der Klimaschutz hat bei der Europawahl am Sonntag auf den ersten Blick einen Dämpfer erfahren. In Deutschland gewannen die Klimawandel-Leugner der AfD massiv dazu. Die Grünen gelten als die größten Verlierer – auch europaweit verlieren sie 2,6 Prozent der Stimmen. Was überrascht: Viele junge Wähler, die noch am längsten von der Klimakrise betroffen sein werden, stimmen für die AfD. Lukas Scheid analysiert heute die Wahlergebnisse und was sie für den europäischen Green Deal bedeuten. So viel sei verraten: Es ist nicht alles so negativ, wie es zunächst erscheint.
Nach der EU-Wahl ist vor dem nächsten Gipfel: Heute und morgen findet in Berlin die hochrangige Ukraine-Wiederaufbaukonferenz statt. Bernhard Pötter analysiert, wie das Energiesystem der Ukraine möglichst klimafreundlich, günstig und schnell wieder aufgebaut werden kann. Erneuerbare haben dabei ein besonders großes Potenzial. Einige Hürden müssten nach einem Ende der russischen Angriffe überwunden werden, um einen grünen Wiederaufbau zu erreichen.
In Bonn wird auf der COP-Zwischenkonferenz SB60 die nächste große Klimakonferenz Ende des Jahres in Baku vorbereitet. Wir nutzen das “Klassentreffen” der Klimaverhandler, Wissenschaftler und Beobachter aus der Zivilgesellschaft, um unsere neue Serie “Top of the Table” zu starten. Mit dieser Serie wollen wir Ihnen in den nächsten Wochen die 100 entscheidenden Köpfe der internationalen Klima-Szene vorstellen. Wir beginnen mit der Kategorie Verwaltung.
Beste Grüße!
Seit Sonntag ist klar: Klimaschutz ist derzeit kein zündendes Wahlkampfthema mehr. Nachdem die Grünen bei der sogenannten “Klimawahl” 2019 vor allem aufgrund ihres Profils als Klimaschutzpartei noch ein Rekordergebnis erzielt hatten, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Wahlschlappe nun ebenfalls ein Votum über Klimapolitik war. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass das neue Europaparlament Klimaschutz blockiert und ihn sogar rückgängig macht?
Es sei “keine tektonische Verschiebung nach ganz rechts“, stellt Linda Kalcher fest. Die geschäftsführende Direktorin des Brüsseler Think-Tanks Strategic Perspectives glaubt nicht, dass Rechtsextreme in den nächsten fünf Jahren mehr Macht haben werden. Sie hätten zwar zugelegt, aber die voraussichtliche Mehrheit um die Wahlgewinnerin EVP werde kaum mit ihnen zusammenarbeiten wollen.
Ähnlich schätzen die Experten des europäischen Ablegers des Climate Action Network (CAN Europe) die Lage ein. Auch die neue Mehrheit habe die Macht, den Green Deal weiterzuführen, erklärten sie am Montag. Sven Harmeling, Leiter Klimapolitik bei CAN Europe, sieht zudem “keine Grundlage, die Europawahlen als Votum gegen die Klimapolitik zu bezeichnen.”
Das Ergebnis sei zudem nicht in allen Mitgliedsstaaten gleich ausgefallen: Zwar habe es in vielen Ländern eine Verschiebung der Stimmen nach rechts gegeben. Aber in anderen, insbesondere in Skandinavien, hätten Parteien mit einer engagierten Klimapolitik Sitze hinzugewonnen. “Eine große Mehrheit der Menschen befürwortet weiterhin eine starke Klimapolitik, und in der Wirtschaft gibt es viele Akteure, die wissen: Sie wollen und müssen investieren.“
Die Wahlgewinnerin, amtierende und voraussichtlich auch nächste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte am Montag deutlich, dass sie den Green Deal nicht rückgängig machen wolle. Schon im EVP-Wahlprogramm habe ihre Partei klargemacht, dass man alles tun werde, um den Klimawandel zu bekämpfen. Es komme jetzt eine “sehr wichtige Phase der Implementierung”. Dafür würden bereits Gespräche mit Industrie und Landwirtschaft geführt, so von der Leyen. Es gehe darum, herauszufinden, wie man helfen könne, dass diese ihre Klimaziele auch erreichen.
Auch in anderen Ländern und Fraktionen herrscht Einigkeit, dass der Green Deal nicht abgewählt wurde. Krzysztof Bolesta, Polens Staatssekretär für Klimafragen und Mitglied der europäischen Renew-Parteienfamilie, sagte zu Reuters, neue Maßnahmen würden schwieriger zu verabschieden sein. “Aber ein Rückschritt ist sehr unwahrscheinlich.”
Zwar hat sich die EVP noch nicht dazu geäußert, ob sie neben den Sozialisten und Liberalen auch noch mit einer dritten Fraktion Gespräche über eine Zusammenarbeit führen wird. Aber Kalcher glaubt, wenn die EVP weiter Klimaschutz machen will, seien die Grünen die bessere Wahl anstatt der Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Die klimapolitischen Aufgaben der nächsten EU-Kommission seien zudem andere, als die der letzten. Bei vielen neuen Initiativen der nächsten Kommission gehe es um die Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und der Energiesicherheit. Sie trügen möglicherweise nicht das Label “Klimaambitionen”, reduzierten aber die Emissionen und erfüllten den Green Deal.
Kritik am Label “Green Deal” kam am Montagmorgen vom ehemaligen bulgarischen Umweltminister Julian Popov. Die Verbindung des Wortes “Green” zu einer politischen Partei habe zu einem Kommunikationsproblem geführt und sei mitverantwortlich für die Ablehnung von Klimapolitik. Kalcher geht daher davon aus, dass sich die Sprache ändert, aber die tatsächlichen Maßnahmen gleich bleiben. Mit Alexandra Endres und Till Hoppe
Mit einem “solaren Marshallplan” sollte nach Vorstellung der Umweltorganisation Greenpeace die angegriffene Energieinfrastruktur der Ukraine schnell, kostengünstig und klimafreundlich wieder aufgebaut werden. Zur Wiederaufbau-Konferenz am 11./12. Juni in Berlin präsentiert Greenpeace eine Studie, die große Potenziale für Solarenergie in der Ukraine ausmacht – aber auch Hindernisse beim Netzausbau, der ukrainischen Energiepolitik und bei den Kosten definiert. Das ukrainische Energieministerium erklärte auf Anfrage von Table.Briefings, man unterstütze die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Plans, das deutsche Wirtschaftsministerium prüft den Plan noch.
Die russischen Angriffe auf die Ukraine konzentrieren sich seit längerem vor allem auf die Energieinfrastruktur. Die Schäden sind nach offiziellen Angaben groß: Bereits im Oktober 2023 fehlten dem Land durch Kriegsschäden oder russische Besatzung 44 Prozent seiner Stromkapazität aus Atomkraft, 78 Prozent seiner Wärmekraft-Kapazitäten (zumeist Kohle und Gas) und 60 Prozent seiner Kapazitäten im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung. Knapp 43 Milliarden Euro soll der Wiederaufbau des Energiesystems kosten, 2,4 Milliarden fallen bereits 2024 an.
