Table.Briefing: Climate

Neubauer: Klima als Wahlthema + KTF: Prinzip Hoffnung bei Finanzierung + Kernfusion keine Klima-Lösung

Liebe Leserin, lieber Leser,

aktuell hat es der Klimaschutz nicht leicht. Der Haushaltsstreit zwischen SPD, Grünen und FDP wirkt sich einmal mehr auch auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus. Malte Kreutzfeldt hat sich angeschaut, ob diese fiskalische Wette aufgehen kann und was an langfristigen Kürzungen droht.

Im Interview mit Lukas Bayer kritisiert Luisa Neubauer, dass in der Politik zwar das Geld immer mitgedacht werde. In Zeiten der Klimakrise bräuchte jede politische Entscheidung aber auch eine ökologische Einordnung, fordert die Klimaaktivistin. Neubauer übt scharfe Kritik an der FDP und Kanzler Olaf Scholz. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen appelliert sie an die Wählerinnen und Wähler, taktisch zu wählen, damit der Klimaschutz nicht aus den Parlamenten verschwindet.

In der Kernfusion gab es in den letzten Monaten einige erfolgreiche Experimente. Doch laut Einschätzung der wissenschaftlichen Akademien dauert es noch mindestens zwei Jahrzehnte bis zum ersten Fusionskraftwerk, wie Tim Gabel berichtet. Auch hier spielt das knappe Geld eine große Rolle: Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern braucht die Forschung mehr finanzielle Förderung – Geld, das auch in anderen Bereichen der Energiewende dringend benötigt wird.

Beste Grüße

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Interview

Luisa Neubauer: “Ökologie nicht aus dem Landtag hinauswählen”

Droht mit dem Rechtsruck ein Klima-Backlash? Bereits vor den Europawahlen warnte Luisa Neubauer davor, die Ökologie nicht aus den Parlamenten zu wählen.

Frau Neubauer, in Ihrem neuen Buch “Der Klima-Atlas” stellen Sie gemeinsam mit zwei Co-Autoren 80 Karten und Grafiken für die Welt von morgen vor. Welche Karten würden Menschen am meisten überzeugen, die andere Themen gerade für wichtiger halten?

Mein Ziel ist nicht, dass jeder Mensch das Klima als Thema Nummer Eins in seinem Leben verbucht. Der Anspruch ist, dass das Klima in den Entscheidungen mitgedacht wird – politisch wie persönlich. Ein Beispiel: Egal, welche politische Entscheidung getroffen wird, das Geld wird immer mitgedacht. Da findet eine finanzpolitische Einordnung statt. Jede politische Entscheidung bräuchte aber auch eine ökologische Einordnung. Im Atlas zeigen wir etwa, dass die Kosten für Klimaschutz viel geringer sind als der Schaden, der durch die Klimakatastrophe anfällt. Mit vielen Karten zeigen wir auch, dass die Klimakrise nicht ausweglos ist und welche Lösungswege es gibt.

Wie sehen diese Lösungswege aus?

Wir zeigen, wo Menschen wirksam sind. Da geht es um viel mehr als das Einkaufsverhalten. Da erleben wir eine so krasse mediale Verzerrung, die Klimaengagement auf Plastiktüten und Tofuwürstchen reduziert. Das ist weder ehrlich noch inspirierend. Maximal wirksam ist es beispielsweise auch, sich zu fragen, wo man arbeitet, wie man seine Stimme nutzt und ob man ein Vorbild für andere ist.

Grafik nach Daten aus dem neuen Buch “Der Klima-Atlas: 80 Karten für die Welt von morgen” von Neubauer/Endt/Häntzschel

Im September wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. AfD und BSW führen in den Umfragen. Droht ein Klima-Backlash – und was lässt sich auf Landesebene dagegen unternehmen?

In den letzten vier Jahren haben viele politische Parteien vor dem Problem der Klimakrise die Augen verschlossen. Niemand erwartet, dass man Parteiprogramme der Grünen abschreibt. Aber ich erwarte, dass jede demokratische Partei einen authentischen Zugang zur Ökologie findet und ein ehrliches Verständnis für Krisenbewältigung. Das ist nicht eingetreten und das ist ein parteipolitisches Versagen. Das könnte in diversen Bundesländern große Kollateralschäden mit sich bringen – vor allem im Osten. Da muss man ehrlicherweise an die Wählerinnen und Wähler appellieren, taktisch zu wählen und die Ökologie nicht aus dem Landtag hinauszuwählen.

Olaf Scholz ist als Klimakanzler angetreten. Seine Regierung konnte aber vor allem im Verkehrs- und Gebäudesektor kaum Fortschritte erzielen. Warum ist es so schwer, dort Fortschritte zu erzielen, wo das Leben vieler Menschen direkt betroffen ist?

Im Klimaschutz gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Das eine ist das Anfangen, da können sich viele Leute gut einigen, mit mehr Solar und Wind, mehr ÖPNV und mehr Isolierung anzufangen. Aber wo es ums Aufhören geht, da gibt es eine Asymmetrie. Also aufhören mit immer neuen Flächenversiegelungen, aufhören mit immer größeren Versprechen von neuer Bebauung, ohne die ökologische Rechnung zu machen. Aufhören, fossilen Konzernen Lobbyvorrang zu geben. Aufhören, vor uralten Plänen irgendwelcher Autobahn-Erweiterungen einzuknicken.

Die Bundesregierung wollte mit einem Klimageld einen sozial-ökologischen Ausgleich herbeiführen. Wie beurteilen Sie, dass es das Klimageld noch nicht gibt?

Das ist natürlich eine Katastrophe. Ich glaube, einigen ist nicht klar, wie groß der Vertrauensverlust ohnehin schon ist. Da ist es überhaupt nicht hilfreich, die einfachsten Maßnahmen wie Klimageld oder Tempolimits zu unterlassen. Absurderweise wird das Klimageld ja vor allem von denen verhindert, die gern durchs Land ziehen und meinen, Klimaschutz sei so ungerecht. Da merkt man natürlich auch die große Bereitschaft vor allem der Liberalen, den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Regierung aufs Spiel zu setzen.

Welche Maßnahmen erwarten Sie nun von Politik und Wirtschaft? 

Derzeit handeln Politik und Wirtschaft gegen die Menschheit und gegen die Klimaziele. Politiker und Unternehmer, die nicht bewusst auf intakte Lebensgrundlagen hinarbeiten, arbeiten unweigerlich gegen intakte Lebensgrundlagen an. Offensichtlich gibt es hier mehrere Lager. Es gibt die einen, die verstanden haben, was los ist und die Wirtschaft transformieren wollen. Sie haben verstanden, dass niemand auf Deutschland wartet und die Weichen schon in Richtung Ökologie gestellt sind. Und auch in der Politik gibt es diejenigen, die sich zumindest theoretisch für Klimaschutz einsetzen. Es gibt aber bis heute Teile der Politik – und da würde ich den Kanzler mit einschließen -, die sich an der Illusion festgebissen haben, dass die Welt auf unsere Zögerlichkeit Rücksicht nehmen würde.

Klimaschutz ist je nach Umfrage zwar immer noch unter den Top-Themen, die Sorge um gestiegene Preise, Migration und Rechtsruck überlagern die Klimadebatte aber. Warum gelingt es der Klimabewegung nicht, dieses Jahrhundertproblem im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu halten?

Ich möchte einen fundamentalen Widerspruch zu dieser Frage in den Raum werfen. Ich halte es für eine journalistische Verantwortungslosigkeit, dass man ausgerechnet beim Klimaschutz eine Berechtigung durch mehrheitliches Interesse fordert. Auch wenn niemand in ganz Deutschland überzeugt wäre, dass es mehr Klimaschutz bräuchte, steht die Regierung in der verfassungsgemäßen Pflicht, die Klimaziele einzuhalten. Jetzt die Klimabewegung darauf festzunageln, Mehrheiten für Klimaschutz zu organisieren, ist in meinen Augen ein Ablenkungsmanöver – ob bewusst oder unbewusst. Mehrheiten zu organisieren, das sollte die Aufgabe des Kanzlers sein. Aber es ist natürlich schwerer, wenn man Menschen erst gegen Klimaschutz aufgebracht hat, sie dann dafür zu begeistern und für Maßnahmen zu werben.

Luisa Neubauer ist das bekannteste Gesicht der deutschen “Fridays for Future”-Bewegung. Die 28-Jährige ist studierte Geografin, gründete 2018 Fridays for Future in Deutschland mit und publizierte mehrere Bücher. Am 13. August ist ihr neuestes Buch – ein “Klima-Atlas” mit 80 Karten für die Welt von morgen – im Rowohlt-Verlag erschienen. Co-Autoren sind der Datenjournalist Christian Endt (Zeit Online) und der Illustrator Ole Häntzschel.

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Analyse

Klimaschutz-Finanzierung: Wie das Prinzip Hoffnung den KTF regiert

Hofft, auch in Zukunft mit der Wiedervernässung von Mooren das Klima schützen zu können: Steffi Lemke in einem renaturierten Moor in Frohnau bei Berlin.

Steffi Lemke gab sich am Mittwoch erleichtert: Das “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz” bleibe von weiteren Kürzungen verschont, verkündete die Bundesumweltministerin. Rund 3,5 Milliarden Euro stehen für den Zeitraum von 2023 bis 2028 zur Verfügung. “Das Aktionsprogramm ist und bleibt damit die größte Förderung für den Schutz von Natur und Klima, die es jemals in Deutschland gab”, sagte Lemke. Finanziert werden daraus Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, der klimagerechte Umbau von Wäldern oder die Schaffung naturnaher Grünflächen in Städten. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zeigte sich erfreut, dass der Klima- und Transformationsfonds (KTF) Forstwirten “Planungssicherheit auf hohem Niveau” biete, indem 100 Millionen Euro pro Jahr für den Waldumbau bereitgestellt werden.

Globale Minderausgabe von neun Milliarden

Doch ob die Freude gerechtfertigt ist, ist unklar. Denn die genannten Summen finden sich zwar tatsächlich im Haushaltsplan für den KTF, aus dem viele Klimaschutzmaßnahmen der Regierung finanziert werden. Dass sie komplett fließen können, ist aber keineswegs gesichert. Denn (wie bereits berichtet) findet sich im KTF-Haushaltsplan (Übersicht in diesem pdf auf Seite 5) eine sogenannte globale Minderausgabe, die mit neun Milliarden Euro mehr als ein Viertel der geplanten Gesamtausgaben ausmacht.

Würden alle Ressorts die von ihnen bewirtschafteten Titel komplett ausschöpfen, gäbe es am Ende des Jahres also einen Fehlbetrag von neun Milliarden Euro, der über zusätzliche Schulden gedeckt werden müsste – was aufgrund der in der Verfassung festgeschriebenen Schuldenbremse gar nicht möglich ist. Das für die Einhaltung der Haushaltsregeln zuständige Bundesfinanzministerium wird diese Situation also auf jeden Fall vermeiden wollen.

Die Annahme: Ein Viertel der Mittel werden nicht ausgegeben

Doch die Frage, wie verhindert werden soll, dass mehr als drei Viertel der insgesamt eingeplanten Gelder ausgegeben werden, blieb am Mittwoch unbeantwortet. “Eine globale Minderausgabe ist ein übliches Mittel in der Haushaltsplanung”, teilte eine Sprecherin Table.Briefings lediglich mit. “Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass die neun Milliarden Euro im Haushaltsvollzug aufgelöst werden können.” Das Haus von Christian Lindner setzt also darauf, dass ein Viertel der insgesamt eingeplanten Gelder nicht ausgegeben wird.

Wenn man auf die Vergangenheit schaut, scheint diese Hoffnung nicht so ungerechtfertigt: Bisher war der Mittelabfluss aus dem KTF noch deutlich schlechter; im Jahr 2023 etwa wurden nur 56 Prozent der eingeplanten Gelder ausgegeben. Doch dass das auch im Jahr 2025 so sein wird, ist damit keineswegs gesagt. Zum einen ist das Volumen vieler Programme nach dem Haushaltsurteil vom vergangenen November ohnehin schon reduziert worden; zum anderen war der schlechte Mittelabfluss 2023 in vielen Fällen damit begründet worden, dass Förderrichtlinien nicht rechtzeitig fertiggestellt worden waren – ein Problem, das mittlerweile gelöst sein sollte.

