Es sind drei große Hoffnungszeichen in der manchmal recht düsteren Klimawelt, über die wir heute schreiben: Die Energiewende-Partnerschaft der Industriestaaten (JETP) mit Südafrika; die Hoffnung auf ein Ende des Kohlebooms in Indien; und die Idee einer klimaneutralen Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Aber leider gibt es an diesen Hoffnungszeichen auch eine Menge Fragezeichen, wie wir in dieser Ausgabe des Climate.Table berichten müssen.
Denn in Südafrika überlegt die Regierung, ob sie die maroden Kohlekraftwerke länger laufen lässt, um den Stromnotstand zu lindern. Das wäre das Gegenteil von Energiewende. Industrieländer wie Deutschland können aber schlecht auf Regeln pochen, die sie selbst nicht einhalten – wenn sie etwa durch den Ukrainekrieg mehr Kohle verbrennen und Gas-Terminals bauen.
Ein klassisches Dilemma zeigt sich auch in Indien, wie unsere Kollegin aus Neu Delhi Urmi Goswami schreibt: Einerseits ist Dekarbonisierung offizielle Politik. Andererseits sollen noch Dutzende von Kohlekraftwerken gebaut werden. Und ob die Fußball-EM in Deutschland klimaneutral wird, wie es die Veranstalter propagieren, ist auch fraglich, wie näheres Hinsehen der Kollegen Horand Knaup und Lukas Scheid beweist.
Das zeigt mal wieder: Fragen zu stellen ist wichtig. Zentral ist es aber auch, trotz allem einen langen Atem zu behalten
Die südafrikanische Regierung debattiert, ob sie wegen Schwierigkeiten in der Energieversorgung später als bisher geplant aus der Kohleverbrennung aussteigen soll. Das würde die Umsetzung des zentralen Ziels der “Gerechten Partnerschaft für die Energiewende” (JETP) mit Geberländern aus den Industriestaaten verzögern. Ein Vorzeigeprojekt für die internationale Energiewende mit Klimahilfen von 8,5 Milliarden Dollar gerät damit ins Stocken.
Die Regierung hat vergangene Woche ihre Pläne mit dem deutschen JETP-Beauftragten Rainer Baake erörtert, der sich mit der “internationalen Partnergruppe” (IPG) abstimmt: Das sind die Geberländer EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA. Danach äußerten die Geberländer Verständnis dafür, dass die Energiesicherheit in Südafrika Priorität hat. Wichtig sei, dass “das große Ziel der JETP nicht gefährdet wird, Südafrikas Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele voranzubringen und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft überzugehen”, hieß es in einer anschließenden Erklärung der deutschen Botschaft in Pretoria.
Die IPG bleibe “dieser ehrgeizigen Partnerschaft mit Südafrika verbunden, in Übereinstimmung mit den Bedingungen der gemeinsamen Erklärung. Das enthält die Verpflichtung, das ambitionierteste mögliche Ziel in der Spannbreite von Südafrikas Klimaplan NDC zu erreichen.”
Auch laut einem Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) zeigt “die IPG, mit Deutschland als aktivem Mitglied, Verständnis für die aktuelle Notlage und sieht die Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. Gleichzeitig ist und bleibt ein klares Bekenntnis der südafrikanischen Regierung zu langfristigen Strategien der Emmissionsminderung (wie der Umsetzung der JETP und nationalen Beiträge) wichtiger Baustein unserer Zusammenarbeit.” Die Geberländer seien sich einig, “dass ihre finanzielle Unterstützung im Rahmen des südafrikanischen JETP nicht für die Finanzierung von Projekten und Maßnahmen zur Verbrennung fossiler Brennstoffe eingesetzt werden.” Der beste und kostengünstigste Weg aus der Stromkrise sei “der mit JETP eingeschlagene Weg zum massiven Aufbau erneuerbarer Energien”.
Mit dem “Statusreport” eines externen Gutachters soll bis zum Sommer die Lage der südafrikanischen Kohlekraftwerke durchleuchtet werden. Er soll auch die finanzielle Belastung für den Staatshaushalt durch die finanzielle Notlage des staatlichen Energiekonzerns Eskom thematisieren.
Die Regierung in Pretoria denkt darüber nach, einige der alten Kohlekraftwerke länger als geplant laufen zu lassen, um die Stromknappheit und häufigen Blackouts im Land zu bekämpfen. Ursprünglich sollten bis 2030 fünf von insgesamt 14 Kohlekraftwerken geschlossen werden. Nun schlägt Energieminister Kgosientsho Ramokgopa vor, drei Blöcke des Kraftwerks Camden mit insgesamt 420 Megawatt Leistung länger als geplant am Netz zu behalten. In der Krise von “Megawatt-Knappheit” glaube er nicht, dass es “hilft, diese Einheiten abzuschalten, die so gut funktionieren”, so der Minister. Man habe darüber einen “offenen Austausch” mit der “International Partners Group” (IPG) geführt, die das JETP mit Südafrika vereinbart haben.
Diese Partnerschaft war auf der COP26 in Glasgow verkündet worden. Sie sieht vor, dass Südafrika bis 2035 Kapazitäten von 22 Gigawatt seiner Kohleflotte von insgesamt 39 Gigawatt stilllegt. Die Kraftwerke sind alt und ineffizient, sie sollten ohnehin abgeschaltet werden, denn ihre Nachrüstung wäre sehr teuer. Um den Strukturwandel zu begleiten, Alternativen von erneuerbaren Energien aufzubauen, den staatlichen Stromkonzern Eskom zu sanieren und das Stromnetz im Land wiederherzustellen, sind nach südafrikanischen Berechnungen zwischen 2023 und 2027 insgesamt 61,8 Milliarden Dollar nötig.
Davon sind bisher laut einem internen Bericht der südafrikanischen Regierung dafür 18,8 Milliarden gesichert – knapp acht Milliarden bislang von den westlichen Geberländern, sechs Milliarden aus dem südafrikanischen Budget und 4,8 Milliarden von internationalen Entwicklungsbanken. “Die Differenz zeigt die Größe der Finanzierungslücke”, heißt es lapidar: Bisher fehlen 43 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre. Private Investments sind dabei bislang nicht berücksichtigt. Von den JETP-Hilfen sind die ersten Tranchen bereits geflossen. Ende 2022 kamen jeweils 300 Millionen Dollar aus Deutschland und Frankreich.
Laut JETP-Planungen soll sich der CO₂-Ausstoß des Landes von 470 Millionen Tonnen jährlich bis 2030 im Idealfall auf 350 Millionen verringern. Schon bis 2021 sind die Emissionen auf 435 Millionen Tonnen gesunken – weniger wegen Klimapolitik, sondern schlicht, weil Kohlekraftwerke wegen Ineffizienzen und Verschleiß weniger am Netz sind.
Südafrika ist für 40 Prozent aller afrikanischen CO₂-Emissionen verantwortlich und mit 70 Prozent Kohle im Energiemix das Land mit der kohlenstoffintensivsten Volkswirtschaft aller großer Emittenten. Dabei verfügt es über große Potenziale bei Wind und Solarenergie, aber Probleme bei Netzausbau und Bürokratie hemmen diese Entwicklung.
Das JETP mit Südafrika ist für die Industrieländer wichtig, weil es eine Vorlage für Hilfen bei der Energiewende im globalen Süden sein soll. Inzwischen sind auch JETPs mit Indonesien (20 Milliarden Dollar) und Vietnam (15,5 Milliarden Dollar) auf den Weg gebracht worden. Senegal und Indien sind weitere Kandidaten. Außerdem haben die westlichen Staaten ein großes Interesse an besseren Verbindungen zu Südafrika. Sie wollen das geopolitisch wichtige Land vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine diplomatisch enger an den Westen binden. Bisher hat das Land die russische Aggression in der UNO nicht verurteilt und den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Gipfel der Brics-Staaten im August eingeladen – offenbar allerdings nur als elektronischer Gast.
Die Situation der Stromversorgung in Südafrika ist prekär: Blackouts legen immer wieder Teile der Industrie und des öffentlichen Lebens lahm und kosten das Land Milliarden an Schäden und zwei Prozentpunkte beim Wachstum der Industrieproduktion. Der staatliche Energiekonzern Eskom ist in großen Zahlungsschwierigkeiten, gleichzeitig häufen sich Berichte von massiver Vetternwirtschaft, politischer Klüngelei und mafiösen Strukturen. Im Februar verließ Eskom-Chef André de Ruyter überraschend seinen Posten, nachdem er hochrangigen Funktionären der Partei ANC vorgeworfen hatte, sich illegal an Eskom zu bereichern.
Auch in der Regierung von Südafrika ist der JETP-Kurs offenbar umstritten: einer Fraktion um Präsident Ramaphosa, der das Projekt gutheißt, stehen Kritiker gegenüber, die an der traditionellen Steinkohlewirtschaft und den damit verbundenen Privilegien von Gewerkschaften und ANC festhalten wollen.
Die Vertreter der IPG treten in Südafrika auch deshalb vorsichtig auf, weil sie ähnliche Pläne für längere Laufzeiten von fossilen Kraftwerken aus ihren Heimatländern kennen. So hat Deutschland unter dem Druck des russischen Angriffs auf die Ukraine und dem Bestreben, sich vom russischen Gas zu lösen, ebenfalls die Energiesicherheit ganz nach vorn gestellt und Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt.
Und auch beim Flüssig-Gas ist die Entwicklung ähnlich. Während Deutschland massiv auf neue LNG-Terminals setzt, denkt jetzt auch Südafrika darüber nach, in der Energiekrise mit schwimmenden Gasterminals die Versorgung zu sichern.
In Indien gewinnt die Debatte über einen Kohleausstieg kräftig an Fahrt. Einerseits ist den Experten klar, dass das bevölkerungsreichste Land der Erde aus fossilen Brennstoffen aussteigen muss. Aber wie schnell das gehen kann und welche Alternativen dazu bestehen, wird in Regierung und Verwaltung heftig diskutiert. Nun stellt eine Planung der Regierung zum ersten Mal ein Ende des Neubaus von Kohlekraftwerken in Aussicht.
Die nationale Elektrizitätspolitik, die derzeit fertiggestellt wird, räumt der Dekarbonisierung des Elektrizitätssystems Priorität ein. Und ein neuer Bericht der indischen Zentralbank, der Reserve Bank of India, betont, dass verspätete klimapolitische Maßnahmen durch größere Produktionsverluste und höhere Inflation teurer werden könnten. Das Tempo des Übergangs wird jedoch durch praktische Erwägungen der Wirtschaft und der Energiesicherheit infrage gestellt.
“Es gibt einen klaren Wunsch, aus der Kohle auszusteigen. Was jedoch ungewiss bleibt, sind die Auswirkungen dieses Ausstiegs auf Kosten und Energiesicherheit“, sagt Vaibhav Chaturvedi, leitender Forscher beim Thinktank Centre for Energy, Environment and Water in Delhi. “Bei diesem Thema gibt es Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung, was sich in der Wortwahl der verschiedenen politischen Dokumente widerspiegelt”.
