die COP27 geht offiziell in die Verlängerung. Zu viele offene Fragen bestanden bei den großen Themen Finanzen und Mitigation. Doch am letzten offiziellen Tag gab es einen neuen Vorstoß beim Thema Loss and Damage. Die EU hat einen überraschenden Vorschlag zur Finanzierung gemacht. Er signalisiert neue Kompromissbereitschaft und könnte die Allianz der Entwicklungsländer und China sprengen, analysiert Bernhard Pötter.
Beim Fußball hätte die ägyptische COP-Präsidentschaft eine Gelbe Karte wegen Zeitspiels erhalten. Doch was auf dem grünen Rasen manchmal sinnvoll ist – die Spielverzögerung – sorgt auf einer ohnehin anstrengenden globalen Konferenz für schlechte Stimmung. Lukas Scheid berichtet über eine schwache Präsidentschaft, die erst spät Textvorschläge vorgelegt hat, keine Kompromisse sucht, nicht anleitet. Es könnte gut sein, dass die COP27 ohne Mantelentscheidung endet. Das wirft kein gutes Licht auf Sharm al Sheik.
Wir bleiben für Sie am Ball!
Mit einem überraschenden Vorschlag zur “Verlust und Schaden” (L&D)-Debatte hat die EU am letzten offiziellen Tag der COP27 alle andere Länder in Zugzwang gebracht – und sich als unerwartete neue Klima-Supermacht etabliert. Der europäische Vorstoß hat die USA isoliert und eine neue Allianz der verwundbarsten Länder mit der EU möglich gemacht. Auf jeden Fall hat die Idee die Konferenz unter Spannung gesetzt. Nun wird mindestens einen Tag länger als geplant verhandelt.
Gleichzeitig hat sich die EU klimapolitisch so exponiert wie noch nie. Ihr Vorstoß hat das Potenzial und die Absicht, die Gruppe von China/G77 zu spalten. Wenn das erfolgreich ist, wird es die Balance der Klimaverhandlungen für die nächsten Jahre verändern und neue Machtkonstellationen eröffnen.
Der überraschende Vorstoß von EU-Klimakommissar Frans Timmermans kam am späten Donnerstagabend. Er macht Zugeständnisse an die Entwicklungsländer bei der künftigen Finanzierung von Verlusten und Schäden. Und er verknüpft sie mit mehr Ehrgeiz bei den Klimazielen.
Die EU will mit ihrem Vorstoß unter anderem:
Der Vorschlag wurde von Timmermans im Plenum angekündigt. Es gibt bislang keinen offiziellen Text. Er wurde allerdings nach Angaben der EU an die COP-Präsidentschaft übergeben. Dort muss er nun mit anderen, gegensätzlichen Vorschlägen zu einem Kompromisspapier vereinigt werden. Über diesen Vorschlag wollen sich die Delegierten mindestens in der Nacht zum Samstag und am Samstag beschäftigen.
Timmermans antwortete mit seinem Vorstoß auf eine Vorlage der Gruppe China/G77. Darin wurden Maximalforderungen nach einem Fonds gestellt, der von den Entwicklungsländern betrieben und von den Industrieländern gefüllt werden sollte (Climate.Table berichtete).
Noch am Montagabend war nach Angaben von Beobachtern ein internes Treffen der “High Ambition Group” gescheitert, in dem die EU mit Partnern eine Lösung für das Problem L&D-Finanzierung finden wollte. Kurz darauf legte China/G77 ihre Forderungen vor, die für viele Industrieländer inakzeptabel sind.
Nun hat der Timmermans Vorstoß die Situation radikal gedreht: Plötzlich ist die EU in der Offensive. China und die USA – die gerade wieder begonnen haben, miteinander zu reden – müssen reagieren. Und die EU hat etwa durch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verkündet, im Zweifel werde man auch ein Scheitern der Konferenz hinnehmen: “Schlimmer als kein Ergebnis” wäre ein Ergebnis, das hinter die Beschlüsse der COP26 zurückfalle, sagte Baerbock am Freitag.
Bei Timmermans Vortag im Plenum am Donnerstag gab es erste positive Reaktionen, etwa von der IEG-Gruppe um die Schweiz und Norwegen. Auch manche G77-Staaten äußerten sich positiv. Bleiben diese Staaten nun auch im entscheidenden Schluss-Plenum bei ihrer Zustimmung, würde das die China/G77-Gruppe zumindest in diesem Punkt sprengen. Sie hat in den letzten Jahrzehnten als Interessenvertretung von inzwischen 134 Staaten gegen den globalen Norden die Interessen der Südländer vertreten. Mit zunehmendem Wohlstand und steigenden CO2-Emissionen in Staaten wie China, Indien, Südkorea, Indonesien oder Mexiko haben sich Interessen der ärmsten und verwundbarsten Staaten immer weiter von denen der reichen Schwellenländer entfernt.
