gestern ging das nächste große Klassentreffen der Klima-Szene, der Petersberger Klimadialog, zu Ende. Der Gipfel der 40 wichtigsten Klima-Staaten hat einige Konfliktlinien der nächsten COP in Dubai aufgezeigt: Carbon Capture and Storage vs. Ende der Fossilen und das Dauerthema der Klimafinanzierung. Konsens herrschte hingegen beim rascheren Ausbau der Erneuerbaren. Bei den Zielen sind sich die Staaten größtenteils einig, doch die Mittel und Wege dahin sind heiß umkämpft.
Auch im Interview mit Dänemarks Klima- und Energieminister, Dan Jørgensen, zeigen sich die unterschiedlichen Interessen in der Klimapolitik. Jørgensen mahnt zum notwendigen Ausstieg aus den Fossilen. Das vom COP-Präsidenten Al Jaber proklamierte Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS) sei zwar wichtig, könne aber eine rasche Energiewende nicht ersetzen. Dänemark ist Vorreiter in Sachen Klimaschutz und sieht hier große Chancen für Exporte.
Politisch heikel wird es für den deutschen Topmanager der Energiewende: Auf Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium lastet der Verdacht der Vetternwirtschaft bei der Vergabe eines hoch dotierten Dena-Postens. Weil der Fall auch den Minister belastet und die Kritiker der Energiewende stärkt, stellen wir Patrick Graichen im Porträt vor.
Beste Grüße
Zur Halbzeit zwischen der COP27 in Ägypten und der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zeichnet sich ab, in welchen Bereichen bei der nächsten UN-Klimakonferenz Kooperation möglich und Konfrontation sicher ist. Beim 14. “Petersberger Klimadialog”, der am 2. und 3. Mai im Auswärtigen Amt in Berlin stattfand, loteten hochrangige Vertreter der wichtigsten 40 Staaten die Spielräume für Fortschritt bei der COP28 in Dubai aus. Gleichzeitig kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Treffen an, Deutschland werde bei der 3. Auffüllungsrunde für den Green Climate Fund (GCF) der UN im Oktober seinen Anteil auf zwei Milliarden Euro erhöhen.
Nach den öffentlichen Reden und den internen Gesprächen zeigen sich vor allem drei Themen, um die sich die Diskussionen bei der COP28 drehen werden:
Bewegung gibt es zumindest teilweise beim Thema Finanzen: Zu Beginn der Konferenz hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine “gute Nachricht” verkündet: Die Industriestaaten seien “auf dem Weg, in diesem Jahr endlich das Ziel von 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung einzuhalten”. Am Tag zuvor hatten sich deutsche und kanadische Verhandler mit anderen Geberländern beraten – sie gehen davon aus, dass das Ziel 2023 erreicht wird.
Diese Summe an privatem und öffentlichem Kapital hatten die reichen Länder allerdings bereits ab 2020 versprochen und bisher nicht erreicht. Baerbock und Scholz erneuerten das Versprechen der Bundesregierung, die Klimafinanzierung bis spätestens 2025 auf mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben – also auf einen Pfad, der sich im aktuell umstrittenen Bundeshaushalt nicht abzeichnet. Und Kanzler Scholz erhöhte mit seiner Zusage von zwei Milliarden für den GCF den Druck auf die anderen Geberländer, in der dritten Runde der Auffüllung ebenfalls ihre Taschen weiter zu öffnen. Die Gelder seien “heute wichtiger denn je”, so Scholz.
Der Kanzler unterstützte auch den Vorstoß seiner Außenministerin für ein globales Ziel für Erneuerbare und Energieeffizienz. Baerbock und auch Sultan Al Jaber betonten, für die Einhaltung der Klimaziele müsse sich das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren verdreifachen. Bereits im März hatte die IRENA gemahnt, der globale Ausbau der Erneuerbaren pro Jahr von derzeit etwa 300 Gigawatt müsse sich auf etwa 1.000 Gigawatt verdreifachen. Und die Klima-Staatsekretärin im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, hatte schon damals ein solches Ziel unterstützt.
Petersberg zeigte aber auch deutlich eine Konfliktlinie unter den Staaten: Einerseits fordern viele Länder, Umweltgruppen und Forscher einen schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien. Auf der COP27 gab es sogar eine Mehrheit von etwa 80 Staaten für einen indischen Vorschlag, die Fossilen zu reduzieren. Dagegen betonte Al Jaber, Industrieminister seines Landes und Chef des staatlichen Öl- und Gaskonzerns ADNOC, mehrfach und sehr deutlich, man müsse auch in großem Maßstab auf CCS setzen. CCS müsse “kommerziell machbar” werden, so Al Jaber. Er hat sich schon früher dafür starkgemacht, dass es eine Zukunft für die fossilen Brennstoffe mit dem geringsten CO₂-Ausstoß geben solle. Nach eigenen Angaben ist die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), der Öl- und Gasproduzent mit dem weltweit geringsten CO₂-Fußabdruck.
Al Jaber sei zwar als COP-Präsident darauf aus, die Sichtweise aller Länder vorkommen zu lassen. Aber: “Es muss immer darum gehen: Die Emissionen auslaufen zu lassen, mit existierenden und neuen Technologien. Die Welt muss sich mit den Realitäten abfinden. Fossile Brennstoffe werden auch weiterhin eine Rolle spielen, um die globale Energienachfrage zu befriedigen. Unser Ziel sollte es sein, Emissionen aus allen Sektoren auslaufen zu lassen, sei es Öl und Gas oder hoch emittierende Industrien. Alle Anstrengungen und Investitionen sollten in Erneuerbare und saubere Technologien fließen.”
Dieser Vorschlag kann vor und auf der COP noch für viel Unruhe sorgen. Für die Ölländer wie die VAE, Saudi-Arabien, aber auch die USA sind Investitionen in CCS eine Möglichkeit, ihre Einnahmen aus Öl und Gas zu verlängern. Es müsse jetzt aber deswegen “Allianzen gegen diesen Vorstoß” gebildet werden, so Christoph Bals von Germanwatch. “CCS wird für die Senkung der Emissionen um 43 Prozent bis 2030, wie es die Wissenschaft fordert, kaum eine Rolle spielen. Wir müssen aus den Fossilen aussteigen.”
Enttäuscht zeigten sich einige Delegierte davon, dass Sultan Al Jaber bei dem Treffen keinen konkreten Fahrplan zur und auf der COP vorlegte. Auch zu einer möglichen finanziellen Beteiligung an dem neuen “Loss and Damage”-Fond gab es nach Angaben von Teilnehmern keine Erklärung. Al Jaber versprach nur allgemein, die COP werde einen “Aktionsplan für transformative Ergebnisse” liefern, die auf einer verhandelten Antwort auf die Bestandsaufnahme im “Global Stocktake” beruhten. Man brauche starke Ergebnisse bei allen Mandaten:
All diese Aufgabe seien nicht einfach, denn “die Erwartungen sind sehr hoch, das Vertrauen ist sehr gering”, so Al Jaber. Ob es wieder wächst im Streit um fossilen Ausstieg oder CCS-getriebene Laufzeitverlängerung der Fossilen, wird womöglich über den Erfolg der COP28 entscheiden.
Herr Jørgensen, welche Fortschritte in Richtung COP28 sehen Sie nach Petersberg?
Es ist eine gute Nachricht, dass der deutsche Gastgeber gestern verkündet hat, dass die Beitragszahler vom 100-Milliarden-Dollar-Klimafinanzierungsziel voll und ganz davon ausgehen, dass sie das Ziel in diesem Jahr erreichen werden.
Eines der Ziele, das viele Länder auf der COP28 anstreben, ist der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Glauben Sie, dass dies möglich ist, nachdem Sultan Al Jaber hier gesagt hat, er sei nur für den Ausstieg aus den Emissionen?
In den letzten Jahren hat sich die Sichtweise auf die Frage nach dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen deutlich verändert. Dass sich einer der größten Öl- und Gasproduzenten der Welt dieser Frage annimmt, ist ein großer Schritt nach vorn. Zwar können und sollten wir einige Emissionen in Sektoren mit schwer zu senkenden Emissionen durch Technologien wie CCS binden, doch ersetzt dies nicht den notwendigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die rasche Verbreitung von Technologien für erneuerbare und andere saubere Energien. Ich hoffe, dass die Diskussionen, die wir beim Petersberger Klimadialog geführt haben, in den kommenden Monaten weiter vertieft werden können, damit wir herausfinden, wie wir diese Fragen auf der COP28 angehen können. Ich hoffe auch, dass die heutigen konstruktiven Diskussionen über Anpassung und Loss und Damage das ganze Jahr über fortgesetzt werden können und auf der COP28 zu konkreten Ergebnissen führen.
Dänemark hat beschlossen, bis 2050 zu 110 Prozent kohlenstoffneutral zu werden. Was bedeutet das und wie wollen Sie das erreichen?
