Table.Briefing: Climate

NCQG: Neue Quellen statt neue Geber? + Afrika: Strukturelle Nachteile und Söldner-Unterhändler

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach unserem gestrigen Alert zu den neuen Texten auf der COP29 starten wir heute etwas entspannter ins Wochenende – zumindest, bis sich in Baku wieder etwas Entscheidendes tut. Nico Beckert hat sich dafür die Debatte um neue Geber in der Klimafinanzierung genauer angeschaut. Mehrere Berechnungen zeigen, dass neue Geberländer den Kuchen gar nicht so stark vergrößern würden. Stattdessen gäbe es andere, ergiebigere Quellen, um den Klimaschutz und die Anpassung in ärmeren Staaten besser zu finanzieren.

Das Geld bräuchten auch viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Sie sind besonders vulnerabel gegen Klimaschäden, zudem erschwert die Schuldenlast nötige Investitionen. Und auch ihre Position in den UN-Klimaverhandlungen ist geschwächt, teils müssen die Länder sogar auf “Söldner-Unterhändler” zurückgreifen, schreibt Christian von Hiller – und stellt eine Idee vor, wie sich der Kuchen der Finanzmittel vergrößern ließe.

Einen Kuchen hat sich auch unser Team in Baku nach dem Gipfel verdient. Sobald es wieder zurück in Berlin ist, feiern wir die heutige Jubiläumsausgabe nach. Heute wünschen wir Ihnen erst einmal viel Spaß mit dem 200. Climate.Table – auf viele weitere Ausgaben!

Ihr
Lukas Bayer
Bild von Lukas  Bayer

Analyse

Klimafinanzen: Warum neue Geber den Kuchen nicht allzu stark vergrößern würden

Außenministerin Baerbock fordert eine Beteiligung neuer Geberstaaten am neuen Klimafinanzziel.

Die Ausweitung der Geberbasis zur Finanzierung von Klimaschutz und -anpassung in ärmeren Staaten ist eines der Kernziele Deutschlands und der EU auf der COP29. “Wir können hier keine ungedeckten Schecks ausstellen”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag. “Wir können den Klimaherausforderungen auch finanziell nur gerecht werden, wenn wir die Geberbasis deutlich erweitern”, erklärte Baerbock mit Blick auf “neue große Emittenten, die es sich leisten können”.

Bei einigen neuen Geber-Kandidaten wie China gibt es mittlerweile Kompromissbereitschaft. Doch arabische Staaten lehnen die Forderung weiter ab. Viele Berechnungen zeigen, dass eine Ausweitung der Geberbasis nicht allzu viel neues Geld für die Klimafinanzierung bringen würde – andere Finanzquellen könnten ergiebiger sein. Das ist auch den bisherigen Geberstaaten klar. Es geht ihnen vielmehr um ein politisches Zeichen, sagen Beobachter.

Aktuell leisten 23 Staaten und die EU (Annex-II-Staaten) den Großteil der internationalen Klimafinanzierung. Andere Staaten tragen mit freiwilligen Zahlungen zur Klimafinanzierung bei. Die Hauptverantwortung der 23 Annex-II-Staaten wurde allerdings schon 1992 festgeschrieben. Seitdem hat sich die Welt stark verändert: Staaten wie China, Südkorea, Taiwan und einige weitere Schwellenländer haben ein rasantes Wirtschaftswachstum erlebt und ihre Pro-Kopf-Emissionen sind stark gestiegen. Deshalb fordern etwa Deutschland, die USA, Kanada und die Schweiz, dass sich reiche Schwellenländer auch an der Klimafinanzierung beteiligen.