Doch gegen die USA und die Europäer haben die Länder bisher immer zusammengehalten. Nun sehen die Europäer eine Chance, diesen Zusammenhalt zu knacken. Aus ihrer Sicht sorgt China mit politischem Druck und wirtschaftlichem Einfluss in vielen dieser Staaten für Wohlverhalten und Abstimmung im Sinne Pekings. Für den globalen Norden ist Pekings Klimapolitik auch ein Teil seiner geostrategischen Ausrichtung.
Auf der anderen Seite hat China die armen Länder immer unterstützt, wenn es etwa darum ging, den globalen Norden zu kritisieren: Etwa, wenn die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung pro Jahr ab 2020 nicht erreicht wurden.
Bereits am Beginn der Konferenz hatte es in der G77 geknirscht: Indien hatte vorgeschlagen, in der Schlusserklärung zu fordern, nicht nur Kohle, sondern auch Öl und Gas zurückzufahren (Climate.Table berichtete). G77-Staaten wie Antigua und Barbuda, Kolumbien oder Ghana hatten sich der Forderung angeschlossen, die die ägyptische Präsidentschaft aber bislang nicht in die Abschlussdokumente aufgenommen hat. Andere, unter ihnen Saudi-Arabien, hatten den Vorschlag gegen alle fossilen Energien mit deutlichen Worten abgelehnt.
China hat in der aktuellen Debatte wiederholt klargemacht, dass es zwar einen L&D-Fonds für die ärmeren Länder will. Aber Peking scheut die Debatte, ob auch andere Länder jenseits der klassischen Industriestaaten in den Fonds einzahlen sollen. China oder die Ölstaaten des Golfs wollen nicht in diese Verantwortung geraten. Auch eine Zusage, die globalen Emissionen nach 2025 sinken zu lassen – was die Forderung der Wissenschaft nach Erreichung des 1,5-Grad-Ziels entspricht – würde Länder wie China und Indien in ihren nationalen Wachstumsplänen einschränken.
Als eine “Verzweiflungstat der EU angesichts des Stillstands in den Verhandlungen” bezeichnet Christoph Bals von der NGO Germanwatch den EU-Vorschlag. Denn die Europäer hätten sich viel früher einigen und Verbündete für diesen Vorschlag suchen können. Der Vorschlag könne die Konferenz aber zu einem Erfolg machen, wenn sowohl die USA als auch China durch ihn gezwungen würden, mehr Ehrgeiz bei L&D-Finanzierung und Emissionsreduktion zu zeigen. “Die Debatte um Chinas Beiträge für solche Fonds wird nach 2025 ohnehin kommen”, so Bals.
Der Ärger über die Verhandlungsführung der ägyptischen COP-Präsidentschaft ist zum Ende der Konferenz groß. Im Kreis der EU-Delegation wird sogar erwogen, der Cover Decision nicht zuzustimmen. Mehrere EU-Verhandler hatten sich bereits früh in der zweiten COP-Woche skeptisch geäußert, ob die ägyptische Präsidentschaft der COP27 ihrer Rolle gerecht wird. Sie sei nahezu unsichtbar, leite nicht an, bemühe sich nicht um Kompromisse, so hört man. Der Unterschied zum vergangenen Jahr in Glasgow könnte größer nicht sein, als Alok Sharma als britischer COP-Präsident geschickt versuchte, alle Parteien zu Kompromissen zu bewegen. Sharma gab regelmäßig Informationen über den Verhandlungsstand heraus und den einzelnen Ländern dadurch immer neue Spielräume.
Entsprechend groß ist die Sorge bereits die ganze Woche über gewesen, welches Ergebnis in Sharm el-Sheikh möglich ist. Erfahrene Verhandler sprachen von schlechter Stimmung und außergewöhnlich stressigen Verhandlungen. Die Passivität der Ägypter zeigt sich insbesondere bei der fehlenden Bemühung, einen Abschlusstext dieser COP zu formulieren.
Diese sogenannte Cover Decision ist keine Pflicht. Doch diese – zu Deutsch – Mantelentscheidung legt die wichtigsten politischen Ziele und Vorgaben einer COP in einem Dokument fest. Der Glasgow Climate Pact bei der COP26 war eine logische Auflistung des Erreichten. Gelöste Agendapunkte, zahlreiche Pledges und auch der “Fossil Phase-down” wurden verankert und verhalfen der britischen Präsidentschaft zu einer erfolgreichen COP. Die Cover Decision ist das, woran sich eine Präsidentschaft messen lassen kann.
Auf der COP27 regt sich aufgrund dieser Abschlusserklärung nun massiver Ärger. Die Präsidentschaft hatte erst Mitte der Woche eine grobe Liste mit möglichen Punkten vorgelegt, die sie laut eigenen Angaben nach eigener Priorisierung zusammengestellt hat. Am Donnerstag folgte dann eine weitere Liste – statt sechs waren es plötzlich 20 Seiten – und darin indessen nicht mehr die eigenen Vorschläge, sondern die der anderen Parteien. “Es war kein Dokument der Präsidentschaft“, betonte Wael Aboulmagd, Verhandlungsführer der Ägypter am Freitag. Eine solche willkürliche Ideensammlung ist zwar nicht unüblich, kam aber reichlich spät, um den Ländern noch Verhandlungsspielraum zu geben.