Das 110-Prozent-Ziel bedeutet, dass wir bis 2050 mehr Treibhausgase absorbieren wollen als wir ausstoßen. Wir kennen nicht jeden einzelnen Schritt auf dem Weg zu 110 Prozent. Das war auch so, als wir vor drei Jahren unser 70-Prozent-Ziel für 2030 festgelegt haben. Und wir sind auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Ein ehrgeiziges Ziel für 2030 zwingt uns dazu, den Grundstein für noch ehrgeizigere Ziele im Jahr 2050 zu legen. Wir investieren bereits in Technologien wie CCS und PtX (strombasierte Brenn-, Kraft- und Grundstoffe, Anm. d. Red.), die dazu beitragen werden, das 110-Prozent-Ziel zu erreichen.
Dänemark setzt sich seit der COP26 in Glasgow mit der Beyond Oil & Gas Alliance (BOGA) für einen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ein. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Wind gedreht. Wie sieht die Zukunft von BOGA aus?
Mit der BOGA setzen wir uns weiterhin für einen kontrollierten, gerechten Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion ein. Der Krieg in der Ukraine hat daran nichts geändert, sondern nur die Risiken deutlich gemacht, die mit unserer Abhängigkeit von Öl und Gas verbunden sind. Wir müssen uns weiterhin von der Öl- und Gasabhängigkeit lösen, und zwar jetzt noch schneller.
Auf der COP27 haben wir die BOGA-Finanzierungsfazilität ins Leben gerufen. Sie soll Ländern und Regionen des Globalen Südens, die ihre Möglichkeiten ausloten und auf einen geordneten Übergang weg von Öl und Gas hinarbeiten wollen, schnelle Unterstützung bieten. Nationale und subnationale Regierungen, die in der Öl- und Gasexploration und -produktion tätig sind, können nun Unterstützung durch den BOGA-Fonds beantragen.
Welche Rolle spielt die Diskussionen zur Reform der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Bezug auf den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe?
Es besteht kein Zweifel daran, dass wir Billionen mobilisieren müssen, um die von uns selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen. Der jüngste IPCC-Bericht stellt fest, dass wir über ausreichende Mittel verfügen, die aber derzeit nicht in ausreichendem Umfang für grüne Investitionen eingesetzt werden. Die multilateralen Entwicklungsbanken und internationalen Finanzinstitutionen spielen eine entscheidende Rolle. Sie müssen reformiert werden, um die Länder besser bei der Mobilisierung von Finanzmitteln für einen gerechten Übergang weg von fossilen Brennstoffen zu unterstützen.
Unterstützen Sie die Idee eines internationalen Abkommens zum Verbot fossiler Brennstoffe?
Ich sehe die Beyond Oil & Gas Alliance BOGA und den Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe als zwei Seiten derselben Medaille. Sie versuchen, viele der gleichen Probleme zu lösen, aber auf unterschiedliche Weise. Ich befürchte, dass es sehr schwierig sein wird, einen globalen Vertrag auszuhandeln, und dass sich der Prozess über viele Jahre hinziehen könnte. Der BOGA ist ein zwischenstaatliches Bündnis, mit dem wir versuchen, die Vorreiter zum Handeln zu bewegen und andere zu inspirieren, unserem Beispiel zu folgen.
Neben den G7-Staaten, die den Club im Dezember gegründet haben, verzeichnet der Klimaclub mittlerweile sechs neue Mitglieder: Argentinien, Chile, Indonesien, Kolumbien, Luxemburg und die Niederlande. Weitere sollen noch im Laufe des Tages nach dem ersten Treffen der Taskforce bekannt gegeben werden. Beobachter gehen davon aus, dass neben weiteren europäischen Ländern auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die in diesem Jahr die Weltklimakonferenz (COP28) ausrichten werden, beitreten könnten.
Die detaillierte Ausgestaltung sowie die Arbeitsweise des Klimaclubs sind noch immer in der Entwicklung. So ist die ursprüngliche Idee von einem Club der Länder mit den ambitioniertesten Klimapolitiken zugunsten eines “all-inclusive”-Ansatzes verworfen worden. Allerdings soll das kein Hindernis sein, sondern Mitgestaltungschancen für neue Mitglieder eröffnen, deren Dekarbonisierung noch Nachholbedarf hat. Die Grundidee des Clubs steht jedoch fest: Grüne Leitmärkte in schwer dekarbonisierbaren Industriesektoren fördern, indem einheitliche Standards für die Industrietransformation gesetzt werden.
Die Taskforce wird am heutigen Donnerstag erstmals unter dem Vorsitz von Birgit Schwenk, Abteilungsleiterin Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie ihrem chilenischen Kollegen Julio Cordano tagen. Feinjustierungen der Ziele und Arbeitsweise sowie der Governance-Strukturen des Bündnisses stehen bei dem Treffen im Nachgang des Petersberger Klimadialogs im Vordergrund. Bis zur COP28 soll der Klimaclub schließlich voll einsatz- und sprechfähig sein, sodass der “Full Launch” im Dezember in Dubai erfolgen kann.
Anschließend sollen die Mitglieder bei regelmäßigen Treffen gemeinsam über zukünftige Standards für grüne Produkte und Märkte diskutieren und sich zu Einschätzungen und Strategien zur Vermeidung von Carbon Leakage austauschen, erklärt ein Sprecher das BMWK. “Damit ermöglicht der Club einen zielgerichteten Austausch von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu Rahmenbedingungen, Strategien und Mechanismen zur Beschleunigung der weltweiten Dekarbonisierung der Industrie.”
Bislang ist nicht vorgesehen, dass der Club finanzielle Fördermittel etwa für die Transformation im globalen Süden vergibt. Damit ist fraglich, wie attraktiv eine Mitgliedschaft für Länder des globalen Südens ist. Aus dem BMWK heißt es, Entwicklungs- und Schwellenländer könnten von freiwilligen Finanzierungsmechanismen aus bilateralen Kooperationen für “gezielten Kapazitätsaufbau, technische Zusammenarbeit und Technologietransfer profitieren”. Zudem soll eine Teilnahme zu einer besseren Positionierung der Länder auf dem Weltmarkt beitragen und die “Attraktivität als Industriestandort” erhöhen.
Überzeugt hat das Konzept Länder des globalen Südens bislang offenbar noch nicht. Kein einziges Land auf dem afrikanischen Kontinent hat sich bis dato angeschlossen. Zwar gelten unter Beobachtern Kenia, Südafrika oder Ägypten als mögliche Kandidaten, doch trotz Bemühungen des Kanzleramts ist der Klimaclub noch ein Club der Industrie- und Schwellenländer.
Zwischenzeitlich war diskutiert worden, ob Mitglieder eines Klimaclubs einander den Zugang zu den jeweils anderen Märkten erleichtern. So waren auch Ausnahmen vom gerade erst beschlossenen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU im Gespräch. Dies hätte einen zusätzlichen Anreiz für die Migliedschaft bedeuten können. Diese Möglichkeit ist nun vom Tisch. CBAM-Ausnahmen oder Rabatte bleiben weiterhin nur jenen Ländern vorbehalten, die über einen eigenen CO₂-Preis verfügen.
Stattdessen soll die Privatwirtschaft stärker einbezogen werden, indem Mitglieder an einem “freiwilligen Matchmaking” für Kooperations- und Finanzierungsinstrumente teilnehmen können, um Investitionen aus der Privatwirtschaft zu erhalten. Um potenzielle Synergien, aber auch Lücken in der Fördermittel-Landschaft zu destillieren, soll das Klimaclub-Team mit der Internationalen Energieagentur (IEA) sowie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammenarbeiten.
3. bis 4. Mai, Salzgitter / Digital
Konferenz Handelsblatt Wasserstoff-Gipfel
In Zukunft muss Deutschland Wasserstoff in großen Mengen importieren. Was sind die größten Hindernisse für den Umstieg auf klimaneutralen Wasserstoff? Wie kann der erfolgreiche Netzaufbau in Deutschland und Europa trotzdem gelingen? Das sind die Themen des zweitägigen Wasserstoff-Gipfels des Handelsblatts. Infos
3. bis 5. Mai, Berlin/online
Kongress Berliner Energietage
Auf den Energietagen der Deutschen Umwelthilfe treffen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Praxis, um sich branchenübergreifend über aktuelle Fragen der Energiewende und des Klimaschutzes zu informieren und zu diskutieren. Anfang Mai findet der digitale Teil des Kongresses statt, Ende des Monats dann die Präsenzveranstaltung in Berlin. Infos
4. Mai, 10 Uhr, Offenbach am Main
Seminar Klimadienste für die Stadt- und Regionalplanung
Der Deutsche Wetterdienst lädt am 4. Mai 2023 zum Nutzerworkshop “Klimadienste für die Stadt- und Regionalplanung” nach Offenbach am Main ein. Dort geht es um die Nutzung von Klimadatensätzen und Simulationen für verschiedene Anwenderinnen und Anwender. Infos
4. Mai, 11 Uhr, Online
Webinar Breaking free from fossil gas: A new path to a climate-neutral Europe
Auf dem Webinar von Agora Energiewende wird über die “Brückentechnologie Gas” und mögliche Alternativen dazu diskutiert. Infos
4. Mai, 12 Uhr, Online
Webinar Rettet Wasserstoff unser Klima und unsere Wirtschaft?