Für eine Überarbeitung der nationalen Elektrizitätspolitik, die einen Fahrplan für die Gesetzgebung festlegt, setzte die Regierung 2021 eine Expertengruppe unter der Leitung von Gireesh Pradhan ein, dem ehemaligen Vorsitzenden der nationalen Regulierungsbehörde Central Electricity Regulatory Commission. Die Expertengruppe legte ihre Empfehlung im Oktober 2021 vor, noch vor der COP26 in Glasgow. Sie besteht aus vier Zielen:
Ergebnis der Expertengruppe: Indien brauche trotz des Bedarfs an Grundlast keine neuen Kohlekapazitäten. Es gab jedoch einen Vorbehalt: Ein Kohlekraftwerk könnte nur als Ersatz für alte und in den Ruhestand gehende Blöcke gebaut werden, und auch das nur, wenn “überzeugend nachgewiesen wird, dass es nicht rentabel ist, die prognostizierte Nachfrage aus alternativen, nicht-fossilen Quellen zu decken”.
Zu einer anderen Einschätzung kam dagegen die Zentrale Elektrizitätsbehörde (CEA) in ihrem Entwurf des Nationalen Elektrizitätsplans im September 2022. Darin wurde prognostiziert, dass zur Deckung der wachsenden Nachfrage im Zeitraum 2022 bis 2027 zusätzliche etwa 33 Gigawatt Kohlekapazitäten benötigt würden. Etwa 25 GW davon befinden sich bereits im Bau, knapp fünf GW würden in diesem Zeitraum stillgelegt. Für die Zeit von 2027 bis 2032 würden gut neun GW als zusätzlicher Bedarf prognostiziert.
Im Januar 2023 setzte die Regierung die Stilllegung aller Kohlekraftwerke bis 2030 aus. Grund waren Prognosen für einen weiteren Sommer mit extremer Hitze und einem bevorstehenden Nachfrageschub.
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren erstellte das Ministerium im Januar einen Entwurf für eine nationale Elektrizitätspolitik. Der Entwurf, der Table.Media vorliegt, behält die politischen Ziele der Expertengruppe bei und räumt der Dekarbonisierung Vorrang ein, schweigt aber über neue Kohlekraftwerke. Nach Berichten erwähnt er ein Moratorium für Kohlekraftwerke, das aber Projekte ausschließt, die sich bereits in der “Pipeline” befinden.
Analysten weisen darauf hin, dass “Pipeline-Projekte” sowohl im Bau befindliche als auch ausgeschriebene und sogar in der Planungsphase befindliche Projekte umfassen können. Die CEA geht in ihrer Planung für den optimalen Kraftwerkskapazitätsmix 2030 von zusätzlichen knapp 30 GW an Kohlekapazität aus, die derzeit geplant oder im Bau sind.
Neue Kohlekraftwerke, obwohl Indien von der Kohle wegkommen will? “Das ist ein Problem des Übergangs”, sagte ein hoher Beamter. “Der Preisverfall bei den Batterien hat sich nicht in der erwarteten Geschwindigkeit vollzogen. Wenn die Sonne scheint, ist Solarenergie eine praktikable Option, sie kostet etwas mehr als zwei Cent pro Kilowattstunde. Aber was passiert nachts? Kohle kostet derzeit etwa 1,9 Cent pro Kilowattstunde. Die Verwendung von Kohle als flexible Energiequelle bedeutet jedoch, dass mit der gleichen Kapazität weniger Strom erzeugt wird, was die Kosten auf 2,5 Cent/kWh oder mehr steigen lässt. Dadurch wird der Strom im ganzen Land teurer. Dies ist ein Problem, da große Teile der Bevölkerung erst seit kurzem Zugang zu Strom haben.”
In der Politik gelten Dekarbonisierung und Energiewende als politische Prioritäten: Maßnahmen wie die Abnahmeverpflichtung für erneuerbare Energien, die alle Verteilerunternehmen dazu verpflichtet, bis 2030 mindestens 43 Prozent ihres Stroms aus Erneuerbaren zu beziehen, werden den Anteil der Kohle senken. “Das Dilemma, vor dem Indien steht, ist, dass wir derzeit keine Strategien für nicht-fossile Brennstoffe zur Stromerzeugung rund um die Uhr haben”, sagte ein Beamter des Energiesektors. Anreize für die Energiespeicherung könnten dazu beitragen, dieses Problem zu lösen.
Während sich die Regierung mit diesem Dilemma auseinandersetzt, hat die indische Zentralbank auch die Kosten von verzögertem Handeln im Klimaschutz erhoben. In ihrem jüngsten Bericht schätzt sie, dass Indiens grüner Finanzierungsbedarf bis 2030 jährlich mindestens 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Allein etwa umgerechnet eine Billion Euro bis 2030 werde für Indien die Anpassung an den Klimawandel kosten.
Der Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall hat einen 770 Millionen Euro Auftrag für die Herstellung von Kompressoren für Wärmepumpen erhalten. Das Unternehmen investiert damit in ein wichtiges neues Geschäftsfeld und könnte gleichzeitig die Abhängigkeiten der europäischen Wärmepumpen-Industrie von internationalen Lieferketten verringern. Das Unternehmen hat den Auftrag bereits Ende 2022 erhalten – erst jetzt wurde jedoch bekannt, dass es sich um Kompressoren für Wärmepumpen handelt.
Rheinmetalls Investitionen seien eine “wichtige Entscheidung”, sagt daher Thomas Nowak, Generalsekretär des Europäischen Wärmepumpen-Verbands (European Heat Pump Association – EHPA) gegenüber Table.Media. Denn bei Kompressoren gebe es starke Abhängigkeiten von Asien, so Nowak. Rheinmetalls Investitionen würden Wärmepumpen-Herstellern eine weitere Option zum Einkauf wichtiger Komponenten ermöglichen und “einen Beschaffungspunkt innerhalb Europas” schaffen, so Nowak. Die Schaffung weltweit verteilter Produktionsstandardorte wäre nützlich, um den Wärmepumpen-Hochlauf “resilient zu machen”, so der Experte.
Die Kompressoren, auch Verdichter genannt, sind häufig die teuerste Komponente einer Wärmepumpe. Sie machen gut ein Viertel der Kosten aus und sorgen für die Verdichtung und Erhitzung des Kältemittels.
Das Beispiel Rheinmetall und die bisherige Abhängigkeit von importierten Kompressoren wirft eine grundlegende Frage auf: Wird China mit seinen Vorteilen in der Massenproduktion industrieller Güter auch beim Boom-Markt Wärmepumpen europäische Anbieter durch günstige Preise vom Markt verdrängen? Wiederholt sich die Geschichte der Solarfertigung, die praktisch völlig nach China abgewandert ist?
Bisher sehen Experten dafür keine deutlichen Anzeichen. Es sei nicht ausgemacht, dass die Volksrepublik den nächsten Markt für Energiewende-Produkte übernehmen wird. Dafür gebe es verschiedene Gründe, die Unterschiede zum Aufstieg der Solarindustrie zeigen:
Insgesamt sind europäische Hersteller bei einigen Komponenten stark auf China und Asien allgemein angewiesen. “Hier kann es zu Engpässen bei bestimmten Produkten kommen”, sagt Jan Rosenow, europäischer Geschäftsführer des Think-Tanks Regulatory Assistance Project. In der Corona-Zeit fehlten beispielsweise Mikrochips, aber auch unscheinbare Güter wie Gummifüße, auf denen die Wärmepumpen stehen. Die derzeitige Abhängigkeit von Asien betrifft allerdings vor allem Kompressoren, so Nowak.
Auch bei Wärmepumpen ist China einer der weltweit wichtigsten Hersteller. Sein Marktanteil beträgt 40 Prozent der Weltproduktion. Die europäischen Importe chinesischer Wärmepumpen und -Komponenten haben sich zwischen 2018 und 2022 von 327 Millionen Euro auf 1,37 Milliarden Euro mehr als vervierfacht (sowohl Wärmepumpen als auch “reversible Wärmepumpen”). China ist laut Internationaler Energieagentur (IEA) einer der wenigen Hersteller mit einem “signifikanten Anteil” von Exporten bei Wärmepumpen. Der Markt in Europa boomt. Bis 2030 sollen allein in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden – ein Zubau von 500.000 Einheiten pro Jahr. Die Wärmepumpen-Industrie investiert derzeit viel zu wenig in neue Produktionsanlagen, um die globale Nachfrage zu decken, schreibt die IEA.
Laut Experten wird China den Markt für Wärmepumpen in naher Zukunft nicht umkrempeln. “Eine ähnliche Entwicklung der Abhängigkeiten wie in der Solarindustrie kann ich mir kaum vorstellen”, sagt etwa Jan Rosenow. Dafür gibt es viele Gründe:
Das Thema Nachhaltigkeit ist für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht neu. Schon bei der Weltmeisterschaft 2006 hatte er mit dem Green-Goal-Umweltkonzept einen gewissen Standard gesetzt. Nun soll die Europameisterschaft im kommenden Jahr sogar ein klimaneutrales Fußballereignis werden. Wie dieses Ziel erreicht wird, darüber ist jetzt Streit entstanden.
Konkret geht es um die Emissionen, die die anreisenden Fans mutmaßlich verursachen (Scope 3-Emissionen), und wie sie kompensiert werden. Es geht um Ausgleichszahlungen, ihre Höhe und wer dafür aufkommt, denn die Kosten für eine Tonne CO₂ variieren aufgrund der unterschiedlichen Kompensationsmöglichkeiten.
Zu dem Sportgroßereignis, dem ersten in Deutschland seit der WM 2006, hat das Freiburger Öko-Institut im Auftrag des Bundesumweltministeriums im Frühjahr 2022 eine theoretische Klimabilanz erstellt. Auch die mutmaßlichen Emissionen, mögliche Maßnahmen und Kompensationen wurden darin berücksichtigt.
Insgesamt werden rund 490.000 Tonnen CO₂-Äquivalent für das Turnier veranschlagt. Bei einem Preis von 25 Euro pro Tonne CO₂ wären über zwölf Millionen Euro fällig, bei einem Preis von 100 Euro wären es schon 49 Millionen. Je nach Anteil internationaler Fans, der Wahl ihres Transportmittels, aber auch der Auswahl der teilnehmenden Mannschaften würde sich die zu kompensierende Summe reduzieren oder erhöhen.
Die unterschiedlichen Kompensationskosten pro Tonne entstehen durch die verschiedenen Methoden der CO₂-Vermeidung, bzw. dem Zukauf von Offset-Zertifikaten. Zwar verursacht eine Tonne CO₂ laut Umweltbundesamt Klimaschäden in Höhe von rund 200 Euro, doch CO₂-Zertifikate sind deutlich günstiger verfügbar.