Verringert würden die Finanzprobleme im nächsten Jahr auch, wenn der KTF bereits im laufenden Jahr 2024 nicht ausgeschöpft würde – denn derzeit ist es noch so, dass unverbrauchte Mittel als “globale Mehreinnahme” ins Folgejahr übertragen werden. In gewissem Umfang ist das allerdings bereits vorgesehen: Im Haushaltsplan für 2025 sind als globale Mehreinnahme drei Milliarden Euro eingeplant; laut BMF entspricht dies “den – zum Zeitpunkt des Beschlusses des Entwurfs – erwarteten Minderausgaben im Jahr zuvor”. Bei Programmausgaben von rund 38 Milliarden Euro (ohne die EEG-Kosten, die nur im Jahr 2024 aus dem KTF bezahlt wurden) ergäbe das eine Ausgabenquote von über 90 Prozent. Würde 2024 noch deutlich weniger Geld ausgegeben, wäre die Lücke 2025 naturgemäß kleiner als derzeit geplant – dann könnte der Haushaltsplan doch noch aufgehen.

Während der Finanzminister also hoffen muss, dass weiterhin ein erheblicher Teil der vorgesehenen Gelder nicht ausgegeben wird, geben sich die Fachministerien optimistisch, dass der Mittelabfluss deutlich besser wird. Bei der Gebäudeeffizienz etwa, die in diesem Jahr mit einem Budget von 16,7 Milliarden Euro den größten Posten unter den Programmausgaben bildet, sei aktuell bereits mehr als die Hälfte der Gelder abgeflossen, teilte das BMWK mit. Weil die Auszahlungen für die Heizungsförderung erst im September beginnen, werde zudem damit gerechnet, dass der Mittelabfluss “zum Herbst noch einmal anziehen wird”. Aus dem BMU hieß es, man rechne damit, dass die eingeplanten Gelder für den natürlichen Klimaschutz im nächsten Jahr komplett ausgegeben werden.

Richtig schwierig wird es ab 2026

Trotzdem ist für 2025 zumindest denkbar, dass der Haushaltsplan aufgeht, wenn sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr ein Teil der Gelder weiterhin nicht abgerufen wird. Noch sehr viel dramatischer wird die Lage aber in den Jahren danach. Denn im Jahr 2026 dürfte es keine Übertragung von Restgeldern aus dem Vorjahr mehr geben – diese werden dann ja von der globalen Minderausgabe abgeschöpft. Gleichzeitig müssen die Ausgaben in vielen Bereichen eigentlich deutlich steigen, um das Klimaziel des Jahres 2030 noch erreichen zu können. Zwar wachsen in den nächsten Jahren auch die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung; der langfristige KTF-Finanzplan sieht dafür nach 19 Milliarden Euro in diesem Jahr für 2026 rund 24 und für 2028 knapp 30 Milliarden Euro vor. Doch eigentlich ist bisher angekündigt, zumindest diese Mehreinnahmen für ein Klimageld zu verwenden, das an die Bevölkerung ausgezahlt wird.

Im Haushaltsplan, den das Kabinett gerade verabschiedet hat, ist stattdessen aber vorgesehen, dass ab 2027 mehr als sechs Milliarden Euro aus dem KTF an den normalen Haushalt abgeführt werden. Zusammen mit der in diesen Jahren weiterhin vorgesehenen globalen Minderausgabe von neun Milliarden Euro müsste das selbst ohne Klimageld zu einer deutlichen Unterdeckung führen. Doch dieses Langfrist-Szenario dürfte in dieser Form ohnehin kaum eintreten – sondern eher als Hinweis für die nächste Regierung dienen, sich möglichst frühzeitig um ein neues Konzept für die Finanzierung der Transformation zu kümmern.

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Fusionsforschung: Akademien-Papier offenbart politisches Dilemma

Bei einem Laserfusionsexperiment an der National Ignition Facility (NIF) in den USA wurde 2021 zum ersten Mal in einer kontrollierten Fusionsreaktion im Labor die physikalische Bedingung für die Zündung einer Fusionsreaktion erreicht.

Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des neuen Akademien-Papiers zur Kernfusion lässt sich streiten. Die Qualität des Impulses “Kernfusion als Baustein einer klimaneutralen Energieversorgung? Chancen, Herausforderungen, Zeithorizonte” hätte es verdient gehabt, mehr Aufmerksamkeit zu generieren als im Sommerloch mutmaßlich möglich ist. Denn die fundierte Bestandsaufnahme von Leopoldina, Acatech und der Akademien-Union fasst das Dilemma und die Unsicherheiten, mit denen die heutige Forschungs- und Energiepolitik mit Blick auf die Kernfusion umgehen muss, analytisch und fundiert zusammen.

Die Technologie, so das Fazit des Papiers, kommt für den akuten Kampf gegen den Klimawandel zu spät, braucht aber in naher Zukunft gewaltige finanzielle Mittel. Nur so könnten Forschung und Entwicklung zügig weiter vorangebracht werden, damit Kernfusion überhaupt noch in diesem Jahrhundert – zum Beispiel als Ersatz bisheriger Grundlastkraftwerke – eingesetzt werden kann. “Eine Notwendigkeit für eine sichere und verlässliche Energieversorgung der Zukunft stellen sie nach heutigem Kenntnisstand laut Systemstudien jedoch nicht dar”, schreiben die Autoren.

Kernfusion kann zur Erreichung der Klimaziele nicht beitragen

Wegen der noch erforderlichen Entwicklungsarbeiten halten Experten ein erstes Fusionskraftwerk frühestens 2045 bis 2050 für realistisch, heißt es in dem Papier, “wobei keine Gewähr für eine erfolgreiche Umsetzung besteht”. Zum Erreichen der deutschen und europäischen Klimaziele 2045/50 wird Kernfusion “aller Voraussicht nach nicht beitragen”. Gleichzeitig handele es sich um eine komplexe und forschungsintensive Technologie, die über die bereits erfolgte umfangreiche Förderung hinaus nur mit weiteren “erheblichen Forschungsmitteln aus dem staatlichen wie privaten Bereich realisiert werden kann”.

Am wahrscheinlichsten sei der Einsatz von Kernfusions-Kraftwerken in Regionen mit einer hohen und stetigen Nachfrage, beispielsweise in dicht besiedelten Gegenden und Industriezentren. Auch ein Beitrag zur Herstellung von grünem Wasserstoff und seiner Derivate in Deutschland beziehungsweise innerhalb Europas sei möglich. In Ländern, die in ihrem Energiesystem weiterhin verstärkt auf Großkraftwerke setzen werden, “könnten Fusionskraftwerke insbesondere die Kernkraftwerke sukzessive ersetzen” – mit dem Vorteil, dass keine Endlager benötigt würden und der Betrieb von Fusionskraftwerken weniger riskant sei.

Große Potenziale, noch größere Unwägbarkeiten

Das Ziel der Kernfusionsforschung “ist eine klimafreundliche und kontinuierlich verfügbare Energiequelle mit geringem Flächenbedarf”, schreiben die Autoren. Voraussetzung dafür sei aber auch, dass sich die Kernfusion “gegenüber erneuerbaren Energien und anderen emissionsarmen Technologien am Strommarkt durchsetzen könnte“. Das wiederum hänge von den Kosten ab, zu denen Fusionskraftwerke Strom bereitstellen würden. Die Akademien zitieren aktuelle Systemstudien, die davon ausgehen, Fusionsstrom lohnt sich nur dann, wenn die Kosten im unteren Bereich des derzeitigen Prognosekorridors liegen. Alle Abschätzungen seien aktuell aber mit hohen Unsicherheiten verbunden.

Geht man – trotz aller Unwägbarkeiten – optimistisch davon aus, dass Fusion Teil des klimaneutralen Energiesystems der Zukunft sein kann, sehen die Akademien durchaus große Chancen für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit in dem Bereich. Brennstoffe könnten vor Ort hergestellt werden, was die Abhängigkeit von energieexportierenden Ländern reduzieren würde. Mit dem generierten Wissen und den entwickelten Bauteilen könnten deutsche Start-ups neue Exportmärkte erschließen. Darüber hinaus lägen “einnahmenrelevante Potenziale” auch in anderen Anwendungsfeldern wie der Medizin, Optik, Diagnostik, Robotik und Raumfahrt.

Entwicklung: Zahlreiche praktische Herausforderungen

Mit Blick auf die Entwicklung der Technologie sei es bis zu einem ersten regulären Kraftwerk noch ein weiter Weg. Die physikalischen Grundlagen der Kernfusion seien verstanden. Bisher gebe es für keines der bestehenden Fusionskonzepte einen Prototyp und vor einem Kraftwerksbetrieb seien noch zahlreiche praktische Herausforderungen zu lösen: Dazu zählen die Steigerung der Energieausbeute, die Herstellung des Brennstoffs Tritium sowie die Entwicklung besonders widerstandsfähiger Materialien für die sogenannte “First Wall” und hochleistungsfähige Laser.

Zu einer finalen Bewertung, ob die Magnet- oder die Trägheitsfusion im Wettbewerb der technologischen Ansätze die Nase vorn haben, lassen sich die Akademien in ihrem Papier nicht hinreißen. Vor allem die Leopoldina hatte in der Vergangenheit für eine Konzentration auf die Magnetfusion geworben und war für eine Schieflage bei der Auswahl der Experten kritisiert worden. Acatech-Präsident Jan Wörner hingegen hatte Anfang des Jahres im Gespräch mit Table.Briefings gesagt, dass es für eine Entscheidung zu früh sei.

Technologischer Reifegrad bei der Magnetfusion höher

Im aktuellen Papier gehen die Akademien analytischer vor: Eine Bestandsaufnahme unterschiedlicher Technologiereifegrade (TLR 1 bis 9; 9 = Qualifiziertes System mit Nachweis des erfolgreichen Einsatzes) zeichnet ein differenziertes Bild. Im Bereich der Magnetfusion wird aktuell dem Tokamak ein etwas höherer Stand der Technik zugeordnet (TLR 4 bis 5 = Versuchsaufbau im Labormaßstab oder in einer relevanten Einsatzumgebung) als dem Stellarator, weil mit ihm “bisher im Vergleich zum Stellarator höhere Werte des Tripelprodukts und eine höhere technologische Reife erreicht wurde”.

Die Ansätze in der Laserfusion seien unterschiedlich weit fortgeschritten: Mit TRL 3 (Nachweis der Funktionsfähigkeit des Konzepts) am weitesten ist demnach das Indirect-drive-Verfahren. Während die Trägheitsfusion bei der technologischen Reife also hinterherhinkt, hat sie die Nase in Sachen Lawson-Kriterium vorn. Beim viel zitierten Laserfusionsexperiment an der National Ignition Facility (NIF) in den USA wurde erstmals mehr Wärmeenergie frei, als in eine Fusionsreaktion hineingesteckt wurde. Allerdings ist hier die Energie, die für den Laserbetrieb benötigt wird, nicht einkalkuliert (siehe Grafik).

Fazit: Forschung fortsetzen, bei Erneuerbaren nicht nachlassen

Nach Abwägung aller Chancen und Herausforderungen kommen die Experten zu dem Schluss, dass es sinnvoll sei, die Forschung an der Kernfusion fortzusetzen, ohne bei der Entwicklung und dem Aufbau eines klimafreundlichen Energiesystems, insbesondere unter Nutzung erneuerbarer Energien, nachzulassen. Man dürfe nicht auf die Kernfusion warten: “Das Engagement für die Kernfusion darf also die anderweitigen Bemühungen für ein klimaneutrales Energiesystem nicht einschränken, sondern sollte diese ergänzen.”

