John Kerry schielt auf das Geld von Konzernen und Großbanken. Der US-Klima-Zar hat eine Initiative für CO2-Zertifikate für Unternehmen vorgestellt – die aber mit neuen UN-Vorschlägen gegen Greenwashing kollidiert. Kerry will damit private Gelder für die Energiewende und Klimaanpassung im Globalen Süden mobilisieren. Klingt gut – doch es besteht die reale Gefahr, dass sich die Unternehmen von ihren Klima-Verpflichtungen einfach freikaufen, berichtet Bernhard Pötter.
Auf der COP richten sich auch viele Blicke auf den größten CO2-Emittenten China. Das Land sei bereit, sich an einem Mechanismus zur Kompensation von Verlusten und Schäden zu beteiligen, erklärte der Klima-Sondergesandter Xie. Das könnte ein Türöffner dafür sein, dass sich in Zukunft auch die großen Verschmutzer aus den Schwellenländern an den Kosten der Klimaschäden beteiligen – und die Industrieländer stärker unter Druck setzen.
Neue Beobachtungen gibt es auch zu den Emissionen der Volksrepublik. Vieles deutet auf einen CO2-Höchststand weit vor 2030: von neuen Pläne zum Ausbau der Erneuerbaren bis hin zu fehlenden Finanzmitteln der Provinzen für fossile Konjunkturprogramme. Ist das Grund zu Optimismus? Nur bedingt – denn Chinas Klimaziele sind immer noch nicht Paris-konform. Die Anstrengungen müssen deshalb beschleunigt werden.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre!
Eine aktuelle US-Initiative zum freiwilligen Handel mit CO2-Zertifikaten für Unternehmen kollidiert mit neuen UN-Vorschlägen gegen Greenwashing. Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, präsentierte am Mittwoch auf der COP27 das Instrument des “Energy Transition Accelerator” (ETA).
Mit ihm soll privates Kapital aus den USA in Schwellenländern die Energiewende finanzieren und dafür freiwillige CO2-Lizenzen erhalten. Vor solchen Regelungen hatte allerdings am Vortag die “High Level Expert Group” (HLEG) von UN-Generalsekretär António Guterres gewarnt.
Kerrys Vorschlag, den er zusammen mit der Rockefeller Foundation und dem Bezos Earth Fund machte: Eine “innovative Partnerschaft”, um bis 2030 oder 2035 “private Investitionen in eine umfassende globale Energiewende” zu lenken. Konkret bedeutet das:
Die Idee: Die riesige Lücke zwischen den nötigen und den geplanten Investments in den Umbau von Energiesystemen, Anpassung an den Klimawandel und Naturschutz zu schließen. Erst am Vortag hatte eine Expertengruppe der britischen und ägyptischen COP-Präsidentschaft kalkuliert, 2025 sei dafür eine Billion Dollar nötig – eine Verdopplung heutiger Finanzmittel (Climate Table berichtete).
Laut ETA können die beteiligten Firmen die Zertifikate auch dafür einsetzen, um einen “begrenzten Anteil ihrer Scope 3-Emissionen (CO2-Ausstoß aus Lieferkette und Verwendung der Produkte, d. Red.) im Kurzzeit-Ziel des Unternehmens anzusprechen.”
Das aber widerspricht den Empfehlungen des UN-Expertengremiums HLEG. Die Gruppe hatte am Dienstag auf der COP in Anwesenheit von UN-Chef Guterres ihren Abschlussbericht präsentiert. Darin weist sie auf die Gefahr von irreführenden Klima-Versprechen (“Greenwashing”) bei Unternehmen und anderen nicht-staatlichen Akteuren hin.
Inbesondere heißt es: “CO2-Zertifikate von hoher Integrität in freiwilligen Märkten sollten für Klimaschutz jenseits der Lieferketten genutzt werden. Aber sie können nicht auf die Interim-Emissionsreduzierungen aus den Netto-Null-Pfaden von nicht-staatlichen Akteuren angerechnet werden.”
Also: Keine Anrechnung auf die freiwilligen Netto-Null-Pläne der Unternehmen – wie sie ETA für einen Teil der Scope-3- Emissionen erlaubt.
Für Bill Hare, Leiter des Thinktanks “Climate Analytics” und HLEG-Mitglied, bedeutet der US-Plan, dass “die amerikanische Wirtschaft ihre Emissionen nicht reduziert, weil sie stattdessen CO2-Kompensationen kaufen kann. Das ist vom weltgrößten CO2-Emittenten einfach inakzeptabel. Die Idee von Partnerschaften zur Energiewende ist, dass jeder seine Emissionen reduziert. Das war das klare Ergebnis im Bericht des Generalsekretärs von gestern. Es ist vordringlich, Emissionen zu reduzieren. Offsets zu kaufen und weiter CO2 in die Atmosphäre zu pumpen wird sicher nicht dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.”
“Ein freiwilliges Programm zur Vergabe von Emissionsgutschriften wird keine tiefgreifenden, echten Emissionssenkungen garantieren”, sagte Rachel Cleetus, politische Direktorin bei der Union of Concerned Scientists.
Und auch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im deutschen Entwicklungsministerium, sieht den Kerry-Vorschlag “mit einer gewissen Skepsis.” Es sei “sehr wichtig, dass wir uns keineswegs unserer eigenen Verpflichtung zur Finanzierung für unsere JETP-Partner (für die internationale Energiewende, die Red.) entziehen wollen. Außerdem gäbe es noch zahlreiche Fragen zu klären, wie die Integrität des freiwilligen Kohlenstoffmarktes gewährleistet werden kann.”
Tatsächlich erinnert ETA an den “Clean Development Mechanism” (CDM), mit dem nach dem Kyoto-Protokoll Unternehmen CO2-Zertifikate erwerben konnten, wenn sie in Entwicklungsländern in den Klimaschutz investierten. Das galt allerdings nicht für freiwillige Märkte, sondern für den Europäischen Emissionshandel ETS. Das CDM-Programm wurde dafür kritisiert, dass es zum globalen Klimaschutz kaum beigetragen hatte.
Der HLEG-Bericht legt hohe Maßstäbe an Unternehmen und Marktakteure an, um Greenwashing zu verhindern (Climate Table berichtete). Nach sieben Monaten intensiver Debatte kamen die 17 internationalen Expertinnen und Experten des Gremiums, das von Guterres persönlich eingesetzt worden war, zu zehn Empfehlungen. Akteure, die Greenwashing beim Klimaschutz verhindern wollen, sollten demnach unter anderem:
Guterres hatte auf der Veranstaltung betont, es müsse “Null Toleranz bei Greenwashing zu Netto Null” geben. An der Veranstaltung auf der COP hatten viele Chefs von UN-Organisationen und “Klima-Champions” teilgenommen, um das politische Gewicht der Forderung zu erhöhen – wohl wissend, dass John Kerry am Folgetag seinen ETA-Vorschlag machen würde.
Kerry sagte zu der Kritik: “Wir sollten nicht zulassen, dass die Fehler der Vergangenheit uns davon abhalten, ein mächtiges Instrument einzusetzen, um privates Kapital dorthin zu lenken, wo es am meisten gebraucht wird”. Den US-Klimagesandten treibt dabei eine reale Angst um: Dass ein wachsender Einfluss der oppositionellen Republikaner nach den US-“Midterm”-Wahlen dazu führen könnte, dass sein Land bei der internationalen Klimafinanzierung weiter zurückfällt.
Schon jetzt beteiligen sich die USA als größte Volkswirtschaft der Erde und größter historischer CO2-Emittent nur mit etwa acht Milliarden Dollar jährlich an den versprochenen 100 Milliarden Klimahilfen – dabei läge ein fairer Anteil wohl eher bei 40 Milliarden.