Geberkandidaten: China, Südkorea, Saudi-Arabien

Wie groß ihr Anteil wäre, hängt von der Wahl der Berechnungsparameter ab: wie wohlhabend sie mittlerweile sind und wie groß ihre historischen Emissionen sind. Je nachdem, welche Indikatoren – beispielsweise das BIP oder BIP pro Kopf und/oder die historischen Emissionen ab einem bestimmten Jahr – dafür gewählt werden, kommen leicht unterschiedliche Ergebnisse heraus. Doch bei allen Szenarien würden neue Beitragszahler keinen allzu großen Unterschied machen:

  • Nach Berechnungen des World Resources Institute müssten die alten Geberstaaten weiterhin 75 Prozent der Klimafinanzierung erbringen, da sie historisch betrachtet hauptverantwortlich für den Klimawandel sind und über die größten finanziellen Kapazitäten verfügen. Würden diese Staaten auch zukünftig weiterhin 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung zahlen und mobilisieren, kämen bei einer Ausweitung der Geberbasis insgesamt nur 33 Milliarden US-Dollar durch neue Geber hinzu.
  • Berechnungen deutscher NGOs kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Selbst im politisch unrealistischen Fall, dass alle Staaten einen Beitrag zur Klimafinanzierung leisten würden, hätten die bisherigen Geber aufgrund ihrer Verantwortung und ihres Wohlstands noch immer einen Anteil von 71 Prozent zu leisten. Wenn die bisherigen Geber weiterhin 100 Milliarden aufbringen, müssten neue Geber 41 Milliarden hinzufügen, um ihren “fairen Anteil” zu leisten. “Das ist weniger, als es für einen Inflationsausgleich bei der Klimafinanzierung braucht”, sagt Jan Kowalzig, Klimafinanz-Experte von Oxfam.
  • Laut Zero Carbon Analytics kämen 51 Milliarden US-Dollar neu hinzu, wenn die Länder, die derzeit als neue Geberstaaten in Betracht gezogen werden, den gleichen prozentualen Beitrag leisten würden wie die Industrieländer im Jahr 2022.

Hinzu kommt: Einige Staaten tragen derzeit schon auf freiwilliger Basis zur Klimafinanzierung bei. China beispielsweise mit 3,8 bis 4,5 Milliarden US-Dollar jährlich. Südkorea (786 Millionen US-Dollar), Indien (765 Millionen), Brasilien (529 Millionen) und Saudi-Arabien (496 Millionen) haben ebenfalls nennenswerte Summen gegeben oder mobilisiert. Eine Anrechnung dieser freiwilligen Zahlungen zur offiziellen Klimafinanzierung würde die Gesamtsumme nur auf dem Papier vergrößern.

Laut Kowalzig ist den bisherigen Geberstaaten bewusst, dass eine Beteiligung neuer Geber relativ wenige neue Gelder zusammenbringen würde. Laut Beobachtern geht es den bisherigen Gebern vielmehr um ein politisches Zeichen, dass “vergleichbare Länder auch vergleichbar beitragen sollen”.

Große Potenziale bei innovativen Quellen

Ein viel größerer Anteil als bei der Ausweitung der Geberbasis könnte durch neue Finanzquellen für die Klimafinanzierung und Schuldenerleichterungen zusammenkommen:

  • 200 bis 250 Milliarden US-Dollar könnte eine globale Vermögenssteuer für Milliardäre einbringen, wie sie von der brasilianischen G20-Präsidentschaft vorgeschlagen wird.
  • Durch Steuern auf die Emissionen im Schiffsverkehr oder eine Vielfliegerabgabe könnten ebenfalls jeweils 80 bis 120 Milliarden US-Dollar zusammenkommen.
  • Hunderte Milliarden Dollar könnten allein in den reichsten Staaten durch eine Steuer auf die Förderung von Kohle, Öl und Gas zusammenkommen, wie Greenpeace berechnet.
  • Und auf der COP29 wurden Abgaben auf die Produktion von Plastik (25 bis 35 Milliarden US-Dollar) und die Erzeugung von Kryptowährungen wie Bitcoin (5,2 Milliarden US-Dollar) vorgeschlagen.
  • Allerdings würden diese Steuern und Abgaben durch nationale Steuerbehörden erhoben, sodass es zu Verteilungskonflikten käme und nur ein Bruchteil der Summe für die Klimafinanzierung bereitgestellt würde.
  • Entwicklungsbanken könnten jährlich fast 50 Milliarden US-Dollar mehr verleihen, ohne ihr Rating zu gefährden. Durch neue Beiträge der Mitgliedstaaten zur Finanzierung von multilateralen Entwicklungsbanken und andere Reformen könnten mittelfristig 195 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung zusammenkommen.
  • Der IWF und seine Mitgliedstaaten könnten neue Sonderziehungsrechte schöpfen und sie an Entwicklungsbanken weiterreichen. Die Bridgetown-Initiative fordert beispielsweise die Schaffung von 650 Milliarden US-Dollar dieser Reservewährung für die Klimafinanzierung und zum Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Allerdings blockieren Staaten wie Deutschland diese Vorschläge.
  • Durch Schuldenerleichterungen und -erlasse könnten dutzende Milliarden Dollar freigesetzt werden. Allein die afrikanischen Staaten müssen im Jahr 2024 rund 163 Milliarden US-Dollar für den Schuldendienst aufbringen, “ein deutlicher Anstieg gegenüber 61 Milliarden Dollar im Jahr 2010”, wie die Afrikanische Entwicklungsbank schreibt. Allerdings sind Schuldenerlasse im Rahmen der G20 noch äußerst komplex und zeitaufwändig. Zudem sperrt sich China, einer der größten bilateralen Geber vieler Staaten, vor einer Debatte um Schuldenerlasse.
  • AfDB
  • China
  • COP29
  • Europa
  • Finanzen
  • Greenpeace
  • Klimafinanzen
  • Klimafinanzierung
  • Saudi-Arabien
  • Südkorea
  • USA
  • Vermögenssteuer

COP29: Wie Afrika in Klimaverhandlungen strukturell benachteiligt ist

Cop29
Afrika ist auf der COP29 in Baku unterrepräsentiert: Versammelte Staats- und Regierungschefs zur Eröffnung der Klimakonferenz.

Ein “inneres Finanzziel” in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer bis 2035, dazu ein übergeordnetes Ziel von 1,3 Billionen US-Dollar jährlich, das private Investitionen einschließt: Als am Freitagnachmittag erstmals auf dieser COP29 konkrete Zahlen in den Entwürfen für einen Abschlusstext auftauchten, reagierten maßgebliche Verhandler aus afrikanischen Staaten mit Ablehnung.

Ali Mohamed, Vorsitz der African Group, nannte die 250 Milliarden US-Dollar “völlig inakzeptabel und ungeeignet, um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen”. Verhandler Alpha Kaloga schrieb auf X, der Vorschlag sei ein Witz. Schon auf der COP28 in Dubai hatten die afrikanischen Länder ihre Positionen, damals zum Globalen Anpassungsziel, nur schwer durchsetzen können. Dahinter steckt, dass die afrikanischen Länder auf Klimagipfeln strukturell benachteiligt sind.

Afrika ist unterrepräsentiert

20 Staatschefs, sieben Vizepräsidenten und vier Premierminister aus Afrika sind zur COP29 nach Baku in Aserbaidschan gereist. Obwohl die Liste der Länder lang ist, bleibt die afrikanische Präsenz relativ gering. Delegationen aus Afrika machen nur 12,1 Prozent der 67.000 Teilnehmenden aus. Dabei steht der Kontinent nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts für 19 Prozent der Weltbevölkerung.

Die Verhandlungsschwäche der afrikanischen Länder verortet François Gemenne, Professor an der Universität Lüttich, allerdings insbesondere in ihrer Zusammensetzung. Die Klimadiskussionen seien so komplex geworden, dass viele Regierungen überfordert seien, vor allem wenn sie die notwendigen Experten nicht dauerhaft beschäftigen können.