Angesichts der prognostizierten Mittelkürzungen für Energieforschung im Haushalt keine leichte Aufgabe für die Politik, die in der aktuellen Regierungskonstellation auch unterschiedliche Interessen und Ansätze im Forschungs- und Energieressort aushandeln muss. Einige konkrete Aufgabenstellungen liefern die Akademien als wissenschaftliche Beratungsleistung an die Politik mit: Eine “möglichst frühzeitige und vorausschauende Etablierung der regulatorischen Grundlagen” könne Investitionsrisiken senken und so private Investoren anlocken. Zudem sei es unerlässlich, die Kernfusion in die öffentliche Debatte zu bringen, um eine “aktive Teilhabe an den zukünftigen Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen zu ermöglichen”.

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Termine

22. August, 10 Uhr, Online
Webinar Integration of Gender in LT-LEDS and NDCs
Wie kann die Dimension Gender in Nationale Klimaziele (NDCs) sowie langfristige emissionsarme Entwicklungspfade und Entwicklungsprioritäten (LT-LEDS) eingebunden werden? Damit beschäftigt sich das Webinar des UNFCCC. Infos

24. August, Leipzig
Messe Klimafair
Eine Woche vor den Landtagswahlen will die Klimamesse in Leipzig nicht nur über Klimaschutz aufklären, sondern auch mit Kandidatinnen und Kandidaten über ihre Klimapläne diskutieren. Infos

25. bis 29. August, Stockholm
Aktionswoche World Water Week 2024
Die Aktionswoche zum Thema Wasser findet in diesem Jahr unter dem Motto “Bridging Borders: Water for a Peaceful and Sustainable Future” statt. Infos

27. bis 29. August, Winterthur
Konferenz Swiss Green Economy Symposium
Unter dem Motto “Gemeinsam Konflikte lösen” findet die Schweizer Wirtschafts- und Nachhaltigkeitskonferenz statt. Infos

27. August, 18 Uhr, Online
Diskussion Der Wettbewerb um kritische Rohstoffe in Ländern des Globalen Südens
Kritische Rohstoffe sind für die Energiewende essenziell. Bei diesem Webinar der Friedrich-Naumann-Stiftung wird über geoökonomischen Folgen von Rohstoffpolitik diskutiert. Infos

27. August, 19.30 Uhr, Köln
Diskussion Kann die Wirtschaft die Erde retten? Mit der Gemeinwohl-Ökonomie unsere Naturressourcen bewahren
Klimawandel, Artensterben, Ressourcenknappheit – die Menschheit geht mitunter achtlos mit dem Planeten um. Auf der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung wird darüber diskutiert, ob Gemeinwohl-Ökonomie ein nützlicher Ansatz zum achtsameren Umgang mit Ressourcen sein könnte. Infos

28. August, 9 Uhr, Recklinghausen
Fachforum Gewässer im Klimawandel – Grundwasser
Schwerpunkte dieses hybriden Fachforums der Natur- und Umweltschutzakademie sind die Grundwasserschwankungen durch den Klimawandel, ihre Folgen für die Wasserwirtschaft, die Landwirtschaft und die Trinkwasserverfügbarkeit sowie Best-Practice-Beispiele von Maßnahmen im Umgang mit diesen Herausforderungen. Infos

28. August, 12 Uhr, Online
Webinar How can the NCQG deliver on Loss and Damage?
Das Paris Committee on Capacity-building (PCCB) veranstaltet dieses Webinar zur Frage, wie das neue, internationale Klimafinanzziel (NCQG) zur Bekämpfung von Schäden und Verlusten beitragen kann. Infos

News

Klima in Zahlen: Steuer-Billionen für Fossile

Nach einer aktuellen Studie für das Bundeswirtschaftsministerium enthielt der Bundeshaushalt 2020 etwa 35,8 Milliarden Euro an staatlichen Begünstigungen, die die klimaschädlichen Emissionen des Landes erhöhen. Weltweit beliefen sich die direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe auf rund 7.000 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 – also sieben Billionen US-Dollar. Das sind etwa sieben Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und zwei Billionen US-Dollar mehr als noch 2020. Darin spiegelt sich vor allem die Lage nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs wider.

Den mit etwa 80 Prozent größten Teil dieser Rechnung, die der Internationale Währungsfonds zusammengestellt hat, machen nicht direkte Staatshilfen aus – sondern die Tatsache, dass die Schäden für Gesundheit und Umwelt durch die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas von der Allgemeinheit getragen werden. Was faktisch wie eine Staatshilfe für die dreckigen Industrien wirkt. Größter Verschmutzer und teuerste Schadensquelle war damit die Kohle, gefolgt von Diesel und Benzin. Die Verbrennung von Gas, das mit weniger CO₂-Ausstoß verbrennt, wurde weltweit “nur” mit etwa 500 US-Dollar Milliarden bezuschusst.

Zur Erinnerung: Die UN-Staaten haben auf der COP28 in Dubai beschlossen, sich von den “fossilen Brennstoffen in einem Übergang wegzubewegen”. Und die G7-Staaten haben vereinbart, bis 2025 ihre “ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe” zu beenden. bpo

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Klimaziele: Österreich will klimaschädliche Subventionen abschaffen

Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat am Dienstag den lang erwarteten nationalen Energie und Klimaplan vorgestellt (NECP). Der Plan skizziert, wie Österreich das Klimaziel von 48 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 im Vergleich zu 2005 erreichen soll.

Der Plan sieht vor:

  • klimaschädliche Subventionen abzuschaffen
  • Heizungstausch und Sanierung von Gebäuden bis 2030 weiter zu fördern
  • Wasserstoffproduktion für die Verwendung in der heimischen Industrie “massiv auszubauen”
  • Unvermeidbare Emissionen aus der Industrie durch “Carbon Capture and Storage” im Boden zu speichern

Abschaffung des Dieselprivilegs noch nicht konkretisiert

Gewessler betonte bei der Vorstellung am Dienstag, vor allem mit der Abschaffung des Steuerprivilegs für Dieselkraftstoff sowie der Steuervorteile für Dienstwägen mindestens zwei Millionen Tonnen CO₂ jährlich einsparen zu wollen. Allerdings sind die konkreten Maßnahmen zur Abschaffung klimaschädlicher Subventionen nicht genau definiert. Es soll lediglich einen Fahrplan geben, um “kontraproduktive Anreize” zu reduzieren, für den das Finanzministerium zuständig ist.

Es ist daher fraglich, ob konkrete Maßnahmen wie die Abschaffung des Dieselprivilegs noch in dieser Legislatur durchgesetzt werden können. Österreich wählt am 29. September einen neuen Nationalrat. Zwar ist der Klimaplan auch für die nächste Regierung in Wien bindend, jedoch keine konkreten Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Subventionen.

Die EU-Kommission prüft nun Österreichs NECP und macht Anmerkungen, ob die Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele ausreichen. Anschließend muss Wien den Plan entsprechend überarbeiten und die finale Version einreichen. luk   

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Energiewende: So verlagert China den Fokus von Kohle auf Atom

China hat im ersten Halbjahr 2024 14 neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 10,3 Gigawatt genehmigt, wie eine neue Erhebung von Greenpeace Ostasien zeigt. Demnach wurden 80 Prozent weniger neue Kohlekraftwerke genehmigt als im ersten Halbjahr 2023. Die beiden vergangenen Jahre hatte China zusammengerechnet fast 200 Gigawatt an neuer Kohlekraftwerkskapazität genehmigt. Gao Yuhe, der Projektleiter von Greenpeace Ostasien, hofft, dass der Einbruch bei den Genehmigungen “vielleicht einen Wendepunkt” darstellt.

Im vergangenen Jahr stieg der Kohleverbrauch in der Volksrepublik um sechs Prozent an. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht dennoch davon aus, dass China in den kommenden Jahren einen Höchststand beim Kohleverbrauch erreichen und die Nachfrage dann absinken wird. Schon heute kann der schnelle Zubau erneuerbarer Energien einen Großteil der zusätzlichen Stromnachfrage decken.

Elf neue Atomreaktoren genehmigt

Gleichzeitig hat China jüngst fünf neue Kernenergie-Projekte mit Gesamtinvestitionen von rund 200 Milliarden Yuan (gut 25 Milliarden Euro) genehmigt. Wie die South China Morning Post am Dienstag berichtete, umfassen diese vom Staatsrat genehmigten Projekte elf neue Atomreaktoren in den Küstenprovinzen Shandong, Zhejiang, Jiangsu und Guangdong, sowie in der autonomen Region Guangxi. Seit 2019 hatte Peking nicht mehr so viele Anlagen auf einmal genehmigt. 2023 und 2022 hatte der Staatsrat je zehn Reaktoren genehmigt.

Die Investitionen sind seit 2019 von Jahr zu Jahr gestiegen. Mit den neuen Genehmigungen beschleunigt China den Aufbau der Atomkraft also weiter. Die Regierung zählt sie zu den klimafreundlichen Energien, die sie zum Erreichen der Klimaziele braucht. Trotzdem stockt der Bau immer wieder.

2023 nahm China nach lokalen Berichten zwei neue Reaktorblöcke in Betrieb, sowie im Laufe dieses Jahres bereits fünf. Damit betreibe China derzeit 55 Atomreaktoren mit einer installierten Nennleistung von 57 Gigawatt. Das sei Rang 3 hinter den USA und Frankreich. Die Atomkraftwerke erzeugten laut der South China Morning Post im vergangenen Jahr 433,3 Milliarden Kilowattstunden Strom und trugen damit rund fünf Prozent zur Stromversorgung des Landes bei. 36 Atomreaktoren seien zudem derzeit im Bau. Damit verfüge China nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua über die weltweit größte Baupipeline für Kernkraftwerke. ck/nib

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Straßenverkehr: Industrie fordert E-Fuel-Quote für Bestandsfahrzeuge

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht sich für eine Mindestquote für synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, sowie Wasserstoff im Straßenverkehr aus. “Selbst wenn das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erfüllt wird, fahren dann immer noch mindestens 40 Millionen Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren auf deutschen Straßen”, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Um auch diese Bestandsfahrzeuge zu “defossilisieren” fordert der Verband eine Mindestquote für E-Fuels von fünf Prozent für das Jahr 2030.

Bislang legt die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU (RED III) für 2030 eine Quote von einem Prozent für den gesamten Verkehrssektor für erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBO) fest. In einem Positionspapier zur nationalen Umsetzung der RED III fordert der VDA die Anpassung der Quoten im Rahmen der vorgesehenen Revision des Gesetzes im Jahr 2027.

VDA kritisiert fehlenden THG-Reduktionspfad für Straßenverkehr

Außerdem fordert der VDA:

  • Eine Treibhausgasemissionsminderung von 35 Prozent
  • Mehrfachanrechnungen bis 2030 schrittweise abschaffen (außer bei Wasserstoff)
  • Planungshorizont inklusive Zwischenziele für Straßenverkehrssektor bis zur Klimaneutralität Deutschlands 2045
  • Keine fossilen Kraftstoffe an deutschen Tankstellen ab 2045

Der VDA kritisiert, dass die RED zwar für den Schiffs- und Flugverkehr langfristige Treibhausgas-Reduktionspfade und Zwischenziele vorgibt, nicht aber für den Straßenverkehr. Dies hemme die Investitions- und Planungssicherheit. Der Verband fordert daher eine THG-Minderung durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe im Straßenverkehr von 60 Prozent bis 2035, 90 Prozent bis 2040 und 100 Prozent bis 2045.

RED-Vorgaben nicht ambitioniert genug

Um das Ziel von 30 Prozent THG-Minderung bis 2030 im Verkehrssektor umzusetzen, müsse die THG-Quote für das Jahr ebenfalls auf 35 Prozent angehoben werden. Grund dafür sind die innerhalb der RED erlaubten Mehrfachanrechnungen für das Inverkehrbringen erneuerbarer Kraftstoffe. Diese setzen laut VDA in der Hochlaufphase zwar einen Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energieträger, jedoch erzeugten sie eine Lücke zwischen virtuellem Klimaschutz zur Erfüllung der regulatorischen Zielvorgaben und realem Klimaschutz.