Wasserstoff wird aktuell als Zukunftstechnologie diskutiert. Mit “grünem” Wasserstoff könnten Industrie, Verkehr und Energieversorgung nachhaltig gestaltet werden und der Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen. Wo liegt dann das Problem? Darüber wird auf der Veranstaltung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften diskutiert. Infos
5. Mai, 10 Uhr, Berlin
Konferenz Grüne Wärme für alle – bezahlbar, unabhängig, klimafreundlich
Wie gelingt eine sozial gerechte Wärmeversorgung? Wie setzt man mehr Effizienz in unseren Gebäuden um? Mit welchen Maßnahmen lässt sich der Fachkräftemangel überwinden? Die Bundestagsfraktion der Grünen veranstaltet diese Konferenz. Infos
9. Mai, 9.30 Uhr, Berlin
Forum Baltic Offshore Wind Forum
Deutschland und Dänemark veranstalten zusammen das “Baltic Offshore Wind Forum” unter der Präsidentschaft des Council of the Baltic Sea States. Infos
9.-10. Mai, Dömitz
Tagung Fachtagung Waldbrand
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe veranstaltet diese Konferenz, auf der vor allem diskutiert wird, wie eine effektive Waldbrandprävention in Zeiten des Klimawandels aussehen kann. Eine Exkursion nach Gartow steht auch auf dem Programm. Infos
11. Mai, 9.30 Uhr, Augsburg
Tagung Forum Hochwasserrisikomanagement
Auf dem Forum wird über Möglichkeiten und vorbildliche Beispiele für gutes Hochwassermanagement diskutiert. Infos
Die Alpen-Gletscher haben im Jahr 2022 einen Eisverlust von durchschnittlich 3,5 Metern verzeichnet – ein neuer Rekordwert. Das geht aus Daten des Copernicus Climate Change Service hervor. Ursache für den Rekord-Eisrückgang sind geringe Schneefälle im Winter 2022 und ein überdurchschnittlich warmer Sommer. In vielen Regionen gab es 20 Schneetage weniger als im Durchschnitt. In einigen Gebieten waren es sogar 50 Schneetage weniger. Die Alpen-Gletscher gehören weltweit zu den am schnellsten schwindenden Gletschern.
Eine andauernde Gletscherschmelze trägt zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Außerdem wirkt sich der Schneemangel im Winter auf das gesamte Jahr aus: Die Schneeschmelze im Frühjahr und Sommer führt vielen europäischen Flüssen Wasser zu. Mangelt es schon im Winter an Schnee, fehlt im Sommer das Wasser. Gemeinsam mit hohen Temperaturen und Hitzewellen führt der Wassermangel “wahrscheinlich zu schweren Dürren”, so die Copernicus-Forschenden.
Für die Gletscher in den Küstenregionen Südwest-Skandinaviens war das Jahr 2022 weniger dramatisch. Sie verzeichneten demnach einen geringen Eiszuwachs von zehn Zentimeter. Doch seit der Jahrtausendwende dominieren auch hier die Jahre mit Masseverlust. nib
Der französische Ölkonzern Total Energies hat die Umweltorganisation Greenpeace France und die Klimaberatungsfirma Factor-X wegen eines Berichts vor einem Pariser Gericht verklagt. Das teilte Total am Mittwoch mit. In der Veröffentlichung wird behauptet, das Unternehmen habe seine Treibhausgasemissionen für 2019 massiv unterschätzt.
Laut Total enthalte die Veröffentlichung aus dem November “falsche und irreführende Informationen”. Mit der Zivilklage will das Unternehmen die Rücknahme der Veröffentlichung erreichen. Alle Verweise auf den Bericht sollen eingestellt werden. Bei Zuwiderhandlung verlangt Total eine Entschädigung von 2.000 Euro pro Tag sowie einen Euro als symbolischen Schadensersatz.
Greenpeace und Factor-X warfen dem Ölkonzern vor, im Jahr 2019 rund 1,64 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen zu haben, in öffentlichen Erklärungen aber nur 455 Millionen Tonnen anzugeben.
Ein Sprecher von Total sagte: “Ein Gerichtsurteil wird Greenpeace nicht daran hindern, uns und unsere Klimastrategie weiterhin zu kritisieren, wenn sie es wünschen, aber es wird sie daran erinnern, dass öffentliche Debatten über Themen, bei denen für ein börsennotiertes Unternehmen so viel auf dem Spiel steht, Genauigkeit erfordern“.
Greenpeace sagte, die Klage sei ein Versuch, die Nichtregierungsorganisation vor der Total-Hauptversammlung am 26. Mai mundtot zu machen. Bei der Versammlung wollen aktivistische Aktionäre auf strengere Klimaverpflichtungen drängen. nib/rtr
Laut einem Bericht des israelischen Umweltministeriums droht das Land seine Klimaziele für 2030 zu verfehlen. Der jährliche Bericht misst den Fortschritt bei der Emissionsreduktion und in bestimmten Sektoren, wie die Times of Israel berichtet:
Laut dem Bericht habe sich Israel ohnehin weniger ambitionierte Ziele gesteckt als andere Industriestaaten. Gil Proaktor, Leiter der Abteilung Klimawandelpolitik im israelischen Umweltministerium, schlug demnach ein nationales Klimagesetz und eine Kohlenstoffsteuer vor. Andernfalls seien die Klimaziele schwer zu erreichen. Und israelischen Unternehmen drohten andernfalls Abgaben bei Exporten in Staaten mit Carbon Border Adjustment Mechanismen.
Der Bericht des Umweltministeriums sieht demnach eine Reihe von Maßnahmen vor, beispielsweise:
Die Pro-Kopf-Emissionen liegen in Israel bei gut 6,1 Tonnen CO₂ pro Jahr (Deutschland acht Tonnen). Im Jahr 2021 verursachte Israel CO₂-Emissionen in Höhe von 54,5 Millionen Tonnen (Deutschland 674 Millionen Tonnen). nib
Norwegens größte Öl- und Gasunternehmen überarbeiten Pläne zur Förderung in der Arktis und suchen dort nach neuen Vorkommen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine will die norwegische Regierung die Rolle des Landes als wichtiger Energieversorger in Europa stärken, wie Bloomberg berichtet.
Im Fokus steht demnach die Barentssee. Dort befinden sich mutmaßlich mehr als 60 Prozent der unentdeckten Öl- und Gasreserven des Landes. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Zweifel daran gegeben, ob diese Reserven überhaupt gefördert werden können. Russlands Angriff auf die Ukraine veränderte die Haltung dazu, denn nun ist Norwegen Europas Garant für Energieunabhängigkeit.
Wie Bloomberg berichtet, hatte Norwegens Erdöl- und Energieminister Terje Aasland dazu in der vergangenen Woche gesagt, dass es Norwegens “soziale Verantwortung” sei, alles zu versuchen, um mehr Öl und Gas zu fördern. Gleichzeitig liegt ein Fall vor dem Europäischen Gerichtshof, in dem Aktivisten klagen, die Förderungen von fossiler Energie in der Arktis verstoße gegen fundamentale Menschenrechte. kul
Die EU-Kommission will einen Rechtsrahmen für die ESG-Bewertungen von Ratingagenturen schaffen und mehr Klarheit und Transparenz bei den Ratings herstellen. Mitte Juni soll ein Gesetzesvorschlag vorgestellt werden. Weltweit gibt es mittlerweile rund 150 Agenturen, die ESG-Ratings anbieten. Die größten und wichtigsten Player, auf die sich der Markt stark konzentriert (wie MSCI, ISS und Moody’s), sind US-amerikanische oder britische Firmen. MSCI etwa hat einen Marktanteil von 30 Prozent. Laut der Kommission erbringen “große Anbieter von ESG-Ratings mit Sitz außerhalb der EU derzeit Dienstleistungen für Anleger in der EU”.
Diese Agenturen müssen bislang in der EU nicht zugelassen sein und unterliegen auch keiner Aufsicht. Jede Ratingagentur hat ihre eigene Methode und gewichtet die einzelnen ESG-Variablen unterschiedlich stark. Nur wenige von ihnen legen freiwillig die verwendeten Indikatoren und deren Gewichtung offen. Zudem gebe es zu wenig Informationen über die Bedeutung einzelner Rating-Kriterien.
Für das neue Gesetz nennt die EU-Kommission die folgenden Ziele:
Den Markt für Kreditratingagenturen begann die EU 2010 nach der Finanzkrise zu regulieren – seitdem müssen sich Anbieter von Kreditratings auf dem EU-Markt registrieren und werden von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) beaufsichtigt. Zudem sind Ratings klar definiert und müssen bestimmte Einstufungskategorien verwenden – zum Beispiel die weit verbreiteten Ratingskalen von “AAA” bis “D”. leo
Im Vorfeld des für Juni geplanten BRICS-Gipfels haben 19 Länder Beitrittsgesuche für die Gruppe eingereicht. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf Südafrikas Botschafter für die BRICS-Gruppe, Anil Sooklal. 13 Länder hätten ihre Beitrittsabsicht offiziell erklärt, sechs weitere hätten informell Interesse bekundet. Im Februar hatte Sooklal mit Iran und Saudi-Arabien bereits zwei Beitrittskandidaten genannt. Argentinien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Indonesien hatten ebenfalls öffentlich ihr Interesse erklärt. Auch einige afrikanische Länder sind im Gespräch: Algerien, Ägypten, Nigeria und Simbabwe, sowie zwei ungenannte ostafrikanische Staaten.
