte 2024 müssen alle EU-Staaten ihre Entwürfe überarbeiten und die fertigen Klimapläne bei der Kommission einreichen. ber
Sind die Ergebnisse der UN-Klimagipfel den Aufwand wert? Nach der COP28 in Dubai wird die Frage einmal mehr gestellt. Zwei weitere Fragen können helfen, sie zu beantworten: Welches Problem soll durch die internationalen Klimakonferenzen gelöst, welches Ziel überhaupt erreicht werden? Und was können die Treffen dazu beitragen?
Das Problem, das bekämpft werden soll, ist der fortschreitende Klimawandel, das Ziel nicht weniger als die vollständige Transformation der globalen Wirtschaft. Solche Transformationsprozesse dauern üblicherweise Jahrzehnte. Naturgemäß reicht eine einzige UN-Konferenz nicht aus, um sie anzustoßen oder gar zu einem guten Ende zu bringen.
Vor allem aber produzieren solch tiefgreifende Transformationen immer Gewinner und Verlierer. Im Fall der internationalen Klimapolitik beispielsweise muss der Großteil der nachgewiesenen Reserven an fossilen Brennstoffen unter der Erde bleiben. Die IEA hat bereits 2021 darauf hingewiesen, dass keine neuen Öl-, Gas- oder Kohleabbauprojekte genehmigt werden sollten, wenn die Welt noch eine Chance haben soll, die 1,5-Grad-Grenze zu halten. Viele Länder und Unternehmen hängen aber stark von diesen Ressourcen ab.
Naturgemäß nehmen die Verlierer diese Verluste nicht einfach hin. Sie kämpfen darum, ihren Wohlstand und ihre Position am Markt beizubehalten. Ein Paradebeispiel dafür – wenngleich auf nationaler Ebene – war der Konflikt um das deutsche Gebäude-Energie-Gesetz in diesem Jahr. Seine zentrale Frage: Wie lange können die Anbieter von Öl- und Gasheizungen ihr Geschäftsmodell noch fortführen?
Der internationale Prozess beschleunigt solche Konflikte. Indem er jedes Jahr einen politischen Moment schafft, in dem der Klimaschutz zentral auf der Tagesordnung steht und die politischen Entscheidungsträger gezwungen sind, Stellung zu nehmen, stößt er wichtige politische Auseinandersetzungen an.
Das Pariser Abkommen hat diese Schrittmacherfunktion unverrückbar in die politischen Prozesse aller Vertragsstaaten eingebrannt, indem es einen fünfjährigen Zyklus schuf, in dem die Vorlage von nationalen Klimazielen (NDCs), die globale Bestandsaufnahme und darauf aufbauende neue NDCs immer wieder aufeinander folgen.
Der UN-Prozess erzeugt zusätzlich dadurch Druck auf die Staaten mit hohen Emissionen, dass in ihm auch die ärmeren Staaten – die am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind – Sitz und Stimme haben. Er erbringt zudem Informationen, die ohne ihn vermutlich nicht zur Verfügung stünden. Wie hoch die Lücke zwischen Anspruch und realem Handeln ist, wissen wir, weil die Staaten im Rahmen der UN-Verhandlungen regelmäßig international über ihre Emissionen und Maßnahmen Bericht erstatten müssen.
Zudem legen die Entscheidungen der Konferenzen den Maßstab dafür fest, welches Verhalten von Regierungen – oder anderen Akteuren – als akzeptabel gilt. Damit bieten sie eine wesentliche Legitimationsgrundlage für alle Akteure, die den Klimaschutz national oder international voranbringen wollen.
So beziehen sich beispielsweise die Forderungen von Fridays for Future zentral auf das Pariser Abkommen. Immer mehr Gerichtsurteile tun dies ebenfalls, etwa das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 2021, in dem es das deutsche Klimaschutzgesetz in seiner damaligen Fassung als zu schwach befand.
Auf der COP28 war es nun erstmals möglich, die fossilen Brennstoffe als zentrale Ursache des Klimaproblems zu benennen und zur “Abkehr weg von ihnen” aufzurufen. Damit hat die Konferenz einen weiteren Hebel für künftige politische und juristische Auseinandersetzungen geschaffen.
Jenseits der offiziellen Verhandlungen ist die jährliche Konferenz zudem eine zentrale Plattform für die Vernetzung klimapolitischer Akteure, für den Wissensaustausch und für die Ankündigung neuer Vorreiterinitiativen.