Der VDA fordert daher, dass Mehrfachanrechnungen in der nächsten RED-Revision stufenweise bis 2030 abgeschafft werden. Ausgenommen sind Wasserstoffproduktionsanlagen, da diese für den Hochlauf noch bis Ende der 2030er Jahre benötigten, so der VDA. luk

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Abwrackprämie: So soll Chinas E-Auto-Absatz auf zehn Millionen steigen

Chinas Abwrackprämie könnte den Gesamtabsatz von Elektroautos in diesem Jahr auf insgesamt mehr als zehn Millionen Stück steigern. Das erwartet der Fachdienst Bloomberg New Energy Finance (BNEF), nachdem Peking im Juli angekündigt hatte, die Subventionen des im April angekündigten Umtauschprogramms zu verdoppeln. Ursprünglich waren 11,2 Milliarden Yuan (rund 1,4 Milliarden Euro) für das Umtauschprogramm veranschlagt worden. Schon das sei genug gewesen, um bis zu 1,1 Millionen ältere Benziner durch Elektroautos zu ersetzen, schreibt BNEF-Analyst Siyi Mi in einem neuen Report.

Zwar wurde die neue Gesamthöhe des Abwrackprogramms bisher nicht bekanntgegeben. BNEF geht aber davon aus, dass die höheren Subventionen dazu führen könnten, dass noch einmal 1,1 Millionen zusätzliche Elektroautos verkauft werden. Insgesamt kämen somit durch das Programm 2,2 Millionen zusätzlich verkaufte E-Autos hinzu, was den Absatz auf die zehn Millionen steigern könnte.

Laut BNEF haben Chinas Autofahrer im Rahmen der Prämie zwischen Januar und Juni 2,78 Millionen Fahrzeuge verschrotten lassen, 28 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum – nicht alle wurden durch E-Autos ersetzt. Eine noch stärkere Inanspruchnahme der Abwrackprämie können die E-Auto-Hersteller gut gebrauchen, da sie unter Absatzschwäche, Überkapazitäten und einem anhaltenden Preiskrieg leiden. Nach der Erhöhung können Autokäufer nun 20.000 Yuan (gut 2.500 Euro) für die Verschrottung eines alten schadstoffintensiven Autos und dessen Ersatz durch ein E-Fahrzeug bekommen. Auch bei Inzahlungnahme eines sparsameren Benzinfahrzeugs erhalten sie noch 15.000 Yuan. Einige Städte bieten noch zusätzliche Prämien. ck

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Bioenergie: Branche freut sich auf neue Förderung 

Vertreter der Bioenergie-Branche haben zustimmend auf die Ankündigung eines “Biomassepakets” durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reagiert. “Wir begrüßen es sehr, dass der Bundeswirtschaftsminister die Bioenergie nun endlich stärker in den Blick nehmen möchte”, sagte Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. “Das ist ein wichtiges, wenn auch längst überfälliges Signal an tausende Biomasse-Anlagenbetreiber, die aktuell einer ungewissen Zukunft entgegenblicken.”  

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). “Biomasse ist eine unverzichtbare Flexibilitätsoption, um Schwankungen bei Wind- und Solarenergie auszugleichen“, kommentierte Verbandspräsidentin Simone Peter. “Die Ankündigung begrüßen wir daher ausdrücklich. Nun wird es auf die Ausgestaltung der Details ankommen.” Neue Förderregeln müssten zudem schnell beschlossen werden, forderte Peter, damit es nicht zu vielen Schließungen bestehender Anlagen komme. 

Kehrtwende von Habeck 

Wirtschaftsminister Habeck hatte sich in der Vergangenheit skeptisch zum Beitrag von Biogasanlagen für die Energiewende geäußert. Neuausschreibungen von Förderung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes waren zuletzt regelmäßig überzeichnet. Nun stellte Habeck jedoch wieder größere Subventionen in Aussicht. Der aus Biomasse erzeugte Strom soll nun vor allem Schwankungen in den Bereichen Wind- und Sonnenstrom ausgleichen. Derzeit liefern Biogasanlagen etwa neun Prozent der Stromproduktion in Deutschland.   

Gefördert werden sollen nach Auskunft einer Sprecherin des BMWK in Zukunft vorrangig Anlagen, die an Wärme- oder Gebäudenetze angeschlossen sind und flexibel auf Stromschwankungen reagieren können. Dabei sollen auch Anreize zu einem schnellen Wechsel des Fördermodells angeboten werden. Die 2022 eingeführte “Südquote”, die Anlagen in Süddeutschland bevorzugt, soll wieder abgeschafft werden. 

Keine Neuausrichtung der Biomassestrategie 

Im Gespräch mit Table.Briefings stellte die Sprecherin klar, dass das nun angekündigte “Biomassepaket” nicht direkt mit der bereits seit längerem diskutierten “Biomassestrategie” der Bundesregierung verknüpft ist. Zwar gebe es “Überlappungen”, der Einsatz von Futterpflanzen zur primären energetischen Verwertung sei aber nicht geplant.  

In der Biomassestrategie soll festgelegt werden, wie konkurrierende Interessen bei der Verwertung knapper nachwachsender Rohstoffe hierarchisiert werden. Laut einem Entwurf soll die energetische Verwertung von Biomasse im Rahmen eines “Kaskadenmodells” erst auf eine stoffliche Nutzung erfolgen. Dieser Ansatz wurde von der Bioenergiebranche kritisiert. av, has

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UN-Plastikabkommen: USA wollen Reduzierung von Kunststoffproduktion unterstützen 

Die USA wollen sich in den Verhandlungen um ein UN-Abkommen gegen Plastikmüll dafür einsetzen, dass das Regelwerk Vereinbarungen zur Reduzierung von Neumaterial enthält. Vergangene Woche hatte zunächst Reuters mit Verweis auf eine anonyme Quelle darüber berichtet. Das US-Außenministerium bestätigte die Informationen auf Anfrage von Table.Briefings. Bisher waren die USA dafür, dass Staaten selbst entscheiden, ob sie solche Regeln einführen. Die USA signalisierten zudem Unterstützung für international einheitliche Regeln zu schädlichen Chemikalien und vermeidbaren Plastikprodukten. 

Für Greenpeace USA ist die Entscheidung der US-Regierung ein “Wendepunkt im Kampf gegen die Plastikverschmutzung”. Für John Hocevar, Kampagnendirektor für Ozeane bei der Umweltorganisation, sind die neuen Entwicklungen “von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines einheitlichen Ansatzes, der zur Bewältigung der Kunststoffkrise erforderlich ist”.  

WWF sieht EU-Staaten am Zug 

Bislang waren die USA in den Verhandlungen – wie andere Staaten mit starker Fossilindustrie – auf besseres Abfallmanagement und Recycling fokussiert. Für ein wirksames Abkommen ist es laut Fachleuten aber notwendig, dass die weltweit neu produzierten Kunststoffmengen sinken. Ansonsten ließen sich die Schäden für Umwelt, Klima und menschliche Gesundheit nicht im nötigen Maß eindämmen. 

“Der Richtungswechsel der USA könnte großen Einfluss darauf haben, dass das Abkommen auch Vereinbarungen mit Wirkung auf die Neuproduktionsmengen enthalten wird”, vermutet Florian Titze vom WWF Deutschland. Für den Verhandlungsbeobachter kommt es aber auch darauf an, ob die EU geschlossen mitzieht. “Eine Allianz für eine ernst gemeinte Bedarfs- und Produktionsreduktion zwischen den USA, der EU und Staaten aus dem Globalen Süden, könnte ein entscheidender Faktor für ein mutiges und wirkungsvolles Abkommen sein”, ergänzt er.

Ende November beginnt im südkoreanischen Busan die vorerst letzte Verhandlungsrunde für das Abkommen. Trotz bereits vier abgehaltenen Treffen ist umstritten, wie weitreichend das Abkommen sein soll – das betrifft vor allem Regeln wie Verbote bestimmter Plastikprodukte oder Reduktionsziele für Neumaterial. Während sich ein Zusammenschluss aus 64 Staaten für ein ambitioniertes Abkommen einsetzt, sind Staaten wie Saudi-Arabien, Iran und Russland laut Beobachtern bislang als Bremser aufgetreten. nh 

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Doug Weir: Klima und Konflikte zusammendenken

Doug Weir: Direktor des “Conflict and Environment Observatory”.

Die Umwelt wird als stilles Opfer bewaffneter Konflikte häufig übersehen. Doug Weir will sie mehr in den Fokus der Sicherheitspolitik rücken. Er ist Direktor des Conflict and Environment Observatory (CEOBS), einer britischen Organisation, die das gesellschaftliche Bewusstsein für die ökologischen und humanitären Folgen von Konflikten und militärischen Aktivitäten schärfen will. Dabei forschen er und sein Team nicht nur zu den Umweltfolgen von Kriegen, sondern befassen sich auch mit der Rolle von Umweltfaktoren wie dem Klimawandel als Auslöser oder Treiber von Konflikten.

So war der Klimawandel beim Bürgerkrieg in Syrien, der seit 2011 tobt, einer der Auslöser: Aufgrund einer extremen Dürre zwischen 2007 und 2010, verstärkt durch den Klimawandel, brach im Nordosten Syriens das landwirtschaftliche System zusammen. Viele Familien verloren ihr landwirtschaftliches Einkommen und flüchteten in die Städte, wo zuvor schon irakische Flüchtlinge hingestrebt waren. Mit den steigenden Bevölkerungszahlen stieg auch die Konkurrenz um Ressourcen in den Städten. Das dürfte mit ein Grund für die Demonstrationen und Unruhen gewesen sein, die schließlich zum Bürgerkrieg führten, wie eine Studie im Fachmagazin PNAS 2015 zeigt.

Starker Fokus auf Russlands Angriffskrieg

Weir, im November 1976 im nordenglischen York geboren, studierte Geologie in Manchester und Zeitungsjournalismus in Sheffield. Während sein Interesse an der Umwelt bereits in Kindertagen begann, kam er zur militärischen Thematik eher zufällig durch seinen ersten Job: Nach dem Studium arbeitete er in einer Organisation, die sich gegen die Verbreitung von Atomwaffen einsetzte.

2011 gründete er das Toxic Remnants of War Project, das sich mit Umweltverschmutzung durch militärische Giftstoffe befasst. Fünf Jahre später beschlossen er und sein Team, das Projekt auszuweiten, und gründeten 2018 CEOBS. “Es gibt neue Instrumente, soziale Medien, Fernerkundung. Dadurch können wir die Zusammenhänge zwischen bewaffneten Konflikten und der Umwelt detaillierter untersuchen”, sagt er.

Das macht Weir aktuell besonders in Hinblick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Es sei wichtig, dass diese Forschung jetzt stattfindet, sagt er: “Wenn wir über die Umwelt sprechen, während der Konflikt stattfindet, können wir kohärenter reagieren und einen nachhaltigen Wiederaufbau planen. Zudem können wir den Prozess der Dokumentation von Umweltschäden verbessern.”

Dekarbonisierung des Militärs angehen

Wichtig ist Weir, dass der Diskurs darüber, wie die Emissionen des Militärsektors reduziert werden können, jetzt beginnt: “Es gibt keine magischen technischen Lösungen. Militärs sind in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig, und ihre Ausrüstung hat eine lange Lebensdauer.” Deshalb müsse man sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wie in Zukunft ausgemusterte Ausrüstung nachhaltig ersetzt werden könne.

Auch wenn Weir betont, dass das Militär niemals in sinnvollem Sinne nachhaltig sein werde, ist er optimistisch, dass der Sektor seine Umweltauswirkungen reduzieren kann – und plädiert deshalb für globale Standards für dessen Dekarbonisierung. Zudem müsse darüber “sowohl in Klima- als auch in Sicherheitsforen” gesprochen werden. Anouk Schlung

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Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    aktuell hat es der Klimaschutz nicht leicht. Der Haushaltsstreit zwischen SPD, Grünen und FDP wirkt sich einmal mehr auch auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus. Malte Kreutzfeldt hat sich angeschaut, ob diese fiskalische Wette aufgehen kann und was an langfristigen Kürzungen droht.