Wenn die Republikaner im US-Kongress weitere Zahlungen blockieren, wäre die Biden-Regierung in diesem Bereich handlungsunfähig und ihre Position in den UN-Verhandlungen würde geschwächt. Einige Milliarden an privaten Geldern aus dem ETA-Verfahren würden zwar nicht auf die offizielle Quote der USA angerechnet. Aber Kerry könnte darauf verweisen, dass privates US-Geld bei der globalen Energiewende hilft. (mit Reuters)
China will den Emissionspeak “vor 2030” erreichen. Das gab Xi Jinping vor gut zwei Jahren bekannt. Doch es wurde weder ein genauer Zeitpunkt noch eine Zielmarke für die Höhe der CO2-Emissionen benannt. Bei den großen Wegmarken setzt sich die Volksrepublik seit jeher Ziele, die sie auf jeden Fall erreichen kann – und meist übererfüllt. Ein Verfehlen von Wachstumszielen würde das Ansehen der alles dominierenden Kommunistischen Partei viel stärker beschädigen als das Ansehen von Parteien und Regierungen in demokratischen Staaten. Vieles deutet auf einen früheren CO2-Peak hin.
Die Volksrepublik hat die Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Und die Provinzen wollen den Ausbau weiter beschleunigen:
Laut Berechnungen des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) kann der zusätzliche Stromverbrauch Chinas zwischen 2020 und 2025 durch diesen schnellen Ausbau der Erneuerbaren gedeckt werden, wenn der Stromverbrauch nicht über vier Prozent steigt.
Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass Erneuerbare und Kohlekraftwerke in Zukunft noch stärker konkurrieren. “Es wird definitiv einen Wettbewerb um Marktanteile zwischen Kohle und sauberer Energie geben”, sagt Myllyvirta. “Wenn die Betriebsstunden der Kohlekraftwerke sinken, werden die Eigentümer verstärkt versuchen, die Expansion erneuerbarer Energien zu bremsen”. Die Kohle macht noch immer 63 Prozent des Strommix und 60 Prozent des Energiemix aus.
Aktivisten von Greenpeace Ostasien sind deshalb auch nicht ganz so optimistisch. “Es ist klar, dass die CO2-Emissionen in Chinas Energiesektor in den kommenden Jahren noch steigen werden”, sagt die in Peking arbeitende Wu Jinghan. Aufgrund der Elektrifizierung weiterer Industriesektoren und des Wirtschaftswachstums werde die Stromnachfrage weiter wachsen. Und dennoch: “Wir gehen davon aus, dass der chinesische Energiesektor vor 2025 den Höhepunkt seiner Emissionen erreichen wird”, sagt Wu.
In der Vergangenheit hat China für sein Wachstum massiv auf den Bausektor gesetzt. Nie zuvor in der Weltgeschichte wurden in so kurzer Zeit so viele Straßen, Zugverbindungen und ganze Städte aus dem Boden gestampft. Doch die Industrie hat jüngst Klimapläne (China.Table berichtete) vorgelegt:
“Es ist durchaus möglich, dass die Emissionen für Zement und Baustoffe ihren Höhepunkt bereits erreicht haben”, sagt Xinyi Shen vom CREA. Denn der Sektor hat die Energie-Effizienz erhöht. Gleichzeitig stockt die Nachfrage nach Baumaterialien. Ein früher Emissions-Peak dieses Sektors wäre wichtig, da er am drittmeisten CO2 verursacht.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Anfang November hat die Regierung einen Implementierungsplan für die CO2-Ziele der Baustoffindustrie herausgegeben. Darin heißt es:
Einige Analysten gehen davon aus, dass die Bauindustrie ihre eigenen Ziele trotzdem verfolgen wird. Doch die weniger ambitionierten Vorgaben von oben geben Spielraum und nehmen Druck. Und die Vergangenheit zeigt, dass die Emissionen des Bausektors auch schnell wieder steigen können: “2015 sanken die Emissionen Chinas. Damals waren hauptsächlich wirtschaftliche Faktoren ausschlaggebend”, sagt Byford Tsang vom Klima-Think-Tank E3G. “Ein schleppender Immobiliensektor und die angebotsseitige Reform der Schwerindustrie zur Reduktion von ineffizienten Überkapazitäten waren damals verantwortlich”.
Die Covid-Krise und der schwächelnde Immobilien-Sektor haben dazu beigetragen, dass Chinas Emissionen in den letzten vier Quartalen gesunken sind. Zentralregierung und die Provinzen haben große Konjunkturprogramme angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. In der Vergangenheit hatte das oft einen starken Emissionsanstieg zur Folge, weil die Programme sehr Bau-lastig waren. Das ist heute anders:
“Wenn der wirtschaftliche Übergang zu einem “hochwertigen Wachstum” gelingt, wird der massive Ausbau der sauberen Energien, einen baldigen Höhepunkt der Emissionen bedeuten”, sagt Lauri Myllyvirta vom CREA.
Doch selbst wenn es China als weltweit größtem CO2-Emittenten gelingt, die Emissionen schon in den nächsten Jahren auf einem Höchststand zu stabilisieren oder gar langsam zu senken, besteht wenig Grund für Klima-Optimismus. Denn Chinas Klimaziele sind nicht Paris-konform. Eine Verstärkung der Klima-Ambitionen ist also nötig. Wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollten, müsste die Volksrepublik den Anteil des Kohlestroms bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent senken, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. Noch vor dem Jahr 2040 dürfte China gar keine Kohle mehr für die Stromerzeugung verbrauchen, rechnen die Experten vor. Das heißt, der Ausbau der Erneuerbaren muss konstant hochgehalten werden. Jährlich ist ein Zubau von 150 bis 200 Gigawatt nötig.
Ohne die Zivilgesellschaft hätte es kein Paris-Abkommen gegeben, sagte Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, am Dienstag am Rande einer Veranstaltung im deutschen Pavillon auf der COP27. Doch jene Zivilgesellschaft muss in Sharm el-Sheikh einiges einstecken.
Die Entwicklungsorganisation Germanwatch berichtet von “Menschenrechtsverletzungen und groben Einschränkungen von Teilen der Zivilgesellschaft” im Umfeld der COP27. “Von willkürlichen Inhaftierungen über Überwachung bis hin zu weiteren Hürden für Klima- und Menschenrechtsaktivisten – all dies geschieht hier im Kontext der COP”, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
Bereits vor Beginn der Konferenz kam es zu Verhaftungen von Aktivisten aus Ägypten und dem Ausland. Ajit Rajagopal aus Indien wollte zu Fuß von Kairo nach Sharm el-Sheikh laufen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. An einem Sicherheits-Checkpoint wurde er festgenommen, da sein Protest nicht angemeldet gewesen sei. Erst auf internationalen Druck hin wurde er freigelassen. Laut Human Rights Watch wurden Taxis in Sharm el-Sheikh zudem mit Kameras ausgestattet, und es gibt Berichte, dass die offizielle COP27-App eine umfassende Überwachung per Mobiltelefon ermögliche.
Doch auch wer Demonstrationen im Umfeld der COP anmeldet, hat keineswegs freies Geleit. Sie müssen 36 Stunden vorher bei den ägyptischen Behörden angemeldet werden und dürfen nur in einem festgelegten Bereich zwischen 10 und 17 Uhr stattfinden. Dieser Bereich liegt nicht etwa in Hörweite der Verhandlungsdelegationen, sondern eine Busfahrt entfernt vom COP-Hauptgelände in der sogenannten Green Zone. Wer eine Demonstration anmeldet, muss den Behörden persönliche Daten preisgeben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen sich strengen Sicherheitschecks unterziehen. Kein Wunder also, dass sich die Anzahl der Proteste auf der COP bislang in Grenzen hält. Lediglich kleinere Protestaktionen sind zu sehen.
Eine ganze Reihe NGOs, darunter BUND, NABU und auch Germanwatch beklagten sich zudem über kurzfristige Stornierungen ihrer Hotels sowie unangekündigte Aufpreise bei Anreise von über 500 US-Dollar pro Nacht. Teilweise wurden die Anreisenden aufgefordert, nachzuzahlen oder zu unterschreiben, dass man die COP nicht besuchen werde und als Tourist einchecke.