Zudem birgt großflächiges Offsetting die Gefahr des Greenwashings. So wurden die 3,6 Millionen Tonnen CO₂, die von der Fifa für die WM 2022 in Katar veranschlagt wurden – Beobachter gehen von einer noch höheren Zahl aus – durch Zukauf von teils fragwürdigen Emissionszertifikaten “kompensiert”. Zertifikate aus Grünstromprojekten für unter zehn Euro pro Tonne machen den Großteil der getätigten Kompensationen aus. Außerdem gelten Grünstromprojekte mittlerweile nicht mehr als hochwertige Offsets, da bereits immense Summen in den Bereich fließen und nur noch geringe CO₂-Mengen vermieden werden.
Recherchen des Bayrischen Rundfunks zeigen zudem dubiose Interessenskonflikte im Zuge der Kompensation. So hat Katar für die Kompensation mit dem Global Carbon Council (GCC) eine eigene Organisation gegründet, um Zertifikate einzukaufen. Gekauft wurde bei einem Windpark-Projekt in Serbien, dessen Projektentwickler im Lenkungsausschuss des GCC sitzt. Auch der Gutachter, der für die Prüfung des Projekts zuständig war, soll in dem GCC-Gremium sitzen.
Zwar soll bei der EM in Deutschland – wie schon bei der WM 2006 – der Ausgleich im Wesentlichen mit nachhaltigen Projekten, möglichst in Deutschland einhergehen. Gefördert werden könnten unter anderem klimaneutrale Sportanlagen, Dämmungen, PV-Anlagen und E-Autos für Vereine. Doch deren tatsächliches Einsparungspotenzial ist oftmals ebenso fragwürdig oder zumindest noch nicht absehbar.
So sagen die Studienautoren des Öko-Instituts selbst, dass “innovative Maßnahmen” gefördert werden könnten, die derzeit “noch geringe Minderungsbeiträge liefern, aber ein hohes Potenzial zu großen Minderungsbeiträgen in der Zukunft haben”. Auch die Qualität der Offsets variiert. Bedeutet: Manche Zertifikate-Anbieter halten nicht das, was sie versprechen. “Tendenziell steigt die Qualität der Zertifikate mit dem Preis”, heißt es beim Öko-Institut. Das heißt auch, dass das Offsetting für eine klimaneutrale EM teurer wird, je ernster man es nimmt.
Der größte Streit dreht sich eben genau darum, wer die Kosten übernimmt. Die Uefa könnte die nationalen Fußballverbände der Teilnehmerländer um einen Ausgleich ihrer CO₂-Kosten bitten. So geschah es schon bei der WM in Südafrika durch die Fifa – mit unbekanntem Erfolg. Auch die Zuschauer könnten für ihre Emissionen mit einem Ticketaufschlag zur Kasse gebeten werden. Die Tickets würden sich so um drei bis zwölf Euro verteuern.
DFB und Uefa könnten versuchen, “Klimasponsoren” zu gewinnen, die jeweils Teile der Gesamtsumme übernehmen. Die in Deutschland anfallenden Emissionen, rund die Hälfte aller Emissionen im Zuge des Turniers, könnten vom nationalen Klimaschutzfonds übernommen werden. Geld ist dort noch vorhanden, allerdings wird der Finanzminister mutmaßlich sein Veto einlegen.
Auch DFB und Uefa könnten ihren Teil zur Kompensation beitragen. Immerhin, so rechnet das Bundesinnenministerium vor, habe die Uefa bei der EM vor zwei Jahren in ganz Europa über eine Milliarde Euro an Fernsehgeldern eingenommen. Da wären zwölf oder auch 49 Millionen Euro an Kompensationszahlungen verkraftbar.
In die Studie des Öko-Instituts gingen nicht nur “Modal Split”, Übernachtungen und Reisewege der Fans ein, sondern auch die mutmaßlichen Emissionen pro Personenkilometer im Reisebus sowie pro Liter Bier ein. So legten die Experten rund 2,8 Millionen Zuschauer in den zehn Stadien zugrunde, davon ein knappes Drittel aus dem Ausland. Sie kamen allein für die ausländischen Fans auf rund 1,4 Milliarden Personenkilometer für An- und Abreise und 1,8 Millionen Übernachtungen. Für die Fanzonen in Deutschland wurden 3,8 Millionen Besucher angenommen.
Klar ist aber auch: Der Großteil der Emissionen entsteht durch die An- und Abreise der Fans in den Stadien. Und: Fans mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands verursachen mehr als das Fünffache der Emissionen der nationalen Fans.
Allerdings, so notieren die Autoren auch, bergen einige Parameter erhebliche Unsicherheiten und verändern gegebenenfalls das Emissionsvolumen erheblich:
Die Studie analysiert aber nicht nur, sie hat auch Empfehlungen parat:
11. Mai, 9.30 Uhr, Augsburg
Tagung Forum Hochwasserrisikomanagement
Auf der Tagung des Zentrums Klimaanpassung wird über Möglichkeiten und Best Practices von Hochwassermanagement diskutiert. Infos
11.-12. Mai, New York
Arbeitsgruppentreffen Globes Experten Treffen zu SDG 7
Die UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (DESA) und UN Energy rufen ein Treffen der Globalen Expertengruppe ein, um die Überprüfung von SDG 7 (bezahlbare und saubere Energie) auf dem High-level Political Forum on Sustainable Development (HLPF) 2023 vorzubereiten. Das Treffen wird Experten von UN, Regierungen, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und dem Privatsektor zusammenbringen. Infos
11. Mai, 11 Uhr, Berlin/Online
Konferenz Transformationsstrategien für besonders betroffene Regionen
Regionen sind der “Maschinenraum der Transformation”. Nur im austarierten Zusammenspiel eines passenden überregionalen Handlungsrahmens und seiner regionalen Konkretisierung können optimale Bedingungen für Regionen gestaltet werden, die besonders vom Wandel im ökologischen, digitalen und technischen betroffen sind. Welche politischen Rahmenbedingungen sind nötig, damit die Transformation gelingen kann? Das wird auf der Konferenz von Netzwerk Zukunft der Industrie e.V. diskutiert. Infos
15. – 16. Mai, Berlin
Konferenz Global Solutions Summit 2023
Seit 2017 bietet der Global Solutions Summit ein intensives, zweitägiges Forum, um forschungsbasierte politische Empfehlungen für die G20, G7 und darüber hinaus vorzuschlagen und zu diskutieren. Ziel ist es, Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln. Infos
15. bis 16. Mai, Warschau
Konferenz European Climate Conference
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Polnische Akademie der Wissenschaften (PAN) veranstalten die European Climate Conference (ECC) – ein innovativer Ansatz, um den Klimawandel und die dadurch bedingten Transformationen aus europäischer Perspektive wissenschaftlich einzuordnen. Das Anthropozän-Konzept von Paul J. Crutzen und Eugene F. Stoermer dient dafür als Wegweiser. Infos
16. Mai, 9 Uhr, Karlsruhe/Online
Kongress Energiekongress 2023
Referenten und Referentinnen zeigen Best Practice-Beispiele, neue Technologien, Projekt- und Forschungsergebnisse für Unternehmen, Handwerk, Bürger und Kommunen. Veranstaltet wird der Kongress von der Plattform fokus.energie e.V. Infos
16. Mai, 12.30 Uhr, Berlin
Seminar Wie kann die Wärmewende für alle gelingen?
Bis 2033 sollen in der EU alle Wohngebäude einen Mindeststandard an Energieeffizienz erreichen. So sollen Energiekosten für Haushalte begrenzt und der Energiebedarf reduziert werden, um eine klimaneutrale Energieversorgung für alle zu ermöglichen. Wie kann die dazugehörige EU-Richtlinie effizient und sozialverträglich umgesetzt werden? Das Seminar wird von DIW Berlin, Ecologic Institute, ifo Institut, Öko-Institut e. V., Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der Technischen Universität Berlin und dem Wuppertal Institut organisiert. Infos
17. Mai, 9 Uhr, Karlsruhe/Online
Kongress Kommunaler Klimakongress 2023
Die Veranstaltung konzentriert sich auf kommunalen Klimaschutz und Adaptionsstrategien. Der Kongress wird von der Landesenergieagentur Baden-Württemberg veranstaltet. Infos
17. Mai, 10 Uhr, Online
Webinar Anpassungsstrategie zum Umgang mit Trockenheit
Bei dem Webinar des Zentrums KlimaAnpassung diskutieren Expertinnen und Experten darüber, welche kommunalen Strategien es für die Anpassung an Trockenheit gibt. Infos
Im Strudel der negativen Klima-Nachrichten gibt es ab und zu auch Lichtblicke: Die Pro-Kopf-Emissionen sind seit 2010 weltweit nicht weiter angestiegen, wie eine Analyse des World Resources Institute zeigt. In vielen Ländern mit den größten Treibhausgas-Emittenten weltweit sind die Pro-Kopf-Emissionen seit 1990 sogar deutlich gesunken, beispielsweise in den USA, der EU, Russland und Brasilien. Einige Gründe sind eine geringere Kohle-Nutzung und der Ausbau der Erneuerbaren. In Russland sanken die Emissionen durch die Deindustrialisierung der Wirtschaft.
Gleichzeitig stiegen die Pro-Kopf-Emissionen in vielen Schwellenländern wie China, Südkorea, Indien und Indonesien. Gründe sind das Wirtschaftswachstum und mehr Konsum durch höheren Wohlstand. Während China die EU bei den jährlichen Gesamt-Emissionen schon lange überholt hat, liegt das Milliarden-Reich seit einigen Jahren auch bei den Pro-Kopf-Emissionen vor der EU.
Einige Überraschungen liefern die Daten auch: Die Pro-Kopf-Emissionen von Fidschi sind schon heute negativ, so das WRI. Im Bereich Landnutzung und Forstwirtschaft werden mehr Treibhausgase gespeichert als alle anderen Sektoren verursachen. nib
In der Türkei gibt es zum ersten Mal eine Klimaklage. Drei junge Aktivistinnen und Aktivisten zwischen 16 und 20 Jahren werfen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie dem Ministerium für Umwelt, Stadtentwicklung und Klimawandel vor, dass die Nationalen Klimaziele (Nationally Determined Contribution (NDC) der Türkei unzureichend seien, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.
Die Aktivisten beklagen auch, einen intransparenten Prozess zur Erstellung des NDC und fordern, dass die Ziele überarbeitet werden. Das neue NDC führe nicht zu einer Reduzierung der Treibhausgase, sondern hätte einen weiteren Anstieg zur Folge.
Die Türkei hatte am 13. April ihr aktualisiertes NDC bei dem United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) eingereicht. Die Türkei betont darin zwar, ihre Emissionen im Vergleich zu einem “Business as Usual-Szenario” bis 2030 um 41 Prozent zu reduzieren, allerdings sollen die Gesamtemissionen des Landes aber bis 2038 weiter steigen. Der Climate Action Tracker bewertet sowohl das NDC als auch die Gesamtperformance der Türkei in Sachen Klimaschutz als völlig unzureichend (“critically insufficient”) – die schlechtestmögliche Bewertung. Am Sonntag finden in der Türkei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Klimawandel ist im Wahlkampf kein großes Thema.