Das Potenzial für Erneuerbare ist bei einem solchen Wiederaufbau laut Studie der Beratungsfirma Berlin Economics sehr groß. Bisher sind in der Ukraine etwa acht Gigawatt (GW) Solarleistung installiert, von denen aber nur knapp sechs GW verfügbar sind. Die Pläne der Regierung sehen nur einen Zuwachs von 0,7 GW bis 2027 vor. Laut der neuen Studie könnten allerdings PV-Anlagen mit 9,2 GW bis 2027 ans Netz gehen, bis 2030 könnte die Kapazität demnach auf 14 GW steigen. Benötigt würden dafür Investitionen von etwa 4,4 Milliarden Euro. “Der Ausbau der Solarenergie ist der kostengünstigste und schnellste Weg, die Stromversorgung zu sichern”, sagt Studienautor Pavel Bilek zu Table.Briefings, “ein solarer Marshallplan muss ein wichtiges Element des Energieplans werden.”
Ein solcher Ausbau würde den UN-Zielen entsprechen, die weltweiten Kapazitäten der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen. Klimaschützer sehen in der Ukraine auch eine Gelegenheit, schnell und umfassend zu zeigen, wie die klimagerechte Transformation in einem Industrieland aussehen kann.
Die Studie benennt aber auch die Hindernisse für den solaren Ausbau. Für den Marshallplan müsste:
Nataliia Kovb vom ukrainischen Energieministerium sagte im Gespräch mit Table.Briefings, man begrüße die Anstrengungen von Greenpeace und der Firma Berlin Economics, mit der man seit langem zusammenarbeite. Sie gebe ein “positives Signal”, dass es “ein Licht am Ende des Tunnels gebe und dieses Licht grün und nachhaltig ist”. Das Ministerium werde die Empfehlungen “in die zukünftige Politik einbeziehen”.
Allerdings könnten durch den Krieg und die andauernde Zerstörung der Energieinfrastruktur “nicht alle unsere Pläne voll im Zeitplan umgesetzt werden.” Trotzdem “arbeiten wir aktiv an der Entwicklung des Erneuerbaren-Markts.” Man sei offen für Investitionen und wolle das Geschäftsklima im Energiebereich verbessern. Private Investoren bräuchten Finanzierung, Versicherung gegen Kriegseinflüsse, gute Finanzräumungskonditionen und klare Regeln auf dem Strommarkt. Das Ministerium setze die Arbeit an Reformen im Strommarkt fort.
Im April hat Wirtschaftsminister Robert Habeck das Thema ebenfalls angesprochen. Bei einem Besuch im Kiewer Vorort Irpin weihte er den Neubau einer Schule ein, die nach der Zerstörung auch mit einer Solaranlage ausgerüstet wurde. Die Schule ist Teil des Projekts “Energy Action Ukraine”, mit der deutsche Firmen Schulen in der Ukraine mit Solartechnik ausrüsten. Er habe mit dem Energieministerium in Kiew darüber geredet, wie Solaranlagen “kurzfristig über den Sommer einen Teil der Versorgung sicherstellen” könnten. Solarstrom könne “ein Puzzleteil sein, um die Versorgung aufzubauen”. Den aktuellen “solaren Masterplan” werde man jetzt erst einmal lesen und prüfen, hieße es aus seinem Ministerium.
Auch die “Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit” (GIZ) registrierte bereits im Frühjahr sehr großes Interesse an solaren Systemen auf Wohnhäusern. “Viele private Hausbesitzer, Unternehmen und Kommunen bauen Solaranlagen zum Eigenverbrauch, weil der Strom günstig und ohne Netz verfügbar ist”, sagt GIZ-Experte Robert Michael Kuenne zu Table.Briefings. So lasse sich dezentral Strom, Wärme und auch die Trinkwasserversorgung sichern.
Für den Ausbau sprechen im Krieg auch strategische Ziele:
Bis 2050 will die Ukraine ihren Strommix laut Regierungslinie jeweils zur Hälfte aus Erneuerbaren und aus Kernkraft gewinnen. Die Ukraine beginnt noch in diesem Jahr mit dem Bau von zwei neuen Reaktorblöcken im Westen des Landes und plant zwei weitere. Die Blöcke sollen das russisch besetzte und inzwischen komplett heruntergefahrene AKW Saporischschja ersetzen, das größte Kernkraftwerk Europas.
Wer die Erneuerbaren finanzieren soll, ist derzeit offen. Nach den bisherigen Plänen der Regierung in Kiew sind für den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie zwischen 2024 und 2027 insgesamt knapp elf Milliarden Euro nötig. Damit könnten acht GW Leistung bei Windkraft und 0,7 GW für Solarstrom entstehen.
Das Potenzial für Erneuerbare sieht auch die ukrainische Regierung in ihrem Bericht an die EU sehr groß: 83 GW Photovoltaik seien möglich, 438 GW Wind an Land, 250 GW Wind offshore, und zehn bis 20 Prozent des jetzt genutzten Erdgases könne durch Biomethan ersetzt werden. Bisher allerdings machen die Erneuerbaren noch keinen großen Anteil am Strommix aus: 2022 kamen etwa fünf Prozent des Stroms aus Solar und weniger als ein Prozent aus Wind. Dagegen stammten 55 Prozent aus der Kernkraft, 23 Prozent aus der Kohle und neun Prozent aus Wasserkraft.
Eine andere Studie im Auftrag von Greenpeace aus dem Frühjahr sieht das Erneuerbaren-Potenzial des Landes sogar noch viel größer als die Regierung: Die Kapazität für Solarstrom sei im günstigsten Fall 60-mal größer als von der Regierung angenommen. Die Ukraine könne mit Wind und Solar 20.000 neue Jobs schaffen und bis zu 150-mal so viel Strom erzeugen, wie sie derzeit benötige. Mit neuen Stromleitungen könne das Land zum großen Stromexporteur Richtung Westeuropa oder auch zu einem Wasserstoff-Hub werden. “Das sind sehr gute Nachrichten für die Ukraine”, sagte Experte Andree Böhling von Greenpeace.
Gigantisch ist nach öffentlichen Zahlen auch das Potenzial zum Energiesparen: Ukrainische Gebäude verbrauchen pro Einheit zwei- bis dreimal so viel Heizenergie wie in der EU. Die maroden Strom- und Gasnetze verlieren beim Transport zehn beziehungsweise bis zu 18 Prozent ihrer Energie, der EU-Schnitt liegt bei knapp drei Prozent.
Die Regierung plant jedenfalls einen “grünen Umbau im Energiesektor”. Bis 2035 soll Schluss sein mit der Kohle bei der Stromerzeugung, die Erneuerbaren sollen ausgebaut, das Netz und das Management der Energiewirtschaft modernisiert werden. Bis 2060 will die Ukraine klimaneutral werden. Dazu gehört auch der Ausbau der Nuklearflotte und die Ausweitung des Uranbergbaus. Dies soll die EU nach ihren neuen Taxonomieregeln als “CO₂-freie Energie” mitfinanzieren.
Die Wissenschaftsplattform Climate Action Tracker (CAT) warnt, zu geringe Ziele bei den anstehenden nationalen Klimaplänen (NDCs) gefährden das Klimaziel, die 1,5-Grad-Grenze zu halten. Die Regierungen müssten “in den Notfallmodus schalten und ihren Ehrgeiz bei den 2030er-Zielen und der aktuellen Umsetzung der Politik steigern”, hieß es am Montag bei der Vorstellung einer neuen CAT-“Anleitung zu einem guten 2035 Klimaziel“.