Die Hotels berufen sich dabei auf speziell für die COP gemachte Regularien durch das Tourismusministerium Ägyptens. “Derartige Maßnahmen führen zu massiven Einschränkungen der Teilnahmemöglichkeiten”, schreibt Germanwatch. Ein Großteil der Zivilgesellschaft aus Afrika werde so faktisch ausgeschlossen. Ein weiterer Kritikpunkt vieler COP-Teilnehmer sind die horrenden Preise für Getränke und Speisen auf dem Gelände.
Ein Fall von ägyptischen Menschenrechtsverstößen erzeugt auf der COP besondere Aufmerksamkeit: Der ägyptisch-britische Blogger und Menschenrechtsaktivist Alaa Abd el-Fattah sitzt seit 2013 fast durchgehend im Gefängnis. Er war an der Organisation der Massenproteste des Arabischen Frühlings 2011 beteiligt und kritisierte später auch den aktuellen Machthaber Ägyptens Abd al-Fattah as-Sisi. Zuletzt wurde er 2019 verhaftet und 2021 verurteilt, wegen “Verbreitung von Falschinformationen”.
Seit über 200 Tagen ist Fattah im Hungerstreik, seit Beginn der COP am Sonntag verzichtet er auch auf Wasser. Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Rishi Sunak forderten während des High-Level-Segments die Freilassung des in Lebensgefahr schwebenden Aktivisten. Auf dem Gelände der COP machte seine Schwester Sanaa Seif zuletzt auf seine Lage aufmerksam und bekam dabei unfreiwillige Unterstützung durch regimefreundliche ägyptische Politiker.
Während einer Pressekonferenz von Seif und anderen Menschenrechtsaktivisten am Dienstag meldete sich ein ägyptischer Parlamentsabgeordneter zu Wort und griff Seif verbal an. Ihr Bruder sei ägyptischer Staatsbürger und habe ägyptisches Recht gebrochen. Wieso versuche sie also durch internationale Aufmerksamkeit Druck aufzubauen, fragte er. Seif antwortete ihm sichtlich ergriffen und dennoch ruhig, erklärte, dass es keinen fairen Prozess gegeben habe und wies auf seine britische Staatsbürgerschaft hin. Weil der Fragesteller dennoch nicht abließ und Seif auf Arabisch anschrie, wurde er von Sicherheitskräften des Saals verwiesen.
Vor dem Saal kam es zur erneuten Konfrontation zwischen weiteren Regimetreuen und Sanaa Seif mitten in einer Traube von Journalisten. Mehr Werbung hätte das ägyptische Regierungslager für den Fall kaum machen können. Auch in den kommenden Tagen sind weitere Aktionen auf dem COP-Gelände geplant.
Luisa Neubauer von Fridays for Future hielt sich daher mit Kritik am Gastgeber nicht zurück: “Wir treffen uns in einer Diktatur, wo Leute über Klimagerechtigkeit verhandeln, während Tausende Menschen in Ägypten in Gefangenschaft gesetzt werden.” Die Frage der Menschenrechte in einem Land, in dem praktisch kein Menschenrecht nicht verletzt würde, müsse daher im Fokus von allem sein, was man mache, so Neubauer.
Trotz der Forderungen nach Fattahs Freilassung durch europäische Politiker bewegt sich an seiner Situation in Haft derzeit noch nichts. Ein hoher EU-Beamter erklärte Climate.Table am Mittwoch, dass man das Thema bei der ägyptischen Delegation bislang noch gar nicht ansprechen konnte. Es gebe eine Reihe von Themen, die man besprechen wolle, und der Fall Fattah sei definitiv darunter. Der Beamte zeigte sich zudem besorgt über die Situation der NGOs und Aktivisten auf der COP, erklärte jedoch, dass man noch nichts über mögliche Konsequenzen für die Verhandlungen mit der ägyptischen Delegation sagen könne. Bevor man darüber nachdenken könne, müsse man die andere Seite anhören.
Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, forderte mehr Rücksicht auf Menschenrechte bei den Klimaverhandlungen. Dies gelte insbesondere bei Regimen wie dem Gastgeber Ägypten, wenn es sich beispielsweise für die Kompensation von Verlusten und Schäden im Globalen Süden durch die Industrieländer einsetze. Gelder für “Loss and Damage” ohne die Garantie auf Einhaltung der Menschenrechte sei ein Blankoscheck für mehr Unterdrückung, so Callamard. Mit Alexandra Endres
China ist bereit, sich an einem Mechanismus zur Kompensation von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu beteiligen. Wie Reuters berichtet, gab der chinesische Klima-Sondergesandter Xie Zhenhua das am Mittwoch auf der COP27 bekannt. Demnach sagte Xie: “Das ist nicht die Verpflichtung Chinas, aber wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.” Da die Volksrepublik kein Annex I-Land ist, ist sie nicht verpflichtet, sich an Loss-and-Damage-Instrumenten zu beteiligen.
Zugleich sagte Xie: China unterstütze die Forderungen der Entwicklungsländer, “vor allem der verletzlichsten Länder”, nach einer Entschädigung für Loss and Damage stark, “weil wir ebenfalls ein Entwicklungsland sind, und wir haben auch sehr unter Extremwetterereignissen gelitten.”
Zudem gab es einen inoffiziellen Austausch zwischen Xie und John Kerry. Laut Xie sei die Tür für gemeinsame Vorstöße zur Förderung der COP-Agendapunkte offen, wie Bloomberg berichtet. Gleichzeitig forderte Xie die Regierung in Washington auf, Hindernisse für die Wiederaufnahme formeller Gespräche zu beseitigen, wie AP berichtet. Die offiziellen US-China-Verbindungen in Klimafragen liegen seit dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi auf Eis. John Kerry sagte Mittwoch: “China muss sich [beim Klimaschutz] schneller bewegen. Sie müssen mehr unternehmen.”
Schon am Sonntag hatte Xie (Portrait) die reichen Nationen aufgerufen, ärmere Länder stärker zu unterstützen – finanziell sowie bei Emissionsminderung, Klimawandel-Anpassung und im Bereich Capacity Building. Er hoffe, dass es Fortschritte bei den vom Globalen Norden zugesagten, aber bisher nicht ausreichend gezahlten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an arme Länder für die vom Klimawandel verursachten Schäden geben werde.
Xie bestätigte am Dienstag bei einer Veranstaltung der Weltbank zudem, dass Chinas Plan zur Senkung der Methan-Emissionen nun fertig sei und ungenannte “vorläufige Ziele” enthalte. Der Plan werde drei Bereiche abdecken:
Zu den Prioritäten bei der Umsetzung des Plans gehörten der Aufbau von Kapazitäten, sowie das Monitoring der Emissionen. Methan hat verglichen mit Kohlenstoffdioxid eine auf kurze Frist vielfach stärkere Treibhauswirkung. ck/nib
Das Urteil machte weltweit Schlagzeilen: Vor einigen Jahren verklagte die Umweltorganisation Urgenda gemeinsam mit rund 900 Bürgerinnen und Bürgern in den Niederlanden ihre Regierung wegen der niederländischen Klimaziele. Sie gewannen den Prozess. Das Urteil war ein kleiner Hoffnungsschimmer: Könnten die Gerichte Schwung in die festgefahrene Klimapolitik bringen? Oder handelte es sich lediglich um einen Sonderfall, der den fortschrittlichen Gefilden der Niederlande vorbehalten war?
Rückblickend wird klar: Das Urteil hat eine neue Ära eingeläutet. Eine Ära, in der Regierungen sich zunehmend vor Gericht verantworten müssen, wenn sie es versäumen, die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Inzwischen sind über 80 Klagen gegen Regierungen in aller Welt eingereicht worden – in Pakistan, Kolumbien, Südkorea, Australien und anderswo. Und die Klagenden haben Erfolg: Zahlreiche Gerichte haben anerkannt, dass Klimaschutz keine Option, sondern eine rechtliche Verpflichtung ist. Warum sollte es auch anders sein?