Berater mit wechselnden Loyalitäten

Entwicklungsländer sind deshalb häufig gezwungen, sich auf die Expertise von NGOs zu stützen oder externe Berater zu engagieren. “Diese Söldner-Unterhändler, meistens aus dem Westen stammend, vermieten ihre Dienstleistungen jenen Ländern, die dies wünschen und die häufig nicht über eigene spezialisierte Diplomaten verfügen”, sagt Gemenne. Dadurch wechselt auch ihre Loyalität je nach Auftraggeber.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Export von Emissionen: Besonders Europa hat stark verschmutzende Industrien wie den Bergbau, die Stahlverarbeitung, die Aluminiumproduktion und generell die Veredlung von Industrierohstoffen nach Indien, China und in Entwicklungsländer verlagert.

Dieses Thema scheint für die Bundesregierung keine hohe Priorität zu haben. Die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts, Stand 2024, betreffen das Jahr 2015. Demnach hat Deutschland 506.000 Tonnen CO₂ im Jahr 2015 importiert. Im Jahr 2000 waren es nur 379.000 Tonnen, eine Steigerung von kumuliert 33,5 Prozent in 15 Jahren. Den größten Teil des Kohlendioxid-Imports verursachte 2015 die Industrie, die 381.000 Tonnen CO₂ Vorleistungen importierte – verursacht durch Produkte, die im Ausland für die deutsche Industrie hergestellt worden sind.

Carbon Credits als möglicher Ausweg

Afrika ist besonders stark vom Klimawandel betroffen. Es fehlen Regenrückhaltebecken, Deiche, Wälder und Hecken als Schutz vor Erosion sowie eine Infrastruktur für eine ressourcenschonende Landwirtschaft. Der Westen vergibt vor allem Darlehen an Afrika. Infrastruktur, die vor dem Klimawandel schützt, wirft jedoch häufig keine Erlöse ab, mit denen sich die Darlehen bedienen lassen könnten.

Gemenne ist der Ansicht, dass beispielsweise die Ausweitung des Emissionshandels auf Konsumenten in den Industriestaaten ein Ausweg sein könnte. Verbraucher im Globalen Norden, die einen großen CO₂-Ausstoß verursachen, müssten dazu Carbon Credits von den Menschen im Globalen Süden kaufen, die weniger CO₂-Emissionen verursachen. Allerdings ist eine Ausdehnung des globalen Emissionshandels auf die Verbraucher bisher am Widerstand aus dem Globalen Norden gescheitert. Mitarbeit: Alexandra Endres

  • CO2-Emissionen
  • COP28
  • COP29
  • Emissionshandel
  • Globaler Süden
  • Klima & Umwelt
  • Klimadiplomatie
  • Klimagerechtigkeit
  • Pariser Klimaabkommen

News

Kohle: Indonesien will 33 Prozent der Kapazität bis 2040 stilllegen

Indonesien will seine Abhängigkeit von Kohle bis 2040 um 33 Prozent reduzieren. Das gab das Wirtschaftsministerium am Rande des G20-Gipfels bekannt. Das Land ist der Global Clean Power Alliance (GCPA) beigetreten, um mit Partnerstaaten die Investitionsbedingungen im Energiesektor zu verbessern. Allerdings ist unklar, ob von der 33-prozentigen Reduktion auch Industriekraftwerke erfasst sind. In seinem Plan für eine gerechte Energiewende im Zuge der Just Energy Transition Partnerships (JETP) hatte Indonesien die Industriekraftwerke nicht mit inbegriffen. Sie machen mit 15 Gigawatt fast ein Drittel der installierten Kapazität aus.

Laut dem Wirtschaftsministerium will Indonesien:

  • den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix auf 42 Prozent erhöhen;
  • 75 Gigawatt an erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten hinzufügen; und
  • 70.000 Kilometer an neuen Übertragungsleitungen bauen.