Für effektive 2035-NDCs, die 2025 abgegeben werden müssen, bräuchte es vor allem eine deutliche Verschärfung der schon bestehenden 2030er-NDCs und ihrer Umsetzung in aktuelle Politik. Geschehe dies nicht, nützten auch ehrgeizige 2035-Ziele wenig, weil dann die Begrenzung auf 1,5 Grad nicht mehr möglich sei und ein “jahrzehntelanges hohes Überschießen dieses Limits” drohe.
Für diese 2035-Ziele formuliert CAT vier Bedingungen für die jeweiligen NDCs:
Großbritannien hat im Jahr 2023 umgerechnet 2,1 Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt – ein neuer Rekordwert. Allerdings hat die Regierung ihre Definition von Klimafinanzierung gelockert. Seitdem werden beispielsweise 30 Prozent der humanitären Unterstützung für die am meisten von der Klimakrise betroffenen Staaten als Klimafinanzierung gerechnet – auch wenn die betreffenden Projekte keinen Klimabezug haben, wie das Fachportal Carbon Brief schreibt. Mindestens 236 Millionen Euro des Zuwachses seien demnach durch diese Definitionsänderung bedingt.
Die britische Regierung will zwischen 2021/22 und 2025/26 umgerechnet 13,7 Milliarden Euro für die Klimafinanzierung bereitstellen. Um das Ziel zu erreichen, müssten sich die jährlichen Zahlungen bis 2025/26 verdoppeln. Zum Vergleich: Die EU-Klimafinanzierung lag 2022 bei 28,8 Milliarden Euro. Auch an diesen Zahlungen gibt es Kritik, da ein Großteil in Form von Krediten geleistet wurde. nib
Die USA haben ihre Produktionskapazitäten für Solarmodule im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal von 15,6 Gigawatt auf 26,6 Gigawatt fast verdoppelt. Sobald die Fabriken vollständig hochgefahren sind, können sie etwa 70 Prozent der einheimischen Nachfrage decken, schreibt der US-Verband Solar Energy Industries Association (SEIA) in einem neuen Bericht. Die US-amerikanische Solarindustrie wird durch den Inflation Reduction Act mit Milliarden-Summen an Steuererleichterungen unterstützt.
Neben der Produktionskapazität wurde auch die Stromerzeugungskapazität aus Solaranlagen stark ausgebaut. So wurden im 1. Quartal 11,8 Gigawatt an Stromerzeugungskapazität zugebaut – das historisch zweitbeste Quartal. Der Großteil des Zubaus (9,8 Gigawatt) fand in Form von Großkraftwerken (Utility Scale) statt. Der Zubau auf Wohngebäuden schwächelte mit 1,3 Gigawatt und verzeichnete das schwächste Quartal seit Beginn des Jahres 2022. Laut Prognosen des Verbands werden die USA in den nächsten fünf Jahren jeweils 40 Gigawatt an neuer Solarleistung installieren. Der Arbeitskräftemangel, die schwierige Versorgungslage bei Hochspannungsequipment und Unklarheiten in der Handelspolitik würden das Wachstum aber begrenzen. nib
Die in den Klimazielen der Länder (NDCs) verankerten Ziele und Maßnahmen reichen nicht aus, um die Entwaldung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht von des UN-REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) Programms, der am Montag auf der Zwischenkonferenz SB60 in Bonn vorgestellt wurde. Dafür wurden die zwischen 2017 und 2021 eingereichten NDCs von den 20 Ländern analysiert, die am stärksten zur Abholzung von tropischen Wäldern beitragen. Keines dieser Länder hat demnach in seinem NDC ausreichende Maßnahmen für Waldschutz festgeschrieben. Nur acht der 20 Länder haben quantifizierte Ziele zur Reduktion von Entwaldung, elf haben zumindest qualitative Ziele. Mexiko hat allerdings ein Anpassungsziel bis 2030, um eine Netto-Null-Entwaldung zu erreichen.
In der Glasgow Declaration haben sich auf der COP26 mehr als 140 Länder dazu verpflichtet, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Aktuelle Daten, beispielsweise von Global Forest Watch, zeigen allerdings, dass die Welt weit davon entfernt ist, dieses Ziel zu erreichen. Während es in Brasilien oder Kolumbien zuletzt Fortschritte gab, erreichte die Entwaldung in Bolivien oder der Demokratischen Republik Kongo zuletzt Höchststände.
Der aktuelle Bericht räumt aber auch ein, dass NDCs allein kein vollständiges Bild der Anstrengungen der Länder zum Abholzungsstopp zeichnen. So enthalten beispielsweise die NDCs von Brasilien und Indonesien keine spezifischen Waldziele, beide Länder verpflichten sich aber in anderen Plänen, die Entwaldung bis 2030 zu beenden. Um ambitioniertere Waldziele umzusetzen, brauche es deutlich mehr Geld für Waldschutz; eine Möglichkeit seien innovative Instrumente wie sogenannte Dept-for-Nature-Swaps. kul
Eine Schnellanalyse des EU-geförderten Forschungskonsortiums ClimaMeter kommt zu dem Schluss, dass die starken Regenfälle in Süddeutschland Anfang Juni aufgrund des Klimawandels um bis zu zehn Prozent intensiver waren. Dafür hat das Forschungsteam aktuelle Daten mit jenen aus dem Zeitraum 1979 bis 2001 verglichen. El Niño und andere natürliche Phänomene hätten hingegen “keine Rolle bei der Verschlimmerung der Überschwemmungen” gespielt.
Mehrere Menschen starben bei der Flutkatastrophe in Teilen von Bayern und Baden-Württemberg. Tausende mussten evakuiert werden. Der Wiederaufbau nach Dammbrüchen und Hangrutschungen gestaltet sich zudem schwierig.
Die Studie zeigt, dass Tiefdruckgebiete in Süddeutschland allgemein durch den Einfluss des Klimawandels bereits heute um etwa zehn Prozent intensiver ausfielen. “Selbst in einem Land wie Deutschland, in dem die Flussufer gut für die Bewältigung des Hochwasserrisikos gerüstet sind, reichen die derzeitigen Maßnahmen nicht mehr aus, um die gestiegenen Abflussmengen in diesen Einzugsgebieten zu bewältigen”, warnt die Studienautorin Erika Coppola, die am Abdus Salam International Centre for Theoretial Physics in Italien forscht. lb
Ajay Banga – Präsident, Weltbank
Seit Ajay Banga im Juni 2023 sein Amt als Präsident der Weltbank antrat, treibt er deren klimafreundlichen Umbau voran. In einer Zeit, in der Finanzfragen die globale Klimapolitik dominieren, verschafft ihm das eine enorme Bedeutung. Banga gab der Bank den neuen Auftrag, die Armut “zu beenden – auf einem bewohnbaren Planeten”, stellte mehr Geld für Klimaanpassung und Emissionsreduktion in Aussicht, und will künftig deutlich mehr Kapital aus privaten Quellen für den grünen Umbau der Weltwirtschaft mobilisieren. Reichlich Erfahrung dafür bringt er mit: Früher arbeitete er in leitenden Positionen für Finanzhäuser wie Citigroup und Mastercard.