Wie sehr die UN-Gipfel den Klimaschutz voranbringen, lässt sich auch an Zahlen ablesen. Bei der Verabschiedung des Pariser Abkommens war die Prognose, dass sich die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts voraussichtlich um 3,5 bis 4 Grad erhöhen würde. Aktuell erwartet man nur noch eine Erwärmung von 2,5 bis 3 Grad – zwar ist das immer noch deutlich zu hoch, und sicher lässt sich der Fortschritt nicht monokausal auf das Pariser Abkommen zurückführen. Umgekehrt ist aber auch kaum denkbar, dass er ohne den internationalen Prozess in diesem Umfang erzielt worden wäre.
Die künftigen Konferenzen könnten insbesondere dazu beitragen, das abstrakte Problem des globalen Klimawandels noch stärker auf praktisch handhabbare Teilprobleme herunterzubrechen. Von der COP28 geht ein Signal für die globale Energiewende aus. Doch die ebenso wichtigen Bereiche Verkehrswende, Wärmewende, Agrarwende und Industriewende sind bisher kaum in Ansätzen diskutiert.
In Zukunft sollten sich die Klimagipfel stärker der Fragen widmen, wie auch diese Sektoren klimafreundlich umgebaut werden müssen. Und sie sollten stärker nachhalten, was die einzelnen Staaten bereits für den Umbau von Verkehr, Gebäudewärme, Agrar- und Industriesektor tun, anstatt sich wie bisher im Wesentlichen auf die Entwicklung der nationalen Emissionen zu konzentrieren. Beispielsweise könnten die jeweils zuständigen Fachministerien aufgefordert werden, im Rahmen der internationalen Transparenzmechanismen darzulegen, wie sie die Anforderungen des Pariser Abkommens in ihren jeweiligen Fachbereichen umsetzen.
Wolfgang Obergassel ist Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. Dort arbeitet er schwerpunktmäßig zur Entwicklung des internationalen Klimaregimes und seiner Mechanismen.
Nach dem Hammerschlag auf der COP28 in Dubai neigt sich das Jahr langsam dem Ende zu. Grund genug, zunächst zurückzuschauen. Welche wegweisenden Entscheidungen wurden in diesem Jahr getroffen, welche wurden verpasst und was bedeuten die Entwicklungen des Jahres für die zukünftige Klimapolitik? Bernhard Pötter und Alexandra Endres fassen die wichtigsten Meilensteine aus 2023 zusammen.
Zu einem Jahresrückblick gehört aber auch immer die Vorschau auf das, was kommt. 2024 steht einiges an: Für besonders intensive Debatten dürfte vielerorts die Frage sorgen, wer für die weltweite Klimafinanzierung aufkommt. IWF und Weltbank werden ihre Reformbemühungen in dieser Hinsicht fortsetzen. Die COP29 in Aserbaidschan wird voraussichtlich eine COP rund ums Geld werden. Und dann stehen auch noch ein paar richtungsweisende Wahlen an. Langweilig wird 2024 nicht!
Falls Sie noch nicht genug von der COP28 haben, werfen Sie doch mal einen Blick auf unser Klima in Zahlen. Es zeigt, dass der Abschlusstext zum Global Stocktake zwar viele positive Elemente beinhaltet – die aber meist mit schwachen Verben verbunden sind, sodass sich daraus kaum ein Aufruf zum entschlossenen Handeln ergibt. Der Klimaforscher Wolfgang Obergassel argumentiert in seinem Standpunkt dennoch, dass die UN-Klimakonferenzen den internationalen Klimaschutz voranbringen. Er findet, sie seien den Aufwand wert.
Bleiben Sie uns auch im kommenden Jahr wohlgesonnen, genießen Sie die Feiertage und erholen Sie sich gut. Am 7. Januar lesen wir uns an dieser Stelle wieder.
Für die Klimadiplomatie endet das Jahr regelmäßig mit dem wichtigsten und größten internationalen Termin: der Conference of the Parties (COP) der UN-Klimarahmenkonvention. Was auf dem Klimagipfel entschieden – oder nicht entschieden – wird, hat großen Einfluss auf die weltweite und nationale Klimapolitik. Doch neben den vielen aktuellen Beschlüssen der gerade vergangenen COP28 in Dubai haben auch weitere Entwicklungen und Entscheidungen das klimapolitische Jahr 2023 geprägt.
Zum Jahresende deshalb hier eine kurze Übersicht über die wichtigsten Geschehnisse:
2024 wird ein wichtiges Jahr in der Klimapolitik. Einige Entwicklungen sind bereits jetzt klar: Die Erderwärmung etwa wird weiter voranschreiten, ihre Auswirkungen werden neue Schlagzeilen liefern. Auch andere Trends werden wohl in die gleiche Richtung weiterlaufen wie bisher – während Entscheidungen wie beispielsweise Wahlen zu unerwarteten Veränderungen führen können.