Auch in Italien wurde die erste Klimaklage eingereicht. Wie DeSmog berichtet, klagen verschiedene NGOs dort gegen den Ölkonzern Eni. Sie werfen dem Konzern vor, weiter auf fossile Energien gesetzt zu haben, obwohl die Folgen für das Klima seit den 1970ern bekannt gewesen seien. kul
Am Dienstag hat eine breite Mehrheit des Europaparlaments für den von Jutta Paulus (Grüne) verhandelten Kompromiss zur Methan-Verordnung gestimmt. Nach der Sommerpause geht das Parlament mit der EU-Kommission und dem Ministerrat in den Trilog, um eine Einigung über die Inhalte der Verordnung zu erzielen. Der Kompromiss-Text solle bis zum Jahresende fertig ausgehandelt werden, sagte Paulus.
Der Text des Europaparlaments umfasst auch Importe von Gas, Öl und Kohle – anders als der Vorschlag der EU-Kommission. Die EU importiert einen Großteil ihrer fossilen Energierohstoffe. Bei deren Herstellung und dem Transport kommt es regelmäßig zu Lecks und auch geplanten Methan-Austritten durch das Abfackeln oder Ablassen (“Venting”) von Gas. Laut einem Bericht der NGO Environmental Investigation Agency (EIA) waren in die EU importierte fossile Energien im Jahr 2020 für Methanemissionen in Höhe von über acht Millionen Tonnen verantwortlich. Das sei vergleichbar mit 200 Millionen Tonnen CO₂ oder dem jährlichen CO₂-Ausstoß von 54 Kohlekraftwerken. Das Treibhausgas Methan wirkt über einen Zeitraum von 20 Jahren 80 Mal stärker als Kohlendioxid und ist für rund ein Drittel der Erderhitzung verantwortlich. Auf die Energiewirtschaft entfallen 19 Prozent der Methanemissionen in der EU.
Darüber hinaus beinhaltet der Parlaments-Vorschlag folgende Punkte:
Wie schwerwiegend die Methanaustritte bei Förderung und Transport von Erdgas sind, zeigen aktuelle Zahlen über Turkmenistan. Mit Satelliten hat die Analysefirma Kayrros Methan-Austritte auf den größten Gasfeldern des Landes nachgewiesen. Allein die zwei größten Gasfelder tragen so viel zu Erderhitzung bei wie Großbritannien im Jahr 2022, wie der Guardian berichtet. China ist der größte Importeur von Gas aus Turkmenistan.
Die Gas-Infrastruktur in dem Land stammt demnach noch aus Sowjet-Zeiten, was zu häufigen Lecks führt. Zudem sind die Vorkommen so umfangreich, dass die Lecks keine nennenswerten wirtschaftlichen Schäden bedeuten – es gibt bisher wenig Anreize, sie zu beseitigen. Turkmenistan ist nicht Teil des Global Methane Pledge zur Reduktion der Methanemissionen, dem sich mittlerweile über 150 Staaten angeschlossen haben. Die großen staatlichen Öl- und Gasförderer sind laut Guardian nicht Teil der freiwilligen UN-Initiative Oil and Gas Methane Partnership 2.0 (OGMP2), die Methan-Lecks verhindern soll. nib/cst
Mindestens 400 Menschen sind am Wochenende bei Überschwemmungen und Erdrutschen nach starken Regenfällen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) getötet worden. Laut dem Guardian werden in der DRK außerdem noch 5.500 Menschen vermisst. Zusätzlich verloren tausende Familien ihr Zuhause.
UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Überschwemmungen in der DRK “eine weitere Illustration” für die Klimakrise und die “desaströsen Auswirkungen der Klimakrise auf Länder, die nichts zur globalen Erwärmung beigetragen haben”. Die Infrastruktur in der betroffenen Region Süd-Kivu in der DRK ist schlecht. Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort sagen demnach, dass die DRK trotz regelmäßiger Extremwetterereignisse Klimaadaption noch nicht zur Priorität gemacht habe.
Auch in Ruanda starben vor wenigen Tagen 131 Menschen in Folge von Überschwemmungen, in Uganda forderten die Unwetter 18 Todesopfer. Extremwetterereignisse kommen in Folge des Klimawandels aktuell auf dem afrikanischen Kontinent gehäuft vor. Das Horn von Afrika leidet zudem aktuell unter einer extremen Dürre. kul
Der Sachverständigenrat Integration und Migration (SVR) in Berlin hat in seinem jüngst präsentierten Jahresgutachten vorgeschlagen, einen sogenannten Klima-Pass, eine Klima-Card und ein Klima-Arbeitsvisums einzuführen. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, das sich mit Migrations- und Integrationsfragen beschäftigt.
Durch den Klimawandel nehmen Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen zu. Dadurch werde Migration vor allem aus dem Globalen Süden zunehmen und immer mehr Menschen zur Flucht zwinge, heißt es. Klima sei ein “Metafaktor, der bestehende Migrationsmuster beeinflusst”. Darauf sollte auch Deutschland politisch reagieren.
Konkret schlägt der SVR drei Instrumente vor:
Aktuell plant die Bundesregierung aber nichts dergleichen. Auch im Sinne des Völkerrechts gibt es bisher keine Klimaflüchtlinge, viele Aktivistinnen und Aktivisten kämpfen weltweit dafür, Klima als Fluchtgrund im Völkerrecht zu etablieren. kul
Der Ausbau der Windenergie in China beschleunigt sich wieder. Im ersten Quartal 2023 gingen 10,4 Gigawatt an neuer Kapazität ans Netz, 31 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Branchenanalysten von Trivium Netzero erwarten für dieses Jahr zwischen 60 und 75 GW neue Windkraft-Kapazitäten, also etwa doppelt so viel wie 2022. Damit könnte der Rekord aus dem Jahr 2020 gebrochen werden. Damals wurden 72 Gigawatt an neuer Windkraft-Kapazität gebaut. Allerdings liefen Anfang 2021 feste Einspeisetarife für neue Solar- und Onshore-Windkraftprojekte aus, da diese aus Sicht Pekings wettbewerbsfähig geworden waren. Die Projektentwickler bemühten sich also, dass ihre Windkraftanlagen noch 2020 fertiggestellt wurden.
Nach Daten des Global Energy Monitor (GEM) betrug die Gesamtbetriebskapazität chinesischer Windparks in China im Januar 2023 gut 278 Gigawatt – etwa das Zehnfache Indiens (28 GW). In Deutschland waren es knapp 40 GW. 2022 generierte China 46 Prozent mehr Windenergie als ganz Europa. Erstmals übertrafen 2022 die Kapazitäten erneuerbarer Energien – zu denen in China neben Wind, Solar und Wasserkraft auch die Atomkraft zählt – die Kapazitäten der Kohlekraft. Erneuerbare machten nach Angaben der Nationalen Energiebehörde 47,3 Prozent der Stromerzeugungskapazität des Landes aus – gegenüber 43,8 Prozent für Kohle. Allerdings liefert Kohle noch immer mehr Energie. Die Kohlekraftwerke laufen kontinuierlicher als Wind- und Solarkraftwerke, die auf das richtige Wetter angewiesen sind.
Besonders die von der Zentralregierung angeschobenen Megaprojekte in den trockenen Weiten des Nordwestens gewinnen zunehmend an Bedeutung für den chinesischen Energiemix. Staatschef Xi Jinping hat angekündigt, dass China bis 2030 rund 455 GW an Wind- und Solarkapazität in der Region fertigstellen wird. Rund 200 GW Wind- und Solar-Kapazität würden in diesen Megaprojekten bis 2025 ans Netz gehen, sagte Li Qionghui vom staatlichen Netzbetreiber State Grid kürzlich zu Bloomberg. Drei Viertel davon sollen über Fernleitungen in andere Teile des Landes fließen. ck
Eine Wiese ist für Lars Loebner nicht einfach nur eine Wiese. “Auf einer Grünfläche oder einem Spielplatz kann auch Regenwasser von Dächern umliegender Gebäude versickern”, erklärt der Referatsleiter der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dafür müsse die Fläche natürlich entsprechend geplant werden. Zusammen mit seinem rund 50-köpfigen Team entwickelt Loebner neue Quartiere in der deutschen Hauptstadt. Dabei denkt er immer auch über Klimafragen nach. “Schließlich wollen wir nachhaltige Quartiere bauen, in denen auch unsere Enkelgeneration noch leben kann.”
An Zielkonflikten mangelt es dabei nicht. “Breite Straßen sind nicht besonders flächeneffizient, aber da zieht der Wind ziemlich gut durch”, sagt Loebner. Auf einer Grasfläche wiederum könnten Bäume tagsüber für geringere Temperaturen sorgen. “Dafür wird der Boden dort nachts auch nicht so kalt.” Die perfekte Lösung gibt es meistens nicht, der 52-Jährige ist auch kein Fan von Schwarz-Weiß-Denken. Aber klar sei, dass noch viel passieren muss, damit Städte mit Hitze oder Starkregen besser umgehen können.
Loebner stammt gebürtig aus Berlin, wuchs im Stadtteil Mitte und in Leipzig auf. Noch zu DDR-Zeiten machte er eine Ausbildung zum Baufacharbeiter und arbeitete drei Jahre auf Baustellen. “Das war faszinierend”, erinnert er sich. “Wenn man sich nach Feierabend umdreht, sieht man, was man den Tag über gemacht hat.” Als sich kurz nach der Wiedervereinigung die Gelegenheit ergab, studierte er Architektur an der TU Berlin. Nach seinem Abschluss arbeitete er unter anderem für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
“Wir haben dort große Gebiete beplant, auch große Wohngebiete”, beschreibt Loebner die Zeit. Begeistert erzählt er von der Zusammenarbeit mit den dortigen Kollegen. Der Kontakt habe lange gehalten. Auch weil Addis Abeba Partnerstadt von Leipzig wurde, wo Loebner ab 2002 das Sachgebiet Gestaltung öffentlicher Raum leitete. Zehn Jahre später wechselte er nach Halle, seit 2021 ist er zurück in Berlin. Da Klimaanpassung eine globale Herausforderung sei, könnten Städte aus aller Welt viel voneinander lernen. Vor ein paar Monaten war er in Amman in Jordanien. Auch dort stellte sich die Frage, wie man neue Stadtteile am besten aufbaut.
“Amman hat inzwischen ungefähr die Größe von Berlin, aber schon mehr als vier Millionen Einwohner, die Stadt wächst unglaublich schnell”, berichtet Loebner von seinen Eindrücken. “Die Kolleginnen dort müssen sehr effizient mit dem vorhandenen Wasser umgehen.” Allerdings stehe er auch in Deutschland regelmäßig vor Herausforderungen im Umgang mit Wasser – etwa, um es auf tiefergelegten Grünflächen versickern zu lassen: “Wir dürfen in Berlin nicht einfach unter einem öffentlichen Gehweg ein privates Wasserrohr verlegen.” Bei solchen Details könne man verzweifeln oder nach einer pragmatischen Lösung suchen. Er suche lieber nach Lösungen. Paul Meerkamp
Es sind drei große Hoffnungszeichen in der manchmal recht düsteren Klimawelt, über die wir heute schreiben: Die Energiewende-Partnerschaft der Industriestaaten (JETP) mit Südafrika; die Hoffnung auf ein Ende des Kohlebooms in Indien; und die Idee einer klimaneutralen Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Aber leider gibt es an diesen Hoffnungszeichen auch eine Menge Fragezeichen, wie wir in dieser Ausgabe des Climate.Table berichten müssen.