Selwin Hart – UN Special Adviser and Assistant Secretary-General for Climate Action, United Nations
Als Sonderberater für den Klimawandel leitet Hart das Climate Action Team des UN-Generalsekretärs António Guterres und setzt sich dabei beispielsweise für ambitioniertere Nationale Klimaziele, den Ausstieg aus den fossilen Energien und mehr internationale Klimafinanzierung ein. Bevor er zum UN-Sonderberater wurde, war Hart als geschäftsführender Direktor der Interamerikanischen Entwicklungsbank tätig. Harts erste Klimakonferenz war die COP13 (2007) in Bali. Dort vertrat der ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler als Verhandler die Interessen von Inselstaaten und kleinen Entwicklungsländern.
Simon Stiell – Executive Secretary, UNFCCC
Als Klimachef der UN ist Stiell ein Brückenbauer. Er muss beim Klimaschutz antreiben und auch in geopolitisch schwierigen Zeiten die unterschiedlichen Interessen und Positionen der einzelnen Staaten unter einen Hut bringen. Stiell verfügt über langjährige Erfahrungen in der Klimadiplomatie und war Umweltminister der Karibikinsel Grenada. Als Kind lebte er zwei Jahre in Deutschland – im westfälischen Lemgo.
Berthold Goeke – Abteilungsleiter Klimaschutz, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Als Leiter der Abteilung “K” im BMWK steht Berthold Goeke an der Spitze der Abteilung, die für die meisten Programme und Maßnahmen im Klimaschutz in Deutschland zuständig ist: national, auch auf kommunaler Ebene, aber auch international wie mit der “Internationalen Klimaschutzinitiative” (IKI) oder dem “Klima-Club” zur Dekarbonisierung der Industrie in bisher etwa 40 Ländern weltweit. Der Jurist aus Münster begann seine Laufbahn 1996 als Referent für Umweltschutz und Reaktorsicherheit im Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl und setzte sie ab 2010 im Umweltministerium fort. 2022 wechselte er ins Wirtschaft- und Klimaministerium unter dem Grünen Minister Robert Habeck.
Kurt Vandenberghe – Director General Climate Action, EU DG Clima
Als Generaldirektor ist Kurt Vandenberghe mit seiner DG Clima dafür zuständig, die Maßnahmen und Instrumente auszuarbeiten, die die EU-Kommission vorschlagen wird. Lange bevor Gesetzesvorschläge das Licht der Welt erblicken, bereiten die Generaldirektionen Folgenabschätzungen, Analysen und Finanzbedarfe vor. Vandenberghe überblickt diese Arbeit beim Klimaschutz seit Anfang 2023. Zuvor beriet er Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Mitglied ihres Kabinetts bei Fragen zum Green Deal.
Doris König – Vorsitzende 2. Senat, Bundesverfassungsgericht
Im November 2023 stufte der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts das Klima-Sondervermögen der Bundesregierung als grundgesetzwidrig ein. Die Vorsitzende Doris König begründete das vor allem mit der Schuldenbremse. Damit kippte das Gericht eine wichtige Säule der deutschen Klimapolitik: Seit dem Beschluss fehlen der Ampel-Regierung dafür 60 Milliarden Euro. König, die erste Akademikerin in ihrer Familie, ist Spezialistin für Völker- und Europarecht. An der Uni Kiel promovierte sie 1989 über Umweltschutz auf hoher See. Sie war Mitglied im Völkerrechtswissenschaftlichen Beirat des Auswärtigen Amtes und Präsidentin der Bucerius Law School in Hamburg, bevor sie 2014 ans Bundesverfassungsgericht ging. Seit 2020 ist sie dessen Vizepräsidentin.
Dirk Messner – Präsident, Umweltbundesamt
Als Präsident von Deutschlands oberster Umweltbehörde ist Dirk Messner der wichtigste Berater der Bundesregierung und des Parlaments in Klima- und Umweltfragen. Diese Aufgabe wird in Zeiten, in denen wissenschaftliche Fakten in politischen Debatten immer öfter infrage gestellt werden, nicht einfacher, aber um so wichtiger, sagte er im vergangenen Jahr im Interview mit Table.Briefings. Seine 1.600 Mitarbeitenden erstellen Studien, ermitteln die deutsche Treibhausgasbilanz, arbeiten in zahlreichen Gremien mit und wickeln den CO₂-Handel in Deutschland ab. Der promovierte Politikwissenschaftler hat zuvor lange in internationalen Zusammenhängen gearbeitet, unter anderem als Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik.
Klaus Müller – Präsident, Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur ist zwar auch für die Telefon- und Schienennetze verantwortlich – doch angesichts von Energiewende und Gaskrise stand zuletzt die Energieversorgung im Zentrum der Aufmerksamkeit von Klaus Müller (ein Interview dazu lesen Sie hier.). Die Behörde, die er seit eineinhalb Jahren leitet, ist für die Planung von Strom- und Gasnetzen ebenso verantwortlich wie für Gasspeicher und Reservekraftwerke sowie die Ausschreibung von Wind- und Solaranlagen. Das macht Müller zu einem der wichtigsten Partner von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der ihn 2022 in sein Amt berief. Zuvor war Müller Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands sowie – wie Habeck – Energieminister in Schleswig-Holstein.
Ingrid-Gabriela Hoven – Vorstandsmitglied, GIZ
Seit ihrem Studium der Volkswirtschaft und Politik in Gießen hat sich Hoven mit der Entwicklungspolitik beschäftigt: Nach ihrem Start beim Entwicklungsministerium (BMZ) war sie bei der damaligen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unter anderem für Wirtschafts- und Sozialthemen zuständig, ehe sie ins BMZ zurückkehrte und sich unter anderem der globalen Umweltpolitik zuwandte. Von 2010 bis 2014 vertrat sie Deutschland als Exekutivdirektorin bei der Weltbank und arbeitete dort für eine Reform der Finanzinstitutionen, wie sie sich jetzt langsam durchsetzen. Nach der Rückkehr ans BMZ wurde sie Beauftragte für Klimapolitik und -finanzierung und begleitete etwa den Aufbau des Green Cimate Fund. Seit Oktober 2020 ist sie Vorstandsmitglied der staatlichen Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.
Norbert Gorißen – Abteilungsleiter Klima, Auswärtiges Amt
Der Diplom-Ingenieur aus dem AA ist nach Außenministerin Annalena Baerbock und Staatssekretärin Jennifer Morgan die ranghöchste deutsche Stimme auf dem internationalen Parkett. Gorißen führt bei Konferenzen, Staatsbesuchen und bilateralen Treffen offizielle und informelle Gespräche. Internationales Verhandeln und der Aufbau eines globalen Netzes von Kontakten war schon zuvor über 20 Jahre lang seine Aufgabe als Leiter der Unterabteilung Internationales im Bundesumweltministerium. Unter anderem verhandelte er für die EU über internationale Klimafinanzierung im Pariser Abkommen und war deutscher Vertreter im Green Cimate Fund. Er begann seine Karriere 1986 beim Umweltbundesamt und gehört zu der kleinen Gruppe von Klimaexperten, die nach der Wahl 2021 aus dem Umweltministerium ins Auswärtige Amt gewechselt sind.
der Klimaschutz hat bei der Europawahl am Sonntag auf den ersten Blick einen Dämpfer erfahren. In Deutschland gewannen die Klimawandel-Leugner der AfD massiv dazu. Die Grünen gelten als die größten Verlierer – auch europaweit verlieren sie 2,6 Prozent der Stimmen. Was überrascht: Viele junge Wähler, die noch am längsten von der Klimakrise betroffen sein werden, stimmen für die AfD. Lukas Scheid analysiert heute die Wahlergebnisse und was sie für den europäischen Green Deal bedeuten. So viel sei verraten: Es ist nicht alles so negativ, wie es zunächst erscheint.