Am Freitagmorgen, dem eigentlich letzten COP-Tag, war der erste echte Textvorschlag der Präsidentschaft erschienen. Der späte Termin zeigt, die Präsidentschaft rechnet dem Abschlussdokument nicht die allergrößte Bedeutung zu. Und auch für einige europäische Verhandler steht mittlerweile fest, dass sie den Erfolg dieser COP nicht an der Beschließung einer Mantelentscheidung festmachen.
Am Freitag war noch unklar, ob der in Glasgow beschlossene “Phase-down” der Kohle auch auf andere fossile Energieträger ausgeweitet werden würde. Im Entwurf fehlte eine solche Formulierung, obwohl der Vorstoß Indiens für das Herunterfahren aller Fossilen großen Anklang, auch in Europa fand. Dahinter könnte eine Strategie Ägyptens stecken, den Text bewusst schwach zu halten, um ambitioniertere Länder zu Zugeständnissen an anderer Stelle zu bewegen. Es könnte aber auch sein, dass die Präsidentschaft den indischen Vorschlag schlichtweg ignoriert.
Auch andere ambitionierte Forderungen, wie ein Emissions-Peak 2025 oder ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer UN-Biodiversitätsvereinbarung auf der COP15 in Montreal, fehlten. “Grottenschlecht, unambitioniert und unfair”, beschreibt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, die ägyptische Präsidentschaft. Er kritisiert, dass die gesamte Dynamik auf der COP27 von den Ländern kommen müsse, die Präsidentschaft wolle kein ambitioniertes Ergebnis.
In Glasgow wurden die Länder noch zu aufgefordert, Technologien und politische Maßnahmen zu entwickeln, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Methanreduzierung, wurden aufgezeigt. Im Entwurf der ägyptischen Präsidentschaft wird die Notwendigkeit zum Handeln lediglich noch “anerkannt” – eine deutlich schwächere Formulierung.
In manchen Delegationen besteht deshalb die Sorge, dass die mögliche Mantelentscheidung in Sharm el-Sheikh vom Ambitionsniveau noch hinter die in Glasgow zurückfallen könnte. Beispielsweise ist auch ein etwas kryptischer Aufruf zur “Rationalisierung der ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe” die Rede. In Glasgow hieß es an dieser Stelle noch “Phase-down”.
Sollten die Beschlüsse aus Glasgow in diesem Jahr tatsächlich abgeschwächt werden, würde die EU dies nicht mittragen, machten mehrere Verhandler am Freitag deutlich. Christoph Bals würde diesen Schritt befürworten, auch wenn das Ergebnis wäre, dass es keine Einigung auf eine Mantelentscheidung gäbe. Ob die COP27 ein Erfolg wird, hänge ohnehin an anderen Texten, wie dem Mitigation Work Program und der Finanzierung von Loss and Damage. Das Motto bei der Cover Decision lautet: lieber kein Ergebnis als ein schlechtes.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) soll klären, welche Pflichten Staaten zum Schutz ihrer eigenen und anderer Bevölkerungen vor dem Klimawandel haben. Eine entsprechende Resolution Vanuatus unterstützten am Freitag 86 Staaten, darunter Deutschland, Costa Rica und Sierra Leone. Nach dem Ende des COP27-Klimagipfels in Ägypten wollen Vanuatu und seine Unterstützer eine Rechtsfrage formulieren, der UN-Generalversammlung Mitte Dezember zur Abstimmung vorlegen und dann dem IGH vorlegen. Der Weg benötigt eine einfache Mehrheit der UN-Generalversammlung.
Ein Gutachten des Gerichtshofs wäre in keiner Gerichtsbarkeit bindend, könnte aber künftige Klimaverhandlungen untermauern, indem es klärt, welche finanziellen Verpflichtungen die Länder im Zusammenhang mit dem Klimawandel haben. Das Gutachten soll Klarheit schaffen, “wie bestehende internationale Gesetze angewendet werden können, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verstärken, Menschen und die Umwelt zu schützen und das Pariser Abkommen zu retten”.
“Was wir diese Woche [auf der COP] gesehen haben, ist, dass die Verhandlungen für die Schwächsten nicht funktionieren. Vor allem, weil nicht klar ist, welche Verpflichtungen wir untereinander und gegenüber anderen Menschen haben”, sagte der Minister für Klimaanpassung von Vanuatu, Ralph Regenvanu. Die Idee für die Resolution stammt von einer Gruppe Jurastudenten aus den pazifischen Inseln. Der IGH ist das höchste Gericht der UN. nib/rtr
Der WWF hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie Unternehmen zusätzlichen Klimaschutz finanzieren sollten. Hintergrund ist das viel beklagte Greenwashing durch CO2-Kompensationen und die häufig irreführenden Netto-Null-Pläne von Unternehmen (Climate.Table berichtete).