Beim 15. BRICS-Gipfel Anfang Juni in Kapstadt soll es vor allem um die Vergrößerung der Gruppe gehen. Die Mitglieder werden beraten, welche Länder dem Bündnis unter welchen Bedingungen beitreten könnten. Die Debatte um eine Vergrößerung war im letzten Jahr von China angeregt worden. Die Supermacht setzt darauf, mit der BRICS-Gruppe ein Gegengewicht zum westlichen Bündnis aufbauen zu können.
Die BRICS-Gruppe ist eine wichtige informelle Koalition in Klimaverhandlungen, durch die Vergrößerung könnte sie in Zukunft eine relevante Stimme für die Schwellenländer des Globalen Südens werden. Ein wichtiges Instrument dafür ist die New Development Bank (NDB) mit der neuen Vorsitzenden Dilma Rouseff. Zwischen 2022 und 2026 will die NDB 40 Prozent ihrer Mittel in Klimafinanzierung stecken, 2021 investierte sie lediglich zehn Prozent in Klimaschutz und -anpassung. ajs/kul
Nigeria und die Republik Kongo planen gemeinsam mit ihren jeweiligen Partnern die Installation von schwimmenden Flüssiggasterminals (FLNG). Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der italienische Rohstoffkonzern Eni hatte bereits im August ein FLNG erworben, um vor der Küste der Republik Kongo Flüssiggas zu produzieren. Nun ist das Projekt mit einem Umfang von fünf Milliarden Dollar offiziell. Die Produktion soll zur Jahresmitte beginnen und bis 2025 eine Kapazität von drei Millionen Tonnen jährlich erreichen. Das FLNG soll sowohl den kongolesischen als auch den Exportmarkt bedienen. Eni arbeitet seit Ausbruch des Ukrainekrieges daran, die italienische Abhängigkeit von russischem Gas durch LNG-Importe zu verringern, etwa aus Libyen.
In Nigeria hat die staatseigene Nigerian National Petroleum Corporation eine Absichtserklärung mit dem norwegischen Unternehmen Golar LNG unterzeichnet. Die Partner wollen gemeinsam ein neues FLNG aufbauen. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Das rohstoffreiche Nigeria plant außerdem gemeinsam mit Niger und Algerien den Bau der Trans-Sahara-Gaspipeline, die schließlich eine direkte Verbindung nach Europa bieten soll. ajs
Etwa tausend Bürgerinnen und Bürger haben sich am vergangenen Samstag in mehr als 90 Videogesprächen zum “Tag der Klimademokratie” mit 74 Abgeordneten des Bundestages unterhalten. Viele Fragen drehten sich nach Angaben der Veranstalter um das Verfehlen der Klimaziele des Verkehrsministeriums, das Tempolimit, den Autobahnneubau und die geplante Abschaffung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz. Außerdem fanden auch persönliche Ängste vor Extremwetterereignissen oder Wassermangel Platz, hieß es.
Die Dialogveranstaltung soll einen Raum für persönlichen Austausch zum Thema Klima schaffen. Statt Protest sollte hier der Dialog im Fokus stehen. Die Beteiligten suchten sich aus, mit welchem Abgeordneten sie entweder wegen thematischem Interesse oder räumlicher Nähe gerne sprechen wollten.
Der Tag der Klimademokratie wurde von einem Bündnis aus mehr als 150 zivilgesellschaftlichen Organisationen ausgerichtet. Die Veranstalter hoffen, dass er für viele Bürgerinnen und Bürger ein Startpunkt war, um sich aktiver mit Klimafragen auseinander zu setzten. kul
Normalerweise stehen Staatssekretäre nicht allzu sehr im Rampenlicht. Bei Patrick Graichen ist das derzeit anders: Der Spitzenbeamte im Wirtschaftsministerium sieht sich aktuell mit Klüngel-Vorwürfen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Der designierte Kandidat für den Vorsitz der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Michael Schäfer, ist Graichens Trauzeuge. Graichen war an dem Auswahlprozess für den Dena-Vorsitz beteiligt, obwohl er frühzeitig von Schäfers Bewerbung wusste. Graichen spricht von einem “Fehler, den er sehr bedauert”. Er hätte sich aus der Findungskommission zurückziehen müssen, als Schäfer Kandidat wurde, sagt er.
Die Opposition im Bundestag wittert einen Skandal. CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von “Vetternwirtschaft”. Graichen sei als Staatssekretär nicht mehr haltbar. Die AfD sprach sogar von “grünen Clan-Strukturen”.
Die Kritik ist umso lauter, weil der Fall Schäfer nicht die einzige enge Verknüpfung Graichens ist. Graichens Amtskollege als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist Michael Kellner, sein Schwager. Der ist verheiratet mit Graichens Schwester Verena – die wiederum wie sein Bruder Jakob als Energieexpertin für das Freiburger Öko-Institut arbeitet. Dem Beratungsinstitut erteilt auch die Bundesregierung Aufträge. Diese familiären Verbindungen sind allerdings seit Dezember 2021 bekannt und wurden vom Ministerium transparent gemacht.
Das BMWK sicherte damals zu, es werde Verfahren einrichten, um Interessenkonflikte zu verhindern. Tatsächlich hat die Anzahl der Aufträge für das Öko-Institut und die gezahlten Summen seit Amtsantritt der Ampel abgenommen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. 2022 wurden demnach fünf Aufträge im Wert von 3,6 Millionen Euro erteilt. Im letzten Merkel-Jahr, 2021, waren es acht Aufträge (Volumen 2,5 Millionen Euro) und 2019 sogar elf Aufträge mit einem Volumen von 9,5 Millionen Euro. Auch ist Graichen an Vergabeverfahren mit Beteiligung des Öko-Instituts, des BUND – Verena Graichen sitzt dort im Vorstand – oder Agora Energiewende – seinem vorherigen Arbeitgeber – ausgeschlossen.
Graichen ist ein zentraler Ideengeber und Manager der Habeck’schen Energie- und Klimawende – und somit auch der Kopf hinter einigen anstehenden Härten für Verbraucher und einige Industriesektoren. Ob bei der Wärmewende, dem Klimaschutzgesetz, der Energiewende oder dem Gas-Krisenmanagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – Graichen ist für viele der zentralen Projekte des BMWK verantwortlich. Auch das medial und von einigen Interessengruppen stark kritisierte Gesetz zur Förderung von Wärmepumpen und dem Austausch alter Heizungen geht auf Graichen zurück.
Rücktrittsforderungen an Graichen treffen also immer auch Habeck und seine teils unbeliebten Pläne für die Energie- und Wärmewende. Graichen selbst lehnt einen Rücktritt ab. Sein Chef hält bisher an seinem Spitzenbeamten fest. Habeck versucht, die Vorwürfe gegen Graichen mit einer Überprüfung des Auswahlverfahrens für den Dena-Vorsitz zu entschärfen. Es könnte zu einer kompletten Wiederholung des Verfahrens kommen, so der Aufsichtsratsvorsitzende der Dena, Stefan Wenzel.
Auch wenn Graichen kein direktes Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, bleibt der Anschein von Interessenkonflikten. Die Opposition wird wohl in Zukunft bei ihrer Kritik an der Energiewende auch auf die enge Bande zwischen Graichen und anderen wichtigen Interessenvertretern verweisen.
Graichen hat – wie für politische Beamte nicht unüblich – Regierungen unterschiedlicher Couleur gedient. Von 2001 bis 2006 war er Referent für internationalen Klimaschutz im Bundesumweltministerium. Zunächst unter dem grünen Minister Jürgen Trittin, später unter Sigmar Gabriel von der SPD. Anschließend wurde er sogar Referatsleiter für Grundsatzangelegenheit Klimaschutz. Diesmal hieß der Umweltminister Norbert Röttgen – ein CDUler.
2012 verließ Graichen den politischen Betrieb zwischenzeitlich und baute mit dem ehemaligen Staatssekretär des BMU und Weggefährten Rainer Baake die Denkfabrik Agora Energiewende auf. Als Baake erneut zum Staatssekretär berufen wurde, übernahm Graichen als Exekutivdirektor und Geschäftsführer die Leitung des Thinktanks. Der studierte Volkswirt und Umweltökonom fungierte in dieser Zeit eher als Watchdog und Kommentator von der Seitenlinie.