Denn in Südafrika überlegt die Regierung, ob sie die maroden Kohlekraftwerke länger laufen lässt, um den Stromnotstand zu lindern. Das wäre das Gegenteil von Energiewende. Industrieländer wie Deutschland können aber schlecht auf Regeln pochen, die sie selbst nicht einhalten – wenn sie etwa durch den Ukrainekrieg mehr Kohle verbrennen und Gas-Terminals bauen.
Ein klassisches Dilemma zeigt sich auch in Indien, wie unsere Kollegin aus Neu Delhi Urmi Goswami schreibt: Einerseits ist Dekarbonisierung offizielle Politik. Andererseits sollen noch Dutzende von Kohlekraftwerken gebaut werden. Und ob die Fußball-EM in Deutschland klimaneutral wird, wie es die Veranstalter propagieren, ist auch fraglich, wie näheres Hinsehen der Kollegen Horand Knaup und Lukas Scheid beweist.
Das zeigt mal wieder: Fragen zu stellen ist wichtig. Zentral ist es aber auch, trotz allem einen langen Atem zu behalten
Die südafrikanische Regierung debattiert, ob sie wegen Schwierigkeiten in der Energieversorgung später als bisher geplant aus der Kohleverbrennung aussteigen soll. Das würde die Umsetzung des zentralen Ziels der “Gerechten Partnerschaft für die Energiewende” (JETP) mit Geberländern aus den Industriestaaten verzögern. Ein Vorzeigeprojekt für die internationale Energiewende mit Klimahilfen von 8,5 Milliarden Dollar gerät damit ins Stocken.
Die Regierung hat vergangene Woche ihre Pläne mit dem deutschen JETP-Beauftragten Rainer Baake erörtert, der sich mit der “internationalen Partnergruppe” (IPG) abstimmt: Das sind die Geberländer EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA. Danach äußerten die Geberländer Verständnis dafür, dass die Energiesicherheit in Südafrika Priorität hat. Wichtig sei, dass “das große Ziel der JETP nicht gefährdet wird, Südafrikas Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele voranzubringen und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft überzugehen”, hieß es in einer anschließenden Erklärung der deutschen Botschaft in Pretoria.
Die IPG bleibe “dieser ehrgeizigen Partnerschaft mit Südafrika verbunden, in Übereinstimmung mit den Bedingungen der gemeinsamen Erklärung. Das enthält die Verpflichtung, das ambitionierteste mögliche Ziel in der Spannbreite von Südafrikas Klimaplan NDC zu erreichen.”
Auch laut einem Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) zeigt “die IPG, mit Deutschland als aktivem Mitglied, Verständnis für die aktuelle Notlage und sieht die Notwendigkeit kurzfristiger Maßnahmen zur Bewältigung der Krise. Gleichzeitig ist und bleibt ein klares Bekenntnis der südafrikanischen Regierung zu langfristigen Strategien der Emmissionsminderung (wie der Umsetzung der JETP und nationalen Beiträge) wichtiger Baustein unserer Zusammenarbeit.” Die Geberländer seien sich einig, “dass ihre finanzielle Unterstützung im Rahmen des südafrikanischen JETP nicht für die Finanzierung von Projekten und Maßnahmen zur Verbrennung fossiler Brennstoffe eingesetzt werden.” Der beste und kostengünstigste Weg aus der Stromkrise sei “der mit JETP eingeschlagene Weg zum massiven Aufbau erneuerbarer Energien”.
Mit dem “Statusreport” eines externen Gutachters soll bis zum Sommer die Lage der südafrikanischen Kohlekraftwerke durchleuchtet werden. Er soll auch die finanzielle Belastung für den Staatshaushalt durch die finanzielle Notlage des staatlichen Energiekonzerns Eskom thematisieren.
Die Regierung in Pretoria denkt darüber nach, einige der alten Kohlekraftwerke länger als geplant laufen zu lassen, um die Stromknappheit und häufigen Blackouts im Land zu bekämpfen. Ursprünglich sollten bis 2030 fünf von insgesamt 14 Kohlekraftwerken geschlossen werden. Nun schlägt Energieminister Kgosientsho Ramokgopa vor, drei Blöcke des Kraftwerks Camden mit insgesamt 420 Megawatt Leistung länger als geplant am Netz zu behalten. In der Krise von “Megawatt-Knappheit” glaube er nicht, dass es “hilft, diese Einheiten abzuschalten, die so gut funktionieren”, so der Minister. Man habe darüber einen “offenen Austausch” mit der “International Partners Group” (IPG) geführt, die das JETP mit Südafrika vereinbart haben.
Diese Partnerschaft war auf der COP26 in Glasgow verkündet worden. Sie sieht vor, dass Südafrika bis 2035 Kapazitäten von 22 Gigawatt seiner Kohleflotte von insgesamt 39 Gigawatt stilllegt. Die Kraftwerke sind alt und ineffizient, sie sollten ohnehin abgeschaltet werden, denn ihre Nachrüstung wäre sehr teuer. Um den Strukturwandel zu begleiten, Alternativen von erneuerbaren Energien aufzubauen, den staatlichen Stromkonzern Eskom zu sanieren und das Stromnetz im Land wiederherzustellen, sind nach südafrikanischen Berechnungen zwischen 2023 und 2027 insgesamt 61,8 Milliarden Dollar nötig.
Davon sind bisher laut einem internen Bericht der südafrikanischen Regierung dafür 18,8 Milliarden gesichert – knapp acht Milliarden bislang von den westlichen Geberländern, sechs Milliarden aus dem südafrikanischen Budget und 4,8 Milliarden von internationalen Entwicklungsbanken. “Die Differenz zeigt die Größe der Finanzierungslücke”, heißt es lapidar: Bisher fehlen 43 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre. Private Investments sind dabei bislang nicht berücksichtigt. Von den JETP-Hilfen sind die ersten Tranchen bereits geflossen. Ende 2022 kamen jeweils 300 Millionen Dollar aus Deutschland und Frankreich.
Laut JETP-Planungen soll sich der CO₂-Ausstoß des Landes von 470 Millionen Tonnen jährlich bis 2030 im Idealfall auf 350 Millionen verringern. Schon bis 2021 sind die Emissionen auf 435 Millionen Tonnen gesunken – weniger wegen Klimapolitik, sondern schlicht, weil Kohlekraftwerke wegen Ineffizienzen und Verschleiß weniger am Netz sind.
Südafrika ist für 40 Prozent aller afrikanischen CO₂-Emissionen verantwortlich und mit 70 Prozent Kohle im Energiemix das Land mit der kohlenstoffintensivsten Volkswirtschaft aller großer Emittenten. Dabei verfügt es über große Potenziale bei Wind und Solarenergie, aber Probleme bei Netzausbau und Bürokratie hemmen diese Entwicklung.
Das JETP mit Südafrika ist für die Industrieländer wichtig, weil es eine Vorlage für Hilfen bei der Energiewende im globalen Süden sein soll. Inzwischen sind auch JETPs mit Indonesien (20 Milliarden Dollar) und Vietnam (15,5 Milliarden Dollar) auf den Weg gebracht worden. Senegal und Indien sind weitere Kandidaten. Außerdem haben die westlichen Staaten ein großes Interesse an besseren Verbindungen zu Südafrika. Sie wollen das geopolitisch wichtige Land vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine diplomatisch enger an den Westen binden. Bisher hat das Land die russische Aggression in der UNO nicht verurteilt und den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Gipfel der Brics-Staaten im August eingeladen – offenbar allerdings nur als elektronischer Gast.
Die Situation der Stromversorgung in Südafrika ist prekär: Blackouts legen immer wieder Teile der Industrie und des öffentlichen Lebens lahm und kosten das Land Milliarden an Schäden und zwei Prozentpunkte beim Wachstum der Industrieproduktion. Der staatliche Energiekonzern Eskom ist in großen Zahlungsschwierigkeiten, gleichzeitig häufen sich Berichte von massiver Vetternwirtschaft, politischer Klüngelei und mafiösen Strukturen. Im Februar verließ Eskom-Chef André de Ruyter überraschend seinen Posten, nachdem er hochrangigen Funktionären der Partei ANC vorgeworfen hatte, sich illegal an Eskom zu bereichern.
Auch in der Regierung von Südafrika ist der JETP-Kurs offenbar umstritten: einer Fraktion um Präsident Ramaphosa, der das Projekt gutheißt, stehen Kritiker gegenüber, die an der traditionellen Steinkohlewirtschaft und den damit verbundenen Privilegien von Gewerkschaften und ANC festhalten wollen.
Die Vertreter der IPG treten in Südafrika auch deshalb vorsichtig auf, weil sie ähnliche Pläne für längere Laufzeiten von fossilen Kraftwerken aus ihren Heimatländern kennen. So hat Deutschland unter dem Druck des russischen Angriffs auf die Ukraine und dem Bestreben, sich vom russischen Gas zu lösen, ebenfalls die Energiesicherheit ganz nach vorn gestellt und Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt.
Und auch beim Flüssig-Gas ist die Entwicklung ähnlich. Während Deutschland massiv auf neue LNG-Terminals setzt, denkt jetzt auch Südafrika darüber nach, in der Energiekrise mit schwimmenden Gasterminals die Versorgung zu sichern.
In Indien gewinnt die Debatte über einen Kohleausstieg kräftig an Fahrt. Einerseits ist den Experten klar, dass das bevölkerungsreichste Land der Erde aus fossilen Brennstoffen aussteigen muss. Aber wie schnell das gehen kann und welche Alternativen dazu bestehen, wird in Regierung und Verwaltung heftig diskutiert. Nun stellt eine Planung der Regierung zum ersten Mal ein Ende des Neubaus von Kohlekraftwerken in Aussicht.
Die nationale Elektrizitätspolitik, die derzeit fertiggestellt wird, räumt der Dekarbonisierung des Elektrizitätssystems Priorität ein. Und ein neuer Bericht der indischen Zentralbank, der Reserve Bank of India, betont, dass verspätete klimapolitische Maßnahmen durch größere Produktionsverluste und höhere Inflation teurer werden könnten. Das Tempo des Übergangs wird jedoch durch praktische Erwägungen der Wirtschaft und der Energiesicherheit infrage gestellt.
“Es gibt einen klaren Wunsch, aus der Kohle auszusteigen. Was jedoch ungewiss bleibt, sind die Auswirkungen dieses Ausstiegs auf Kosten und Energiesicherheit“, sagt Vaibhav Chaturvedi, leitender Forscher beim Thinktank Centre for Energy, Environment and Water in Delhi. “Bei diesem Thema gibt es Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung, was sich in der Wortwahl der verschiedenen politischen Dokumente widerspiegelt”.