    Im Interview mit Lukas Bayer kritisiert Luisa Neubauer, dass in der Politik zwar das Geld immer mitgedacht werde. In Zeiten der Klimakrise bräuchte jede politische Entscheidung aber auch eine ökologische Einordnung, fordert die Klimaaktivistin. Neubauer übt scharfe Kritik an der FDP und Kanzler Olaf Scholz. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen appelliert sie an die Wählerinnen und Wähler, taktisch zu wählen, damit der Klimaschutz nicht aus den Parlamenten verschwindet.

    In der Kernfusion gab es in den letzten Monaten einige erfolgreiche Experimente. Doch laut Einschätzung der wissenschaftlichen Akademien dauert es noch mindestens zwei Jahrzehnte bis zum ersten Fusionskraftwerk, wie Tim Gabel berichtet. Auch hier spielt das knappe Geld eine große Rolle: Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern braucht die Forschung mehr finanzielle Förderung – Geld, das auch in anderen Bereichen der Energiewende dringend benötigt wird.

    Beste Grüße

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Interview

    Luisa Neubauer: “Ökologie nicht aus dem Landtag hinauswählen”

    Droht mit dem Rechtsruck ein Klima-Backlash? Bereits vor den Europawahlen warnte Luisa Neubauer davor, die Ökologie nicht aus den Parlamenten zu wählen.

    Frau Neubauer, in Ihrem neuen Buch “Der Klima-Atlas” stellen Sie gemeinsam mit zwei Co-Autoren 80 Karten und Grafiken für die Welt von morgen vor. Welche Karten würden Menschen am meisten überzeugen, die andere Themen gerade für wichtiger halten?

    Mein Ziel ist nicht, dass jeder Mensch das Klima als Thema Nummer Eins in seinem Leben verbucht. Der Anspruch ist, dass das Klima in den Entscheidungen mitgedacht wird – politisch wie persönlich. Ein Beispiel: Egal, welche politische Entscheidung getroffen wird, das Geld wird immer mitgedacht. Da findet eine finanzpolitische Einordnung statt. Jede politische Entscheidung bräuchte aber auch eine ökologische Einordnung. Im Atlas zeigen wir etwa, dass die Kosten für Klimaschutz viel geringer sind als der Schaden, der durch die Klimakatastrophe anfällt. Mit vielen Karten zeigen wir auch, dass die Klimakrise nicht ausweglos ist und welche Lösungswege es gibt.

    Wie sehen diese Lösungswege aus?

    Wir zeigen, wo Menschen wirksam sind. Da geht es um viel mehr als das Einkaufsverhalten. Da erleben wir eine so krasse mediale Verzerrung, die Klimaengagement auf Plastiktüten und Tofuwürstchen reduziert. Das ist weder ehrlich noch inspirierend. Maximal wirksam ist es beispielsweise auch, sich zu fragen, wo man arbeitet, wie man seine Stimme nutzt und ob man ein Vorbild für andere ist.

    Grafik nach Daten aus dem neuen Buch “Der Klima-Atlas: 80 Karten für die Welt von morgen” von Neubauer/Endt/Häntzschel

    Im September wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. AfD und BSW führen in den Umfragen. Droht ein Klima-Backlash – und was lässt sich auf Landesebene dagegen unternehmen?

    In den letzten vier Jahren haben viele politische Parteien vor dem Problem der Klimakrise die Augen verschlossen. Niemand erwartet, dass man Parteiprogramme der Grünen abschreibt. Aber ich erwarte, dass jede demokratische Partei einen authentischen Zugang zur Ökologie findet und ein ehrliches Verständnis für Krisenbewältigung. Das ist nicht eingetreten und das ist ein parteipolitisches Versagen. Das könnte in diversen Bundesländern große Kollateralschäden mit sich bringen – vor allem im Osten. Da muss man ehrlicherweise an die Wählerinnen und Wähler appellieren, taktisch zu wählen und die Ökologie nicht aus dem Landtag hinauszuwählen.

    Olaf Scholz ist als Klimakanzler angetreten. Seine Regierung konnte aber vor allem im Verkehrs- und Gebäudesektor kaum Fortschritte erzielen. Warum ist es so schwer, dort Fortschritte zu erzielen, wo das Leben vieler Menschen direkt betroffen ist?

    Im Klimaschutz gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Das eine ist das Anfangen, da können sich viele Leute gut einigen, mit mehr Solar und Wind, mehr ÖPNV und mehr Isolierung anzufangen. Aber wo es ums Aufhören geht, da gibt es eine Asymmetrie. Also aufhören mit immer neuen Flächenversiegelungen, aufhören mit immer größeren Versprechen von neuer Bebauung, ohne die ökologische Rechnung zu machen. Aufhören, fossilen Konzernen Lobbyvorrang zu geben. Aufhören, vor uralten Plänen irgendwelcher Autobahn-Erweiterungen einzuknicken.

    Die Bundesregierung wollte mit einem Klimageld einen sozial-ökologischen Ausgleich herbeiführen. Wie beurteilen Sie, dass es das Klimageld noch nicht gibt?

    Das ist natürlich eine Katastrophe. Ich glaube, einigen ist nicht klar, wie groß der Vertrauensverlust ohnehin schon ist. Da ist es überhaupt nicht hilfreich, die einfachsten Maßnahmen wie Klimageld oder Tempolimits zu unterlassen. Absurderweise wird das Klimageld ja vor allem von denen verhindert, die gern durchs Land ziehen und meinen, Klimaschutz sei so ungerecht. Da merkt man natürlich auch die große Bereitschaft vor allem der Liberalen, den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Regierung aufs Spiel zu setzen.

    Welche Maßnahmen erwarten Sie nun von Politik und Wirtschaft? 

    Derzeit handeln Politik und Wirtschaft gegen die Menschheit und gegen die Klimaziele. Politiker und Unternehmer, die nicht bewusst auf intakte Lebensgrundlagen hinarbeiten, arbeiten unweigerlich gegen intakte Lebensgrundlagen an. Offensichtlich gibt es hier mehrere Lager. Es gibt die einen, die verstanden haben, was los ist und die Wirtschaft transformieren wollen. Sie haben verstanden, dass niemand auf Deutschland wartet und die Weichen schon in Richtung Ökologie gestellt sind. Und auch in der Politik gibt es diejenigen, die sich zumindest theoretisch für Klimaschutz einsetzen. Es gibt aber bis heute Teile der Politik – und da würde ich den Kanzler mit einschließen -, die sich an der Illusion festgebissen haben, dass die Welt auf unsere Zögerlichkeit Rücksicht nehmen würde.

    Klimaschutz ist je nach Umfrage zwar immer noch unter den Top-Themen, die Sorge um gestiegene Preise, Migration und Rechtsruck überlagern die Klimadebatte aber. Warum gelingt es der Klimabewegung nicht, dieses Jahrhundertproblem im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu halten?

    Ich möchte einen fundamentalen Widerspruch zu dieser Frage in den Raum werfen. Ich halte es für eine journalistische Verantwortungslosigkeit, dass man ausgerechnet beim Klimaschutz eine Berechtigung durch mehrheitliches Interesse fordert. Auch wenn niemand in ganz Deutschland überzeugt wäre, dass es mehr Klimaschutz bräuchte, steht die Regierung in der verfassungsgemäßen Pflicht, die Klimaziele einzuhalten. Jetzt die Klimabewegung darauf festzunageln, Mehrheiten für Klimaschutz zu organisieren, ist in meinen Augen ein Ablenkungsmanöver – ob bewusst oder unbewusst. Mehrheiten zu organisieren, das sollte die Aufgabe des Kanzlers sein. Aber es ist natürlich schwerer, wenn man Menschen erst gegen Klimaschutz aufgebracht hat, sie dann dafür zu begeistern und für Maßnahmen zu werben.

    Luisa Neubauer ist das bekannteste Gesicht der deutschen “Fridays for Future”-Bewegung. Die 28-Jährige ist studierte Geografin, gründete 2018 Fridays for Future in Deutschland mit und publizierte mehrere Bücher. Am 13. August ist ihr neuestes Buch – ein “Klima-Atlas” mit 80 Karten für die Welt von morgen – im Rowohlt-Verlag erschienen. Co-Autoren sind der Datenjournalist Christian Endt (Zeit Online) und der Illustrator Ole Häntzschel.

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    Analyse

    Klimaschutz-Finanzierung: Wie das Prinzip Hoffnung den KTF regiert

    Hofft, auch in Zukunft mit der Wiedervernässung von Mooren das Klima schützen zu können: Steffi Lemke in einem renaturierten Moor in Frohnau bei Berlin.

    Steffi Lemke gab sich am Mittwoch erleichtert: Das “Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz” bleibe von weiteren Kürzungen verschont, verkündete die Bundesumweltministerin. Rund 3,5 Milliarden Euro stehen für den Zeitraum von 2023 bis 2028 zur Verfügung. “Das Aktionsprogramm ist und bleibt damit die größte Förderung für den Schutz von Natur und Klima, die es jemals in Deutschland gab”, sagte Lemke. Finanziert werden daraus Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, der klimagerechte Umbau von Wäldern oder die Schaffung naturnaher Grünflächen in Städten. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zeigte sich erfreut, dass der Klima- und Transformationsfonds (KTF) Forstwirten “Planungssicherheit auf hohem Niveau” biete, indem 100 Millionen Euro pro Jahr für den Waldumbau bereitgestellt werden.

    Globale Minderausgabe von neun Milliarden

    Doch ob die Freude gerechtfertigt ist, ist unklar. Denn die genannten Summen finden sich zwar tatsächlich im Haushaltsplan für den KTF, aus dem viele Klimaschutzmaßnahmen der Regierung finanziert werden. Dass sie komplett fließen können, ist aber keineswegs gesichert. Denn (wie bereits berichtet) findet sich im KTF-Haushaltsplan (Übersicht in diesem pdf auf Seite 5) eine sogenannte globale Minderausgabe, die mit neun Milliarden Euro mehr als ein Viertel der geplanten Gesamtausgaben ausmacht.

    Würden alle Ressorts die von ihnen bewirtschafteten Titel komplett ausschöpfen, gäbe es am Ende des Jahres also einen Fehlbetrag von neun Milliarden Euro, der über zusätzliche Schulden gedeckt werden müsste – was aufgrund der in der Verfassung festgeschriebenen Schuldenbremse gar nicht möglich ist. Das für die Einhaltung der Haushaltsregeln zuständige Bundesfinanzministerium wird diese Situation also auf jeden Fall vermeiden wollen.

    Die Annahme: Ein Viertel der Mittel werden nicht ausgegeben

    Doch die Frage, wie verhindert werden soll, dass mehr als drei Viertel der insgesamt eingeplanten Gelder ausgegeben werden, blieb am Mittwoch unbeantwortet. “Eine globale Minderausgabe ist ein übliches Mittel in der Haushaltsplanung”, teilte eine Sprecherin Table.Briefings lediglich mit. “Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass die neun Milliarden Euro im Haushaltsvollzug aufgelöst werden können.” Das Haus von Christian Lindner setzt also darauf, dass ein Viertel der insgesamt eingeplanten Gelder nicht ausgegeben wird.

    Wenn man auf die Vergangenheit schaut, scheint diese Hoffnung nicht so ungerechtfertigt: Bisher war der Mittelabfluss aus dem KTF noch deutlich schlechter; im Jahr 2023 etwa wurden nur 56 Prozent der eingeplanten Gelder ausgegeben. Doch dass das auch im Jahr 2025 so sein wird, ist damit keineswegs gesagt. Zum einen ist das Volumen vieler Programme nach dem Haushaltsurteil vom vergangenen November ohnehin schon reduziert worden; zum anderen war der schlechte Mittelabfluss 2023 in vielen Fällen damit begründet worden, dass Förderrichtlinien nicht rechtzeitig fertiggestellt worden waren – ein Problem, das mittlerweile gelöst sein sollte.