Damals setzte sich Graichen dafür ein, den Kohleausstieg und den gleichzeitigen Erneuerbaren-Ausbau durch Druck von außen zu forcieren. Schon 2015, noch bevor das Pariser Abkommen unterzeichnet war, wies er auf die notwendige Reform des Energiemarktdesigns hin, wonach klimafreundliche Energieträger effizient gefördert und klimaschädliche entsprechend bepreist werden müssen. Nico Beckert/Lukas Scheid
gestern ging das nächste große Klassentreffen der Klima-Szene, der Petersberger Klimadialog, zu Ende. Der Gipfel der 40 wichtigsten Klima-Staaten hat einige Konfliktlinien der nächsten COP in Dubai aufgezeigt: Carbon Capture and Storage vs. Ende der Fossilen und das Dauerthema der Klimafinanzierung. Konsens herrschte hingegen beim rascheren Ausbau der Erneuerbaren. Bei den Zielen sind sich die Staaten größtenteils einig, doch die Mittel und Wege dahin sind heiß umkämpft.
Auch im Interview mit Dänemarks Klima- und Energieminister, Dan Jørgensen, zeigen sich die unterschiedlichen Interessen in der Klimapolitik. Jørgensen mahnt zum notwendigen Ausstieg aus den Fossilen. Das vom COP-Präsidenten Al Jaber proklamierte Auffangen und Speichern von CO₂ (CCS) sei zwar wichtig, könne aber eine rasche Energiewende nicht ersetzen. Dänemark ist Vorreiter in Sachen Klimaschutz und sieht hier große Chancen für Exporte.
Politisch heikel wird es für den deutschen Topmanager der Energiewende: Auf Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium lastet der Verdacht der Vetternwirtschaft bei der Vergabe eines hoch dotierten Dena-Postens. Weil der Fall auch den Minister belastet und die Kritiker der Energiewende stärkt, stellen wir Patrick Graichen im Porträt vor.
Beste Grüße
Zur Halbzeit zwischen der COP27 in Ägypten und der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zeichnet sich ab, in welchen Bereichen bei der nächsten UN-Klimakonferenz Kooperation möglich und Konfrontation sicher ist. Beim 14. “Petersberger Klimadialog”, der am 2. und 3. Mai im Auswärtigen Amt in Berlin stattfand, loteten hochrangige Vertreter der wichtigsten 40 Staaten die Spielräume für Fortschritt bei der COP28 in Dubai aus. Gleichzeitig kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Treffen an, Deutschland werde bei der 3. Auffüllungsrunde für den Green Climate Fund (GCF) der UN im Oktober seinen Anteil auf zwei Milliarden Euro erhöhen.
Nach den öffentlichen Reden und den internen Gesprächen zeigen sich vor allem drei Themen, um die sich die Diskussionen bei der COP28 drehen werden:
Bewegung gibt es zumindest teilweise beim Thema Finanzen: Zu Beginn der Konferenz hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock eine “gute Nachricht” verkündet: Die Industriestaaten seien “auf dem Weg, in diesem Jahr endlich das Ziel von 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung einzuhalten”. Am Tag zuvor hatten sich deutsche und kanadische Verhandler mit anderen Geberländern beraten – sie gehen davon aus, dass das Ziel 2023 erreicht wird.
Diese Summe an privatem und öffentlichem Kapital hatten die reichen Länder allerdings bereits ab 2020 versprochen und bisher nicht erreicht. Baerbock und Scholz erneuerten das Versprechen der Bundesregierung, die Klimafinanzierung bis spätestens 2025 auf mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben – also auf einen Pfad, der sich im aktuell umstrittenen Bundeshaushalt nicht abzeichnet. Und Kanzler Scholz erhöhte mit seiner Zusage von zwei Milliarden für den GCF den Druck auf die anderen Geberländer, in der dritten Runde der Auffüllung ebenfalls ihre Taschen weiter zu öffnen. Die Gelder seien “heute wichtiger denn je”, so Scholz.
Der Kanzler unterstützte auch den Vorstoß seiner Außenministerin für ein globales Ziel für Erneuerbare und Energieeffizienz. Baerbock und auch Sultan Al Jaber betonten, für die Einhaltung der Klimaziele müsse sich das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren verdreifachen. Bereits im März hatte die IRENA gemahnt, der globale Ausbau der Erneuerbaren pro Jahr von derzeit etwa 300 Gigawatt müsse sich auf etwa 1.000 Gigawatt verdreifachen. Und die Klima-Staatsekretärin im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, hatte schon damals ein solches Ziel unterstützt.
Petersberg zeigte aber auch deutlich eine Konfliktlinie unter den Staaten: Einerseits fordern viele Länder, Umweltgruppen und Forscher einen schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien. Auf der COP27 gab es sogar eine Mehrheit von etwa 80 Staaten für einen indischen Vorschlag, die Fossilen zu reduzieren. Dagegen betonte Al Jaber, Industrieminister seines Landes und Chef des staatlichen Öl- und Gaskonzerns ADNOC, mehrfach und sehr deutlich, man müsse auch in großem Maßstab auf CCS setzen. CCS müsse “kommerziell machbar” werden, so Al Jaber. Er hat sich schon früher dafür starkgemacht, dass es eine Zukunft für die fossilen Brennstoffe mit dem geringsten CO₂-Ausstoß geben solle. Nach eigenen Angaben ist die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), der Öl- und Gasproduzent mit dem weltweit geringsten CO₂-Fußabdruck.
Al Jaber sei zwar als COP-Präsident darauf aus, die Sichtweise aller Länder vorkommen zu lassen. Aber: “Es muss immer darum gehen: Die Emissionen auslaufen zu lassen, mit existierenden und neuen Technologien. Die Welt muss sich mit den Realitäten abfinden. Fossile Brennstoffe werden auch weiterhin eine Rolle spielen, um die globale Energienachfrage zu befriedigen. Unser Ziel sollte es sein, Emissionen aus allen Sektoren auslaufen zu lassen, sei es Öl und Gas oder hoch emittierende Industrien. Alle Anstrengungen und Investitionen sollten in Erneuerbare und saubere Technologien fließen.”
Dieser Vorschlag kann vor und auf der COP noch für viel Unruhe sorgen. Für die Ölländer wie die VAE, Saudi-Arabien, aber auch die USA sind Investitionen in CCS eine Möglichkeit, ihre Einnahmen aus Öl und Gas zu verlängern. Es müsse jetzt aber deswegen “Allianzen gegen diesen Vorstoß” gebildet werden, so Christoph Bals von Germanwatch. “CCS wird für die Senkung der Emissionen um 43 Prozent bis 2030, wie es die Wissenschaft fordert, kaum eine Rolle spielen. Wir müssen aus den Fossilen aussteigen.”
Enttäuscht zeigten sich einige Delegierte davon, dass Sultan Al Jaber bei dem Treffen keinen konkreten Fahrplan zur und auf der COP vorlegte. Auch zu einer möglichen finanziellen Beteiligung an dem neuen “Loss and Damage”-Fond gab es nach Angaben von Teilnehmern keine Erklärung. Al Jaber versprach nur allgemein, die COP werde einen “Aktionsplan für transformative Ergebnisse” liefern, die auf einer verhandelten Antwort auf die Bestandsaufnahme im “Global Stocktake” beruhten. Man brauche starke Ergebnisse bei allen Mandaten:
All diese Aufgabe seien nicht einfach, denn “die Erwartungen sind sehr hoch, das Vertrauen ist sehr gering”, so Al Jaber. Ob es wieder wächst im Streit um fossilen Ausstieg oder CCS-getriebene Laufzeitverlängerung der Fossilen, wird womöglich über den Erfolg der COP28 entscheiden.
Herr Jørgensen, welche Fortschritte in Richtung COP28 sehen Sie nach Petersberg?
Es ist eine gute Nachricht, dass der deutsche Gastgeber gestern verkündet hat, dass die Beitragszahler vom 100-Milliarden-Dollar-Klimafinanzierungsziel voll und ganz davon ausgehen, dass sie das Ziel in diesem Jahr erreichen werden.
Eines der Ziele, das viele Länder auf der COP28 anstreben, ist der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Glauben Sie, dass dies möglich ist, nachdem Sultan Al Jaber hier gesagt hat, er sei nur für den Ausstieg aus den Emissionen?
In den letzten Jahren hat sich die Sichtweise auf die Frage nach dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen deutlich verändert. Dass sich einer der größten Öl- und Gasproduzenten der Welt dieser Frage annimmt, ist ein großer Schritt nach vorn. Zwar können und sollten wir einige Emissionen in Sektoren mit schwer zu senkenden Emissionen durch Technologien wie CCS binden, doch ersetzt dies nicht den notwendigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die rasche Verbreitung von Technologien für erneuerbare und andere saubere Energien. Ich hoffe, dass die Diskussionen, die wir beim Petersberger Klimadialog geführt haben, in den kommenden Monaten weiter vertieft werden können, damit wir herausfinden, wie wir diese Fragen auf der COP28 angehen können. Ich hoffe auch, dass die heutigen konstruktiven Diskussionen über Anpassung und Loss und Damage das ganze Jahr über fortgesetzt werden können und auf der COP28 zu konkreten Ergebnissen führen.
Dänemark hat beschlossen, bis 2050 zu 110 Prozent kohlenstoffneutral zu werden. Was bedeutet das und wie wollen Sie das erreichen?