Für eine Überarbeitung der nationalen Elektrizitätspolitik, die einen Fahrplan für die Gesetzgebung festlegt, setzte die Regierung 2021 eine Expertengruppe unter der Leitung von Gireesh Pradhan ein, dem ehemaligen Vorsitzenden der nationalen Regulierungsbehörde Central Electricity Regulatory Commission. Die Expertengruppe legte ihre Empfehlung im Oktober 2021 vor, noch vor der COP26 in Glasgow. Sie besteht aus vier Zielen:
Ergebnis der Expertengruppe: Indien brauche trotz des Bedarfs an Grundlast keine neuen Kohlekapazitäten. Es gab jedoch einen Vorbehalt: Ein Kohlekraftwerk könnte nur als Ersatz für alte und in den Ruhestand gehende Blöcke gebaut werden, und auch das nur, wenn “überzeugend nachgewiesen wird, dass es nicht rentabel ist, die prognostizierte Nachfrage aus alternativen, nicht-fossilen Quellen zu decken”.
Zu einer anderen Einschätzung kam dagegen die Zentrale Elektrizitätsbehörde (CEA) in ihrem Entwurf des Nationalen Elektrizitätsplans im September 2022. Darin wurde prognostiziert, dass zur Deckung der wachsenden Nachfrage im Zeitraum 2022 bis 2027 zusätzliche etwa 33 Gigawatt Kohlekapazitäten benötigt würden. Etwa 25 GW davon befinden sich bereits im Bau, knapp fünf GW würden in diesem Zeitraum stillgelegt. Für die Zeit von 2027 bis 2032 würden gut neun GW als zusätzlicher Bedarf prognostiziert.
Im Januar 2023 setzte die Regierung die Stilllegung aller Kohlekraftwerke bis 2030 aus. Grund waren Prognosen für einen weiteren Sommer mit extremer Hitze und einem bevorstehenden Nachfrageschub.
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren erstellte das Ministerium im Januar einen Entwurf für eine nationale Elektrizitätspolitik. Der Entwurf, der Table.Media vorliegt, behält die politischen Ziele der Expertengruppe bei und räumt der Dekarbonisierung Vorrang ein, schweigt aber über neue Kohlekraftwerke. Nach Berichten erwähnt er ein Moratorium für Kohlekraftwerke, das aber Projekte ausschließt, die sich bereits in der “Pipeline” befinden.
Analysten weisen darauf hin, dass “Pipeline-Projekte” sowohl im Bau befindliche als auch ausgeschriebene und sogar in der Planungsphase befindliche Projekte umfassen können. Die CEA geht in ihrer Planung für den optimalen Kraftwerkskapazitätsmix 2030 von zusätzlichen knapp 30 GW an Kohlekapazität aus, die derzeit geplant oder im Bau sind.
Neue Kohlekraftwerke, obwohl Indien von der Kohle wegkommen will? “Das ist ein Problem des Übergangs”, sagte ein hoher Beamter. “Der Preisverfall bei den Batterien hat sich nicht in der erwarteten Geschwindigkeit vollzogen. Wenn die Sonne scheint, ist Solarenergie eine praktikable Option, sie kostet etwas mehr als zwei Cent pro Kilowattstunde. Aber was passiert nachts? Kohle kostet derzeit etwa 1,9 Cent pro Kilowattstunde. Die Verwendung von Kohle als flexible Energiequelle bedeutet jedoch, dass mit der gleichen Kapazität weniger Strom erzeugt wird, was die Kosten auf 2,5 Cent/kWh oder mehr steigen lässt. Dadurch wird der Strom im ganzen Land teurer. Dies ist ein Problem, da große Teile der Bevölkerung erst seit kurzem Zugang zu Strom haben.”
In der Politik gelten Dekarbonisierung und Energiewende als politische Prioritäten: Maßnahmen wie die Abnahmeverpflichtung für erneuerbare Energien, die alle Verteilerunternehmen dazu verpflichtet, bis 2030 mindestens 43 Prozent ihres Stroms aus Erneuerbaren zu beziehen, werden den Anteil der Kohle senken. “Das Dilemma, vor dem Indien steht, ist, dass wir derzeit keine Strategien für nicht-fossile Brennstoffe zur Stromerzeugung rund um die Uhr haben”, sagte ein Beamter des Energiesektors. Anreize für die Energiespeicherung könnten dazu beitragen, dieses Problem zu lösen.
Während sich die Regierung mit diesem Dilemma auseinandersetzt, hat die indische Zentralbank auch die Kosten von verzögertem Handeln im Klimaschutz erhoben. In ihrem jüngsten Bericht schätzt sie, dass Indiens grüner Finanzierungsbedarf bis 2030 jährlich mindestens 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Allein etwa umgerechnet eine Billion Euro bis 2030 werde für Indien die Anpassung an den Klimawandel kosten.
Der Rüstungs- und Technologiekonzern Rheinmetall hat einen 770 Millionen Euro Auftrag für die Herstellung von Kompressoren für Wärmepumpen erhalten. Das Unternehmen investiert damit in ein wichtiges neues Geschäftsfeld und könnte gleichzeitig die Abhängigkeiten der europäischen Wärmepumpen-Industrie von internationalen Lieferketten verringern. Das Unternehmen hat den Auftrag bereits Ende 2022 erhalten – erst jetzt wurde jedoch bekannt, dass es sich um Kompressoren für Wärmepumpen handelt.
Rheinmetalls Investitionen seien eine “wichtige Entscheidung”, sagt daher Thomas Nowak, Generalsekretär des Europäischen Wärmepumpen-Verbands (European Heat Pump Association – EHPA) gegenüber Table.Media. Denn bei Kompressoren gebe es starke Abhängigkeiten von Asien, so Nowak. Rheinmetalls Investitionen würden Wärmepumpen-Herstellern eine weitere Option zum Einkauf wichtiger Komponenten ermöglichen und “einen Beschaffungspunkt innerhalb Europas” schaffen, so Nowak. Die Schaffung weltweit verteilter Produktionsstandardorte wäre nützlich, um den Wärmepumpen-Hochlauf “resilient zu machen”, so der Experte.
Die Kompressoren, auch Verdichter genannt, sind häufig die teuerste Komponente einer Wärmepumpe. Sie machen gut ein Viertel der Kosten aus und sorgen für die Verdichtung und Erhitzung des Kältemittels.
Das Beispiel Rheinmetall und die bisherige Abhängigkeit von importierten Kompressoren wirft eine grundlegende Frage auf: Wird China mit seinen Vorteilen in der Massenproduktion industrieller Güter auch beim Boom-Markt Wärmepumpen europäische Anbieter durch günstige Preise vom Markt verdrängen? Wiederholt sich die Geschichte der Solarfertigung, die praktisch völlig nach China abgewandert ist?
Bisher sehen Experten dafür keine deutlichen Anzeichen. Es sei nicht ausgemacht, dass die Volksrepublik den nächsten Markt für Energiewende-Produkte übernehmen wird. Dafür gebe es verschiedene Gründe, die Unterschiede zum Aufstieg der Solarindustrie zeigen:
Insgesamt sind europäische Hersteller bei einigen Komponenten stark auf China und Asien allgemein angewiesen. “Hier kann es zu Engpässen bei bestimmten Produkten kommen”, sagt Jan Rosenow, europäischer Geschäftsführer des Think-Tanks Regulatory Assistance Project. In der Corona-Zeit fehlten beispielsweise Mikrochips, aber auch unscheinbare Güter wie Gummifüße, auf denen die Wärmepumpen stehen. Die derzeitige Abhängigkeit von Asien betrifft allerdings vor allem Kompressoren, so Nowak.
Auch bei Wärmepumpen ist China einer der weltweit wichtigsten Hersteller. Sein Marktanteil beträgt 40 Prozent der Weltproduktion. Die europäischen Importe chinesischer Wärmepumpen und -Komponenten haben sich zwischen 2018 und 2022 von 327 Millionen Euro auf 1,37 Milliarden Euro mehr als vervierfacht (sowohl Wärmepumpen als auch “reversible Wärmepumpen”). China ist laut Internationaler Energieagentur (IEA) einer der wenigen Hersteller mit einem “signifikanten Anteil” von Exporten bei Wärmepumpen. Der Markt in Europa boomt. Bis 2030 sollen allein in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden – ein Zubau von 500.000 Einheiten pro Jahr. Die Wärmepumpen-Industrie investiert derzeit viel zu wenig in neue Produktionsanlagen, um die globale Nachfrage zu decken, schreibt die IEA.
Laut Experten wird China den Markt für Wärmepumpen in naher Zukunft nicht umkrempeln. “Eine ähnliche Entwicklung der Abhängigkeiten wie in der Solarindustrie kann ich mir kaum vorstellen”, sagt etwa Jan Rosenow. Dafür gibt es viele Gründe:
Das Thema Nachhaltigkeit ist für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht neu. Schon bei der Weltmeisterschaft 2006 hatte er mit dem Green-Goal-Umweltkonzept einen gewissen Standard gesetzt. Nun soll die Europameisterschaft im kommenden Jahr sogar ein klimaneutrales Fußballereignis werden. Wie dieses Ziel erreicht wird, darüber ist jetzt Streit entstanden.
Konkret geht es um die Emissionen, die die anreisenden Fans mutmaßlich verursachen (Scope 3-Emissionen), und wie sie kompensiert werden. Es geht um Ausgleichszahlungen, ihre Höhe und wer dafür aufkommt, denn die Kosten für eine Tonne CO₂ variieren aufgrund der unterschiedlichen Kompensationsmöglichkeiten.
Zu dem Sportgroßereignis, dem ersten in Deutschland seit der WM 2006, hat das Freiburger Öko-Institut im Auftrag des Bundesumweltministeriums im Frühjahr 2022 eine theoretische Klimabilanz erstellt. Auch die mutmaßlichen Emissionen, mögliche Maßnahmen und Kompensationen wurden darin berücksichtigt.
Insgesamt werden rund 490.000 Tonnen CO₂-Äquivalent für das Turnier veranschlagt. Bei einem Preis von 25 Euro pro Tonne CO₂ wären über zwölf Millionen Euro fällig, bei einem Preis von 100 Euro wären es schon 49 Millionen. Je nach Anteil internationaler Fans, der Wahl ihres Transportmittels, aber auch der Auswahl der teilnehmenden Mannschaften würde sich die zu kompensierende Summe reduzieren oder erhöhen.
Die unterschiedlichen Kompensationskosten pro Tonne entstehen durch die verschiedenen Methoden der CO₂-Vermeidung, bzw. dem Zukauf von Offset-Zertifikaten. Zwar verursacht eine Tonne CO₂ laut Umweltbundesamt Klimaschäden in Höhe von rund 200 Euro, doch CO₂-Zertifikate sind deutlich günstiger verfügbar.