Nach der EU-Wahl ist vor dem nächsten Gipfel: Heute und morgen findet in Berlin die hochrangige Ukraine-Wiederaufbaukonferenz statt. Bernhard Pötter analysiert, wie das Energiesystem der Ukraine möglichst klimafreundlich, günstig und schnell wieder aufgebaut werden kann. Erneuerbare haben dabei ein besonders großes Potenzial. Einige Hürden müssten nach einem Ende der russischen Angriffe überwunden werden, um einen grünen Wiederaufbau zu erreichen.
In Bonn wird auf der COP-Zwischenkonferenz SB60 die nächste große Klimakonferenz Ende des Jahres in Baku vorbereitet. Wir nutzen das “Klassentreffen” der Klimaverhandler, Wissenschaftler und Beobachter aus der Zivilgesellschaft, um unsere neue Serie “Top of the Table” zu starten. Mit dieser Serie wollen wir Ihnen in den nächsten Wochen die 100 entscheidenden Köpfe der internationalen Klima-Szene vorstellen. Wir beginnen mit der Kategorie Verwaltung.
Beste Grüße!
Seit Sonntag ist klar: Klimaschutz ist derzeit kein zündendes Wahlkampfthema mehr. Nachdem die Grünen bei der sogenannten “Klimawahl” 2019 vor allem aufgrund ihres Profils als Klimaschutzpartei noch ein Rekordergebnis erzielt hatten, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Wahlschlappe nun ebenfalls ein Votum über Klimapolitik war. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass das neue Europaparlament Klimaschutz blockiert und ihn sogar rückgängig macht?
Es sei “keine tektonische Verschiebung nach ganz rechts“, stellt Linda Kalcher fest. Die geschäftsführende Direktorin des Brüsseler Think-Tanks Strategic Perspectives glaubt nicht, dass Rechtsextreme in den nächsten fünf Jahren mehr Macht haben werden. Sie hätten zwar zugelegt, aber die voraussichtliche Mehrheit um die Wahlgewinnerin EVP werde kaum mit ihnen zusammenarbeiten wollen.
Ähnlich schätzen die Experten des europäischen Ablegers des Climate Action Network (CAN Europe) die Lage ein. Auch die neue Mehrheit habe die Macht, den Green Deal weiterzuführen, erklärten sie am Montag. Sven Harmeling, Leiter Klimapolitik bei CAN Europe, sieht zudem “keine Grundlage, die Europawahlen als Votum gegen die Klimapolitik zu bezeichnen.”
Das Ergebnis sei zudem nicht in allen Mitgliedsstaaten gleich ausgefallen: Zwar habe es in vielen Ländern eine Verschiebung der Stimmen nach rechts gegeben. Aber in anderen, insbesondere in Skandinavien, hätten Parteien mit einer engagierten Klimapolitik Sitze hinzugewonnen. “Eine große Mehrheit der Menschen befürwortet weiterhin eine starke Klimapolitik, und in der Wirtschaft gibt es viele Akteure, die wissen: Sie wollen und müssen investieren.“
Die Wahlgewinnerin, amtierende und voraussichtlich auch nächste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen machte am Montag deutlich, dass sie den Green Deal nicht rückgängig machen wolle. Schon im EVP-Wahlprogramm habe ihre Partei klargemacht, dass man alles tun werde, um den Klimawandel zu bekämpfen. Es komme jetzt eine “sehr wichtige Phase der Implementierung”. Dafür würden bereits Gespräche mit Industrie und Landwirtschaft geführt, so von der Leyen. Es gehe darum, herauszufinden, wie man helfen könne, dass diese ihre Klimaziele auch erreichen.
Auch in anderen Ländern und Fraktionen herrscht Einigkeit, dass der Green Deal nicht abgewählt wurde. Krzysztof Bolesta, Polens Staatssekretär für Klimafragen und Mitglied der europäischen Renew-Parteienfamilie, sagte zu Reuters, neue Maßnahmen würden schwieriger zu verabschieden sein. “Aber ein Rückschritt ist sehr unwahrscheinlich.”
Zwar hat sich die EVP noch nicht dazu geäußert, ob sie neben den Sozialisten und Liberalen auch noch mit einer dritten Fraktion Gespräche über eine Zusammenarbeit führen wird. Aber Kalcher glaubt, wenn die EVP weiter Klimaschutz machen will, seien die Grünen die bessere Wahl anstatt der Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Die klimapolitischen Aufgaben der nächsten EU-Kommission seien zudem andere, als die der letzten. Bei vielen neuen Initiativen der nächsten Kommission gehe es um die Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und der Energiesicherheit. Sie trügen möglicherweise nicht das Label “Klimaambitionen”, reduzierten aber die Emissionen und erfüllten den Green Deal.
Kritik am Label “Green Deal” kam am Montagmorgen vom ehemaligen bulgarischen Umweltminister Julian Popov. Die Verbindung des Wortes “Green” zu einer politischen Partei habe zu einem Kommunikationsproblem geführt und sei mitverantwortlich für die Ablehnung von Klimapolitik. Kalcher geht daher davon aus, dass sich die Sprache ändert, aber die tatsächlichen Maßnahmen gleich bleiben. Mit Alexandra Endres und Till Hoppe
Mit einem “solaren Marshallplan” sollte nach Vorstellung der Umweltorganisation Greenpeace die angegriffene Energieinfrastruktur der Ukraine schnell, kostengünstig und klimafreundlich wieder aufgebaut werden. Zur Wiederaufbau-Konferenz am 11./12. Juni in Berlin präsentiert Greenpeace eine Studie, die große Potenziale für Solarenergie in der Ukraine ausmacht – aber auch Hindernisse beim Netzausbau, der ukrainischen Energiepolitik und bei den Kosten definiert. Das ukrainische Energieministerium erklärte auf Anfrage von Table.Briefings, man unterstütze die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Plans, das deutsche Wirtschaftsministerium prüft den Plan noch.
Die russischen Angriffe auf die Ukraine konzentrieren sich seit längerem vor allem auf die Energieinfrastruktur. Die Schäden sind nach offiziellen Angaben groß: Bereits im Oktober 2023 fehlten dem Land durch Kriegsschäden oder russische Besatzung 44 Prozent seiner Stromkapazität aus Atomkraft, 78 Prozent seiner Wärmekraft-Kapazitäten (zumeist Kohle und Gas) und 60 Prozent seiner Kapazitäten im Bereich Kraft-Wärme-Kopplung. Knapp 43 Milliarden Euro soll der Wiederaufbau des Energiesystems kosten, 2,4 Milliarden fallen bereits 2024 an.