Das 110-Prozent-Ziel bedeutet, dass wir bis 2050 mehr Treibhausgase absorbieren wollen als wir ausstoßen. Wir kennen nicht jeden einzelnen Schritt auf dem Weg zu 110 Prozent. Das war auch so, als wir vor drei Jahren unser 70-Prozent-Ziel für 2030 festgelegt haben. Und wir sind auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Ein ehrgeiziges Ziel für 2030 zwingt uns dazu, den Grundstein für noch ehrgeizigere Ziele im Jahr 2050 zu legen. Wir investieren bereits in Technologien wie CCS und PtX (strombasierte Brenn-, Kraft- und Grundstoffe, Anm. d. Red.), die dazu beitragen werden, das 110-Prozent-Ziel zu erreichen.
Dänemark setzt sich seit der COP26 in Glasgow mit der Beyond Oil & Gas Alliance (BOGA) für einen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ein. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Wind gedreht. Wie sieht die Zukunft von BOGA aus?
Mit der BOGA setzen wir uns weiterhin für einen kontrollierten, gerechten Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion ein. Der Krieg in der Ukraine hat daran nichts geändert, sondern nur die Risiken deutlich gemacht, die mit unserer Abhängigkeit von Öl und Gas verbunden sind. Wir müssen uns weiterhin von der Öl- und Gasabhängigkeit lösen, und zwar jetzt noch schneller.
Auf der COP27 haben wir die BOGA-Finanzierungsfazilität ins Leben gerufen. Sie soll Ländern und Regionen des Globalen Südens, die ihre Möglichkeiten ausloten und auf einen geordneten Übergang weg von Öl und Gas hinarbeiten wollen, schnelle Unterstützung bieten. Nationale und subnationale Regierungen, die in der Öl- und Gasexploration und -produktion tätig sind, können nun Unterstützung durch den BOGA-Fonds beantragen.
Welche Rolle spielt die Diskussionen zur Reform der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Bezug auf den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe?
Es besteht kein Zweifel daran, dass wir Billionen mobilisieren müssen, um die von uns selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen. Der jüngste IPCC-Bericht stellt fest, dass wir über ausreichende Mittel verfügen, die aber derzeit nicht in ausreichendem Umfang für grüne Investitionen eingesetzt werden. Die multilateralen Entwicklungsbanken und internationalen Finanzinstitutionen spielen eine entscheidende Rolle. Sie müssen reformiert werden, um die Länder besser bei der Mobilisierung von Finanzmitteln für einen gerechten Übergang weg von fossilen Brennstoffen zu unterstützen.
Unterstützen Sie die Idee eines internationalen Abkommens zum Verbot fossiler Brennstoffe?
Ich sehe die Beyond Oil & Gas Alliance BOGA und den Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe als zwei Seiten derselben Medaille. Sie versuchen, viele der gleichen Probleme zu lösen, aber auf unterschiedliche Weise. Ich befürchte, dass es sehr schwierig sein wird, einen globalen Vertrag auszuhandeln, und dass sich der Prozess über viele Jahre hinziehen könnte. Der BOGA ist ein zwischenstaatliches Bündnis, mit dem wir versuchen, die Vorreiter zum Handeln zu bewegen und andere zu inspirieren, unserem Beispiel zu folgen.
Neben den G7-Staaten, die den Club im Dezember gegründet haben, verzeichnet der Klimaclub mittlerweile sechs neue Mitglieder: Argentinien, Chile, Indonesien, Kolumbien, Luxemburg und die Niederlande. Weitere sollen noch im Laufe des Tages nach dem ersten Treffen der Taskforce bekannt gegeben werden. Beobachter gehen davon aus, dass neben weiteren europäischen Ländern auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die in diesem Jahr die Weltklimakonferenz (COP28) ausrichten werden, beitreten könnten.
Die detaillierte Ausgestaltung sowie die Arbeitsweise des Klimaclubs sind noch immer in der Entwicklung. So ist die ursprüngliche Idee von einem Club der Länder mit den ambitioniertesten Klimapolitiken zugunsten eines “all-inclusive”-Ansatzes verworfen worden. Allerdings soll das kein Hindernis sein, sondern Mitgestaltungschancen für neue Mitglieder eröffnen, deren Dekarbonisierung noch Nachholbedarf hat. Die Grundidee des Clubs steht jedoch fest: Grüne Leitmärkte in schwer dekarbonisierbaren Industriesektoren fördern, indem einheitliche Standards für die Industrietransformation gesetzt werden.
Die Taskforce wird am heutigen Donnerstag erstmals unter dem Vorsitz von Birgit Schwenk, Abteilungsleiterin Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie ihrem chilenischen Kollegen Julio Cordano tagen. Feinjustierungen der Ziele und Arbeitsweise sowie der Governance-Strukturen des Bündnisses stehen bei dem Treffen im Nachgang des Petersberger Klimadialogs im Vordergrund. Bis zur COP28 soll der Klimaclub schließlich voll einsatz- und sprechfähig sein, sodass der “Full Launch” im Dezember in Dubai erfolgen kann.
Anschließend sollen die Mitglieder bei regelmäßigen Treffen gemeinsam über zukünftige Standards für grüne Produkte und Märkte diskutieren und sich zu Einschätzungen und Strategien zur Vermeidung von Carbon Leakage austauschen, erklärt ein Sprecher das BMWK. “Damit ermöglicht der Club einen zielgerichteten Austausch von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu Rahmenbedingungen, Strategien und Mechanismen zur Beschleunigung der weltweiten Dekarbonisierung der Industrie.”
Bislang ist nicht vorgesehen, dass der Club finanzielle Fördermittel etwa für die Transformation im globalen Süden vergibt. Damit ist fraglich, wie attraktiv eine Mitgliedschaft für Länder des globalen Südens ist. Aus dem BMWK heißt es, Entwicklungs- und Schwellenländer könnten von freiwilligen Finanzierungsmechanismen aus bilateralen Kooperationen für “gezielten Kapazitätsaufbau, technische Zusammenarbeit und Technologietransfer profitieren”. Zudem soll eine Teilnahme zu einer besseren Positionierung der Länder auf dem Weltmarkt beitragen und die “Attraktivität als Industriestandort” erhöhen.
Überzeugt hat das Konzept Länder des globalen Südens bislang offenbar noch nicht. Kein einziges Land auf dem afrikanischen Kontinent hat sich bis dato angeschlossen. Zwar gelten unter Beobachtern Kenia, Südafrika oder Ägypten als mögliche Kandidaten, doch trotz Bemühungen des Kanzleramts ist der Klimaclub noch ein Club der Industrie- und Schwellenländer.
Zwischenzeitlich war diskutiert worden, ob Mitglieder eines Klimaclubs einander den Zugang zu den jeweils anderen Märkten erleichtern. So waren auch Ausnahmen vom gerade erst beschlossenen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU im Gespräch. Dies hätte einen zusätzlichen Anreiz für die Migliedschaft bedeuten können. Diese Möglichkeit ist nun vom Tisch. CBAM-Ausnahmen oder Rabatte bleiben weiterhin nur jenen Ländern vorbehalten, die über einen eigenen CO₂-Preis verfügen.
Stattdessen soll die Privatwirtschaft stärker einbezogen werden, indem Mitglieder an einem “freiwilligen Matchmaking” für Kooperations- und Finanzierungsinstrumente teilnehmen können, um Investitionen aus der Privatwirtschaft zu erhalten. Um potenzielle Synergien, aber auch Lücken in der Fördermittel-Landschaft zu destillieren, soll das Klimaclub-Team mit der Internationalen Energieagentur (IEA) sowie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammenarbeiten.
3. bis 4. Mai, Salzgitter / Digital
Konferenz Handelsblatt Wasserstoff-Gipfel
In Zukunft muss Deutschland Wasserstoff in großen Mengen importieren. Was sind die größten Hindernisse für den Umstieg auf klimaneutralen Wasserstoff? Wie kann der erfolgreiche Netzaufbau in Deutschland und Europa trotzdem gelingen? Das sind die Themen des zweitägigen Wasserstoff-Gipfels des Handelsblatts. Infos
3. bis 5. Mai, Berlin/online
Kongress Berliner Energietage
Auf den Energietagen der Deutschen Umwelthilfe treffen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Praxis, um sich branchenübergreifend über aktuelle Fragen der Energiewende und des Klimaschutzes zu informieren und zu diskutieren. Anfang Mai findet der digitale Teil des Kongresses statt, Ende des Monats dann die Präsenzveranstaltung in Berlin. Infos
4. Mai, 10 Uhr, Offenbach am Main
Seminar Klimadienste für die Stadt- und Regionalplanung
Der Deutsche Wetterdienst lädt am 4. Mai 2023 zum Nutzerworkshop “Klimadienste für die Stadt- und Regionalplanung” nach Offenbach am Main ein. Dort geht es um die Nutzung von Klimadatensätzen und Simulationen für verschiedene Anwenderinnen und Anwender. Infos
4. Mai, 11 Uhr, Online
Webinar Breaking free from fossil gas: A new path to a climate-neutral Europe
Auf dem Webinar von Agora Energiewende wird über die “Brückentechnologie Gas” und mögliche Alternativen dazu diskutiert. Infos
4. Mai, 12 Uhr, Online
Webinar Rettet Wasserstoff unser Klima und unsere Wirtschaft?