    Verringert würden die Finanzprobleme im nächsten Jahr auch, wenn der KTF bereits im laufenden Jahr 2024 nicht ausgeschöpft würde – denn derzeit ist es noch so, dass unverbrauchte Mittel als “globale Mehreinnahme” ins Folgejahr übertragen werden. In gewissem Umfang ist das allerdings bereits vorgesehen: Im Haushaltsplan für 2025 sind als globale Mehreinnahme drei Milliarden Euro eingeplant; laut BMF entspricht dies “den – zum Zeitpunkt des Beschlusses des Entwurfs – erwarteten Minderausgaben im Jahr zuvor”. Bei Programmausgaben von rund 38 Milliarden Euro (ohne die EEG-Kosten, die nur im Jahr 2024 aus dem KTF bezahlt wurden) ergäbe das eine Ausgabenquote von über 90 Prozent. Würde 2024 noch deutlich weniger Geld ausgegeben, wäre die Lücke 2025 naturgemäß kleiner als derzeit geplant – dann könnte der Haushaltsplan doch noch aufgehen.

    Während der Finanzminister also hoffen muss, dass weiterhin ein erheblicher Teil der vorgesehenen Gelder nicht ausgegeben wird, geben sich die Fachministerien optimistisch, dass der Mittelabfluss deutlich besser wird. Bei der Gebäudeeffizienz etwa, die in diesem Jahr mit einem Budget von 16,7 Milliarden Euro den größten Posten unter den Programmausgaben bildet, sei aktuell bereits mehr als die Hälfte der Gelder abgeflossen, teilte das BMWK mit. Weil die Auszahlungen für die Heizungsförderung erst im September beginnen, werde zudem damit gerechnet, dass der Mittelabfluss “zum Herbst noch einmal anziehen wird”. Aus dem BMU hieß es, man rechne damit, dass die eingeplanten Gelder für den natürlichen Klimaschutz im nächsten Jahr komplett ausgegeben werden.

    Richtig schwierig wird es ab 2026

    Trotzdem ist für 2025 zumindest denkbar, dass der Haushaltsplan aufgeht, wenn sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr ein Teil der Gelder weiterhin nicht abgerufen wird. Noch sehr viel dramatischer wird die Lage aber in den Jahren danach. Denn im Jahr 2026 dürfte es keine Übertragung von Restgeldern aus dem Vorjahr mehr geben – diese werden dann ja von der globalen Minderausgabe abgeschöpft. Gleichzeitig müssen die Ausgaben in vielen Bereichen eigentlich deutlich steigen, um das Klimaziel des Jahres 2030 noch erreichen zu können. Zwar wachsen in den nächsten Jahren auch die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung; der langfristige KTF-Finanzplan sieht dafür nach 19 Milliarden Euro in diesem Jahr für 2026 rund 24 und für 2028 knapp 30 Milliarden Euro vor. Doch eigentlich ist bisher angekündigt, zumindest diese Mehreinnahmen für ein Klimageld zu verwenden, das an die Bevölkerung ausgezahlt wird.

    Im Haushaltsplan, den das Kabinett gerade verabschiedet hat, ist stattdessen aber vorgesehen, dass ab 2027 mehr als sechs Milliarden Euro aus dem KTF an den normalen Haushalt abgeführt werden. Zusammen mit der in diesen Jahren weiterhin vorgesehenen globalen Minderausgabe von neun Milliarden Euro müsste das selbst ohne Klimageld zu einer deutlichen Unterdeckung führen. Doch dieses Langfrist-Szenario dürfte in dieser Form ohnehin kaum eintreten – sondern eher als Hinweis für die nächste Regierung dienen, sich möglichst frühzeitig um ein neues Konzept für die Finanzierung der Transformation zu kümmern.

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    Fusionsforschung: Akademien-Papier offenbart politisches Dilemma

    Bei einem Laserfusionsexperiment an der National Ignition Facility (NIF) in den USA wurde 2021 zum ersten Mal in einer kontrollierten Fusionsreaktion im Labor die physikalische Bedingung für die Zündung einer Fusionsreaktion erreicht.

    Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des neuen Akademien-Papiers zur Kernfusion lässt sich streiten. Die Qualität des Impulses “Kernfusion als Baustein einer klimaneutralen Energieversorgung? Chancen, Herausforderungen, Zeithorizonte” hätte es verdient gehabt, mehr Aufmerksamkeit zu generieren als im Sommerloch mutmaßlich möglich ist. Denn die fundierte Bestandsaufnahme von Leopoldina, Acatech und der Akademien-Union fasst das Dilemma und die Unsicherheiten, mit denen die heutige Forschungs- und Energiepolitik mit Blick auf die Kernfusion umgehen muss, analytisch und fundiert zusammen.

    Die Technologie, so das Fazit des Papiers, kommt für den akuten Kampf gegen den Klimawandel zu spät, braucht aber in naher Zukunft gewaltige finanzielle Mittel. Nur so könnten Forschung und Entwicklung zügig weiter vorangebracht werden, damit Kernfusion überhaupt noch in diesem Jahrhundert – zum Beispiel als Ersatz bisheriger Grundlastkraftwerke – eingesetzt werden kann. “Eine Notwendigkeit für eine sichere und verlässliche Energieversorgung der Zukunft stellen sie nach heutigem Kenntnisstand laut Systemstudien jedoch nicht dar”, schreiben die Autoren.

    Kernfusion kann zur Erreichung der Klimaziele nicht beitragen

    Wegen der noch erforderlichen Entwicklungsarbeiten halten Experten ein erstes Fusionskraftwerk frühestens 2045 bis 2050 für realistisch, heißt es in dem Papier, “wobei keine Gewähr für eine erfolgreiche Umsetzung besteht”. Zum Erreichen der deutschen und europäischen Klimaziele 2045/50 wird Kernfusion “aller Voraussicht nach nicht beitragen”. Gleichzeitig handele es sich um eine komplexe und forschungsintensive Technologie, die über die bereits erfolgte umfangreiche Förderung hinaus nur mit weiteren “erheblichen Forschungsmitteln aus dem staatlichen wie privaten Bereich realisiert werden kann”.

    Am wahrscheinlichsten sei der Einsatz von Kernfusions-Kraftwerken in Regionen mit einer hohen und stetigen Nachfrage, beispielsweise in dicht besiedelten Gegenden und Industriezentren. Auch ein Beitrag zur Herstellung von grünem Wasserstoff und seiner Derivate in Deutschland beziehungsweise innerhalb Europas sei möglich. In Ländern, die in ihrem Energiesystem weiterhin verstärkt auf Großkraftwerke setzen werden, “könnten Fusionskraftwerke insbesondere die Kernkraftwerke sukzessive ersetzen” – mit dem Vorteil, dass keine Endlager benötigt würden und der Betrieb von Fusionskraftwerken weniger riskant sei.

    Große Potenziale, noch größere Unwägbarkeiten

    Das Ziel der Kernfusionsforschung “ist eine klimafreundliche und kontinuierlich verfügbare Energiequelle mit geringem Flächenbedarf”, schreiben die Autoren. Voraussetzung dafür sei aber auch, dass sich die Kernfusion “gegenüber erneuerbaren Energien und anderen emissionsarmen Technologien am Strommarkt durchsetzen könnte“. Das wiederum hänge von den Kosten ab, zu denen Fusionskraftwerke Strom bereitstellen würden. Die Akademien zitieren aktuelle Systemstudien, die davon ausgehen, Fusionsstrom lohnt sich nur dann, wenn die Kosten im unteren Bereich des derzeitigen Prognosekorridors liegen. Alle Abschätzungen seien aktuell aber mit hohen Unsicherheiten verbunden.

    Geht man – trotz aller Unwägbarkeiten – optimistisch davon aus, dass Fusion Teil des klimaneutralen Energiesystems der Zukunft sein kann, sehen die Akademien durchaus große Chancen für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit in dem Bereich. Brennstoffe könnten vor Ort hergestellt werden, was die Abhängigkeit von energieexportierenden Ländern reduzieren würde. Mit dem generierten Wissen und den entwickelten Bauteilen könnten deutsche Start-ups neue Exportmärkte erschließen. Darüber hinaus lägen “einnahmenrelevante Potenziale” auch in anderen Anwendungsfeldern wie der Medizin, Optik, Diagnostik, Robotik und Raumfahrt.

    Entwicklung: Zahlreiche praktische Herausforderungen

    Mit Blick auf die Entwicklung der Technologie sei es bis zu einem ersten regulären Kraftwerk noch ein weiter Weg. Die physikalischen Grundlagen der Kernfusion seien verstanden. Bisher gebe es für keines der bestehenden Fusionskonzepte einen Prototyp und vor einem Kraftwerksbetrieb seien noch zahlreiche praktische Herausforderungen zu lösen: Dazu zählen die Steigerung der Energieausbeute, die Herstellung des Brennstoffs Tritium sowie die Entwicklung besonders widerstandsfähiger Materialien für die sogenannte “First Wall” und hochleistungsfähige Laser.

    Zu einer finalen Bewertung, ob die Magnet- oder die Trägheitsfusion im Wettbewerb der technologischen Ansätze die Nase vorn haben, lassen sich die Akademien in ihrem Papier nicht hinreißen. Vor allem die Leopoldina hatte in der Vergangenheit für eine Konzentration auf die Magnetfusion geworben und war für eine Schieflage bei der Auswahl der Experten kritisiert worden. Acatech-Präsident Jan Wörner hingegen hatte Anfang des Jahres im Gespräch mit Table.Briefings gesagt, dass es für eine Entscheidung zu früh sei.

    Technologischer Reifegrad bei der Magnetfusion höher

    Im aktuellen Papier gehen die Akademien analytischer vor: Eine Bestandsaufnahme unterschiedlicher Technologiereifegrade (TLR 1 bis 9; 9 = Qualifiziertes System mit Nachweis des erfolgreichen Einsatzes) zeichnet ein differenziertes Bild. Im Bereich der Magnetfusion wird aktuell dem Tokamak ein etwas höherer Stand der Technik zugeordnet (TLR 4 bis 5 = Versuchsaufbau im Labormaßstab oder in einer relevanten Einsatzumgebung) als dem Stellarator, weil mit ihm “bisher im Vergleich zum Stellarator höhere Werte des Tripelprodukts und eine höhere technologische Reife erreicht wurde”.

    Die Ansätze in der Laserfusion seien unterschiedlich weit fortgeschritten: Mit TRL 3 (Nachweis der Funktionsfähigkeit des Konzepts) am weitesten ist demnach das Indirect-drive-Verfahren. Während die Trägheitsfusion bei der technologischen Reife also hinterherhinkt, hat sie die Nase in Sachen Lawson-Kriterium vorn. Beim viel zitierten Laserfusionsexperiment an der National Ignition Facility (NIF) in den USA wurde erstmals mehr Wärmeenergie frei, als in eine Fusionsreaktion hineingesteckt wurde. Allerdings ist hier die Energie, die für den Laserbetrieb benötigt wird, nicht einkalkuliert (siehe Grafik).

    Fazit: Forschung fortsetzen, bei Erneuerbaren nicht nachlassen

    Nach Abwägung aller Chancen und Herausforderungen kommen die Experten zu dem Schluss, dass es sinnvoll sei, die Forschung an der Kernfusion fortzusetzen, ohne bei der Entwicklung und dem Aufbau eines klimafreundlichen Energiesystems, insbesondere unter Nutzung erneuerbarer Energien, nachzulassen. Man dürfe nicht auf die Kernfusion warten: “Das Engagement für die Kernfusion darf also die anderweitigen Bemühungen für ein klimaneutrales Energiesystem nicht einschränken, sondern sollte diese ergänzen.”