Angenommen, man verhält sich im Straßenverkehr rücksichtslos und bringt sich und andere dadurch in Gefahr: Im Falle eines Unfalls hätte man die Konsequenzen zu tragen, schließlich war man sich der möglichen Konsequenzen bewusst und trat dennoch aufs Gas. Die Regierungen – insbesondere die des Globalen Nordens – verhalten sich ähnlich, indem sie es wissentlich unterlassen, sofortige Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Wie rücksichtslose Autofahrer sollten auch sie zur Rechenschaft gezogen werden.
Genau so sah das Bezirksgericht 2015 die Verantwortung der niederländischen Regierung im Fall Urgenda. Es stellte fest, dass die niederländische Regierung “angesichts der Schwere der Folgen des Klimawandels und des großen Risikos eines gefährlichen Klimawandels ohne Abschwächungsmaßnahmen” in der Pflicht ist, “ihren Teil beizutragen”, indem sie ihre Emissionen weiter reduziert, um ihre Bevölkerung vor Klimaschäden zu schützen.
Natürlich hängt die rechtliche Verpflichtung einer Regierung, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, von ihrem jeweiligen Rechtssystem ab. Aber es gibt einige offensichtliche Faktoren, die auf die Existenz dieser Verpflichtung verweisen.
Die Regierungen mögen uns vielleicht rücksichtslos in eine lebensfeindliche Zukunft steuern. Aber die Entwicklung der Klimaschutzklagen macht Hoffnung: Die Rechenschaftspflicht ist vorhanden. Was mit einer einzelnen Klimaklage gegen die niederländische Regierung begann, hat sich zu einer globalen Bewegung von Klimaprozessen entwickelt, die von betroffenen Gemeinschaften vorangetrieben und von Anwältinnen, Anwälten und weiteren Engagierten in aller Welt unterstützt wird.
Die derzeitigen Entwicklungen bei Rechtsstreitigkeiten zeigen, dass die Regierungen “das Entstehen einer rechtlichen Verpflichtung erkennen” und zum Schutz ihrer Bevölkerung handeln sollten. Jeder Fall baut auf den vorherigen auf und schafft eine Präzedenz für weitere Verfahren. Ein Beispiel dafür ist die Klage von Uncle Paul und Uncle Pabai von den Torres-Strait-Inseln, die die australische Regierung nach dem Vorbild des niederländischen Urgenda-Falls verklagen. Durch den Anstieg des Meeresspiegels könnten sie alles verlieren: ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Identität, ihr Land.
Die beiden Anführer der First Nation erhoffen sich einen Sieg vor Gericht, ähnlich wie im Fall Neubauer im vergangenen Jahr. Damals forderte das Bundesverfassungsgericht den deutschen Gesetzgeber auf, seine Klimaziele zu verschärfen, um die “Grundfreiheiten” der jungen Generation zu schützen. Die Regierung reagierte umgehend und erhöhte ihr Klimaschutzziel für 2030 um zehn Prozentpunkte.
Die Botschaft im Vorfeld der COP27 ist klar: Länder, die uns weiterhin eine sichere Zukunft verbauen, werden zur Verantwortung gezogen. Im Hinblick auf den nächsten UN-Klimagipfel haben wir uns mit Anwälten und Klägern aus aller Welt zusammengeschlossen, um eine Botschaft an die Regierungen dieser Welt zu senden: “Wenn ihr euch nicht ambitionierter zeigt, werden wir uns weiterhin an die Gerichte wenden, um Rechenschaft einzufordern.” Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, haben wir keine Zeit zu verlieren.
Lucy Maxwell und Sarah Mead sind als Anwältinnen spezialisiert auf Völker-, Umwelt- und internationales öffentliches Recht. Gemeinsam leiten sie das Climate Litigation Network.
“Die COP27 kann helfen, Klima-Ungerechtigkeiten in Afrika zu korrigieren“, sagt Mohamed Adow. Der Gründer und Direktor des Thinktanks Power Shift Africa ist ein Vorkämpfer für die Klimainteressen des Kontinents. Ob die Klimakonferenz in Ägypten ein Erfolg wird, hänge maßgeblich davon ab, ob mehr Gelder für Klimaanpassung und die Reparatur von klimabedingten Schäden von den reichen in die ärmeren Länder fließen, so Adow.
Denn die reichen Länder hätten eine Klimaschuld auf sich geladen: “In Afrika leben 17 Prozent der Weltbevölkerung, aber wir sind nur für weniger als vier Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Historisch gesehen hat Afrika nur für 0,5 Prozent der Gesamtemissionen zu verantworten. Dennoch sind wir am stärksten vom Klimawandel betroffen, was hauptsächlich auf die Emissionen der reichen Welt zurückzuführen ist”, beklagte Adow im September auf der afrikanischen Medienkonferenz im Vorfeld des COP27.
In der Tat ist Afrika ist von der globalen Klimakrise besonders stark betroffen. Einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie über den Zustand des afrikanischen Klimas zufolge sind Trockenheit und Überschwemmungen die drängendsten Probleme. In den letzten 50 Jahren haben Dürrekatastrophen in der Region mehr als eine halbe Million Menschenleben gefordert und wirtschaftliche Verluste von mehr als 70 Milliarden Dollar verursacht. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 1.000 hochwasserbedingte Katastrophen registriert.
Adow wuchs in einer Viehzüchtergemeinschaft im Norden Kenias auf. Er hat die Auswirkungen der Klimakrise in seiner Gemeinde hautnah erlebt, wie er für Foreign Affairs schildert. “Im Jahr 2000 vernichtete eine Dürre einen Großteil der Herde meines Vaters und zerstörte die Lebensgrundlage unserer Nachbarn”. Im Norden Kenias traten Dürren früher einmal alle zehn Jahre auf, aber ihre Häufigkeit und Schwere haben zugenommen. Power Shift Africa gründete er mit dem Ziel, den Klimaschutz in Afrika voranzutreiben und die Klima- und Energiepolitik in Richtung Kohlenstoffneutralität zu verändern. Zuvor leitete er mehr als ein Jahrzehnt lang die globale Klimapolitik und Advocacy-Arbeit von Christian Aid. Er spezialisierte sich auf Fragen der Entwicklungsländer und unterstützte die Advocacy-Arbeit der Organisation in Afrika, Europa und bei den UN-Klimaverhandlungen.
Adow zufolge sind die Klimaprobleme eng mit der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit verknüpft. “Die reiche Minderheit in der industrialisierten Welt hat sich nur deshalb so gut entfaltet, weil der Rest von uns ihre Entwicklung subventioniert hat”, kritisiert er unverblümt. Um den Klimawandel zu bekämpfen, solle eine rasche Dekarbonisierung eingeleitet werden. Die Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe müsse gestoppt und ein schrittweiser Ausstieg aus der Produktion eingeleitet werden, so Adow.
Adow ist international gut vernetzt. Er schreibt regelmäßig Meinungsbeiträge für internationale Medien wie Aljazeera und Nation Africa. In einem Text für die Die Zeit kritisierte er, dass Deutschland und Italien versuchen, mit afrikanischen Ländern Verträge über die Lieferung fossiler Brennstoffe abzuschließen, um von russischem Gas unabhängig zu werden: “Die Gasabkommen, die Deutschland und Italien mit den afrikanischen Ländern anstreben, sind geradezu aberwitzig.”
Die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents beläuft sich derzeit auf etwa 1,4 Milliarden Menschen. Nicht mal die Hälfte von ihnen haben Zugang zu Elektrizität, so Adow. Es bestehe ein großer Nachholprozess bei der Elektrizitätsversorgung. Das macht die Frage der Dekarbonisierung in Afrika nicht einfacher. Adow fordert, dass die Industrieländer die Staaten des Kontinents unterstützen sollten, eine führende Rolle im Bereich Erneuerbarer Energien zu übernehmen.