Wasserstoff wird aktuell als Zukunftstechnologie diskutiert. Mit “grünem” Wasserstoff könnten Industrie, Verkehr und Energieversorgung nachhaltig gestaltet werden und der Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen. Wo liegt dann das Problem? Darüber wird auf der Veranstaltung der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften diskutiert. Infos
5. Mai, 10 Uhr, Berlin
Konferenz Grüne Wärme für alle – bezahlbar, unabhängig, klimafreundlich
Wie gelingt eine sozial gerechte Wärmeversorgung? Wie setzt man mehr Effizienz in unseren Gebäuden um? Mit welchen Maßnahmen lässt sich der Fachkräftemangel überwinden? Die Bundestagsfraktion der Grünen veranstaltet diese Konferenz. Infos
9. Mai, 9.30 Uhr, Berlin
Forum Baltic Offshore Wind Forum
Deutschland und Dänemark veranstalten zusammen das “Baltic Offshore Wind Forum” unter der Präsidentschaft des Council of the Baltic Sea States. Infos
9.-10. Mai, Dömitz
Tagung Fachtagung Waldbrand
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe veranstaltet diese Konferenz, auf der vor allem diskutiert wird, wie eine effektive Waldbrandprävention in Zeiten des Klimawandels aussehen kann. Eine Exkursion nach Gartow steht auch auf dem Programm. Infos
11. Mai, 9.30 Uhr, Augsburg
Tagung Forum Hochwasserrisikomanagement
Auf dem Forum wird über Möglichkeiten und vorbildliche Beispiele für gutes Hochwassermanagement diskutiert. Infos
Die Alpen-Gletscher haben im Jahr 2022 einen Eisverlust von durchschnittlich 3,5 Metern verzeichnet – ein neuer Rekordwert. Das geht aus Daten des Copernicus Climate Change Service hervor. Ursache für den Rekord-Eisrückgang sind geringe Schneefälle im Winter 2022 und ein überdurchschnittlich warmer Sommer. In vielen Regionen gab es 20 Schneetage weniger als im Durchschnitt. In einigen Gebieten waren es sogar 50 Schneetage weniger. Die Alpen-Gletscher gehören weltweit zu den am schnellsten schwindenden Gletschern.
Eine andauernde Gletscherschmelze trägt zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Außerdem wirkt sich der Schneemangel im Winter auf das gesamte Jahr aus: Die Schneeschmelze im Frühjahr und Sommer führt vielen europäischen Flüssen Wasser zu. Mangelt es schon im Winter an Schnee, fehlt im Sommer das Wasser. Gemeinsam mit hohen Temperaturen und Hitzewellen führt der Wassermangel “wahrscheinlich zu schweren Dürren”, so die Copernicus-Forschenden.
Für die Gletscher in den Küstenregionen Südwest-Skandinaviens war das Jahr 2022 weniger dramatisch. Sie verzeichneten demnach einen geringen Eiszuwachs von zehn Zentimeter. Doch seit der Jahrtausendwende dominieren auch hier die Jahre mit Masseverlust. nib
Der französische Ölkonzern Total Energies hat die Umweltorganisation Greenpeace France und die Klimaberatungsfirma Factor-X wegen eines Berichts vor einem Pariser Gericht verklagt. Das teilte Total am Mittwoch mit. In der Veröffentlichung wird behauptet, das Unternehmen habe seine Treibhausgasemissionen für 2019 massiv unterschätzt.
Laut Total enthalte die Veröffentlichung aus dem November “falsche und irreführende Informationen”. Mit der Zivilklage will das Unternehmen die Rücknahme der Veröffentlichung erreichen. Alle Verweise auf den Bericht sollen eingestellt werden. Bei Zuwiderhandlung verlangt Total eine Entschädigung von 2.000 Euro pro Tag sowie einen Euro als symbolischen Schadensersatz.
Greenpeace und Factor-X warfen dem Ölkonzern vor, im Jahr 2019 rund 1,64 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen zu haben, in öffentlichen Erklärungen aber nur 455 Millionen Tonnen anzugeben.
Ein Sprecher von Total sagte: “Ein Gerichtsurteil wird Greenpeace nicht daran hindern, uns und unsere Klimastrategie weiterhin zu kritisieren, wenn sie es wünschen, aber es wird sie daran erinnern, dass öffentliche Debatten über Themen, bei denen für ein börsennotiertes Unternehmen so viel auf dem Spiel steht, Genauigkeit erfordern“.
Greenpeace sagte, die Klage sei ein Versuch, die Nichtregierungsorganisation vor der Total-Hauptversammlung am 26. Mai mundtot zu machen. Bei der Versammlung wollen aktivistische Aktionäre auf strengere Klimaverpflichtungen drängen. nib/rtr
Laut einem Bericht des israelischen Umweltministeriums droht das Land seine Klimaziele für 2030 zu verfehlen. Der jährliche Bericht misst den Fortschritt bei der Emissionsreduktion und in bestimmten Sektoren, wie die Times of Israel berichtet:
Laut dem Bericht habe sich Israel ohnehin weniger ambitionierte Ziele gesteckt als andere Industriestaaten. Gil Proaktor, Leiter der Abteilung Klimawandelpolitik im israelischen Umweltministerium, schlug demnach ein nationales Klimagesetz und eine Kohlenstoffsteuer vor. Andernfalls seien die Klimaziele schwer zu erreichen. Und israelischen Unternehmen drohten andernfalls Abgaben bei Exporten in Staaten mit Carbon Border Adjustment Mechanismen.
Der Bericht des Umweltministeriums sieht demnach eine Reihe von Maßnahmen vor, beispielsweise:
Die Pro-Kopf-Emissionen liegen in Israel bei gut 6,1 Tonnen CO₂ pro Jahr (Deutschland acht Tonnen). Im Jahr 2021 verursachte Israel CO₂-Emissionen in Höhe von 54,5 Millionen Tonnen (Deutschland 674 Millionen Tonnen). nib
Norwegens größte Öl- und Gasunternehmen überarbeiten Pläne zur Förderung in der Arktis und suchen dort nach neuen Vorkommen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine will die norwegische Regierung die Rolle des Landes als wichtiger Energieversorger in Europa stärken, wie Bloomberg berichtet.
Im Fokus steht demnach die Barentssee. Dort befinden sich mutmaßlich mehr als 60 Prozent der unentdeckten Öl- und Gasreserven des Landes. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Zweifel daran gegeben, ob diese Reserven überhaupt gefördert werden können. Russlands Angriff auf die Ukraine veränderte die Haltung dazu, denn nun ist Norwegen Europas Garant für Energieunabhängigkeit.
Wie Bloomberg berichtet, hatte Norwegens Erdöl- und Energieminister Terje Aasland dazu in der vergangenen Woche gesagt, dass es Norwegens “soziale Verantwortung” sei, alles zu versuchen, um mehr Öl und Gas zu fördern. Gleichzeitig liegt ein Fall vor dem Europäischen Gerichtshof, in dem Aktivisten klagen, die Förderungen von fossiler Energie in der Arktis verstoße gegen fundamentale Menschenrechte. kul
Die EU-Kommission will einen Rechtsrahmen für die ESG-Bewertungen von Ratingagenturen schaffen und mehr Klarheit und Transparenz bei den Ratings herstellen. Mitte Juni soll ein Gesetzesvorschlag vorgestellt werden. Weltweit gibt es mittlerweile rund 150 Agenturen, die ESG-Ratings anbieten. Die größten und wichtigsten Player, auf die sich der Markt stark konzentriert (wie MSCI, ISS und Moody’s), sind US-amerikanische oder britische Firmen. MSCI etwa hat einen Marktanteil von 30 Prozent. Laut der Kommission erbringen “große Anbieter von ESG-Ratings mit Sitz außerhalb der EU derzeit Dienstleistungen für Anleger in der EU”.
Diese Agenturen müssen bislang in der EU nicht zugelassen sein und unterliegen auch keiner Aufsicht. Jede Ratingagentur hat ihre eigene Methode und gewichtet die einzelnen ESG-Variablen unterschiedlich stark. Nur wenige von ihnen legen freiwillig die verwendeten Indikatoren und deren Gewichtung offen. Zudem gebe es zu wenig Informationen über die Bedeutung einzelner Rating-Kriterien.
Für das neue Gesetz nennt die EU-Kommission die folgenden Ziele:
Den Markt für Kreditratingagenturen begann die EU 2010 nach der Finanzkrise zu regulieren – seitdem müssen sich Anbieter von Kreditratings auf dem EU-Markt registrieren und werden von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) beaufsichtigt. Zudem sind Ratings klar definiert und müssen bestimmte Einstufungskategorien verwenden – zum Beispiel die weit verbreiteten Ratingskalen von “AAA” bis “D”. leo
Im Vorfeld des für Juni geplanten BRICS-Gipfels haben 19 Länder Beitrittsgesuche für die Gruppe eingereicht. Dies berichtet Bloomberg unter Berufung auf Südafrikas Botschafter für die BRICS-Gruppe, Anil Sooklal. 13 Länder hätten ihre Beitrittsabsicht offiziell erklärt, sechs weitere hätten informell Interesse bekundet. Im Februar hatte Sooklal mit Iran und Saudi-Arabien bereits zwei Beitrittskandidaten genannt. Argentinien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Indonesien hatten ebenfalls öffentlich ihr Interesse erklärt. Auch einige afrikanische Länder sind im Gespräch: Algerien, Ägypten, Nigeria und Simbabwe, sowie zwei ungenannte ostafrikanische Staaten.