Das Potenzial für Erneuerbare ist bei einem solchen Wiederaufbau laut Studie der Beratungsfirma Berlin Economics sehr groß. Bisher sind in der Ukraine etwa acht Gigawatt (GW) Solarleistung installiert, von denen aber nur knapp sechs GW verfügbar sind. Die Pläne der Regierung sehen nur einen Zuwachs von 0,7 GW bis 2027 vor. Laut der neuen Studie könnten allerdings PV-Anlagen mit 9,2 GW bis 2027 ans Netz gehen, bis 2030 könnte die Kapazität demnach auf 14 GW steigen. Benötigt würden dafür Investitionen von etwa 4,4 Milliarden Euro. “Der Ausbau der Solarenergie ist der kostengünstigste und schnellste Weg, die Stromversorgung zu sichern”, sagt Studienautor Pavel Bilek zu Table.Briefings, “ein solarer Marshallplan muss ein wichtiges Element des Energieplans werden.”
Ein solcher Ausbau würde den UN-Zielen entsprechen, die weltweiten Kapazitäten der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen. Klimaschützer sehen in der Ukraine auch eine Gelegenheit, schnell und umfassend zu zeigen, wie die klimagerechte Transformation in einem Industrieland aussehen kann.
Die Studie benennt aber auch die Hindernisse für den solaren Ausbau. Für den Marshallplan müsste:
Nataliia Kovb vom ukrainischen Energieministerium sagte im Gespräch mit Table.Briefings, man begrüße die Anstrengungen von Greenpeace und der Firma Berlin Economics, mit der man seit langem zusammenarbeite. Sie gebe ein “positives Signal”, dass es “ein Licht am Ende des Tunnels gebe und dieses Licht grün und nachhaltig ist”. Das Ministerium werde die Empfehlungen “in die zukünftige Politik einbeziehen”.
Allerdings könnten durch den Krieg und die andauernde Zerstörung der Energieinfrastruktur “nicht alle unsere Pläne voll im Zeitplan umgesetzt werden.” Trotzdem “arbeiten wir aktiv an der Entwicklung des Erneuerbaren-Markts.” Man sei offen für Investitionen und wolle das Geschäftsklima im Energiebereich verbessern. Private Investoren bräuchten Finanzierung, Versicherung gegen Kriegseinflüsse, gute Finanzräumungskonditionen und klare Regeln auf dem Strommarkt. Das Ministerium setze die Arbeit an Reformen im Strommarkt fort.
Im April hat Wirtschaftsminister Robert Habeck das Thema ebenfalls angesprochen. Bei einem Besuch im Kiewer Vorort Irpin weihte er den Neubau einer Schule ein, die nach der Zerstörung auch mit einer Solaranlage ausgerüstet wurde. Die Schule ist Teil des Projekts “Energy Action Ukraine”, mit der deutsche Firmen Schulen in der Ukraine mit Solartechnik ausrüsten. Er habe mit dem Energieministerium in Kiew darüber geredet, wie Solaranlagen “kurzfristig über den Sommer einen Teil der Versorgung sicherstellen” könnten. Solarstrom könne “ein Puzzleteil sein, um die Versorgung aufzubauen”. Den aktuellen “solaren Masterplan” werde man jetzt erst einmal lesen und prüfen, hieße es aus seinem Ministerium.
Auch die “Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit” (GIZ) registrierte bereits im Frühjahr sehr großes Interesse an solaren Systemen auf Wohnhäusern. “Viele private Hausbesitzer, Unternehmen und Kommunen bauen Solaranlagen zum Eigenverbrauch, weil der Strom günstig und ohne Netz verfügbar ist”, sagt GIZ-Experte Robert Michael Kuenne zu Table.Briefings. So lasse sich dezentral Strom, Wärme und auch die Trinkwasserversorgung sichern.
Für den Ausbau sprechen im Krieg auch strategische Ziele:
Bis 2050 will die Ukraine ihren Strommix laut Regierungslinie jeweils zur Hälfte aus Erneuerbaren und aus Kernkraft gewinnen. Die Ukraine beginnt noch in diesem Jahr mit dem Bau von zwei neuen Reaktorblöcken im Westen des Landes und plant zwei weitere. Die Blöcke sollen das russisch besetzte und inzwischen komplett heruntergefahrene AKW Saporischschja ersetzen, das größte Kernkraftwerk Europas.
Wer die Erneuerbaren finanzieren soll, ist derzeit offen. Nach den bisherigen Plänen der Regierung in Kiew sind für den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie zwischen 2024 und 2027 insgesamt knapp elf Milliarden Euro nötig. Damit könnten acht GW Leistung bei Windkraft und 0,7 GW für Solarstrom entstehen.
Das Potenzial für Erneuerbare sieht auch die ukrainische Regierung in ihrem Bericht an die EU sehr groß: 83 GW Photovoltaik seien möglich, 438 GW Wind an Land, 250 GW Wind offshore, und zehn bis 20 Prozent des jetzt genutzten Erdgases könne durch Biomethan ersetzt werden. Bisher allerdings machen die Erneuerbaren noch keinen großen Anteil am Strommix aus: 2022 kamen etwa fünf Prozent des Stroms aus Solar und weniger als ein Prozent aus Wind. Dagegen stammten 55 Prozent aus der Kernkraft, 23 Prozent aus der Kohle und neun Prozent aus Wasserkraft.
Eine andere Studie im Auftrag von Greenpeace aus dem Frühjahr sieht das Erneuerbaren-Potenzial des Landes sogar noch viel größer als die Regierung: Die Kapazität für Solarstrom sei im günstigsten Fall 60-mal größer als von der Regierung angenommen. Die Ukraine könne mit Wind und Solar 20.000 neue Jobs schaffen und bis zu 150-mal so viel Strom erzeugen, wie sie derzeit benötige. Mit neuen Stromleitungen könne das Land zum großen Stromexporteur Richtung Westeuropa oder auch zu einem Wasserstoff-Hub werden. “Das sind sehr gute Nachrichten für die Ukraine”, sagte Experte Andree Böhling von Greenpeace.
Gigantisch ist nach öffentlichen Zahlen auch das Potenzial zum Energiesparen: Ukrainische Gebäude verbrauchen pro Einheit zwei- bis dreimal so viel Heizenergie wie in der EU. Die maroden Strom- und Gasnetze verlieren beim Transport zehn beziehungsweise bis zu 18 Prozent ihrer Energie, der EU-Schnitt liegt bei knapp drei Prozent.
Die Regierung plant jedenfalls einen “grünen Umbau im Energiesektor”. Bis 2035 soll Schluss sein mit der Kohle bei der Stromerzeugung, die Erneuerbaren sollen ausgebaut, das Netz und das Management der Energiewirtschaft modernisiert werden. Bis 2060 will die Ukraine klimaneutral werden. Dazu gehört auch der Ausbau der Nuklearflotte und die Ausweitung des Uranbergbaus. Dies soll die EU nach ihren neuen Taxonomieregeln als “CO₂-freie Energie” mitfinanzieren.
Die Wissenschaftsplattform Climate Action Tracker (CAT) warnt, zu geringe Ziele bei den anstehenden nationalen Klimaplänen (NDCs) gefährden das Klimaziel, die 1,5-Grad-Grenze zu halten. Die Regierungen müssten “in den Notfallmodus schalten und ihren Ehrgeiz bei den 2030er-Zielen und der aktuellen Umsetzung der Politik steigern”, hieß es am Montag bei der Vorstellung einer neuen CAT-“Anleitung zu einem guten 2035 Klimaziel“.