Die Umweltorganisation hat nun ein “Nachfolgemodell für CO2-Kompensationen” vorgestellt. Die Unternehmen sollen “zusätzliche Mittel zur Finanzierung des globalen Klimaschutzes außerhalb ihrer Wertschöpfungsketten bereitstellen”. Im Unterschied zu Kompensationen gehe es dabei nicht darum, den Klima-Fußabdruck des Unternehmens durch CO2-Gutschriften aus Projekten außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette auszugleichen. Vielmehr sieht der WWF-Ansatz vor, einen Teil der weiterhin anfallenden Emissionen “schrittweise mit den Schadenskosten einer emittierten Tonne CO2e” (CO2-Äquivalent) zu bepreisen und daran anschließend zusätzliche Investitionen in Klimaschutz zu budgetieren. Als Beispiele für Investitionen nennt der WWF:
Um Greenwashing zu vermeiden, empfiehlt der WWF Unternehmen neben der Übernahme finanzieller Verantwortung:
“Ich bin Politikerin, und Politiker laufen nicht weg. Wir arbeiten drumherum”, sagte Sherry Rehman, Pakistans Ministerin für Klimawandel. Auf der COP27 war sie gefragt worden, ob die Entwicklungsländer den Raum verlassen würden, wenn ihre Forderung nach einer Finanzfazilität für Verluste und Schäden nicht erfüllt würde. Pakistan hat den rotierenden Vorsitz des Blocks der Entwicklungsländer, der G77 und Chinas inne. Rehman spricht also für sie.
Die Szene beschreibt Sherry Rehmans Haltung wohl am treffendsten. Sie ist unermüdlich. Manche würden sagen, dass sie gar keine andere Wahl hat. Rehman wurde von Premierminister Shahbaz Sharif zur Ministerin für Klimawandel ernannt, nachdem eine politische Krise zu einem Regierungswechsel geführt hatte.
Als ob das politische Chaos, die wirtschaftliche Talfahrt, die galoppierende Inflation, die Schuldenkrise und die schwindenden Devisenreserven nicht schon Herausforderung genug wären, um ein so großes Problem wie den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Wie schwierig ihre Aufgabe war, erfuhr die erste pakistanische Ministerin für Klimawandel bald.
Kurz nach Rehmans Amtsantritt erlebte Pakistan, wie ein Großteil des Subkontinents, Hitzewellen in Rekordhöhe. Später im Sommer erlebte Pakistan dann katastrophale Überschwemmungen. Etwa 1.700 Tote, 12.800 Verletzte, 1,4 Millionen zerstörte Häuser, 5,5 Millionen Hektar überschwemmtes Ackerland, 1,1 Millionen verlorene Tiere, 430 zerstörte Brücken und 13.000 Kilometer zerstörte Straßen. So sehen Verluste und Schäden konkret aus, die bei der COP27 unter dem technischen Begriff “Loss and Damage” verhandelt werden.
Eine wirklich schwierige Situation, wenn man die großen wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes bedenkt. Die südpakistanische Provinz Sindh, die zu den am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten gehört, ist die Heimat von Sherry Rehman. Da sie in Karachi, Sindh, aufgewachsen ist, hatte die Verwüstung einen persönlichen Bezug. Sindh ist auch der Ort, an dem sie in die pakistanische Nationalversammlung gewählt wurde, zunächst 2002, dann erneut 2008. Und 2015 wurde sie dann in den pakistanischen Senat gewählt.
Als ehemalige Journalistin – sie verfügt über 20 Jahre Erfahrung im Print- und Rundfunkbereich und war Redakteurin des Herald, eines Nachrichtenmagazins mit Sitz in Pakistan – kannte Rehman die Macht der Medien. Sie hatte eine Geschichte zu erzählen und eine Mission – die Welt dazu zu bringen, aufzuwachen und zu erkennen, was eine solche totale Verwüstung für echte Menschen in einem armen Entwicklungsland bedeuten kann.
Rehmans Medienrunden und ihre aufrüttelnden Reden über Reparationen und Klimakolonialismus erregten Aufmerksamkeit. Als ehemalige pakistanische Botschafterin in den Vereinigten Staaten kannte sie die diplomatischen Kreise und Feinheiten gut genug, um ihre Botschaft und ihr Thema in den Mittelpunkt zu stellen.
Rehman, die bereits als Oppositionsführerin im Senat tätig war, weiß, wie wichtig es ist, unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Genau diese Fähigkeiten setzt Rehman als Vorsitzende des 134 Mitglieder starken Blocks der Entwicklungsländer ein.