Beim 15. BRICS-Gipfel Anfang Juni in Kapstadt soll es vor allem um die Vergrößerung der Gruppe gehen. Die Mitglieder werden beraten, welche Länder dem Bündnis unter welchen Bedingungen beitreten könnten. Die Debatte um eine Vergrößerung war im letzten Jahr von China angeregt worden. Die Supermacht setzt darauf, mit der BRICS-Gruppe ein Gegengewicht zum westlichen Bündnis aufbauen zu können.
Die BRICS-Gruppe ist eine wichtige informelle Koalition in Klimaverhandlungen, durch die Vergrößerung könnte sie in Zukunft eine relevante Stimme für die Schwellenländer des Globalen Südens werden. Ein wichtiges Instrument dafür ist die New Development Bank (NDB) mit der neuen Vorsitzenden Dilma Rouseff. Zwischen 2022 und 2026 will die NDB 40 Prozent ihrer Mittel in Klimafinanzierung stecken, 2021 investierte sie lediglich zehn Prozent in Klimaschutz und -anpassung. ajs/kul
Nigeria und die Republik Kongo planen gemeinsam mit ihren jeweiligen Partnern die Installation von schwimmenden Flüssiggasterminals (FLNG). Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Der italienische Rohstoffkonzern Eni hatte bereits im August ein FLNG erworben, um vor der Küste der Republik Kongo Flüssiggas zu produzieren. Nun ist das Projekt mit einem Umfang von fünf Milliarden Dollar offiziell. Die Produktion soll zur Jahresmitte beginnen und bis 2025 eine Kapazität von drei Millionen Tonnen jährlich erreichen. Das FLNG soll sowohl den kongolesischen als auch den Exportmarkt bedienen. Eni arbeitet seit Ausbruch des Ukrainekrieges daran, die italienische Abhängigkeit von russischem Gas durch LNG-Importe zu verringern, etwa aus Libyen.
In Nigeria hat die staatseigene Nigerian National Petroleum Corporation eine Absichtserklärung mit dem norwegischen Unternehmen Golar LNG unterzeichnet. Die Partner wollen gemeinsam ein neues FLNG aufbauen. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Das rohstoffreiche Nigeria plant außerdem gemeinsam mit Niger und Algerien den Bau der Trans-Sahara-Gaspipeline, die schließlich eine direkte Verbindung nach Europa bieten soll. ajs
Etwa tausend Bürgerinnen und Bürger haben sich am vergangenen Samstag in mehr als 90 Videogesprächen zum “Tag der Klimademokratie” mit 74 Abgeordneten des Bundestages unterhalten. Viele Fragen drehten sich nach Angaben der Veranstalter um das Verfehlen der Klimaziele des Verkehrsministeriums, das Tempolimit, den Autobahnneubau und die geplante Abschaffung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz. Außerdem fanden auch persönliche Ängste vor Extremwetterereignissen oder Wassermangel Platz, hieß es.
Die Dialogveranstaltung soll einen Raum für persönlichen Austausch zum Thema Klima schaffen. Statt Protest sollte hier der Dialog im Fokus stehen. Die Beteiligten suchten sich aus, mit welchem Abgeordneten sie entweder wegen thematischem Interesse oder räumlicher Nähe gerne sprechen wollten.
Der Tag der Klimademokratie wurde von einem Bündnis aus mehr als 150 zivilgesellschaftlichen Organisationen ausgerichtet. Die Veranstalter hoffen, dass er für viele Bürgerinnen und Bürger ein Startpunkt war, um sich aktiver mit Klimafragen auseinander zu setzten. kul
Normalerweise stehen Staatssekretäre nicht allzu sehr im Rampenlicht. Bei Patrick Graichen ist das derzeit anders: Der Spitzenbeamte im Wirtschaftsministerium sieht sich aktuell mit Klüngel-Vorwürfen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Der designierte Kandidat für den Vorsitz der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), Michael Schäfer, ist Graichens Trauzeuge. Graichen war an dem Auswahlprozess für den Dena-Vorsitz beteiligt, obwohl er frühzeitig von Schäfers Bewerbung wusste. Graichen spricht von einem “Fehler, den er sehr bedauert”. Er hätte sich aus der Findungskommission zurückziehen müssen, als Schäfer Kandidat wurde, sagt er.
Die Opposition im Bundestag wittert einen Skandal. CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von “Vetternwirtschaft”. Graichen sei als Staatssekretär nicht mehr haltbar. Die AfD sprach sogar von “grünen Clan-Strukturen”.
Die Kritik ist umso lauter, weil der Fall Schäfer nicht die einzige enge Verknüpfung Graichens ist. Graichens Amtskollege als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist Michael Kellner, sein Schwager. Der ist verheiratet mit Graichens Schwester Verena – die wiederum wie sein Bruder Jakob als Energieexpertin für das Freiburger Öko-Institut arbeitet. Dem Beratungsinstitut erteilt auch die Bundesregierung Aufträge. Diese familiären Verbindungen sind allerdings seit Dezember 2021 bekannt und wurden vom Ministerium transparent gemacht.
Das BMWK sicherte damals zu, es werde Verfahren einrichten, um Interessenkonflikte zu verhindern. Tatsächlich hat die Anzahl der Aufträge für das Öko-Institut und die gezahlten Summen seit Amtsantritt der Ampel abgenommen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. 2022 wurden demnach fünf Aufträge im Wert von 3,6 Millionen Euro erteilt. Im letzten Merkel-Jahr, 2021, waren es acht Aufträge (Volumen 2,5 Millionen Euro) und 2019 sogar elf Aufträge mit einem Volumen von 9,5 Millionen Euro. Auch ist Graichen an Vergabeverfahren mit Beteiligung des Öko-Instituts, des BUND – Verena Graichen sitzt dort im Vorstand – oder Agora Energiewende – seinem vorherigen Arbeitgeber – ausgeschlossen.
Graichen ist ein zentraler Ideengeber und Manager der Habeck’schen Energie- und Klimawende – und somit auch der Kopf hinter einigen anstehenden Härten für Verbraucher und einige Industriesektoren. Ob bei der Wärmewende, dem Klimaschutzgesetz, der Energiewende oder dem Gas-Krisenmanagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – Graichen ist für viele der zentralen Projekte des BMWK verantwortlich. Auch das medial und von einigen Interessengruppen stark kritisierte Gesetz zur Förderung von Wärmepumpen und dem Austausch alter Heizungen geht auf Graichen zurück.
Rücktrittsforderungen an Graichen treffen also immer auch Habeck und seine teils unbeliebten Pläne für die Energie- und Wärmewende. Graichen selbst lehnt einen Rücktritt ab. Sein Chef hält bisher an seinem Spitzenbeamten fest. Habeck versucht, die Vorwürfe gegen Graichen mit einer Überprüfung des Auswahlverfahrens für den Dena-Vorsitz zu entschärfen. Es könnte zu einer kompletten Wiederholung des Verfahrens kommen, so der Aufsichtsratsvorsitzende der Dena, Stefan Wenzel.
Auch wenn Graichen kein direktes Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, bleibt der Anschein von Interessenkonflikten. Die Opposition wird wohl in Zukunft bei ihrer Kritik an der Energiewende auch auf die enge Bande zwischen Graichen und anderen wichtigen Interessenvertretern verweisen.
Graichen hat – wie für politische Beamte nicht unüblich – Regierungen unterschiedlicher Couleur gedient. Von 2001 bis 2006 war er Referent für internationalen Klimaschutz im Bundesumweltministerium. Zunächst unter dem grünen Minister Jürgen Trittin, später unter Sigmar Gabriel von der SPD. Anschließend wurde er sogar Referatsleiter für Grundsatzangelegenheit Klimaschutz. Diesmal hieß der Umweltminister Norbert Röttgen – ein CDUler.
2012 verließ Graichen den politischen Betrieb zwischenzeitlich und baute mit dem ehemaligen Staatssekretär des BMU und Weggefährten Rainer Baake die Denkfabrik Agora Energiewende auf. Als Baake erneut zum Staatssekretär berufen wurde, übernahm Graichen als Exekutivdirektor und Geschäftsführer die Leitung des Thinktanks. Der studierte Volkswirt und Umweltökonom fungierte in dieser Zeit eher als Watchdog und Kommentator von der Seitenlinie.
Damals setzte sich Graichen dafür ein, den Kohleausstieg und den gleichzeitigen Erneuerbaren-Ausbau durch Druck von außen zu forcieren. Schon 2015, noch bevor das Pariser Abkommen unterzeichnet war, wies er auf die notwendige Reform des Energiemarktdesigns hin, wonach klimafreundliche Energieträger effizient gefördert und klimaschädliche entsprechend bepreist werden müssen. Nico Beckert/Lukas Scheid