Zudem birgt großflächiges Offsetting die Gefahr des Greenwashings. So wurden die 3,6 Millionen Tonnen CO₂, die von der Fifa für die WM 2022 in Katar veranschlagt wurden – Beobachter gehen von einer noch höheren Zahl aus – durch Zukauf von teils fragwürdigen Emissionszertifikaten “kompensiert”. Zertifikate aus Grünstromprojekten für unter zehn Euro pro Tonne machen den Großteil der getätigten Kompensationen aus. Außerdem gelten Grünstromprojekte mittlerweile nicht mehr als hochwertige Offsets, da bereits immense Summen in den Bereich fließen und nur noch geringe CO₂-Mengen vermieden werden.
Recherchen des Bayrischen Rundfunks zeigen zudem dubiose Interessenskonflikte im Zuge der Kompensation. So hat Katar für die Kompensation mit dem Global Carbon Council (GCC) eine eigene Organisation gegründet, um Zertifikate einzukaufen. Gekauft wurde bei einem Windpark-Projekt in Serbien, dessen Projektentwickler im Lenkungsausschuss des GCC sitzt. Auch der Gutachter, der für die Prüfung des Projekts zuständig war, soll in dem GCC-Gremium sitzen.
Zwar soll bei der EM in Deutschland – wie schon bei der WM 2006 – der Ausgleich im Wesentlichen mit nachhaltigen Projekten, möglichst in Deutschland einhergehen. Gefördert werden könnten unter anderem klimaneutrale Sportanlagen, Dämmungen, PV-Anlagen und E-Autos für Vereine. Doch deren tatsächliches Einsparungspotenzial ist oftmals ebenso fragwürdig oder zumindest noch nicht absehbar.
So sagen die Studienautoren des Öko-Instituts selbst, dass “innovative Maßnahmen” gefördert werden könnten, die derzeit “noch geringe Minderungsbeiträge liefern, aber ein hohes Potenzial zu großen Minderungsbeiträgen in der Zukunft haben”. Auch die Qualität der Offsets variiert. Bedeutet: Manche Zertifikate-Anbieter halten nicht das, was sie versprechen. “Tendenziell steigt die Qualität der Zertifikate mit dem Preis”, heißt es beim Öko-Institut. Das heißt auch, dass das Offsetting für eine klimaneutrale EM teurer wird, je ernster man es nimmt.
Der größte Streit dreht sich eben genau darum, wer die Kosten übernimmt. Die Uefa könnte die nationalen Fußballverbände der Teilnehmerländer um einen Ausgleich ihrer CO₂-Kosten bitten. So geschah es schon bei der WM in Südafrika durch die Fifa – mit unbekanntem Erfolg. Auch die Zuschauer könnten für ihre Emissionen mit einem Ticketaufschlag zur Kasse gebeten werden. Die Tickets würden sich so um drei bis zwölf Euro verteuern.
DFB und Uefa könnten versuchen, “Klimasponsoren” zu gewinnen, die jeweils Teile der Gesamtsumme übernehmen. Die in Deutschland anfallenden Emissionen, rund die Hälfte aller Emissionen im Zuge des Turniers, könnten vom nationalen Klimaschutzfonds übernommen werden. Geld ist dort noch vorhanden, allerdings wird der Finanzminister mutmaßlich sein Veto einlegen.
Auch DFB und Uefa könnten ihren Teil zur Kompensation beitragen. Immerhin, so rechnet das Bundesinnenministerium vor, habe die Uefa bei der EM vor zwei Jahren in ganz Europa über eine Milliarde Euro an Fernsehgeldern eingenommen. Da wären zwölf oder auch 49 Millionen Euro an Kompensationszahlungen verkraftbar.
In die Studie des Öko-Instituts gingen nicht nur “Modal Split”, Übernachtungen und Reisewege der Fans ein, sondern auch die mutmaßlichen Emissionen pro Personenkilometer im Reisebus sowie pro Liter Bier ein. So legten die Experten rund 2,8 Millionen Zuschauer in den zehn Stadien zugrunde, davon ein knappes Drittel aus dem Ausland. Sie kamen allein für die ausländischen Fans auf rund 1,4 Milliarden Personenkilometer für An- und Abreise und 1,8 Millionen Übernachtungen. Für die Fanzonen in Deutschland wurden 3,8 Millionen Besucher angenommen.
Klar ist aber auch: Der Großteil der Emissionen entsteht durch die An- und Abreise der Fans in den Stadien. Und: Fans mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands verursachen mehr als das Fünffache der Emissionen der nationalen Fans.
Allerdings, so notieren die Autoren auch, bergen einige Parameter erhebliche Unsicherheiten und verändern gegebenenfalls das Emissionsvolumen erheblich:
Die Studie analysiert aber nicht nur, sie hat auch Empfehlungen parat:
11. Mai, 9.30 Uhr, Augsburg
Tagung Forum Hochwasserrisikomanagement
Auf der Tagung des Zentrums Klimaanpassung wird über Möglichkeiten und Best Practices von Hochwassermanagement diskutiert. Infos
11.-12. Mai, New York
Arbeitsgruppentreffen Globes Experten Treffen zu SDG 7
Die UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (DESA) und UN Energy rufen ein Treffen der Globalen Expertengruppe ein, um die Überprüfung von SDG 7 (bezahlbare und saubere Energie) auf dem High-level Political Forum on Sustainable Development (HLPF) 2023 vorzubereiten. Das Treffen wird Experten von UN, Regierungen, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und dem Privatsektor zusammenbringen. Infos
11. Mai, 11 Uhr, Berlin/Online
Konferenz Transformationsstrategien für besonders betroffene Regionen
Regionen sind der “Maschinenraum der Transformation”. Nur im austarierten Zusammenspiel eines passenden überregionalen Handlungsrahmens und seiner regionalen Konkretisierung können optimale Bedingungen für Regionen gestaltet werden, die besonders vom Wandel im ökologischen, digitalen und technischen betroffen sind. Welche politischen Rahmenbedingungen sind nötig, damit die Transformation gelingen kann? Das wird auf der Konferenz von Netzwerk Zukunft der Industrie e.V. diskutiert. Infos
15. – 16. Mai, Berlin
Konferenz Global Solutions Summit 2023
Seit 2017 bietet der Global Solutions Summit ein intensives, zweitägiges Forum, um forschungsbasierte politische Empfehlungen für die G20, G7 und darüber hinaus vorzuschlagen und zu diskutieren. Ziel ist es, Lösungen für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln. Infos
15. bis 16. Mai, Warschau
Konferenz European Climate Conference
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Polnische Akademie der Wissenschaften (PAN) veranstalten die European Climate Conference (ECC) – ein innovativer Ansatz, um den Klimawandel und die dadurch bedingten Transformationen aus europäischer Perspektive wissenschaftlich einzuordnen. Das Anthropozän-Konzept von Paul J. Crutzen und Eugene F. Stoermer dient dafür als Wegweiser. Infos
16. Mai, 9 Uhr, Karlsruhe/Online
Kongress Energiekongress 2023
Referenten und Referentinnen zeigen Best Practice-Beispiele, neue Technologien, Projekt- und Forschungsergebnisse für Unternehmen, Handwerk, Bürger und Kommunen. Veranstaltet wird der Kongress von der Plattform fokus.energie e.V. Infos
16. Mai, 12.30 Uhr, Berlin
Seminar Wie kann die Wärmewende für alle gelingen?
Bis 2033 sollen in der EU alle Wohngebäude einen Mindeststandard an Energieeffizienz erreichen. So sollen Energiekosten für Haushalte begrenzt und der Energiebedarf reduziert werden, um eine klimaneutrale Energieversorgung für alle zu ermöglichen. Wie kann die dazugehörige EU-Richtlinie effizient und sozialverträglich umgesetzt werden? Das Seminar wird von DIW Berlin, Ecologic Institute, ifo Institut, Öko-Institut e. V., Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), der Technischen Universität Berlin und dem Wuppertal Institut organisiert. Infos
17. Mai, 9 Uhr, Karlsruhe/Online
Kongress Kommunaler Klimakongress 2023
Die Veranstaltung konzentriert sich auf kommunalen Klimaschutz und Adaptionsstrategien. Der Kongress wird von der Landesenergieagentur Baden-Württemberg veranstaltet. Infos
17. Mai, 10 Uhr, Online
Webinar Anpassungsstrategie zum Umgang mit Trockenheit
Bei dem Webinar des Zentrums KlimaAnpassung diskutieren Expertinnen und Experten darüber, welche kommunalen Strategien es für die Anpassung an Trockenheit gibt. Infos
Im Strudel der negativen Klima-Nachrichten gibt es ab und zu auch Lichtblicke: Die Pro-Kopf-Emissionen sind seit 2010 weltweit nicht weiter angestiegen, wie eine Analyse des World Resources Institute zeigt. In vielen Ländern mit den größten Treibhausgas-Emittenten weltweit sind die Pro-Kopf-Emissionen seit 1990 sogar deutlich gesunken, beispielsweise in den USA, der EU, Russland und Brasilien. Einige Gründe sind eine geringere Kohle-Nutzung und der Ausbau der Erneuerbaren. In Russland sanken die Emissionen durch die Deindustrialisierung der Wirtschaft.
Gleichzeitig stiegen die Pro-Kopf-Emissionen in vielen Schwellenländern wie China, Südkorea, Indien und Indonesien. Gründe sind das Wirtschaftswachstum und mehr Konsum durch höheren Wohlstand. Während China die EU bei den jährlichen Gesamt-Emissionen schon lange überholt hat, liegt das Milliarden-Reich seit einigen Jahren auch bei den Pro-Kopf-Emissionen vor der EU.
Einige Überraschungen liefern die Daten auch: Die Pro-Kopf-Emissionen von Fidschi sind schon heute negativ, so das WRI. Im Bereich Landnutzung und Forstwirtschaft werden mehr Treibhausgase gespeichert als alle anderen Sektoren verursachen. nib
In der Türkei gibt es zum ersten Mal eine Klimaklage. Drei junge Aktivistinnen und Aktivisten zwischen 16 und 20 Jahren werfen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie dem Ministerium für Umwelt, Stadtentwicklung und Klimawandel vor, dass die Nationalen Klimaziele (Nationally Determined Contribution (NDC) der Türkei unzureichend seien, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.
Die Aktivisten beklagen auch, einen intransparenten Prozess zur Erstellung des NDC und fordern, dass die Ziele überarbeitet werden. Das neue NDC führe nicht zu einer Reduzierung der Treibhausgase, sondern hätte einen weiteren Anstieg zur Folge.
Die Türkei hatte am 13. April ihr aktualisiertes NDC bei dem United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) eingereicht. Die Türkei betont darin zwar, ihre Emissionen im Vergleich zu einem “Business as Usual-Szenario” bis 2030 um 41 Prozent zu reduzieren, allerdings sollen die Gesamtemissionen des Landes aber bis 2038 weiter steigen. Der Climate Action Tracker bewertet sowohl das NDC als auch die Gesamtperformance der Türkei in Sachen Klimaschutz als völlig unzureichend (“critically insufficient”) – die schlechtestmögliche Bewertung. Am Sonntag finden in der Türkei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Klimawandel ist im Wahlkampf kein großes Thema.