Adow betont, dass Afrika eine eigene Transformationsstrategie entwickeln müsse. Eine größere Unabhängigkeit in Energie-, Nahrungsmittel- und wirtschaftlichen Fragen sei unmöglich, wenn Afrika nur “Teil der strategischen Vision anderer bleibt, seien es die USA, die EU, China oder Russland”. Isabel Cuesta
John Kerry schielt auf das Geld von Konzernen und Großbanken. Der US-Klima-Zar hat eine Initiative für CO2-Zertifikate für Unternehmen vorgestellt – die aber mit neuen UN-Vorschlägen gegen Greenwashing kollidiert. Kerry will damit private Gelder für die Energiewende und Klimaanpassung im Globalen Süden mobilisieren. Klingt gut – doch es besteht die reale Gefahr, dass sich die Unternehmen von ihren Klima-Verpflichtungen einfach freikaufen, berichtet Bernhard Pötter.
Auf der COP richten sich auch viele Blicke auf den größten CO2-Emittenten China. Das Land sei bereit, sich an einem Mechanismus zur Kompensation von Verlusten und Schäden zu beteiligen, erklärte der Klima-Sondergesandter Xie. Das könnte ein Türöffner dafür sein, dass sich in Zukunft auch die großen Verschmutzer aus den Schwellenländern an den Kosten der Klimaschäden beteiligen – und die Industrieländer stärker unter Druck setzen.
Neue Beobachtungen gibt es auch zu den Emissionen der Volksrepublik. Vieles deutet auf einen CO2-Höchststand weit vor 2030: von neuen Pläne zum Ausbau der Erneuerbaren bis hin zu fehlenden Finanzmitteln der Provinzen für fossile Konjunkturprogramme. Ist das Grund zu Optimismus? Nur bedingt – denn Chinas Klimaziele sind immer noch nicht Paris-konform. Die Anstrengungen müssen deshalb beschleunigt werden.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre!
Eine aktuelle US-Initiative zum freiwilligen Handel mit CO2-Zertifikaten für Unternehmen kollidiert mit neuen UN-Vorschlägen gegen Greenwashing. Der US-Sondergesandte fürs Klima, John Kerry, präsentierte am Mittwoch auf der COP27 das Instrument des “Energy Transition Accelerator” (ETA).
Mit ihm soll privates Kapital aus den USA in Schwellenländern die Energiewende finanzieren und dafür freiwillige CO2-Lizenzen erhalten. Vor solchen Regelungen hatte allerdings am Vortag die “High Level Expert Group” (HLEG) von UN-Generalsekretär António Guterres gewarnt.
Kerrys Vorschlag, den er zusammen mit der Rockefeller Foundation und dem Bezos Earth Fund machte: Eine “innovative Partnerschaft”, um bis 2030 oder 2035 “private Investitionen in eine umfassende globale Energiewende” zu lenken. Konkret bedeutet das:
Die Idee: Die riesige Lücke zwischen den nötigen und den geplanten Investments in den Umbau von Energiesystemen, Anpassung an den Klimawandel und Naturschutz zu schließen. Erst am Vortag hatte eine Expertengruppe der britischen und ägyptischen COP-Präsidentschaft kalkuliert, 2025 sei dafür eine Billion Dollar nötig – eine Verdopplung heutiger Finanzmittel (Climate Table berichtete).
Laut ETA können die beteiligten Firmen die Zertifikate auch dafür einsetzen, um einen “begrenzten Anteil ihrer Scope 3-Emissionen (CO2-Ausstoß aus Lieferkette und Verwendung der Produkte, d. Red.) im Kurzzeit-Ziel des Unternehmens anzusprechen.”
Das aber widerspricht den Empfehlungen des UN-Expertengremiums HLEG. Die Gruppe hatte am Dienstag auf der COP in Anwesenheit von UN-Chef Guterres ihren Abschlussbericht präsentiert. Darin weist sie auf die Gefahr von irreführenden Klima-Versprechen (“Greenwashing”) bei Unternehmen und anderen nicht-staatlichen Akteuren hin.
Inbesondere heißt es: “CO2-Zertifikate von hoher Integrität in freiwilligen Märkten sollten für Klimaschutz jenseits der Lieferketten genutzt werden. Aber sie können nicht auf die Interim-Emissionsreduzierungen aus den Netto-Null-Pfaden von nicht-staatlichen Akteuren angerechnet werden.”
Also: Keine Anrechnung auf die freiwilligen Netto-Null-Pläne der Unternehmen – wie sie ETA für einen Teil der Scope-3- Emissionen erlaubt.
Für Bill Hare, Leiter des Thinktanks “Climate Analytics” und HLEG-Mitglied, bedeutet der US-Plan, dass “die amerikanische Wirtschaft ihre Emissionen nicht reduziert, weil sie stattdessen CO2-Kompensationen kaufen kann. Das ist vom weltgrößten CO2-Emittenten einfach inakzeptabel. Die Idee von Partnerschaften zur Energiewende ist, dass jeder seine Emissionen reduziert. Das war das klare Ergebnis im Bericht des Generalsekretärs von gestern. Es ist vordringlich, Emissionen zu reduzieren. Offsets zu kaufen und weiter CO2 in die Atmosphäre zu pumpen wird sicher nicht dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.”
“Ein freiwilliges Programm zur Vergabe von Emissionsgutschriften wird keine tiefgreifenden, echten Emissionssenkungen garantieren”, sagte Rachel Cleetus, politische Direktorin bei der Union of Concerned Scientists.
Und auch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im deutschen Entwicklungsministerium, sieht den Kerry-Vorschlag “mit einer gewissen Skepsis.” Es sei “sehr wichtig, dass wir uns keineswegs unserer eigenen Verpflichtung zur Finanzierung für unsere JETP-Partner (für die internationale Energiewende, die Red.) entziehen wollen. Außerdem gäbe es noch zahlreiche Fragen zu klären, wie die Integrität des freiwilligen Kohlenstoffmarktes gewährleistet werden kann.”
Tatsächlich erinnert ETA an den “Clean Development Mechanism” (CDM), mit dem nach dem Kyoto-Protokoll Unternehmen CO2-Zertifikate erwerben konnten, wenn sie in Entwicklungsländern in den Klimaschutz investierten. Das galt allerdings nicht für freiwillige Märkte, sondern für den Europäischen Emissionshandel ETS. Das CDM-Programm wurde dafür kritisiert, dass es zum globalen Klimaschutz kaum beigetragen hatte.
Der HLEG-Bericht legt hohe Maßstäbe an Unternehmen und Marktakteure an, um Greenwashing zu verhindern (Climate Table berichtete). Nach sieben Monaten intensiver Debatte kamen die 17 internationalen Expertinnen und Experten des Gremiums, das von Guterres persönlich eingesetzt worden war, zu zehn Empfehlungen. Akteure, die Greenwashing beim Klimaschutz verhindern wollen, sollten demnach unter anderem:
Guterres hatte auf der Veranstaltung betont, es müsse “Null Toleranz bei Greenwashing zu Netto Null” geben. An der Veranstaltung auf der COP hatten viele Chefs von UN-Organisationen und “Klima-Champions” teilgenommen, um das politische Gewicht der Forderung zu erhöhen – wohl wissend, dass John Kerry am Folgetag seinen ETA-Vorschlag machen würde.
Kerry sagte zu der Kritik: “Wir sollten nicht zulassen, dass die Fehler der Vergangenheit uns davon abhalten, ein mächtiges Instrument einzusetzen, um privates Kapital dorthin zu lenken, wo es am meisten gebraucht wird”. Den US-Klimagesandten treibt dabei eine reale Angst um: Dass ein wachsender Einfluss der oppositionellen Republikaner nach den US-“Midterm”-Wahlen dazu führen könnte, dass sein Land bei der internationalen Klimafinanzierung weiter zurückfällt.
Schon jetzt beteiligen sich die USA als größte Volkswirtschaft der Erde und größter historischer CO2-Emittent nur mit etwa acht Milliarden Dollar jährlich an den versprochenen 100 Milliarden Klimahilfen – dabei läge ein fairer Anteil wohl eher bei 40 Milliarden.