Für effektive 2035-NDCs, die 2025 abgegeben werden müssen, bräuchte es vor allem eine deutliche Verschärfung der schon bestehenden 2030er-NDCs und ihrer Umsetzung in aktuelle Politik. Geschehe dies nicht, nützten auch ehrgeizige 2035-Ziele wenig, weil dann die Begrenzung auf 1,5 Grad nicht mehr möglich sei und ein “jahrzehntelanges hohes Überschießen dieses Limits” drohe.
Für diese 2035-Ziele formuliert CAT vier Bedingungen für die jeweiligen NDCs:
Großbritannien hat im Jahr 2023 umgerechnet 2,1 Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt – ein neuer Rekordwert. Allerdings hat die Regierung ihre Definition von Klimafinanzierung gelockert. Seitdem werden beispielsweise 30 Prozent der humanitären Unterstützung für die am meisten von der Klimakrise betroffenen Staaten als Klimafinanzierung gerechnet – auch wenn die betreffenden Projekte keinen Klimabezug haben, wie das Fachportal Carbon Brief schreibt. Mindestens 236 Millionen Euro des Zuwachses seien demnach durch diese Definitionsänderung bedingt.
Die britische Regierung will zwischen 2021/22 und 2025/26 umgerechnet 13,7 Milliarden Euro für die Klimafinanzierung bereitstellen. Um das Ziel zu erreichen, müssten sich die jährlichen Zahlungen bis 2025/26 verdoppeln. Zum Vergleich: Die EU-Klimafinanzierung lag 2022 bei 28,8 Milliarden Euro. Auch an diesen Zahlungen gibt es Kritik, da ein Großteil in Form von Krediten geleistet wurde. nib
Die USA haben ihre Produktionskapazitäten für Solarmodule im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal von 15,6 Gigawatt auf 26,6 Gigawatt fast verdoppelt. Sobald die Fabriken vollständig hochgefahren sind, können sie etwa 70 Prozent der einheimischen Nachfrage decken, schreibt der US-Verband Solar Energy Industries Association (SEIA) in einem neuen Bericht. Die US-amerikanische Solarindustrie wird durch den Inflation Reduction Act mit Milliarden-Summen an Steuererleichterungen unterstützt.
Neben der Produktionskapazität wurde auch die Stromerzeugungskapazität aus Solaranlagen stark ausgebaut. So wurden im 1. Quartal 11,8 Gigawatt an Stromerzeugungskapazität zugebaut – das historisch zweitbeste Quartal. Der Großteil des Zubaus (9,8 Gigawatt) fand in Form von Großkraftwerken (Utility Scale) statt. Der Zubau auf Wohngebäuden schwächelte mit 1,3 Gigawatt und verzeichnete das schwächste Quartal seit Beginn des Jahres 2022. Laut Prognosen des Verbands werden die USA in den nächsten fünf Jahren jeweils 40 Gigawatt an neuer Solarleistung installieren. Der Arbeitskräftemangel, die schwierige Versorgungslage bei Hochspannungsequipment und Unklarheiten in der Handelspolitik würden das Wachstum aber begrenzen. nib
Die in den Klimazielen der Länder (NDCs) verankerten Ziele und Maßnahmen reichen nicht aus, um die Entwaldung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht von des UN-REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) Programms, der am Montag auf der Zwischenkonferenz SB60 in Bonn vorgestellt wurde. Dafür wurden die zwischen 2017 und 2021 eingereichten NDCs von den 20 Ländern analysiert, die am stärksten zur Abholzung von tropischen Wäldern beitragen. Keines dieser Länder hat demnach in seinem NDC ausreichende Maßnahmen für Waldschutz festgeschrieben. Nur acht der 20 Länder haben quantifizierte Ziele zur Reduktion von Entwaldung, elf haben zumindest qualitative Ziele. Mexiko hat allerdings ein Anpassungsziel bis 2030, um eine Netto-Null-Entwaldung zu erreichen.
In der Glasgow Declaration haben sich auf der COP26 mehr als 140 Länder dazu verpflichtet, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Aktuelle Daten, beispielsweise von Global Forest Watch, zeigen allerdings, dass die Welt weit davon entfernt ist, dieses Ziel zu erreichen. Während es in Brasilien oder Kolumbien zuletzt Fortschritte gab, erreichte die Entwaldung in Bolivien oder der Demokratischen Republik Kongo zuletzt Höchststände.
Der aktuelle Bericht räumt aber auch ein, dass NDCs allein kein vollständiges Bild der Anstrengungen der Länder zum Abholzungsstopp zeichnen. So enthalten beispielsweise die NDCs von Brasilien und Indonesien keine spezifischen Waldziele, beide Länder verpflichten sich aber in anderen Plänen, die Entwaldung bis 2030 zu beenden. Um ambitioniertere Waldziele umzusetzen, brauche es deutlich mehr Geld für Waldschutz; eine Möglichkeit seien innovative Instrumente wie sogenannte Dept-for-Nature-Swaps. kul
Eine Schnellanalyse des EU-geförderten Forschungskonsortiums ClimaMeter kommt zu dem Schluss, dass die starken Regenfälle in Süddeutschland Anfang Juni aufgrund des Klimawandels um bis zu zehn Prozent intensiver waren. Dafür hat das Forschungsteam aktuelle Daten mit jenen aus dem Zeitraum 1979 bis 2001 verglichen. El Niño und andere natürliche Phänomene hätten hingegen “keine Rolle bei der Verschlimmerung der Überschwemmungen” gespielt.
Mehrere Menschen starben bei der Flutkatastrophe in Teilen von Bayern und Baden-Württemberg. Tausende mussten evakuiert werden. Der Wiederaufbau nach Dammbrüchen und Hangrutschungen gestaltet sich zudem schwierig.
Die Studie zeigt, dass Tiefdruckgebiete in Süddeutschland allgemein durch den Einfluss des Klimawandels bereits heute um etwa zehn Prozent intensiver ausfielen. “Selbst in einem Land wie Deutschland, in dem die Flussufer gut für die Bewältigung des Hochwasserrisikos gerüstet sind, reichen die derzeitigen Maßnahmen nicht mehr aus, um die gestiegenen Abflussmengen in diesen Einzugsgebieten zu bewältigen”, warnt die Studienautorin Erika Coppola, die am Abdus Salam International Centre for Theoretial Physics in Italien forscht. lb
Ajay Banga – Präsident, Weltbank
Seit Ajay Banga im Juni 2023 sein Amt als Präsident der Weltbank antrat, treibt er deren klimafreundlichen Umbau voran. In einer Zeit, in der Finanzfragen die globale Klimapolitik dominieren, verschafft ihm das eine enorme Bedeutung. Banga gab der Bank den neuen Auftrag, die Armut “zu beenden – auf einem bewohnbaren Planeten”, stellte mehr Geld für Klimaanpassung und Emissionsreduktion in Aussicht, und will künftig deutlich mehr Kapital aus privaten Quellen für den grünen Umbau der Weltwirtschaft mobilisieren. Reichlich Erfahrung dafür bringt er mit: Früher arbeitete er in leitenden Positionen für Finanzhäuser wie Citigroup und Mastercard.