Um diese Ziele zu erreichen, brauche Indonesien Investitionen in Höhe von 235 Milliarden US-Dollar, so das Ministerium. nib

  • Energiewende
  • Fossile Brennstoffe
  • Indonesien
  • JETP
  • Kohle
  • Kohleausstieg

Climate.Table Redaktion

CLIMATE.TABLE REDAKTION

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    nach unserem gestrigen Alert zu den neuen Texten auf der COP29 starten wir heute etwas entspannter ins Wochenende – zumindest, bis sich in Baku wieder etwas Entscheidendes tut. Nico Beckert hat sich dafür die Debatte um neue Geber in der Klimafinanzierung genauer angeschaut. Mehrere Berechnungen zeigen, dass neue Geberländer den Kuchen gar nicht so stark vergrößern würden. Stattdessen gäbe es andere, ergiebigere Quellen, um den Klimaschutz und die Anpassung in ärmeren Staaten besser zu finanzieren.

    Das Geld bräuchten auch viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Sie sind besonders vulnerabel gegen Klimaschäden, zudem erschwert die Schuldenlast nötige Investitionen. Und auch ihre Position in den UN-Klimaverhandlungen ist geschwächt, teils müssen die Länder sogar auf “Söldner-Unterhändler” zurückgreifen, schreibt Christian von Hiller – und stellt eine Idee vor, wie sich der Kuchen der Finanzmittel vergrößern ließe.

    Einen Kuchen hat sich auch unser Team in Baku nach dem Gipfel verdient. Sobald es wieder zurück in Berlin ist, feiern wir die heutige Jubiläumsausgabe nach. Heute wünschen wir Ihnen erst einmal viel Spaß mit dem 200. Climate.Table – auf viele weitere Ausgaben!

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    Analyse

    Klimafinanzen: Warum neue Geber den Kuchen nicht allzu stark vergrößern würden

    Außenministerin Baerbock fordert eine Beteiligung neuer Geberstaaten am neuen Klimafinanzziel.

    Die Ausweitung der Geberbasis zur Finanzierung von Klimaschutz und -anpassung in ärmeren Staaten ist eines der Kernziele Deutschlands und der EU auf der COP29. “Wir können hier keine ungedeckten Schecks ausstellen”, sagte Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag. “Wir können den Klimaherausforderungen auch finanziell nur gerecht werden, wenn wir die Geberbasis deutlich erweitern”, erklärte Baerbock mit Blick auf “neue große Emittenten, die es sich leisten können”.

    Bei einigen neuen Geber-Kandidaten wie China gibt es mittlerweile Kompromissbereitschaft. Doch arabische Staaten lehnen die Forderung weiter ab. Viele Berechnungen zeigen, dass eine Ausweitung der Geberbasis nicht allzu viel neues Geld für die Klimafinanzierung bringen würde – andere Finanzquellen könnten ergiebiger sein. Das ist auch den bisherigen Geberstaaten klar. Es geht ihnen vielmehr um ein politisches Zeichen, sagen Beobachter.

    Aktuell leisten 23 Staaten und die EU (Annex-II-Staaten) den Großteil der internationalen Klimafinanzierung. Andere Staaten tragen mit freiwilligen Zahlungen zur Klimafinanzierung bei. Die Hauptverantwortung der 23 Annex-II-Staaten wurde allerdings schon 1992 festgeschrieben. Seitdem hat sich die Welt stark verändert: Staaten wie China, Südkorea, Taiwan und einige weitere Schwellenländer haben ein rasantes Wirtschaftswachstum erlebt und ihre Pro-Kopf-Emissionen sind stark gestiegen. Deshalb fordern etwa Deutschland, die USA, Kanada und die Schweiz, dass sich reiche Schwellenländer auch an der Klimafinanzierung beteiligen.