Trotz divergierender nationaler Interessen ist es der pakistanischen Ministerin gelungen, die Gruppe der Entwicklungsländer zusammenzuhalten. “Hoffnung”, sagt sie, “ist kein Plan”. Urmi Goswami
die COP27 geht offiziell in die Verlängerung. Zu viele offene Fragen bestanden bei den großen Themen Finanzen und Mitigation. Doch am letzten offiziellen Tag gab es einen neuen Vorstoß beim Thema Loss and Damage. Die EU hat einen überraschenden Vorschlag zur Finanzierung gemacht. Er signalisiert neue Kompromissbereitschaft und könnte die Allianz der Entwicklungsländer und China sprengen, analysiert Bernhard Pötter.
Beim Fußball hätte die ägyptische COP-Präsidentschaft eine Gelbe Karte wegen Zeitspiels erhalten. Doch was auf dem grünen Rasen manchmal sinnvoll ist – die Spielverzögerung – sorgt auf einer ohnehin anstrengenden globalen Konferenz für schlechte Stimmung. Lukas Scheid berichtet über eine schwache Präsidentschaft, die erst spät Textvorschläge vorgelegt hat, keine Kompromisse sucht, nicht anleitet. Es könnte gut sein, dass die COP27 ohne Mantelentscheidung endet. Das wirft kein gutes Licht auf Sharm al Sheik.
Wir bleiben für Sie am Ball!
Mit einem überraschenden Vorschlag zur “Verlust und Schaden” (L&D)-Debatte hat die EU am letzten offiziellen Tag der COP27 alle andere Länder in Zugzwang gebracht – und sich als unerwartete neue Klima-Supermacht etabliert. Der europäische Vorstoß hat die USA isoliert und eine neue Allianz der verwundbarsten Länder mit der EU möglich gemacht. Auf jeden Fall hat die Idee die Konferenz unter Spannung gesetzt. Nun wird mindestens einen Tag länger als geplant verhandelt.
Gleichzeitig hat sich die EU klimapolitisch so exponiert wie noch nie. Ihr Vorstoß hat das Potenzial und die Absicht, die Gruppe von China/G77 zu spalten. Wenn das erfolgreich ist, wird es die Balance der Klimaverhandlungen für die nächsten Jahre verändern und neue Machtkonstellationen eröffnen.
Der überraschende Vorstoß von EU-Klimakommissar Frans Timmermans kam am späten Donnerstagabend. Er macht Zugeständnisse an die Entwicklungsländer bei der künftigen Finanzierung von Verlusten und Schäden. Und er verknüpft sie mit mehr Ehrgeiz bei den Klimazielen.
Die EU will mit ihrem Vorstoß unter anderem:
Der Vorschlag wurde von Timmermans im Plenum angekündigt. Es gibt bislang keinen offiziellen Text. Er wurde allerdings nach Angaben der EU an die COP-Präsidentschaft übergeben. Dort muss er nun mit anderen, gegensätzlichen Vorschlägen zu einem Kompromisspapier vereinigt werden. Über diesen Vorschlag wollen sich die Delegierten mindestens in der Nacht zum Samstag und am Samstag beschäftigen.
Timmermans antwortete mit seinem Vorstoß auf eine Vorlage der Gruppe China/G77. Darin wurden Maximalforderungen nach einem Fonds gestellt, der von den Entwicklungsländern betrieben und von den Industrieländern gefüllt werden sollte (Climate.Table berichtete).
Noch am Montagabend war nach Angaben von Beobachtern ein internes Treffen der “High Ambition Group” gescheitert, in dem die EU mit Partnern eine Lösung für das Problem L&D-Finanzierung finden wollte. Kurz darauf legte China/G77 ihre Forderungen vor, die für viele Industrieländer inakzeptabel sind.
Nun hat der Timmermans Vorstoß die Situation radikal gedreht: Plötzlich ist die EU in der Offensive. China und die USA – die gerade wieder begonnen haben, miteinander zu reden – müssen reagieren. Und die EU hat etwa durch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verkündet, im Zweifel werde man auch ein Scheitern der Konferenz hinnehmen: “Schlimmer als kein Ergebnis” wäre ein Ergebnis, das hinter die Beschlüsse der COP26 zurückfalle, sagte Baerbock am Freitag.
Bei Timmermans Vortag im Plenum am Donnerstag gab es erste positive Reaktionen, etwa von der IEG-Gruppe um die Schweiz und Norwegen. Auch manche G77-Staaten äußerten sich positiv. Bleiben diese Staaten nun auch im entscheidenden Schluss-Plenum bei ihrer Zustimmung, würde das die China/G77-Gruppe zumindest in diesem Punkt sprengen. Sie hat in den letzten Jahrzehnten als Interessenvertretung von inzwischen 134 Staaten gegen den globalen Norden die Interessen der Südländer vertreten. Mit zunehmendem Wohlstand und steigenden CO2-Emissionen in Staaten wie China, Indien, Südkorea, Indonesien oder Mexiko haben sich Interessen der ärmsten und verwundbarsten Staaten immer weiter von denen der reichen Schwellenländer entfernt.