Wenn die Republikaner im US-Kongress weitere Zahlungen blockieren, wäre die Biden-Regierung in diesem Bereich handlungsunfähig und ihre Position in den UN-Verhandlungen würde geschwächt. Einige Milliarden an privaten Geldern aus dem ETA-Verfahren würden zwar nicht auf die offizielle Quote der USA angerechnet. Aber Kerry könnte darauf verweisen, dass privates US-Geld bei der globalen Energiewende hilft. (mit Reuters)
China will den Emissionspeak “vor 2030” erreichen. Das gab Xi Jinping vor gut zwei Jahren bekannt. Doch es wurde weder ein genauer Zeitpunkt noch eine Zielmarke für die Höhe der CO2-Emissionen benannt. Bei den großen Wegmarken setzt sich die Volksrepublik seit jeher Ziele, die sie auf jeden Fall erreichen kann – und meist übererfüllt. Ein Verfehlen von Wachstumszielen würde das Ansehen der alles dominierenden Kommunistischen Partei viel stärker beschädigen als das Ansehen von Parteien und Regierungen in demokratischen Staaten. Vieles deutet auf einen früheren CO2-Peak hin.
Die Volksrepublik hat die Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Und die Provinzen wollen den Ausbau weiter beschleunigen:
Laut Berechnungen des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) kann der zusätzliche Stromverbrauch Chinas zwischen 2020 und 2025 durch diesen schnellen Ausbau der Erneuerbaren gedeckt werden, wenn der Stromverbrauch nicht über vier Prozent steigt.
Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass Erneuerbare und Kohlekraftwerke in Zukunft noch stärker konkurrieren. “Es wird definitiv einen Wettbewerb um Marktanteile zwischen Kohle und sauberer Energie geben”, sagt Myllyvirta. “Wenn die Betriebsstunden der Kohlekraftwerke sinken, werden die Eigentümer verstärkt versuchen, die Expansion erneuerbarer Energien zu bremsen”. Die Kohle macht noch immer 63 Prozent des Strommix und 60 Prozent des Energiemix aus.
Aktivisten von Greenpeace Ostasien sind deshalb auch nicht ganz so optimistisch. “Es ist klar, dass die CO2-Emissionen in Chinas Energiesektor in den kommenden Jahren noch steigen werden”, sagt die in Peking arbeitende Wu Jinghan. Aufgrund der Elektrifizierung weiterer Industriesektoren und des Wirtschaftswachstums werde die Stromnachfrage weiter wachsen. Und dennoch: “Wir gehen davon aus, dass der chinesische Energiesektor vor 2025 den Höhepunkt seiner Emissionen erreichen wird”, sagt Wu.
In der Vergangenheit hat China für sein Wachstum massiv auf den Bausektor gesetzt. Nie zuvor in der Weltgeschichte wurden in so kurzer Zeit so viele Straßen, Zugverbindungen und ganze Städte aus dem Boden gestampft. Doch die Industrie hat jüngst Klimapläne (China.Table berichtete) vorgelegt:
“Es ist durchaus möglich, dass die Emissionen für Zement und Baustoffe ihren Höhepunkt bereits erreicht haben”, sagt Xinyi Shen vom CREA. Denn der Sektor hat die Energie-Effizienz erhöht. Gleichzeitig stockt die Nachfrage nach Baumaterialien. Ein früher Emissions-Peak dieses Sektors wäre wichtig, da er am drittmeisten CO2 verursacht.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Anfang November hat die Regierung einen Implementierungsplan für die CO2-Ziele der Baustoffindustrie herausgegeben. Darin heißt es:
Einige Analysten gehen davon aus, dass die Bauindustrie ihre eigenen Ziele trotzdem verfolgen wird. Doch die weniger ambitionierten Vorgaben von oben geben Spielraum und nehmen Druck. Und die Vergangenheit zeigt, dass die Emissionen des Bausektors auch schnell wieder steigen können: “2015 sanken die Emissionen Chinas. Damals waren hauptsächlich wirtschaftliche Faktoren ausschlaggebend”, sagt Byford Tsang vom Klima-Think-Tank E3G. “Ein schleppender Immobiliensektor und die angebotsseitige Reform der Schwerindustrie zur Reduktion von ineffizienten Überkapazitäten waren damals verantwortlich”.
Die Covid-Krise und der schwächelnde Immobilien-Sektor haben dazu beigetragen, dass Chinas Emissionen in den letzten vier Quartalen gesunken sind. Zentralregierung und die Provinzen haben große Konjunkturprogramme angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. In der Vergangenheit hatte das oft einen starken Emissionsanstieg zur Folge, weil die Programme sehr Bau-lastig waren. Das ist heute anders:
“Wenn der wirtschaftliche Übergang zu einem “hochwertigen Wachstum” gelingt, wird der massive Ausbau der sauberen Energien, einen baldigen Höhepunkt der Emissionen bedeuten”, sagt Lauri Myllyvirta vom CREA.
Doch selbst wenn es China als weltweit größtem CO2-Emittenten gelingt, die Emissionen schon in den nächsten Jahren auf einem Höchststand zu stabilisieren oder gar langsam zu senken, besteht wenig Grund für Klima-Optimismus. Denn Chinas Klimaziele sind nicht Paris-konform. Eine Verstärkung der Klima-Ambitionen ist also nötig. Wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollten, müsste die Volksrepublik den Anteil des Kohlestroms bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent senken, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. Noch vor dem Jahr 2040 dürfte China gar keine Kohle mehr für die Stromerzeugung verbrauchen, rechnen die Experten vor. Das heißt, der Ausbau der Erneuerbaren muss konstant hochgehalten werden. Jährlich ist ein Zubau von 150 bis 200 Gigawatt nötig.
Ohne die Zivilgesellschaft hätte es kein Paris-Abkommen gegeben, sagte Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, am Dienstag am Rande einer Veranstaltung im deutschen Pavillon auf der COP27. Doch jene Zivilgesellschaft muss in Sharm el-Sheikh einiges einstecken.
Die Entwicklungsorganisation Germanwatch berichtet von “Menschenrechtsverletzungen und groben Einschränkungen von Teilen der Zivilgesellschaft” im Umfeld der COP27. “Von willkürlichen Inhaftierungen über Überwachung bis hin zu weiteren Hürden für Klima- und Menschenrechtsaktivisten – all dies geschieht hier im Kontext der COP”, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
Bereits vor Beginn der Konferenz kam es zu Verhaftungen von Aktivisten aus Ägypten und dem Ausland. Ajit Rajagopal aus Indien wollte zu Fuß von Kairo nach Sharm el-Sheikh laufen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. An einem Sicherheits-Checkpoint wurde er festgenommen, da sein Protest nicht angemeldet gewesen sei. Erst auf internationalen Druck hin wurde er freigelassen. Laut Human Rights Watch wurden Taxis in Sharm el-Sheikh zudem mit Kameras ausgestattet, und es gibt Berichte, dass die offizielle COP27-App eine umfassende Überwachung per Mobiltelefon ermögliche.
Doch auch wer Demonstrationen im Umfeld der COP anmeldet, hat keineswegs freies Geleit. Sie müssen 36 Stunden vorher bei den ägyptischen Behörden angemeldet werden und dürfen nur in einem festgelegten Bereich zwischen 10 und 17 Uhr stattfinden. Dieser Bereich liegt nicht etwa in Hörweite der Verhandlungsdelegationen, sondern eine Busfahrt entfernt vom COP-Hauptgelände in der sogenannten Green Zone. Wer eine Demonstration anmeldet, muss den Behörden persönliche Daten preisgeben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen sich strengen Sicherheitschecks unterziehen. Kein Wunder also, dass sich die Anzahl der Proteste auf der COP bislang in Grenzen hält. Lediglich kleinere Protestaktionen sind zu sehen.
Eine ganze Reihe NGOs, darunter BUND, NABU und auch Germanwatch beklagten sich zudem über kurzfristige Stornierungen ihrer Hotels sowie unangekündigte Aufpreise bei Anreise von über 500 US-Dollar pro Nacht. Teilweise wurden die Anreisenden aufgefordert, nachzuzahlen oder zu unterschreiben, dass man die COP nicht besuchen werde und als Tourist einchecke.