Hier ein Überblick, was passieren kann und passieren wird:
17. März 2024
Wahlen Präsidentschaftswahl in Russland
19. bis 21. April 2024, Washington
Tagung Frühjahrstagung von Weltbank und IWF
Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) sind für wesentliche Fragen der Klimafinanzierung zuständig. Ihre Frühjahrstagung ist neben der Jahrestagung im Herbst eine der wichtigsten Veranstaltungen in diesem Bereich. Infos
2. Juni 2024
Wahlen Präsidentschaftswahl in Mexiko
6. bis 9. Juni 2024
Wahlen Europawahl
Die Europawahl 2024 wird die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament. Sie findet voraussichtlich vom 6. bis 9. Juni 2024 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union statt. Es werden 720 Abgeordnete gewählt.
3. bis 13. Juni 2024, Bonn
Konferenz SBSTA60
Die Konferenz des Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) dient vor allem als Vorbereitungskonferenz für die COP29 im November. Infos
17. bis 19. Juni 2024 (unter Vorbehalt), Puglia, Italien
Gipfeltreffen G7 Summit
Das Gipfeltreffen der G7 findet unter der Präsidentschaft von Italien statt. Infos
12. bis 14. Juli 2024, Rio de Janeiro, Brasilien
Gipfeltreffen G20 Summit
Das G20 Gipfeltreffen unter der Präsidentschaft von Brasilien findet in Rio de Janeiro statt. Zu den G20 gehören 19 Länder und die EU. Infos
1. September 2024
Wahlen Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen
10. bis 24. September, New York, USA
Generalversammlung Generalversammlung der Vereinten Nationen Infos
22. September 2024
Wahlen Landtagswahlen in Brandenburg
21. Oktober bis 1. November 2024 (unter Vorbehalt), Kolumbien
Konferenz UN-Biodiversitätskonferenz
Ursprünglich sollte die Biodiversitätskonferenz in der Türkei stattfinden, aufgrund des Erdbebens sieht sich das Land aber nicht dazu in der Lage, sie auszurichten. Nun findet sie in Kolumbien statt. Es werden auch viele Fragen am Schnittpunkt zwischen Klima und Biodiversität diskutiert werden. Infos
25. bis 27. Oktober, Washington, USA
Tagung Jahrestagung der Weltbank und des IWFs
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) spielen in Fragen der Klimafinanzierung eine große Rolle, da sie die nötige Finanzarchitektur stellen. Ihr Jahrestreffen findet 2024 in Washington statt. Infos
5. November 2024
Wahlen Präsidentschaftswahlen USA
Die Kandidaten stehen noch nicht offiziell fest. Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl beginnen Mitte Januar. Am 5. März ist der sogenannte “Super Tuesday”.
11. bis 24. November 2024 (noch unter Vorbehalt), Baku, Aserbaidschan
Konferenz COP29
Inzwischen ist klar, wo die nächste UN-Klimakonferenz stattfindet. Die Themen sind allerdings noch eher vage. Sicher ist, dass die Klimafinanzierung erneut eine große Rolle spielen wird, vermutlich auch die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels.
Wie eindeutig ist das Signal, das von der COP28 ausgeht und das Ende des fossilen Zeitalters einläuten soll? COP-Beschlüsse stecken voller semantischer Feinheiten. Kein Wunder, sollen sie doch den internationalen Klimaschutz voranbringen und müssen zugleich für alle Länder, die auf den UN-Klimagipfeln verhandeln, akzeptabel sein – auch für die Ölstaaten.
Mit dem Global Stocktake, dem Kerndokument der diesjährigen COP, verhält es sich nicht anders. Zwar gibt der Text eine klare Richtung vor: weg von Kohle, Öl und Gas. Aber die Aufforderung, sich von den fossilen Energien abzuwenden, bleibt bemerkenswert vage. Das zeigt eine Auswertung des Textes durch den britischen Klima-Nachrichtendienst Carbon Brief, der die im Global Stocktake (GST) benutzten Verben gezählt hat. Unsere Grafik zeigt das Ergebnis. Auf die Übersetzung ins Deutsche haben wir an dieser Stelle verzichtet, weil es noch keine offizielle deutsche Version des GST-Beschlusses gibt, und weil wir die semantischen Nuancen bewusst beibehalten wollten.