    Angesichts der prognostizierten Mittelkürzungen für Energieforschung im Haushalt keine leichte Aufgabe für die Politik, die in der aktuellen Regierungskonstellation auch unterschiedliche Interessen und Ansätze im Forschungs- und Energieressort aushandeln muss. Einige konkrete Aufgabenstellungen liefern die Akademien als wissenschaftliche Beratungsleistung an die Politik mit: Eine “möglichst frühzeitige und vorausschauende Etablierung der regulatorischen Grundlagen” könne Investitionsrisiken senken und so private Investoren anlocken. Zudem sei es unerlässlich, die Kernfusion in die öffentliche Debatte zu bringen, um eine “aktive Teilhabe an den zukünftigen Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen zu ermöglichen”.

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    Termine

    22. August, 10 Uhr, Online
    Webinar Integration of Gender in LT-LEDS and NDCs
    Wie kann die Dimension Gender in Nationale Klimaziele (NDCs) sowie langfristige emissionsarme Entwicklungspfade und Entwicklungsprioritäten (LT-LEDS) eingebunden werden? Damit beschäftigt sich das Webinar des UNFCCC. Infos

    24. August, Leipzig
    Messe Klimafair
    Eine Woche vor den Landtagswahlen will die Klimamesse in Leipzig nicht nur über Klimaschutz aufklären, sondern auch mit Kandidatinnen und Kandidaten über ihre Klimapläne diskutieren. Infos

    25. bis 29. August, Stockholm
    Aktionswoche World Water Week 2024
    Die Aktionswoche zum Thema Wasser findet in diesem Jahr unter dem Motto “Bridging Borders: Water for a Peaceful and Sustainable Future” statt. Infos

    27. bis 29. August, Winterthur
    Konferenz Swiss Green Economy Symposium
    Unter dem Motto “Gemeinsam Konflikte lösen” findet die Schweizer Wirtschafts- und Nachhaltigkeitskonferenz statt. Infos

    27. August, 18 Uhr, Online
    Diskussion Der Wettbewerb um kritische Rohstoffe in Ländern des Globalen Südens
    Kritische Rohstoffe sind für die Energiewende essenziell. Bei diesem Webinar der Friedrich-Naumann-Stiftung wird über geoökonomischen Folgen von Rohstoffpolitik diskutiert. Infos

    27. August, 19.30 Uhr, Köln
    Diskussion Kann die Wirtschaft die Erde retten? Mit der Gemeinwohl-Ökonomie unsere Naturressourcen bewahren
    Klimawandel, Artensterben, Ressourcenknappheit – die Menschheit geht mitunter achtlos mit dem Planeten um. Auf der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung wird darüber diskutiert, ob Gemeinwohl-Ökonomie ein nützlicher Ansatz zum achtsameren Umgang mit Ressourcen sein könnte. Infos

    28. August, 9 Uhr, Recklinghausen
    Fachforum Gewässer im Klimawandel – Grundwasser
    Schwerpunkte dieses hybriden Fachforums der Natur- und Umweltschutzakademie sind die Grundwasserschwankungen durch den Klimawandel, ihre Folgen für die Wasserwirtschaft, die Landwirtschaft und die Trinkwasserverfügbarkeit sowie Best-Practice-Beispiele von Maßnahmen im Umgang mit diesen Herausforderungen. Infos

    28. August, 12 Uhr, Online
    Webinar How can the NCQG deliver on Loss and Damage?
    Das Paris Committee on Capacity-building (PCCB) veranstaltet dieses Webinar zur Frage, wie das neue, internationale Klimafinanzziel (NCQG) zur Bekämpfung von Schäden und Verlusten beitragen kann. Infos

    News

    Klima in Zahlen: Steuer-Billionen für Fossile

    Nach einer aktuellen Studie für das Bundeswirtschaftsministerium enthielt der Bundeshaushalt 2020 etwa 35,8 Milliarden Euro an staatlichen Begünstigungen, die die klimaschädlichen Emissionen des Landes erhöhen. Weltweit beliefen sich die direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe auf rund 7.000 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 – also sieben Billionen US-Dollar. Das sind etwa sieben Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und zwei Billionen US-Dollar mehr als noch 2020. Darin spiegelt sich vor allem die Lage nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs wider.

    Den mit etwa 80 Prozent größten Teil dieser Rechnung, die der Internationale Währungsfonds zusammengestellt hat, machen nicht direkte Staatshilfen aus – sondern die Tatsache, dass die Schäden für Gesundheit und Umwelt durch die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas von der Allgemeinheit getragen werden. Was faktisch wie eine Staatshilfe für die dreckigen Industrien wirkt. Größter Verschmutzer und teuerste Schadensquelle war damit die Kohle, gefolgt von Diesel und Benzin. Die Verbrennung von Gas, das mit weniger CO₂-Ausstoß verbrennt, wurde weltweit “nur” mit etwa 500 US-Dollar Milliarden bezuschusst.

    Zur Erinnerung: Die UN-Staaten haben auf der COP28 in Dubai beschlossen, sich von den “fossilen Brennstoffen in einem Übergang wegzubewegen”. Und die G7-Staaten haben vereinbart, bis 2025 ihre “ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe” zu beenden. bpo

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    Klimaziele: Österreich will klimaschädliche Subventionen abschaffen

    Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat am Dienstag den lang erwarteten nationalen Energie und Klimaplan vorgestellt (NECP). Der Plan skizziert, wie Österreich das Klimaziel von 48 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 im Vergleich zu 2005 erreichen soll.

    Der Plan sieht vor:

    • klimaschädliche Subventionen abzuschaffen
    • Heizungstausch und Sanierung von Gebäuden bis 2030 weiter zu fördern
    • Wasserstoffproduktion für die Verwendung in der heimischen Industrie “massiv auszubauen”
    • Unvermeidbare Emissionen aus der Industrie durch “Carbon Capture and Storage” im Boden zu speichern

    Abschaffung des Dieselprivilegs noch nicht konkretisiert

    Gewessler betonte bei der Vorstellung am Dienstag, vor allem mit der Abschaffung des Steuerprivilegs für Dieselkraftstoff sowie der Steuervorteile für Dienstwägen mindestens zwei Millionen Tonnen CO₂ jährlich einsparen zu wollen. Allerdings sind die konkreten Maßnahmen zur Abschaffung klimaschädlicher Subventionen nicht genau definiert. Es soll lediglich einen Fahrplan geben, um “kontraproduktive Anreize” zu reduzieren, für den das Finanzministerium zuständig ist.

    Es ist daher fraglich, ob konkrete Maßnahmen wie die Abschaffung des Dieselprivilegs noch in dieser Legislatur durchgesetzt werden können. Österreich wählt am 29. September einen neuen Nationalrat. Zwar ist der Klimaplan auch für die nächste Regierung in Wien bindend, jedoch keine konkreten Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Subventionen.

    Die EU-Kommission prüft nun Österreichs NECP und macht Anmerkungen, ob die Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele ausreichen. Anschließend muss Wien den Plan entsprechend überarbeiten und die finale Version einreichen. luk   

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    Energiewende: So verlagert China den Fokus von Kohle auf Atom

    China hat im ersten Halbjahr 2024 14 neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 10,3 Gigawatt genehmigt, wie eine neue Erhebung von Greenpeace Ostasien zeigt. Demnach wurden 80 Prozent weniger neue Kohlekraftwerke genehmigt als im ersten Halbjahr 2023. Die beiden vergangenen Jahre hatte China zusammengerechnet fast 200 Gigawatt an neuer Kohlekraftwerkskapazität genehmigt. Gao Yuhe, der Projektleiter von Greenpeace Ostasien, hofft, dass der Einbruch bei den Genehmigungen “vielleicht einen Wendepunkt” darstellt.

    Im vergangenen Jahr stieg der Kohleverbrauch in der Volksrepublik um sechs Prozent an. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht dennoch davon aus, dass China in den kommenden Jahren einen Höchststand beim Kohleverbrauch erreichen und die Nachfrage dann absinken wird. Schon heute kann der schnelle Zubau erneuerbarer Energien einen Großteil der zusätzlichen Stromnachfrage decken.

    Elf neue Atomreaktoren genehmigt

    Gleichzeitig hat China jüngst fünf neue Kernenergie-Projekte mit Gesamtinvestitionen von rund 200 Milliarden Yuan (gut 25 Milliarden Euro) genehmigt. Wie die South China Morning Post am Dienstag berichtete, umfassen diese vom Staatsrat genehmigten Projekte elf neue Atomreaktoren in den Küstenprovinzen Shandong, Zhejiang, Jiangsu und Guangdong, sowie in der autonomen Region Guangxi. Seit 2019 hatte Peking nicht mehr so viele Anlagen auf einmal genehmigt. 2023 und 2022 hatte der Staatsrat je zehn Reaktoren genehmigt.

    Die Investitionen sind seit 2019 von Jahr zu Jahr gestiegen. Mit den neuen Genehmigungen beschleunigt China den Aufbau der Atomkraft also weiter. Die Regierung zählt sie zu den klimafreundlichen Energien, die sie zum Erreichen der Klimaziele braucht. Trotzdem stockt der Bau immer wieder.

    2023 nahm China nach lokalen Berichten zwei neue Reaktorblöcke in Betrieb, sowie im Laufe dieses Jahres bereits fünf. Damit betreibe China derzeit 55 Atomreaktoren mit einer installierten Nennleistung von 57 Gigawatt. Das sei Rang 3 hinter den USA und Frankreich. Die Atomkraftwerke erzeugten laut der South China Morning Post im vergangenen Jahr 433,3 Milliarden Kilowattstunden Strom und trugen damit rund fünf Prozent zur Stromversorgung des Landes bei. 36 Atomreaktoren seien zudem derzeit im Bau. Damit verfüge China nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua über die weltweit größte Baupipeline für Kernkraftwerke. ck/nib

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    Straßenverkehr: Industrie fordert E-Fuel-Quote für Bestandsfahrzeuge

    Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht sich für eine Mindestquote für synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, sowie Wasserstoff im Straßenverkehr aus. “Selbst wenn das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erfüllt wird, fahren dann immer noch mindestens 40 Millionen Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren auf deutschen Straßen”, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Um auch diese Bestandsfahrzeuge zu “defossilisieren” fordert der Verband eine Mindestquote für E-Fuels von fünf Prozent für das Jahr 2030.

    Bislang legt die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU (RED III) für 2030 eine Quote von einem Prozent für den gesamten Verkehrssektor für erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (RFNBO) fest. In einem Positionspapier zur nationalen Umsetzung der RED III fordert der VDA die Anpassung der Quoten im Rahmen der vorgesehenen Revision des Gesetzes im Jahr 2027.

    VDA kritisiert fehlenden THG-Reduktionspfad für Straßenverkehr

    Außerdem fordert der VDA:

    • Eine Treibhausgasemissionsminderung von 35 Prozent
    • Mehrfachanrechnungen bis 2030 schrittweise abschaffen (außer bei Wasserstoff)
    • Planungshorizont inklusive Zwischenziele für Straßenverkehrssektor bis zur Klimaneutralität Deutschlands 2045
    • Keine fossilen Kraftstoffe an deutschen Tankstellen ab 2045

    Der VDA kritisiert, dass die RED zwar für den Schiffs- und Flugverkehr langfristige Treibhausgas-Reduktionspfade und Zwischenziele vorgibt, nicht aber für den Straßenverkehr. Dies hemme die Investitions- und Planungssicherheit. Der Verband fordert daher eine THG-Minderung durch den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe im Straßenverkehr von 60 Prozent bis 2035, 90 Prozent bis 2040 und 100 Prozent bis 2045.

    RED-Vorgaben nicht ambitioniert genug

    Um das Ziel von 30 Prozent THG-Minderung bis 2030 im Verkehrssektor umzusetzen, müsse die THG-Quote für das Jahr ebenfalls auf 35 Prozent angehoben werden. Grund dafür sind die innerhalb der RED erlaubten Mehrfachanrechnungen für das Inverkehrbringen erneuerbarer Kraftstoffe. Diese setzen laut VDA in der Hochlaufphase zwar einen Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energieträger, jedoch erzeugten sie eine Lücke zwischen virtuellem Klimaschutz zur Erfüllung der regulatorischen Zielvorgaben und realem Klimaschutz.