Doch gegen die USA und die Europäer haben die Länder bisher immer zusammengehalten. Nun sehen die Europäer eine Chance, diesen Zusammenhalt zu knacken. Aus ihrer Sicht sorgt China mit politischem Druck und wirtschaftlichem Einfluss in vielen dieser Staaten für Wohlverhalten und Abstimmung im Sinne Pekings. Für den globalen Norden ist Pekings Klimapolitik auch ein Teil seiner geostrategischen Ausrichtung.
Auf der anderen Seite hat China die armen Länder immer unterstützt, wenn es etwa darum ging, den globalen Norden zu kritisieren: Etwa, wenn die versprochenen 100 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung pro Jahr ab 2020 nicht erreicht wurden.
Bereits am Beginn der Konferenz hatte es in der G77 geknirscht: Indien hatte vorgeschlagen, in der Schlusserklärung zu fordern, nicht nur Kohle, sondern auch Öl und Gas zurückzufahren (Climate.Table berichtete). G77-Staaten wie Antigua und Barbuda, Kolumbien oder Ghana hatten sich der Forderung angeschlossen, die die ägyptische Präsidentschaft aber bislang nicht in die Abschlussdokumente aufgenommen hat. Andere, unter ihnen Saudi-Arabien, hatten den Vorschlag gegen alle fossilen Energien mit deutlichen Worten abgelehnt.
China hat in der aktuellen Debatte wiederholt klargemacht, dass es zwar einen L&D-Fonds für die ärmeren Länder will. Aber Peking scheut die Debatte, ob auch andere Länder jenseits der klassischen Industriestaaten in den Fonds einzahlen sollen. China oder die Ölstaaten des Golfs wollen nicht in diese Verantwortung geraten. Auch eine Zusage, die globalen Emissionen nach 2025 sinken zu lassen – was die Forderung der Wissenschaft nach Erreichung des 1,5-Grad-Ziels entspricht – würde Länder wie China und Indien in ihren nationalen Wachstumsplänen einschränken.
Als eine “Verzweiflungstat der EU angesichts des Stillstands in den Verhandlungen” bezeichnet Christoph Bals von der NGO Germanwatch den EU-Vorschlag. Denn die Europäer hätten sich viel früher einigen und Verbündete für diesen Vorschlag suchen können. Der Vorschlag könne die Konferenz aber zu einem Erfolg machen, wenn sowohl die USA als auch China durch ihn gezwungen würden, mehr Ehrgeiz bei L&D-Finanzierung und Emissionsreduktion zu zeigen. “Die Debatte um Chinas Beiträge für solche Fonds wird nach 2025 ohnehin kommen”, so Bals.
Der Ärger über die Verhandlungsführung der ägyptischen COP-Präsidentschaft ist zum Ende der Konferenz groß. Im Kreis der EU-Delegation wird sogar erwogen, der Cover Decision nicht zuzustimmen. Mehrere EU-Verhandler hatten sich bereits früh in der zweiten COP-Woche skeptisch geäußert, ob die ägyptische Präsidentschaft der COP27 ihrer Rolle gerecht wird. Sie sei nahezu unsichtbar, leite nicht an, bemühe sich nicht um Kompromisse, so hört man. Der Unterschied zum vergangenen Jahr in Glasgow könnte größer nicht sein, als Alok Sharma als britischer COP-Präsident geschickt versuchte, alle Parteien zu Kompromissen zu bewegen. Sharma gab regelmäßig Informationen über den Verhandlungsstand heraus und den einzelnen Ländern dadurch immer neue Spielräume.
Entsprechend groß ist die Sorge bereits die ganze Woche über gewesen, welches Ergebnis in Sharm el-Sheikh möglich ist. Erfahrene Verhandler sprachen von schlechter Stimmung und außergewöhnlich stressigen Verhandlungen. Die Passivität der Ägypter zeigt sich insbesondere bei der fehlenden Bemühung, einen Abschlusstext dieser COP zu formulieren.
Diese sogenannte Cover Decision ist keine Pflicht. Doch diese – zu Deutsch – Mantelentscheidung legt die wichtigsten politischen Ziele und Vorgaben einer COP in einem Dokument fest. Der Glasgow Climate Pact bei der COP26 war eine logische Auflistung des Erreichten. Gelöste Agendapunkte, zahlreiche Pledges und auch der “Fossil Phase-down” wurden verankert und verhalfen der britischen Präsidentschaft zu einer erfolgreichen COP. Die Cover Decision ist das, woran sich eine Präsidentschaft messen lassen kann.
Auf der COP27 regt sich aufgrund dieser Abschlusserklärung nun massiver Ärger. Die Präsidentschaft hatte erst Mitte der Woche eine grobe Liste mit möglichen Punkten vorgelegt, die sie laut eigenen Angaben nach eigener Priorisierung zusammengestellt hat. Am Donnerstag folgte dann eine weitere Liste – statt sechs waren es plötzlich 20 Seiten – und darin indessen nicht mehr die eigenen Vorschläge, sondern die der anderen Parteien. “Es war kein Dokument der Präsidentschaft“, betonte Wael Aboulmagd, Verhandlungsführer der Ägypter am Freitag. Eine solche willkürliche Ideensammlung ist zwar nicht unüblich, kam aber reichlich spät, um den Ländern noch Verhandlungsspielraum zu geben.