Selwin Hart – UN Special Adviser and Assistant Secretary-General for Climate Action, United Nations
Als Sonderberater für den Klimawandel leitet Hart das Climate Action Team des UN-Generalsekretärs António Guterres und setzt sich dabei beispielsweise für ambitioniertere Nationale Klimaziele, den Ausstieg aus den fossilen Energien und mehr internationale Klimafinanzierung ein. Bevor er zum UN-Sonderberater wurde, war Hart als geschäftsführender Direktor der Interamerikanischen Entwicklungsbank tätig. Harts erste Klimakonferenz war die COP13 (2007) in Bali. Dort vertrat der ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler als Verhandler die Interessen von Inselstaaten und kleinen Entwicklungsländern.
Simon Stiell – Executive Secretary, UNFCCC
Als Klimachef der UN ist Stiell ein Brückenbauer. Er muss beim Klimaschutz antreiben und auch in geopolitisch schwierigen Zeiten die unterschiedlichen Interessen und Positionen der einzelnen Staaten unter einen Hut bringen. Stiell verfügt über langjährige Erfahrungen in der Klimadiplomatie und war Umweltminister der Karibikinsel Grenada. Als Kind lebte er zwei Jahre in Deutschland – im westfälischen Lemgo.
Berthold Goeke – Abteilungsleiter Klimaschutz, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Als Leiter der Abteilung “K” im BMWK steht Berthold Goeke an der Spitze der Abteilung, die für die meisten Programme und Maßnahmen im Klimaschutz in Deutschland zuständig ist: national, auch auf kommunaler Ebene, aber auch international wie mit der “Internationalen Klimaschutzinitiative” (IKI) oder dem “Klima-Club” zur Dekarbonisierung der Industrie in bisher etwa 40 Ländern weltweit. Der Jurist aus Münster begann seine Laufbahn 1996 als Referent für Umweltschutz und Reaktorsicherheit im Bundeskanzleramt unter Helmut Kohl und setzte sie ab 2010 im Umweltministerium fort. 2022 wechselte er ins Wirtschaft- und Klimaministerium unter dem Grünen Minister Robert Habeck.
Kurt Vandenberghe – Director General Climate Action, EU DG Clima
Als Generaldirektor ist Kurt Vandenberghe mit seiner DG Clima dafür zuständig, die Maßnahmen und Instrumente auszuarbeiten, die die EU-Kommission vorschlagen wird. Lange bevor Gesetzesvorschläge das Licht der Welt erblicken, bereiten die Generaldirektionen Folgenabschätzungen, Analysen und Finanzbedarfe vor. Vandenberghe überblickt diese Arbeit beim Klimaschutz seit Anfang 2023. Zuvor beriet er Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Mitglied ihres Kabinetts bei Fragen zum Green Deal.
Doris König – Vorsitzende 2. Senat, Bundesverfassungsgericht
Im November 2023 stufte der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts das Klima-Sondervermögen der Bundesregierung als grundgesetzwidrig ein. Die Vorsitzende Doris König begründete das vor allem mit der Schuldenbremse. Damit kippte das Gericht eine wichtige Säule der deutschen Klimapolitik: Seit dem Beschluss fehlen der Ampel-Regierung dafür 60 Milliarden Euro. König, die erste Akademikerin in ihrer Familie, ist Spezialistin für Völker- und Europarecht. An der Uni Kiel promovierte sie 1989 über Umweltschutz auf hoher See. Sie war Mitglied im Völkerrechtswissenschaftlichen Beirat des Auswärtigen Amtes und Präsidentin der Bucerius Law School in Hamburg, bevor sie 2014 ans Bundesverfassungsgericht ging. Seit 2020 ist sie dessen Vizepräsidentin.
Dirk Messner – Präsident, Umweltbundesamt
Als Präsident von Deutschlands oberster Umweltbehörde ist Dirk Messner der wichtigste Berater der Bundesregierung und des Parlaments in Klima- und Umweltfragen. Diese Aufgabe wird in Zeiten, in denen wissenschaftliche Fakten in politischen Debatten immer öfter infrage gestellt werden, nicht einfacher, aber um so wichtiger, sagte er im vergangenen Jahr im Interview mit Table.Briefings. Seine 1.600 Mitarbeitenden erstellen Studien, ermitteln die deutsche Treibhausgasbilanz, arbeiten in zahlreichen Gremien mit und wickeln den CO₂-Handel in Deutschland ab. Der promovierte Politikwissenschaftler hat zuvor lange in internationalen Zusammenhängen gearbeitet, unter anderem als Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik.
Klaus Müller – Präsident, Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur ist zwar auch für die Telefon- und Schienennetze verantwortlich – doch angesichts von Energiewende und Gaskrise stand zuletzt die Energieversorgung im Zentrum der Aufmerksamkeit von Klaus Müller (ein Interview dazu lesen Sie hier.). Die Behörde, die er seit eineinhalb Jahren leitet, ist für die Planung von Strom- und Gasnetzen ebenso verantwortlich wie für Gasspeicher und Reservekraftwerke sowie die Ausschreibung von Wind- und Solaranlagen. Das macht Müller zu einem der wichtigsten Partner von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der ihn 2022 in sein Amt berief. Zuvor war Müller Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands sowie – wie Habeck – Energieminister in Schleswig-Holstein.
Ingrid-Gabriela Hoven – Vorstandsmitglied, GIZ
Seit ihrem Studium der Volkswirtschaft und Politik in Gießen hat sich Hoven mit der Entwicklungspolitik beschäftigt: Nach ihrem Start beim Entwicklungsministerium (BMZ) war sie bei der damaligen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unter anderem für Wirtschafts- und Sozialthemen zuständig, ehe sie ins BMZ zurückkehrte und sich unter anderem der globalen Umweltpolitik zuwandte. Von 2010 bis 2014 vertrat sie Deutschland als Exekutivdirektorin bei der Weltbank und arbeitete dort für eine Reform der Finanzinstitutionen, wie sie sich jetzt langsam durchsetzen. Nach der Rückkehr ans BMZ wurde sie Beauftragte für Klimapolitik und -finanzierung und begleitete etwa den Aufbau des Green Cimate Fund. Seit Oktober 2020 ist sie Vorstandsmitglied der staatlichen Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.
Norbert Gorißen – Abteilungsleiter Klima, Auswärtiges Amt
Der Diplom-Ingenieur aus dem AA ist nach Außenministerin Annalena Baerbock und Staatssekretärin Jennifer Morgan die ranghöchste deutsche Stimme auf dem internationalen Parkett. Gorißen führt bei Konferenzen, Staatsbesuchen und bilateralen Treffen offizielle und informelle Gespräche. Internationales Verhandeln und der Aufbau eines globalen Netzes von Kontakten war schon zuvor über 20 Jahre lang seine Aufgabe als Leiter der Unterabteilung Internationales im Bundesumweltministerium. Unter anderem verhandelte er für die EU über internationale Klimafinanzierung im Pariser Abkommen und war deutscher Vertreter im Green Cimate Fund. Er begann seine Karriere 1986 beim Umweltbundesamt und gehört zu der kleinen Gruppe von Klimaexperten, die nach der Wahl 2021 aus dem Umweltministerium ins Auswärtige Amt gewechselt sind.