Auch in Italien wurde die erste Klimaklage eingereicht. Wie DeSmog berichtet, klagen verschiedene NGOs dort gegen den Ölkonzern Eni. Sie werfen dem Konzern vor, weiter auf fossile Energien gesetzt zu haben, obwohl die Folgen für das Klima seit den 1970ern bekannt gewesen seien. kul
Am Dienstag hat eine breite Mehrheit des Europaparlaments für den von Jutta Paulus (Grüne) verhandelten Kompromiss zur Methan-Verordnung gestimmt. Nach der Sommerpause geht das Parlament mit der EU-Kommission und dem Ministerrat in den Trilog, um eine Einigung über die Inhalte der Verordnung zu erzielen. Der Kompromiss-Text solle bis zum Jahresende fertig ausgehandelt werden, sagte Paulus.
Der Text des Europaparlaments umfasst auch Importe von Gas, Öl und Kohle – anders als der Vorschlag der EU-Kommission. Die EU importiert einen Großteil ihrer fossilen Energierohstoffe. Bei deren Herstellung und dem Transport kommt es regelmäßig zu Lecks und auch geplanten Methan-Austritten durch das Abfackeln oder Ablassen (“Venting”) von Gas. Laut einem Bericht der NGO Environmental Investigation Agency (EIA) waren in die EU importierte fossile Energien im Jahr 2020 für Methanemissionen in Höhe von über acht Millionen Tonnen verantwortlich. Das sei vergleichbar mit 200 Millionen Tonnen CO₂ oder dem jährlichen CO₂-Ausstoß von 54 Kohlekraftwerken. Das Treibhausgas Methan wirkt über einen Zeitraum von 20 Jahren 80 Mal stärker als Kohlendioxid und ist für rund ein Drittel der Erderhitzung verantwortlich. Auf die Energiewirtschaft entfallen 19 Prozent der Methanemissionen in der EU.
Darüber hinaus beinhaltet der Parlaments-Vorschlag folgende Punkte:
Wie schwerwiegend die Methanaustritte bei Förderung und Transport von Erdgas sind, zeigen aktuelle Zahlen über Turkmenistan. Mit Satelliten hat die Analysefirma Kayrros Methan-Austritte auf den größten Gasfeldern des Landes nachgewiesen. Allein die zwei größten Gasfelder tragen so viel zu Erderhitzung bei wie Großbritannien im Jahr 2022, wie der Guardian berichtet. China ist der größte Importeur von Gas aus Turkmenistan.
Die Gas-Infrastruktur in dem Land stammt demnach noch aus Sowjet-Zeiten, was zu häufigen Lecks führt. Zudem sind die Vorkommen so umfangreich, dass die Lecks keine nennenswerten wirtschaftlichen Schäden bedeuten – es gibt bisher wenig Anreize, sie zu beseitigen. Turkmenistan ist nicht Teil des Global Methane Pledge zur Reduktion der Methanemissionen, dem sich mittlerweile über 150 Staaten angeschlossen haben. Die großen staatlichen Öl- und Gasförderer sind laut Guardian nicht Teil der freiwilligen UN-Initiative Oil and Gas Methane Partnership 2.0 (OGMP2), die Methan-Lecks verhindern soll. nib/cst
Mindestens 400 Menschen sind am Wochenende bei Überschwemmungen und Erdrutschen nach starken Regenfällen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) getötet worden. Laut dem Guardian werden in der DRK außerdem noch 5.500 Menschen vermisst. Zusätzlich verloren tausende Familien ihr Zuhause.
UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Überschwemmungen in der DRK “eine weitere Illustration” für die Klimakrise und die “desaströsen Auswirkungen der Klimakrise auf Länder, die nichts zur globalen Erwärmung beigetragen haben”. Die Infrastruktur in der betroffenen Region Süd-Kivu in der DRK ist schlecht. Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort sagen demnach, dass die DRK trotz regelmäßiger Extremwetterereignisse Klimaadaption noch nicht zur Priorität gemacht habe.
Auch in Ruanda starben vor wenigen Tagen 131 Menschen in Folge von Überschwemmungen, in Uganda forderten die Unwetter 18 Todesopfer. Extremwetterereignisse kommen in Folge des Klimawandels aktuell auf dem afrikanischen Kontinent gehäuft vor. Das Horn von Afrika leidet zudem aktuell unter einer extremen Dürre. kul
Der Sachverständigenrat Integration und Migration (SVR) in Berlin hat in seinem jüngst präsentierten Jahresgutachten vorgeschlagen, einen sogenannten Klima-Pass, eine Klima-Card und ein Klima-Arbeitsvisums einzuführen. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, das sich mit Migrations- und Integrationsfragen beschäftigt.
Durch den Klimawandel nehmen Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen zu. Dadurch werde Migration vor allem aus dem Globalen Süden zunehmen und immer mehr Menschen zur Flucht zwinge, heißt es. Klima sei ein “Metafaktor, der bestehende Migrationsmuster beeinflusst”. Darauf sollte auch Deutschland politisch reagieren.
Konkret schlägt der SVR drei Instrumente vor:
Aktuell plant die Bundesregierung aber nichts dergleichen. Auch im Sinne des Völkerrechts gibt es bisher keine Klimaflüchtlinge, viele Aktivistinnen und Aktivisten kämpfen weltweit dafür, Klima als Fluchtgrund im Völkerrecht zu etablieren. kul
Der Ausbau der Windenergie in China beschleunigt sich wieder. Im ersten Quartal 2023 gingen 10,4 Gigawatt an neuer Kapazität ans Netz, 31 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Branchenanalysten von Trivium Netzero erwarten für dieses Jahr zwischen 60 und 75 GW neue Windkraft-Kapazitäten, also etwa doppelt so viel wie 2022. Damit könnte der Rekord aus dem Jahr 2020 gebrochen werden. Damals wurden 72 Gigawatt an neuer Windkraft-Kapazität gebaut. Allerdings liefen Anfang 2021 feste Einspeisetarife für neue Solar- und Onshore-Windkraftprojekte aus, da diese aus Sicht Pekings wettbewerbsfähig geworden waren. Die Projektentwickler bemühten sich also, dass ihre Windkraftanlagen noch 2020 fertiggestellt wurden.
Nach Daten des Global Energy Monitor (GEM) betrug die Gesamtbetriebskapazität chinesischer Windparks in China im Januar 2023 gut 278 Gigawatt – etwa das Zehnfache Indiens (28 GW). In Deutschland waren es knapp 40 GW. 2022 generierte China 46 Prozent mehr Windenergie als ganz Europa. Erstmals übertrafen 2022 die Kapazitäten erneuerbarer Energien – zu denen in China neben Wind, Solar und Wasserkraft auch die Atomkraft zählt – die Kapazitäten der Kohlekraft. Erneuerbare machten nach Angaben der Nationalen Energiebehörde 47,3 Prozent der Stromerzeugungskapazität des Landes aus – gegenüber 43,8 Prozent für Kohle. Allerdings liefert Kohle noch immer mehr Energie. Die Kohlekraftwerke laufen kontinuierlicher als Wind- und Solarkraftwerke, die auf das richtige Wetter angewiesen sind.
Besonders die von der Zentralregierung angeschobenen Megaprojekte in den trockenen Weiten des Nordwestens gewinnen zunehmend an Bedeutung für den chinesischen Energiemix. Staatschef Xi Jinping hat angekündigt, dass China bis 2030 rund 455 GW an Wind- und Solarkapazität in der Region fertigstellen wird. Rund 200 GW Wind- und Solar-Kapazität würden in diesen Megaprojekten bis 2025 ans Netz gehen, sagte Li Qionghui vom staatlichen Netzbetreiber State Grid kürzlich zu Bloomberg. Drei Viertel davon sollen über Fernleitungen in andere Teile des Landes fließen. ck
Eine Wiese ist für Lars Loebner nicht einfach nur eine Wiese. “Auf einer Grünfläche oder einem Spielplatz kann auch Regenwasser von Dächern umliegender Gebäude versickern”, erklärt der Referatsleiter der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dafür müsse die Fläche natürlich entsprechend geplant werden. Zusammen mit seinem rund 50-köpfigen Team entwickelt Loebner neue Quartiere in der deutschen Hauptstadt. Dabei denkt er immer auch über Klimafragen nach. “Schließlich wollen wir nachhaltige Quartiere bauen, in denen auch unsere Enkelgeneration noch leben kann.”
An Zielkonflikten mangelt es dabei nicht. “Breite Straßen sind nicht besonders flächeneffizient, aber da zieht der Wind ziemlich gut durch”, sagt Loebner. Auf einer Grasfläche wiederum könnten Bäume tagsüber für geringere Temperaturen sorgen. “Dafür wird der Boden dort nachts auch nicht so kalt.” Die perfekte Lösung gibt es meistens nicht, der 52-Jährige ist auch kein Fan von Schwarz-Weiß-Denken. Aber klar sei, dass noch viel passieren muss, damit Städte mit Hitze oder Starkregen besser umgehen können.
Loebner stammt gebürtig aus Berlin, wuchs im Stadtteil Mitte und in Leipzig auf. Noch zu DDR-Zeiten machte er eine Ausbildung zum Baufacharbeiter und arbeitete drei Jahre auf Baustellen. “Das war faszinierend”, erinnert er sich. “Wenn man sich nach Feierabend umdreht, sieht man, was man den Tag über gemacht hat.” Als sich kurz nach der Wiedervereinigung die Gelegenheit ergab, studierte er Architektur an der TU Berlin. Nach seinem Abschluss arbeitete er unter anderem für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
“Wir haben dort große Gebiete beplant, auch große Wohngebiete”, beschreibt Loebner die Zeit. Begeistert erzählt er von der Zusammenarbeit mit den dortigen Kollegen. Der Kontakt habe lange gehalten. Auch weil Addis Abeba Partnerstadt von Leipzig wurde, wo Loebner ab 2002 das Sachgebiet Gestaltung öffentlicher Raum leitete. Zehn Jahre später wechselte er nach Halle, seit 2021 ist er zurück in Berlin. Da Klimaanpassung eine globale Herausforderung sei, könnten Städte aus aller Welt viel voneinander lernen. Vor ein paar Monaten war er in Amman in Jordanien. Auch dort stellte sich die Frage, wie man neue Stadtteile am besten aufbaut.
“Amman hat inzwischen ungefähr die Größe von Berlin, aber schon mehr als vier Millionen Einwohner, die Stadt wächst unglaublich schnell”, berichtet Loebner von seinen Eindrücken. “Die Kolleginnen dort müssen sehr effizient mit dem vorhandenen Wasser umgehen.” Allerdings stehe er auch in Deutschland regelmäßig vor Herausforderungen im Umgang mit Wasser – etwa, um es auf tiefergelegten Grünflächen versickern zu lassen: “Wir dürfen in Berlin nicht einfach unter einem öffentlichen Gehweg ein privates Wasserrohr verlegen.” Bei solchen Details könne man verzweifeln oder nach einer pragmatischen Lösung suchen. Er suche lieber nach Lösungen. Paul Meerkamp