Am Freitagmorgen, dem eigentlich letzten COP-Tag, war der erste echte Textvorschlag der Präsidentschaft erschienen. Der späte Termin zeigt, die Präsidentschaft rechnet dem Abschlussdokument nicht die allergrößte Bedeutung zu. Und auch für einige europäische Verhandler steht mittlerweile fest, dass sie den Erfolg dieser COP nicht an der Beschließung einer Mantelentscheidung festmachen.
Am Freitag war noch unklar, ob der in Glasgow beschlossene “Phase-down” der Kohle auch auf andere fossile Energieträger ausgeweitet werden würde. Im Entwurf fehlte eine solche Formulierung, obwohl der Vorstoß Indiens für das Herunterfahren aller Fossilen großen Anklang, auch in Europa fand. Dahinter könnte eine Strategie Ägyptens stecken, den Text bewusst schwach zu halten, um ambitioniertere Länder zu Zugeständnissen an anderer Stelle zu bewegen. Es könnte aber auch sein, dass die Präsidentschaft den indischen Vorschlag schlichtweg ignoriert.
Auch andere ambitionierte Forderungen, wie ein Emissions-Peak 2025 oder ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer UN-Biodiversitätsvereinbarung auf der COP15 in Montreal, fehlten. “Grottenschlecht, unambitioniert und unfair”, beschreibt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, die ägyptische Präsidentschaft. Er kritisiert, dass die gesamte Dynamik auf der COP27 von den Ländern kommen müsse, die Präsidentschaft wolle kein ambitioniertes Ergebnis.
In Glasgow wurden die Länder noch zu aufgefordert, Technologien und politische Maßnahmen zu entwickeln, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Methanreduzierung, wurden aufgezeigt. Im Entwurf der ägyptischen Präsidentschaft wird die Notwendigkeit zum Handeln lediglich noch “anerkannt” – eine deutlich schwächere Formulierung.
In manchen Delegationen besteht deshalb die Sorge, dass die mögliche Mantelentscheidung in Sharm el-Sheikh vom Ambitionsniveau noch hinter die in Glasgow zurückfallen könnte. Beispielsweise ist auch ein etwas kryptischer Aufruf zur “Rationalisierung der ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe” die Rede. In Glasgow hieß es an dieser Stelle noch “Phase-down”.
Sollten die Beschlüsse aus Glasgow in diesem Jahr tatsächlich abgeschwächt werden, würde die EU dies nicht mittragen, machten mehrere Verhandler am Freitag deutlich. Christoph Bals würde diesen Schritt befürworten, auch wenn das Ergebnis wäre, dass es keine Einigung auf eine Mantelentscheidung gäbe. Ob die COP27 ein Erfolg wird, hänge ohnehin an anderen Texten, wie dem Mitigation Work Program und der Finanzierung von Loss and Damage. Das Motto bei der Cover Decision lautet: lieber kein Ergebnis als ein schlechtes.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) soll klären, welche Pflichten Staaten zum Schutz ihrer eigenen und anderer Bevölkerungen vor dem Klimawandel haben. Eine entsprechende Resolution Vanuatus unterstützten am Freitag 86 Staaten, darunter Deutschland, Costa Rica und Sierra Leone. Nach dem Ende des COP27-Klimagipfels in Ägypten wollen Vanuatu und seine Unterstützer eine Rechtsfrage formulieren, der UN-Generalversammlung Mitte Dezember zur Abstimmung vorlegen und dann dem IGH vorlegen. Der Weg benötigt eine einfache Mehrheit der UN-Generalversammlung.
Ein Gutachten des Gerichtshofs wäre in keiner Gerichtsbarkeit bindend, könnte aber künftige Klimaverhandlungen untermauern, indem es klärt, welche finanziellen Verpflichtungen die Länder im Zusammenhang mit dem Klimawandel haben. Das Gutachten soll Klarheit schaffen, “wie bestehende internationale Gesetze angewendet werden können, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verstärken, Menschen und die Umwelt zu schützen und das Pariser Abkommen zu retten”.
“Was wir diese Woche [auf der COP] gesehen haben, ist, dass die Verhandlungen für die Schwächsten nicht funktionieren. Vor allem, weil nicht klar ist, welche Verpflichtungen wir untereinander und gegenüber anderen Menschen haben”, sagte der Minister für Klimaanpassung von Vanuatu, Ralph Regenvanu. Die Idee für die Resolution stammt von einer Gruppe Jurastudenten aus den pazifischen Inseln. Der IGH ist das höchste Gericht der UN. nib/rtr
Der WWF hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie Unternehmen zusätzlichen Klimaschutz finanzieren sollten. Hintergrund ist das viel beklagte Greenwashing durch CO2-Kompensationen und die häufig irreführenden Netto-Null-Pläne von Unternehmen (Climate.Table berichtete).