Die Hotels berufen sich dabei auf speziell für die COP gemachte Regularien durch das Tourismusministerium Ägyptens. “Derartige Maßnahmen führen zu massiven Einschränkungen der Teilnahmemöglichkeiten”, schreibt Germanwatch. Ein Großteil der Zivilgesellschaft aus Afrika werde so faktisch ausgeschlossen. Ein weiterer Kritikpunkt vieler COP-Teilnehmer sind die horrenden Preise für Getränke und Speisen auf dem Gelände.
Ein Fall von ägyptischen Menschenrechtsverstößen erzeugt auf der COP besondere Aufmerksamkeit: Der ägyptisch-britische Blogger und Menschenrechtsaktivist Alaa Abd el-Fattah sitzt seit 2013 fast durchgehend im Gefängnis. Er war an der Organisation der Massenproteste des Arabischen Frühlings 2011 beteiligt und kritisierte später auch den aktuellen Machthaber Ägyptens Abd al-Fattah as-Sisi. Zuletzt wurde er 2019 verhaftet und 2021 verurteilt, wegen “Verbreitung von Falschinformationen”.
Seit über 200 Tagen ist Fattah im Hungerstreik, seit Beginn der COP am Sonntag verzichtet er auch auf Wasser. Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Rishi Sunak forderten während des High-Level-Segments die Freilassung des in Lebensgefahr schwebenden Aktivisten. Auf dem Gelände der COP machte seine Schwester Sanaa Seif zuletzt auf seine Lage aufmerksam und bekam dabei unfreiwillige Unterstützung durch regimefreundliche ägyptische Politiker.
Während einer Pressekonferenz von Seif und anderen Menschenrechtsaktivisten am Dienstag meldete sich ein ägyptischer Parlamentsabgeordneter zu Wort und griff Seif verbal an. Ihr Bruder sei ägyptischer Staatsbürger und habe ägyptisches Recht gebrochen. Wieso versuche sie also durch internationale Aufmerksamkeit Druck aufzubauen, fragte er. Seif antwortete ihm sichtlich ergriffen und dennoch ruhig, erklärte, dass es keinen fairen Prozess gegeben habe und wies auf seine britische Staatsbürgerschaft hin. Weil der Fragesteller dennoch nicht abließ und Seif auf Arabisch anschrie, wurde er von Sicherheitskräften des Saals verwiesen.
Vor dem Saal kam es zur erneuten Konfrontation zwischen weiteren Regimetreuen und Sanaa Seif mitten in einer Traube von Journalisten. Mehr Werbung hätte das ägyptische Regierungslager für den Fall kaum machen können. Auch in den kommenden Tagen sind weitere Aktionen auf dem COP-Gelände geplant.
Luisa Neubauer von Fridays for Future hielt sich daher mit Kritik am Gastgeber nicht zurück: “Wir treffen uns in einer Diktatur, wo Leute über Klimagerechtigkeit verhandeln, während Tausende Menschen in Ägypten in Gefangenschaft gesetzt werden.” Die Frage der Menschenrechte in einem Land, in dem praktisch kein Menschenrecht nicht verletzt würde, müsse daher im Fokus von allem sein, was man mache, so Neubauer.
Trotz der Forderungen nach Fattahs Freilassung durch europäische Politiker bewegt sich an seiner Situation in Haft derzeit noch nichts. Ein hoher EU-Beamter erklärte Climate.Table am Mittwoch, dass man das Thema bei der ägyptischen Delegation bislang noch gar nicht ansprechen konnte. Es gebe eine Reihe von Themen, die man besprechen wolle, und der Fall Fattah sei definitiv darunter. Der Beamte zeigte sich zudem besorgt über die Situation der NGOs und Aktivisten auf der COP, erklärte jedoch, dass man noch nichts über mögliche Konsequenzen für die Verhandlungen mit der ägyptischen Delegation sagen könne. Bevor man darüber nachdenken könne, müsse man die andere Seite anhören.
Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, forderte mehr Rücksicht auf Menschenrechte bei den Klimaverhandlungen. Dies gelte insbesondere bei Regimen wie dem Gastgeber Ägypten, wenn es sich beispielsweise für die Kompensation von Verlusten und Schäden im Globalen Süden durch die Industrieländer einsetze. Gelder für “Loss and Damage” ohne die Garantie auf Einhaltung der Menschenrechte sei ein Blankoscheck für mehr Unterdrückung, so Callamard. Mit Alexandra Endres
China ist bereit, sich an einem Mechanismus zur Kompensation von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu beteiligen. Wie Reuters berichtet, gab der chinesische Klima-Sondergesandter Xie Zhenhua das am Mittwoch auf der COP27 bekannt. Demnach sagte Xie: “Das ist nicht die Verpflichtung Chinas, aber wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.” Da die Volksrepublik kein Annex I-Land ist, ist sie nicht verpflichtet, sich an Loss-and-Damage-Instrumenten zu beteiligen.
Zugleich sagte Xie: China unterstütze die Forderungen der Entwicklungsländer, “vor allem der verletzlichsten Länder”, nach einer Entschädigung für Loss and Damage stark, “weil wir ebenfalls ein Entwicklungsland sind, und wir haben auch sehr unter Extremwetterereignissen gelitten.”
Zudem gab es einen inoffiziellen Austausch zwischen Xie und John Kerry. Laut Xie sei die Tür für gemeinsame Vorstöße zur Förderung der COP-Agendapunkte offen, wie Bloomberg berichtet. Gleichzeitig forderte Xie die Regierung in Washington auf, Hindernisse für die Wiederaufnahme formeller Gespräche zu beseitigen, wie AP berichtet. Die offiziellen US-China-Verbindungen in Klimafragen liegen seit dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi auf Eis. John Kerry sagte Mittwoch: “China muss sich [beim Klimaschutz] schneller bewegen. Sie müssen mehr unternehmen.”
Schon am Sonntag hatte Xie (Portrait) die reichen Nationen aufgerufen, ärmere Länder stärker zu unterstützen – finanziell sowie bei Emissionsminderung, Klimawandel-Anpassung und im Bereich Capacity Building. Er hoffe, dass es Fortschritte bei den vom Globalen Norden zugesagten, aber bisher nicht ausreichend gezahlten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an arme Länder für die vom Klimawandel verursachten Schäden geben werde.
Xie bestätigte am Dienstag bei einer Veranstaltung der Weltbank zudem, dass Chinas Plan zur Senkung der Methan-Emissionen nun fertig sei und ungenannte “vorläufige Ziele” enthalte. Der Plan werde drei Bereiche abdecken:
Zu den Prioritäten bei der Umsetzung des Plans gehörten der Aufbau von Kapazitäten, sowie das Monitoring der Emissionen. Methan hat verglichen mit Kohlenstoffdioxid eine auf kurze Frist vielfach stärkere Treibhauswirkung. ck/nib
Das Urteil machte weltweit Schlagzeilen: Vor einigen Jahren verklagte die Umweltorganisation Urgenda gemeinsam mit rund 900 Bürgerinnen und Bürgern in den Niederlanden ihre Regierung wegen der niederländischen Klimaziele. Sie gewannen den Prozess. Das Urteil war ein kleiner Hoffnungsschimmer: Könnten die Gerichte Schwung in die festgefahrene Klimapolitik bringen? Oder handelte es sich lediglich um einen Sonderfall, der den fortschrittlichen Gefilden der Niederlande vorbehalten war?
Rückblickend wird klar: Das Urteil hat eine neue Ära eingeläutet. Eine Ära, in der Regierungen sich zunehmend vor Gericht verantworten müssen, wenn sie es versäumen, die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Inzwischen sind über 80 Klagen gegen Regierungen in aller Welt eingereicht worden – in Pakistan, Kolumbien, Südkorea, Australien und anderswo. Und die Klagenden haben Erfolg: Zahlreiche Gerichte haben anerkannt, dass Klimaschutz keine Option, sondern eine rechtliche Verpflichtung ist. Warum sollte es auch anders sein?