    Geberkandidaten: China, Südkorea, Saudi-Arabien

    Wie groß ihr Anteil wäre, hängt von der Wahl der Berechnungsparameter ab: wie wohlhabend sie mittlerweile sind und wie groß ihre historischen Emissionen sind. Je nachdem, welche Indikatoren – beispielsweise das BIP oder BIP pro Kopf und/oder die historischen Emissionen ab einem bestimmten Jahr – dafür gewählt werden, kommen leicht unterschiedliche Ergebnisse heraus. Doch bei allen Szenarien würden neue Beitragszahler keinen allzu großen Unterschied machen:

    • Nach Berechnungen des World Resources Institute müssten die alten Geberstaaten weiterhin 75 Prozent der Klimafinanzierung erbringen, da sie historisch betrachtet hauptverantwortlich für den Klimawandel sind und über die größten finanziellen Kapazitäten verfügen. Würden diese Staaten auch zukünftig weiterhin 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung zahlen und mobilisieren, kämen bei einer Ausweitung der Geberbasis insgesamt nur 33 Milliarden US-Dollar durch neue Geber hinzu.
    • Berechnungen deutscher NGOs kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Selbst im politisch unrealistischen Fall, dass alle Staaten einen Beitrag zur Klimafinanzierung leisten würden, hätten die bisherigen Geber aufgrund ihrer Verantwortung und ihres Wohlstands noch immer einen Anteil von 71 Prozent zu leisten. Wenn die bisherigen Geber weiterhin 100 Milliarden aufbringen, müssten neue Geber 41 Milliarden hinzufügen, um ihren “fairen Anteil” zu leisten. “Das ist weniger, als es für einen Inflationsausgleich bei der Klimafinanzierung braucht”, sagt Jan Kowalzig, Klimafinanz-Experte von Oxfam.
    • Laut Zero Carbon Analytics kämen 51 Milliarden US-Dollar neu hinzu, wenn die Länder, die derzeit als neue Geberstaaten in Betracht gezogen werden, den gleichen prozentualen Beitrag leisten würden wie die Industrieländer im Jahr 2022.

    Hinzu kommt: Einige Staaten tragen derzeit schon auf freiwilliger Basis zur Klimafinanzierung bei. China beispielsweise mit 3,8 bis 4,5 Milliarden US-Dollar jährlich. Südkorea (786 Millionen US-Dollar), Indien (765 Millionen), Brasilien (529 Millionen) und Saudi-Arabien (496 Millionen) haben ebenfalls nennenswerte Summen gegeben oder mobilisiert. Eine Anrechnung dieser freiwilligen Zahlungen zur offiziellen Klimafinanzierung würde die Gesamtsumme nur auf dem Papier vergrößern.

    Laut Kowalzig ist den bisherigen Geberstaaten bewusst, dass eine Beteiligung neuer Geber relativ wenige neue Gelder zusammenbringen würde. Laut Beobachtern geht es den bisherigen Gebern vielmehr um ein politisches Zeichen, dass “vergleichbare Länder auch vergleichbar beitragen sollen”.

    Große Potenziale bei innovativen Quellen

    Ein viel größerer Anteil als bei der Ausweitung der Geberbasis könnte durch neue Finanzquellen für die Klimafinanzierung und Schuldenerleichterungen zusammenkommen:

    • 200 bis 250 Milliarden US-Dollar könnte eine globale Vermögenssteuer für Milliardäre einbringen, wie sie von der brasilianischen G20-Präsidentschaft vorgeschlagen wird.
    • Durch Steuern auf die Emissionen im Schiffsverkehr oder eine Vielfliegerabgabe könnten ebenfalls jeweils 80 bis 120 Milliarden US-Dollar zusammenkommen.
    • Hunderte Milliarden Dollar könnten allein in den reichsten Staaten durch eine Steuer auf die Förderung von Kohle, Öl und Gas zusammenkommen, wie Greenpeace berechnet.
    • Und auf der COP29 wurden Abgaben auf die Produktion von Plastik (25 bis 35 Milliarden US-Dollar) und die Erzeugung von Kryptowährungen wie Bitcoin (5,2 Milliarden US-Dollar) vorgeschlagen.
    • Allerdings würden diese Steuern und Abgaben durch nationale Steuerbehörden erhoben, sodass es zu Verteilungskonflikten käme und nur ein Bruchteil der Summe für die Klimafinanzierung bereitgestellt würde.
    • Entwicklungsbanken könnten jährlich fast 50 Milliarden US-Dollar mehr verleihen, ohne ihr Rating zu gefährden. Durch neue Beiträge der Mitgliedstaaten zur Finanzierung von multilateralen Entwicklungsbanken und andere Reformen könnten mittelfristig 195 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung zusammenkommen.
    • Der IWF und seine Mitgliedstaaten könnten neue Sonderziehungsrechte schöpfen und sie an Entwicklungsbanken weiterreichen. Die Bridgetown-Initiative fordert beispielsweise die Schaffung von 650 Milliarden US-Dollar dieser Reservewährung für die Klimafinanzierung und zum Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Allerdings blockieren Staaten wie Deutschland diese Vorschläge.
    • Durch Schuldenerleichterungen und -erlasse könnten dutzende Milliarden Dollar freigesetzt werden. Allein die afrikanischen Staaten müssen im Jahr 2024 rund 163 Milliarden US-Dollar für den Schuldendienst aufbringen, “ein deutlicher Anstieg gegenüber 61 Milliarden Dollar im Jahr 2010”, wie die Afrikanische Entwicklungsbank schreibt. Allerdings sind Schuldenerlasse im Rahmen der G20 noch äußerst komplex und zeitaufwändig. Zudem sperrt sich China, einer der größten bilateralen Geber vieler Staaten, vor einer Debatte um Schuldenerlasse.
    • AfDB
    • China
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    • Europa
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    COP29: Wie Afrika in Klimaverhandlungen strukturell benachteiligt ist

    Cop29
    Afrika ist auf der COP29 in Baku unterrepräsentiert: Versammelte Staats- und Regierungschefs zur Eröffnung der Klimakonferenz.

    Ein “inneres Finanzziel” in Höhe von 250 Milliarden US-Dollar für die Entwicklungsländer bis 2035, dazu ein übergeordnetes Ziel von 1,3 Billionen US-Dollar jährlich, das private Investitionen einschließt: Als am Freitagnachmittag erstmals auf dieser COP29 konkrete Zahlen in den Entwürfen für einen Abschlusstext auftauchten, reagierten maßgebliche Verhandler aus afrikanischen Staaten mit Ablehnung.

    Ali Mohamed, Vorsitz der African Group, nannte die 250 Milliarden US-Dollar “völlig inakzeptabel und ungeeignet, um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen”. Verhandler Alpha Kaloga schrieb auf X, der Vorschlag sei ein Witz. Schon auf der COP28 in Dubai hatten die afrikanischen Länder ihre Positionen, damals zum Globalen Anpassungsziel, nur schwer durchsetzen können. Dahinter steckt, dass die afrikanischen Länder auf Klimagipfeln strukturell benachteiligt sind.

    Afrika ist unterrepräsentiert

    20 Staatschefs, sieben Vizepräsidenten und vier Premierminister aus Afrika sind zur COP29 nach Baku in Aserbaidschan gereist. Obwohl die Liste der Länder lang ist, bleibt die afrikanische Präsenz relativ gering. Delegationen aus Afrika machen nur 12,1 Prozent der 67.000 Teilnehmenden aus. Dabei steht der Kontinent nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts für 19 Prozent der Weltbevölkerung.

    Die Verhandlungsschwäche der afrikanischen Länder verortet François Gemenne, Professor an der Universität Lüttich, allerdings insbesondere in ihrer Zusammensetzung. Die Klimadiskussionen seien so komplex geworden, dass viele Regierungen überfordert seien, vor allem wenn sie die notwendigen Experten nicht dauerhaft beschäftigen können.