Die Umweltorganisation hat nun ein “Nachfolgemodell für CO2-Kompensationen” vorgestellt. Die Unternehmen sollen “zusätzliche Mittel zur Finanzierung des globalen Klimaschutzes außerhalb ihrer Wertschöpfungsketten bereitstellen”. Im Unterschied zu Kompensationen gehe es dabei nicht darum, den Klima-Fußabdruck des Unternehmens durch CO2-Gutschriften aus Projekten außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette auszugleichen. Vielmehr sieht der WWF-Ansatz vor, einen Teil der weiterhin anfallenden Emissionen “schrittweise mit den Schadenskosten einer emittierten Tonne CO2e” (CO2-Äquivalent) zu bepreisen und daran anschließend zusätzliche Investitionen in Klimaschutz zu budgetieren. Als Beispiele für Investitionen nennt der WWF:
Um Greenwashing zu vermeiden, empfiehlt der WWF Unternehmen neben der Übernahme finanzieller Verantwortung:
“Ich bin Politikerin, und Politiker laufen nicht weg. Wir arbeiten drumherum”, sagte Sherry Rehman, Pakistans Ministerin für Klimawandel. Auf der COP27 war sie gefragt worden, ob die Entwicklungsländer den Raum verlassen würden, wenn ihre Forderung nach einer Finanzfazilität für Verluste und Schäden nicht erfüllt würde. Pakistan hat den rotierenden Vorsitz des Blocks der Entwicklungsländer, der G77 und Chinas inne. Rehman spricht also für sie.
Die Szene beschreibt Sherry Rehmans Haltung wohl am treffendsten. Sie ist unermüdlich. Manche würden sagen, dass sie gar keine andere Wahl hat. Rehman wurde von Premierminister Shahbaz Sharif zur Ministerin für Klimawandel ernannt, nachdem eine politische Krise zu einem Regierungswechsel geführt hatte.
Als ob das politische Chaos, die wirtschaftliche Talfahrt, die galoppierende Inflation, die Schuldenkrise und die schwindenden Devisenreserven nicht schon Herausforderung genug wären, um ein so großes Problem wie den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Wie schwierig ihre Aufgabe war, erfuhr die erste pakistanische Ministerin für Klimawandel bald.
Kurz nach Rehmans Amtsantritt erlebte Pakistan, wie ein Großteil des Subkontinents, Hitzewellen in Rekordhöhe. Später im Sommer erlebte Pakistan dann katastrophale Überschwemmungen. Etwa 1.700 Tote, 12.800 Verletzte, 1,4 Millionen zerstörte Häuser, 5,5 Millionen Hektar überschwemmtes Ackerland, 1,1 Millionen verlorene Tiere, 430 zerstörte Brücken und 13.000 Kilometer zerstörte Straßen. So sehen Verluste und Schäden konkret aus, die bei der COP27 unter dem technischen Begriff “Loss and Damage” verhandelt werden.
Eine wirklich schwierige Situation, wenn man die großen wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes bedenkt. Die südpakistanische Provinz Sindh, die zu den am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten gehört, ist die Heimat von Sherry Rehman. Da sie in Karachi, Sindh, aufgewachsen ist, hatte die Verwüstung einen persönlichen Bezug. Sindh ist auch der Ort, an dem sie in die pakistanische Nationalversammlung gewählt wurde, zunächst 2002, dann erneut 2008. Und 2015 wurde sie dann in den pakistanischen Senat gewählt.
Als ehemalige Journalistin – sie verfügt über 20 Jahre Erfahrung im Print- und Rundfunkbereich und war Redakteurin des Herald, eines Nachrichtenmagazins mit Sitz in Pakistan – kannte Rehman die Macht der Medien. Sie hatte eine Geschichte zu erzählen und eine Mission – die Welt dazu zu bringen, aufzuwachen und zu erkennen, was eine solche totale Verwüstung für echte Menschen in einem armen Entwicklungsland bedeuten kann.
Rehmans Medienrunden und ihre aufrüttelnden Reden über Reparationen und Klimakolonialismus erregten Aufmerksamkeit. Als ehemalige pakistanische Botschafterin in den Vereinigten Staaten kannte sie die diplomatischen Kreise und Feinheiten gut genug, um ihre Botschaft und ihr Thema in den Mittelpunkt zu stellen.
Rehman, die bereits als Oppositionsführerin im Senat tätig war, weiß, wie wichtig es ist, unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Genau diese Fähigkeiten setzt Rehman als Vorsitzende des 134 Mitglieder starken Blocks der Entwicklungsländer ein.
Trotz divergierender nationaler Interessen ist es der pakistanischen Ministerin gelungen, die Gruppe der Entwicklungsländer zusammenzuhalten. “Hoffnung”, sagt sie, “ist kein Plan”. Urmi Goswami