Ein Blick auf die in dem Abschlussdokument benutzten englischen Verben macht klar: Nur wenige unter ihnen fordern die Staaten eindeutig zum Handeln auf. Jeweils mehr als 30-mal erkennt der Text lediglich Dinge an (“recognises”) oder nimmt sie zur Kenntnis (“notes”). Erst an dritter Stelle folgt eine Ermutigung (“encourages”) mit 29 Nennungen.
Der Global Stocktake erinnert, begrüßt, betont, bestätigt, empfiehlt, wiederholt und unterstreicht – manches davon sogar in verschiedenen Varianten des Englischen, deren feine Unterschiede kaum noch nachzuvollziehen sind. Selbst manche der Handlungsaufforderungen bleiben bemerkenswert vage: So bittet der Text 16-mal um etwas (“requests”), lädt 14-mal ein (“invites”) und ruft 8-mal zum Handeln auf (“calls on/upon”). Sehr selten wagt er, etwas wirklich zu entscheiden (“decides”, 8-mal). Auch die Passage, in der die Staaten zur Abkehr von den fossilen Energien aufgerufen werden, ist mit “calls on” eher schwach formuliert. Wie viel Fortschritt sie bringt, wird nun vom guten Willen aller Beteiligten abhängen. ae
Mit ihren nationalen Klimazielen werden die EU-Länder bis 2030 nur 51 statt der vereinbarten 55 Prozent an Treibhausgasen einsparen. Das schreibt die Kommission in ihrer Bewertung der Entwürfe der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP), die am Montag veröffentlicht wurde. Auch die Erneuerbaren-Pläne der Mitgliedstaaten bleiben hinter den EU-Zielen zurück. Zusammen wird wohl nur ein Anteil am Energieverbrauch von maximal 39,3 Prozent erreicht. Das EU-Ziel liegt bei 42,5 Prozent.
Auch Deutschland verfehlt mit seinen Beiträgen laut den Empfehlungen der Kommission die EU-Ziele. Die deutlichste Abweichung zeichnet sich in den Lastenteilungssektoren (Effort Sharing) ab, allen voran Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Die Kommission fordert die Bundesregierung deshalb auf, zusätzliche Maßnahmen festzulegen, “um die prognostizierte Lücke von 15,4 Prozentpunkten zu schließen und das nationale Treibhausgasreduktionsziel von 50 Prozent zu erreichen”.
Auch die deutschen Pläne zur Energiesicherheit fallen bei der Kommission durch. Der neue NECP enthalte keine zusätzlichen Ziele oder Maßnahmen, um die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. Es fehlten zudem Schätzungen der nötigen Investitionen für den Klimaschutz. Auch bei den beabsichtigten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bleibe die Bundesregierung zu unkonkret.
Bis Mitte 2024 müssen alle EU-Staaten ihre Entwürfe überarbeiten und die fertigen Klimapläne bei der Kommission einreichen. ber
Sind die Ergebnisse der UN-Klimagipfel den Aufwand wert? Nach der COP28 in Dubai wird die Frage einmal mehr gestellt. Zwei weitere Fragen können helfen, sie zu beantworten: Welches Problem soll durch die internationalen Klimakonferenzen gelöst, welches Ziel überhaupt erreicht werden? Und was können die Treffen dazu beitragen?
Das Problem, das bekämpft werden soll, ist der fortschreitende Klimawandel, das Ziel nicht weniger als die vollständige Transformation der globalen Wirtschaft. Solche Transformationsprozesse dauern üblicherweise Jahrzehnte. Naturgemäß reicht eine einzige UN-Konferenz nicht aus, um sie anzustoßen oder gar zu einem guten Ende zu bringen.
Vor allem aber produzieren solch tiefgreifende Transformationen immer Gewinner und Verlierer. Im Fall der internationalen Klimapolitik beispielsweise muss der Großteil der nachgewiesenen Reserven an fossilen Brennstoffen unter der Erde bleiben. Die IEA hat bereits 2021 darauf hingewiesen, dass keine neuen Öl-, Gas- oder Kohleabbauprojekte genehmigt werden sollten, wenn die Welt noch eine Chance haben soll, die 1,5-Grad-Grenze zu halten. Viele Länder und Unternehmen hängen aber stark von diesen Ressourcen ab.
Naturgemäß nehmen die Verlierer diese Verluste nicht einfach hin. Sie kämpfen darum, ihren Wohlstand und ihre Position am Markt beizubehalten. Ein Paradebeispiel dafür – wenngleich auf nationaler Ebene – war der Konflikt um das deutsche Gebäude-Energie-Gesetz in diesem Jahr. Seine zentrale Frage: Wie lange können die Anbieter von Öl- und Gasheizungen ihr Geschäftsmodell noch fortführen?