    Berater mit wechselnden Loyalitäten

    Entwicklungsländer sind deshalb häufig gezwungen, sich auf die Expertise von NGOs zu stützen oder externe Berater zu engagieren. “Diese Söldner-Unterhändler, meistens aus dem Westen stammend, vermieten ihre Dienstleistungen jenen Ländern, die dies wünschen und die häufig nicht über eigene spezialisierte Diplomaten verfügen”, sagt Gemenne. Dadurch wechselt auch ihre Loyalität je nach Auftraggeber.

    Ein weiterer Kritikpunkt ist der Export von Emissionen: Besonders Europa hat stark verschmutzende Industrien wie den Bergbau, die Stahlverarbeitung, die Aluminiumproduktion und generell die Veredlung von Industrierohstoffen nach Indien, China und in Entwicklungsländer verlagert.

    Dieses Thema scheint für die Bundesregierung keine hohe Priorität zu haben. Die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts, Stand 2024, betreffen das Jahr 2015. Demnach hat Deutschland 506.000 Tonnen CO₂ im Jahr 2015 importiert. Im Jahr 2000 waren es nur 379.000 Tonnen, eine Steigerung von kumuliert 33,5 Prozent in 15 Jahren. Den größten Teil des Kohlendioxid-Imports verursachte 2015 die Industrie, die 381.000 Tonnen CO₂ Vorleistungen importierte – verursacht durch Produkte, die im Ausland für die deutsche Industrie hergestellt worden sind.

    Carbon Credits als möglicher Ausweg

    Afrika ist besonders stark vom Klimawandel betroffen. Es fehlen Regenrückhaltebecken, Deiche, Wälder und Hecken als Schutz vor Erosion sowie eine Infrastruktur für eine ressourcenschonende Landwirtschaft. Der Westen vergibt vor allem Darlehen an Afrika. Infrastruktur, die vor dem Klimawandel schützt, wirft jedoch häufig keine Erlöse ab, mit denen sich die Darlehen bedienen lassen könnten.

    Gemenne ist der Ansicht, dass beispielsweise die Ausweitung des Emissionshandels auf Konsumenten in den Industriestaaten ein Ausweg sein könnte. Verbraucher im Globalen Norden, die einen großen CO₂-Ausstoß verursachen, müssten dazu Carbon Credits von den Menschen im Globalen Süden kaufen, die weniger CO₂-Emissionen verursachen. Allerdings ist eine Ausdehnung des globalen Emissionshandels auf die Verbraucher bisher am Widerstand aus dem Globalen Norden gescheitert. Mitarbeit: Alexandra Endres

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    Kohle: Indonesien will 33 Prozent der Kapazität bis 2040 stilllegen

    Indonesien will seine Abhängigkeit von Kohle bis 2040 um 33 Prozent reduzieren. Das gab das Wirtschaftsministerium am Rande des G20-Gipfels bekannt. Das Land ist der Global Clean Power Alliance (GCPA) beigetreten, um mit Partnerstaaten die Investitionsbedingungen im Energiesektor zu verbessern. Allerdings ist unklar, ob von der 33-prozentigen Reduktion auch Industriekraftwerke erfasst sind. In seinem Plan für eine gerechte Energiewende im Zuge der Just Energy Transition Partnerships (JETP) hatte Indonesien die Industriekraftwerke nicht mit inbegriffen. Sie machen mit 15 Gigawatt fast ein Drittel der installierten Kapazität aus.

    Laut dem Wirtschaftsministerium will Indonesien:

    • den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix auf 42 Prozent erhöhen;
    • 75 Gigawatt an erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten hinzufügen; und
    • 70.000 Kilometer an neuen Übertragungsleitungen bauen.

    Um diese Ziele zu erreichen, brauche Indonesien Investitionen in Höhe von 235 Milliarden US-Dollar, so das Ministerium. nib

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