Angenommen, man verhält sich im Straßenverkehr rücksichtslos und bringt sich und andere dadurch in Gefahr: Im Falle eines Unfalls hätte man die Konsequenzen zu tragen, schließlich war man sich der möglichen Konsequenzen bewusst und trat dennoch aufs Gas. Die Regierungen – insbesondere die des Globalen Nordens – verhalten sich ähnlich, indem sie es wissentlich unterlassen, sofortige Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Wie rücksichtslose Autofahrer sollten auch sie zur Rechenschaft gezogen werden.
Genau so sah das Bezirksgericht 2015 die Verantwortung der niederländischen Regierung im Fall Urgenda. Es stellte fest, dass die niederländische Regierung “angesichts der Schwere der Folgen des Klimawandels und des großen Risikos eines gefährlichen Klimawandels ohne Abschwächungsmaßnahmen” in der Pflicht ist, “ihren Teil beizutragen”, indem sie ihre Emissionen weiter reduziert, um ihre Bevölkerung vor Klimaschäden zu schützen.
Natürlich hängt die rechtliche Verpflichtung einer Regierung, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, von ihrem jeweiligen Rechtssystem ab. Aber es gibt einige offensichtliche Faktoren, die auf die Existenz dieser Verpflichtung verweisen.
Die Regierungen mögen uns vielleicht rücksichtslos in eine lebensfeindliche Zukunft steuern. Aber die Entwicklung der Klimaschutzklagen macht Hoffnung: Die Rechenschaftspflicht ist vorhanden. Was mit einer einzelnen Klimaklage gegen die niederländische Regierung begann, hat sich zu einer globalen Bewegung von Klimaprozessen entwickelt, die von betroffenen Gemeinschaften vorangetrieben und von Anwältinnen, Anwälten und weiteren Engagierten in aller Welt unterstützt wird.
Die derzeitigen Entwicklungen bei Rechtsstreitigkeiten zeigen, dass die Regierungen “das Entstehen einer rechtlichen Verpflichtung erkennen” und zum Schutz ihrer Bevölkerung handeln sollten. Jeder Fall baut auf den vorherigen auf und schafft eine Präzedenz für weitere Verfahren. Ein Beispiel dafür ist die Klage von Uncle Paul und Uncle Pabai von den Torres-Strait-Inseln, die die australische Regierung nach dem Vorbild des niederländischen Urgenda-Falls verklagen. Durch den Anstieg des Meeresspiegels könnten sie alles verlieren: ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Identität, ihr Land.
Die beiden Anführer der First Nation erhoffen sich einen Sieg vor Gericht, ähnlich wie im Fall Neubauer im vergangenen Jahr. Damals forderte das Bundesverfassungsgericht den deutschen Gesetzgeber auf, seine Klimaziele zu verschärfen, um die “Grundfreiheiten” der jungen Generation zu schützen. Die Regierung reagierte umgehend und erhöhte ihr Klimaschutzziel für 2030 um zehn Prozentpunkte.
Die Botschaft im Vorfeld der COP27 ist klar: Länder, die uns weiterhin eine sichere Zukunft verbauen, werden zur Verantwortung gezogen. Im Hinblick auf den nächsten UN-Klimagipfel haben wir uns mit Anwälten und Klägern aus aller Welt zusammengeschlossen, um eine Botschaft an die Regierungen dieser Welt zu senden: “Wenn ihr euch nicht ambitionierter zeigt, werden wir uns weiterhin an die Gerichte wenden, um Rechenschaft einzufordern.” Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, haben wir keine Zeit zu verlieren.
Lucy Maxwell und Sarah Mead sind als Anwältinnen spezialisiert auf Völker-, Umwelt- und internationales öffentliches Recht. Gemeinsam leiten sie das Climate Litigation Network.
“Die COP27 kann helfen, Klima-Ungerechtigkeiten in Afrika zu korrigieren“, sagt Mohamed Adow. Der Gründer und Direktor des Thinktanks Power Shift Africa ist ein Vorkämpfer für die Klimainteressen des Kontinents. Ob die Klimakonferenz in Ägypten ein Erfolg wird, hänge maßgeblich davon ab, ob mehr Gelder für Klimaanpassung und die Reparatur von klimabedingten Schäden von den reichen in die ärmeren Länder fließen, so Adow.
Denn die reichen Länder hätten eine Klimaschuld auf sich geladen: “In Afrika leben 17 Prozent der Weltbevölkerung, aber wir sind nur für weniger als vier Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Historisch gesehen hat Afrika nur für 0,5 Prozent der Gesamtemissionen zu verantworten. Dennoch sind wir am stärksten vom Klimawandel betroffen, was hauptsächlich auf die Emissionen der reichen Welt zurückzuführen ist”, beklagte Adow im September auf der afrikanischen Medienkonferenz im Vorfeld des COP27.
In der Tat ist Afrika ist von der globalen Klimakrise besonders stark betroffen. Einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie über den Zustand des afrikanischen Klimas zufolge sind Trockenheit und Überschwemmungen die drängendsten Probleme. In den letzten 50 Jahren haben Dürrekatastrophen in der Region mehr als eine halbe Million Menschenleben gefordert und wirtschaftliche Verluste von mehr als 70 Milliarden Dollar verursacht. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 1.000 hochwasserbedingte Katastrophen registriert.
Adow wuchs in einer Viehzüchtergemeinschaft im Norden Kenias auf. Er hat die Auswirkungen der Klimakrise in seiner Gemeinde hautnah erlebt, wie er für Foreign Affairs schildert. “Im Jahr 2000 vernichtete eine Dürre einen Großteil der Herde meines Vaters und zerstörte die Lebensgrundlage unserer Nachbarn”. Im Norden Kenias traten Dürren früher einmal alle zehn Jahre auf, aber ihre Häufigkeit und Schwere haben zugenommen. Power Shift Africa gründete er mit dem Ziel, den Klimaschutz in Afrika voranzutreiben und die Klima- und Energiepolitik in Richtung Kohlenstoffneutralität zu verändern. Zuvor leitete er mehr als ein Jahrzehnt lang die globale Klimapolitik und Advocacy-Arbeit von Christian Aid. Er spezialisierte sich auf Fragen der Entwicklungsländer und unterstützte die Advocacy-Arbeit der Organisation in Afrika, Europa und bei den UN-Klimaverhandlungen.
Adow zufolge sind die Klimaprobleme eng mit der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit verknüpft. “Die reiche Minderheit in der industrialisierten Welt hat sich nur deshalb so gut entfaltet, weil der Rest von uns ihre Entwicklung subventioniert hat”, kritisiert er unverblümt. Um den Klimawandel zu bekämpfen, solle eine rasche Dekarbonisierung eingeleitet werden. Die Ausweitung der Produktion fossiler Brennstoffe müsse gestoppt und ein schrittweiser Ausstieg aus der Produktion eingeleitet werden, so Adow.
Adow ist international gut vernetzt. Er schreibt regelmäßig Meinungsbeiträge für internationale Medien wie Aljazeera und Nation Africa. In einem Text für die Die Zeit kritisierte er, dass Deutschland und Italien versuchen, mit afrikanischen Ländern Verträge über die Lieferung fossiler Brennstoffe abzuschließen, um von russischem Gas unabhängig zu werden: “Die Gasabkommen, die Deutschland und Italien mit den afrikanischen Ländern anstreben, sind geradezu aberwitzig.”
Die Bevölkerung des afrikanischen Kontinents beläuft sich derzeit auf etwa 1,4 Milliarden Menschen. Nicht mal die Hälfte von ihnen haben Zugang zu Elektrizität, so Adow. Es bestehe ein großer Nachholprozess bei der Elektrizitätsversorgung. Das macht die Frage der Dekarbonisierung in Afrika nicht einfacher. Adow fordert, dass die Industrieländer die Staaten des Kontinents unterstützen sollten, eine führende Rolle im Bereich Erneuerbarer Energien zu übernehmen.
Adow betont, dass Afrika eine eigene Transformationsstrategie entwickeln müsse. Eine größere Unabhängigkeit in Energie-, Nahrungsmittel- und wirtschaftlichen Fragen sei unmöglich, wenn Afrika nur “Teil der strategischen Vision anderer bleibt, seien es die USA, die EU, China oder Russland”. Isabel Cuesta