    Der VDA fordert daher, dass Mehrfachanrechnungen in der nächsten RED-Revision stufenweise bis 2030 abgeschafft werden. Ausgenommen sind Wasserstoffproduktionsanlagen, da diese für den Hochlauf noch bis Ende der 2030er Jahre benötigten, so der VDA. luk

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    Abwrackprämie: So soll Chinas E-Auto-Absatz auf zehn Millionen steigen

    Chinas Abwrackprämie könnte den Gesamtabsatz von Elektroautos in diesem Jahr auf insgesamt mehr als zehn Millionen Stück steigern. Das erwartet der Fachdienst Bloomberg New Energy Finance (BNEF), nachdem Peking im Juli angekündigt hatte, die Subventionen des im April angekündigten Umtauschprogramms zu verdoppeln. Ursprünglich waren 11,2 Milliarden Yuan (rund 1,4 Milliarden Euro) für das Umtauschprogramm veranschlagt worden. Schon das sei genug gewesen, um bis zu 1,1 Millionen ältere Benziner durch Elektroautos zu ersetzen, schreibt BNEF-Analyst Siyi Mi in einem neuen Report.

    Zwar wurde die neue Gesamthöhe des Abwrackprogramms bisher nicht bekanntgegeben. BNEF geht aber davon aus, dass die höheren Subventionen dazu führen könnten, dass noch einmal 1,1 Millionen zusätzliche Elektroautos verkauft werden. Insgesamt kämen somit durch das Programm 2,2 Millionen zusätzlich verkaufte E-Autos hinzu, was den Absatz auf die zehn Millionen steigern könnte.

    Laut BNEF haben Chinas Autofahrer im Rahmen der Prämie zwischen Januar und Juni 2,78 Millionen Fahrzeuge verschrotten lassen, 28 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum – nicht alle wurden durch E-Autos ersetzt. Eine noch stärkere Inanspruchnahme der Abwrackprämie können die E-Auto-Hersteller gut gebrauchen, da sie unter Absatzschwäche, Überkapazitäten und einem anhaltenden Preiskrieg leiden. Nach der Erhöhung können Autokäufer nun 20.000 Yuan (gut 2.500 Euro) für die Verschrottung eines alten schadstoffintensiven Autos und dessen Ersatz durch ein E-Fahrzeug bekommen. Auch bei Inzahlungnahme eines sparsameren Benzinfahrzeugs erhalten sie noch 15.000 Yuan. Einige Städte bieten noch zusätzliche Prämien. ck

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    Bioenergie: Branche freut sich auf neue Förderung 

    Vertreter der Bioenergie-Branche haben zustimmend auf die Ankündigung eines “Biomassepakets” durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reagiert. “Wir begrüßen es sehr, dass der Bundeswirtschaftsminister die Bioenergie nun endlich stärker in den Blick nehmen möchte”, sagte Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. “Das ist ein wichtiges, wenn auch längst überfälliges Signal an tausende Biomasse-Anlagenbetreiber, die aktuell einer ungewissen Zukunft entgegenblicken.”  

    Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). “Biomasse ist eine unverzichtbare Flexibilitätsoption, um Schwankungen bei Wind- und Solarenergie auszugleichen“, kommentierte Verbandspräsidentin Simone Peter. “Die Ankündigung begrüßen wir daher ausdrücklich. Nun wird es auf die Ausgestaltung der Details ankommen.” Neue Förderregeln müssten zudem schnell beschlossen werden, forderte Peter, damit es nicht zu vielen Schließungen bestehender Anlagen komme. 

    Kehrtwende von Habeck 

    Wirtschaftsminister Habeck hatte sich in der Vergangenheit skeptisch zum Beitrag von Biogasanlagen für die Energiewende geäußert. Neuausschreibungen von Förderung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes waren zuletzt regelmäßig überzeichnet. Nun stellte Habeck jedoch wieder größere Subventionen in Aussicht. Der aus Biomasse erzeugte Strom soll nun vor allem Schwankungen in den Bereichen Wind- und Sonnenstrom ausgleichen. Derzeit liefern Biogasanlagen etwa neun Prozent der Stromproduktion in Deutschland.   

    Gefördert werden sollen nach Auskunft einer Sprecherin des BMWK in Zukunft vorrangig Anlagen, die an Wärme- oder Gebäudenetze angeschlossen sind und flexibel auf Stromschwankungen reagieren können. Dabei sollen auch Anreize zu einem schnellen Wechsel des Fördermodells angeboten werden. Die 2022 eingeführte “Südquote”, die Anlagen in Süddeutschland bevorzugt, soll wieder abgeschafft werden. 

    Keine Neuausrichtung der Biomassestrategie 

    Im Gespräch mit Table.Briefings stellte die Sprecherin klar, dass das nun angekündigte “Biomassepaket” nicht direkt mit der bereits seit längerem diskutierten “Biomassestrategie” der Bundesregierung verknüpft ist. Zwar gebe es “Überlappungen”, der Einsatz von Futterpflanzen zur primären energetischen Verwertung sei aber nicht geplant.  

    In der Biomassestrategie soll festgelegt werden, wie konkurrierende Interessen bei der Verwertung knapper nachwachsender Rohstoffe hierarchisiert werden. Laut einem Entwurf soll die energetische Verwertung von Biomasse im Rahmen eines “Kaskadenmodells” erst auf eine stoffliche Nutzung erfolgen. Dieser Ansatz wurde von der Bioenergiebranche kritisiert. av, has

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    UN-Plastikabkommen: USA wollen Reduzierung von Kunststoffproduktion unterstützen 

    Die USA wollen sich in den Verhandlungen um ein UN-Abkommen gegen Plastikmüll dafür einsetzen, dass das Regelwerk Vereinbarungen zur Reduzierung von Neumaterial enthält. Vergangene Woche hatte zunächst Reuters mit Verweis auf eine anonyme Quelle darüber berichtet. Das US-Außenministerium bestätigte die Informationen auf Anfrage von Table.Briefings. Bisher waren die USA dafür, dass Staaten selbst entscheiden, ob sie solche Regeln einführen. Die USA signalisierten zudem Unterstützung für international einheitliche Regeln zu schädlichen Chemikalien und vermeidbaren Plastikprodukten. 

    Für Greenpeace USA ist die Entscheidung der US-Regierung ein “Wendepunkt im Kampf gegen die Plastikverschmutzung”. Für John Hocevar, Kampagnendirektor für Ozeane bei der Umweltorganisation, sind die neuen Entwicklungen “von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines einheitlichen Ansatzes, der zur Bewältigung der Kunststoffkrise erforderlich ist”.  

    WWF sieht EU-Staaten am Zug 

    Bislang waren die USA in den Verhandlungen – wie andere Staaten mit starker Fossilindustrie – auf besseres Abfallmanagement und Recycling fokussiert. Für ein wirksames Abkommen ist es laut Fachleuten aber notwendig, dass die weltweit neu produzierten Kunststoffmengen sinken. Ansonsten ließen sich die Schäden für Umwelt, Klima und menschliche Gesundheit nicht im nötigen Maß eindämmen. 

    “Der Richtungswechsel der USA könnte großen Einfluss darauf haben, dass das Abkommen auch Vereinbarungen mit Wirkung auf die Neuproduktionsmengen enthalten wird”, vermutet Florian Titze vom WWF Deutschland. Für den Verhandlungsbeobachter kommt es aber auch darauf an, ob die EU geschlossen mitzieht. “Eine Allianz für eine ernst gemeinte Bedarfs- und Produktionsreduktion zwischen den USA, der EU und Staaten aus dem Globalen Süden, könnte ein entscheidender Faktor für ein mutiges und wirkungsvolles Abkommen sein”, ergänzt er.

    Ende November beginnt im südkoreanischen Busan die vorerst letzte Verhandlungsrunde für das Abkommen. Trotz bereits vier abgehaltenen Treffen ist umstritten, wie weitreichend das Abkommen sein soll – das betrifft vor allem Regeln wie Verbote bestimmter Plastikprodukte oder Reduktionsziele für Neumaterial. Während sich ein Zusammenschluss aus 64 Staaten für ein ambitioniertes Abkommen einsetzt, sind Staaten wie Saudi-Arabien, Iran und Russland laut Beobachtern bislang als Bremser aufgetreten. nh 

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    Doug Weir: Klima und Konflikte zusammendenken

    Doug Weir: Direktor des “Conflict and Environment Observatory”.

    Die Umwelt wird als stilles Opfer bewaffneter Konflikte häufig übersehen. Doug Weir will sie mehr in den Fokus der Sicherheitspolitik rücken. Er ist Direktor des Conflict and Environment Observatory (CEOBS), einer britischen Organisation, die das gesellschaftliche Bewusstsein für die ökologischen und humanitären Folgen von Konflikten und militärischen Aktivitäten schärfen will. Dabei forschen er und sein Team nicht nur zu den Umweltfolgen von Kriegen, sondern befassen sich auch mit der Rolle von Umweltfaktoren wie dem Klimawandel als Auslöser oder Treiber von Konflikten.

    So war der Klimawandel beim Bürgerkrieg in Syrien, der seit 2011 tobt, einer der Auslöser: Aufgrund einer extremen Dürre zwischen 2007 und 2010, verstärkt durch den Klimawandel, brach im Nordosten Syriens das landwirtschaftliche System zusammen. Viele Familien verloren ihr landwirtschaftliches Einkommen und flüchteten in die Städte, wo zuvor schon irakische Flüchtlinge hingestrebt waren. Mit den steigenden Bevölkerungszahlen stieg auch die Konkurrenz um Ressourcen in den Städten. Das dürfte mit ein Grund für die Demonstrationen und Unruhen gewesen sein, die schließlich zum Bürgerkrieg führten, wie eine Studie im Fachmagazin PNAS 2015 zeigt.

    Starker Fokus auf Russlands Angriffskrieg

    Weir, im November 1976 im nordenglischen York geboren, studierte Geologie in Manchester und Zeitungsjournalismus in Sheffield. Während sein Interesse an der Umwelt bereits in Kindertagen begann, kam er zur militärischen Thematik eher zufällig durch seinen ersten Job: Nach dem Studium arbeitete er in einer Organisation, die sich gegen die Verbreitung von Atomwaffen einsetzte.

    2011 gründete er das Toxic Remnants of War Project, das sich mit Umweltverschmutzung durch militärische Giftstoffe befasst. Fünf Jahre später beschlossen er und sein Team, das Projekt auszuweiten, und gründeten 2018 CEOBS. “Es gibt neue Instrumente, soziale Medien, Fernerkundung. Dadurch können wir die Zusammenhänge zwischen bewaffneten Konflikten und der Umwelt detaillierter untersuchen”, sagt er.

    Das macht Weir aktuell besonders in Hinblick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Es sei wichtig, dass diese Forschung jetzt stattfindet, sagt er: “Wenn wir über die Umwelt sprechen, während der Konflikt stattfindet, können wir kohärenter reagieren und einen nachhaltigen Wiederaufbau planen. Zudem können wir den Prozess der Dokumentation von Umweltschäden verbessern.”

    Dekarbonisierung des Militärs angehen

    Wichtig ist Weir, dass der Diskurs darüber, wie die Emissionen des Militärsektors reduziert werden können, jetzt beginnt: “Es gibt keine magischen technischen Lösungen. Militärs sind in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig, und ihre Ausrüstung hat eine lange Lebensdauer.” Deshalb müsse man sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wie in Zukunft ausgemusterte Ausrüstung nachhaltig ersetzt werden könne.

    Auch wenn Weir betont, dass das Militär niemals in sinnvollem Sinne nachhaltig sein werde, ist er optimistisch, dass der Sektor seine Umweltauswirkungen reduzieren kann – und plädiert deshalb für globale Standards für dessen Dekarbonisierung. Zudem müsse darüber “sowohl in Klima- als auch in Sicherheitsforen” gesprochen werden. Anouk Schlung

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