Der internationale Prozess beschleunigt solche Konflikte. Indem er jedes Jahr einen politischen Moment schafft, in dem der Klimaschutz zentral auf der Tagesordnung steht und die politischen Entscheidungsträger gezwungen sind, Stellung zu nehmen, stößt er wichtige politische Auseinandersetzungen an.
Das Pariser Abkommen hat diese Schrittmacherfunktion unverrückbar in die politischen Prozesse aller Vertragsstaaten eingebrannt, indem es einen fünfjährigen Zyklus schuf, in dem die Vorlage von nationalen Klimazielen (NDCs), die globale Bestandsaufnahme und darauf aufbauende neue NDCs immer wieder aufeinander folgen.
Der UN-Prozess erzeugt zusätzlich dadurch Druck auf die Staaten mit hohen Emissionen, dass in ihm auch die ärmeren Staaten – die am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind – Sitz und Stimme haben. Er erbringt zudem Informationen, die ohne ihn vermutlich nicht zur Verfügung stünden. Wie hoch die Lücke zwischen Anspruch und realem Handeln ist, wissen wir, weil die Staaten im Rahmen der UN-Verhandlungen regelmäßig international über ihre Emissionen und Maßnahmen Bericht erstatten müssen.
Zudem legen die Entscheidungen der Konferenzen den Maßstab dafür fest, welches Verhalten von Regierungen – oder anderen Akteuren – als akzeptabel gilt. Damit bieten sie eine wesentliche Legitimationsgrundlage für alle Akteure, die den Klimaschutz national oder international voranbringen wollen.
So beziehen sich beispielsweise die Forderungen von Fridays for Future zentral auf das Pariser Abkommen. Immer mehr Gerichtsurteile tun dies ebenfalls, etwa das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 2021, in dem es das deutsche Klimaschutzgesetz in seiner damaligen Fassung als zu schwach befand.
Auf der COP28 war es nun erstmals möglich, die fossilen Brennstoffe als zentrale Ursache des Klimaproblems zu benennen und zur “Abkehr weg von ihnen” aufzurufen. Damit hat die Konferenz einen weiteren Hebel für künftige politische und juristische Auseinandersetzungen geschaffen.
Jenseits der offiziellen Verhandlungen ist die jährliche Konferenz zudem eine zentrale Plattform für die Vernetzung klimapolitischer Akteure, für den Wissensaustausch und für die Ankündigung neuer Vorreiterinitiativen.
Wie sehr die UN-Gipfel den Klimaschutz voranbringen, lässt sich auch an Zahlen ablesen. Bei der Verabschiedung des Pariser Abkommens war die Prognose, dass sich die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts voraussichtlich um 3,5 bis 4 Grad erhöhen würde. Aktuell erwartet man nur noch eine Erwärmung von 2,5 bis 3 Grad – zwar ist das immer noch deutlich zu hoch, und sicher lässt sich der Fortschritt nicht monokausal auf das Pariser Abkommen zurückführen. Umgekehrt ist aber auch kaum denkbar, dass er ohne den internationalen Prozess in diesem Umfang erzielt worden wäre.
Die künftigen Konferenzen könnten insbesondere dazu beitragen, das abstrakte Problem des globalen Klimawandels noch stärker auf praktisch handhabbare Teilprobleme herunterzubrechen. Von der COP28 geht ein Signal für die globale Energiewende aus. Doch die ebenso wichtigen Bereiche Verkehrswende, Wärmewende, Agrarwende und Industriewende sind bisher kaum in Ansätzen diskutiert.
In Zukunft sollten sich die Klimagipfel stärker der Fragen widmen, wie auch diese Sektoren klimafreundlich umgebaut werden müssen. Und sie sollten stärker nachhalten, was die einzelnen Staaten bereits für den Umbau von Verkehr, Gebäudewärme, Agrar- und Industriesektor tun, anstatt sich wie bisher im Wesentlichen auf die Entwicklung der nationalen Emissionen zu konzentrieren. Beispielsweise könnten die jeweils zuständigen Fachministerien aufgefordert werden, im Rahmen der internationalen Transparenzmechanismen darzulegen, wie sie die Anforderungen des Pariser Abkommens in ihren jeweiligen Fachbereichen umsetzen.
Wolfgang Obergassel ist Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. Dort arbeitet er schwerpunktmäßig zur Entwicklung des internationalen Klimaregimes und seiner Mechanismen.